02.03.2013 Aufrufe

Tarzan und die Fremdenlegion - Spitzenlicht.de

Tarzan und die Fremdenlegion - Spitzenlicht.de

Tarzan und die Fremdenlegion - Spitzenlicht.de

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Aus <strong>de</strong>m Amerikanischen übersetzt<br />

von Bernhard Schaffer<br />

Deutsche Erstveröffentlichung<br />

1. Auflage<br />

2012 Walter Mayrhofer, Wien<br />

Layout von Walter Handtke<br />

Cover Art Joe Jusko<br />

Titel <strong>de</strong>r amerikanischen Originalausgabe<br />

<strong>Tarzan</strong> and the Foreign Legion<br />

by Edgar Rice Burroughs<br />

Vorwort<br />

Etliche Jahre sind seit <strong>de</strong>r letzten Veröffentlichung eines<br />

<strong>Tarzan</strong>-Buches aus <strong>de</strong>m Kranichborn-Verlag vergangen<br />

<strong>und</strong> <strong>die</strong> Existenz <strong>die</strong>ser <strong>de</strong>utschen Erstausgabe erschien<br />

mir zunächst rätselhaft. Ich dachte anfänglich, dass <strong>die</strong><br />

Insolvenz <strong>de</strong>s Verlages im Jahre 1996 eigentlich <strong>die</strong> für<br />

ein Jahr später angekündigte Ausgaben ausschliesst <strong>und</strong><br />

konnte nicht recht an <strong>die</strong> Kranichborn-Version glauben.<br />

Nach<strong>de</strong>m nichts meine Zweifel wi<strong>de</strong>rlegen konnte, suchte<br />

ich nach Belegen für o<strong>de</strong>r gegen <strong>die</strong> Kranichborn-<br />

Ausgabe. Im Laufe meiner Recherchen sollte ich eine<br />

Reihe hervorstechen<strong>de</strong>r Tatsachen zusammentragen, <strong>die</strong><br />

ich <strong>de</strong>m Leser hiermit unterbreiten möchte. Sollte man sie<br />

nicht glaubwürdig fin<strong>de</strong>n, so wird man doch je<strong>de</strong>nfalls mit<br />

m i r d a r i n ü b e r e i n s t i m m e n , d a s s e s e i n g a n z<br />

bemerkenswerter <strong>und</strong> interessanter Fall ist.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Zunächst gelang es mir, einen Wegbegleiter von Günter<br />

Schäfer, <strong>de</strong>m Herausgeber <strong>de</strong>s ehemaligen Kranichborn-<br />

Verlages, ausfindig zu machen. Dieser erzählte mir, dass<br />

ihm Herr Schäfer noch 1996 auf <strong>de</strong>r Leipziger Buchmesse<br />

bestätigte, dass weitere Übersetzungen von Ruprecht<br />

Willnow vorliegen wür<strong>de</strong>n <strong>und</strong> er nach Geldgeber für <strong>die</strong><br />

Finanzierung <strong>de</strong>r Veröffentlichungen suche. Wegen<br />

Page 1 von 197


Krankheit <strong>und</strong> Insolvenz kam es aber nicht mehr dazu.<br />

Herr Schäfer schloss ihm gegenüber letztlich aus, dass es<br />

zu <strong>de</strong>n bis dahin erschienenen <strong>Tarzan</strong>-Bän<strong>de</strong>n noch<br />

weitere Produktionen geben wür<strong>de</strong>.<br />

Nun gibt es aber zum Glück aller Sammler <strong>und</strong> Fans das<br />

schöne Wien an <strong>de</strong>r Donau, welches schon öfter <strong>die</strong><br />

Kulisse für einen aufregen<strong>de</strong>n Thriller bot. Diesmal sollte<br />

das Drehbuch von einem unscheinbar auftreten<strong>de</strong>n Herrn<br />

geschrieben wer<strong>de</strong>n - <strong>de</strong>n wir Walter Mayrhofer nennen<br />

wollen. Vom Spookhouse-Selbstverleger inspiriert, <strong>de</strong>r im<br />

Jahr 2004 <strong>de</strong>n Titel <strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> Schiffbrüchigen in<br />

geringer Auflage herausbrachte, kam Mayrhofer nämlich<br />

auf <strong>die</strong> I<strong>de</strong>e, einige bis dato von Edgar Rice Burroughs<br />

nie in <strong>de</strong>utscher Sprache veröffentlichte, prächtigen<br />

Geschichten neues Leben einzuhauchen. Diese in einem<br />

Gewan<strong>de</strong>, welches viele Fans <strong>de</strong>s Dschungelhel<strong>de</strong>n schon<br />

immer erhofft hatten <strong>und</strong> <strong>die</strong> Akteuere im Verborgenen<br />

lassen sollte. Der geniale Kopf dachte dabei an <strong>die</strong><br />

<strong>Tarzan</strong>-Bän<strong>de</strong> aus <strong>de</strong>m Leipziger Kranichborn-Verlag.<br />

M i t t e l s s e i n e s N e t z w e r k e s g e l a n g e s i h m , a l l e<br />

erfor<strong>de</strong>rlichen Akteure für <strong>die</strong> Umsetzung <strong>und</strong> Produktion<br />

seiner I<strong>de</strong>e zu gewinnen. Als erstes startete man einen<br />

Versuch, <strong>de</strong>n Übersetzer Ruprecht Willnow über einen<br />

Leipziger Kontaktmann ausfindig zu machen <strong>und</strong> nach<br />

d e m Ve r b l e i b d e r b e re i t s v o n i h m g e s c h a ff e n e n<br />

Übersetzungen zu forschen. Der Kontakt zum Übersetzer<br />

konnte zwar hergestellt wer<strong>de</strong>n, nicht aber <strong>de</strong>r Zugriff auf<br />

<strong>die</strong> Übersetzungen. Das war zwar ein Rückschlag für <strong>de</strong>n<br />

Drehbuchautoren, aber in Wien fand sich auch schnell ein<br />

Übersetzer, <strong>de</strong>r Layouter war bereits an Board. Von allen<br />

angekündigten Erstausgaben <strong>de</strong>s Kranichborn-Verlages<br />

erschien TARZAN UND DIE VERBOTENE STADT am<br />

reizvollsten - vielleicht lag es ja an Titel <strong>und</strong> Tatort. Die<br />

Übersetzung erfor<strong>de</strong>rte eine gewisse Zeit, beim Layout<br />

konnte man sich an <strong>de</strong>n Original-Ausgaben orientieren<br />

<strong>und</strong> eine Druckerei in Wien zu fin<strong>de</strong>n, <strong>die</strong> ein kleines<br />

Zubrot vertragen konnte, war eine leichte Übung. Die<br />

Erfolgsgeschichte sollte auch eine Fortsetzung fin<strong>de</strong>n,<br />

geplant war <strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> Schiffbrüchigen, gleichfalls<br />

von Kranichborn angekündigt. Aber es kam dann etwas<br />

dazwischen. Da sollten doch im Jahr 2012 tatsächlich<br />

beim Verlag Wal<strong>de</strong>+Graf <strong>die</strong> Titel erscheinen, <strong>die</strong> man<br />

selber geplant hatte. Letztlich realisierte man dann<br />

TARZAN UND DIE FREMDENLEGION.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Page 2 von 197


Kapitel 1<br />

Wahrscheinlich sind nicht alle Hollän<strong>de</strong>r dickköpfig -<br />

ungeachtet <strong>de</strong>r Tatsache, daß ihnen neben vielen<br />

Tugen<strong>de</strong>n Dickköpfigkeit als eine ihrer nationalen<br />

Eigentümlichkeiten zugeschrieben wird. Falls es aber<br />

einigen Hollän<strong>de</strong>rn an Dickköpfigkeit mangelt, so<br />

verblieb ein gerüttelt Maß <strong>die</strong>ser Anlage in <strong>de</strong>r Person<br />

<strong>de</strong>s Hendrik van <strong>de</strong>r Meer. So wie er sie ausübte, war<br />

Dickköpfigkeit eine hohe Kunst. Sie wur<strong>de</strong> ihm auch zum<br />

liebsten Zeitvertreib. Von Beruf war er Kautschuk-Pflanzer<br />

in Sumatra. Darin war er erfolgreich; aber es war seine<br />

Dickköpfigkeit, <strong>die</strong> ihn seinen Fre<strong>und</strong>en entfrem<strong>de</strong>te.<br />

Deshalb wollte er auch nicht wahrhaben, daß <strong>die</strong><br />

Japaner Nie<strong>de</strong>rländisch Ostin<strong>die</strong>n einnehmen könnten,<br />

n i c h t e i n m a l n a c h d e m s i e a u f d e n P h i l i p p i n e n<br />

einmarschiert waren <strong>und</strong> Hongkong <strong>und</strong> Singapur fielen.<br />

Frau <strong>und</strong> Tochter zu evakuieren, gedachte er ebenso<br />

wenig. Man könnte ihn <strong>de</strong>r Dummheit bezichtigen, aber<br />

darin war er nicht allein. In Großbritannien <strong>und</strong> <strong>de</strong>n<br />

Vereinigten Staaten gab es Millionen, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Stärke <strong>und</strong><br />

d i e R e s s o u rc e n J a p a n s u n t e r s c h ä t z t e n - e i n i g e i n<br />

Führungspositionen.<br />

Hinzu kam, daß Hendrik van <strong>de</strong>r Meer <strong>die</strong> Japaner<br />

haßte. Falls jemand etwas hassen kann, worauf er<br />

verächtlich hinabschaut wie auf Ungeziefer. „Abwarten",<br />

sagte er. „Es wird nicht lang dauern, bis wir sie zurück auf<br />

ihre Bäume jagen." Mit seiner Prophezeiung irrte er nur<br />

bezüglich <strong>de</strong>r zeitlichen Abfolge. Was ihm das Genick<br />

brach.<br />

Und <strong>die</strong> Japaner kamen, worauf Hendrik van <strong>de</strong>r Meer<br />

sich ins Bergland zurückzog. Mit ihm gingen seine Frau<br />

Elsje Verschoor, <strong>die</strong> er vor achtzehn Jahren aus Holland<br />

mitgebracht hatte, <strong>und</strong> seine Tochter Corrie. Zwei<br />

chinesische Diener begleiteten sie, Lum Kam <strong>und</strong> Sing<br />

Tai. Dazu bewogen sie zwei sehr triftige Grün<strong>de</strong>. Der eine<br />

war <strong>die</strong> Furcht vor <strong>de</strong>n Japanern, von <strong>de</strong>nen sie nur zu<br />

gut wußten, was sie von ihnen zu erwarten hatten. Der<br />

an<strong>de</strong>re war ihre echte Zuneigung zur Familie van <strong>de</strong>r<br />

Meer. Die Plantagenarbeiter aus Java blieben zurück. Sie<br />

wußten, daß <strong>die</strong> Invasoren mit <strong>de</strong>r Bewirtschaftung <strong>de</strong>r<br />

Plantage weitermachen wür<strong>de</strong>n.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Die Japaner kamen also, <strong>und</strong> Hendrik van <strong>de</strong>r Meer<br />

ging ins Bergland. Aber nicht rechtzeitig. Die Japaner<br />

folgten ihm auf <strong>de</strong>m Fuße. Methodisch spürten sie alle<br />

Nie<strong>de</strong>rlän<strong>de</strong>r auf. Von <strong>de</strong>n Eingeborenen aus <strong>de</strong>n<br />

Page 3 von 197


Kampongs, in <strong>de</strong>nen van <strong>de</strong>r Meer Rastpausen einlegte,<br />

erhielten sie stets Infor mationen. Aus welchen<br />

natürlichen<br />

o<strong>de</strong>r unglaublichen Quellen <strong>die</strong> Eingeborenen ihr Wissen<br />

hatten, da doch <strong>die</strong> Japaner noch Meilen weit entfernt<br />

waren, war unergründlich. Sie wußten solche Dinge, wie<br />

primitive Völker es immer tun, so schnell wie weiter<br />

entwickelte Völker sie über Telegraphen o<strong>de</strong>r Radio<br />

erfahren. Sie wußten sogar, aus wie vielen Soldaten <strong>die</strong><br />

Patrouille bestand - einem Sergeant, einem Korporal <strong>und</strong><br />

neun Gefreiten.<br />

„Sehr schlimm", sagte Sing Tai, <strong>de</strong>r in China gegen <strong>die</strong><br />

Japaner gekämpft hatte. „Oftmals ist ein Offizier ein<br />

wenig menschlich, aber Rekruten sind es nie. Wir dürfen<br />

sie nicht fangen lassen", er <strong>de</strong>utete auf <strong>die</strong> bei<strong>de</strong>n<br />

Frauen hin.<br />

Als sie höher ins Gebirge kamen, wur<strong>de</strong> es ein harter<br />

Marsch. Es regnete je<strong>de</strong>n Tag, <strong>und</strong> <strong>die</strong> Pfa<strong>de</strong> waren total<br />

verschlammt. Van <strong>de</strong>r Meer war nicht mehr jung, aber<br />

immer noch kräftig <strong>und</strong> stets unbeugsam.<br />

Corrie war damals siebzehn, ein schlankes, blon<strong>de</strong>s<br />

Mädchen. Doch strotzte sie vor Ges<strong>und</strong>heit, Kraft <strong>und</strong><br />

Ausdauer. Sie konnte es allemal mit <strong>de</strong>n Männern ihrer<br />

Gruppe aufnehmen. Aber mit Elsje van <strong>de</strong>r Meer war es<br />

an<strong>de</strong>rs. Sie besaß zwar <strong>de</strong>n Willen, jedoch nicht <strong>die</strong> Kraft.<br />

Und es gab keine Rast. Kaum hatten sie ein Kampong<br />

erreicht <strong>und</strong> sich auf <strong>de</strong>n Bo<strong>de</strong>n einer Hütte geworfen,<br />

naß, schlammig, erschöpft, drängten <strong>die</strong> Eingeborenen<br />

sie schon zum Aufbruch. Manchmal ergab sich das, weil<br />

<strong>die</strong> Patrouille <strong>de</strong>r Japaner aufholte. Häufig aber, weil <strong>die</strong><br />

Eingeborenen befürchteten, <strong>de</strong>r Feind könnte <strong>die</strong> bei<br />

ihnen untergeschlüpften Weißen vorfin<strong>de</strong>n.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Sogar <strong>die</strong> Pfer<strong>de</strong> schafften es schließlich nicht mehr,<br />

