1996 TARZAN und die verbotene Stadt Leseprobe - Spitzenlicht.de
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Tarzan <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>verbotene</strong> <strong>Stadt</strong><br />
Titel <strong>de</strong>r amerikanischen Originalausgabe<br />
Tarzan and the Forbid<strong>de</strong>n City<br />
by Edgar Rice Burroughs<br />
Kapitel 1<br />
Die Regenzeit war vorbei. Die Dschungelwäl<strong>de</strong>r waren<br />
eine üppige grüne Wildnis, übersät mit Myria<strong>de</strong>n<br />
tropischer Blüten, belebt von prächtigen Farben <strong>und</strong> <strong>de</strong>n<br />
lärmen<strong>de</strong>n Stimmen zahlloser Vögel, scheltend, balzend,<br />
jagend, entfliehend. Sie waren belebt von schnattern<strong>de</strong>n<br />
Affen <strong>und</strong> summen<strong>de</strong>n Insekten, <strong>die</strong> alle eifrig bemüht<br />
schienen, alles in Kreisen zu erledigen ohne an ein Ziel zu<br />
gelangen – ganz nach <strong>de</strong>r Art ihrer unglücklichen Vettern,<br />
<strong>die</strong> in weniger schönen Dschungeln aus Ziegeln <strong>und</strong><br />
Marmor <strong>und</strong> Beton wohnen.<br />
Tarzan <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>verbotene</strong> <strong>Stadt</strong><br />
Gleich <strong>de</strong>n Bäumen selbst ein Teil <strong>de</strong>r primitiven<br />
Szenerie, streckte sich <strong>de</strong>r Herr <strong>de</strong>s Dschungels bequem<br />
auf <strong>de</strong>m Rücken Tantors, <strong>de</strong>s Elefanten, aus <strong>und</strong> ruhte im<br />
g e s p r e n k e l t e n S o n n e n l i c h t d e s D s c h u n g e l s z u r<br />
Mittagszeit. Scheinbar ohne seine Umgebung zu<br />
beachten, war <strong>de</strong>r Affenmensch doch mit all seinen<br />
Sinnen wachsam gegenüber <strong>de</strong>n Vorgängen r<strong>und</strong> um ihn.<br />
Sein scharfes Gehör <strong>und</strong> sein Geruchssinn reichten weit<br />
über <strong>die</strong> sichtbare Örtlichkeit hinaus. Letzterem trug<br />
Usha, <strong>de</strong>r Wind, eine Warnung zu. Die empfindlichen<br />
N ü s t e r n w i t t e r t e n e i n e n n a h e n d e n G o m a n g a n i .<br />
Augenblicklich erstarrte Tarzan zu erhöhter Wachsamkeit.<br />
Er suchte sich nicht zu verbergen o<strong>de</strong>r zu entfernen, <strong>de</strong>nn<br />
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er wusste, dass sich nur ein einzelner Eingeborener<br />
näherte. Wären es mehrere gewesen, hätte er sich in <strong>die</strong><br />
Baumwipfel emporgeschwungen <strong>und</strong> ihr Erscheinen aus<br />
<strong>de</strong>r Deckung einiger mächtiger Patriarchen <strong>de</strong>s Wal<strong>de</strong>s<br />
beobachtet. Liegt es doch allein an ewiger Wachsamkeit,<br />
dass ein Dschungelbewohner <strong>die</strong> ständige Bedrohung<br />
durch <strong>de</strong>n ärgsten aller Mör<strong>de</strong>r überlebt – <strong>de</strong>n Menschen.<br />
Tarzan dachte selten von sich als Mensch. Von Kin<strong>de</strong>salter<br />
an war er als wil<strong>de</strong>s Tier unter solchen erzogen wor<strong>de</strong>n,<br />
<strong>und</strong> es hatte gedauert, bis er fast erwachsen war, ehe er<br />
einen Menschen gesehen hatte. Unterbewusst reihte er<br />
sie mit Numa, <strong>de</strong>m Löwen, <strong>und</strong> Sheeta, <strong>de</strong>m Panther, ein;<br />
mit Bolgani, <strong>de</strong>m Gorilla, <strong>und</strong> Histah, <strong>de</strong>r Schlange, <strong>und</strong><br />
an<strong>de</strong>ren <strong>de</strong>rartigen Todfein<strong>de</strong>n, wie sie seine Umwelt<br />
hervorbrachte.<br />
Auf <strong>de</strong>n großen Rücken Tantors gekauert, zu allem bereit,<br />
beobachtete Tarzan <strong>de</strong>n Pfad, auf <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Mann<br />
herankam. Tantor wur<strong>de</strong> bereits unruhig, <strong>de</strong>nn auch er<br />
hatte <strong>die</strong> Witterung <strong>de</strong>s Menschen aufgenommen. Aber<br />
Tarzan beruhigte ihn mit einem Wort, <strong>und</strong> <strong>de</strong>r große,<br />
gehorsame Bulle stand reglos. Eben erschien <strong>de</strong>r Mann<br />
an einer Biegung <strong>de</strong>s Pfa<strong>de</strong>s, <strong>und</strong> Tarzan entspannte sich.<br />
Der Eingeborene ent<strong>de</strong>ckte <strong>de</strong>n Affenmenschen fast<br />
gleichzeitig <strong>und</strong> hielt an. Dann lief er vorwärts <strong>und</strong> fiel vor<br />
<strong>de</strong>m Herrn <strong>de</strong>s Dschungels auf <strong>die</strong> Knie.<br />
„Grüße, großer Bwana!“, rief er.<br />
„Grüße, Ogabi!“, erwi<strong>de</strong>rte <strong>de</strong>r Affenmensch. „Warum ist<br />
Ogabi hier? Warum ist er nicht in seinem eigenen Land<br />
<strong>und</strong> hütet seine Rin<strong>de</strong>r?“<br />
„Ogabi sucht großen Bwana“, antwortete <strong>de</strong>r Schwarze.<br />
„Weshalb?“, fragte Tarzan.<br />
„Ogabi hat <strong>die</strong> Safari eines weißen Bwana begleitet, als<br />
Askari. Weißer Bwana Gregory schickt Ogabi Tarzan<br />
suchen.“<br />
„Ich kenne keinen weißen Bwana Gregory“, wandte <strong>de</strong>r<br />
Affenmensch ein. „Warum hat er dich auf <strong>die</strong> Suche nach<br />
mir geschickt?“<br />
„Weißer Bwana schickt Ogabi Tarzan holen. Muss Tarzan<br />
sehen.“<br />
„Wo?“, fragte Tarzan.<br />
„Großes Dorf, Loango“, erklärte Ogabi.<br />
Tarzan schüttelte sein Haupt. „Nein“, sagte er. „Tarzan<br />
geht nicht.“<br />
„Bwana Gregory sagt, Tarzan muss“, beharrte Ogabi. „Ein<br />
Bwana verschollen; Tarzan fin<strong>de</strong>n.“<br />
„Nein“, wie<strong>de</strong>rholte <strong>de</strong>r Affenmensch. „Tarzan mag <strong>die</strong><br />
großen Dörfer nicht. Sie sind voller übler Gerüche <strong>und</strong><br />
Krankheiten <strong>und</strong> Menschen <strong>und</strong> an<strong>de</strong>ren Übeln. Tarzan<br />
geht nicht.“<br />
Tarzan <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>verbotene</strong> <strong>Stadt</strong><br />
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„Bwana d´Arnot sagt, Tarzan kommt“, fügte Ogabi hinzu,<br />
als fiele es ihm erst jetzt ein.<br />
„D´Arnot ist in Loango?“, fragte <strong>de</strong>r Affenmensch.<br />
„Warum hast du das nicht gleich gesagt? Für Bwana d<br />
´Arnot kommt Tarzan.“<br />
Und so, nach einem Abschiedswort zu Tantor, schwang<br />
sich Tarzan in <strong>die</strong> Bäume <strong>und</strong> durch <strong>die</strong> Baumkronen <strong>de</strong>n<br />
Pfad entlang in <strong>die</strong> Richtung von Loango, während Ogabi<br />
zufrie<strong>de</strong>n hinterher trottete.<br />
*<br />
Es war heiß in Loango. Aber das war nicht ungewöhnlich,<br />
<strong>de</strong>nn es ist immer heiß in Loango.<br />
Wie auch immer, <strong>die</strong> tropische Hitze hat auch ihre<br />
Annehmlichkeiten. Eine davon ist das große Glas voller<br />
Eiswürfel, Rum, Zucker <strong>und</strong> Zitronensaft. Eine Gruppe auf<br />
<strong>de</strong>r Terrasse eines kleinen kolonialen Hotels in Loango<br />
genoss mehrere <strong>die</strong>ser erfrischen<strong>de</strong>n Kompositionen.<br />
Captain Paul d´Arnot von <strong>de</strong>r französischen Marine<br />
streckte seine langen Beine bequem unter <strong>de</strong>m Tisch aus<br />
<strong>und</strong> gönnte seinen Augen <strong>de</strong>n Genuss <strong>de</strong>s Profils von<br />
Helen Gregory, während er langsam an seinem Drink<br />
nippte. Helens Profil war es wert, von je<strong>de</strong>m geprüft zu<br />
wer<strong>de</strong>n – <strong>und</strong> nicht bloß ihr Profil. Blond, neunzehn,<br />
lebhaft, mit einer Haltung <strong>und</strong> Figur in anmutig schicker<br />
Sportkleidung, wirkte sie so kühl <strong>und</strong> einla<strong>de</strong>nd wie das<br />
eisgekühlte Glas vor ihr.<br />
„Glauben Sie, <strong>die</strong>ser Tarzan, nach <strong>de</strong>m Sie geschickt<br />
haben, kann Brian fin<strong>de</strong>n, Captain d´Arnot?“, fragte sie,<br />
in<strong>de</strong>m sie ihm ihr Gesicht nach kurzem Träumen<br />
zuwandte.<br />
„Von vorn ist <strong>de</strong>in Gesicht noch schöner als im Profil“,<br />
dachte d´Arnot, „aber <strong>de</strong>in Profil ziehe ich vor, <strong>de</strong>nn das<br />
kann ich anstarren, ohne dass du es bemerkst.“ Laut aber<br />
sagte er: „Es gibt keinen, <strong>de</strong>r Afrika besser kennt als<br />
Tarzan, Ma´moiselle. Be<strong>de</strong>nken Sie jedoch, dass Ihr<br />
Bru<strong>de</strong>r seit zwei Jahren vermisst wird. Vielleicht – “<br />
„Jawohl, Captain“, unterbrach ihn das dritte Mitglied <strong>de</strong>r<br />
Gesellschaft. „Ich sehe ein, dass mein Sohn tot sein<br />
könnte. Aber wir wer<strong>de</strong>n <strong>die</strong> Hoffnung nicht aufgeben, bis<br />
wir es wissen.“<br />
„Brian ist nicht tot, Papa“, beharrte Helen. „Ich weiß es.<br />
Je<strong>de</strong>r wur<strong>de</strong> überprüft. Vier von <strong>de</strong>r Expedition wur<strong>de</strong>n<br />
getötet – <strong>de</strong>r Rest entkam. Einzig Brian ging verloren –<br />
verschwand. Die an<strong>de</strong>ren brachten Geschichten mit<br />
zurück – bizarre, nahezu unglaubliche Geschichten. Alles<br />
Mögliche kann Brian zugestoßen sein, doch er ist nicht<br />
tot!“<br />
Tarzan <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>verbotene</strong> <strong>Stadt</strong><br />
„Diese Verzögerung ist äußerst entmutigend“, sagte<br />
Gregory. „Ogabi ist seit einer Woche fort, doch immer<br />
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noch kein Tarzan. Vielleicht fin<strong>de</strong>t er ihn nie. Ich glaube<br />
wirklich, ich sollte einen sofortigen Aufbruch planen. Mit<br />
Wolff habe ich einen guten Mann. Er kennt sein Afrika wie<br />
ein Buch.“<br />
„Womöglich haben Sie recht“, stimmte d´Arnot zu. „Ich<br />
möchte Sie in keiner Weise gegen Ihr besseres Urteil<br />
beeinflussen. Wenn es möglich wäre, Tarzan zu fin<strong>de</strong>n,<br />
<strong>und</strong> er Sie begleiten wür<strong>de</strong>, wären Sie viel besser dran.<br />
Aber natürlich gibt es keine Sicherheit, dass Tarzan bereit<br />
wäre, mit Ihnen zu gehen, selbst wenn Ogabi ihn fän<strong>de</strong>.“<br />
„Oh, <strong>die</strong>sbezüglich gäbe es keinerlei Zweifel“, erwi<strong>de</strong>rte<br />
Gregory. „Ich wür<strong>de</strong> ihn gut bezahlen.“<br />
D´Arnot hob missbilligend seine Hand. „No! No, mon<br />
ami!“, stieß er hervor. “Nie, niemals dürfen Sie daran<br />
<strong>de</strong>nken, Tarzan Geld anzubieten. Er wür<strong>de</strong> Ihnen mit<br />
seinen grauen Augen einen Blick zuwerfen – einen Blick,<br />
<strong>de</strong>r Ihnen das Gefühl gäbe, ein Insekt zu sein. Und dann<br />
