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Krankheitseinsicht, dynamisch getestete Exekutivfunktionen und ...

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107<br />

Coping <strong>und</strong> Abwehr<br />

das Problem der Zuordnung konkreter Coping-Akte zu den genannten Funktionskategorien,<br />

das in der Vergangenheit an Einschränkungen der faktoriellen Validität von Coping-<br />

Skalen deutlich wurde.<br />

Im Bereich der Schizophrenieforschung wurden verschiedene Gruppen von Bewältigungsobjekten<br />

identifiziert. WIEDL <strong>und</strong> SCHÖTTNER (1989a) unterscheiden vier theoretische<br />

Perspektiven, die sich in ihrer Relation von Coping <strong>und</strong> Erkrankung unterscheiden:<br />

Erstens können manifeste Symptome als Selbstheilungsversuch gegenüber einer psychischen<br />

Gr<strong>und</strong>störung aufgefasst werden. Zweitens können psychotische Symptome als<br />

Anpassung an ein System mit pathogenen Kommunikationsmustern verstanden werden<br />

(systemisch-kommunikationstheoretische Sichtweise). Empirisch besser erschlossen sind<br />

zwei weitere Perspektiven, die sich theoretisch dem Vulnerabilitäts-Stress-Modell der<br />

Schizophrenie (ZUBIN & SPRING, 1977; NUECHTERLEIN & DAWSON, 1984) <strong>und</strong> kognitiven<br />

Coping-Modellen (LAZARUS & FOLKMAN, 1984) verpflichtet fühlen:<br />

Untersuchungen symptomzentrierten Copings (oder besser: des Copings bei schizophreniespezifischen<br />

Bewältigungsobjekten) beschäftigen sich mit der Frage, wie Menschen<br />

mit Schizophrenie (a) die erlebten Symptome der Erkrankung bewältigen (d. h. Basisstörungen<br />

[s. SÜLLWOLD & HUBER, 1986] <strong>und</strong> manifeste klinische Symptome, v. a. akustische<br />

Halluzinationen: s. FARHALL, GREENWOOD & JACKSON, 2007); <strong>und</strong> wie sie (b) das<br />

Erlebnis der psychotischen Episode <strong>und</strong> die Tatsache des Erkranktseins verarbeiten. Ein<br />

wichtiger Beitrag der Coping-Forschung zu diesem Bereich stammt von MCGLASHAN, LEVY<br />

<strong>und</strong> CARPENTER (1975), die einen annähernden <strong>und</strong> einen distanzierenden Stil der Krankheitsverarbeitung<br />

beschrieben haben (»Integration« <strong>und</strong> »Sealing over«). Die im folgenden<br />

Kapitel erörterten Defizite der <strong>Krankheitseinsicht</strong> bei Schizophrenie im Sinne der<br />

Konstruktion eines von der Expertenmeinung abweichenden Laienmodells des eigenen<br />

Zustands (s. LOBBAN, BARROWCLOUGH & JONES, 2003, 2004) lassen sich am ehesten dieser<br />

Bewältigungsperspektive zuordnen.<br />

Diese dritte Perspektive geht mehr oder weniger nahtlos über in eine vierte, die Bewältigung<br />

als Form der Adaption an eine veränderte Lebenswelt betrachtet <strong>und</strong> die den<br />

Umgang des erkrankten Menschen mit Anforderungen analysiert, die sich aufgr<strong>und</strong> der<br />

Erkrankung in verschiedenen Lebensbereichen stellen. Hierunter fallen Alltagsärgernisse<br />

(daily hassles), kritische Lebensereignisse (life events: s. ALDWIN, 2007), Traumata <strong>und</strong><br />

sog. chronische Rollenbelastungen in den Bereichen Partnerschaft, Elternschaft, Beruf,<br />

autonome Lebensführung <strong>und</strong> Ges<strong>und</strong>heit (s. PEARLIN & SCHOOLER, 1978; PEARLIN, 1983).<br />

Für Menschen mit Schizophrenie, die häufig arbeitslos sind (MARWAHA & JOHNSON, 2004),<br />

ergeben sich z. B. Belastungen durch den Verlust einer antizipierten Rolle als Arbeitnehmer<br />

(LEWINE, 2005). Belastungen, die sich im Zusammenhang mit Behandlung ergeben (v. a.<br />

unfreiwillige Hospitalisierung, unerwünschte Antipsychotika-Effekte), lassen sich ebenfalls<br />

hier einordnen. Auch diese Perspektive berührt Aspekte von <strong>Krankheitseinsicht</strong> (subjektive<br />

Behandlungsbedürftigkeit, soziale Konsequenzen der Erkrankung), auf die noch ausführlich<br />

eingegangen wird.<br />

5.2.3.4 Taxonomien von Bewältigungsakten<br />

Von der funktionalen bzw. intentionalen Analyseebene unterschieden werden muss die<br />

theoretisch nicht deckungsgleiche formale oder methodische Ebene, auf der eine rationale<br />

oder induktive Ordnung von Bewältigungsakten geleistet werden soll. Eine erschöpfende,<br />

konsistente, eindeutige Kategorisierung von Coping-Akten existiert gegenwärtig nicht (vgl.<br />

SKINNER et al., 2003).

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