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Krankheitseinsicht, dynamisch getestete Exekutivfunktionen und ...

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<strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

Die zweite, stärker auf die pathologischen Aspekte der Selbsttäuschung fokussierende<br />

Perspektive wurzelt in psycho<strong>dynamisch</strong>en Abwehr-Konzepten (s. PAULHUS, FRIDHANDLER<br />

& HAYES, 1997), die später teilweise kognitionspsychologisch erweitert wurden oder in<br />

Modelle zu Persönlichkeits- bzw. Verarbeitungsstilen eingingen. Diese wurden bereits in<br />

Kapitel 5 beschrieben (z. B. HOROWITZ et al., 1990; ERDELYI, 2006; BREZNITZ, 1988;<br />

GREENWALD, 1997; SACKEIM & GUR, 1979). Gemeinsam ist den Abwehr-Ansätzen das<br />

Postulat eines <strong>dynamisch</strong>en Unbewussten, d. h. von motivierter Selbsttäuschung (etwa,<br />

wenn SACKEIM <strong>und</strong> GUR, 1979, als Kriterium 4 der Selbsttäuschung postulieren: »The act<br />

that determines which belief is and which belief is not subject to awareness is a motivated<br />

act« (S. 149, Hervorh. v. Verf.). Innerhalb der neueren Literatur zu diesem Thema lassen<br />

sich drei Annahmen identifizieren, die im Zusammenhang mit Einsicht bei Schizophrenie<br />

relevant sind:<br />

(a) Es wurde postuliert, dass eine intentionale kognitive Vermeidung aversiver Themen<br />

(z. B. von Diagnose, Symptomen <strong>und</strong> Konsequenzen) eine Vorstufe <strong>und</strong> Voraussetzung von<br />

»Verdrängung« darstellen kann (ERDELYI, 2006; GREENWALD, 1997).<br />

(b) »Leugnung« wird nicht auf die krude Form der Nicht-Anerkennung bedrohlicher<br />

Objekte reduziert, sondern kann sich auch auf die Zurückweisung negativer Begleiterscheinungen<br />

(z. B. der eigenen Psychose-Vulnerabilität) beschränken (vgl. BREZNITZ, 1988;<br />

BAUMEISTER et al., 1998).<br />

(c) Zusätzlich zur Emotionsregulation thematisieren neuere Abwehr-Ansätze verstärkt<br />

ebenfalls die Stabilisierung des Selbstkonzepts (s. CRAMER, 1998a), das durch das<br />

beschämende <strong>und</strong> (selbst-) stigmatisierende Erlebnis einer psychotischen Erkrankung<br />

angegriffen wird (YANOS, ROE, MARKUS & LYSAKER, 2008; BIRCHWOOD et al., 2007; MILLER<br />

& MASON, 2005).<br />

Insgesamt sind die Grenzen insbesondere zu kognitiv-konstruktivistischen Coping-<br />

Modellen (s. u. Perspektive 3) durchlässig, zumal auch das Coping-Kriterium der bewussten,<br />

kontrollierten Verarbeitung (CRAMER, 2000) bereits von LAZARUS <strong>und</strong> FOLKMAN (1984,<br />

S. 151) nicht stringent eingehalten wurde, die der Selbsttäuschung ebenfalls eine Rolle bei<br />

emotionszentrierten Bewältigungshandlungen einräumen. Allerdings beanspruchen Defensivitäts-Modelle<br />

einen breiteren Geltungsbereich, da sie sie sich nicht nur auf Situationen<br />

mit erhöhtem Regulationsbedarf beziehen, sondern (auch) auf die automatisierte Verarbeitung<br />

alltäglicher Bedrohungen von subjektivem Wohlbefinden <strong>und</strong> Selbstwert.<br />

Das einflussreichste Stil-Modell dieser Richtung dürfte Repression-Sensitization (RS)<br />

sein (BYRNE, 1961; WEINBERGER et al., 1979), die Annahme also, dass sich Personen in ihrer<br />

dispositionellen Defensivität – d. h. dem Ausmaß, in dem Angst <strong>und</strong> (andere) beschämende<br />

Wahrnehmungen, Gedanken <strong>und</strong> Taten geleugnet werden – unterscheiden, die mit Hilfe<br />

von Desirabilitätsskalen erfasst werden kann (wie der Marlowe-Crowne-Skala, MCSDS:<br />

CROWNE & MARLOWE, 1960). Theoretisch liegt der Annahme der Validität sogenannter<br />

»Lügenskalen« der postulierte Charakter der Abwehr als – im Ggs. zu Coping – schneller<br />

(automatischer) <strong>und</strong> kruder (generalisierter) Verarbeitungsform zugr<strong>und</strong>e.<br />

Obwohl WEINBERGER et al. (1979) ihren RS-Ansatz in einen eher differentialpsychologischen<br />

Bezugsrahmen stellen <strong>und</strong> wenig explizite Bezüge zu psycho<strong>dynamisch</strong>en Abwehr-<br />

Konzepten herstellen, werden diese deutlich, wenn sie einräumen, dass »… the extent to<br />

which this defensive style is characterized by the use of repression relative to other<br />

defenses such as denial … is not currently known« (S. 370, Hervorh. v. Verf.). Eine<br />

Integration von persönlichkeitspsychologischen <strong>und</strong> psycho<strong>dynamisch</strong>en Konzepten wird<br />

in den neueren Arbeiten von WEINBERGER (z. B. 1998) unternommen.

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