wür<strong>de</strong> er in <strong>de</strong>n Dschungel verschwin<strong>de</strong>n, Sie wür<strong>de</strong>n ihn<br />
nie wie<strong>de</strong>r sehen. Er ist nicht wie an<strong>de</strong>re Menschen,<br />
Monsieur Gregory.“<br />
„Nun, was sonst könnte ich ihm anbieten? Wofür wür<strong>de</strong> er<br />
<strong>de</strong>nn mitgehen, wenn nicht für eine Entschädigung?“<br />
„Meinetwegen, vielleicht“, sagte d´Arnot. „Aus einer<br />
Laune heraus – wer weiß? Wenn er Sie womöglich mag;<br />
wenn er ein Abenteuer wittert – oh, es gibt viele Grün<strong>de</strong>,<br />
warum Tarzan Sie durch seine Wäl<strong>de</strong>r <strong>und</strong> Dschungel<br />
brächte, aber keiner davon ist Bezahlung.“<br />
An einem an<strong>de</strong>ren Tisch, am drüberen En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Terrasse,<br />
lehnte sich ein dunkles Mädchen an ihren Gefährten,<br />
einen langen, dünnen Ostin<strong>de</strong>r mit einem kurzen,<br />
schwarzen Kinnbart. „Irgendwie muss einer von uns <strong>die</strong><br />
Bekanntschaft <strong>de</strong>r Gregorys machen, Lal Taask“, sagte<br />
sie. „Atan Thome erwartet mehr von uns, als bloß auf <strong>de</strong>r<br />
Terrasse zu sitzen <strong>und</strong> Pflanzerpunsch zu trinken.“<br />
„Für dich, Magra, sollte es einfach sein, mit <strong>de</strong>m<br />
Mädchen bekannt zu wer<strong>de</strong>n“, schlug Lal Taask vor.<br />
Plötzlich weiteten sich seine Augen, als er über das<br />
Gelän<strong>de</strong> zum Eingang <strong>de</strong>s Hotelgr<strong>und</strong>stücks schaute.<br />
„Siva!“, rief er aus. „Schau, wer da kommt!“<br />
Das Mädchen schluckte vor Erstaunen. „Das kann nicht<br />
sein!“, rief sie. „Und doch ist es so. Was für ein Glück!<br />
Welch w<strong>und</strong>erbares Glück!“ Ihre Augen glänzten in etwas<br />
an<strong>de</strong>rem Licht als <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Aufregung.<br />
Die Gesellschaft Gregorys, vertieft in <strong>die</strong> Unterhaltung,<br />
bemerkten Tarzans <strong>und</strong> Ogabis Auftauchen nicht, bis<br />
Letzterer neben ihrem Tisch stand. Dann sah d´Arnot auf<br />
<strong>und</strong> sprang auf <strong>die</strong> Beine. „Grüße, mon ami!“, rief er.<br />
Als Helen Gregory aufschaute in das Gesicht <strong>de</strong>s<br />
Affenmenschen, weiteten sich ihre Augen in staunen<strong>de</strong>r<br />
Ungläubigkeit. Gregory wirkte verblüfft.<br />
Tarzan <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>verbotene</strong> <strong>Stadt</strong><br />
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„Du hast nach mir gesandt, Paul?“, fragte Tarzan.<br />
„Ja, doch lass mich erst vorstellen – was <strong>de</strong>nn, Miss<br />
Gregory! Stimmt etwas nicht?“<br />
„Es ist Brian“, flüsterte das Mädchen beklommen, „<strong>und</strong><br />
doch ist es nicht Brian!“<br />
„Nein“, versicherte ihr d´Arnot, „es ist nicht Ihr Bru<strong>de</strong>r. Es<br />
ist Tarzan von <strong>de</strong>n Affen.“<br />
„Eine äußerst bemerkenswerte Ähnlichkeit“, sagte<br />
Gregory, als er sich erhob <strong>und</strong> <strong>de</strong>m Affenmenschen seine<br />
Hand hinstreckte.<br />
„Lal Taask“, sagte Magra. „Er ist es. Das ist Brian<br />
Gregory.“<br />
„Du hast recht“, stimmte Lal Taask zu. „Nach all <strong>de</strong>n<br />
Monaten unserer Planungen läuft er uns genau in <strong>die</strong><br />
Arme. Wir müssen ihn sofort zu Atan Thome bringen –<br />
aber wie?“<br />
„Überlass das mir“, sagte das Mädchen. „Ich habe einen<br />
Plan. Zum Glück hat er uns noch nicht gesehen. Hätte er<br />
das, dann wür<strong>de</strong> er nie mitkommen, <strong>de</strong>nn er hat keinen<br />
Gr<strong>und</strong>, uns zu vertrauen. Komm! Wir gehen hinein, dann<br />
rufst du einen Boy, <strong>und</strong> ich schicke ihm eine Botschaft.“<br />
Während Tarzan, d´Arnot <strong>und</strong> <strong>die</strong> Gregorys sich<br />
u n t e r h i e l t e n , k a m e i n B o y u n d h ä n d i g t e d e m<br />
Affenmenschen eine Benachrichtigung aus. Der überflog<br />
sie. „Da muss ein Missverständnis vorliegen“, sagte er,<br />
„das muss für jemand an<strong>de</strong>ren bestimmt sein.“<br />
„Nein, Bwana“, sagte <strong>de</strong>r Boy. „Sie sagte, gib das<br />
großem Bwana mit Len<strong>de</strong>nschurz.“<br />
„Schreibt, sie will mich im kleinen Salon neben <strong>de</strong>m<br />
Eingang treffen“, sagte Tarzan zu d´Arnot. „Sehr<br />
dringend. Unterschrieben mit `In alter Fre<strong>und</strong>schaft`,<br />
muss aber natürlich ein Missverständnis sein. Ich wer<strong>de</strong><br />
gehen <strong>und</strong> es aufklären.“<br />
„Sei vorsichtig, Tarzan“, lachte d´Arnot. „Mit <strong>de</strong>r Wildnis<br />
Afrikas bist du vertraut, nicht aber mit weiblicher List.“<br />
„Die man für weit gefährlicher hält“, sagte Helen mit<br />
einem Lächeln.<br />
E i n l e i s e s L ä c h e l n f l o g ü b e r d a s G e s i c h t d e s<br />
Dschungelherrn, als er hinab in <strong>die</strong> schönen Augen <strong>de</strong>s<br />
Mädchens blickte. „Das zu glauben, fällt leicht“, sagte er.<br />
„Ich glaube, ich sollte d´Arnot warnen.“<br />
„Ach, welcher Franzose bräuchte Ratschläge für <strong>de</strong>n<br />
Umgang mit Frauen?“, fragte Helen. „Es sind <strong>die</strong> Frauen,<br />
<strong>die</strong> zu beschützen wären.“<br />
„Er ist sehr nett“, sagte sie zu d´Arnot, nach<strong>de</strong>m Tarzan<br />
gegangen war. „Aber ich glaube, man muss sich immer<br />
ein wenig fürchten vor ihm. Um ihn ist etwas Strenges zu<br />
spüren, sogar wenn er lächelt.“<br />
Tarzan <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>verbotene</strong> <strong>Stadt</strong><br />
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„Was nicht oft vorkommt“, sagte d´Arnot. „Und lachen<br />
habe ich ihn noch nie vernommen. Aber niemand, <strong>de</strong>r<br />
ehrenhaft ist, muss sich je vor Tarzan fürchten.“<br />
Als Tarzan <strong>de</strong>n kleinen Salon betrat, sah er eine große,<br />
schlanke Brünette an einem Tisch an <strong>de</strong>r Seite <strong>de</strong>s<br />
Raumes stehen. Was er nicht sah, war das Auge Lal Taasks<br />
hinter einer Türritze an <strong>de</strong>r gegenüber liegen<strong>de</strong>n Wand.<br />
„Ein Boy brachte mir <strong>die</strong>ses Blatt“, sagte Tarzan. „Da<br />
muss ein Irrtum bestehen. Ich kenne Sie nicht, <strong>und</strong> Sie<br />
kennen mich nicht.“<br />
„Da gibt es keinen Irrtum, Brian Gregory“, sagte Magra.<br />
„Eine alte Fre<strong>und</strong>in wie mich kannst du nicht täuschen.“<br />
Ohne zu lächeln, musterte <strong>de</strong>r Blick <strong>de</strong>s Affenmenschen<br />
das Mädchen von Kopf bis Fuß. Dann wandte er sich zum<br />
Verlassen <strong>de</strong>s Raumes um. Ein an<strong>de</strong>rer wäre wohl<br />
geblieben, um <strong>die</strong> Angelegenheit zu klären, <strong>de</strong>nn Marga<br />
war schön; an<strong>de</strong>rs Tarzan – er hatte alles gesagt, was es<br />
zu sagen gab, soweit es ihn betraf.<br />
„Warte, Brian Gregory!“, blaffte Magra. „Du bist zu<br />
ungestüm. Du gehst jetzt nicht!“<br />
Tarzan wandte sich um, da er einen drohen<strong>de</strong>n Ton<br />
heraushörte. „Und warum nicht?“, fragte er.<br />
„Weil es gefährlich wäre. Lal Taask ist direkt hinter dir.<br />
Seine Pistole berührt fast <strong>de</strong>inen Rücken. Du steigst <strong>die</strong><br />
Treppe hoch mit mir wie ein alter Fre<strong>und</strong>, Arm in Arm.<br />
Und Lal Taask wird hinter dir sein. Eine falsche Bewegung,<br />
<strong>und</strong> – puff! bist du tot.“<br />
Tarzan zuckte <strong>die</strong> Schultern. „Warum nicht?“, dachte er.<br />
Auf irgen<strong>de</strong>ine Weise befassten sich <strong>die</strong>se bei<strong>de</strong>n mit<br />
<strong>de</strong>n Angelegenheiten <strong>de</strong>r Gregorys, <strong>und</strong> <strong>die</strong> Gregorys<br />
waren d´Arnots Fre<strong>und</strong>e. Unvermittelt empfand <strong>de</strong>r<br />
Affenmensch Sympathien für <strong>die</strong> Seite <strong>de</strong>r Gregorys. Er<br />
nahm Magras Arm. „Wohin gehen wir?“, fragte er.<br />
„Einen an<strong>de</strong>ren alten Fre<strong>und</strong> besuchen, Brian Gregory“,<br />
lächelte Magra.<br />
Sie mussten <strong>die</strong> Terrasse überqueren, um <strong>die</strong> Treppe zur<br />
zweiten Etage eines an<strong>de</strong>ren Hotelflügels zu erreichen.<br />
Magra lächelte <strong>und</strong> plau<strong>de</strong>rte fröhlich, Lal Taask folgte<br />
dahinter, aber nun war seine Pistole in seiner Tasche.<br />
D´Arnot schaute erstaunt auf sie, als sie vorbei gingen.<br />
„Also war es eine alte Fre<strong>und</strong>in“, bemerkte Helen.<br />
D´Arnot schüttelte <strong>de</strong>n Kopf. „Mit gefällt <strong>de</strong>r Anblick<br />
nicht“, sagte er.<br />
„Du hast dich verän<strong>de</strong>rt, Brian Gregory“, sagte Magra, zu<br />
ihm empor lächelnd, als sie <strong>die</strong> Treppe hinaufstiegen.<br />
„Und ich glaube, du gefällst mir so besser.“<br />
„Was soll das alles?“, fragte Tarzan.<br />
„Deine Erinnerung wird bald aufgefrischt wer<strong>de</strong>n, mein<br />
Fre<strong>und</strong>“, erwi<strong>de</strong>rte das Mädchen. „Am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Halle ist<br />
eine Tür, <strong>und</strong> hinter <strong>de</strong>r Tür ist ein Mann.“<br />
Tarzan <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>verbotene</strong> <strong>Stadt</strong><br />
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An <strong>de</strong>r Tür hielten sie, <strong>und</strong> Magra klopfte.<br />
„Wer ist es?“, fragte eine Stimme aus <strong>de</strong>m Raum drinnen.<br />
„Ich bin´s, Magra, mit Lal Taask <strong>und</strong> einem Fre<strong>und</strong>“,<br />
antwortete das Mädchen.<br />
Die Stimme for<strong>de</strong>rte sie auf einzutreten, <strong>und</strong> als sich <strong>die</strong><br />
Tür öffnete, sah Tarzan einen plumpen, schmierigen,<br />
scheinbar höflichen Eurasier an einem Tisch an <strong>de</strong>r Seite<br />
eines gewöhnlichen Hotelzimmers sitzen. Die Augen <strong>de</strong>s<br />
Mannes waren bloß Schlitze, seine Lippen schmal. Tarzans<br />
Augen erfassten <strong>de</strong>n ganzen Raum mit einem Blick.<br />
Gegenüber gab es ein Fenster; links, von <strong>de</strong>m Mann quer<br />
durch <strong>de</strong>n Raum, war eine Kommo<strong>de</strong>, daneben eine<br />
geschlossene Tür, <strong>die</strong> wahrscheinlich in einen Nebenraum<br />
führte, <strong>de</strong>r mit <strong>die</strong>sem eine Suite bil<strong>de</strong>te.<br />
„Ich habe ihn endlich gef<strong>und</strong>en, Atan Thome“, sagte<br />
Magra.<br />
