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Krankheitseinsicht, dynamisch getestete Exekutivfunktionen und ...

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<strong>Krankheitseinsicht</strong><br />

Erkrankungsbewusstheit (adj. R 2 = .29) ging einher mit kürzerer Ausbildungs- <strong>und</strong> längerer<br />

Erkrankungsdauer, geringerer Positivsymptomatik (PANSS), einem weniger annäherungs-<br />

<strong>und</strong> neuigkeitsorientierten, stärker belohnungsabhängigen Temperament (TPQ: CLONIN-<br />

GER et al., 1991), einem weniger problemorientierten Copingstil (CISS: ENDLER & PARKER,<br />

1990), geringerem Selbstwert (Rosenberg-Skala), höherer visuomotorischer Geschwindigkeit<br />

<strong>und</strong> besseren <strong>Exekutivfunktionen</strong> (CANTAB: MORRIS et al., 1987).<br />

Die Bewusstheit sozialer Konsequenzen (adj. R 2 = .27) ließ sich vorhersagen aus stärkerer<br />

Belohnungsabhängigkeit, einem weniger problem- <strong>und</strong> emotionsorientierten Copingstil<br />

<strong>und</strong> besserer kognitiver Leistung; die Bewusstheit von Medikationseffekten (adj. R 2 = .29)<br />

wiederum aus kürzerer Bildungsdauer, kognitiver Desorganisation (PANSS), der gleichen<br />

Temperamentsk0nfiguration wie für Erkrankungsbewusstheit, geringerer Selbstwirksamkeitserwartung<br />

<strong>und</strong> geringer problemorientierter <strong>und</strong> stärker vermeidender Bewältigung<br />

sowie wiederum besserer kognitiver Leistung.<br />

Für alle Dimensionen fanden sich also multiple Korrelate aus den Bereichen Symptomatik,<br />

Kognition, Persönlichkeit/Selbstkonzept <strong>und</strong> Bewältigung, die zusammen knapp 30 %<br />

der Einsichtsvarianz aufklären. Erkrankungsdauer <strong>und</strong> <strong>Exekutivfunktionen</strong> haben sich<br />

auch in multivariaten Modellen als prädiktiv für <strong>Krankheitseinsicht</strong> erwiesen. Die Beiträge<br />

der Coping-Variablen stehen jedoch im Gegensatz zur Vorhersage motivationaler Modelle<br />

(d. h. Einsichtige waren weniger problemorientiert <strong>und</strong> stärker vermeidend). Möglicherweise<br />

spiegelt sich hier eine in der Persönlichkeit Betroffener lokalisierbare Ursache der<br />

Zurückweisung des biomedizinischen Modells (z. B. Autonomiebedürfnis) oder eine<br />

depressive Reaktion auf dessen Übernahme wider. Die explorative Modellbildung, ausgehend<br />

von einem Satz von etwa 30 potenziellen Prädiktoren (allein 13 kognitiven), muss<br />

kritisch gesehen werden. Nach nichtlinearen Zusammenhängen <strong>und</strong> Interaktionen, wie sie<br />

das STARTUP-Modell nahelegen, wurde zudem nicht gesucht.<br />

Eine Phasenabhängigkeit der Zusammenhänge von neurokognitiven Funktionen,<br />

Defensivität <strong>und</strong> <strong>Krankheitseinsicht</strong> legt eine Arbeit von SUBOTNIK et al. (2o05) nahe: Die<br />

Autoren fanden mit Hilfe nicht-parametrischer Klassifikationsbäume, dass sich kognitive<br />

Funktionen (Vigilanz <strong>und</strong> Arbeitsgedächtnis: DS-CPT, 3-7 CPT) v. a. bei rezent erkrankten<br />

nicht-psychotischen Patienten (n = 23) als diskriminationskräftig erwiesen, während bei<br />

ebenfalls rezent erkrankten symptomatischen Patienten (n = 29) Defensivität (MMPI-<br />

Skalen K, R) die höhere Klassifikationsgüte aufwies (s. ebd., Abb. 1-3, S. 152-153). Die<br />

Autoren deuten ihren Bef<strong>und</strong> als Beleg dafür, dass der Einfluss stabiler neurokognitiver<br />

Defizite über psychotische Episoden hinausreicht <strong>und</strong> auch in nicht paranoid-halluzinatorischen<br />

Personen Einsicht begrenzt. Zwar ist die Anregung der Kontrolle der Symptomatik<br />

durch SUBOTNIK et al. (2o05) gr<strong>und</strong>sätzlich wertvoll, die Aussagekraft der Studie selbst aber<br />

begrenzt: Es erfolgt keine theoretische Einbettung der verwendeten Defensivitätsvariablen<br />

<strong>und</strong> ihres putativen Zusammenspiels mit Symptomatik, es werden keine bivariaten Zusammenhänge<br />

berichtet, Auswahl <strong>und</strong> Hierarchie der Klassifikationsvariablen erscheinen<br />

arbiträr <strong>und</strong> wegen der schwachen Besetzung der Äste anfällig für Zufallsfluktuationen.<br />

Fazit<br />

Theoretisch f<strong>und</strong>ierte multifaktorielle Modelle könnten das Verständnis der<br />

<strong>Krankheitseinsicht</strong> bei Schizophrenie deutlich voranbringen. Bis heute wurde<br />

nur ein Modell formuliert, das gerichtete Vorhersagen über Konfigurationen<br />

von Einsicht, kognitivem Funktionsniveau <strong>und</strong> Merkmalen der Krankheitsverarbeitung<br />

sowie eine Erklärung inkonsistenter Korrelationen erlaubt (STARTUP,<br />

1996). Dies wurde bislang zweimal überprüft, wobei im Wesentlichen der prä-

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