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Krankheitseinsicht, dynamisch getestete Exekutivfunktionen und ...

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Diskussion<br />

Über die Antwort auf die zweite Frage kann nur spekuliert werden: Warum sollte der<br />

<strong>dynamisch</strong>e WCST die neurokognitiven Gr<strong>und</strong>lagen von Einsicht besser erfassen als der<br />

statische? In Kapitel 3 wurde beschrieben, dass der Bearbeitung des statischen WCST<br />

mindestens fünf separierbare personale Faktoren zugr<strong>und</strong>e liegen (vgl. auch die CNTRICS-<br />

Taxonomie: KERNS et al., 2008; BARCH & SMITH, 2008). Dies sind (1.) die Fähigkeit zur<br />

Attributidentifikation <strong>und</strong> (2.) eine einfache Problemlöse-Heuristik, (3.) eine zentrale<br />

Interferenzkontrolle, (4.) ein Arbeitsgedächtnis <strong>und</strong> (5.) die Nutzung korrektiver Rückmeldung.<br />

Es kann nun mit WIEDL et al. (2004) angenommen werden, dass durch die Trainingsintervention<br />

von WIEDL (1999) eine Kompensation kristalliner Performanzfaktoren<br />

zugunsten einer unverzerrteren Abschätzung fluider Faktoren (Interferenzkontrolle,<br />

Arbeitsgedächtnis, Feedback-Nutzung) stattfindet. Der WCSTdyn wäre somit ein validerer<br />

Test exekutiver Funktionen <strong>und</strong> weniger ein Test des Problemlösens wie der statische<br />

WCST (MATRICS: Reasoning and problem solving, s. NUECHTERLEIN et al. [2004]). Eigene<br />

empirische Hinweise auf eine solche Anreicherung der Konstruktvalidität des WCSTdyn<br />

hatten sich bereits aus Studie 2 ergeben, in der u. a. gef<strong>und</strong>en worden war, dass echte<br />

WCST-Nichtlerner im Auditiv-Verbalen-Lerntest (AVLT) mit großem Effekt schlechter<br />

abschneiden als echte Lerner (g = -1,5). Beide werden vom WCST-64 nicht differenziert.<br />

Es lassen sich hier verschiedene Ansatzpunkte für ein neurokognitives Einsichtsmodell<br />

ausmachen: Ein Patient mit Schizophrenie-Diagnose muss im Prozess der Einsichtsbildung<br />

die eigenen rezenten Erlebnisse mit Referenzwerten aus der eigenen Vergangenheit oder<br />

der sozialen Umwelt vergleichen (s. KO et al., 2006). Dazu müssen relevante episodische<br />

Gedächtnisinhalte abgerufen werden (s. SARTORY et al., 2001). Korrigierendes Feedback<br />

muss eine gewisse Salienz erreichen. Verschiedene, mit dem eigenen Eindruck konkurrierende<br />

Modelle der eigenen Verfassung (von Experten, Familienmitgliedern <strong>und</strong> Bekannten,<br />

Mitpatienten) müssen verschmelzungsfrei aufrechterhalten <strong>und</strong> verglichen, Unstimmigkeiten<br />

müssen entdeckt <strong>und</strong> beurteilt werden.<br />

In Abschnitt 6.5.13.3 wurde dargestellt, dass bei der Konstruktion kohärenter Modelle<br />

<strong>und</strong> der Verarbeitung selbstreferentieller Information im Arbeitsgedächtnis dem dorsolateralen<br />

präfrontalen Kortex (DLPFC) eine besondere Bedeutung zukommt, während die Entdeckung<br />

von Verarbeitungskonflikten <strong>und</strong> die notwendige Heraufregulierung der zentralen<br />

Kontrolle u. a. vom anterioren Cingulum (ACC) vermittelt wird. Beide Bereiche konnten<br />

sowohl zu <strong>Krankheitseinsicht</strong> als auch zur WCST-Performanz in Beziehung gesetzt werden.<br />

Insbesondere die Rolle des Konfliktdetektors ACC für das Lernpotenzial im WCSTdyn<br />

konnte kürzlich von OHRMANN et al. (2008) mit Hilfe der Magnetresonanzspektroskopie<br />

( 1 H-MRS) nachgewiesen werden. Eine Replikation dieses Bef<strong>und</strong>es <strong>und</strong> eine Erweiterung<br />

derartiger Arbeiten um mehrdimensionale Einsichtsmaße wären wünschenswert. So wäre<br />

z. B. der Versuch einer längsschnittlichen Prädiktion der Einsichtsentwicklung ersterkrankter<br />

Patienten aus der N-Acetyl-Aspartat (NAA)-Konzentration in DLPFC <strong>und</strong> ACC<br />

während der WCSTdyn-Bearbeitung hoch interessant.<br />

Die weiteren Empfehlungen für künftige Fragestellungen lehnen sich unmittelbar an die<br />

Empfehlungen an, die in der Diskussion von Studie 2 zur Klärung der neurokognitiven<br />

Leistungskomponenten des WCSTdyn gegeben wurden: Wenn nach OHRMANN et al. (2008)<br />

eine besondere Bedeutung der Regulation der exekutiven Kontrolle durch den ACC<br />

postuliert wird, bietet es sich an, zusätzlich prozessreinere Tests dieses neurokognitiven<br />

Funktionsmerkmals einzubeziehen (z. B. Konflikt-<strong>und</strong>-Fehler-Adaptions-Stroop: BARCH et<br />

al., 2009). Zusätzlich ist es vor dem Hintergr<strong>und</strong> der Bef<strong>und</strong>e von DRAKE <strong>und</strong> LEWIS<br />

(2003), LYSAKER et al. (2006), RAFFARD et al. (2009) <strong>und</strong> RITSNER <strong>und</strong><br />

BLUMENKRANTZ (2007) empfehlenswert, die Fähigkeiten zur Interferenzkontrolle im

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