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Krankheitseinsicht, dynamisch getestete Exekutivfunktionen und ...

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3.9 Der Dynamische WCST in der Schizophrenieforschung<br />

3.9.1 Dynamische Testdiagnostik (DTD)<br />

65<br />

Wisconsin Card Sorting Test<br />

Aufgr<strong>und</strong> seiner traditionell weiten Verbreitung in Neuropsychologie <strong>und</strong> Schizophrenieforschung<br />

(vgl. HEINRICHS & ZAKZANIS, 1998) wurde der WCST häufig eingesetzt, um eine<br />

kognitive (exekutive) Ursache von Einschränkungen der sog. »<strong>Krankheitseinsicht</strong>« bei<br />

Schizophrenie zu belegen (ALEMAN, AGRAWAL, MORGAN & DAVID, 2006).<br />

Bei diesem häufigen Phänomen, das in Kapitel 6 ausführlich beschrieben wird, besteht<br />

eine deutliche Diskrepanz zwischen den krankheitsbezogenen Selbsteinschätzungen eines<br />

Patienten mit Schizophrenie-Spektrums-Diagnose <strong>und</strong> Behandlungspersonen. Der WCST,<br />

der – wie gezeigt wurde – nicht völlig zu Unrecht als Test von Frontallappen-Funktionen<br />

gilt, wurde in diesem Forschungsgebiet speziell aufgr<strong>und</strong> vermuteter ätiologischer Parallelen<br />

zur Anosognosie bei umschriebenen Gehirnläsionen verwendet (vgl. MCGLYNN &<br />

SCHACTER, 1989, 1997).<br />

Im Anschluss an Studien dieses Typs ist der WCST auch für die geplante Untersuchung<br />

vorgesehen. Allerdings legt die ausführliche Analyse der WCST-Performanz nahe, dass<br />

diese durch ein Zusammenwirken fluider neurokognitiver Funktionen mit Wissensstrukturen<br />

hervorgebracht wird. Letztere müssen aber im Hinblick auf eine neurokognitive<br />

Limitation von Einsicht bei Schizophrenie als Nontarget-Faktoren gewertet werden.<br />

Ein empirisch erprobter Weg, um den WCST für die Erfassung von <strong>Exekutivfunktionen</strong><br />

<strong>und</strong> Arbeitsgedächtnis zu schärfen, besteht in einer Applikation im Sinne der Dynamischen<br />

Testdiagnostik (WIEDL, 1999; WIEDL, SCHÖTTKE, GREEN & NUECHTERLEIN, 2004), die im<br />

Folgenden speziell für die Schizophrenieforschung beschrieben wird.<br />

Dynamische Testdiagnostik (DTD) wird von GUTHKE <strong>und</strong> WIEDL (1996, S. 8) definiert<br />

als »(...) Sammelbegriff für testdiagnostische Ansätze, die über die gezielte Evozierung<br />

<strong>und</strong> Erfassung der intraindividuellen Variabilität im Testprozeß entweder auf eine<br />

validere Erfassung des aktuellen Standes eines psychischen Merkmals <strong>und</strong>/oder seiner<br />

Veränderbarkeit abzielen«.<br />

Ausgedrückt im konzeptuellen Rahmen des HEBB-VERNON-Intelligenzmodells thematisiert<br />

die DTD somit erstens das Spannungsverhältnis von aktuellem kognitivem Status<br />

(Intelligenz B) zum neurobiologisch begrenzten Potenzial (Intelligenz A) einerseits <strong>und</strong> zur<br />

beobachteten Test-Performanz (Intelligenz C) andererseits. Die DTD untersucht zweitens<br />

die vielfältigen Einflüsse des diagnostischen Prozesses auf die A-B- <strong>und</strong> B-C-Transmission<br />

(GUTHKE, BECKMAN & WIEDL, 2003; CARLSON & WIEDL, 1992).<br />

Diese beiden Transmissionswege bilden die beiden in der Definition angesprochenen<br />

Zielbereiche der DTD: erstens die Erhöhung der prognostischen <strong>und</strong> Konstruktvalidität<br />

eines Tests durch Ausschaltung performanzrelevanter Nontarget-Faktoren, deren Einfluss<br />

die Abschätzung der wahren Merkmalsausprägung verzerrt; <strong>und</strong> zweitens die Ausschöpfung<br />

weiteren Merkmalspotenzials, also eine Modifikation des kognitiven Status in<br />

Richtung eines biologisch limitierten Maximums.<br />

Auf eine umfassende Darstellung der historischen Wurzeln der DTD, die u. a. zu<br />

WYGOTSKI (1934a) <strong>und</strong> seinem Konzept der Zone der proximalen Entwicklung zurückreichen,<br />

ihrer vielfältigen aktuellen Konzepte <strong>und</strong> Anwendungsbereiche sowie der Psychometrisierungs-Individualisierungs-Debatte<br />

wird an dieser Stelle verzichtet. Für eine<br />

vertiefende Auseinandersetzung mit diesem vielschichtigen <strong>und</strong> umfangreichen Thema sei

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