<strong>und</strong> so war man zum Gehen gezwungen. Nun waren sie<br />

schon hoch im Gebirge. Kampongs waren weit entfernt.<br />

Die Eingeborenen waren verängstigt <strong>und</strong> nicht allzu<br />

fre<strong>und</strong>lich. Vor wenigen Jahren noch waren sie Kannibalen<br />

gewesen. Drei Wochen lang stolperte man voran, auf <strong>de</strong>r<br />

Suche nach einem fre<strong>und</strong>lichen Kampong, in <strong>de</strong>m sie sich<br />

verstecken könnten. Aber nun zeigte es sich, daß Elsje<br />

van <strong>de</strong>r Meer kaum noch weiter konnte. Zwei Tage lang<br />

waren sie auf kein Kampong gestoßen. An Nahrung<br />

besaßen sie nur, was Wald <strong>und</strong> Dschungel ihnen boten.<br />

Dann, eines späten Nachmittags, fan<strong>de</strong>n sie ein<br />

jämmerliches Dorf. Die Eingeborenen waren mürrisch <strong>und</strong><br />

unfre<strong>und</strong>lich, doch verweigerten sie ihnen nicht <strong>die</strong><br />

Page 4 von 197


eschei<strong>de</strong>ne Gastfre<strong>und</strong>schaft, <strong>die</strong> sie anzubieten hatten.<br />

Der Häuptling hörte sich ihre Geschichte an. Dann sagte<br />

er ihnen, da sie nicht in seinem Dorf bleiben konnten,<br />

wolle er sie an einen an<strong>de</strong>ren, entlegenen Ort führen<br />

lassen, fern aller gebahnten Wege, wo <strong>die</strong> Japaner sie nie<br />

fin<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>n.<br />

Während van <strong>de</strong>r Meer noch wenige Wochen zuvor<br />

Befehle erteilt hätte, schluckte er jetzt seinen Stolz<br />

hinunter <strong>und</strong> bat <strong>de</strong>n Häuptling, ihnen wenigstens zu<br />

erlauben, über Nacht zu bleiben, damit seine Frau Kraft<br />

sammeln könnte für <strong>die</strong> Reise, <strong>die</strong> vor ihnen lag. Aber<br />

Hoesin weigerte sich. „Geht jetzt", sagte er, „dann wer<strong>de</strong><br />

ich euch Führer geben. Bleibt ihr, so mache ich euch zu<br />

Gefangenen <strong>und</strong> übergebe euch <strong>de</strong>n Japanern, wenn sie<br />

kommen." Wie <strong>die</strong> Anführer an<strong>de</strong>rer Dörfer, an <strong>de</strong>nen sie<br />

vorbei gezogen waren, fürchtete er <strong>de</strong>n Zorn <strong>de</strong>r<br />

I n v a s o r e n , f a l l s s i e e n t d e c k t e n , d a ß e r W e i ß e n<br />

Unterschlupf gewährte.<br />

Also setzte man <strong>de</strong>n Alptraum fort <strong>und</strong> durchwan<strong>de</strong>rte<br />

ein Gebiet, das von einem fürchterlichen Abgr<strong>und</strong><br />

durchschnitten war, wo ein Fluß sich in Tuff-Ablagerungen<br />

eingegraben hatte, <strong>die</strong> von nahen Vulkanen über <strong>die</strong><br />

Zeiten hinweg aufgeschichtet wur<strong>de</strong>n. Und <strong>die</strong>ser Fluß<br />

durchschnitt ihren Pfad, nicht nur einmal, son<strong>de</strong>rn oft.<br />

Manchmal konnten sie ihn durchwaten. Dann wie<strong>de</strong>r<br />

konnte er nur über brüchige, schwanken<strong>de</strong> Seilbrücken<br />

überquert wer<strong>de</strong>n - <strong>und</strong> das in tiefer, mondloser Nacht.<br />

Elsje van <strong>de</strong>r Meer, nun zu schwach zum Gehen, wur<strong>de</strong><br />

von Lum Kam in einem behelfsmäßigen Trageband<br />

getragen, das er über <strong>de</strong>n Rücken geb<strong>und</strong>en hatte. Die<br />

Führer, <strong>die</strong> bald <strong>de</strong>n Schutz eines Kampongs erreichen<br />

wollten, drängten ständig zu vermehrter Geschwindigkeit,<br />

<strong>de</strong>nn zweimal hatten sie das Fauchen von Tigern<br />

vernommen - jenes fauchen<strong>de</strong> Grunzen, das das Blut<br />

erstarren läßt.<br />

Van <strong>de</strong>r Meer hielt sich nahe an Lum Kam, um ihn zu<br />

stützen, falls er auf <strong>de</strong>m schlammigen Pfad ausglitt.<br />

Corrie folgte hinter ihrem Vater, <strong>und</strong> Sing Tai machte <strong>de</strong>n<br />

Schluß. Die bei<strong>de</strong>n Führer waren an <strong>de</strong>r Spitze <strong>de</strong>r<br />

kleinen Gruppe.<br />

„Sie mü<strong>de</strong>, Missy?", fragte Sing Tai. „Vielleicht besser,<br />

ich trage Sie."<br />

„Wir alle sind mü<strong>de</strong>", erwi<strong>de</strong>rte das Mädchen, „aber<br />

ich halte schon durch."<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Page 5 von 197


S i e h a t t e n b e g o n n e n , e i n e n s t e i l e n P f a d<br />

hinaufzusteigen. „Sehr bald da", sagte Sing Tai. „Führer<br />

sagt Kampong oben auf Felsklippe."<br />

Doch so bald waren sie nicht dort, <strong>de</strong>nn <strong>die</strong>s war <strong>de</strong>r<br />

beschwerlichste Teil <strong>de</strong>r Reise. Sie mußten oft anhalten<br />

<strong>und</strong> rasten. Lum Kams Herz pochte. Aber <strong>die</strong>ses treue<br />

Herz war es, zusammen<br />

mit einem eisernen Willen, das ihn davon abhielt,<br />

erschöpft nie<strong>de</strong>rzusinken.<br />

Endlich hatten sie <strong>die</strong> Anhöhe erreicht, <strong>und</strong> nun sagte<br />

ihnen H<strong>und</strong>egebell, daß sie sich einem Kampong<br />

näherten. Die erwachten Eingeborenen traten ihnen<br />

entgegen. Die Führer erklärten, warum sie hierher kamen,<br />

<strong>und</strong> sie wur<strong>de</strong>n eingelassen. Taku Muda, <strong>de</strong>r Häuptling,<br />

begrüßte sie mit fre<strong>und</strong>lichen Worten. „Ihr seid hier<br />

sicher", sagte er. „Ihr seid unter Fre<strong>und</strong>en."<br />

„Meine Frau ist erschöpft", erklärte van <strong>de</strong>r Meer. „Sie<br />

braucht Rast, bevor wir weiter können. Aber ich will euch<br />

nicht <strong>de</strong>m Zorn <strong>de</strong>r Japaner aussetzen, sollten sie<br />

herausfin<strong>de</strong>n, daß ihr uns geholfen habt. Laßt uns heute<br />

N a c h t a u s r u h e n ; u n d m o rg e n , w e n n m e i n e F r a u<br />

weitergebracht wer<strong>de</strong>n kann, sucht uns ein Versteck tiefer<br />

im Gebirge. Vielleicht gibt es eine Höhle in einer<br />

entlegenen Schlucht."<br />

„Höhlen gibt es", antwortete Taku Muda, „aber ihr<br />

wer<strong>de</strong>t hier bleiben. Hier seid ihr sicher. Kein Feind wird<br />

euch in meinem Dorf fin<strong>de</strong>n."<br />

Sie erhielten Essen <strong>und</strong> eine trockene Hütte zum<br />

Schlafen. Doch Elsje van <strong>de</strong>r Meer konnte nichts essen.<br />

Sie glühte vor Fieber, aber es gab nichts, was sie für sie<br />

tun konnten. Hendrik van <strong>de</strong>r Meer <strong>und</strong> Corrie saßen <strong>de</strong>n<br />

Rest <strong>de</strong>r Nacht neben ihr. Welcher Art müssen <strong>die</strong><br />

G e d a n k e n d i e s e s M a n n e s g e w e s e n s e i n , d e s s e n<br />

Dickköpfigkeit <strong>die</strong>ses Leid über <strong>die</strong> Frau, <strong>die</strong> er liebte,<br />

heraufbeschworen hatte?<br />

Noch vor Mittag starb Elsje van <strong>de</strong>r Meer.<br />

Es gibt so etwas wie Trauer, <strong>die</strong> für Tränen zu<br />

schmerzlich ist. Vater <strong>und</strong> Tochter saßen st<strong>und</strong>enlang<br />

t r ä n e n l o s n e b e n i h r e r To t e n , g e l ä h m t v o n d e r<br />

Katastrophe, <strong>die</strong> sie überwältigt hatte. Nur dumpf wur<strong>de</strong>n<br />

ihnen <strong>de</strong>r plötzliche Aufruhr <strong>und</strong> das Geschrei in <strong>de</strong>r<br />

Umgebung bewußt. Da stürzte Sing Tai zu ihnen.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

„Schnell!", rief er. „Japaner kommen. Ein Mann, Führer,<br />

letzte Nacht bringen. Hoesin böser Mann. Er schicken."<br />

Page 6 von 197


Van <strong>de</strong>r Meer stand auf. „Ich wer<strong>de</strong> gehen <strong>und</strong> mit<br />

ihnen re<strong>de</strong>n", sagte er. „Wir haben nichts angestellt.<br />

Vielleicht wer<strong>de</strong>n sie uns nichts antun."<br />

„Sie nicht kennen Affen-Männer", sagte Sing Tai.<br />

Van <strong>de</strong>r Meer zuckte <strong>die</strong> Schultern. „Es gibt sonst<br />

nichts, was ich tun kann. Wenn ich scheitere, Sing Tai,<br />

versuchst du Missy wegzubringen. Laß sie nicht in ihre<br />

Hän<strong>de</strong> fallen."<br />

Er ging zum Eingang <strong>de</strong>r Hütte <strong>und</strong> kletterte <strong>die</strong> Leiter<br />

zum Bo<strong>de</strong>n hinab. Lum Kam begleitete ihn. Die Japaner<br />

waren auf <strong>de</strong>r<br />

an<strong>de</strong>ren Seite <strong>de</strong>r Siedlung. Van <strong>de</strong>r Meer ging mutig auf<br />

sie zu, mit Lum Kam an seiner Seite. Keiner <strong>de</strong>r Männer<br />

war bewaffnet. Corrie <strong>und</strong> Sing Tai sahen sie aus <strong>de</strong>m<br />

dunklen Hütteninneren. Sie konnten beobachten, aber<br />

nicht gesehen wer<strong>de</strong>n.<br />

S i e s a h e n , w i e d i e J a p a n e r d i e z w e i M ä n n e r<br />

umzingelten. Sie vernahmen <strong>die</strong> Stimme <strong>de</strong>s weißen<br />

Mannes <strong>und</strong> das Affengebrabbel <strong>de</strong>r Japaner, aber sie<br />

konnten nicht verstehen, was gesagt wur<strong>de</strong>. Plötzlich<br />

sahen sie einen Gewehrkolben über <strong>die</strong> Köpfe <strong>de</strong>r<br />

M ä n n e r e r h o b e n . E b e n s o p l ö t z l i c h w u r d e e r<br />

hinabgestoßen. Sie wußten, daß am an<strong>de</strong>ren En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s<br />

Gewehrs ein Bajonett war. Sie hörten einen Schrei. Da<br />

w u r d e n n o c h m e h r G e w e h r k o l b e n e r h o b e n u n d<br />

vorgestoßen. Die Schreie verstummten. Nur das Gelächter<br />

eines <strong>de</strong>r Untergebenen war zu hören.<br />

Sing Tai ergriff das Mädchen am Arm. „Kommen!",<br />

sagte er <strong>und</strong> zog sie in <strong>de</strong>r Hütte nach hinten. Dort gab<br />

es eine Öffnung, <strong>und</strong> darunter war <strong>de</strong>r harte Bo<strong>de</strong>n. „Ich<br />

hinunter", sagte Sing Tai. „Dann Missy hinunter. Ich<br />

fangen. Verstehen?"<br />

Sie nickte. Nach<strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Chinese wohlbehalten unten<br />

angekommen war, lehnte sich das Mädchen prüfend aus<br />

<strong>de</strong>r Öffnung. Sie sah, daß sie fast ganz hinunter klettern<br />

konnte. In Sing Tais Arme zu springen, hätte ihn leicht<br />

verletzen können. So aber gelangte sie bis auf ein paar<br />

Fuß über <strong>de</strong>m Bo<strong>de</strong>n sicher hinunter, <strong>und</strong> Sing Tai hob sie<br />

das letzte Stück hinab. Dann führte er sie in <strong>de</strong>n<br />

Dschungel, <strong>de</strong>r nahe am Kampong wucherte.<br />

Vor <strong>de</strong>r Dämmerung fan<strong>de</strong>n sie eine Höhle in einer<br />

Kalkklippe. Dort versteckten sie sich zwei Tage lang. Dann<br />

kehrte Sing Tai zur Erk<strong>und</strong>ung, <strong>und</strong> um was Eßbares<br />

aufzutreiben falls <strong>die</strong> Japaner fort waren, zum Kampong<br />

zurück.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Page 7 von 197


Am späten Nachmittag kehrte er mit leeren Hän<strong>de</strong>n zur<br />

Höhle zurück. „Alle weg", sagte er. „Alle tot. Hütten<br />

verbrannt."<br />

„Armer Taku Muda", seufzte Corrie. „Das war sein Lohn<br />

für<br />

einen Akt <strong>de</strong>r Menschlichkeit."<br />

*<br />

Zwei Jahre vergingen. Corrie <strong>und</strong> Sing Tai hatten<br />

Unterschlupf in einem entlegenen Berg-Kampong bei<br />

Häuptling Tiang Umar gef<strong>und</strong>en. Nur gelegentlich trafen<br />

Nachrichten aus <strong>de</strong>r Außenwelt bei ihnen ein. Die<br />

einzigen Neuigkeiten, <strong>die</strong> gute Nachrichten für sie<br />

gewesen wären, hätten gelautet, daß <strong>die</strong> Japaner von <strong>de</strong>r<br />

Insel vertrieben wur<strong>de</strong>n. Aber solche Botschaft kam nicht.<br />

Manchmal kehrte ein Dorfbewohner, <strong>de</strong>r weit<br />

entfernt Han<strong>de</strong>l trieb, mit<br />

Geschichten über große japanische Siege zurück, vom<br />

Versenken amerikanischer Marine, von <strong>de</strong>utschen Siegen<br />

in Afrika, Europa o<strong>de</strong>r Rußland. Für Corrie sah <strong>die</strong> Zukunft<br />

hoffnungslos aus.<br />

Eines Tages kam ein Eingeborener, <strong>de</strong>r nicht aus Tiang<br />

Umars Dorf stammte. Lang schaute er Corrie <strong>und</strong> Sing Tai<br />

an, doch sagte er nichts. Nach<strong>de</strong>m er fortgegangen war,<br />

meinte <strong>de</strong>r Chinese zu <strong>de</strong>m Mädchen: „Dieser Mann<br />

schlimme Nachricht. Er aus Kampong von Häuptling<br />

Hoesin. Jetzt er geht sagen, <strong>und</strong> Affen-Männer kommen.<br />

Sie also vielleicht besser Knabe. Dann wir gehen fort <strong>und</strong><br />

noch mehr verstecken."<br />

Sing Tai kürzte Corries gol<strong>de</strong>nes Haar auf passen<strong>de</strong><br />

