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Krankheitseinsicht, dynamisch getestete Exekutivfunktionen und ...

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Diskussion<br />

Fehlertypen: Während im Posttest <strong>und</strong> mehr noch bei der nicht-klinischen Stichprobe aus<br />

Studie 1 perseverative <strong>und</strong> nonperseverative Fehler signifikant korrelieren, bildeten sie<br />

unabhängige Komponenten der WCST-64-Leistung der Patienten. Diese Struktur kann am<br />

ehesten durch die Existenz einer selektiv non-exekutiv beeinträchtigten Subgruppe<br />

(»Lerner«) erklärt werden sowie dadurch, dass bei Probanden ohne akzentuierte frontalexekutive<br />

Defizite perseverative Fehler eine andere Bedeutung haben (z. B. einen Mangel<br />

an Alternativen oder idiosynkratische Regeln repräsentieren).<br />

Was bedeuten diese Bef<strong>und</strong>e nun für das Verständnis der differentiellen Defizite von<br />

Nichtlernern <strong>und</strong> Lernern im WCSTdyn? Dies soll im Folgenden unter Rückgriff auf die<br />

eigene integrative Darstellung der an der WCST-Bearbeitung beteiligten kognitiven<br />

Prozesse (Abbildung 4, Kapitel 3) erfolgen.<br />

Was die Nichtlerner betrifft, ist ätiologisch erstens an das für Schizophrenie metaanalytisch<br />

belegte Defizit des Arbeitsgedächtnisses zu denken. In Abschnitt 3.5.2 wurden<br />

Zusammenhänge zwischen statischem WCST <strong>und</strong> Arbeitsgedächtnistests referiert.<br />

Angesichts der pervasiven Natur der kognitiven Schwierigkeiten der Nichtlerner kommen<br />

hier alle von der CNTRICS formulierten Ebenen exekutiver Kontrolle (Generierung <strong>und</strong><br />

Auswahl von Regeln, <strong>dynamisch</strong>e Anpassung der Kontrolle) <strong>und</strong> des Arbeitsgedächtnisses<br />

(Ziel- <strong>und</strong> Kontext-Repräsentation, Interferenzkontrolle) in Frage.<br />

Auf neurobiologischer Ebene könnte dies mit einer Hypoaktivierung oder Dyskonnektivität<br />

exekutiver Kontrollnetzwerke korrespondieren, in die der dorsolaterale <strong>und</strong> der<br />

ventrolaterale präfrontale Kortex (DLPFC: abstrakte Repräsentation <strong>und</strong> Wechsel von<br />

Regeln; VLPFC: Interferenzkontrolle) sowie das anteriore Cingulum (ACC: Detektion von<br />

Reaktionskonflikten, Adjustierung der Kontrolle) eingeb<strong>und</strong>en sind (LIE et al., 2006;<br />

MINZENBERG et al., 2009). OHRMANN et al. (2008) hatten Lernfähigkeit im WCSTdyn mit<br />

der neuronalen Integrität des ACCs in Verbindung bringen können, was als Hinweis auf<br />

eine funktionierende kompensatorische Fehlerdetektion bei Lernern gewertet wurde.<br />

Eine zweite, hiermit zusammenhängende Möglichkeit betrifft ein Defizit der Attributidentifikation,<br />

möglicherweise bedingt durch eine Abschwächung der Top-down-Verarbeitung<br />

<strong>und</strong>/oder eine Störung der Nutzung semantischer Strukturen. Die resultierende<br />

Dominanz des perzeptuellen Aufwärtsstroms könnte dazu führen, dass Nichtlerner weniger<br />

auf abstrakte Stimulusdimensionen als auf »Gestalten« (d. h. farbige Formen) reagieren<br />

<strong>und</strong> dabei höchst individuelle, durch den Beobachter schwer nachvollziehbare Ähnlichkeitsmetriken<br />

anlegen.<br />

Und drittens könnte bei Nichtlernern ein basales Problem der Nutzung korrektiver<br />

Rückmeldung bestehen, das weniger auf Arbeitsgedächtnisprobleme zurückgehen, sondern<br />

Ausdruck einer Dysregulation des dopamin-basierten Belohnungssystems sein soll (GOLD<br />

et al., 2008).<br />

Was die Lerner betrifft, so ist deren exekutive Kontrolle offensichtlich intakt – andernfalls<br />

ließe sich ihr Performanzniveau nicht durch eine kurze didaktische Intervention<br />

normalisieren. Für die Schwierigkeiten im Prätest kommen zwei Kandidatenbereiche in<br />

Frage: Erstens besteht die Möglichkeit einer vergleichsweise diskreten Beeinträchtigung<br />

mnestischer Subsysteme (phonologischer Speicher, Auffrischung).<br />

Zweitens könnte das Problem der Lerner in der Akquisition von Regeln bzw. im Fehlen<br />

bestimmter kristalliner heuristischer Strukturen bestehen. In Abschnitt 3.5.3 war auf die<br />

Bedeutung des Sparsamkeitsprinzips hingewiesen worden. Eine Simulationsstudie<br />

(DEHAENE & CHANGEUX, 1991) hatte gezeigt, dass sich die Konstruktion zusätzlicher<br />

idiosynkratischer Regeln äußerst ungünstig auf die WCST-Performanz auswirken kann.

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