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Krankheitseinsicht, dynamisch getestete Exekutivfunktionen und ...

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<strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

äußerst knapp zugunsten der Hypothese aus (s. YOUNG et al., 1998; MOORE et<br />

al., 1999; KRUCK et al., 2009). Gerade Defensivität wurde bislang nicht in multifaktorielle<br />

Modelle (STARTUP, 1996) eingearbeitet. Hier wurde eine moderierende<br />

Rolle der Ambiguität angenommen: Interessant ist in diesem Zusammenhang<br />

eine Hypothese von LALLY (1989) <strong>und</strong> THOMPSON et al. (2001), die<br />

einen Abbau von Leugnung mit zunehmender Erkrankungsdauer voraussagen.<br />

Auch wurde der Einfluss von Defensivität v. a. für asymptomatische Erkrankungsphasen<br />

vorhergesagt. Im Bereich der Unterstützungs- <strong>und</strong> Coping-<br />

Forschung konvergieren verschiedene Bef<strong>und</strong>e auf eine besondere Rolle sozialer<br />

Bewältigungsformen <strong>und</strong> Ressourcen. Die Wirkrichtung (reaktive soziale<br />

Bewältigung vs. soziale Normalisierung) konnte bislang nicht geklärt werden.<br />

Im Folgenden werden zusätzlich zu den Bef<strong>und</strong>en zum sozialen Coping auch<br />

Korrelationen von Einsicht mit der Größe des sozialen Netzwerks berichtet, was<br />

einen bidirektionalen Zusammenhang wahrscheinlich macht.<br />

6.5.15 Soziokulturelle Lern-Hypothesen<br />

Aus der Perspektive der – in dieser Arbeit so bezeichneten – »soziokulturellen Lernmodelle«<br />

ist die Genese von Einsicht bzw. die Übernahme von Krankheitsmodellen ein Geschehen,<br />

das nur unter Berücksichtigung des sozialen <strong>und</strong> kulturellen Kontextes angemessen<br />

verstanden werden kann: Menschen, die psychotische Phänomene erleben, konstruieren<br />

ein Modell dieser Erfahrung notwendigerweise unter Rekurs auf Information aus ihrer<br />

sozialen Umwelt (d. h. Familie <strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>e, Behandlungspersonal, Massenmedien), die<br />

wiederum in einen kulturellen Kontext eingebettet ist. Dies wurde bereits im Einsichtsmodell<br />

von MARKOVÁ <strong>und</strong> BERRIOS (1995a) für die Entstehung der Bewusstheit nichterlebenspflichtiger<br />

Verhaltenssymptome berücksichtigt.<br />

Arbeiten, die sich unter diese konzeptuelle Perspektive subsumieren lassen, thematisieren<br />

Art <strong>und</strong> Verfügbarkeit einsichtsrelevanter Information, etwa in Form der Forschung<br />

zur Auswirkung von Erkrankungsdauer <strong>und</strong> zu Krankheitsmodellen von Patienten aus<br />

außerokzidentalen Kulturen. Modelle dieser theoretischen Provenienz sind kompatibel mit<br />

anderen Ätiologien, da sie keine Annahmen über die Verarbeitung der thematisierten<br />

Information machen.<br />

6.5.15.1 Kulturelle Distanz-Hypothesen<br />

Ausgehend von einer Auffassung von Einsicht als Übernahme eines kulturspezifischen<br />

explanativen Modells der Schizophrenie weisen Vertreter Kultureller-Distanz-Hypothesen<br />

darauf hin, dass Angehörige ethnischer Minderheiten aus außereuropäischen, nichtindustrialisierten<br />

Ländern psychotische Phänomene häufig übernatürlichen Ursachen<br />

zuschreiben (z. B. MCCABE & PRIEBE, 2004; SARAVANAN, DAVID, BHUGRA, PRINCE & JACOB,<br />

2005; CONRAD et al., 2007). Psychopathologie-Experten der weißen, europäischen Ethnie,<br />

die ein biomedizinisches Modell verträten, würden entsprechend häufiger mangelnde<br />

Einsicht wahrnehmen (SARAVANAN et al., 2007). Diese soziokulturelle Erklärung mangelnder<br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong> ist eng verwandt mit der Diskussion um einen kulturellen diagnostischen<br />

Bias weißer Psychiater bei anglokaribischen <strong>und</strong> afroamerikanischen Patienten<br />

(NEIGHBORS, TRIERWEILER, FORD & MUROFF, 2003; HICKLING, MCKENZIE, MULLEN &<br />

MURRAY, 1999).

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