Länge <strong>und</strong> färbte es schwarz. Auch ihre Augenbrauen<br />

schwärzte er. Sie war bereits von <strong>de</strong>r tropischen Sonne<br />

kräftig gebräunt, <strong>und</strong> mit <strong>de</strong>r blauen Hose <strong>und</strong> <strong>de</strong>r weiten<br />

Bluse, <strong>die</strong> er ihr zugeschnitten hatte, mochte sie bei nicht<br />

allzu genauer Überprüfung als Knabe durchgehen. Dann<br />

gingen sie abermals fort <strong>und</strong> nahmen ihre endlose Flucht<br />

wie<strong>de</strong>r auf. Tiang Umar schickte ihnen Männer, um sie zu<br />

einer neuen Zuflucht zu führen. Sie war unfern vom Dorf -<br />

eine Höhle in <strong>de</strong>r Nähe eines kleinen Gebirgsbaches. Dort<br />

waren viele verschie<strong>de</strong>ne eßbare Dinge zu fin<strong>de</strong>n, <strong>die</strong> in<br />

einem Urwald von Sumatra wachsen, <strong>und</strong> im Bach waren<br />

Fische. Gelegentlich schickte Tiang Umar ein paar Eier<br />

<strong>und</strong> ein Hühnchen, ab <strong>und</strong> zu Schweineo<strong>de</strong>r H<strong>und</strong>efleisch.<br />

Letzteres konnte Corrie nicht verzehren, daher blieb das<br />

alles für Sing Tai übrig. Ein Junge namens Alam brachte<br />

immer <strong>die</strong> Nahrungsmittel. Die Drei wur<strong>de</strong>n bald Fre<strong>und</strong>e.<br />

*<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Page 8 von 197


Hauptmann Tokujo Matsuo <strong>und</strong> Leutnant Hi<strong>de</strong>o Sokabe<br />

führten eine Abteilung Soldaten tief ins Bergland, um<br />

strategische Punkte für schwere Küstengeschütze zu<br />

ermitteln <strong>und</strong> praktische Wege zu erk<strong>und</strong>en, <strong>die</strong> dorthin<br />

führten.<br />

Sie kamen in Hoesins Kampong, wo <strong>die</strong> van <strong>de</strong>r Meers<br />

verraten wor<strong>de</strong>n waren. Durch einen Bericht hatten sie<br />

von ihm als einem, <strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>n Japanern kollaborierte,<br />

e r f a h r e n . Tr o t z d e m w a r e s n ö t i g , i h n m i t i h r e r<br />

Überlegenheit zu beeindrucken; darum schlugen sie ihm<br />

ins Gesicht, als er bei ihrem Erscheinen versäumte, sich<br />

b i s z u r H ü f t e z u v e r b e u g e n . E i n e r d e r R e k r u t e n<br />

durchbohrte einen Eingeborenen, <strong>de</strong>r <strong>die</strong> Verbeugung<br />

v e r w e i g e r t e , m i t e i n e m B a j o n e t t . E i n a n d e r e r<br />

v e r s c h l e p p t e e i n k r e i s c h e n d e s M ä d c h e n i n d e n<br />

Dschungel. Hauptmann Matsuo <strong>und</strong> Leutnant Sokabe<br />

zeigten grinsend ihre Zähne. Dann verlangten sie<br />

Verpflegung.<br />

Hoesin hätte ihnen lieber <strong>die</strong> Kehlen durchgeschnitten,<br />

aber er ließ ihnen <strong>und</strong> ihren Männern Nahrung bringen.<br />

Die Offiziere sagten, sie wür<strong>de</strong>n ihm <strong>die</strong> Ehre erweisen,<br />

sein Dorf zu ihrem Hauptquartier zu machen, solang sie in<br />

<strong>de</strong>r Umgebung blieben. Hoesin sah <strong>de</strong>m Untergang ins<br />

Angesicht. Verzweifelt durchsuchte er sein Gedächtnis<br />

nach einem Opfer, durch das er seine unwillkommenen<br />

Gäste loswer<strong>de</strong>n konnte. Da fiel ihm <strong>die</strong> Geschichte ein,<br />

<strong>die</strong> ihm einer seiner Leute vor ein paar Tagen aus einem<br />

an<strong>de</strong>ren Dorf berichtet hatte. Über <strong>die</strong> grübelte er<br />

während einer schlaflosen Nacht nach.<br />

Am folgen<strong>de</strong>n Morgen fragte er sie, ob sie am<br />

Auffin<strong>de</strong>n von Fein<strong>de</strong>n interessiert waren, <strong>die</strong> Zuflucht in<br />

<strong>de</strong>n Bergen gesucht hatten. Sie sagten, das wären sie.<br />

„Vor zwei Jahren kamen drei Weiße <strong>und</strong> zwei Chinesen in<br />

mein Dorf. Ich schickte sie weiter in ein an<strong>de</strong>res Dorf, weil<br />

ich nicht Fein<strong>de</strong> von Groß Ostasien aufnehmen wollte.<br />

Der Name <strong>de</strong>s weißen Mannes war van <strong>de</strong>r Meer."<br />

„Wir haben von ihm gehört", sagten <strong>die</strong> Japaner. „Er<br />

wur<strong>de</strong> getötet."<br />

„Ja. Ich schickte Führer, um euren Soldaten zu zeigen,<br />

wo sie sich versteckten. Aber <strong>die</strong> Tochter <strong>und</strong> einer <strong>de</strong>r<br />

Chinesen entkamen. Die Tochter ist sehr schön."<br />

„Das hörten wir auch. Was ist nun?"<br />

„Ich weiß, wo sie ist."<br />

„Und du hast es nicht gemel<strong>de</strong>t?"<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

„Ich habe von ihrem Versteck eben erst erfahren. Ich<br />

kann euch einen Führer geben, <strong>de</strong>r euch hinbringt."<br />

Page 9 von 197


Hauptmann Matsuo zuckte <strong>die</strong> Schultern. ,3ring uns zu<br />

essen", befahl er.<br />

Matsuo <strong>und</strong> Sokabe besprachen <strong>die</strong> Angelegenheit bei<br />

d e r M a h l z e i t . „ V i e l l e i c h t s o l l t e n w i r d e r S a c h e<br />

nachgehen", sagte jener. „Es ist nicht gut, Fein<strong>de</strong> im<br />

Rücken zu haben."<br />

„Und es heißt, sie sei schön", fügte Sokabe hinzu.<br />

„Aber wir können nicht bei<strong>de</strong> gehen", sagte Matsuo.<br />

Da er sowohl faul wie auch <strong>de</strong>r befehlshaben<strong>de</strong> Offizier<br />

war, beschloß er, Leutnant Sokabe mit einer Abteilung<br />

auszuschicken, damit sie das Mädchen fän<strong>de</strong>n <strong>und</strong> holten.<br />

„Du wirst <strong>de</strong>n Chinesen töten", befahl er, „<strong>und</strong> du wirst<br />

das Mädchen zurückbringen - unversehrt. Verstehst du?<br />

Unversehrt."<br />

Leutnant Hi<strong>de</strong>o Sokabe kam ein paar Tage später in<br />

Häuptling Tiang Umars Kampong. Als sehr überlegene<br />

Persönlichkeit schlug Leutnant Sokabe <strong>de</strong>n alten<br />

Häuptling so heftig, daß <strong>de</strong>r nie<strong>de</strong>rstürzte. Dann trat<br />

Leutnant Sokabe ihn in <strong>de</strong>n Bauch <strong>und</strong> ins Gesicht. „Wo<br />

sind das weiße Mädchen <strong>und</strong> <strong>de</strong>r Chinese?", fragte er.<br />

„Ich weiß nicht, wovon du sprichst."<br />

„Du lügst. Gleich wirst du mir <strong>die</strong> Wahrheit sagen." Er<br />

befahl einem Feldwebel, ihm Bambusspäne zu holen, <strong>und</strong><br />

als sie ihm gebracht wur<strong>de</strong>n, spießte er einen unter Tiang<br />

Umars Fingernagel. Der alte Mann schrie vor Schmerz.<br />

„Wo ist das weiße Mädchen?", fragte <strong>de</strong>r Japaner.<br />

„Ich weiß von keinem weißen Mädchen", beharrte<br />

Tiang Umar.<br />

Der Japaner trieb einen weiteren Splitter unter einen<br />

an<strong>de</strong>ren Nagel, aber <strong>de</strong>r alte Mann blieb weiter dabei,<br />

von einem weißen Mädchen nichts zu wissen.<br />

Als Sokabe daran ging, <strong>die</strong> Folter fortzusetzen, kam<br />

eine <strong>de</strong>r Frauen <strong>de</strong>s Häuptlings <strong>und</strong> warf sich vor ihm auf<br />

<strong>die</strong> Knie. Sie war eine alte Frau - Tiang Umars älteste<br />

Gattin. „Wenn du ihn nicht weiter quälst, will ich dir<br />

sagen, wie du das weiße Mädchen <strong>und</strong> <strong>de</strong>n Chinesen<br />

fin<strong>de</strong>n kannst", sagte sie.<br />

„So ist's besser", sagte Sokabe. „Wie?"<br />

„Alam weiß, wo sie stecken", sagte <strong>die</strong> alte Frau <strong>und</strong><br />

zeigte auf einen Jungen.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Corrie <strong>und</strong> Sing Tai saßen am Eingang ihrer Höhle. Es<br />

war eine Woche her, seit Alam ihnen Nahrung gebracht<br />

hatte. „Sehr bald jemand kommen", sagte Sing Tai <strong>und</strong><br />

lauschte. „Zu viele. Kommen hinein in <strong>die</strong> Höhle."<br />

Alam zeigte Leutnant Hi<strong>de</strong>o Sokabe <strong>die</strong> Höhle. Tränen<br />

strömten <strong>de</strong>m Jungen aus <strong>de</strong>n Augen. Hätte allein sein<br />

Page 10 von 197


Leben davon abgehangen, wäre er gestorben, bevor er<br />

<strong>die</strong>se verhaßten Affen-Männer zum Versteck jenes<br />

Mädchens geführt hätte, das er aufrichtig verehrte. Aber<br />

<strong>de</strong>r Leutnant hatte gedroht, je<strong>de</strong>n im Dorf umzubringen,<br />

wenn er sich weigerte, es zu tun. Und Alam wußte, daß er<br />

sein Wort halten wür<strong>de</strong>.<br />

Hi<strong>de</strong>o Sokabe <strong>und</strong> seine Männer betraten <strong>die</strong> Höhle.<br />

Sokabe mit gezogenem Schwert, <strong>die</strong> Männer mit fixierten<br />

Bajonetten. Im Halbdunkel sah Sokabe einen Chinesen<br />

<strong>und</strong> einen jungen eingeborenen Knaben. Er ließ sie<br />

herauszerren. „Wo ist das Mädchen?", wollte er von Alam<br />

wissen. „Dafür wirst du sterben, auch alle <strong>de</strong>ine Leute.<br />

Tötet sie", sagte er zu seinen Männern.<br />

„Nein!", schrie Alam. ,TJas ist das Mädchen. Sie<br />

trägt nur<br />

Knabenklei<strong>de</strong>r."<br />

Sokabe riß Corries Bluse auf. Dann grinste er. Ein<br />

Soldat durchbohrte Sing Tai mit einem Bajonett, <strong>und</strong> <strong>die</strong><br />

Abteilung marschierte mit ihrer Gefangenen weg.<br />

Sergeant Joe „Da Bum" Bubonovitch aus Brooklyn,<br />

Assistenzingenieur <strong>und</strong> Schütze, stand mit <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren<br />

M a n n s c h a f t s m i t g l i e d e r n d e r g ro ß e n L i b e r a t o r i m<br />

Flügelschatten <strong>de</strong>r Lovely Lady.<br />

„Ich fand, sie waren echt klasse Kerle", sagte er in<br />

sichtlichem Wi<strong>de</strong>rspruch zu einer Bemerkung, <strong>die</strong> <strong>de</strong>r<br />

Turmschütze Sergeant Tony „Shrimp" Rosetti aus Chicago<br />

gemacht hatte.<br />

„Yeah? Na. Dann glaub ich auch, daß George III. ein<br />

klasser Kerl war. „Sag, wir hatten mal 'nen Bürgermeister<br />

in Chicago, <strong>de</strong>r <strong>die</strong>sen Kerl auffor<strong>de</strong>rte rüberzukommen.<br />

Er sagte, er würd' ihm eine in <strong>die</strong> Schnauze hauen."<br />

„Du hast das durcheinan<strong>de</strong>r gebracht, Shrimp."<br />

„Yeah? Na, ich mag's nicht, wenn ich 'n blutigen Briten<br />

in <strong>de</strong>r Lovely Lady rumkutschiere. Was ich so hör', isser 'n<br />

Herzog o<strong>de</strong>r so was."<br />

„Mir scheint, da kommt <strong>de</strong>in Herzog jetzt", sagte<br />

Bubonovitch.<br />

Ein Jeep hielt unter <strong>de</strong>m Flügel <strong>de</strong>r B-24, um drei<br />

Offiziere abzusetzen - einen RAF Gruppen-Kapitän, einen<br />

AAF Colonel <strong>und</strong> einen AAF Major. Captain Jerry Lucas<br />

aus Oklahoma City, <strong>de</strong>r Pilot <strong>de</strong>r Lovely Lady, trat vor, <strong>und</strong><br />

<strong>de</strong>r AAF Colonel stellte ihn <strong>de</strong>m Gruppen-Kapitän<br />

Clayton vor.<br />

„Alles bereit, Jerry?", fragte <strong>de</strong>r amerikanische<br />

Colonel.<br />

„Alles bereit, Sir."<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Page 11 von 197


Die Elektriker <strong>und</strong> Waffentechniker, <strong>die</strong> an ihren<br />

Vorrichtungen <strong>und</strong> Feuerwaffen <strong>die</strong> letzten, liebevollen<br />

Überprüfungen gemacht hatten, sprangen durch <strong>die</strong><br />

Ö ff n u n g e n d e r B o m b e n s c h ä c h t e h e r a u s , u n d d i e<br />

