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Krankheitseinsicht, dynamisch getestete Exekutivfunktionen und ...

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6.5.3 Theoretische Struktur der Einsicht<br />

»Interviewer: Do you think you have a mental illness?<br />

Subject: Yes, I know I have an illness.<br />

Interviewer: What do you think it is?<br />

Subject: Manic depressive.<br />

Interviewer: What does that mean, what are the symptoms?<br />

Subject: I don’t know. They’ve told me many times.«<br />

(ROE et al., 2008, S. 862)<br />

130<br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

Ein Interesse an <strong>Krankheitseinsicht</strong> bestand in der klinischen Praxis der zweiten Hälfte des<br />

20. Jh. vor allem wegen ihrer augenscheinlich plausiblen, jedoch mittlerweile umstrittenen<br />

Korrelation mit Medikationsadhärenz (s. u. <strong>und</strong> VAN PUTTEN, CRUMPTON & YALE, 1976; LIN,<br />

SPIGA & FORTSCH, 1979; MCCABE, QUAYLE, BEIRNE & DUANE, 2000). Einzelne Items, die<br />

diesen Bereich zu erfassen suchten, wurden dementsprechend in strukturierte psychiatrische<br />

Interviews zur Bef<strong>und</strong>erhebung aufgenommen (z. B. AMDP, 1979), jedoch markieren<br />

erst die Arbeiten von GREENFELD, STRAUSS, BOWERS <strong>und</strong> MANDELKERN (1989), MCEVOY,<br />

APPERSON et al. (1989), vor allem aber von DAVID (1990) <strong>und</strong> AMADOR et al. (1990, 1991,<br />

1993) den Beginn einer systematischen Konzeptualisierung <strong>und</strong> empirischen Erforschung<br />

des Konstrukts.<br />

Der Stand der Theoriebildung lässt sich durch fünf weithin akzeptierte Postulate der<br />

letztgenannten Arbeitsgruppe zusammenfassen: Dies sind die Annahmen der Mehrdimensionalität,<br />

Kulturabhängigkeit, Kontinuität, Modalitätsspezifität <strong>und</strong> Wissensabhängigkeit<br />

von Einsicht.<br />

(1.) Einsicht ist mehrdimensional. Sie besteht, neben dem Wissen um die Identität der<br />

Erkrankung, aus weiteren, teilweise unabhängigen Dimensionen, die unten in Tabelle 12<br />

aufgelistet werden. Die Konzeptualisierung von Einsicht als mehrdimensional findet ihre<br />

Entsprechung in ges<strong>und</strong>heitspsychologischen Konzepten subjektiver Krankheitsmodelle<br />

(s. MARTIN et al., 2003), die zunehmend auch auf Schizophrenie angewendet werden<br />

(LOBBAN et al., 2003).<br />

(2.) Krankheitskonzepte sind (sub-)kulturabhängig. Die Bewusstheit von Symptomen<br />

<strong>und</strong> ihre Zuschreibung sollten (auch) in Abhängigkeit von der Herkunftskultur variieren,<br />

was bei der Einsichtsmessung berücksichtigt werden muss (SARAVANAN et al., 2007).<br />

(3.) Einsicht ist kein dichotomes, sondern ein kontinuierliches Phänomen, d. h. die<br />

Möglichkeit einer partiellen <strong>und</strong> fluktuierenden Bewusstheit eines Erkrankungsaspekts<br />

wird eingeräumt.<br />

(4.) Einsicht ist, wie Bewältigung, intentional (d. h. objektgerichtet – »One cannot have<br />

insight without there being something to have insight about«: MARKOVÁ & BERRIOS, 2001,<br />

S. 246) <strong>und</strong> modalitätsspezifisch, d. h. Einsicht beschreibt die individuelle Relation zu<br />

einzelnen Aspekte des gestörten Erlebens <strong>und</strong> Verhaltens (»Symptomen«) <strong>und</strong> zu abstrakten<br />

Konzepten (wie »Schizophrenie«, »Anorexie«). Sie ist nicht notwendigerweise generalisierbar.<br />

Konzeptuelle Probleme in diesem Bereich betreffen die Identifikation theoretisch<br />

sinnvoller <strong>und</strong> empirisch haltbarer Einsichts-Modi bzw. Bewusstheitsobjekte: Wäre es<br />

sinnvoller, eine globale Einsicht über alle Bereiche der Störung hinweg zu betrachten, oder<br />

sollte sie auf einzelne Syndrome oder Symptome der Schizophrenie bezogen werden?<br />

(5.) Bei der Erhebung von <strong>Krankheitseinsicht</strong> muss stets das Vorwissen des Patienten in<br />

Rechnung gestellt werden. Dieser Punkt kann sich auf zweierlei Problembereiche beziehen:

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