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Krankheitseinsicht, dynamisch getestete Exekutivfunktionen und ...

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<strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

symptomatik in akuten Stichproben aufgeworfen werden (MINTZ, DOBSON & ROMNEY,<br />

2003).<br />

Hier können Ergebnisse der RS-Forschung herangezogen werden, die zeigen, dass die<br />

Ambiguität potenziell bedrohlicher Stimuli deren Deutung <strong>und</strong> die Adaptivität von<br />

Defensivität moderiert: Defensive Personen neigten zu weniger bedrohlichen Deutungen<br />

vieldeutiger Stimuli, erinnern weniger beängstigende Implikationen selbstbezüglicher<br />

Stimuli <strong>und</strong> autobiographischer Episoden <strong>und</strong> können ihre kognitive Leistung nach induzierten<br />

Fehlschlägen besser aufrechterhalten, wenn eine externale Attribution angeboten<br />

wird (HOCK & KROHNE, 2004; MYERS, BREWIN & POWER, 1998; MYERS & BREWIN, 1996;<br />

JOHNSON, 1995).<br />

Übertragen auf <strong>Krankheitseinsicht</strong> könnte eine Arbeitshypothese lauten, dass der<br />

Einfluss von Defensivität auf Einsicht bei maximaler Ambiguität der bedrohlichen<br />

Situation am ausgeprägtesten ist. Dies sollte vor allem bei rezent erkrankten Personen <strong>und</strong><br />

bei gering ausgeprägter Positivsymptomatik der Fall sein: Bei längerem Krankheitsverlauf<br />

sollten Lernerfahrungen (Erleben von rezidivierender Symptomatik <strong>und</strong> Rehospitalisierung,<br />

Austausch mit Mitpatienten, Psychoedukation <strong>und</strong> Therapie) die Möglichkeit der<br />

Leugnung abschwächen (LALLY, 1989; THOMPSON et al., 2001). Auch ändert sich mit der<br />

klinischen Sozialisation u. U. die Repräsentation dessen, was »sozial erwünscht« ist. In<br />

akuteren Phasen der Erkrankung hingegen sollten Erkrankung <strong>und</strong> Behandlungsnotwendigkeit<br />

entweder zu salient sein für eine Leugnung oder das Wahngeschehen selbst bzw.<br />

kognitive Desorganisation Einsicht auch bei nicht-defensiven Personen reduzieren.<br />

Die dritte Hypothese geht zurück auf die kognitiv-konstruktivistische bzw. transaktionale<br />

Bewältigungsforschung (LAZARUS & FOLKMAN, 1984; für Schizophrenie s. WIEDL, 1992;<br />

WIEDL & SCHÖTTNER, 1989a, 1989b, 1991). Diese thematisiert die individuellen kognitiven<br />

Bewertungen von »Objekten«, die Menschen vor dem Hintergr<strong>und</strong> ihrer Motive <strong>und</strong><br />

Kompetenzen vornehmen, ihre emotions- <strong>und</strong> problemzentrierten Coping-Reaktionen <strong>und</strong><br />

deren Konsequenzen (vgl. FILIPP & KLAUER, 1988; MOOS & HOLAHAN, 2003).<br />

Das Erleben einer psychotischen Episode <strong>und</strong> ihrer Behandlung sowie die Konfrontation<br />

mit der stigmatisierenden Diagnose werden aus dieser Perspektive heraus als traumatische<br />

Stressoren (MUESER & ROSENBERG, 2003; CHISHOLM, FREEMAN & COOKE, 2006) oder<br />

zumindest als kritische Lebensereignisse betrachtet, die chronische Rollenbelastungen<br />

(s. ALDWIN, 2007) in allen Lebensbereichen (Ges<strong>und</strong>heit, Beruf, Partnerschaft, Elternschaft,<br />

Lebensführung: PEARLIN & SCHOOLER, 1978) mit sich bringen (z. B. durch Überforderung<br />

mit rollenbezogenen Aufgaben, Verluste <strong>und</strong> die Notwendigkeit zur Restrukturierung<br />

von Rollen: PEARLIN, 1983), was sich wiederum negativ auf Emotionalität <strong>und</strong><br />

Selbstkonzept von Erkrankten auswirken kann. Beispielhaft sei hier LEWINE (2005)<br />

genannt, der fand, dass ein höherer sozioökonomischer Status der Herkunftsfamilie bei<br />

jüngeren arbeitslosen Patienten mit einer höheren Erwartung an die eigene Arbeit <strong>und</strong><br />

diese mit höherer Hoffnungslosigkeit einherging. Aus Schizophrenie-Erkrankungen<br />

resultieren also unterschiedliche Bewältigungsobjekte, die in Zusammenhang mit unterschiedlichen<br />

Dimensionen von <strong>Krankheitseinsicht</strong> bzw. Erkrankungsrepräsentation<br />

gebracht werden können (z. B. Diagnose, Verlauf, Konsequenzen).<br />

Coping ist dabei, anders als Abwehr, intentional: Bewältigung richtet sich auf spezifische<br />

Bewältigungsobjekte (z. B. Erkrankung, Symptome). Die forschungsleitende Hypothese zur<br />

Uneinsichtigkeit bei Schizophrenie aus einer Coping-Perspektive lautet entsprechend, dass<br />

diese Ausdruck einer distanzierenden Bewältigung der Schizophrenie ist. Dieser<br />

autoplastische Modus des Coping sollte gerade dann zum Einsatz kommen, wenn

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