Kampfmannschaft kletterte an Bord.<br />

Captain John Clayton flog als Beobachter von einem<br />

Flugstützpunkt in Burma aus auf eine Erk<strong>und</strong>ungsmission,<br />

für Flugaufnahmen <strong>de</strong>s von Japan besetzten Sumatra in<br />

Nie<strong>de</strong>rländisch Ostin<strong>die</strong>n. Er ging nach <strong>de</strong>m Einsteigen<br />

aufs Flug<strong>de</strong>ck <strong>und</strong> stand während <strong>de</strong>s Starts hinter <strong>de</strong>n<br />

Piloten. Später, während <strong>de</strong>s langen Fluges, nahm er <strong>de</strong>n<br />

Platz <strong>de</strong>s Copiloten ein, manchmal <strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Piloten. Er<br />

sprach mit <strong>de</strong>m Navigator <strong>und</strong> <strong>de</strong>m Funker. Er zwängte<br />

sich auf <strong>de</strong>m Weg zum Heck <strong>de</strong>n Catwalk entlang durch<br />

das Bomben<strong>de</strong>pot zwischen <strong>de</strong>n Treibstoff-Reservetanks,<br />

<strong>die</strong> für <strong>de</strong>n langen Flug benötigt wur<strong>de</strong>n. Das Flugzeug<br />

führte keine Bomben<br />

mit sich.<br />

Shrimp, Bubonovitch, <strong>de</strong>r Heckschütze <strong>und</strong> <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re<br />

Schütze verteilten sich über das Deck zwischen Rettungs-<br />

Flößen <strong>und</strong> Fallschirmen. Shrimp sah als Erster, wie<br />

Clayton <strong>die</strong> kleine Luke nach vorn zum Kugelturm öffnete.<br />

„Pst!", warnte er. „Da kommt <strong>de</strong>r Herzog."<br />

Clayton zwängte sich um <strong>de</strong>n Kugelturm herum, stieg<br />

über Shrimp <strong>und</strong> Bubonovitch <strong>und</strong> hielt neben <strong>de</strong>m<br />

Fotografen an, <strong>de</strong>r mit seiner Kamera herumhantierte.<br />

Keiner <strong>de</strong>r Rekruten stand auf. Wenn ein Kampfflugzeug<br />

aufsteigt, bleiben <strong>die</strong> militärischen Formalitäten auf <strong>de</strong>m<br />

Bo<strong>de</strong>n zurück. Der Fotograf, ein Sergeant <strong>de</strong>s Signal<br />

Corps, schaute auf <strong>und</strong> lächelte. Clayton lächelte zurück<br />

<strong>und</strong> setzte sich neben ihm hin.<br />

Kalter Wind wirbelte auf um <strong>de</strong>n kleinen Kugelturm <strong>und</strong><br />

hinaus durch das offene Fenster <strong>de</strong>s Heckschützen. Der<br />

Motorenlärm war ohrenbetäubend. Clayton, <strong>de</strong>r seinen<br />

M<strong>und</strong> bis auf einen Zoll <strong>de</strong>m Ohr <strong>de</strong>s Fotografen näherte<br />

<strong>und</strong> brüllte, stellte einige Fragen über <strong>die</strong> Kamera.<br />

Schreiend antwortete <strong>de</strong>r Fotograf. Eine B-24 im Flug<br />

schränkt je<strong>de</strong> Unterhaltung ein, aber Clayton erhielt <strong>die</strong><br />

gewünschten Informationen.<br />

Dann setzte er sich auf <strong>de</strong>n Rand eines Rettungs-Floßes<br />

zwischen Shrimp <strong>und</strong> Bubonovitch. Er reichte eine<br />

Packung Zigaretten herum. Nur Shrimp lehnte ab.<br />

Bubonovitch bot Clayton Feuer an, Shrimp schaute<br />

angewi<strong>de</strong>rt drein. Er dachte an George III., konnte sich<br />

aber nicht entsinnen, was <strong>de</strong>r getan hatte. Alles was er<br />

wußte war, daß er keine Briten lei<strong>de</strong>n konnte.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Page 12 von 197


Schreiend fragte Clayton Bubonovitch nach seinem<br />

Namen <strong>und</strong> woher er stammte. Als Bubonovitch Brooklyn<br />

nannte, nickte Clayton. „Von Brooklyn habe ich eine<br />

Menge gehört", sagte er.<br />

„Wahrscheinlich über <strong>die</strong> Bums", sagte Bubonovitch.<br />

Clayton lächelte <strong>und</strong> nickte.<br />

„Die nennen mich 'Da Bum'", sagte Bubonovitch <strong>und</strong><br />

grinste. Bald zeigte er <strong>de</strong>m Englän<strong>de</strong>r seine Fotos von<br />

Frau <strong>und</strong> Baby. Shrimp blieb unnahbar <strong>und</strong> überheblich.<br />

Es dämmerte, als sie das Nordwest-Kap von Sumatra<br />

sichteten, <strong>und</strong> es war ein perfekter Tag für eine Foto-<br />

Erk<strong>und</strong>ung. Wolken lagen über <strong>de</strong>n Bergen, <strong>die</strong> das<br />

Rückgrat <strong>de</strong>r elfh<strong>und</strong>ert Meilen langen Insel bil<strong>de</strong>n, <strong>die</strong><br />

sich südlich <strong>und</strong> westlich von <strong>de</strong>r Malaiischen Halbinsel<br />

über <strong>de</strong>n Äquator erstreckt. Aber <strong>die</strong> Küstenlinie war<br />

wolkenlos, so weit man sie ausnehmen konnte. Und <strong>die</strong><br />

Küstenlinie war es, an <strong>de</strong>r sie hauptsächlich interessiert<br />

waren.<br />

Die Japaner mußten völlig überrascht wor<strong>de</strong>n sein,<br />

<strong>de</strong>nn sie hatten fast eine halbe St<strong>und</strong>e lang fotografiert,<br />

ehe sie Flak-Feuer auf sich zogen. Und auch das war<br />

ziemlich wirkungslos. Aber als sie <strong>die</strong> Küste entlang<br />

flogen, steigerten sich Häufigkeit <strong>und</strong> Zielsicherheit. Das<br />

Flugzeug bekam von ein paar nahen Granatexplosionen<br />

einige Splitter ab, doch lange blieb ihnen das Glück treu.<br />

In <strong>de</strong>r Nähe von Padang röhrten aus <strong>de</strong>r Sonne drei<br />

Zeros auf sie herab. Bubonovitch erwischte <strong>de</strong>n Anführer.<br />

Sie konnten sehen, wie das Flugzeug in Flammen<br />

ausbrach <strong>und</strong> zu Bo<strong>de</strong>n taumelte. Die bei<strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren<br />

zogen ab <strong>und</strong> blieben eine Weile auf Respektabstand.<br />

D a n n f l o g e n s i e z u r ü c k . D o c h F r e q u e n z u n d<br />

Treffsicherheit <strong>de</strong>s Flak-Beschusses erhöhten sich. Der<br />

innere Steuerbord-Motor erhielt einen direkten Treffer,<br />

<strong>und</strong> Splitter trafen das Cockpit. Lucas' Flak-Weste rettete<br />

ihn, aber <strong>de</strong>r Kopilot wur<strong>de</strong> direkt ins Gesicht getroffen.<br />

Der Navigator öffnete <strong>de</strong>n Sicherheitsgurt <strong>de</strong>s Copiloten<br />

<strong>und</strong> zerrte ihn aus <strong>de</strong>m Cockpit, um erste Hilfe zu leisten.<br />

Er war schon tot.<br />

So dicht <strong>und</strong> nahe war <strong>die</strong> Flak jetzt, daß das große<br />

Luftschiff wie ein Bronco zu bocken schien. Im Versuch,<br />

das zu vermei<strong>de</strong>n, drehte Lucas lan<strong>de</strong>inwärts weg von <strong>de</strong>r<br />

Küste, wo, wie er wußte, <strong>die</strong> meisten Flugabwehr-<br />

Batterien stan<strong>de</strong>n. Im Inland lagen auch <strong>die</strong> Wolken über<br />

<strong>de</strong>n Bergen, in <strong>de</strong>nen sie untertauchen konnten, wenn sie<br />

auf Heimkurs abdrehten.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Page 13 von 197


Heim! Liberators waren in <strong>de</strong>r Vergangenheit mit drei<br />

Motoren weit geflogen. Der 23-jährige Captain mußte<br />

schnell entschei<strong>de</strong>n. Es war ein Blitz-Entschluß, aber er<br />

wußte, er war richtig. Er befahl, alles außer <strong>die</strong><br />

Fallschirme von Bord zu werfen - Waffen, Munition,<br />

Rettungs-Flöße, alles. Darin lag <strong>die</strong> einzige Chance, <strong>die</strong><br />

sie hatten, ihre Basis zu erreichen. Um <strong>die</strong> Zeros<br />

kümmerte sich Lucas nicht. Zeros blieben üblicherweise<br />

auf Distanz zu <strong>de</strong>n schweren Bombern. Abgesehen von<br />

einer Wasserfläche, <strong>de</strong>r zu überqueren<strong>de</strong>n Malakka-<br />

Straße, konnte er sich <strong>die</strong> ganze Strecke lang nahe am<br />

Land halten <strong>und</strong> <strong>die</strong> Küste von Malaya nordwestlich<br />

umgehen. Falls sie über See aussteigen mußten, wür<strong>de</strong>n<br />

sie in Strandnähe sein; <strong>und</strong> ihre Mae Wests wür<strong>de</strong>n zum<br />

Einsatz kommen. Deshalb glaubte er, sie könnten <strong>die</strong><br />

Rettungs-Flöße abwerfen.<br />

Als sie <strong>de</strong>n Bergen <strong>und</strong> Wolken zusteuerten, wur<strong>de</strong> <strong>die</strong><br />

Flak immer heftiger. Die Japaner mußten <strong>de</strong>n Plan <strong>de</strong>s<br />

Piloten erraten haben. Lucas wußte, daß einige <strong>de</strong>r<br />

Berggipfel sich auf zwölftausend<br />

Fuß erhoben. Er flog jetzt auf zwanzigtausend, verlor aber<br />

langsam an Höhe. Sie waren schon weit in <strong>de</strong>n Bergen, als<br />

eine Gebirgsbatterie das Feuer auf sie eröffnete. Lucas<br />

vernahm ein fürchterliches Bersten, <strong>und</strong> das Flugzeug<br />

schlingerte wie ein verw<strong>und</strong>etes Ding. Er sprach über<br />

Intercom. Es gab keine Antwort. Er schickte <strong>de</strong>n Funker<br />

nach hinten, um nach Beschädigungen zu sehen. Im Sitz<br />

<strong>de</strong>s Copiloten half Clayton ihm an <strong>de</strong>n Kontrollen. Es<br />

brauchte <strong>die</strong> vereinte Kraft bei<strong>de</strong>r Männer, um das<br />

Flugzeug am Vornüberkippen zu hin<strong>de</strong>rn.<br />

Lucas rief <strong>de</strong>m Navigator zu: „Sieh zu, daß je<strong>de</strong>r<br />

springt, dann springst du."<br />

Der Navigator schob seinen Kopf in <strong>de</strong>n Bug-<br />

Geschützstand, um <strong>de</strong>m Bug-Schützen zu sagen, er solle<br />

springen. Der Bug-Schütze war tot. Der Funker kam<br />

zurück aufs Flug<strong>de</strong>ck. „Das ganze gottverdammte Heck ist<br />

weggeschossen", sagte er. Dutch <strong>und</strong> <strong>de</strong>r Fotograf<br />

wur<strong>de</strong>n mitgerissen."<br />

„Okay", sagte Lucas. „Spring, aber mach flott." Dann<br />

wandte er sich zu Clayton. „Besser, Sie steigen aus, Sir."<br />

„Ich warte auf Sie, wenn es Ihnen nichts ausmacht,<br />

Captain", sagte Clayton.<br />

„Springen Sie!", schnappte Lucas. Clayton lächelte.<br />

„Na gut", sagte er.<br />

„Ich habe <strong>die</strong> Klappe <strong>de</strong>s Bomben<strong>de</strong>pots geöffnet",<br />

sagte Lucas. „Machen Sie schnell!"<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Page 14 von 197


Clayton erreichte <strong>de</strong>n Catwalk im Bomben<strong>de</strong>pot. Das<br />

Schiff schmierte über einen Flügel ab. Offenbar taumelte<br />

es in eine Absturz-Spirale. Ein Mann konnte es nicht<br />

halten. Er wollte abwarten, bis Lucas sprang - bis zur<br />

letzten Minute. Die letzte Minute wur<strong>de</strong> es. Das Schiff<br />

torkelte <strong>und</strong> schleu<strong>de</strong>rte dabei Clayton vom Catwalk. Sein<br />

Körper prallte an <strong>die</strong> Wand <strong>de</strong>s Bomben<strong>de</strong>pots <strong>und</strong> rollte<br />

dann hinaus in <strong>die</strong> dünne Luft.<br />

Bewußtlos flog er <strong>de</strong>m Tod entgegen. Durch dichte,<br />

verhüllen<strong>de</strong> Wolken fiel sein Körper. Die Lovely Lady,<br />

<strong>de</strong>ren drei Motoren immer noch dröhnten, raste an ihm<br />

vorbei. Wenn sie nun abstürzte, brannte sie sicher aus<br />

<strong>und</strong> ließ <strong>de</strong>m Feind nichts übrig, was informativ o<strong>de</strong>r<br />

brauchbar wäre.<br />

Nur vorübergehend betäubt, kam Clayton bald wie<strong>de</strong>r<br />

zu sich. Es war wie ein Erwachen in einem frem<strong>de</strong>n Raum.<br />

Er war durch eine Wolkenbank geflogen <strong>und</strong> befand sich<br />

nun darunter in strömen<strong>de</strong>m Tropenregen. Dem kalten<br />

Regen verdankte er seine Rettung. Gera<strong>de</strong><br />

rechtzeitig wie<strong>de</strong>rbelebt, zog er <strong>die</strong> Reißleine, während<br />

noch ein paar restliche Sek<strong>und</strong>en verblieben.<br />

Sein Fallschirm blähte sich über ihm, <strong>und</strong> durch <strong>die</strong><br />

plötzliche Verzögerung <strong>de</strong>s Falles klappte sein Körper<br />

grotesk herum. Direkt unter ihm wogte ein Blättermeer<br />

unter <strong>de</strong>n rasend auftreffen<strong>de</strong>n Regenmassen. Innerhalb<br />

von Sek<strong>und</strong>en krachte sein Körper durch Blätter <strong>und</strong><br />

Zweige, bis <strong>de</strong>r Fallschirm hängen blieb <strong>und</strong> ihn ein paar<br />

H<strong>und</strong>ert Fuß über <strong>de</strong>m Bo<strong>de</strong>n aufhielt. So nahe war er<br />

<strong>de</strong>m Tod gekommen.<br />

Gleichzeitig vernahm er aus einer Entfernung einiger<br />

H<strong>und</strong>ert Schritte ein Reißen <strong>und</strong> Krachen - eine dumpfe<br />

