06.10.2013 Aufrufe

Krankheitseinsicht, dynamisch getestete Exekutivfunktionen und ...

Krankheitseinsicht, dynamisch getestete Exekutivfunktionen und ...

Krankheitseinsicht, dynamisch getestete Exekutivfunktionen und ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

6.5.6 Prävalenz von Einsichtsdefiziten bei Schizophrenie<br />

142<br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

Angaben zur Häufigkeit von Einsichts-Defiziten können – anders als für vergleichsweise<br />

hart definierte psychische Erkrankungen – kaum gemacht werden: Erfahrungsgemäß<br />

schwanken diese um bis zu 50 % (z. B. BÖKER, 1999). Diese Variabilität ist das Resultat verschiedener<br />

Einsichts-Definitionen bzw. betrachteter Dimensionen, verwendeter Instrumente<br />

<strong>und</strong> Trennwerte, unterschiedlicher Patientenkollektive (z. B. ersterkrankte vs. chronifizierte<br />

Pbn: s. THOMPSON et al., 2001) <strong>und</strong> variierender Symptomatik der Stichproben.<br />

Begrenzt machbar <strong>und</strong> sinnvoll erscheinen Prävalenz-Schätzungen ohnehin nur dort, wo<br />

Trennwerte inhaltlich bestimmt, d. h. aus Operationalisierungen qualitativ unterschiedlicher<br />

Stufen von Einsicht hergeleitet werden können. Dies widerspricht jedoch dem Konzept<br />

von Einsicht als kontinuierlichem Phänomen, demzufolge die Angabe einer Prävalenz von<br />

Einsichtsdefiziten in etwa so sinnvoll erscheint wie z. B. die der Häufigkeit von Extraversion<br />

in der Bevölkerung.<br />

Im Kontext dieser Arbeit liegt die Begründung einer kurzen Übersicht zu diesem Thema<br />

v. a. in der Verdeutlichung der erklärungsbedürftigen Variation von Einsicht bei Menschen<br />

mit Schizophrenie-Diagnosen. Die referierten Studien widersprechen dabei mehrheitlich<br />

dem klassischen Bef<strong>und</strong> der International Pilot Study of Schizophrenia (IPSS) der<br />

Weltges<strong>und</strong>heitsorganisation (WHO, 1973, S. 404), demzufolge eine große Mehrheit von<br />

über 80 % der 811 betrachteten Patienten ein Lack of insight zeigten. Ein Bef<strong>und</strong>, der im<br />

Folgenden mehrfach repliziert werden konnte, ist, dass um die 50 % der Menschen mit<br />

akuter Schizophrenie die einfache Frage nach einer psychischen Erkrankung verneinen:<br />

Aus einer Reanalyse von Aktennotizen zu psychiatrischen Interviews von 318 Patienten<br />

mit Psychose-Symptomen folgerten JOHNSON <strong>und</strong> ORRELL (1996), dass 54 % der hospitalisierten<br />

Patienten zum Zeitpunkt der Aufnahme über geringe oder keine Einsicht verfügten.<br />

Zu einem sehr ähnlichen Ergebnis (62 %) kamen CONUS, COTTON, SCHIMMELMANN,<br />

MCGORRY <strong>und</strong> LAMBERT (2007) aufgr<strong>und</strong> einer Analyse der Akten von 661 ersterkrankten<br />

Patienten eines Early Psychosis Prevention and Intervention Centre.<br />

FENNIG et al. (1996) verwendeten ein modifiziertes Einsichts-Item der HADS <strong>und</strong> dichotomisierten<br />

die Ratings, um volle Einsicht von fehlender <strong>und</strong> partieller Einsicht (mit<br />

Fehlattribution der Erkrankungsursache) zu unterscheiden. Hier zeigten sich 47 % von 86<br />

hospitalisierten ersterkrankten Patienten mit Schizophrenie-Spektrums-Diagnosen einsichtig;<br />

bei einer Follow-up-Messung nach sechs Monaten waren es 55 %.<br />

FERRERI et al. (2000) befragten 310 nicht-stationäre französische Schizophrenie-<br />

Patienten, ob sie sich derzeit für krank hielten (»Vous sentez-vous malade actuellement?«).<br />

Diese Frage wurde von 55 % bejaht.<br />

CERNOVSKY, LANDMARK, MERSKEY <strong>und</strong> HUSNI (2004) stellten 111 stationären Patienten<br />

mit Schizophrenie vier Fragen zum Geisteszustand bei Aufnahme sowie zu Gründen <strong>und</strong><br />

zur Berechtigung von Hospitalisierung <strong>und</strong> Pharmakotherapie. Fehlende <strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

wurde kodiert, wenn eine der Fragen nicht »korrekt« beantwortet werden konnte<br />

(S. 822) – in diesem Sinne waren 59 % der Befragten nicht einsichtig.<br />

WEILER, FLEISHER <strong>und</strong> MCARTHUR-CAMPBELL (2000) untersuchten 81 akut-psychiatrische<br />

Patienten mit Schizophrenie mit dem ITAQ. Fehlende <strong>Krankheitseinsicht</strong> wurde durch<br />

totale Verneinung von Item 3 operationalisiert (»Do you have mental [nerve, worry]<br />

problems now?«). Hier waren bei Aufnahme 51 % der Patienten uneinsichtig; bei Entlassung<br />

nach durchschnittlich 13 bis 18 Tagen waren es 37 %.<br />

Zu einem vergleichbaren Ergebnis kamen PYNE, BEAN <strong>und</strong> SULLIVAN (2001), die die<br />

Antworten auf ein ähnliches Item dichotomisierten (»Do you yourself believe that you

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!