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Krankheitseinsicht, dynamisch getestete Exekutivfunktionen und ...

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<strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

personen, also Psychose-Symptome verpassten (g* = 0,47), was die Autoren als Hinweis<br />

auf Wissenslücken deuten.<br />

Aus klinischen Sozialisationsmodellen lassen sich zwei weitere allgemeine Vorhersagen<br />

ableiten: (1.) Wenn sich die Akquisition von erkrankungsbezogenem Wissen positiv auf<br />

Einsicht auswirken sollte, wie es das Lernmodell von MACPHERSON et al. (1996b) vorhersagt,<br />

dann sollten einsichtsorientierte Interventionen effektiv sein. (2.) Wenn sich Informationsvermittlung<br />

positiv auswirkt, sollte die hohe Prävalenz von Einsichtslücken einen<br />

Hinweis darauf geben, dass Lerngelegenheiten im Klinikalltag nicht immer gegeben sind,<br />

d. h. dass Behandlungsexperten möglicherweise Diagnosen unzureichend kommunizieren<br />

– sei es aus Zweifel an der Validität von Schizophrenie-Diagnosen oder am Verständnis<br />

ihrer Patienten, sei es aus Unbehagen.<br />

Die erste Vorhersage wurde in einem Review von HENRY <strong>und</strong> GHAEMI (2004) überprüft:<br />

Die Autoren konnten 11 randomisierte kontrollierte Studien (1966 - 2002) zur Wirksamkeit<br />

psychologischer Interventionen auffinden, die die Wirkung von (a) Psychoedukation<br />

(k = 6), (b) psychoanalytisch orientierter Psychotherapie (k = 2), (c) kognitiver Verhaltenstherapie<br />

(k = 1) <strong>und</strong> (d) video-gestützter Selbstbeobachtung (k = 2) untersuchten. Aufgr<strong>und</strong><br />

teilweise ungeeigneter Designs <strong>und</strong> der geringen Anzahl an Studien können nur tentative<br />

Schlussfolgerungen aus den betrachteten Arbeiten gezogen werden. Diese lauten, dass individualisierte<br />

Psychoedukation <strong>und</strong> Video-Selbstbeobachtung vielversprechende Ansätze zur<br />

Steigerung von Einsicht sein können.<br />

Zur Überprüfung der zweiten Vorhersage wäre es relevant zu wissen, ob Patienten ihre<br />

Diagnose überhaupt mitgeteilt bekommen – andernfalls kann zumindest dieser Aspekt von<br />

Einsicht kaum erwartet werden. Zur Praxis der Diagnoseeröffnung (diagnostic disclosure)<br />

wurden einige wenige postalische Befragungen von Psychiatern durchgeführt:<br />

GREEN <strong>und</strong> GANT (1987) befragten 246 an psychiatrischen Krankenhäusern der USA<br />

tätige Psychiater, von denen nur 76 % die Familie eines Patienten <strong>und</strong> 58 % den Patienten<br />

selbst von der Diagnose einer Schizophrenie immer oder üblicherweise in Kenntnis setzen.<br />

Dies wurde repliziert von MCDONALD-SCOTT, MACHIZAWA <strong>und</strong> SATOH (1992), die 109<br />

US-amerikanische <strong>und</strong> kanadische Psychiater an Universitätskliniken zur Diagnose-<br />

Eröffnung in einem fiktiven Fall befragten. Nur etwa die Hälfte der Respondenten (53 %)<br />

gab an, dass sie den Patienten aktiv über die Schizophrenie-Diagnose informieren würde.<br />

28 % der Psychiater würden die Diagnose nur auf Anfrage mitteilen <strong>und</strong> 18 % sie verschweigen.<br />

Als häufigster Gr<strong>und</strong> für die Nichteröffnung wurde in einer Teilstichprobe<br />

(N = 23) »Leads to mis<strong>und</strong>erstanding« angegeben (48 %), als zweithäufigster »Hurts<br />

patient« (26 %).<br />

SHERGILL, BARKER <strong>und</strong> GREENBERG (1998) fanden zwar, dass von 24 befragten englischen<br />

Psychiatern 83 % angaben, ihre Patienten üblicherweise über ihre psychiatrische<br />

Diagnose zu informieren. Diese Entscheidung wurde aber bei zwei Dritteln der Befragten<br />

von der Art der Erkrankung dahingehend beeinflusst, dass Schizophrenie-Diagnosen<br />

signifikant seltener mitgeteilt wurden als Diagnosen affektiver Störungen. Als wichtiger<br />

Einflussfaktor erwies sich bei SHERGILL et al. (1998) das Vertrauen in die Diagnose.<br />

Dies korrespondiert mit einem Bef<strong>und</strong> von CLAFFERTY, MCCABE <strong>und</strong> BROWN (2001), die<br />

211 schottische Psychiater befragten <strong>und</strong> eine »conspiracy of silence surro<strong>und</strong>ing schizophrenia«<br />

(S. 339) festzustellen glaubten: Zwar gaben 89 % an, die gesicherte Diagnose<br />

einer rezidivierenden Schizophrenie mitzuteilen, interessanterweise würden dies aber nur<br />

59 % bei einer Ersterkrankung tun <strong>und</strong> allgemein nur 51 % aktiv, d. h. ohne vom Patienten<br />

gefragt zu werden, was die Bef<strong>und</strong>e von GREEN <strong>und</strong> GANT (1987) <strong>und</strong> MCDONALD-SCOTT et<br />

al. (1992) repliziert. Nach ihren Erfahrungen bei der Diagnose-Eröffnung gefragt, stimmten

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