Explosion, gefolgt von einem Flammenausbruch. Der<br />

S c h e i t e r h a u f e n d e r L o v e l y L a d y e r l e u c h t e t e d e n<br />

bedrückend triefnassen Wald.<br />

Clayton faßte nach einem Ästchen <strong>und</strong> zog sich zu<br />

einem größeren Ast, <strong>de</strong>r ihn tragen wür<strong>de</strong>. Dann<br />

schlüpfte er aus <strong>de</strong>m Geschirr <strong>de</strong>s Fallschirms <strong>und</strong> <strong>de</strong>r<br />

Schwimmweste. Seine Uniform <strong>und</strong> seine Unterwäsche,<br />

alles war bis auf <strong>die</strong> Haut durchtränkt <strong>und</strong> naß. Seine<br />

Mütze hatte er im Fallen verloren. Nun zog er <strong>die</strong> Schuhe<br />

aus <strong>und</strong> warf sie weg. Pistole <strong>und</strong> Patronengürtel folgten.<br />

Dann seine Socken, Uniformrock <strong>und</strong> Uniformhose, <strong>die</strong><br />

Unterwäsche. Nur ein Gurtband <strong>und</strong> sein Messer in <strong>de</strong>r<br />

Schei<strong>de</strong> behielt er.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Darauf kletterte er empor, bis er <strong>de</strong>n verfangenen<br />

Fallschirm lösen konnte. Er schnitt alle Leinen ab,<br />

Page 15 von 197


wickelte <strong>de</strong>n Sei<strong>de</strong>nstoff zu einem kleinen Bün<strong>de</strong>l<br />

zusammen <strong>und</strong> schnallte es mit <strong>de</strong>n Leinen auf seinen<br />

Rücken. Dann begann er <strong>de</strong>n Abstieg zum Bo<strong>de</strong>n<br />

hinunter. Mit Leichtigkeit schwang er sich von Ast zu Ast<br />

h i n a b . Vo n d e n u n t e r s t e n Ä s t e n h i n g e n r i e s i g e<br />

Kletterpflanzen hinab zum Bo<strong>de</strong>nbewuchs. An <strong>de</strong>nen<br />

hangelte er sich mit <strong>de</strong>r Geschicklichkeit eines Affen<br />

hinunter.<br />

Aus <strong>de</strong>m Sei<strong>de</strong>nstoff seines Fallschirms fertigte er ein<br />

Len<strong>de</strong>ntuch. Ein Wohlgefühl durchströmte ihn. Was er<br />

verloren hatte, hatte er nun wie<strong>de</strong>r gewonnen. Das, was<br />

er am meisten liebte. Freiheit. Die zivilisierte Kleidung,<br />

sogar <strong>die</strong> Uniform <strong>de</strong>r Streitkräfte seines Lan<strong>de</strong>s, war ihm<br />

nicht mehr als ein Sinnbild <strong>de</strong>r Zwänge. Sie hatten ihn<br />

gefesselt wie <strong>die</strong> Ketten <strong>de</strong>n Galeerensklaven, obwohl er<br />

seine Uniform mit Stolz getragen hatte. Aber in Ehren frei<br />

zu sein, war besser. Und etwas sagte ihm, daß das<br />

Schicksal ihn ausersehen haben mochte, daß er seinem<br />

Land nackt ebenso <strong>die</strong>nen sollte wie uniformiert. Warum<br />

sonst hatte ihn das Schicksal so in eine Festung <strong>de</strong>s<br />

Fein<strong>de</strong>s geworfen?<br />

Der strömen<strong>de</strong> Regen rann an seinem bronzefarbenen<br />

Körper hinab. Er zauste sein schwarzes Haar. Er hob ihm<br />

sein Gesicht entgegen. Ein Schrei <strong>de</strong>r Erregung zitterte<br />

auf seinen Lippen, wur<strong>de</strong> aber nicht ausgestoßen. Er war<br />

in Fein<strong>de</strong>sland.<br />

Sein erster Gedanke galt nun seinen Kamera<strong>de</strong>n. Wer<br />

<strong>de</strong>n Lärm <strong>de</strong>s Flugzeugabsturzes vernommen hatte,<br />

wür<strong>de</strong> natürlich versuchen, es zu erreichen. Dahin machte<br />

er sich auf <strong>de</strong>n Weg. Im Gehen suchte er auf <strong>de</strong>m Bo<strong>de</strong>n.<br />

Er hielt nach einer bestimmten Pflanze Ausschau. Sie in<br />

<strong>die</strong>sem frem<strong>de</strong>n, fernen Land zu fin<strong>de</strong>n, hegte er wenig<br />

Hoffnung. Aber er fand sie, üppig wachsend sogar. Er<br />

pflückte einige <strong>de</strong>r Pflanzen <strong>und</strong> weichte sie zwischen<br />

seinen Handflächen auf. Dann verteilte er <strong>de</strong>n Saft über<br />

seinen ganzen Körper, über Gesicht, Glie<strong>de</strong>r <strong>und</strong> Kopf.<br />

Danach schwang er sich auf <strong>die</strong> Bäume, wo leichter<br />

voranzukommen war als durch üppiges, verfilztes<br />

Unterholz. Bald holte er einen Mann ein, <strong>de</strong>r auf das<br />

Flugzeugwrack zu taumelte. Es war Jerry Lucas. Über ihm<br />

hielt er an <strong>und</strong> rief ihn beim Namen. Der Pilot schaute in<br />

alle Richtungen außer nach oben, sah aber nieman<strong>de</strong>n.<br />

Aber er hatte <strong>die</strong> Stimme erkannt.<br />

„Wo zum Kuckuck sind Sie, Clayton?"<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

„Wenn ich springe, wür<strong>de</strong> ich auf Ihrem Kopf lan<strong>de</strong>n."<br />

Page 16 von 197


Lucas sah nach oben, worauf ihm <strong>de</strong>r M<strong>und</strong> offen blieb.<br />

Ein fast nackter Riese hing über ihm. Sein erster Gedanke<br />

war: Der Kerl ist übergeschnappt. Vielleicht hat er sich<br />

bei <strong>de</strong>r Landung <strong>de</strong>n Kopf angeschlagen, vielleicht war er<br />

bloß unter Schock. „Geht's Ihnen gut?", fragte er.<br />

„Ja", antwortete Clayton. „Und Ihnen?"<br />

„Voll einsatzfähig."<br />

Sie befan<strong>de</strong>n sich in nur kurzer Distanz von <strong>de</strong>r Lovely<br />

Lady. Die Flammen erhoben sich hoch über sie, <strong>und</strong><br />

einige <strong>de</strong>r Bäume brannten. Als sie sich so weit näherten,<br />

wie <strong>die</strong> Hitze es zuließ, sahen sie Bubonovitch. Sobald<br />

<strong>de</strong>r Lucas sah, begrüßte er ihn freudig. Aber Clayton<br />

bemerkte er erst, nach<strong>de</strong>m <strong>die</strong>ser von einem Baum<br />

herabgesprungen war. Bubonovitch griff nach seinem<br />

45er. Dann erkannte er <strong>de</strong>n Englän<strong>de</strong>r.<br />

„Meine Güte!", rief er. „Was ist aus Ihrer Kleidung<br />

gewor<strong>de</strong>n?"<br />

„Ich habe sie weggeworfen."<br />

„Weggeworfen?"<br />

Clayton nickte. „Sie war durchnäßt <strong>und</strong> unbequem."<br />

Bubonovitch schüttelte <strong>de</strong>n Kopf. Seine Augen<br />

wan<strong>de</strong>rten über<br />

<strong>de</strong>n Englän<strong>de</strong>r. Da sah er das Messer. „Wo ist Ihr<br />

Revolver?", fragte er.<br />

„Den habe ich auch weggeworfen."<br />

„Sie müssen verrückt sein", sagte Sergeant<br />

Bubonovitch.<br />

Lucas, <strong>de</strong>r hinter Clayton stand, schüttelte heftig <strong>de</strong>n<br />

Kopf gegen seinen Kamera<strong>de</strong>n hin. Aber <strong>de</strong>r Vorwurf<br />

s c h i e n C l a y t o n n i c h t a u f z u r e g e n , w i e d e r P i l o t<br />

befürchtete. Er sagte nur: „Nein, nicht ganz so verrückt.<br />

Sie wer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>n Ihrigen sehr bald wegwerfen. Innerhalb<br />

von vier<strong>und</strong>zwanzig St<strong>und</strong>en wird er rostig sein <strong>und</strong><br />

unbrauchbar. Aber werfen Sie Ihr Messer nicht weg. Und<br />

halten Sie es sauber <strong>und</strong> scharf. Es wird töten <strong>und</strong> nicht<br />

so viel Lärm machen wie ein 45er."<br />

Lucas betrachtete <strong>die</strong> Flammen, <strong>die</strong> durch <strong>die</strong> Löcher<br />

seines geliebten Flugzeugs flackerten. „Sind alle<br />

herausgekommen?", fragte er Bubonovitch.<br />

„Ja. Lt. Burnham <strong>und</strong> ich sind zusammen gesprungen.<br />

Er sollte hier irgendwo in <strong>de</strong>r Nähe sein. Alle, <strong>die</strong> am<br />

Leben waren, kamen heraus."<br />

Lucas hob seinen Kopf <strong>und</strong> rief: „Lucas hier! Lucas<br />

hier!"<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Page 17 von 197


Die Antwort war grad noch zu vernehmen: „Rosetti an<br />

Lucas; Rosetti an Lucas! Um Himmels Willen, kommt <strong>und</strong><br />

holt mich da raus!"<br />

„Roger!", schrie Lucas, <strong>und</strong> <strong>die</strong> drei Männer zogen in<br />

<strong>die</strong> Richtung los, aus <strong>de</strong>r Shrimps Stimme gekommen war.<br />

Sie fan<strong>de</strong>n ihn - im Geschirr seines Fallschirms<br />

hängend, gut h<strong>und</strong>ert Fuß über <strong>de</strong>m Bo<strong>de</strong>n. Lucas <strong>und</strong><br />

Bubonovitch schauten hinauf <strong>und</strong> kratzten sich <strong>die</strong> Köpfe<br />

- wenigstens bildlich.<br />

„Wie wer<strong>de</strong>t ihr mich hinunter holen?", fragte Shrimp.<br />

„Weiß <strong>de</strong>r Teufel", sagte Lucas.<br />

„Nach einiger Zeit wirst du reif <strong>und</strong> abfallen", sagte<br />

Bubonovitch.<br />

„Sehr komisch, was, du Neunmalkluger? Wo habt ihr<br />

<strong>de</strong>n Typen ohne Klei<strong>de</strong>r aufgegabelt?"<br />

„Das ist Gruppenkapitän Clayton, du Dämlicher",<br />

antwortete Bubonovitch.<br />

„Oh." Es ist erstaunlich, wie viel Geringschätzung in ein<br />

Wort aus zwei Buchstaben gepackt wer<strong>de</strong>n kann. Und<br />

Sergeant Rosetti bekam viel hinein. Es war nicht zu<br />

überhören. Lucas wur<strong>de</strong> rot.<br />

Clayton lächelte. „Ist <strong>de</strong>r junge Mann auf Englän<strong>de</strong>r<br />

allergisch?"<br />

„Verzeihen Sie's ihm, Sir; er weiß es nicht besser. Er<br />

kommt aus einer Vorstadt von Chicago namens Cicero."<br />

„Wie wer<strong>de</strong>t ihr mich hinunter holen?", fragte Shrimp<br />

wie<strong>de</strong>r.<br />

„ V i e l l e i c h t w e r d e n w i r u n s b i s m o r g e n e t w a s<br />

aus<strong>de</strong>nken", sagte Bubonovitch.<br />

„Ihr wer<strong>de</strong>t mich doch nicht <strong>die</strong> ganze Nacht hier oben<br />

hängen lassen!", heulte <strong>de</strong>r Kugelturm-Schütze.<br />

„Ich wer<strong>de</strong> ihn herunter holen", sagte Clayton.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Von <strong>de</strong>m Baum, in <strong>de</strong>m Shrimp hing, baumelten keine<br />

Ranken nahe genug zum Bo<strong>de</strong>n herab, daß Clayton sie<br />

hätte erreichen können. Er ging zu einem an<strong>de</strong>ren Baum<br />

<strong>und</strong> schwang sich auf <strong>de</strong>ssen Ranken hinauf wie ein Affe.<br />

Dann fand er etwa fünfzig Fuß über <strong>de</strong>m Bo<strong>de</strong>n eine lose<br />

Liane. Nach<strong>de</strong>m er ihre Tragfähigkeit geprüft hatte,<br />

schwang er sich daran weiter, in<strong>de</strong>m er sich vom Stamm<br />

mit <strong>de</strong>n Füßen abstieß. Zwei Mal versuchte er eine Liane<br />

zu erreichen, <strong>die</strong> von <strong>de</strong>m Baum hing, in welchem Shrimp<br />

gefangen war. Seine ausgestreckten Finger konnten sie<br />

nur berühren. Aber beim dritten Mal erfaßte er sie.<br />

Er erprobte <strong>die</strong> Festigkeit <strong>die</strong>ser Liane so, wie er es bei<br />

<strong>de</strong>r vorigen getan hatte. Dann kletterte er, <strong>die</strong> erste um<br />

<strong>de</strong>n Arm geschlungen, zu Shrimp. Als er vor ihm ankam,<br />

Page 18 von 197


konnte er ihn immer noch nicht ganz erreichen. Der<br />

Schütze hing nur ein wenig zu weit vom Baumstamm<br />

entfernt.<br />

Clayton warf ihm das lose En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Liane hinüber, <strong>die</strong><br />

er ihm von einem Baum daneben mitgebracht hatte.<br />

„Nehmen Sie", sagte er, „<strong>und</strong> halten Sie sie fest."<br />

Rosetti griff zu <strong>und</strong> Clayton zog ihn zu sich heran, bis er<br />

eine <strong>de</strong>r Fallschirmleinen ergreifen konnte. Clayton saß<br />

auf einem starken Ast. Er zog Rosetti zu sich herauf.<br />

„Schlüpfen Sie aus <strong>de</strong>m Fallschirmgeschirr <strong>und</strong> <strong>de</strong>r<br />

Schwimmweste", wies er ihn an.<br />

Als Shrimp das getan hatte, warf er ihn sich über <strong>die</strong><br />

Schulter, schnappte <strong>die</strong> Liane, <strong>die</strong> er von <strong>de</strong>m nahen<br />

Baum mitgebracht hatte, <strong>und</strong> glitt von <strong>de</strong>m Ast.<br />

