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Krankheitseinsicht, dynamisch getestete Exekutivfunktionen und ...

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6.4 Über die Motivation zur defensiven Verarbeitung:<br />

Selbst-Stigmatisierung bei Psychose-Erkrankungen<br />

118<br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

»I do not like walking aro<strong>und</strong> with this thing on me that says I am schizophrenic. I<br />

mean, you know, if I was just thought to be schizophrenic I wouldn’t have much chance<br />

at all … because people would be thinking of me as having psychosis all the times<br />

and schizoaffective is really a different thing.«<br />

Patient »Peter« (ROE & KRAVETZ, 2003, S. 421)<br />

»People are not afraid of a diabetes patient. A diabetes patient would probably feel<br />

free to tell anyone that he or she has diabetes, without expecting possible rejection or<br />

shunning. I have frequently been warned by health professionals never to tell anyone,<br />

apart from close family, the name of my sickness. Diabetes patients can even tell an<br />

employer about their disease, whereas schizoaffective patients would be most unwise<br />

to.« (ANONYMUS, 2007, S. 847)<br />

In den Ausführungen zu subjektiven Krankheitsmodellen bei Schizophrenie wurde deutlich,<br />

dass Zusammenhänge zwischen Krankheitskognitionen <strong>und</strong> negativer Emotionalität<br />

bestehen. Diese betreffen v. a. die Erwartungen, dass die Erkrankung von Dauer sein wird,<br />

geringe Kontrollmöglichkeiten bestehen, der soziale Status gesenkt <strong>und</strong> die Identität auf die<br />

Krankenrolle reduziert wird (LALLY, 1998). »Postpsychotische Depression« ist in dieser<br />

Sichtweise zumindest bei einem Teil der Betroffenen kein natürliches Erkrankungsschicksal,<br />

sondern das Resultat maladaptiver Bewertungs- <strong>und</strong> Bewältigungsprozesse. Um diese<br />

zu verstehen, soll das Forschungsfeld der Stigmatisierung bei psychischen Erkrankungen<br />

gestreift werden, das eine Antwort auf die naheliegende Frage gibt, was Menschen mit<br />

Schizophrenie-Diagnosen motivieren könnte, in der Einschätzung der Dauer oder Identität<br />

ihrer Erkrankung von der Expertenmeinung abzuweichen.<br />

In ihrer Konzeptualisierung von »Stigma« aus der von GOFFMAN (1963) begründeten soziologischen<br />

Perspektive nennen LINK <strong>und</strong> PHELAN (2001) fünf definitorische Bestimmungsstücke<br />

einer Stigmatisierung: Erstens werden Menschen in einem Prozess sozialer<br />

Konstruktion <strong>und</strong> Selektion anhand bestimmter Merkmale differenziert <strong>und</strong> die so<br />

gebildeten Gruppen mit einem Etikett (engl. label) versehen (z. B. »Schizophrene«). Die<br />

Salienz der zur Unterscheidung herangezogenen Attribute variiert dabei in Abhängigkeit<br />

von soziokulturellen <strong>und</strong> historischen Strömungen.<br />

Zweitens werden die Etiketten mit Stereotypen verknüpft, die im Fall der Stigmatisierung<br />

als negativ bewertete Eigenschaften einschließen (d. h. Vorurteile, wie das, »Schizophrene«<br />

seien unberechenbar <strong>und</strong> gewalttätig). Viele Studien zeigen eindeutig, dass derartige<br />

Vorurteile über Menschen mit psychischen Erkrankungen in der Population weit<br />

verbreitet sind (ANGERMEYER & DIETRICH, 2006).<br />

Drittens kommt es zu einer Art Reifikation des Etiketts: Die stigmatisierte Gruppe wird<br />

betrachtet, als sei sie nicht nur eine soziale Konstruktion, sondern f<strong>und</strong>amental verschieden.<br />

Viertens stellen die Etikettierung, Stereotypisierung <strong>und</strong> Ausgrenzung die Gr<strong>und</strong>lage<br />

für einen Abstieg in der sozialen Hierarchie (Statusverlust) sowie individuelle <strong>und</strong> strukturelle<br />

Diskriminierung dar.

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