„Ah, Brian Gregory!“, rief Thome aus. „Freut mich Sie<br />
wie<strong>de</strong>r zu sehen – soll ich sagen ,mein Fre<strong>und</strong>‘?“<br />
„Ich bin nicht Brian Gregory“, sagte Tarzan, „aber das<br />
wissen Sie natürlich. Sagen Sie mir, was Sie wollen!“<br />
„Sie sind Brian Gregory, <strong>und</strong> ich kann verstehen, Sie<br />
wünschten mir das abzustreiten“, schnaubte Thome. „Und<br />
da Sie Brian Gregory sind, wissen Sie, was ich will. Ich will<br />
<strong>die</strong> Richtung wissen zur <strong>Stadt</strong> Ashair – <strong>de</strong>r Verbotenen<br />
<strong>Stadt</strong>. Sie haben <strong>die</strong> Wegbeschreibung aufgezeichnet;<br />
Sie haben eine Karte angelegt; ich sah es. Sie ist mir<br />
zehntausend Pf<strong>und</strong> wert – das ist mein Angebot.“<br />
„Ich habe keine Karte. Ich habe von Ashair nie gehört“,<br />
entgegnete Tarzan.<br />
Atan Thomes Gesicht zeigte einen fast wahnsinnigen<br />
Zorn, als er hastig zu Lal Taask in einer Sprache, <strong>die</strong><br />
we<strong>de</strong>r Tarzan noch Magra verstand, sprach. Der Ostin<strong>de</strong>r,<br />
<strong>de</strong>r neben Tarzan stand, zog ein langes Messer unter<br />
seinem Umhang hervor.<br />
„Nicht das, Atan Thome!“, schrie Magra.<br />
„Weshalb nicht?“, fragte <strong>de</strong>r Mann. „Die Pistole wür<strong>de</strong><br />
zuviel Lärm machen. Lal Taasks Messer wird still arbeiten.<br />
Wenn Gregory uns nicht helfen will, darf er nicht leben<br />
<strong>und</strong> uns hin<strong>de</strong>rn. Schlag zu, Lal Taask!“<br />
Tarzan <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>verbotene</strong> <strong>Stadt</strong><br />
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Kapitel 2<br />
„Ich kann nicht verstehen“, sagte d´Arnot, „warum<br />
Tarzan mit <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n ging. Das ist nicht seine Art. Wenn<br />
jemals ein Mann Frem<strong>de</strong>n misstraute, dann er.“<br />
„Vielleicht waren es keine Frem<strong>de</strong>n“, nahm Helen an. „Er<br />
schien in bestem Einvernehmen mit <strong>de</strong>r Frau. Haben Sie<br />
nicht bemerkt, wie fröhlich <strong>und</strong> fre<strong>und</strong>schaftlich sie<br />
wirkte?“<br />
„Ja“, erwi<strong>de</strong>rte d´Arnot. „Habe ich. Doch ebenso habe<br />
ich Tarzan gesehen. Etwas Seltsames ging da vor. Das<br />
gefällt mir nicht.“<br />
Eben während d´Arnot sprach, wirbelte Tarzan, schnell<br />
wie Ara, <strong>de</strong>r Blitz, zu Lal Taask herum, ehe <strong>de</strong>ssen<br />
Messerhand zustieß. Er packte <strong>de</strong>n Mann <strong>und</strong> hob ihn<br />
über seinen Kopf. Atan Thome <strong>und</strong> Magra wichen in<br />
völliger Verblüffung zur Wand zurück. Sie keuchten vor<br />
Entsetzen, als Tarzan Lal Taask mit Wucht zu Bo<strong>de</strong>n<br />
schleu<strong>de</strong>rte.<br />
Tarzan fixierte Atan Thome mit ruhigem Blick. „Sie sind<br />
<strong>de</strong>r Nächste“, sagte er.<br />
„Warten Sie, Brian Gregory“, bettelte Thome, weiter vor<br />
<strong>de</strong>m Affenmenschen zurückweichend <strong>und</strong> Magra mit sich<br />
ziehend. „Wir wollen vernünftig sein.“<br />
„Ich verhandle nicht mit Mör<strong>de</strong>rn“, entgegnete Tarzan.<br />
„Ich töte sie.“<br />
„Ich wollte Sie nur einschüchtern, nicht töten“, erklärte<br />
Atan Thome, während er sich weiter <strong>die</strong> Wand entlang<br />
drückte, Magras Hand festhaltend.<br />
„Warum?“, verlangte Tarzan zu wissen.<br />
„Weil Sie etwas haben, das ich möchte – eine<br />
Wegbeschreibung nach Ashair“, erwi<strong>de</strong>rte Thome.<br />
„Ich habe keine Karte“, sagte Tarzan. „Und ich sage Ihnen<br />
noch einmal, dass ich niemals von Ashair gehört habe.<br />
Was gibt es in Ashair, das Sie haben wollen?“<br />
„Warum abstreiten, Brian Gregory?“, keifte Atan Thome.<br />
„Sie wissen so gut wie ich: Das was wir bei<strong>de</strong> in Ashair<br />
wollen, ist <strong>de</strong>r Vater <strong>de</strong>r Diamanten. Wollen Sie mit mir<br />
zusammenarbeiten o<strong>de</strong>r weiter lügen?“<br />
Tarzan zuckte <strong>die</strong> Schultern. „Ich weiß nicht, wovon Sie<br />
re<strong>de</strong>n“, sagte er.<br />
„Na schön, Sie Narr“, knurrte Thome. „Wenn Sie nicht mit<br />
mir zusammenarbeiten wollen, sollen Sie nicht am Leben<br />
bleiben, um gegen mich zu arbeiten.“ Er zog eine Pistole<br />
aus einem Schulterhalfter <strong>und</strong> richtete sie auf <strong>de</strong>n<br />
Affenmenschen. „Das ist für Sie!“<br />
„Tu das nicht!“, schrie Magra <strong>und</strong> stieß <strong>die</strong> Waffe empor,<br />
als Thome <strong>de</strong>n Abzug drückte. „Du sollst Brian Gregory<br />
nicht töten!“<br />
Tarzan <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>verbotene</strong> <strong>Stadt</strong><br />
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Tarzan konnte nicht verstehen, was <strong>die</strong>se frem<strong>de</strong> Frau<br />
bewog, zu seinen Gunsten einzugreifen, ebenso wenig<br />
Atan Thome, <strong>de</strong>r sie bitter verfluchte <strong>und</strong> sie durch <strong>die</strong><br />
Tür ins angrenzen<strong>de</strong> Zimmer zerrte, ehe Tarzan ihn daran<br />
hin<strong>de</strong>rn konnte.<br />
Beim Knall <strong>de</strong>s Schusses sprang d´Arnot unten auf <strong>de</strong>r<br />
Terrasse auf seine Füße. „Ich wusste es“, schrie er. „Ich<br />
wusste, dass da etwas nicht stimmte.“<br />
Gregory <strong>und</strong> Helen erhoben sich, um ihm zu folgen.<br />
„Bleib hier, Helen“, befahl Gregory. „Wir wissen nicht,<br />
was da oben vorgeht.“<br />
„Sei nicht töricht, Dad“, entgegnete das Mädchen. „Ich<br />
komme mit dir.“<br />
Lange Erfahrung hatte Gregory gelehrt, dass es <strong>die</strong><br />
einfachste Weise war, seine Tochter zu kontrollieren, wenn<br />
er ihr ihren Willen ließ, da sie ihn sowieso durchsetzte.<br />
D´Arnot rief in <strong>de</strong>r oberen Halle Tarzans Namen, als ihn<br />
<strong>die</strong> Gregorys einholten. „Ich weiß das Zimmer nicht“,<br />
sagte er.<br />
„Wir wer<strong>de</strong>n es mit je<strong>de</strong>m versuchen“, schlug Helen vor.<br />
Abermals rief d´Arnot laut nach Tarzan, <strong>und</strong> <strong>die</strong>smal<br />
antwortete <strong>de</strong>r Affenmensch.<br />
Einen Augenblick darauf betraten <strong>die</strong> Drei das Zimmer,<br />
aus <strong>de</strong>m seine Stimme gekommen war, <strong>und</strong> sahen, wie er<br />
versuchte, <strong>die</strong> Tür in <strong>de</strong>r linken Wand zu öffnen.<br />
„Was war los?“, fragte d´Arnot aufgeregt.<br />
„Ein Kerl versuchte auf mich zu schießen“, erklärte<br />
Tarzan. „Die Frau, <strong>die</strong> nach mir geschickt hat, schlug ihm<br />
<strong>die</strong> Waffe weg. Dann zerrte er sie in <strong>die</strong>sen Raum <strong>und</strong><br />
versperrte <strong>die</strong> Tür.“<br />
„Was wer<strong>de</strong>n Sie unternehmen?“, fragte Gregory.<br />
„Ich wer<strong>de</strong> <strong>die</strong> Tür aufbrechen <strong>und</strong> ihm folgen“, erwi<strong>de</strong>rte<br />
<strong>de</strong>r Affenmensch.<br />
„Ist das nicht ziemlich gefährlich?“, fragte Gregory. „Sie<br />
sagen, <strong>de</strong>r Kerl ist bewaffnet.“<br />
Als Antwort warf Tarzan sein Gewicht gegen <strong>die</strong> Tür <strong>und</strong><br />
warf sie krachend in <strong>de</strong>n benachbarten Raum. Der<br />
Affenmensch sprang über <strong>die</strong> Schwelle. Das Zimmer war<br />
leer.<br />
„Sie sind fort“, sagte er.<br />
„ E i n e Tre p p e f ü h r t v o n d i e s e r Ve r a n d a i n d e n<br />
Wirtschaftshof hinter <strong>de</strong>m Hotel“, sagte d´Arnot. „Wenn<br />
wir uns beeilen, können wir sie einholen.“<br />
Tarzan <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>verbotene</strong> <strong>Stadt</strong><br />
„Nein“, sagte Tarzan. „Lasst sie laufen. Wir haben Lal<br />
Taask. Von ihm können wir etwas über <strong>die</strong> an<strong>de</strong>ren<br />
erfahren.“ Sie kehrten um, um wie<strong>de</strong>r das Zimmer zu<br />
betreten, das sie eben verlassen hatten. „Wir befragen<br />
ihn, <strong>und</strong> er wird antworten.“ Sein grimmiger Ton ließ<br />
Helen aus irgen<strong>de</strong>inem Gr<strong>und</strong> an einen Löwen <strong>de</strong>nken.<br />
„Wenn du ihn nicht getötet hast“, schränkte d´Arnot ein.<br />
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„Offenbar nicht“, erwi<strong>de</strong>rte <strong>de</strong>r Affenmensch, „er ist<br />
weg!“<br />
„Wie schrecklich mysteriös!“, rief Helen Gregory aus.<br />
Die Vier kehrten zu ihrem Tisch auf <strong>de</strong>r Terrasse zurück,<br />
alle außer Tarzan ein wenig nervös <strong>und</strong> aufgeregt. Helen<br />
Gregory war erregt, hier waren Geheimnis <strong>und</strong> Abenteuer.<br />
Sie hatte gehofft, <strong>die</strong>s in Afrika zu fin<strong>de</strong>n, aber nicht ganz<br />
so weit von seinem Inneren. Auch einen romantischen<br />
Verehrer gab es hier, gleich neben ihr am kühlen Drink<br />
nippend. Aber sie ahnte es nicht. Über <strong>de</strong>n Rand seines<br />
Glases betrachtete d´Arnot zum tausendsten Mal ihr<br />
Profil.<br />
„Wie sah <strong>die</strong> Frau aus?“, fragte Helen Tarzan.<br />
„Größer als Sie, sehr dunkles Haar, schlank, ganz<br />
hübsch“, antwortete <strong>de</strong>r Affenmensch.<br />
Helen nickte. „Sie saß am Tisch am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Terrasse,<br />
bevor Sie kamen“, sagte sie. „Ein sehr fremd aussehen<strong>de</strong>r<br />
Mann war bei ihr.“<br />
„Das muss Lal Taask gewesen sein“, sagte Tarzan.<br />
„Sie war ein sehr attraktiv aussehen<strong>de</strong>s Mädchen“, fuhr<br />
Helen fort. „Warum in aller Welt glauben Sie, hat sie Sie<br />
in das Zimmer gelockt <strong>und</strong> Ihnen schließlich das Leben<br />
gerettet?“<br />
Tarzan zuckte <strong>die</strong> Schultern. „Ich weiß, warum sie mich in<br />
das Zimmer gelockt hat, aber ich verstehe nicht, warum<br />
sie Atan Thomes Hand wegstieß, um mich zu retten.“<br />
„Was wollten sie von dir?“, fragte d´Arnot.<br />
„Sie hielten mich für Brian Gregory, <strong>und</strong> sie wollten einen<br />
Plan mit <strong>de</strong>r Route nach Ashair – <strong>de</strong>r Verbotenen <strong>Stadt</strong>.<br />
Ihren Worten nach ist dort <strong>de</strong>r Vater <strong>de</strong>r Diamanten. Sie<br />
sagen, Ihr Bru<strong>de</strong>r hätte eine solche Karte angelegt.<br />
Wissen Sie etwas darüber? Bezweckt Ihre Safari das<br />
Auffin<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Vaters <strong>de</strong>r Diamanten?“ Seine letzte Frage<br />
war an Gregory gerichtet.<br />