„Hui!", schrie Rosetti, als sie durchs Leere schwangen.<br />

Sich mit einer Hand festhaltend, ergriff Clayton einen<br />

baumeln<strong>de</strong>n Zweig <strong>und</strong> brachte sie zum Anhalten. Dann<br />

kletterte er an <strong>de</strong>r Liane hinab zum Bo<strong>de</strong>n. Als er Rosetti<br />

von seiner Schulter löste, fiel <strong>de</strong>r Junge in Ohnmacht.<br />

Lucas <strong>und</strong> Bubonovitch waren einen Augenblick lang<br />

sprachlos.<br />

„Wenn ich's nicht mit eigenen Augen gesehen hätte,<br />

wür<strong>de</strong> ich es niemals glauben", sagte <strong>de</strong>r Pilot.<br />

„Ich glaub's noch immer nicht", sagte Bubonovitch.<br />

„Wollen wir <strong>die</strong> an<strong>de</strong>ren suchen?", fragte Clayton. „Ich<br />

<strong>de</strong>nke, wir sollten versuchen, sie zu fin<strong>de</strong>n <strong>und</strong> uns dann<br />

vom Flugzeug entfernen. Der Rauch ist Meilen weit zu<br />

sehen, <strong>und</strong> <strong>die</strong> Japaner wer<strong>de</strong>n genau wissen, was das<br />

ist."<br />

Mehrere St<strong>und</strong>en lang suchten sie <strong>und</strong> riefen, ohne<br />

Erfolg. Und gera<strong>de</strong> vor <strong>de</strong>r Dämmerung stießen sie auf<br />

<strong>die</strong> Leiche <strong>de</strong>s Navigators Lt. Burnham. Sein Fallschirm<br />

war nicht aufgegangen. Mit ihren Messern hoben sie ein<br />

seichtes Grab aus. Dann hüllten sie ihn in seinen<br />

Fallschirm <strong>und</strong> begruben ihn. Jerry Lucas sprach ein<br />

kurzes Gebet. Dann gingen sie weg.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

S c h w e i g e n d f o l g t e n s i e C l a y t o n . S e i n e A u g e n<br />

durchforschten <strong>die</strong> Bäume, an <strong>de</strong>nen sie vorüberkamen,<br />

<strong>und</strong> es war klar, daß er etwas suchte. Ganz spontan hatten<br />

sie alle unbeschränktes Vertrauen zu <strong>de</strong>m Englän<strong>de</strong>r<br />

gefaßt. Shrimp wandte selten seine Augen von ihm ab.<br />

Wer kann sagen, was <strong>de</strong>r kleine Cicero-Kumpel dachte?<br />

Seit seiner Rettung vom Baum hatte er nichts gesprochen.<br />

Nicht einmal bedankt hatte er sich bei Clayton. Es hatte<br />

zu regnen aufgehört, <strong>und</strong> <strong>die</strong> Moskitos umschwärmten<br />

sie. „Ich begreife nicht, wie Sie es ertragen, Captain",<br />

Page 19 von 197


sagte Lucas <strong>und</strong> klatschte auf <strong>die</strong> Mücken auf Gesicht <strong>und</strong><br />

Hän<strong>de</strong>n.<br />

„Tut mir Leid!", rief Clayton. „Ich wollte es euch<br />

zeigen." Er suchte herum <strong>und</strong> fand ein paar <strong>de</strong>r Pflanzen,<br />

<strong>die</strong> er vorhin am Nachmittag ent<strong>de</strong>ckt hatte. „Zerquetscht<br />

<strong>die</strong> Blätter", sagte er, „<strong>und</strong> reibt <strong>de</strong>n Saft auf alle bloßen<br />

Körperteile. Danach wer<strong>de</strong>n euch <strong>die</strong> Moskitos nicht mehr<br />

belästigen."<br />

Bald fand Clayton, wonach er gesucht hatte - Bäume,<br />

<strong>de</strong>ren Blätter einan<strong>de</strong>r etwa zwanzig Fuß über <strong>de</strong>m Bo<strong>de</strong>n<br />

überlappten. Locker schwang er sich hinauf <strong>und</strong> begann<br />

eine Plattform zu bauen. „Wenn jemand von euch<br />

Männern hier herauf kommen kann, könnt ihr mir helfen.<br />

Wir sollten <strong>die</strong>ses Ding fertig haben, bevor es dunkel ist."<br />

„Was ist das?", fragte Bubonovitch.<br />

„Etwas, worauf wir heute Nacht schlafen wer<strong>de</strong>n.<br />

Vielleicht viele Nächte lang."<br />

Die drei Männer kletterten langsam <strong>und</strong> vorsichtig<br />

hinauf. Sie schnitten Zweige ab <strong>und</strong> legten sie quer über<br />

jene Äste, <strong>die</strong> Clayton ausgesucht hatte, um damit eine<br />

feste Plattform zu bil<strong>de</strong>n, etwa zehn mal sieben Fuß groß.<br />

„Wäre es nicht einfacher gewesen, einen Unterstand<br />

auf <strong>de</strong>m<br />

Bo<strong>de</strong>n zu bauen?", fragte Lucas.<br />

„Viel einfacher", stimmte ihm Clayton bei, „aber dann<br />

hätte einer von uns vor <strong>de</strong>m Morgen tot sein können."<br />

„Warum?", fragte Bubonovitch.<br />

„Weil das hier Tiger-Gelän<strong>de</strong> ist."<br />

„Warum glauben Sie das?"<br />

„Ich habe sie <strong>de</strong>n ganzen Nachmittag gerochen, fern<br />

<strong>und</strong> nah."<br />

Sergeant Rosetti warf Clayton einen schnellen Blick aus<br />

<strong>de</strong>n Augenwinkeln zu <strong>und</strong> schaute dann ebenso schnell<br />

weg.<br />

D e r E n g l ä n d e r k n o t e t e m e h r e r e L ä n g e n d e r<br />

Fallschirmleinen zusammen, bis er ein Seil hatte, das bis<br />

zum Bo<strong>de</strong>n reichte. Er gab Bubonovitch das En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s<br />

Seils. „Holen Sie's ein, wenn ich es Ihnen sage,<br />

Sergeant", befahl er. Dann sprang er schnell auf <strong>de</strong>n<br />

Bo<strong>de</strong>n hinab.<br />

„Gerochen hat er sie!", gab Sergeant Rosetti skeptisch<br />

von sich.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Clayton sammelte ein Bün<strong>de</strong>l großer Pflanzenblätter,<br />

befestigte es am Seilen<strong>de</strong> <strong>und</strong> wies Bubonovitch an, es<br />

hochzuziehen. Drei solche Bün<strong>de</strong>l beschaffte er, bevor er<br />

auf <strong>die</strong> Plattform zurückkam. Mit Unterstützung <strong>de</strong>r<br />

Page 20 von 197


an<strong>de</strong>ren breitete er einen Teil auf <strong>de</strong>m Bo<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r<br />

Plattform aus, <strong>und</strong> mit <strong>de</strong>m Rest baute er ein Schutzdach.<br />

„Fleisch wer<strong>de</strong>n wir morgen bekommen", sagte<br />

Clayton. „Früchte <strong>und</strong> Gemüse hier kenne ich nicht, mit<br />

ein paar Ausnahmen. Wir wer<strong>de</strong>n beobachten, was <strong>die</strong><br />

Affen fressen."<br />

Affen gab es viele in ihrer Umgebung. Den ganzen<br />

Nachmittag waren sie da gewesen - schnatternd, zeternd,<br />

<strong>und</strong> <strong>die</strong> Neuankömmlinge kritisierend.<br />

„Ich kann eine genießbare Frucht erkennen", sagte<br />

Bubonovitch. „Seht ihr? Auf <strong>de</strong>m nächsten Baum, Durio<br />

zibethinus, Durian genannt. Der Siamang frißt eben eine -<br />

Symphalangus syndactylus -<strong>de</strong>r schwarze Gibbon von<br />

Sumatra, <strong>de</strong>r größte aller Gibbons."<br />

„Jetzt hat's ihn wie<strong>de</strong>r", sagte Shrimp. „Nicht einmal<br />

eine Ameise kann er Ameise nennen."<br />

Lucas <strong>und</strong> Clayton grinsten. „Ich wer<strong>de</strong> ein paar <strong>die</strong>ser<br />

Früchte holen, <strong>de</strong>r Durio zibeth-wie-sie-auch-heißen",<br />

sagte Letzterer. Er schwang sich gewandt auf <strong>de</strong>n<br />

benachbarten Baum <strong>und</strong> pflückte vier <strong>de</strong>r großen,<br />

stachelhäutigen Durians. Nach<strong>de</strong>m er eine nach <strong>de</strong>r<br />

an<strong>de</strong>ren seinen Gefährten zugeworfen hatte, schwang er<br />

sich zurück.<br />

Rosetti war <strong>de</strong>r Erste, <strong>de</strong>r seine aufschnitt. „Sie stinkt",<br />

sagte er. „So hungrig bin ich nicht." Er machte Anstalten,<br />

sie wegzuwerfen. „Sie ist verdorben."<br />

„Warte", warnte ihn Bubonovitch. „Ich habe über <strong>die</strong><br />

Durian gelesen, daß sie stinkt, aber gut schmeckt. Die<br />

Eingeborenen rösten <strong>die</strong> Samen wie Walnüsse."<br />

Clayton hatte Bubonovitch aufmerksam zugehört.<br />

Während sie <strong>die</strong> Früchte aßen, dachte er: Was für ein<br />

Land! Was für eine Armee! Ein Sergeant, <strong>de</strong>r wie ein<br />

College-Professor spricht - <strong>und</strong> dabei aus Brooklyn<br />

kommt! Er dachte auch, wie wenig <strong>de</strong>r Rest <strong>de</strong>r Welt<br />

Amerika kannte - <strong>die</strong> Nazis am wenigsten von allen.<br />

Jitterbug, Playboys, eine <strong>de</strong>ka<strong>de</strong>nte Rasse! Er dachte, wie<br />

tapfer <strong>die</strong>se Jungen mit ihren Waffen gekämpft hatten;<br />

wie Lucas sich überzeugt hatte, daß seine Mannschaft <strong>und</strong><br />

sein Passagier draußen waren, ehe er absprang.<br />

Die Nacht war hereingebrochen. Die Dschungellaute<br />

<strong>und</strong> <strong>die</strong> Dschungelstimmen waren jetzt an<strong>de</strong>rs. Überall<br />

gab es Bewegung r<strong>und</strong> um sie - nicht zu sehen, heimlich.<br />

Ein hohles, grunzen<strong>de</strong>s Husten erhob sich unter ihrem<br />

Baum.<br />

„Was war'n das?", fragte Shrimp.<br />

„Der Gestreifte", sagte Clayton.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Page 21 von 197


Shrimp wollte fragen, was das war, aber bis jetzt hatte<br />

er noch kein Wort an <strong>de</strong>n Briten gerichtet. Schließlich<br />

siegte schließlich <strong>die</strong> Neugier über <strong>de</strong>n Stolz.<br />

„Der Gestreifte?", fragte er.<br />

„Tiger."<br />

„Hui! Sie glauben, da unten lauft 'n Tiger 'rum?"<br />

„Ja. Zwei von ihnen."<br />

„Hui! Hab' sie mal im Zoo von Chicago geseh'n.<br />

Schätze, 's war' nicht so ges<strong>und</strong> da unten. Hab' gehört,<br />

<strong>die</strong> fressen Leute."<br />

„Wir haben es Ihnen zu danken, Captain, daß wir nicht<br />

da unten sind", sagte Jerry Lucas.<br />

„Schätze, wir wären ein Haufen Rotkäppchen im Wald,<br />

ohne ihn", sagte Bubonovitch.<br />

„Ich hab 'ne höllische Menge in Colonel Saffarans<br />

Dschungel-Trainingskurs gelernt", sagte Shrimp, „aber nix<br />

über'n Umgang mit Tigern."<br />

„Sie jagen meist <strong>de</strong>s Nachts", erklärte Clayton. „Dann<br />

muß man wachsam sein." Nach einer Weile sagte er zu<br />

Bubonovitch: „Von <strong>de</strong>m Wenigen, das ich über Brooklyn<br />

gelesen habe, kam ich zur Ansicht, daß <strong>die</strong> Brooklyner<br />

eine ganz eigene englische Aussprache haben. Sie<br />

sprechen wie je<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re."<br />

„Sie auch", sagte Bubonovitch.<br />

Clayton lachte. „Ich wur<strong>de</strong> nicht in Oxford<br />

ausgebil<strong>de</strong>t."<br />

„Bum hat in Brooklyn eine höhere Bildung bekommen",<br />

erklärte Lucas. „Er hielt durch bis zur sechsten Stufe."<br />

Bubonovitch <strong>und</strong> Rosetti versanken im Schlaf. Clayton<br />

<strong>und</strong> Lucas saßen mit baumeln<strong>de</strong>n Beinen am Rand <strong>de</strong>r<br />

Plattform <strong>und</strong> schmie<strong>de</strong>ten Zukunftspläne. Sie kamen<br />

überein, daß ihre besten Chancen darin lagen, an <strong>de</strong>r<br />

Südwestküste <strong>de</strong>r Insel fre<strong>und</strong>liche<br />

Eingeborene zu fin<strong>de</strong>n, von <strong>de</strong>nen ein Boot zu bekommen<br />

<strong>und</strong> es dann nach Australien zu versuchen. Darüber <strong>und</strong><br />

über viele an<strong>de</strong>re Dinge re<strong>de</strong>ten sie. Lucas sprach von<br />

seiner Mannschaft. Von ihr sprach er mit Stolz. Über <strong>die</strong><br />

Verschollenen machte er sich Sorgen. Jene, <strong>die</strong> tot waren,<br />

waren tot. Es gab nichts, was man jetzt für sie tun konnte.<br />

Aber Clayton konnte, wenn er von ihnen sprach, an seiner<br />

gepreßten Stimme erkennen, was er ihretwegen empfand.<br />

Er sprach von Rosetti. „Er ist wirklich ein guter Junge",<br />

sagte er, „<strong>und</strong> als Kugelturm-Schütze Spitze. Die Natur<br />

hat ihn für <strong>die</strong>sen Job geschaffen. Shrimp hat das DFC<br />

<strong>und</strong> <strong>die</strong> Air medal mit drei Sternen."<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Page 22 von 197


„Mit Briten hat er bestimmt nicht viel am Hut", lachte<br />

Clayton.<br />

„Bei all <strong>de</strong>n Iren <strong>und</strong> Italienern in Chicago überrascht<br />

das nicht. Und dann hatte Shrimp auch nie viele Chancen,<br />

irgendwas zu lernen. Sein Vater wur<strong>de</strong> bei einem<br />

Ban<strong>de</strong>nkrieg in Cicero getötet, als er noch ein Kind war,<br />

u n d i c h g l a u b e , s e i n e M u t t e r w a r b l o ß e i n e<br />

Gangsterbraut. Bei einem solchen Hintergr<strong>und</strong> muß man<br />

<strong>de</strong>m Jungen manches nachsehen. Schulbildung hat er<br />

nicht viel, aber er ist auf <strong>de</strong>m gera<strong>de</strong>n Weg geblieben."<br />

