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Krankheitseinsicht, dynamisch getestete Exekutivfunktionen und ...

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12.2.3.4 Einsicht <strong>und</strong> Offenheit<br />

322<br />

Diskussion<br />

Es konnte ein hypothesenkonformer Zusammenhang zwischen <strong>Krankheitseinsicht</strong> <strong>und</strong><br />

Offenheit gef<strong>und</strong>en werden, dessen Effekt allerdings auf Gruppenebene gering ausfällt.<br />

Anders als der Zusammenhang von Neurokognition <strong>und</strong> Einsicht bestand dieser über die<br />

beiden unabhängig erhobenen Einsichtsmaße (d. h. Fremd- <strong>und</strong> Selbstbeurteilung) hinweg.<br />

Was lässt sich über die theoretische <strong>und</strong> klinisch-praktische Bedeutsamkeit dieses Ergebnisses<br />

sagen?<br />

In der Tradition psycho<strong>dynamisch</strong> inspirierter differentialpsychologischer Abwehrkonzepte<br />

(s. PAULHUS et al., 1997), unter ihnen Repression-Sensitization, wurde angenommen,<br />

dass die Verneinung von Fragen nach ubiquitären menschlichen Schwächen auf eine<br />

generalisierte Form der Verarbeitung selbstwertbedrohlicher Objekte schließen lässt, die<br />

geprägt ist von motivierter Selbsttäuschung, kognitiver Vermeidung <strong>und</strong>/oder positivierender<br />

Selbstdarstellung, <strong>und</strong> dass sich dieser Verarbeitungsstil bei Menschen mit Schizophrenie-Diagnosen<br />

auch auf den Umgang mit der eigenen Erkrankung erstreckt. Der vorgelegte<br />

Bef<strong>und</strong> deutet in diese Richtung.<br />

In diesem Zusammenhang sei noch einmal angemerkt, dass zwar die konvergente <strong>und</strong><br />

Kriteriumsvalidität entsprechender »Lügenskalen« als gut gesichert gelten kann (hier<br />

wurde die für Patienten mit Schizophrenie-Diagnosen entwickelte ESI-FR-Skala verwendet),<br />

letzte Fragen zur Bewusstheit von »Leugnung« (d. h. zur Konstruktvalidität) hier<br />

jedoch nicht beantwortet werden können: Ob defensiv antwortende, als krankheitsuneinsichtig<br />

beurteilte Patienten alltägliche Normverletzungen <strong>und</strong> ihre psychische Erkrankung<br />

tatsächlich nicht reflektieren (Selbsttäuschung), ob sie Gedanken an aversive Objekte<br />

kognitiv vermeiden <strong>und</strong> der Konfrontation mit ihnen ausweichen wollen oder ob sie<br />

bewusst strategisch reagieren, um einen bestimmten Eindruck zu erzeugen (Selbstdarstellung,<br />

Fremdtäuschung) bleibt letztlich unklar. Möglicherweise handelt es sich um verschiedene,<br />

äquifinale Pfade zu hohen L-Scores. Im klinischen Umgang mit Patienten dürften alle<br />

drei Varianten mit bestimmten therapeutischen Problemen einhergehen.<br />

Während erhöhte L-Werte von Patienten mit Schizophrenie-Diagnosen seit langem<br />

bekannt sind, ist diese Arbeit nach YOUNG et al. (1998), MOORE et al. (1999), SUBOTNIK et al.<br />

(2o05) <strong>und</strong> KRUCK et al. (2009) die fünfte Arbeit, die den Zusammenhang von Offenheit<br />

<strong>und</strong> <strong>Krankheitseinsicht</strong> untersucht (<strong>und</strong> dies mit N = 95 an der zweitgrößten Stichprobe),<br />

die zweite, die zugleich neurokognitive Defizite in den Blick nimmt <strong>und</strong> die erste, die dabei<br />

von einem spezifischen theoretischen Modell (STARTUP, 1996) geleitet ist.<br />

Nur drei dieser Vorläuferarbeiten haben einen Zusammenhang von Offenheit <strong>und</strong><br />

Einsicht gef<strong>und</strong>en, <strong>und</strong> nur YOUNG et al. (1998) <strong>und</strong> MOORE et al. (1999) haben ihn auch<br />

quantifiziert. Verglichen mit ihren Ergebnissen (r ≥ .35) ist der hier gef<strong>und</strong>ene Effekt eher<br />

niedrig. Dies könnte auf unterschiedliche Zusammensetzungen der Stichproben zurückgehen<br />

(vgl. STARTUP, 1996). So wurde angenommen, dass die Anteile länger erkrankter <strong>und</strong><br />

akut kranker Patienten den vermuteten Zusammenhang abschwächen. Deutliche Unterschiede<br />

zu den Stichproben von YOUNG et al. (1998) <strong>und</strong> MOORE et al. (1999) sind allerdings<br />

nicht auszumachen.<br />

Der vorgelegte Bef<strong>und</strong> erweitert also das theoretische Verständnis von <strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

bei Schizophrenie: Erneut konnte ein statistisch signifikanter Zusammenhang<br />

gef<strong>und</strong>en werden, der die Annahme bestätigt, dass neben kognitiven auch motivationale<br />

Personenmerkmale Einsicht bei Schizophrenie determinieren (vgl. bereits MAYER-GROSS,<br />

1920). Angesichts des gegenwärtig die Schizophrenieforschung dominierenden biopsychiatrischen<br />

Paradigmas, aus dem heraus Defizite der <strong>Krankheitseinsicht</strong> ausschließlich analog

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