Krankheitseinsicht, dynamisch getestete Exekutivfunktionen und ...

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Krankheitseinsicht
konzeptualisiert werden und entsprechend in Summenwerte eingehen sollten (s. auch
LINCOLN et al., 2007) – oder ob so nicht eine artifizielle Erhöhung des Zusammenhangs von
Einsicht und Compliance durch Konfundierung produziert wird (etwa bei DAY et al., 2005;
vgl. BECK-SANDER, 1998). Vor allem MCEVOYs ITAQ (s. o.) unterliegt diesem Verdacht.
Bei der Validitätsprüfung der Einsicht muss demnach erstens die redundante Erfassung
einer Behandlungsbedürftigkeits-Dimension der Einsicht einerseits und von Compliance-
Selbsteinschätzungen andererseits vermieden und Einsicht als Prädiktor objektiver
Compliance untersucht werden. Zweitens müssen die von Behandlungseinstellungen
unabhängigen Einsichtsaspekte als Prädiktoren erfasst werden.
Werden diese Forderungen ansatzweise erfüllt, spricht die Befundlage eher gegen den
prognostischen Wert von Einsicht: PRATT, MUESER, DRISCOLL, WOLFE und BARTELS (2006)
konnten z. B. keine Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen SUMD-Einsicht und
objektiver Medikationsadhärenz (Pillenzählung: r = .14, n. s.) und eine geringe Korrelation
mit der Compliance-Beurteilung durch Behandler finden (r = .24, p < .05).
Fazit
Obwohl Compliance traditionell als »einsichtiges« Patientenverhalten gewertet
wird, zeichnet die Sichtung empirischer Arbeiten ein inkonsistentes Bild, das
überdies durch eine Konfundierung von Einsicht und Behandlungseinstellungen
auf der Ebene der Messinstrumente (z. B. im ITAQ) verzerrt wird. Die
knappe Analyse offenbart Probleme eines Einsichts-Makrokonstrukts sensu
DAVID (1990) – so werden weitere Einflüsse auf Compliance (z. B. subjektive
Nebenwirkungen, therapeutische Beziehung, soziale Unterstützung oder Medikations-Selbstmanagement)
sowie mögliche Mediatoren oder Moderatoren des
Einsichts-Compliance-Zusammenhangs auf diese Weise ausgeklammert.
Compliance ist, wie jedes Gesundheits- und Krankheitsverhalten, eingebettet in
ein komplexes Bedingungsgefüge, dem die konzeptuelle Vermengung mit der –
in sich ebenfalls heterogenen – Krankheitseinsicht nicht gerecht wird.
6.5.10 Modelle zur Genese der Einsicht
Die Entstehung von Krankheitseinsicht ist noch weitgehend unverstanden. Es konnten drei
Modelle ausgemacht werden, die versuchen, den Prozess der Einsichtsgenese zu erfassen.
Hierbei lassen sich zwei unterschiedliche Ansätze unterscheiden: Erstens kann versucht
werden, den Prozess der Einsichtsbildung auf konzeptueller Ebene zu erklären; dies
unternehmen MARKOVÁ und BERRIOS (1995a) und LINCOLN et al. (2007). Zweitens kann der
Prozess phänomenologisch beschrieben werden (Ko, YEH, HSU, CHUNG & YEN, 2006).
MARKOVÁ und BERRIOS (1995a) haben ein hierarchisches Mehrebenen-Modell der Einsicht
vorgelegt, das horizontal drei Pfade (a - c) der Symptom- und Einsichtsgenese und
vertikal drei Ebenen der Einsichtsstruktur (1 - 3) unterscheidet (Abbildung 9). Das Modell
befasst sich v. a. mit Symptombewusstheit, von der die »insight … in relation to disease as
a whole« (S. 749) unterschieden wird.