„Ich weiß nichts über irgen<strong>de</strong>inen Vater <strong>de</strong>r Diamanten“,<br />
erwi<strong>de</strong>rte Gregory. „Ich bin nur daran interessiert, meinen<br />
Sohn zu fin<strong>de</strong>n.“<br />
„Und Sie haben keine Karte?“<br />
„Doch“, sagte Helen. „Wir haben eine sehr ungenaue<br />
Karte, <strong>die</strong> Brian gezeichnet <strong>und</strong> seinem letzten Brief<br />
beigelegt hat, <strong>de</strong>n wir von ihm erhielten. Er hätte nie<br />
gedacht, dass wir damit etwas anfangen könnten, <strong>und</strong> es<br />
war eher so nebenbei, damit wir uns eine Vorstellung<br />
davon machen konnten, wo er war, als sonst etwas. Sie<br />
wird nicht einmal genau sein, sicher sehr skizzenhaft. Ich<br />
habe sie je<strong>de</strong>nfalls behalten, sie ist immer noch in<br />
meinem Zimmer.“<br />
Tarzan <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>verbotene</strong> <strong>Stadt</strong><br />
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„Als <strong>de</strong>r Boy dir <strong>die</strong>se Botschaft brachte“, sagte d´Arnot,<br />
„hattest du mich eben gefragt, warum ich dich holen<br />
ließ.“<br />
„Ja“, sagte Tarzan.<br />
„Ich war hier in Loango in einem bestimmten Auftrag <strong>und</strong><br />
traf Monsieur <strong>und</strong> Ma´moiselle Gregory“, erklärte d´Arnot.<br />
„Ich fand großes Interesse an ihrem Problem, <strong>und</strong> als sie<br />
mich fragten, ob ich jeman<strong>de</strong>n kenne, <strong>de</strong>r ihnen helfen<br />
könnte, Ashair zu fin<strong>de</strong>n, dachte ich sogleich an dich. Ich<br />
meine nicht, dass ich wagen wür<strong>de</strong> dich zu bitten, sie zu<br />
begleiten, aber ich kenne in Afrika keinen, <strong>de</strong>n ich als<br />
besser passen<strong>de</strong>n empfehlen könnte, um ihre Safari zu<br />
führen.“<br />
Das ange<strong>de</strong>utete Lächeln, das d´Arnot so gut kannte <strong>und</strong><br />
das eher in <strong>de</strong>n Augen als auf <strong>de</strong>n Lippen lag, erhellte<br />
Tarzans Gesicht flüchtig. „Ich verstehe, Paul“, sagte er.<br />
„Ich wer<strong>de</strong> ihre Safari führen.“<br />
„Aber das ist solch eine Zumutung“, rief Helen. „Wir<br />
könnten niemals von Ihnen verlangen, das zu tun.“<br />
„Ich <strong>de</strong>nke, es wird interessant wer<strong>de</strong>n“, sagte Tarzan,<br />
„zumal ich nun Magra <strong>und</strong> Lal Taask <strong>und</strong> Atan Thome<br />
kennen gelernt habe. Die sollte ich wie<strong>de</strong>r treffen. Ich<br />
<strong>de</strong>nke, wenn ich bei euch bleibe, wer<strong>de</strong>n sich unsere<br />
Pfa<strong>de</strong> wie<strong>de</strong>r kreuzen.“<br />
„Daran zweifle ich nicht“, sagte Gregory.<br />
„Haben Sie schon Vorbereitungen getroffen?“, fragte<br />
Tarzan.<br />
„Unsere Safari wird in Bonga zusammengestellt“,<br />
erwi<strong>de</strong>rte Gregory. „Und ich habe probeweise einen<br />
weißen Jäger namens Wolff angestellt, <strong>de</strong>r sie führen soll.<br />
Aber jetzt natürlich – “<br />
„Wenn er als Jäger mitkommt, können wir ihn brauchen“,<br />
sagte Tarzan.<br />
„Er kommt morgen ins Hotel. Wir können dann mit ihm<br />
sprechen. Ich weiß nichts über ihn, außer dass er einige<br />
ziemlich gute Referenzen hat.“<br />
*<br />
H i n t e r Wo n g F e n g s L a d e n g i b t e s e i n e n d i c h t<br />
verhangenen Raum. Ein rot lackierter Buddha ruht in<br />
e i n e m k l e i n e n S c h r e i n . E i n i g e a u s g e z e i c h n e t e<br />
Bronzestatuen sind da, ein paar unbezahlbare Schirme<br />
<strong>und</strong> gute Vasen. Der Rest ist ein Mischmasch aus<br />
Papiermaché, billigen Wandschirmen <strong>und</strong> Speckstein. Die<br />
Möbel sind aus Teakholz nach <strong>de</strong>r Art chinesischer<br />
Einrichtung. Schwere Vorhänge verhüllen das einzige<br />
Fenster, <strong>und</strong> in <strong>de</strong>r Luft hängt dichter Rauch von<br />
Räucherwerk – schwül <strong>und</strong> wi<strong>de</strong>rlich. Atan Thome ist da,<br />
<strong>und</strong> Magra. Der Mann zeigt kalte, stille Wut.<br />
„Warum hast du das getan?“, fragte er. „Warum hast du<br />
meine Pistole weggestoßen?“<br />
Tarzan <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>verbotene</strong> <strong>Stadt</strong><br />
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„Weil“, begann Magra, dann hielt sie ein.<br />
„Weil! Weil!“, äffte er nach. „Das ewige Weib! Aber du<br />
weißt, was ich mit Verrätern tue!“ Er wirbelte plötzlich<br />
herum. „Liebst du Gregory?“<br />
„Vielleicht“, antwortete sie, „aber das ist meine eigene<br />
Angelegenheit. Für uns wichtig ist jetzt nur, nach Ashair<br />
zu gelangen <strong>und</strong> <strong>de</strong>n Vater <strong>de</strong>r Diamanten zu bekommen.<br />
Die Gregorys reisen da hin. Das be<strong>de</strong>utet, sie haben zwar<br />
<strong>de</strong>n Diamanten nicht, aber eine Wegskizze. Du weißt,<br />
dass Brian eine angefertigt hat, du hast ihn gesehen. Wir<br />
müssen sie an uns bringen, dazu habe ich einen Plan. Hör<br />
zu!“ Sie kam zu Thome, lehnte sich nahe an ihn <strong>und</strong><br />
flüsterte hastig.<br />
Der Mann hörte aufmerksam zu, sein Gesicht erhellte sich<br />
zustimmend.<br />
„Hervorragend, meine Liebe“, rief er. „Lal Taask wird das<br />
morgen tun, wenn er sich so weit erholt hat. Wong Feng<br />
behan<strong>de</strong>lt ihn gera<strong>de</strong> eben. Doch im Fall eines Versagens<br />
haben wir immer noch Wolff.“<br />
„Wenn er <strong>de</strong>n Job bekommt“, sagte Magra. „Sehen wir<br />
nach Lal Taask.“<br />
Sie betraten ein kleines Schlafzimmer neben <strong>de</strong>m Raum,<br />
in <strong>de</strong>m sie gere<strong>de</strong>t hatten. Ein Chinese braute etwas in<br />
einem Kessel über einer Öllampe. Lal Taask lag auf einer<br />
schmalen Pritsche. Er sah auf, als <strong>die</strong> bei<strong>de</strong>n eintraten.<br />
„Wie geht´s dir?“, fragte Atan Thome.<br />
„Besser, Herr“, antwortete <strong>de</strong>r Mann.<br />
„E´ viel leichte´ mo´gen“, versicherte Wong Feng.<br />
„Wie in aller Welt konntest du entkommen?“, fragte<br />
Magra.<br />
„Ich stellte mich ohnmächtig“, erwi<strong>de</strong>rte Lal Taask, „<strong>und</strong><br />
als sie ins Nebenzimmer gingen, kroch ich in eine<br />
Kammer <strong>und</strong> versteckte mich. Als es dunkel wur<strong>de</strong>,<br />
schaffte ich es in <strong>de</strong>n Hinterhof hinunter <strong>und</strong> hierher. Ich<br />
glaubte aber, ich müsste sterben. Ich möchte <strong>de</strong>m Mann<br />
fast glauben, <strong>de</strong>r behauptet, er sei nicht Brian Gregory –<br />
es sei <strong>de</strong>nn, er ist schrecklich viel stärker gewor<strong>de</strong>n, seit<br />
ich ihn zuletzt sah.“<br />
„Bestimmt ist er Brian Gregory“, sagte Thome.<br />
Wong füllte eine Tasse mit <strong>de</strong>m Gebräu, das er<br />
zusammengemischt hatte, <strong>und</strong> reichte es Lal Taask. „T<br />
´inken!“, sagte er.<br />
Lal Taask nippte von <strong>de</strong>r Flüssigkeit, verzog das Gesicht<br />
<strong>und</strong> spuckte sie aus. „Ich kann <strong>die</strong>ses grausliche Zeug<br />
nicht trinken“, sagte er. „Was ist da drin? Tote Katzen?“<br />
„Nu´ klein bisschen tote Katze“, sagte Wong. „Du t´ink!“<br />
„Nein“, sagte Lal Taask. „Eher sterbe ich.“<br />
„Trink es!“, sagte Atan Thome.<br />
Tarzan <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>verbotene</strong> <strong>Stadt</strong><br />
Wie ein geprügelter H<strong>und</strong> setzte Lal Taask <strong>die</strong> Schale an<br />
seine Lippen <strong>und</strong> leerte sie würgend <strong>und</strong> hustend.<br />
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Kapitel 3<br />
Am nächsten Morgen frühstückten <strong>die</strong> Gregorys eben<br />
mit Tarzan <strong>und</strong> d´Arnot auf <strong>de</strong>r Terrasse, als Wolff eintraf.<br />
Gregory stellte ihn Tarzan vor. „Einer von <strong>de</strong>n Wil<strong>de</strong>n“,<br />
stellte Wolff fest, als er Tarzans Len<strong>de</strong>nschurz <strong>und</strong><br />
primitive Waffen sah. „Ich hab schon einmal einen<br />
an<strong>de</strong>ren gesehn, aber <strong>de</strong>r lief auf allen Vieren rum <strong>und</strong><br />
bellte wie ein H<strong>und</strong>. Sowas nehmen Sie mit, Mr.<br />
Gregory?“<br />
„Tarzan wird <strong>die</strong> Safari leiten“, sagte Gregory.<br />
„Was?“, rief Wolff. „Das ist meine Aufgabe.“<br />
„Sie war es“, sagte Tarzan. „Wenn Sie als Jäger<br />
mitkommen wollen, <strong>die</strong>sen Posten gibt es noch für Sie.“<br />
Wolff überlegte einen Moment. „Ich wer<strong>de</strong> kommen“,<br />
sagte er. „Mr. Gregory wird mich dringend brauchen.“<br />
„W ir wer<strong>de</strong>n morgen mit <strong>de</strong>m Boot nach Bonga<br />
aufbrechen“, sagte Tarzan. „Halten Sie sich bereit. Bis<br />
dahin wer<strong>de</strong>n wir Sie nicht benötigen.“<br />
Wolff ging weg, wobei er etwas in seinen Bart brummte.<br />
„Ich fürchte, mit ihm haben Sie sich einen Feind<br />
gemacht“, sagte Gregory.<br />
Tarzan zuckte <strong>die</strong> Schultern. „Ich habe ihm nichts getan“,<br />
sagte er, „außer ihm einen Job zu geben. Doch wer<strong>de</strong> ich<br />
ihn im Auge behalten.“<br />
„Ich kümmere mich nicht darum, wie <strong>de</strong>r Kerl wirkt“,<br />
sagte d´Arnot.<br />
„Er hat gute Empfehlungen“, erinnerte Gregory.<br />
„Aber er ist sichtlich kein Gentleman“, sagte Helen.<br />
Ihr Vater lachte gutmütig. „Wir heuern bloß einen Jäger<br />
an“, sagte er. „Wen hättest du erwartet, <strong>de</strong>n ich einstelle,<br />
<strong>de</strong>n Herzog von Windsor?“<br />
„Das hätte ich ertragen“, lachte Helen.<br />
„Wolff hat lediglich Befehle auszuführen <strong>und</strong> zielsicher zu<br />
schießen“, sagte Tarzan.<br />
„Er kommt zurück“, verkün<strong>de</strong>te d´Arnot, <strong>und</strong> <strong>die</strong> an<strong>de</strong>ren<br />
beobachteten Wolffs Auftritt.<br />
„Mir ist eingefallen“, sagte er zu Gregory, „dass ich<br />
wissen sollte, wohin genau es geht, damit ich bei <strong>de</strong>r<br />
Routenplanung helfen kann. Sehen Sie, wir müssen<br />
aufpassen, dass wir nicht wildreiches Gebiet verlassen.<br />
Haben Sie eine Karte?“<br />
„Ja“, erwi<strong>de</strong>rte Gregory. „Helen, du hattest sie. Wo ist<br />
sie?“<br />
„In <strong>de</strong>r obersten La<strong>de</strong> meiner Kommo<strong>de</strong>.“<br />
„Kommen Sie mit hinauf, Wolff, <strong>und</strong> wir schauen sie uns<br />
an“, sagte Gregory.<br />
Tarzan <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>verbotene</strong> <strong>Stadt</strong><br />
Gregory ging gera<strong>de</strong>wegs zum Zimmer seiner Tochter,<br />