„Bubonovitch interessiert mich", sagte <strong>de</strong>r Englän<strong>de</strong>r.<br />

„Er ist ein ungewöhnlich intelligenter Mann."<br />

„Ja. Er ist nicht nur intelligent, er ist auch äußerst gut<br />

gebil<strong>de</strong>t. Bubonovitch ist ein Columbia-Absolvent. Bum<br />

interessierte sich für <strong>die</strong> Ausstellungen <strong>de</strong>s American<br />

Museum of Natural History in New York, als er <strong>die</strong> High<br />

School besuchte. Da spezialisierte er sich auf Zoologie,<br />

Botanik, Anthropologie <strong>und</strong> all <strong>die</strong> an<strong>de</strong>ren -ologien, <strong>die</strong><br />

ein Bursche kennen muß, wenn er für das Museum<br />

brauchbar sein soll. Nach seinem Abschluß ergatterte er<br />

einen Job dort. Es macht ihm Vergnügen, vor Shrimp <strong>die</strong><br />

Dinge beim wissenschaftlichen Namen zu nennen, bloß<br />

um ihn zu ärgern."<br />

„Dann ist es vielleicht gut für Sergeant Rosettis<br />

Blutdruck, daß<br />

ich keinen Oxford-Akzent habe", sagte Clayton.<br />

*<br />

Während Corrie van <strong>de</strong>r Meer mit ihren Häschern dahin<br />

trottete, war ihr Verstand nur mit zwei Problemen<br />

beschäftigt: Wie konnte sie entkommen, <strong>und</strong> wie konnte<br />

sie sich selbst umbringen, wenn sie nicht entkommen<br />

konnte. Alam, <strong>de</strong>r neben ihr ging, re<strong>de</strong>te mit ihr in seiner<br />

eigenen Sprache, <strong>die</strong> sie - im Gegensatz zu <strong>de</strong>n Japanern<br />

-verstand.<br />

„Verzeih mir", bettelte er, „daß ich sie zu dir führte. Sie<br />

haben<br />

Tiang Umar gefoltert, doch er wollte nicht re<strong>de</strong>n. Dann<br />

hielt es seine alte Frau nicht länger aus, <strong>und</strong> sie sagte<br />

ihnen, daß ich wüßte, wo du steckst. Sie sagten, daß sie<br />

alle im Dorf töten wür<strong>de</strong>n, wenn ich sie nicht zu <strong>de</strong>inem<br />

Versteck führe. Was hätte ich tun sollen?"<br />

„Du hast recht getan, Alam. Sing Tai <strong>und</strong> ich waren nur<br />

zwei. Es ist besser, wenn zwei sterben, als alle Menschen<br />

eines Dorfes."<br />

„Ich will nicht, daß du stirbst", sagte Alam. „Lieber<br />

wür<strong>de</strong> ich selber sterben."<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Page 23 von 197


Das Mädchen schüttelte <strong>de</strong>n Kopf. „Was ich befürchte",<br />

sagte sie, „ist, daß ich keine Möglichkeit zu sterben fin<strong>de</strong><br />

- rechtzeitig."<br />

Leutnant Sokabe verbrachte <strong>die</strong> Nacht im Kampong von<br />

Tiang Umar. Die Dorfbewohner waren trotzig <strong>und</strong><br />

mürrisch; daher postierte Sokabe zwei Wachen vor <strong>de</strong>r Tür<br />

<strong>de</strong>s Hauses, in <strong>de</strong>m er <strong>und</strong> seine Gefangene schliefen. Um<br />

w e i t e r e M ö g l i c h k e i t e n a u s z u s c h l i e ß e n , d a ß s i e<br />

e n t k o m m e n k ö n n t e , b a n d e r s i e a n H a n d - u n d<br />

Fußgelenken. Weiter belästigte er sie nicht. Vor<br />

Hauptmann Tokujo Matsuo empfand er eine gehörige<br />

Angst; <strong>de</strong>ssen Launen waren notorisch gemein. Außer<strong>de</strong>m<br />

hatte er einen Plan.<br />

Als er am nächsten Morgen aufbrach, nahm er Alam als<br />

Dolmetscher mit, für <strong>de</strong>n Fall daß er einen brauchte.<br />

Corrie war froh über <strong>die</strong> Gesellschaft <strong>die</strong>ses fre<strong>und</strong>lichen<br />

Jungen. Sie re<strong>de</strong>ten miteinan<strong>de</strong>r, wie sie es am Vortag<br />

getan hatten. Corrie fragte Alam, ob er eine <strong>de</strong>r Guerilla-<br />

Ban<strong>de</strong>n gesehen hätte, über <strong>die</strong> sie von Zeit zu Zeit<br />

Gerüchte vernommen hatte; Ban<strong>de</strong>n im Bergland, <strong>die</strong> von<br />

entkommenen Hollän<strong>de</strong>rn gebil<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong>n - Pflanzer,<br />

Be<strong>die</strong>nstete, Soldaten.<br />

„Nein, <strong>die</strong> habe ich nicht gesehen; aber gehört habe<br />

ich von ihnen. Ich habe gehört, daß sie viele Japaner<br />

getötet haben. Sie sind verzweifelte Männer. Die Japaner<br />

suchen sie immer. Sie bieten <strong>de</strong>n Eingeborenen reiche<br />

Belohnung für Hinweise auf ihre Verstecke; daher<br />

mißtrauen <strong>die</strong>se Männer allen Eingeborenen, <strong>die</strong> sie nicht<br />

kennen, <strong>und</strong> halten sie für Spione. Es heißt, daß ein<br />

Eingeborener, <strong>de</strong>r ihnen in <strong>die</strong> Hän<strong>de</strong> fällt, nie mehr in<br />

sein Dorf zurückkehrt, außer sie wissen, daß sie ihm<br />

trauen können. Und wer könnte es ihnen ver<strong>de</strong>nken? Auch<br />

habe ich gehört, daß viele Eingeborene sich ihnen<br />

angeschlossen haben."<br />

Sie kamen an <strong>de</strong>m Platz vorbei, an <strong>de</strong>m das Dorf von<br />

Taku Muda gestan<strong>de</strong>n hatte. Es gab keine Spur mehr, daß<br />

je ein Mensch seinen Fuß hierher gesetzt hätte, so<br />

vollständig hatte <strong>de</strong>r Dschungel es zurückerobert.<br />

Der Vormittag schritt voran. Sie marschierten unter<br />

düsteren Wolken, in einem tropischen Gußregen. Der<br />

dunkle Wald stank nach verwesen<strong>de</strong>r Vegetation. Er<br />

verbreitete <strong>die</strong> Dünste <strong>de</strong>s To<strong>de</strong>s. Tod! Das Mädchen<br />

wußte, daß je<strong>de</strong>r ihrer Schritte sie ihm näher brachte. Es<br />

sei <strong>de</strong>nn - <strong>die</strong> Hoffnung stirbt nicht so leicht in einer<br />

jungen Brust. Es sei <strong>de</strong>nn, was?<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Page 24 von 197


Sie hörte das Dröhnen von Motoren über ihr. Aber<br />

<strong>die</strong>ser Lärm war ihr vertraut. Die Japaner flogen immer<br />

über <strong>die</strong> Insel. Dann erreichte aus <strong>de</strong>r Ferne ein Krachen<br />

<strong>und</strong> Zerreißen ihre Ohren, gefolgt von einer dumpfen<br />

Explosion. Die Motoren vernahm sie nicht mehr. Sie<br />

glaubte natürlich, daß es ein Flugzeug <strong>de</strong>r Fein<strong>de</strong><br />

gewesen war, <strong>und</strong> Befriedigung erfüllte sie. Die Japaner<br />

schnatterten aufgeregt darüber. Leutnant Sokabe schlug<br />

eine Erk<strong>und</strong>ung vor. Er sprach mit einem Wachtmeister.<br />

Endlich kamen sie zu <strong>de</strong>m Schluß, daß sie das Flugzeug in<br />

<strong>die</strong>sem Wirrwarr von Dschungel <strong>und</strong> Wald nie fin<strong>de</strong>n<br />

könnten. Es war zu weit entfernt.<br />

Als sie das Kampong erreichten, das Hauptmann Tokujo<br />

Matsuo für <strong>die</strong> Einquartierung seiner Abteilung requiriert<br />

hatte, war es fast dunkel. Matsuo stand im Eingang <strong>de</strong>s<br />

Hauses, das <strong>die</strong> zwei Offiziere für sich beschlagnahmt<br />

hatten, <strong>und</strong> sah <strong>die</strong> Gruppe ankommen.<br />

Er rief Sokabe zu: „Wo sind <strong>die</strong> Gefangenen?"<br />

Der Leutnant packte Corrie grob am Arm <strong>und</strong> zog sie<br />

aus <strong>de</strong>r Reihe <strong>und</strong> auf <strong>de</strong>n Hauptmann zu. „Hier", sagte<br />

er.<br />

„Ich habe dich ausgeschickt wegen eines Chinesen <strong>und</strong><br />

eines gelb-haarigen holländischen Mädchens, <strong>und</strong> du<br />

bringst einen schwarzhaarigen Eingeborenenjungen<br />

zurück. Erkläre."<br />

„Den Chinesen haben wir getötet", sagte Sokabe. „Das<br />

ist das holländische Mädchen."<br />

„Ich bin nicht zu Scherzen aufgelegt, du Narr",<br />

schnaubte Matsuo.<br />

Sokabe stieß das Mädchen <strong>die</strong> Leiter hinauf, <strong>die</strong> zum<br />

Eingang führte. „Ich scherze nicht", sagte er. „Das ist das<br />

M ä d c h e n . S i e h a t s i c h m i t d e m G e w a n d e i n e s<br />

eingeborenen Jungen verklei<strong>de</strong>t <strong>und</strong> ihre Haare schwarz<br />

gefärbt. Schau!" Roh zog er mit seinen schmutzigen<br />

Fingern Corries Haare auseinan<strong>de</strong>r <strong>und</strong> entblößte <strong>die</strong><br />

blon<strong>de</strong> Farbe nahe <strong>de</strong>r Kopfhaut.<br />

Matsuo stu<strong>die</strong>rte eingehend <strong>die</strong> Gesichtszüge <strong>de</strong>s<br />

Mädchens. Dann nickte er. „Sie genügt mir", sagte er.<br />

„Ich wer<strong>de</strong> sie behalten."<br />

„Sie gehört mir", sagte Sokabe. „Ich habe sie gef<strong>und</strong>en<br />

<strong>und</strong> hergebracht. Sie ist mein."<br />

Matsuo spuckte aus. Sein Gesicht lief rot an. Aber er<br />

brachte Beherrschung auf. „Du vergißt dich, Leutnant<br />

Sokabe", sagte er. „Du erhältst <strong>de</strong>ine Befehle von mir. Ich<br />

bin hier <strong>de</strong>r komman<strong>die</strong>ren<strong>de</strong> Offizier."<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Page 25 von 197


„Du magst ein Hauptmann sein", sagte Sokabe; „aber<br />

jetzt, wegen <strong>de</strong>r großen Ausbreitung <strong>de</strong>r kaiserlichen<br />

Armee <strong>und</strong> vielen Ausfällen, sind viele Offiziere von<br />

nie<strong>de</strong>rer Geburt. Meine ehrenwerten Ahnen waren<br />

Samurai. Mein ehrenwerter Onkel ist ein General. Dein<br />

Vater <strong>und</strong> alle <strong>de</strong>ine Onkel sind Bauern. Wenn ich meinem<br />

ehrenwerten Onkel einen Brief schreibe, wirst du nicht<br />

länger Hauptmann sein. Bekomme ich das Mädchen?"<br />

Da schrie es Mord in Matsuos Herz. Aber er entschied<br />

sich für Heuchelei - bis zu einem Zeitpunkt, da Sokabe ein<br />

tödlicher Unfall zustoßen mochte. „Ich dachte, du seiest<br />

mein Fre<strong>und</strong>", sagte er, „<strong>und</strong> nun wen<strong>de</strong>st du dich gegen<br />

mich. Laß uns nicht unbedacht han<strong>de</strong>ln. Das Mädchen ist<br />

n i c h t s . Ü b e r l a s s e n w i r d i e E n t s c h e i d u n g d i e s e r<br />

Angelegenheit unserem Oberst. Er wird bald zur<br />

Inspektion hier sein." Und ehe er herkommt, dachte<br />

Matsuo, wird dir ein Unfall zustoßen.<br />

„So ist es gerecht", stimmte Sokabe zu. Was für ein<br />

Unglück wird es sein, dachte er, sollte mein Hauptmann<br />

sterben, ehe <strong>de</strong>r Oberst eintrifft.<br />

Das Mädchen verstand nichts von <strong>de</strong>m, was sie sagten.<br />

Sie wußte nicht, daß sie vorläufig in Sicherheit war.<br />

Früh am nächsten Morgen verließ Alam das Kampong,<br />

um zu seinem Dorf zurückzukehren.<br />

Jerry Lucas wur<strong>de</strong> von wil<strong>de</strong>m Rütteln <strong>de</strong>r Plattform<br />

geweckt. Es weckte auch Bubonovitch <strong>und</strong> Rosetti. „Was,<br />

zur Hölle!", rief <strong>die</strong>ser aus.<br />

Bubonovitch sah um sich. „Ich sehe nichts."<br />

Jerry lehnte sich weit vor <strong>und</strong> schaute nach oben. Er<br />

sah eine riesige schwarze Gestalt wenige Fuß über ihm,<br />

<strong>die</strong> <strong>de</strong>n Baum wild schüttelte. „Himmel!", schrie er. „Seht<br />

ihr, was ich sehe?"<br />

Die bei<strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren blickten auf. „Hui!" sagte Rosetti.<br />

„So ein Riesentrumm! Ich hab nicht gewußt, daß Affen so<br />

groß wer<strong>de</strong>n."<br />

„Das ist kein Affe, du Dummer", sagte Bubonovitch.<br />

„Er ist unter <strong>de</strong>r Bezeichnung Pongo pygmaeus bekannt,<br />

weshalb allerdings als pygmaeus, dafür bin ich in meinem<br />

Studium noch zu wenig fortgeschritten. Er sollte Pongo<br />

giganteum heißen."<br />

„Sprich US-verständlich", knurrte Shrimp.<br />

„Es ist ein Orang-Utan, Shrimp", sagte Lucas.<br />

„Aus <strong>de</strong>m Malaiischen. Orang-utan be<strong>de</strong>utet wil<strong>de</strong>r<br />

