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Krankheitseinsicht, dynamisch getestete Exekutivfunktionen und ...

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<strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

WARNER, TAYLOR, POWERS <strong>und</strong> HYMAN (1989) fanden, dass nicht nur Stereotypen-Zustimmung<br />

(Stigmatisierung) <strong>und</strong> die Übernahme eines psychiatrischen Etiketts (<strong>Krankheitseinsicht</strong>),<br />

sondern auch ihre Interaktion einen niedrigeren Selbstwert von Patienten mit<br />

Psychose-Erkrankungen vorhersagten (ges. R 2 = .36, p < .001). Die Autoren bedienten sich<br />

dabei eines semantischen Differentials, auf dem »the average mentally ill person«<br />

eingeschätzt werden sollte (z. B. »predictable – unpredictable«). Bei MECHANIC, MCALPINE,<br />

ROSENFIELD <strong>und</strong> DAVIS (1994) wiesen Personen, die eine mutmaßlich weniger stigma-<br />

tisierende biomedizinische Kausalattribution ihrer Erkrankung vornahmen (vgl. CORRIGAN<br />

& WATSON, 2004), positivere soziale Beziehungen <strong>und</strong> eine höhere Lebensqualität auf.<br />

Aus den geschilderten Theorien <strong>und</strong> Bef<strong>und</strong>en zum Stigma der Schizophrenie <strong>und</strong><br />

seinen Folgen lässt sich unmittelbar eine Motivation von Menschen mit Schizophrenie-<br />

Diagnosen ableiten, ihr Stigma (d. h. die Erkrankung) entweder bewusst zu verheimlichen<br />

(LINK et al., 1989) oder dem Expertenmodell eine defensive, selbstwertdienliche Interpretation<br />

entgegenzusetzen – z. B. das Etikett der Erkrankung anzuzweifeln oder die Zugehörigkeit<br />

zur stigmatisierten Gruppe als zeitlich begrenzt zu betrachten (vgl. BREZNITZ, 1988;<br />

GREENFELD et al., 1989; LALLY, 1989; ROE & KRAVETZ, 2003). Darüber hinaus wird<br />

diskutiert, ob Patienten nicht auch Psychopharmaka-Einnahme <strong>und</strong> Behandlungsteilnahme<br />

als stigmatisierend auffassen (SAJATOVIC & JENKINS, 2007) <strong>und</strong> verheimlichen könnten.<br />

Ersten Bef<strong>und</strong>en zufolge scheint die Stigmatisierung, die mit psychiatrischer Behandlung<br />

verb<strong>und</strong>en ist, der Adhärenz abträglich zu sein (FUNG, TSANG & CORRIGAN, 2008; CORRIGAN<br />

& RÜSCH, 2002).<br />

Während wiederholt Korrelationen von subjektiver Stigmatisierung <strong>und</strong> negativer Emotionalität<br />

gef<strong>und</strong>en werden konnten, blieb die Bef<strong>und</strong>lage für Positiv- <strong>und</strong> Negativsymptomatik<br />

bislang inkonsistent: DICKERSON et al. (2002) fanden z. B. keine Zusammenhänge<br />

zwischen Stigmatisierung <strong>und</strong> Schizophrenie-Symptomatik, verwendeten allerdings einen<br />

Fragebogen, der vor allem erlebte Stigmatisierung <strong>und</strong> nicht Selbststigmatisierung abfragt<br />

(Consumer Experiences of Stigma Questionnaire, CESQ).<br />

ERTUGRUL <strong>und</strong> ULUG (2004) fanden zwar stärkere Positiv- <strong>und</strong> Negativsymptomatik bei<br />

Patienten, die negative Reaktionen ihrer Umwelt berichteten, allerdings waren ihre Fragen<br />

aus dem Disability Assessment Schedule (WHO-DAS-II) derart formuliert, dass sie auch<br />

mit dem Erleben wahnhafter Personen korrespondieren können <strong>und</strong> daher für die Stigma-<br />

Forschung ungeeignet sind. Nur geringfügig geeigneter ist das Item von TARRIER, KHAN,<br />

CATER <strong>und</strong> PICKEN (2007), die Patienten fragten, ob sie sich als Konsequenz ihrer Psychose<br />

stigmatisiert fühlten. Patienten, die dies bejahten, wiesen stärkere Positivsymptomatik auf<br />

(g = 1,06; p < .01).<br />

Eine eindeutigere Sprache spricht die Studie von LYSAKER, DAVIS et al. (2007), die<br />

fanden, dass sich Positivsymptomatik längsschnittlich nur marginal signifikant über die<br />

Kontrolle der Baseline-Symptomatik hinaus durch verinnerlichtes Stigma (ISMI) vorhersagen<br />

ließ (r = .29, p < .10), während umgekehrt die Baseline-Positivsymptomatik eine über<br />

den Beitrag der Baseline-Stigmatisierung hinausreichende Prädiktion der subjektiven<br />

Stigmatisierung nach sechs Monaten erlaubte (r = .37, p < .05). Negativsymptomatik hing<br />

nicht mit internalisiertem Stigma zusammen. Bei PENN, KOHLMAIER <strong>und</strong> CORRIGAN (2000)<br />

hingegen ließ sich zumindest der Wunsch nach sozialer Distanz (als Maß der Stigmatisierung),<br />

den Betrachter gefilmter sozialer Interaktionen von Personen mit Schizophrenie<br />

äußerten, durch soziale Fertigkeiten <strong>und</strong> Negativsymptomatik der Akteure erklären.<br />

Eine in diesem Zusammenhang interessante Erkenntnis lässt sich aus einer Clusteranalyse<br />

von LYSAKER <strong>und</strong> SALYERS (2007) gewinnen (N = 128), die das klinische Profil von<br />

Patienten mit Schizophrenie <strong>und</strong> komorbiden Angstzuständen untersuchten. Ein für die

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