<strong>und</strong> Wolff begleitete ihn, während <strong>die</strong> an<strong>de</strong>ren auf <strong>de</strong>r<br />
Terrasse blieben <strong>und</strong> plau<strong>de</strong>rten. Der ältere Mann<br />
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durchsuchte einen Moment <strong>die</strong> obere La<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Kommo<strong>de</strong><br />
seiner Tochter <strong>und</strong> ging mehrere Papiere durch, von<br />
<strong>de</strong>nen er schließlich eines herausnahm.<br />
„Da ist sie“, sagte er <strong>und</strong> breitete sie auf <strong>de</strong>m Tisch vor<br />
Wolff aus.<br />
Der Jäger stu<strong>die</strong>rte sie einige Minuten lang, dann<br />
schüttelte er <strong>de</strong>n Kopf. „Ich kenne das Gebiet zum Teil“,<br />
sagte er, „aber ich hab niemals von <strong>die</strong>sen Orten da<br />
gehört – Tuen-Baka, Ashair.“ Er zeigte mit seinem dicken<br />
Z e i g e f i n g e r d a r a u f . „ L a s s e n S i e m i c h d i e K a r t e<br />
mitnehmen“, sagte er, „<strong>und</strong> sie überprüfen. Ich bringe sie<br />
morgen zurück.“<br />
Gregory schüttelte <strong>de</strong>n Kopf. „Sie wer<strong>de</strong>n auf <strong>de</strong>m Boot<br />
nach Bonga je<strong>de</strong> Menge Zeit haben, um sie mit Tarzan<br />
<strong>und</strong> <strong>de</strong>m Rest von uns zu stu<strong>die</strong>ren“, sagte er. „Sie ist zu<br />
kostbar, be<strong>de</strong>utet mir zu viel, als dass ich sie aus <strong>de</strong>r<br />
Hand gäbe. Etwas könnte ihr passieren.“<br />
Er ging zurück zur Kommo<strong>de</strong> <strong>und</strong> legte <strong>die</strong> Karte in <strong>die</strong><br />
obere La<strong>de</strong> zurück.<br />
„Okay“, sagte Wolff. „Macht auch nichts, meine ich. Ich<br />
wollte nur helfen, so gut ich kann.“<br />
„Danke“, sagte Gregory. „Ich weiß das zu schätzen.“<br />
„Na dann“, sagte Wolff, „werd´ ich mich aufmachen. Seh´<br />
Sie morgen Früh beim Boot.“<br />
Captain Paul d´Arnot, auf <strong>de</strong>r Suche nach einem Vorwand,<br />
warum er <strong>de</strong>n Rest <strong>de</strong>s Morgens in <strong>de</strong>r Nähe von Helen<br />
Gregory bleiben sollte, fand dazu verschie<strong>de</strong>ne Grün<strong>de</strong>.<br />
Lunch war ein einfacher – er brauchte nur <strong>die</strong> Gregorys<br />
<strong>und</strong> Tarzan als Gäste einzula<strong>de</strong>n. Aber als <strong>die</strong> Mahlzeit<br />
vorbei war, kam sie ihm abhan<strong>de</strong>n.<br />
„Wenn wir morgen nach Bongo abreisen“, sagte sie,<br />
„muss ich jetzt einiges einkaufen.“<br />
„Doch nicht allein?“, fragte d´Arnot.<br />
„Allein“, erwi<strong>de</strong>rte sie lächelnd.<br />
„Glauben Sie, das ist sicher? Eine weiße Frau, allein?“,<br />
fragte er. „Ich wür<strong>de</strong> mich sehr freuen mit Ihnen zu<br />
kommen.“<br />
Helen lachte. „Kein Mann als Begleiter, wenn ich einkaufe<br />
– außer er bezahlt <strong>die</strong> Rechnungen. Wie<strong>de</strong>rsehn!“<br />
Loangos Basar lag an einer engen, gew<strong>und</strong>enen Straße,<br />
in <strong>de</strong>r es von Schwarzen, Chinesen, Ostin<strong>de</strong>rn <strong>und</strong><br />
dichtem Staub wimmelte. Es war ein unangenehmer Ort<br />
mit vielen Gerüchen, alle fremd für abendländische<br />
Nasen, <strong>und</strong> vorwiegend abstoßend. Es gab viele<br />
verwinkelte Ecken <strong>und</strong> dunkle Eingänge. Und als Helen<br />
ihrer weiblichen Vorliebe etwas zu suchen, was sie kaufen<br />
könnte, nachgab, folgte Lal Taask unermüdlich ihren<br />
Schritten <strong>und</strong> schlüpfte an einer Ecke zu einem an<strong>de</strong>ren<br />
Eingang.<br />
Tarzan <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>verbotene</strong> <strong>Stadt</strong><br />
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Bevor sie sich <strong>de</strong>m La<strong>de</strong>n Wong Fengs näherte, hielt sie<br />
vor einer an<strong>de</strong>ren Bu<strong>de</strong>, um ein paar Schmuckstücke zu<br />
mustern, <strong>die</strong> ihr aufgefallen waren. Und während sie<br />
damit beschäftigt war, schlüpfte Lal Taask hinter ihr<br />
vorbei <strong>und</strong> betrat <strong>de</strong>n La<strong>de</strong>n von Wong Feng.<br />
Helen trö<strong>de</strong>lte eine Weile vor <strong>de</strong>r Bu<strong>de</strong>. Und dann, ohne<br />
<strong>die</strong> drohen<strong>de</strong> Gefahr zu ahnen, ging sie auf Wong Fengs<br />
La<strong>de</strong>n zu. In<strong>de</strong>ssen beobachtete Lal Taask sie von<br />
drinnen, wie eine Katze einer Maus auflauert. Das<br />
Mädchen war so gar nicht auf <strong>de</strong>r Hut, beschäftigte sich<br />
nur mit <strong>de</strong>n Gedanken an ihre Einkäufe <strong>und</strong> an <strong>die</strong><br />
a b e n t e u e r l i c h e E x p e d i t i o n z u r A u ff i n d u n g i h re s<br />
vermissten Bru<strong>de</strong>rs. Daher war sie wie gelähmt –<br />
bewegungsunfähig <strong>und</strong> hilflos, als Lal Taask, sobald sie an<br />
Wong Fengs La<strong>de</strong>n vorbeiging, sie packte <strong>und</strong> durch <strong>de</strong>n<br />
Eingang ins Innere hineinzerrte. Aber nur für einen<br />
Augenblick. Als sie <strong>die</strong> Gefahr erfasste, strampelte sie<br />
<strong>und</strong> schlug auf ihren Angreifer ein. Sie versuchte, um<br />
Hilfe zu schreien, aber <strong>de</strong>r Mann verschloss ihr grob mit<br />
<strong>de</strong>r Hand <strong>de</strong>n M<strong>und</strong> <strong>und</strong> erstickte ihre Schreie, obgleich<br />
sie in <strong>die</strong>ser üblen Nachbarschaft ohnehin keine Hilfe<br />
gebracht hätten.<br />
Lal Taask war ein drahtiger, kräftiger Mann, <strong>und</strong> Helen sah<br />
bald <strong>die</strong> Vergeblichkeit ihrer Strampelei gegen ihn ein,<br />
als er sie im La<strong>de</strong>n nach hinten zerrte.<br />
„Kommen Sie still mit“, sagte er, „dann wird Ihnen nichts<br />
geschehen.“<br />
„Was wollen Sie von mir?“, fragte sie, als er seine Hand<br />
von ihrem M<strong>und</strong> nahm.<br />
„Da gibt es jeman<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r Sie befragen möchte“,<br />
antwortete Lal Taask. „Es ist nicht an mir, zu erklären –<br />
<strong>de</strong>r Herr wird das tun. Was er auch rät, wird zu Ihrem<br />
eigenen Besten sein – gehorchen Sie ihm in allem!“<br />
Hinten im La<strong>de</strong>n öffnete Lal Taask eine Tür <strong>und</strong> drängte<br />
Helen in jenen spärlich erhellten Raum, <strong>de</strong>n wir zuvor<br />
kennen lernten. Magra stand auf <strong>de</strong>r einen Seite, <strong>und</strong><br />
Helen erkannte in ihr <strong>die</strong> Frau, <strong>die</strong> Tarzan in das<br />
H o t e l z i m m e r g e l o c k t h a t t e , w o e r o h n e i h r<br />
Dazwischentreten getötet wor<strong>de</strong>n wäre. Den plumpen<br />
Eurasier, <strong>de</strong>r am Pult saß <strong>und</strong> sie anschaute, hatte sie nie<br />
zuvor gesehen. Und nun erst sah sie das Gesicht <strong>de</strong>s<br />
Mannes, <strong>de</strong>r sie ergriffen hatte, <strong>und</strong> erkannte ihn als <strong>de</strong>n<br />
Spießgesellen <strong>de</strong>r Frau aus <strong>de</strong>m Hotel.<br />
„Sie sind Helen Gregory?“, fragte <strong>de</strong>r Mann an <strong>de</strong>m Pult.<br />
„Ja. Wer sind Sie, <strong>und</strong> was wollen Sie von mir?“<br />
„Zunächst“, sagte Atan Thome sanft, „lassen Sie mich<br />
Ihnen versichern, dass ich zutiefst <strong>die</strong> Notwendigkeit für<br />
<strong>die</strong>se scheinbare Unhöflichkeit bedauere. Ihr Bru<strong>de</strong>r hat<br />
etwas, das ich möchte. Vernünftig zuhören wollte er nicht.<br />
Also blieb nichts an<strong>de</strong>res übrig als Gewalt.“<br />
Tarzan <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>verbotene</strong> <strong>Stadt</strong><br />
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„Mein Bru<strong>de</strong>r? Sie haben nicht mit ihm gesprochen. Er ist<br />
verschollen, irgendwo lan<strong>de</strong>inwärts.“<br />
„Belügen Sie mich nicht“, fuhr Thome sie an. „Ich kenne<br />
Ihren Bru<strong>de</strong>r gut. Ich war auf <strong>de</strong>r ersten Expedition bei<br />
ihm. Er erreichte Ashair <strong>und</strong> zeichnete eine Karte <strong>de</strong>r<br />
Umgebung, aber er wollte mir keine Kopie überlassen. Er<br />
wollte <strong>de</strong>n Vater <strong>de</strong>r Diamanten für sich allein. Was ich<br />
will, ist <strong>die</strong> Karte mit <strong>de</strong>m Weg nach Ashair, <strong>und</strong> ich wer<strong>de</strong><br />
Sie festhalten, bis ich sie bekomme.“<br />
Helen lachte ihm ins Gesicht. „Ihre Intrigen <strong>und</strong> ihr<br />
Melodrama sind ganz überflüssig“, sagte sie. „Alles was<br />
Sie zu tun gehabt hätten, wäre gewesen, meinen Vater um<br />
<strong>die</strong> Karte zu bitten. Er hätte Sie eine Kopie davon machen<br />
lassen. Wenn <strong>die</strong>ser Mann mit mir zum Hotel zurückgehen<br />
will, kann er <strong>die</strong> Karte jetzt kopieren.“ Sie wies mit einem<br />
Nicken auf Lal Taask.<br />
Atan Thome schnaubte. „Glauben Sie, Sie können mich<br />
so leicht hereinlegen?“, fragte er.<br />
Helen zeigte mit einer Geste ihre Resignation, sie zuckte<br />
einfach mit <strong>de</strong>n Schultern. „Machen Sie weiter mit Ihrem<br />
Theater, wenn Sie wollen“, sagte sie, „aber es wird nur<br />
Zeitverschwendung sein <strong>und</strong> alle in Schwierigkeiten<br />
bringen. Was wollen Sie, dass ich tue?“<br />
„Ich wünsche, dass Sie an Ihren Vater eine Nachricht<br />
schreiben <strong>und</strong> unterzeichnen, <strong>die</strong> ich Ihnen diktiere“,<br />
erwi<strong>de</strong>rte Thome. „Wenn mir das nicht <strong>die</strong> Karte<br />
beschafft, wird er Sie nie wie<strong>de</strong>r sehen. Ich reise bald ins<br />
Lan<strong>de</strong>sinnere ab <strong>und</strong> wer<strong>de</strong> Sie mitnehmen. Dort gibt es<br />
Sultane, <strong>die</strong> einen guten Preis für Sie bezahlen wer<strong>de</strong>n.“<br />
„Sie müssen ganz verrückt sein, wenn Sie glauben, Sie<br />
könnten mich mit <strong>de</strong>rlei wil<strong>de</strong>n Drohungen einschüchtern.<br />
So etwas passiert heute nicht mehr, wissen Sie, außer in<br />
Romanen. Machen Sie schon, diktieren Sie Ihre Botschaft,<br />
<strong>und</strong> ich verspreche Ihnen, Sie erhalten <strong>die</strong> Karte so<br />
schnell, wie Ihr Bote sie bringen kann. Aber welche<br />
Sicherheit habe ich, dass Sie Ihren Teil <strong>de</strong>s Han<strong>de</strong>ls<br />
erfüllen <strong>und</strong> mich frei lassen?“<br />
„Sie haben nur mein Wort“, entgegnete Atan Thome,<br />
„aber ich garantiere Ihnen, dass ich Ihnen nichts antun<br />
möchte. Die Karte ist alles, was ich will. Kommen Sie,<br />
