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Krankheitseinsicht, dynamisch getestete Exekutivfunktionen und ...

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6. <strong>Krankheitseinsicht</strong> von Menschen mit<br />

Schizophrenie-Diagnosen<br />

6.1 Einleitung: subjektive Krankheitskonzepte<br />

111<br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

»Ich war schizophren. Ich weiß, wie es war. Weiß, wie die Welt aussah, wie sie sich<br />

anfühlte, was ich dachte <strong>und</strong> tun musste. Auch ich hatte meine ›guten Phasen‹, <strong>und</strong> ich<br />

weiß, wie ich sie erlebt habe <strong>und</strong> wie die Dinge jetzt sind. Das ist etwas ganz anderes.<br />

Jetzt bin ich ges<strong>und</strong>. Und auch das muss erlaubt sein.«<br />

LAUVENG (2008, S. 13)<br />

Bevor in den folgenden Abschnitten auf Krankheits-»Uneinsichtigkeit« bei Schizophrenie<br />

<strong>und</strong> auf Abwehr- <strong>und</strong> Bewältigungsprozesse als mutmaßliche Einflussfaktoren eingegangen<br />

wird, sollen zunächst subjektive Krankheitsmodelle von Menschen mit Schizophrenie-<br />

Diagnosen diskutiert werden, um die diskutierten Phänomene in einem breiteren ges<strong>und</strong>heitspsychologischen<br />

Bezugsrahmen zu betrachten, der von der Schizophrenieforschung<br />

bislang nicht hinreichend rezipiert wurde. Eine solche Betrachtungsweise ist erstens<br />

bedeutsam, weil Einsicht häufig als Übereinstimmung des subjektiven Krankheitsmodells<br />

des betroffenen Laien mit dem Expertenmodell der Schizophrenie verstanden wird (BÖKER,<br />

1999). Aus einer breiteren, ges<strong>und</strong>heitspsychologischen Perspektive handelt es sich bei der<br />

so verstandenen »<strong>Krankheitseinsicht</strong>« jedoch um den Sonderfall der Verinnerlichung eines<br />

bestimmten (d. h. des biopsychiatrischen) Krankheitsmodells, das u. a. durch die Annahmen<br />

einer weitgehenden biologischen Endogenie, eines hohen Rezidivrisikos <strong>und</strong> der<br />

Notwendigkeit von Pharmakotherapie gekennzeichnet ist. Ein tieferes Verständnis von<br />

Einsicht bei Schizophrenie, das Diskrepanzen nicht vorschnell als »psychotisch« pathologisiert,<br />

erfordert eine solche ges<strong>und</strong>heitspsychologische Konzeptualisierung, aus der heraus<br />

die motivationalen <strong>und</strong> epistemischen Bedingungen der Konstruktion alternativer<br />

Krankheitsrepräsentationen analysiert werden können.<br />

Auf eine detaillierte Beschreibung des zunehmend vom biopsychiatrischen »Brain<br />

disease«-Paradigma geprägten Expertenmodells der Schizophrenie-Spektrums-Störungen<br />

wurde verzichtet (z. B. AGRAWAL & HIRSCH, 2004): Hierzu existieren geeignete Übersichtsarbeiten<br />

(z. B. WALKER et al., 2004, 2008; KESHAVAN, TANDON, BOUTROS & NASRALLAH,<br />

2008). Zudem gestaltet sich die Formulierung eines konsensuellen Expertenmodells für<br />

psychische Störungen mit ihren komplexen <strong>und</strong> teilweise unverstandenen biopsychosozialen<br />

Wirkungszusammenhängen (noch) schwieriger als für den Bereich somatischer<br />

Akutkrankheiten (vgl. BENTALL, 2003) – auch dies sollte bei einer Diskussion der Bedingungen<br />

von »Einsicht« berücksichtigt werden.<br />

Zweitens wird Einsicht bei Schizophrenie, wie später ausführlicher gezeigt werden wird,<br />

gegenwärtig nicht mehr als binäres, sondern als kontinuierliches <strong>und</strong> mehrdimensionales<br />

Phänomen betrachtet, da beobachtet wurde, dass Fälle partieller Einsicht, in denen das<br />

Expertenmodell nur in bestimmten Aspekten oder nur bis zu einem bestimmten Grad<br />

verinnerlicht wird, im klinischen Alltag vergleichsweise häufiger auftreten als solche totaler<br />

Leugnung, in denen kein Störungserleben oder Krankheitsmodell vorliegt (oder berichtet<br />

wird). Es wird deutlich werden, dass einige der Einsichtsdimensionen, wie sie für die<br />

Schizophrenie formuliert wurden, sich gut in Einklang bringen lassen mit Dimensionen<br />

ges<strong>und</strong>heitspsychologischer Modelle der Krankheitsrepräsentation – <strong>und</strong> dass die

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