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Krankheitseinsicht, dynamisch getestete Exekutivfunktionen und ...

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3.5.1 Attributidentifikation / Abstraktionsvermögen<br />

33<br />

Wisconsin Card Sorting Test<br />

Bereits in den 30er Jahren des 20 Jh. vermuteten Lew WYGOTSKI (1934) <strong>und</strong> Kurt<br />

GOLDSTEIN (BOLLES & GOLDSTEIN, 1938) eine f<strong>und</strong>amentale Beeinträchtigung des Abstraktionsvermögens<br />

bei Schizophrenie analog zu den Störungen, die bei organischen Gehirnschädigungen<br />

beobachtet worden waren.<br />

Zurückgehend auf diese Forschungstraditionen wird die »abstrakte Haltung« sensu<br />

K. GOLDSTEIN (nach G. GOLDSTEIN, 2004, S. 293) mit Sortieraufgaben erfasst, bei denen<br />

Objekte selbst gebildeten oder dem Testmaterial inhärenten Kategorien zugeordnet werden<br />

müssen (z. B. WEIGL, 1927). Unter Abstraktion wurde in diesem Zusammenhang typischerweise<br />

»… that aspect of the discrimination process which involves the response to a given<br />

sensory dimension in the presence of variation of the stimuli in other dimensions«<br />

verstanden (WOHLWILL, 1957, 304-305). Wie aus dieser Definition ersichtlich, vermischen<br />

sich im Begriff der Abstraktion sowohl epistemische als auch attentionale Prozesse (d. h.<br />

Erkenntnis bzw. selektive Beachtung <strong>und</strong> Nutzung von Kategorien). Eine Übersicht über<br />

frühe Studien in diesem Bereich bietet WRIGHT (1975). Der Wisconsin Card Sorting Test<br />

(WCST) ist bis heute der prominenteste Vertreter dieser Testfamilie.<br />

»Regelbasierte Test des Kategorienlernens« wie der Wisconsin Card Sorting Test (vgl.<br />

ASHBY & MADDOX, 2005) weisen einige typische Merkmale auf: (1a) Nach der direkten<br />

Wahrnehmung der Ziel- <strong>und</strong> Reaktionsstimuli müssen die entscheidungsrelevanten<br />

Reizmerkmale abstrahiert werden (Attribut-Identifikation). (1b) Hierzu müssen diese<br />

ausreichend salient sein. Von »separierbaren« Dimensionen werden »integrale« Dimensionen<br />

(z. B. Farbsättigung) unterschieden, die nur schwer oder gar nicht selektiv beachtet<br />

werden können.<br />

(1c) Menschen verarbeiten die sensorischen Dimensionen auch semantisch, um sie<br />

selektiv beachten zu können. Echte Sprachfähigkeit scheint für das Kategorienlernen jedoch<br />

nicht notwendig zu sein: MANSOURI <strong>und</strong> TANAKA (2002) gelang es, Rhesus-Affen in einem<br />

WCST-ähnlichen Test generalisierende Kategorien beizubringen, was darauf hindeutet,<br />

dass abstrakte Stimulusdimensionen auch ohne einen im engeren Sinne sprachlichen Code<br />

in einem Arbeitsgedächtnis gespeichert werden können. Menschen allerdings greifen im<br />

WCST offenbar stark auf semantische Kategorien 1 zurück (BEATTY, JOCIC, MONSON &<br />

KATZUNG, 1994).<br />

(2.) Es müssen logische Sortierregeln existieren, wie von der Information auf Ebene der<br />

Stimulusdimensionen zu einer Entscheidung über die Kategorisierung gelangt werden kann<br />

(z. B. Konjunktionsregeln: vgl. HAYGOOD & BOURNE, 1965, Tab. 2, S. 178). Diese können<br />

meist vergleichsweise einfach gef<strong>und</strong>en <strong>und</strong> verbalisiert werden. Sortierregeln sind Thema<br />

eines späteren Abschnitts.<br />

Ein gr<strong>und</strong>legendes Problem bei der Diskussion der relativen Bedeutung der Attributidentifikation<br />

für die WCST-Performanz besteht darin, dass sie sich nicht einfach an der<br />

Anzahl erreichter Kategorien ablesen lässt. Dies wird durch ein mathematisches Modell der<br />

Kategorisierungsfähigkeit verdeutlicht (SMITH, 1989). Dem Weighted-Dimensions Plus<br />

Identity-Modell zufolge können bereits Kleinkinder die Attribute einfacher Stimuli identifizieren,<br />

aber dennoch häufig keine »dimensionalen Identitätsklassifikationen«, d. h. eine<br />

1 »Konzept« <strong>und</strong> »Kategorie« werden in der WCST-Literatur häufig austauschbar verwendet. Der häufig bemühte<br />

Begriff der »Konzeptbildung« (concept formation) ist dennoch unglücklich gewählt: Streng genommen geht es beim<br />

WCST um Kategorien, also um Klassen von Objekten bzw. Entitäten, während Konzepte komplex organisierte mentale<br />

Repräsentationen von Objekten mit gemeinsamen Merkmalen sind. So zählt beispielsweise die Romeo y Julieta<br />

Churchill zur Kategorie der Zigarren, während das Konzept Zigarre Objekte enthält, die aus Tabak bestehen, ein<br />

Deckblatt <strong>und</strong> eine bestimmte Größe haben, rauchbar sind etc.

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