setzen Sie sich, während ich diktiere.“<br />
Als <strong>die</strong> Sonne im Westen hinter <strong>de</strong>n hohen Bäumen<br />
versank <strong>und</strong> <strong>die</strong> Schatten sich streckten, um Loango <strong>de</strong>n<br />
Anschein sanfter Schönheit zu vermitteln, <strong>die</strong> <strong>die</strong><br />
armselige kleine <strong>Stadt</strong> von selbst nicht besaß, wur<strong>de</strong>n <strong>die</strong><br />
drei Männer sich <strong>de</strong>r späten St<strong>und</strong>e bewusst, <strong>die</strong> über <strong>die</strong><br />
Besprechung <strong>de</strong>r Einzelheiten <strong>de</strong>r anstehen<strong>de</strong>n Safari<br />
hereingebrochen war.<br />
Tarzan <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>verbotene</strong> <strong>Stadt</strong><br />
„Ich frage mich, was Helen so lange aufhält“, sagte<br />
Gregory. „Es ist fast finster. Es gefällt mir nicht, wenn sie<br />
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an einem Ort wie <strong>die</strong>sem so lang aus ist. Sie hätte schon<br />
lang zurück sein sollen.“<br />
„Sie hätte nie allein gehen sollen“, sagte d´Arnot. „Eine<br />
Frau ist hier nicht sicher.“<br />
„Ist sie nicht“, stimmte Tarzan zu. „Es ist nie sicher, wo es<br />
Zivilisation gibt.“<br />
„Ich glaube, wir sollten gehen <strong>und</strong> nach ihr suchen“,<br />
schlug d´Arnot vor.<br />
„Ja“, sagte Tarzan, „du <strong>und</strong> ich. Mr. Gregory sollte hier<br />
bleiben für <strong>de</strong>n Fall, dass sie zurückkehrt.“<br />
„Keine Sorge, Mr. Gregory“, sagte d´Arnot, als er <strong>und</strong><br />
Tarzan <strong>de</strong>n Raum verließen. „Ich bin sicher, wir fin<strong>de</strong>n sie<br />
ges<strong>und</strong> <strong>und</strong> munter in irgen<strong>de</strong>inem Kuriositätenla<strong>de</strong>n.“<br />
Aber seine Worte sollten bloß Gregory beruhigen. In<br />
seinem Herzen saß nur noch Angst.<br />
Während er wartete, versuchte Gregory sich selbst<br />
einzure<strong>de</strong>n, dass es nichts zu befürchten gab. Er<br />
probierte zu lesen, konnte mit seinen Gedanken aber<br />
nicht bei <strong>de</strong>m Buch bleiben. Nach<strong>de</strong>m er einen Satz ein<br />
Dutzend Mal wie<strong>de</strong>r gelesen hatte, ohne <strong>de</strong>n Sinn zu<br />
erfassen, gab er es auf. Dann begann er hin <strong>und</strong> her zu<br />
gehen, rauchte eine Zigarre nach <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren. Er war<br />
schon an einem Punkt, da er selbst mit <strong>de</strong>r Suche<br />
beginnen wollte, als d´Arnot zurückkehrte.<br />
Gregory sah ihn besorgt an.<br />
D´Arnot schüttelte <strong>de</strong>n Kopf. „Kein Glück“, sagte er. „Ich<br />
habe eine Reihe von Verkäufern gef<strong>und</strong>en, <strong>die</strong> sich<br />
erinnerten sie gesehen zu haben, aber keinen, <strong>de</strong>r<br />
wusste, wann sie <strong>de</strong>n Basar verlassen hat.“<br />
„Wo ist Tarzan?“, fragte Gregory.<br />
„Er forscht im Ort nach. Wenn <strong>die</strong> Eingeborenen<br />
irgen<strong>de</strong>twas von ihr wissen, wird Tarzan es aus ihnen<br />
herauskriegen. Er spricht ihre Sprache, in je<strong>de</strong>rlei<br />
Hinsicht.“<br />
„Da ist er jetzt“, sagte Gregory, als <strong>de</strong>r Affenmensch <strong>de</strong>n<br />
Raum betrat.<br />
Bei<strong>de</strong> Männer schauten ihn fragend an. „Hast du<br />
irgen<strong>de</strong>ine Spur von ihr gef<strong>und</strong>en?“, fragte d´Arnot.<br />
Tarzan schüttelte seinen Kopf. „Keine. Im Dschungel<br />
hätte ich sie fin<strong>de</strong>n können. Aber hier, in <strong>de</strong>r Zivilisation,<br />
kann ein Mann nicht einmal sich selbst fin<strong>de</strong>n.“<br />
A l s e r z u s p re c h e n a u f h ö r t e , z e r s p l i t t e r t e e i n e<br />
Fensterscheibe hinter ihnen, <strong>und</strong> ein Wurfgeschoß fiel zu<br />
Bo<strong>de</strong>n.<br />
„Mon <strong>die</strong>u!“, schrie d´Arnot. „Was ist das?“<br />
„Aufgepasst“, schrie Gregory. „Es könnte eine Bombe<br />
sein.“<br />
Tarzan <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>verbotene</strong> <strong>Stadt</strong><br />
„Nein“, sagte Tarzan, „es ist bloß ein Zettel, an einem<br />
Stein befestigt. Hier, werfen wir einen Blick drauf.“<br />
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„Es muss um Helen gehen“, sagte Gregory, <strong>de</strong>r Tarzan<br />
das Blatt aus <strong>de</strong>r Hand nahm. „Ja, so ist es. Es ist von ihr.<br />
Hört! `Lieber Dad, <strong>die</strong> Leute, <strong>die</strong> mich gefangen halten,<br />
wollen Brians Wegbeschreibung nach Ashair. Sie drohen<br />
mich ins Lan<strong>de</strong>sinnere mitzunehmen <strong>und</strong> mich zu<br />
verkaufen, wenn sie sie nicht bekommen. Ich glaube, sie<br />
meinen es ernst. Befestige <strong>die</strong> Karte an <strong>de</strong>m Stein <strong>und</strong><br />
wirf ihn aus <strong>de</strong>m Fenster. Folge nicht ihrem Boten, sonst<br />
töten sie mich. Sie versprechen mich unversehrt<br />
zurückzulassen, sobald sie <strong>die</strong> Karte bekommen´. Ja, das<br />
ist wirklich von Helen, es ist ihre Handschrift. Aber <strong>die</strong>se<br />
Narren! Sie hätten <strong>die</strong> Karte haben können, nur darum<br />
bitten brauchen. Ich will bloß Brian fin<strong>de</strong>n. Ich wer<strong>de</strong> <strong>die</strong><br />
Karte holen.“<br />
Er stand auf <strong>und</strong> ging in Helens Zimmer, das neben<br />
seinem lag. Sie hörten ihn ein Streichholz reiben, um <strong>die</strong><br />
Lampe anzuzün<strong>de</strong>n, <strong>und</strong> dann sein Keuchen, das seine<br />
Überraschung ausdrückte. Das brachte <strong>die</strong> bei<strong>de</strong>n<br />
an<strong>de</strong>ren Männer ins Zimmer. Gregory stand vor <strong>de</strong>r<br />
offenen La<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Kommo<strong>de</strong>, sein Gesicht war weiß.<br />
„Sie ist weg“, sagte er. „Jemand hat <strong>die</strong> Karte<br />
gestohlen!“<br />
Kapitel 4<br />
In einem schmutzigen Raum saß Wolff an einem Tisch,<br />
im Licht einer Petroleumlampe war er mühsam mit einem<br />
Bleistift am Werk – eine sichtlich ungewohnte Tätigkeit.<br />
Je<strong>de</strong>s Mal, wenn er etwas einzeichnete, befeuchtete er<br />
<strong>die</strong> Bleistiftspitze mit seiner Zunge, an welcher er<br />
dazwischen kaute. Endlich war seine Arbeit vollbracht,<br />
<strong>und</strong> als er sie, nicht ohne Stolz, betrachtete, atmete er<br />
erleichtert auf <strong>und</strong> erhob sich.<br />
„Ich meine, das war eine or<strong>de</strong>ntliche Sache für eine<br />
Nacht, o<strong>de</strong>r so!“, lobte er sich selbst zufrie<strong>de</strong>n. „Jetzt<br />
sollen sie bei<strong>de</strong> zahlen – <strong>und</strong> wie!“<br />
*<br />
Atan Thome saß allein im Hinterzimmer von Wong Fengs<br />
La<strong>de</strong>n. Falls er nervös war, zeugten als einziges äußeres<br />
Zeichen davon nur <strong>die</strong> unzähligen Zigaretten, <strong>die</strong> er<br />
rauchte. Magra bewachte Helen im Schlafzimmer<br />
nebenan. Alle Drei warteten auf <strong>die</strong> Rückkehr Lal Taasks<br />
mit <strong>de</strong>r Karte nach Ashair. Helen war als einzige sicher,<br />
dass sie sie bekommen wür<strong>de</strong>n. Die an<strong>de</strong>ren erhofften<br />
das bloß.<br />
„Wird er mich gehen lassen, wenn <strong>die</strong> Karte ankommt?“,<br />
fragte Helen.<br />
Tarzan <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>verbotene</strong> <strong>Stadt</strong><br />
Page 18 von 26
„Er wird Sie festhalten müssen, bis er sicher entkommen<br />
kann“, erwi<strong>de</strong>rte Magra, „aber ich bin überzeugt davon,<br />
dass er Sie dann gehen lässt.“<br />
„Armer Dad“, sagte das Mädchen. „Er wird sich<br />
schreckliche Sorgen machen. Wenn es wegen meiner<br />
Freilassung noch irgen<strong>de</strong>ine Verzögerung gibt, möchte<br />
ich ihm noch eine Nachricht sen<strong>de</strong>n.“<br />
„Ich wer<strong>de</strong> versuchen, das zu arrangieren“, sagte Magra.<br />
„Mir tut das alles sehr Leid, Miss Gregory“, fügte sie nach<br />
kurzem Schweigen hinzu. „Ich bin wirklich in <strong>die</strong>ser<br />
Angelegenheit genau so hilflos wie Sie, aus Grün<strong>de</strong>n, <strong>die</strong><br />
ich nicht erklären möchte. Aber ich möchte Ihnen sagen,<br />
dass Atan Thome von <strong>de</strong>m Verlangen besessen ist, <strong>de</strong>n<br />
Vater <strong>de</strong>r Diamanten zu besitzen. Im Gr<strong>und</strong>e seines<br />
Herzens ist er kein schlechter Mensch, aber ich weiß, dass<br />
nichts ihn von <strong>de</strong>r Verwirklichung seines Traumes abhalten<br />
kann. Deshalb hoffe ich, dass Ihr Vater ihm <strong>die</strong> Karte<br />
schickt.“<br />
„Glauben Sie wirklich, dass er mich im Lan<strong>de</strong>sinneren<br />
verkaufen wür<strong>de</strong>, wenn er sie nicht bekommt?“, fragte<br />
das amerikanische Mädchen.<br />
„Unbedingt“, erwi<strong>de</strong>rte Marga. „Wenn er gezwungen<br />
wäre, wür<strong>de</strong> er Sie töten.“<br />
Helen erschauerte. „Bin ich froh, dass er <strong>die</strong> Karte<br />
bekommen wird!“, sagte sie.<br />
Lal Taask öffnete <strong>die</strong> Tür zum Hinterzimmer von Wong<br />
Tengs La<strong>de</strong>n <strong>und</strong> trat ein. Atan Thome schaute auf.<br />
„Nun?“, fragte er.<br />
„Sie haben sie schon herausgeworfen“, sagte Taask. „Hier<br />
ist sie.“ Er übergab Thome das Papier. Es war noch um<br />
<strong>de</strong>n Stein gewickelt. Thome öffnete es <strong>und</strong> las. Seine<br />
Miene verdunkelte sich.<br />
„Ist es <strong>die</strong> Karte?“, fragte Lal Taask.<br />
„Nein“, grollte Thome. „Sie behaupten, <strong>die</strong> Karte sei<br />
gestohlen wor<strong>de</strong>n. Sie lügen! Doch Atan Thome können<br />
sie nicht foppen. Sie wer<strong>de</strong>n das Mädchen nie mehr<br />
wie<strong>de</strong>r sehen, <strong>und</strong> ich wer<strong>de</strong> Ashair auch ohne ihre Karte<br />
fin<strong>de</strong>n. Horch! Da ist jemand an <strong>de</strong>r Tür. Sieh nach, wer es<br />
ist!“<br />
Lal Taask öffnete <strong>die</strong> Tür einen Spalt breit <strong>und</strong> sah hinaus.<br />
„Es ist Wolff“, sagte er.<br />
„Hol ihn herein!“<br />
„Schöner Abend“, sagte Wolff, als er eintrat.<br />
„Du bist nicht hergekommen, um mir das zu erzählen“,<br />
sagte Thome. „Was gibt es?“<br />
„Was wäre Ihnen <strong>die</strong> Wegbeschreibung nach Ashair<br />
Wert?“, fragte Wolff.<br />
„Fünfh<strong>und</strong>ert Pf<strong>und</strong>“, erwi<strong>de</strong>rte Thome.<br />
Tarzan <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>verbotene</strong> <strong>Stadt</strong><br />
