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Krankheitseinsicht, dynamisch getestete Exekutivfunktionen und ...

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Diskussion<br />

sozialer Konsequenzen: AMADOR et al., 1993) droht dabei jedoch die Konvergenz auf ein<br />

theoretisches Konstrukt.<br />

Es sollen im Folgenden mögliche Ursachen für die ansonsten ausgebliebenen Zusammenhänge<br />

von Bewältigungsstilen <strong>und</strong> <strong>Krankheitseinsicht</strong> diskutiert werden. Hier ist<br />

zunächst an die innerhalb der Coping-Forschung geführte Diskussion um die Validität<br />

retrospektiver Messungen (wie im CST) zur Erfassung des Bewältigungsverhaltens in<br />

konkreten Situationen zu denken. Es konnten vielfach nur moderate Übereinstimmungen<br />

der Ergebnisse retrospektiver <strong>und</strong> zeitnaher Messungen gef<strong>und</strong>en werden (vgl. TODD,<br />

TENNEN, CARNEY, ARMELI & AFFLECK, 2004). Solche ereignisnahen Methoden umfassen<br />

Tagebücher (WIEDL & RAUH, 1994) <strong>und</strong> Techniken der wiederholten situativen »Momentaufnahme«<br />

(Ecological Momentary Assessment, EMA; Experience-Sampling, ES) mittels<br />

elektronischer Geräte, wie sie zur Abklärung der Entwicklungs- <strong>und</strong> Situationsdynamik<br />

psychotischer Symptome verwendet werden (z. B. OORSCHOT, KWAPIL, DELESPAUL &<br />

MYIN-GERMEYS, 2009). Mit einer Verzerrung der retrospektiven Selbsteinschätzung durch<br />

neuro- <strong>und</strong> metakognitive Faktoren muss gerade bei Menschen mit Schizophrenie-<br />

Diagnosen gerechnet werden (ALEMAN et al., 1999).<br />

Ebenfalls diskutiert wird die Angemessenheit einer dispositionellen Perspektive bzw. die<br />

Validität von Trait-Fragebögen (z. B. FKV) zur Vorhersage spezifischer Reaktionen auf<br />

unterschiedliche Bewältigungsobjekte: Möglicherweise war die Annahme einer hohen<br />

transsituationalen Stabilität des Bewältigungsverhaltens zu optimistisch. Um von Reaktionen<br />

auf abstrakte Stressor-Kategorien (»Krankheit«) bzw. auf individuelle, wählbare<br />

Bewältigungsobjekte (z. B. Konflikte mit Familienmitgliedern) auf die Krankheitsverarbeitung<br />

bei Schizophrenie schließen zu können, muss vorausgesetzt werden, dass Patienten<br />

mit Schizophrenie-Diagnosen eine uniforme Art des Umgangs mit Belastungen pflegen. Ist<br />

dies nicht der Fall, muss die interne Validität der gewählten Methode diskutiert werden: In<br />

Kapitel 5 wurde dargelegt, dass Schizophrenie häufig sowohl symptomzentriertes Coping<br />

als auch eine Anpassung an eine veränderte Lebenswelt notwendig macht (WIEDL &<br />

SCHÖTTNER, 1989a), also eine Fülle von Bewältigungsobjekten mit unterschiedlichen<br />

adaptiven Anforderungen <strong>und</strong> Coping-Reaktionen hervorbringt. Inter- <strong>und</strong> intrapersonelle<br />

Unterschiede sind aufgr<strong>und</strong> der verschiedenen Erscheinungs-, Ausprägungs- <strong>und</strong> Verlaufsformen<br />

der Erkrankung zu erwarten. Diese Heterogenität sollte sowohl die individuelle<br />

Konzeption der Erkrankung als Bewältigungsobjekt (d. h. die Krankheitsrepräsentation) als<br />

auch das Spektrum der Bewältigungsobjekte beeinflussen. Die Erfassung von Coping über<br />

ein globales Trait-Maß mit großem Deutungsspielraum <strong>und</strong> ein Instrument mit wählbarem<br />

Bewältigungsobjekt (FKV bzw. CST) läuft daher Gefahr, das personale <strong>und</strong> Stressor-<br />

Variabilität konf<strong>und</strong>iert sind (vgl. ALDWIN, 2007).<br />

Hiermit zusammen hängt das Problem der Intentionalität von Bewältigung, also der<br />

»Stellungnahme des Kranken zur Krankheit« (JASPERS, 1920): Zwar kann anhand der<br />

Messung nicht entschieden werden, ob ein Zustand »wirklich« uneinsichtig ist. Wo dies<br />

allerdings der Fall ist, befindet sich das Individuum (noch) nicht in einem krankheitsspezifischen<br />

Bewältigungsprozess <strong>und</strong> orientiert sich notwendigerweise an früheren Erfahrungen<br />

mit anderen Erkrankungen, die aufgr<strong>und</strong> geringerer Bedrohlichkeit oder einer hohen<br />

Coping-Variabilität möglicherweise keine defensiven Reaktionen auslösen – oder überhaupt<br />

keine Coping-Reaktion (STONE, GREENBERG, KENNEDY-MOORE & NEWMAN, 1991).<br />

Ist Einsicht hingegen gegeben, werden Respondenten häufig auf die in ihrem Leben<br />

saliente Schizophrenie-Erkrankung reagieren, auch wenn dies nicht direkt evoziert wird.<br />

Dies kann, je nach fokussiertem Erkrankungsaspekt <strong>und</strong> personalen Ressourcen, eher<br />

annähernd <strong>und</strong> problemorientiert oder vermeidend <strong>und</strong> emotionsorientiert erfolgen. Die

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