06.10.2013 Aufrufe

Krankheitseinsicht, dynamisch getestete Exekutivfunktionen und ...

Krankheitseinsicht, dynamisch getestete Exekutivfunktionen und ...

Krankheitseinsicht, dynamisch getestete Exekutivfunktionen und ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

143<br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

have a mental, emotional, or nervous illness?«): Von 87 hospitalisierten Patienten mit<br />

Schizophrenie-Diagnose antworteten 51 % »vermutlich/definitiv nicht«, von 90 nichtstationären<br />

Patienten hingegen nur 24 %.<br />

Die meisten Studien, denen Informationen zur Häufigkeit von Einsichtsdefiziten bei<br />

Schizophrenie entnommen werden können, verwendeten eine Dichotomisierung des<br />

PANSS-Items G12: So fanden GOLDBERG, GREEN-PADEN, LEHMAN <strong>und</strong> GOLD (2001) bei nur<br />

30 % der 211 Teilnehmer eines Betreuungs- <strong>und</strong> Arbeitsrehabilitationsprogramms für<br />

Menschen mit schweren psychischen Störungen (75 % Psychose-Erkrankungen) eine<br />

intakte Einsicht, definiert als G12 ≤ 2. Noch etwas höher fiel die Prävalenz reduzierter<br />

Einsicht bei 532 ersterkrankten, maximal drei Monate medizierten Teilnehmern einer<br />

Risperidon-Studie aus (KESHAVAN, RABINOWITZ, DESMEDT, HARVEY & SCHOOLER, 2004):<br />

Hier waren sich nur 24 % der Patienten der Erkrankung <strong>und</strong> ihrer Konsequenzen voll<br />

bewusst (G12 ≤ 2). Weitere 21 % (n = 111) waren sich zwar einer psychischen Störung<br />

bewusst, wichen aber in ihren Vorstellungen zur Behandlung von der Expertenmeinung ab<br />

(G12 = 3).<br />

Mit dem strikten G12-Trennwert kamen WALDORF, WIEDL <strong>und</strong> SCHÖTTKE (2007) zu<br />

einem konträren Ergebnis: Sie analysierten die Daten von 195 Teilnehmern stationärer<br />

Rehabilitationsprogramme vor <strong>und</strong> nach einer einmonatigen ergotherapeutischen Behandlung<br />

oder kreativitätsorientierten Beschäftigung. 62 % (t0) bzw. 66 % (t1) der Rehabilitanden<br />

zeigten intakte Einsicht (G12 ≤ 2). Diese war recht stabil (rS = .57, p < .001): 53 %<br />

blieben stabil einsichtig, 25 % uneinsichtig; 13 % verbesserten, 9 % verschlechterten sich.<br />

Dieser Bef<strong>und</strong> stimmt gut überein mit dem Ergebnis der Nachbefragungen von FENNIG et<br />

al. (1996) <strong>und</strong> WEILER et al. (2000).<br />

Die Diskrepanz der Bef<strong>und</strong>e könnte darin begründet liegen, dass in den liberalistischeren<br />

USA im Durchschnitt nur Menschen mit ungünstigeren Erkrankungsverläufen in das<br />

von GOLDBERG et al. (2001) beschriebene Programm aufgenommen wurden, während die<br />

von WALDORF et al. (2007) betrachtete Stichprobe der deutschen Routine-Versorgung<br />

entstammt bzw. ein breites Spektrum von Patienten mit geringen Chancen am kompetitiven<br />

Arbeitsmarkt umfasst <strong>und</strong> so mutmaßlich eher repräsentativ für die Population der<br />

Menschen mit Schizophrenie-Diagnosen ist.<br />

SAEEDI, ADDINGTON <strong>und</strong> ADDINGTON (2007) fanden schließlich in einer Dreijahres-<br />

Längsschnittsstudie an 278 ersterkrankten Patienten ebenfalls einen erheblichen Anteil<br />

(> 60 %) vergleichsweise einsichtiger Probanden, allerdings mit einem liberaleren Trennwert<br />

(G12 ≤ 3). Bei drei Follow-up-Messungen lag der Anteil einsichtiger Teilnehmer<br />

konstant bei ca. 80 %. Eine signifikante Verbesserung auf Gruppenniveau fand nur<br />

während des ersten Jahres statt. 51 % der Probanden blieben stabil einsichtig, 16 % stabil<br />

uneinsichtig, 28 % verbesserten sich, 5 % verschlechterten sich.<br />

Die einzige große Studie, die eine differenzierte Erfassung verschiedener Einsichts-<br />

Dimensionen (mit der Scale to Assess Unawareness of Mental Disorder, SUMD) in einer<br />

großen Schizophrenie-Stichprobe vorgenommen hat <strong>und</strong> Häufigkeiten für ausgeprägte<br />

Uneinsichtigkeit berichtet, stammt von AMADOR et al. (1994): Von 217 Patienten bestritten<br />

nur 33 % eine psychischen Erkrankung völlig (57 % wiesen hier allerdings mindestens<br />

moderate Defizite auf) <strong>und</strong> 32 % sahen keine sozialen Konsequenzen (n = 213); 22 %<br />

berichteten keine Medikationswirkung (n = 198); 40 % waren sich ihrer Halluzinationen<br />

nicht bewusst (n = 157) <strong>und</strong> 58 % nicht ihrer Wahn-Symptomatik (n = 191); 53 % nahmen<br />

keine formalen Denkstörungen wahr (n = 130), 47 % keine Affektverflachung (n = 133),<br />

aber nur 29 % keine Anhedonie <strong>und</strong> 28 % keinen sozialen Rückzug (n = 169).

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!