Page 19 von 26
„Nicht genug. Machen Sie tausend daraus <strong>und</strong> <strong>de</strong>n<br />
halben Anteil am Diamanten, <strong>und</strong> ich besorge Ihnen <strong>die</strong><br />
Karte.“<br />
„Wie?“<br />
„Ich habe sie schon. Hab sie aus <strong>de</strong>m Zimmer <strong>de</strong>s<br />
Mädchens gestohlen.“<br />
„Hast du sie hier?“, fragte Thome.<br />
„Ja“, erwi<strong>de</strong>rte Wolff. „Aber versuchen Sie keine<br />
krummen Touren. Ich habe eine Nachricht bei <strong>de</strong>r alten<br />
Frau hinterlassen, wo ich wohne. Wenn ich in einer<br />
St<strong>und</strong>e nicht zurück bin, wird sie <strong>die</strong> zur Polizei bringen.“<br />
„Lass mich <strong>die</strong> Karte sehen“, sagte Thome.<br />
Wolff zog sie aus seiner Tasche <strong>und</strong> hielt sie vor <strong>de</strong>n<br />
an<strong>de</strong>ren Mann hin, aber nicht nah genug für ihn, als dass<br />
er sie schnappen hätte können. „Rücken Sie das Geld<br />
raus, <strong>und</strong> <strong>die</strong> Karte gehört Ihnen“, sagte er.<br />
Atan Thome zog eine dicke Geldbörse aus einer<br />
Innentasche <strong>und</strong> zählte fünfh<strong>und</strong>ert Pf<strong>und</strong> in Scheinen <strong>de</strong>r<br />
Bank von England heraus.<br />
„Hätte ich Ihre Banknotenbün<strong>de</strong>l, wür<strong>de</strong> ich nicht wegen<br />
<strong>de</strong>s Vaters <strong>de</strong>r Diamanten meinen Hals riskieren“, sagte<br />
Wolff, als er <strong>die</strong> Scheine nahm <strong>und</strong> in seine Tasche<br />
stopfte.<br />
„Gehst du nun mit Gregorys Safari?“, fragte Thome.<br />
„Klar“, erwi<strong>de</strong>rte Wolff. „Ein armer Mann muss arbeiten.<br />
Aber ich wer<strong>de</strong> schon mit Ihnen quitt wer<strong>de</strong>n, wenn Sie<br />
<strong>de</strong>n Diamanten bekommen. Ich wer<strong>de</strong> meine Hälfte<br />
kriegen.“<br />
„Du kannst etwas mehr tun, um mir zu helfen“, sagte<br />
Thome. „Dann wird uns <strong>de</strong>r Diamant sicherer sein.“<br />
„Was <strong>de</strong>nn?“, fragte Wolff misstrauisch.<br />
„Ich wer<strong>de</strong> versuchen, Magra mit <strong>de</strong>n Gregorys mitreisen<br />
zu lassen. Dabei könntest du mir helfen. Ich möchte, dass<br />
sie sich mit ihnen anfre<strong>und</strong>et – <strong>und</strong> Brian Gregory sich<br />
verliebt. Wenn irgen<strong>de</strong>twas schief geht, wür<strong>de</strong> sie ein<br />
wenig Einfluss auf sie haben. Ich möchte nicht hängen,<br />
ebenso wenig wie du.“<br />
„Wie komme ich ins Spiel?“, fragte Wolff.<br />
„Du gehst mit ihnen <strong>und</strong> führst sie auf einen falschen<br />
Weg. Wenn sie sich gründlich verirrt haben, bringst du<br />
Magra nach Ashair. Du hast <strong>die</strong> Karte gesehen, also weißt<br />
du ungefähr, wohin es geht. Du wirst eins meiner alten<br />
Lager fin<strong>de</strong>n <strong>und</strong> dort auf mich warten. Hast du<br />
verstan<strong>de</strong>n?“<br />
„Ja.“<br />
„Und wirst du´s tun?“<br />
„Klar. Warum auch nicht?“<br />
„Na schön. Nun mach dich auf. Ich wer<strong>de</strong> dich in ein paar<br />
Monaten bei Ashair treffen.“<br />
Tarzan <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>verbotene</strong> <strong>Stadt</strong><br />
Page 20 von 26
Nach<strong>de</strong>m Wolff gegangen war, wandte sich Thome an Lal<br />
Taask. „Wir müssen heut Nacht hier weg“, sagte er. „Geh<br />
hinunter zum Fluss <strong>und</strong> bestich <strong>de</strong>n Kapitän <strong>de</strong>s Bootes,<br />
flussaufwärts zu fahren, <strong>und</strong> heute Nacht noch nach<br />
Bonga.“<br />
„Du bist sehr schlau, Herr“, sagte Lal Taask. „Du wirst <strong>die</strong><br />
junge Dame gehen lassen, da wir nun <strong>die</strong> Karte haben?“<br />
„Nein. Sie haben uns <strong>die</strong> Karte nicht gegeben. Sie<br />
könnten uns in <strong>die</strong> Quere kommen, <strong>und</strong> wenn sie das tun,<br />
wird es gut sein, eine Geisel zu haben.“<br />
„Noch einmal, Herr –du bist schlau.“<br />
*<br />
Es war nach Mitternacht, als Atan Thome mit Lal Taask<br />
<strong>und</strong> Helen an Bord <strong>de</strong>s Flussdampfers ging. Am<br />
Landungssteg verabschie<strong>de</strong>te er sich von Magra. „Schließ<br />
dich <strong>de</strong>r Gregory-Safari an, egal unter welchem<br />
Vorwand“, wies er sie an. „Sie könnten Ashair erreichen,<br />
<strong>und</strong> ich möchte jeman<strong>de</strong>n bei ihnen wissen, <strong>de</strong>m ich<br />
vertrauen kann. Ich muss mich auf je<strong>de</strong> Möglichkeit<br />
vorbereiten. Wenn sie mir zuvorkommen <strong>und</strong> <strong>de</strong>n<br />
Diamanten ergattern, musst du einen Weg fin<strong>de</strong>n, mit mir<br />
Verbindung aufzunehmen. Du könntest sogar Gelegenheit<br />
erhalten, <strong>de</strong>n Diamanten zu stehlen. Pass auf Wolff auf.<br />
Ich traue ihm nicht. Er hat eingewilligt, sie in <strong>die</strong> Irre zu<br />
führen <strong>und</strong> dich dann nach Ashair hinauf zu bringen, um<br />
mich zu treffen, wenn ich hinkomme. Es ist gut, dass du in<br />
Brian Gregory verliebt bist. Das wird eine Hilfe sein. Mach<br />
daraus, was nur geht. Anfangs gefiel mir <strong>de</strong>r Gedanke ja<br />
nicht, aber nach weiterem Nach<strong>de</strong>nken sah ich, wie uns<br />
das nutzen könnte. Lebwohl jetzt, <strong>und</strong> vergiss nichts von<br />
<strong>de</strong>m, was ich dir gesagt habe.“<br />
Lal Taask <strong>und</strong> Helen waren an Bord <strong>de</strong>s Dampfers<br />
gegangen. Der Mann ging sehr knapp neben <strong>de</strong>m<br />
Mädchen, seine Pistole gegen ihre Seite gepresst, um<br />
jeglichen Hilferuf zu verhin<strong>de</strong>rn.<br />
„Ich glaube, du bist sehr unklug, dass du sie nicht<br />
freilässt“, sagte Magra.<br />
„Kann ich jetzt nicht“, sagte Thome, „nicht, bevor du mit<br />
Gregorys Gesellschaft abgereist bist. Verstehst du das<br />
nicht?“<br />
„Na, sieh zu, dass ihr nichts passiert! Vergiss nicht, <strong>de</strong>r<br />
Arm <strong>de</strong>s englischen Gesetzes ist lang.“ Damit wandte<br />
sich Magra um <strong>und</strong> ging zurück ins Dorf.<br />
*<br />
Nach einer schlaflosen Nacht <strong>de</strong>s Suchens nach Helen<br />
versammelten sich Gregory, Tarzan <strong>und</strong> d´Arnot in<br />
Gregorys Zimmer, um ihre Pläne zu entwerfen.<br />
„Ich fürchte, uns bleibt nichts an<strong>de</strong>res übrig, als <strong>die</strong><br />
Obrigkeit zu unterrichten“, sagte d´Arnot.<br />
Tarzan <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>verbotene</strong> <strong>Stadt</strong><br />
Page 21 von 26
„Ich <strong>de</strong>nke, Sie haben Recht“, stimmte Gregory zu. „Ich<br />
hatte solche Angst, man wür<strong>de</strong> sie töten, wenn wir <strong>die</strong><br />
Polizei verständigen, aber nun können wir sonst nichts<br />
tun.“<br />
Es klopfte an <strong>de</strong>r Tür, <strong>und</strong> <strong>die</strong> drei Männer blickten auf.<br />
„Herein!“, sagte Gregory.<br />
Die Tür schwang langsam auf <strong>und</strong> Magra trat in <strong>de</strong>n<br />
Raum.<br />
„Sie!“, rief d´Arnot.<br />
Sie schenkte ihm keine Beachtung, son<strong>de</strong>rn sah<br />
gera<strong>de</strong>wegs Tarzan an. „Brian Gregory“, sagte sie, „ich<br />
komme, um dir <strong>de</strong>ine Schwester suchen zu helfen.“<br />
„Was wissen Sie über sie? Wo ist sie?“, wollte Gregory<br />
wissen.<br />
„Atan Thome nimmt sie mit ins Lan<strong>de</strong>sinnere. Er ist letzte<br />
Nacht mit <strong>de</strong>m Flussdampfer nach Bonga aufgebrochen.“<br />
„Aber das Boot fährt doch erst heute“, mischte sich d<br />
´Arnot ein.<br />
„Atan Thome hat <strong>de</strong>n Kapitän bestochen, schon in <strong>de</strong>r<br />
Nacht zu fahren“, erklärte Magra. „Ich hätte weg sollen,<br />
aber – nun, warum ich´s nicht tat, tut nichts zur Sache.“<br />
„Dieser Frau ist nicht zu trauen“, sagte Tarzan.<br />
„Du kannst mir vertrauen, immer, Brian Gregory.“ Sie<br />
wandte sich Gregory zu. „Wenn Sie zweifeln, nehmen Sie<br />
mich mit – als Geisel meinetwegen. Es kann sein, dass ich<br />
Ihnen helfen wür<strong>de</strong>.“<br />
Gregory schien ihr nicht zuzuhören. Er wirkte wie gelähmt.<br />
„Meine bei<strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>r“, sagte er. „Erst Brian geopfert,<br />
nun Helen – wofür <strong>de</strong>nn nur?“<br />
„Verzweifeln Sie nicht, Monsieur Gregory“, sagte d´Arnot.<br />
„Es muss einen Weg geben.“<br />
„Wie <strong>de</strong>nn?“, wollte <strong>de</strong>r ältere Mann wissen. „In vier<br />
Tagen wird Thome in Bonga sein. Das Boot wird dort<br />
wenigstens einen Tag lang liegen. Von <strong>de</strong>r Strömung<br />
zurück getragen, wird es <strong>die</strong> Rückfahrt vielleicht in<br />
zweieinhalb Tagen schaffen. Selbst wenn wir <strong>de</strong>n Kapitän<br />
überre<strong>de</strong>n können, sofort nach Bonga zurückzufahren,<br />
wird Thome sechs o<strong>de</strong>r sieben Tage Vorsprung vor uns<br />
haben. Er wird weit im Lan<strong>de</strong>sinneren sein. Er hat<br />
wahrscheinlich <strong>die</strong> Karte, <strong>die</strong> aus Helens Zimmer<br />
gestohlen wur<strong>de</strong>. Wir haben keine. Wir wer<strong>de</strong>n nicht<br />
wissen, wo wir ihn zu suchen haben.“<br />
„Machen Sie sich darüber keine Sorgen“, munterte d<br />
´Arnot ihn auf. „Thome ist in Afrika. Tarzan von <strong>de</strong>n Affen<br />
wird ihn fin<strong>de</strong>n.“<br />
Tarzan <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>verbotene</strong> <strong>Stadt</strong><br />
„Ja“, sagte Gregory dumpf, „aber was wird meinem<br />
armen Mädchen in <strong>de</strong>r Zwischenzeit zugestoßen sein?“<br />
„Warten Sie!“, rief d´Arnot. „Ich hab´s! Es gibt noch<br />
einen an<strong>de</strong>ren Weg. Wir haben ein Flugboot <strong>de</strong>r Marine<br />
Page 22 von 26
hier. Ich bin sicher, <strong>die</strong> Obrigkeit wird uns nach Bonga<br />
fliegen lassen. Wir wer<strong>de</strong>n dort sein, wenn Monsieur<br />
Thome an Land geht. Was für eine Überraschung für<br />
Monsieur Thome, ha?“<br />
„W<strong>und</strong>erbar!“, rief Gregory. „Wie kann ich Ihnen je dafür<br />
danken, Captain?“<br />
Wie Magra auch darauf reagierte, ihr Gesicht zeigte<br />
keinerlei Emotion.<br />
Kapitel 5<br />
Auf d´Arnots Ansuchen waren <strong>die</strong> Behör<strong>de</strong>n gern zur<br />
Zusammenarbeit bereit. Und mit nur wenigen St<strong>und</strong>en<br />
Verspätung ging <strong>die</strong> Gesellschaft an Bord eines<br />
Flugbootes, das auf <strong>de</strong>m Fluss ankerte. Magras Miene<br />
erweckte <strong>de</strong>n Eindruck äußerster Befriedigung, als d<br />
