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Krankheitseinsicht, dynamisch getestete Exekutivfunktionen und ...

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19<br />

Wisconsin Card Sorting Test<br />

2001; GREEN, 1998, S. 83ff.), wenngleich sich immer deutlicher abzeichnet, dass eine<br />

direkte Ableitung komplexer psychotischer Phänomene aus basalen neurokognitiven Defiziten<br />

nicht möglich ist, sondern weitere Einflussfaktoren angenommen werden müssen<br />

(etwa Urteilsverzerrungen oder Attributionsstil: vgl. GARETY & FREEMAN, 1999). Tatsächlich<br />

hat sich durch die Forschung mit standardisierten kognitiven Tests <strong>und</strong> psychiatrischen<br />

Rating-Skalen deutlich herauskristallisiert, dass zumindest die schizophrene Positiv-<br />

Symptomatik weitgehend unabhängig von kognitiven Defiziten auftritt (DIBBEN, RICE,<br />

LAWS & MCKENNA, 2009; HEYDEBRAND et al., 2004; O’LEARY et al., 2000). Dies gilt<br />

zumindest für neuere, faktorenanalytisch begründete Faktorlösungen, in denen formale<br />

Denkstörungen, die ursprünglich der Positivsymptomatik zugerechnet wurden (vgl. KAY,<br />

FISZBEIN & OPLER, 1987), ebenso wie Abstraktions- <strong>und</strong> Aufmerksamkeitsschwierigkeiten<br />

einer kognitiven Desorganisations-Dimension zugeordnet werden (MAß, SCHOEMIG,<br />

HITSCHFELD, WALL & HAASEN, 2000).<br />

(c) Aufgr<strong>und</strong> der nosologischen <strong>und</strong> diagnostischen Probleme des Schizophrenie-<br />

Konzepts, wie z. B. der Abgrenzung zu affektiv-psychotischen Störungen (vgl. BENTALL,<br />

2003), erwarten einige Autoren von einer Aufnahme kognitiver Defizite als Kriterium in<br />

die Klassifikations-Systeme eine Erhöhung der Validität der Schizophrenie-Diagnose<br />

(KEEFE & FENTON, 2007).<br />

(d) Es konnte wiederholt gezeigt werden, dass kognitive Defizite sozioökonomisches<br />

Funktionsniveau <strong>und</strong> Rehabilitationerfolg besser vorhersagen <strong>und</strong> stärker limitieren als<br />

Positivsymptomatik (GREEN, 1996; GREEN, KERN, BRAFF & MINTZ, 2000). Sie bieten sich<br />

somit als Ansatzpunkt spezieller Remediationsmaßnahmen (vgl. MCGURK et al., 2007) <strong>und</strong><br />

als Zielbereich medikamentöser Therapie an.<br />

(e) Höhere kognitive Funktionen, v. a. solche, für die eine substanzielle Beteiligung<br />

präfrontaler Gehirnareale bekannt ist (z. B. DEMAKIS, 2003), werden als Voraussetzung der<br />

kritisichen Selbstreflexion <strong>und</strong> der Einschätzung der eigenen Lebenssituation betrachtet.<br />

Bei Menschen mit Schizophrenie-Diagnosen ist diese auch außerhalb akut positivsymptomatischer<br />

Episoden deutlich diskrepant zur Einschätzung professioneller Behandler, was<br />

als »mangelnde <strong>Krankheitseinsicht</strong>« thematisiert wird (AMADOR & DAVID, 2004). Mit der<br />

geplanten Studie soll versucht werden, diese kognitive Perspektive in eine multifaktorielle<br />

Betrachtung von Einsichtsdefiziten zu integrieren.<br />

Ein weitgehender Expertenkonsens zur Dimensionalität neurokognitiver Defizite bei<br />

Schizophrenie wurde mit der induktiv entwickelten Taxonomie der Measurement and<br />

Treatment Research to Improve Cognition in Schizophrenia (MATRICS)-Initiative des US-<br />

National Institute of Mental Health (NIMH) erreicht (NUECHTERLEIN et al., 2004).<br />

Die Experten identifizierten aufgr<strong>und</strong> einer Sichtung publizierter Metaanalysen sechs<br />

separierbare, häufig replizierte Faktoren: (1.) Verarbeitungsgeschwindigkeit (z. B. Trail<br />

Making Test, Wortflüssigkeitstests); (2.) Daueraufmerksamkeit (Varianten des Continuous<br />

Performance Test); (3.) verbales <strong>und</strong> nonverbales Arbeitsgedächtnis (z. B. Zahlenspannentest);<br />

(4.) verbale Merk- <strong>und</strong> Lernfähigkeit (z. B. Wortlistenlerntests); (5.) visuelle Merk-<br />

<strong>und</strong> Lernfähigkeit (z. B. Rekognition von Gesichtern); <strong>und</strong> (6.) logisches Denken <strong>und</strong><br />

Problemlösen (Wisconsin Card Sorting Test, Tower of London). Dieser letzte Faktor wird<br />

häufig auch als »exekutive Funktionen« bezeichnet (s. u.). Die Bezeichnung »Reasoning<br />

and problem solving« wurde v. a. gewählt, um eine klare Abgrenzung zur Arbeitsgedächtnis-Domäne<br />

zu gewährleisten, deren Tests ebenfalls »exekutive« Funktionen beanspruchen<br />

(z. B. mentale Umstellung einer Zeichenfolge).

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