´ A r n o t i h r a u s d e m E i n g e b o re n e n k a n u , d a s d i e<br />
Gesellschaft vom Ufer hergebracht hatte, an Bord half.<br />
Wolff, <strong>de</strong>r noch nie geflogen war, überspielte ein wenig<br />
seine innere Unsicherheit. Ogabi rollte ängstlich mit <strong>de</strong>n<br />
Augen.<br />
„Sehen Sie, wie einfach alles zu arrangieren war?“, rief d<br />
´Arnot.<br />
„Das haben wir Ihnen zu verdanken“, erwi<strong>de</strong>rte Gregory.<br />
„Wie lang wer<strong>de</strong>n Sie brauchen, um nach Bonga zu<br />
fliegen, Lieutenant“, fragte Tarzan <strong>de</strong>n Piloten.<br />
„Zwei bis drei St<strong>und</strong>en“, antwortete Lavac.<br />
Tarzan <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>verbotene</strong> <strong>Stadt</strong><br />
„Der Dampfer wird vier Tage brauchen gegen <strong>die</strong><br />
Strömung“, sagte d´Arnot. „Atan Thome wird ein<br />
Empfangskomitee vorfin<strong>de</strong>n, das ihn am Dock erwartet.“<br />
Beim Beschleunigen <strong>de</strong>s Flugzeugs, flussaufwärts, zum<br />
Start gegen <strong>de</strong>n Wind, schloss Ogabi <strong>die</strong> Augen <strong>und</strong><br />
klammerte sich mit bei<strong>de</strong>n Hän<strong>de</strong>n an <strong>de</strong>n Sitz. Als er<br />
seine Augen wie<strong>de</strong>r öffnete, sah er hinab auf <strong>die</strong> Wipfel<br />
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eines Wal<strong>de</strong>s. Sein Gesicht war nicht mehr dunkel, es war<br />
von kranker, aschfahler Färbung.<br />
„Das ist kein Ort für Mann, Bwana, in Bauch von Vogel“,<br />
sagte er zu Tarzan.<br />
„Aber du bist ein Mann, Ogabi“, entgegnete <strong>de</strong>r<br />
Affenmensch, „daher fürchtest du dich nicht. Erinnere<br />
dich daran, wenn <strong>de</strong>r Sturm losgeht.“<br />
„Was für ein Sturm?“, fragte Gregory.<br />
„Es kommt einer auf“, erwi<strong>de</strong>rte Tarzan.<br />
„Woher wissen Sie das?“, erk<strong>und</strong>igte sich Gregory. „Da<br />
gibt es keine Wolke am Himmel.“<br />
„Tarzan weiß das immer“, sagte d´Arnot.<br />
Woher Tarzan wusste, dass ein Sturm aufzog, hätte er<br />
nicht einmal selber erklären können. Vielleicht war ihm<br />
wie <strong>de</strong>n wil<strong>de</strong>n Lebewesen, von <strong>de</strong>nen er aufgezogen,<br />
<strong>und</strong> unter <strong>de</strong>nen er aufgewachsen war, ein beson<strong>de</strong>rer<br />
Sinn eigen, jenseits <strong>de</strong>r Wahrnehmungsfähigkeit <strong>de</strong>r<br />
Menschen. Wie auch immer, eine halbe St<strong>und</strong>e nach<br />
seiner Ankündigung flog das Luftschiff ins Herz eines<br />
tropischen Sturmes.<br />
Lavac, <strong>de</strong>m plötzliche Tropengewitter vertraut waren,<br />
nahm an, dass nur ein kleines Gebiet davon betroffen war,<br />
das bald hinter ihnen liegen wür<strong>de</strong>. Als erfahrener Flieger<br />
eines Schiffes, das mit allen für einen Blindflug nötigen<br />
Instrumenten ausgestattet war, ging er lediglich tiefer<br />
<strong>und</strong> flog mitten hinein. Das Schiff schwankte <strong>und</strong> wur<strong>de</strong><br />
umher geworfen, <strong>und</strong> Ogabi erbleichte noch mehr. Wolff<br />
ballte seine Fäuste, bis seine Knöchel weiß waren.<br />
Nach einer St<strong>und</strong>e solcher Turbulenzen wandte sich Lavac<br />
an d´Arnot, er solle nach vorn kommen. „Es ist schlimmer,<br />
als ich erwartet hätte, Captain“, sagte er. „Sollte ich nicht<br />
umkehren?“<br />
„Haben Sie genug Sprit?“, fragte d´Arnot.<br />
Lavac nickte. „Jawohl, Sir!“, antwortete er.<br />
„Sonst auch alles in Ordnung?“<br />
„Beim Kompass bin ich mir nicht sicher.“<br />
„Dann wären wir mit umkehren um nichts besser dran als<br />
mit weiterfliegen“, sagte d´Arnot. „Machen wir weiter.<br />
Früher o<strong>de</strong>r später müssen wir herauskommen.“<br />
Zwei weitere lange St<strong>und</strong>en kämpfte Lavac gegen <strong>de</strong>n<br />
Sturm an. Dann stotterte <strong>de</strong>r Motor. D´Arnot eilte nach<br />
vorn, aber bevor er an Lavacs Seite war, erfing sich <strong>die</strong><br />
Maschine <strong>und</strong> schnurrte wie<strong>de</strong>r brav. Das war für <strong>die</strong><br />
bei<strong>de</strong>n ein Moment <strong>de</strong>r Anspannung gewesen. D´Arnot<br />
stieß einen tiefen Seufzer <strong>de</strong>r Erleichterung aus – <strong>und</strong><br />
dann stotterte <strong>de</strong>r Motor erneut <strong>und</strong> setzte aus. Lavac<br />
arbeitete wütend mit einer Handpumpe. D´Arnot kehrte in<br />
<strong>die</strong> Kabine zurück.<br />
„Legt <strong>die</strong> Sicherheitsgurte an“, sagte er. „Wir wer<strong>de</strong>n<br />
hinunter müssen.“<br />
Tarzan <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>verbotene</strong> <strong>Stadt</strong><br />
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„Die Leitung ist verstopft“, sagte Lavac, „<strong>und</strong> ich kann sie<br />
nicht reinigen.“<br />
D´Arnot schaute auf <strong>de</strong>n Höhenmesser. „Dreitausend<br />
Meter etwa“, sagte er. „Die Umgebung Bongas liegt im<br />
Durchschnitt auf zweih<strong>und</strong>ert. Gleitflug, so weit Sie<br />
können, suchen Sie eine Lichtung!“<br />
„Und wenn ich keine fin<strong>de</strong>?“, fragte Lavac.<br />
Schulterzuckend schnitt d´Arnot eine Grimasse. „Sie sind<br />
<strong>de</strong>r Pilot“, sagte er, „<strong>und</strong> soweit ich weiß, ein sehr guter.“<br />
„Danke“, sagte Lavac. „Ein sehr guter Pilot wird nötig<br />
s e i n , u m m i t d i e s e m F l u g z e u g e i n e n Wa l d z u<br />
durchfliegen. So gut bin ich nicht. Wer<strong>de</strong>n Sie es <strong>de</strong>nen<br />
sagen?“<br />
„Wozu?“, fragte d´Arnot.<br />
„Sie wer<strong>de</strong>n vielleicht ihren Frie<strong>de</strong>n mit Gott machen<br />
wollen – in Angelegenheiten, <strong>die</strong> sie bisher vermie<strong>de</strong>n<br />
haben, mit Ihm zu diskutieren.“<br />
„Was stimmt nicht?“, verlangte Wolff Auskunft. „Der<br />
Motor läuft nicht.“<br />
„Damit haben Sie Ihre Frage selbst beantwortet“, sagte d<br />
´Arnot <strong>und</strong> ging zu seinem Sitz zurück.<br />
„Wir gehn hinunter“, sagte Wolff. „Der sieht doch nichts,<br />
für eine Landung. Das gibt Bruch!“<br />
„Bleiben Sie ruhig“, ermahnte ihn d´Arnot. „Noch ist es<br />
nicht soweit.“<br />
Die Passagiere saßen in gespannter Erwartung, während<br />
das Flugzeug sturmzerfetzte Wolken durchstieß.<br />
„Wie hoch sind wir jetzt, Lavac?“, fragte d´Arnot.<br />
„Dreih<strong>und</strong>ert Meter.“<br />
„Das heißt, wir können nicht mehr als dreih<strong>und</strong>ert Fuß<br />
über <strong>de</strong>m Bo<strong>de</strong>n sein, bestenfalls“, sagte Gregory. „Ich<br />
erinnere mich, ich habe gestern auf <strong>die</strong> Karte geschaut.<br />
Fast das ganze Gelän<strong>de</strong> hier liegt auf etwa sechsh<strong>und</strong>ert<br />
Fuß Höhe.“<br />
Plötzlich sprang Wolff auf <strong>die</strong> Füße. „Das halt ich nicht<br />
aus!“, schrie er. „Ich wer<strong>de</strong> abspringen.“<br />
Tarzan packte ihn <strong>und</strong> warf ihn auf seinen Sitz zurück.<br />
„Sitzen bleiben!“, sagte er.<br />
„Jawohl, still gesessen!“, blaffte d´Arnot. „Ist es nicht so<br />
schon schlimm genug?“<br />
Lavac stieß einen Ruf <strong>de</strong>r Erleichterung aus. „Wir sind<br />
durch!“, rief er, „<strong>und</strong> da grad unter uns ist Wasser.“<br />
Gleich darauf glitt das Flugboot in einer sanften Landung<br />
über <strong>die</strong> Bucht eines kleinen Sees. Nur Wald <strong>und</strong> Wildnis<br />
waren zur Begrüßung da. Falls es Augen von Beobachtern<br />
gab, blieben sie verborgen. Die Stimmen <strong>de</strong>s Dschungels<br />
waren im Augenblick verstummt. Regen prasselte auf <strong>die</strong><br />
Wasseroberfläche, <strong>und</strong> <strong>de</strong>r Wald ächzte im Wind. Davon<br />
<strong>und</strong> von ihrem w<strong>und</strong>erbaren Überleben bemerkte Ogabi<br />
nichts – er war in Ohnmacht gefallen.<br />
Tarzan <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>verbotene</strong> <strong>Stadt</strong><br />
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„Wissen Sie, wo wir uns befin<strong>de</strong>n, Lieutenant?“, fragte d<br />
´Arnot.<br />
„Ich habe nicht <strong>die</strong> leiseste Ahnung“, antwortete Lavac.<br />
„Hab <strong>die</strong>sen See noch nie zuvor gesehen.“<br />
„Dann haben wir uns verirrt?“, fragte Gregory.<br />
Lavac nickte. „Das fürchte ich, Sir. Mein Kompass verhielt<br />
sich nicht sehr vertrauenswürdig. Zu<strong>de</strong>m hat uns natürlich<br />
<strong>de</strong>r Sturm von unserem Kurs abgebracht.“<br />
„Wie einsam <strong>und</strong> bedrückend es hier aussieht“, sagte<br />
Magra.<br />
„Hier ist <strong>de</strong>r Dschungel.“ Tarzan witterte es, wie man fast<br />
sagen könnte. „Hier ist <strong>die</strong> Heimat!“<br />
„Wie entmutigend“, sagte Gregory. „Eben noch war ich<br />
sicher, dass wir je<strong>de</strong>s Hin<strong>de</strong>rnis überw<strong>und</strong>en <strong>und</strong> einen<br />
Weg gef<strong>und</strong>en hatten, wie wir Thome überholen <strong>und</strong><br />
Helen retten, da musste <strong>die</strong>s passieren. Nun sind wir<br />
vollkommen hilflos. Nun wer<strong>de</strong>n wie sie niemals<br />
erreichen, das arme Kind.“<br />
„Non! Non! Mein lieber Monsieur Gregory, Sie dürfen<br />
nicht aufgeben“, sagte d´Arnot. „Das ist nur eine<br />
zeitweilige Verzögerung. Lieutenant Lavac wird <strong>die</strong><br />
Treibstoffleitung in kurzer Zeit gereinigt haben, <strong>und</strong><br />
sobald sich das Wetter bessert, wer<strong>de</strong>n wir wie<strong>de</strong>r<br />
starten. Wir haben reichlich Zeit. Thome wird erst in drei<br />
Tagen Bonga erreichen. Sobald es aufklart, kann <strong>de</strong>r<br />
Lieutenant Bonga fin<strong>de</strong>n, auch ganz ohne Kompass.“<br />
E i n e h a l b e S t u n d e l a n g b e a r b e i t e t e L a v a c d i e<br />
Treibstoffleitung, dann rief er d´Arnot. „Die Leitung war<br />
nicht verlegt, Sir“, sagte er. Er wirkte besorgt.<br />
„Was war dann das Problem?“, wollte d´Arnot wissen.<br />
„Wir haben keinen Sprit mehr. Der Tank muss ein arges<br />
Leck haben, <strong>de</strong>nn er war randvoll, als wir abflogen.“<br />
„Aber <strong>de</strong>r Reservetank – was ist damit?“, fragte d´Arnot.<br />
„Der Reservetank hat das Leck, <strong>und</strong> wir haben <strong>de</strong>n<br />
an<strong>de</strong>ren leer.“<br />
D´Arnot schüttelte seinen Kopf. „Das arme kleine<br />
Mädchen!“, sagte er.<br />
Tarzan <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>verbotene</strong> <strong>Stadt</strong><br />
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