Mensch", fügte Bubonovitch hinzu.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Page 26 von 197


„Was will er?", fragte Shrimp. „Was zur Hölle soll sein<br />

Bäumeschütteln? Versucht er uns hinunter zu schütteln?<br />

Hui, was für'n Trumm! Ist <strong>de</strong>r ein Menschenfresser,<br />

Professor Bubonovitch?"<br />

„Hauptsächlich ein Herbivore", antwortete<br />

Bubonovitch.<br />

Rosetti wandte sich an Lucas: „Fressen Affen Leute,<br />

Cap?"<br />

„Nein", erwi<strong>de</strong>rte Lucas. „Laßt sie einfach in Ruhe,<br />

dann wer<strong>de</strong>n sie euch in Ruhe lassen. Aber reizt das Baby<br />

n i c h t . K ö n n t e e u c h i n N u l l k o m m a n i c h t s<br />

auseinan<strong>de</strong>rnehmen."<br />

Shrimp untersuchte seinen 45er. „Mich wird <strong>de</strong>r nicht<br />

auseinan<strong>de</strong>rnehmen, nicht so lang ich meine Dicke Berta<br />

dabei habe."<br />

Der Orang-Utan, <strong>de</strong>r seine Neugier befriedigt hatte,<br />

zog gemächlich davon. Shrimp begann an seinem 45er zu<br />

reiben. „Hui! Hat schon mit'm Rosten begonnen, grad wie<br />

- " Er schaute umher. „Sagt, wo ist <strong>de</strong>r Herzog?"<br />

„Himmel! Er ist fort", sagte Lucas. „Hab's gar nicht<br />

bemerkt." „Vielleicht ist er hinunter gefallen", spekulierte<br />

Rosetti <strong>und</strong> schaute über <strong>die</strong> Kante. „War gar kein so<br />

übler Kerl für einen Briten."<br />

„Das ist ein beachtliches Zugeständnis, da es von dir<br />

kommt", sagte Bubonovitch.<br />

Shrimp setzte sich plötzlich auf <strong>und</strong> schaute <strong>die</strong><br />

an<strong>de</strong>ren an. „Mir<br />

fällt grad zufällig ein", sagte er, „hat einer von euch in<br />

<strong>de</strong>r Nacht <strong>die</strong>sen Schrei gehört?"<br />

„Hab ich", sagte Lucas. „Was ist damit?"<br />

„Klang so, als ob jemand umgebracht wür<strong>de</strong>, o<strong>de</strong>r?"<br />

„Na, menschlich hat's nicht geklungen." „Klar. Das<br />

isses. Der Herzog ist hinabgefallen, <strong>und</strong> <strong>de</strong>r Tiger hat ihn<br />

erwischt. Das war sein Schrei."<br />

Bubonovitch zeigte hin <strong>und</strong> sagte: „Da kommt sein<br />

Geist."<br />

Die an<strong>de</strong>ren schauten. „Himmel, was für ein Kerl!",<br />

sagte Rosetti.<br />

Wer sich da durch <strong>die</strong> Bäume auf sie zu schwang, einen<br />

toten Hirsch auf <strong>de</strong>r Schulter, war <strong>de</strong>r Englän<strong>de</strong>r. Er<br />

sprang auf <strong>die</strong> Plattform. „Hier ist das Frühstück", sagte<br />

er. „Greift zu."<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Er warf <strong>de</strong>n Kadaver hin, zog sein Messer <strong>und</strong> hackte<br />

ein or<strong>de</strong>ntliches Stück heraus. Mit kräftigen Fingern riß er<br />

<strong>die</strong> Haut vom Fleisch, dann hockte sich auf <strong>die</strong> ihnen<br />

gegenüberliegen<strong>de</strong> Plattform-Ecke <strong>und</strong> versenkte seine<br />

Page 27 von 197


starken Zähne ins rohe Fleisch. Shrimp sperrte <strong>de</strong>n M<strong>und</strong><br />

auf <strong>und</strong> seine Augen weiteten sich. „Wer<strong>de</strong>n Sie' s nicht<br />

kochen?", fragte er.<br />

„Womit?", wollte Clayton wissen. „Hier um uns ist<br />

nichts, das trocken genug wäre, daß es brennt. Wenn Sie<br />

Fleisch haben wollen, müssen Sie lernen, es roh zu essen,<br />

bis wir ein dauerhaftes Lager fin<strong>de</strong>n <strong>und</strong> etwas, das<br />

brennen wür<strong>de</strong>."<br />

„Na", sagte Shrimp, „ich glaub', ich bin hungrig<br />

genug."<br />

„Ich will alles einmal ausprobieren", sagte<br />

Bubonovitch.<br />

Jerry Lucas hackte ein kleines Stück ab <strong>und</strong> begann<br />

darauf herum zu kauen. Clayton betrachtete <strong>die</strong> drei<br />

Männer, wie sie Stücke <strong>de</strong>s warmen, rohen Fleisches<br />

kauten. „Das ist nicht <strong>die</strong> Art, wie man es ißt", sagte er.<br />

„Reißt Stücke ab, <strong>die</strong> ihr schlucken könnt, <strong>und</strong> dann<br />

schluckt sie im Ganzen. Kaut nicht."<br />

„Wie hab'n Sie das alles gelernt?", erk<strong>und</strong>igte sich<br />

Rosetti.<br />

„Von <strong>de</strong>n Löwen."<br />

Rosetti starrte <strong>die</strong> an<strong>de</strong>ren an, schüttelte seinen Kopf<br />

<strong>und</strong> versuchte dann, ein zu großes Stück Hirsch zu<br />

schlucken. Er würgte <strong>und</strong> keuchte. „Hui!", sagte er,<br />

nach<strong>de</strong>m er <strong>de</strong>n Bissen ausgespuckt hatte. ,3in nie in 'ner<br />

Löwenschule gewesen." Doch dann machte er es besser.<br />

„So schlecht ist es nicht, wenn man es im Ganzen<br />

schluckt", gab Lucas zu.<br />

„Und es füllt euch <strong>de</strong>n Magen <strong>und</strong> gibt euch Kraft",<br />

sagte<br />

Clayton.<br />

Er schwang sich auf <strong>de</strong>n nächsten Baum <strong>und</strong> holte mehr<br />

Durian-Früchte. Nun aßen sie sie mit Genuß. „Danach",<br />

sagte Shrimp, „gibt's nix mehr, was ich nicht essen<br />

könnt'."<br />

„Ich bin in <strong>de</strong>r Nähe an einem Fluß vorbei gekommen",<br />

sagte Clayton. „Dort können wir trinken. Ich glaube, wir<br />

ziehen besser los. Wir müssen einiges erk<strong>und</strong>en, ehe wir<br />

fixe Pläne machen können. Ihr könnt etwas von <strong>die</strong>sem<br />

Fleisch in euren Taschen mitnehmen, wenn ihr glaubt,<br />

bald wie<strong>de</strong>r hungrig zu wer<strong>de</strong>n. Aber es gibt überall<br />

reichlich Wild. Wir wer<strong>de</strong>n nicht hungern."<br />

Keiner wollte etwas von <strong>de</strong>m Fleisch mitnehmen, daher<br />

warf Clayton <strong>de</strong>n Kadaver auf <strong>de</strong>n Bo<strong>de</strong>n hinab. „Für <strong>de</strong>n<br />

Gestreiften", sagte er.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Page 28 von 197


Die Sonne schien, <strong>und</strong> <strong>de</strong>r Wald strotzte vor Leben.<br />

Bubonovitch war in seinem Element. Hier waren Tiere <strong>und</strong><br />

Vögel, von <strong>de</strong>nen er aus Büchern gelernt hatte, o<strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>ren tote Figuren er in Museen aufgestellt gesehen<br />

hatte. Und es gab viele, <strong>die</strong> er we<strong>de</strong>r gesehen noch von<br />

i h n e n g e h ö r t h a t t e . „ E i n r i c h t i g e s l e b e n d i g e s<br />

Naturgeschichtemuseum", sagte er.<br />

Clayton hatte sie zum Fluß geführt, <strong>und</strong> nach<strong>de</strong>m sie<br />

ihren Durst gestillt hatten, brachte er sie zu einem<br />

<strong>de</strong>utlich erkennbaren Wildpfad, <strong>de</strong>n er bei <strong>de</strong>r Jagd nach<br />

ihrem Frühstück ent<strong>de</strong>ckt hatte. Er wand sich bergab in<br />

<strong>die</strong> Richtung, <strong>die</strong> einzuschlagen er <strong>und</strong> Lucas sich<br />

entschie<strong>de</strong>n hatten - zur Westküste, viele, viele lange<br />

Tagesmärsche entfernt.<br />

„Menschen sind auf <strong>die</strong>sem Pfad in letzter Zeit keine<br />

gewesen", sagte Clayton, „aber viele an<strong>de</strong>re Tiere waren<br />

da - Elefanten, Nashörner, Tiger, Hirsche. Es war <strong>die</strong>ser<br />

Pfad, auf <strong>de</strong>m ich unser Frühstück fand."<br />

Shrimp wollte fragen, wie er <strong>de</strong>n Hirsch gefangen<br />

hatte, erkannte jedoch, daß er schon allzu vertraulich mit<br />

<strong>de</strong>m Briten gewesen war. Dennoch mußte er zugeben,<br />

daß <strong>de</strong>r kein übler Kerl war, auch wenn er es haßte, das<br />

einzugestehen.<br />

Sie zogen gegen <strong>de</strong>n Wind, <strong>und</strong> Clayton hielt an <strong>und</strong><br />

hob warnend <strong>die</strong> Hand. „Da ist ein Mensch vor uns",<br />

sagte er leise.<br />

„Ich seh' keinen nicht", sagte Rosetti.<br />

„Ich ebenso wenig", sagte Clayton, „aber er ist dort."<br />

Ein paar Minuten lang stand er reglos. „Er geht <strong>de</strong>n<br />

selben Weg wie wir", sagte er. „Ich wer<strong>de</strong> vorausgehen<br />

<strong>und</strong> ihn mir ansehen. Ihr Übrigen kommt langsam nach."<br />

Er schwang sich auf einen Baum <strong>und</strong><br />

verschwand vor ihnen.<br />

„Du kannst keinen seh'n, du kannst keinen hör'n; aber<br />

<strong>die</strong>ser Kerl erzählt uns, da ist einer vor uns - <strong>und</strong> in<br />

welche Richtung er geht!" Rosetti sah Lucas anklagend<br />

an.<br />

„Bisher hat er sich noch nicht geirrt", sagte Jerry.<br />

*<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Sing Tai starb nicht. Das Bajonett <strong>de</strong>s Japaners<br />

verursachte eine böse W<strong>und</strong>e, verletzte jedoch kein<br />

lebenswichtiges Organ. Zwei Tage lang lag Sing Tai in<br />

einer Blutlache, tief in seiner Höhle verborgen. Dann<br />

kroch er heraus. Vom Schock benommen, von Blutverlust,<br />

Nahrungs- <strong>und</strong> Wassermangel geschwächt, oft vor<br />

Schmerzen am Ran<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Ohnmacht, stolperte er langsam<br />

Page 29 von 197


auf <strong>de</strong>m Pfad zum Dorf von Tiang Umar dahin. Orientalen<br />

ergeben sich leichter <strong>de</strong>m Tod als Menschen aus <strong>de</strong>m<br />

W e s t e n , s o s e h r u n t e r s c h e i d e n s i c h i h r e<br />

Weltanschauungen. Aber Sing Tai wollte nicht sterben. So<br />

lang es Hoffnung gab, daß seine geliebte weiße Miß<br />

leben mochte <strong>und</strong> ihn brauchte, mußte auch er leben.<br />

Im Dorf <strong>de</strong>s Tiang Umar mochte er etwas von ihr hören.<br />

Dann wür<strong>de</strong> er sich zwischen Leben <strong>und</strong> Sterben<br />

entschei<strong>de</strong>n können. Also schlug Sing Tais treues Herz<br />

weiter, wenn auch schwach. Doch gab es Momente, in<br />

<strong>de</strong>nen er sich fragte, ob er <strong>die</strong> Kraft hatte, sich bis zum<br />

Dorf weiterzuschleppen. Solche Gedanken betrübten ihn,<br />

als er zu seiner Überraschung plötzlich einen fast nackten<br />

Riesen auf <strong>de</strong>m Pfad vor sich auftauchen sah - einen<br />

bronzehäutigen Riesen mit schwarzem Haar <strong>und</strong> grauen<br />

Augen. Das, dachte Sing Tai, ist vielleicht das En<strong>de</strong>.<br />

Clayton sprang von einem überhängen<strong>de</strong>n Baum auf<br />

<strong>de</strong>n Pfad herab. Er re<strong>de</strong>te Sing Tai auf Englisch an, <strong>und</strong><br />

Sing Tai antwortete in einem Englisch, das nur eine Spur<br />

von Pidgin enthielt. In Hongkong hatte Sing Tai Jahre<br />

lang in <strong>de</strong>n Häusern von Englän<strong>de</strong>rn gelebt.<br />

Clayton sah <strong>die</strong> blutdurchtränkte Kleidung <strong>und</strong><br />

erkannte <strong>die</strong> äußeren Zeichen einer Schwäche, <strong>die</strong> <strong>die</strong><br />

Nähe eines Zusammenbruchs anzeigte. „Wie bist du<br />

verletzt wor<strong>de</strong>n?", fragte er.<br />

„Japanischer Affen-Mann rammte Bajonett in mich -<br />

hier." Er wies auf <strong>die</strong> Stelle in seiner Seite.<br />

„Warum?", fragte Clayton, <strong>und</strong> Sing Tai erzählte seine<br />

Geschichte.<br />

„Sind <strong>die</strong> Japaner hier in <strong>de</strong>r Nähe?"<br />

„Ich glaube nicht."<br />

„Wie weit ist es bis zu <strong>de</strong>m Dorf, das du zu erreichen<br />

versuchst?"<br />

„Jetzt nicht mehr weit - vielleicht so eine Meile."<br />

„Sind <strong>die</strong> Leute in <strong>die</strong>sem Dorf fre<strong>und</strong>lich zu <strong>de</strong>n<br />

Japanern?"<br />

„Nein. Hassen Japaner sehr viel."<br />

Claytons Gefährten erschienen nun an einer Biegung<br />

<strong>de</strong>s Pfa<strong>de</strong>s.<br />

„Seht ihr", sagte Lucas. „Wie<strong>de</strong>r richtig."<br />

„Der Kerl hat immer Recht", maulte Shrimp, „aber ich<br />

versteh' nicht, wie er's gemacht hat - mit keiner Glaskugel<br />

nicht o<strong>de</strong>r sonst nix."<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Sing Tai sah ihre Ankunft mit Besorgnis. „Sie sind<br />

meine Fre<strong>und</strong>e", sagte Clayton. „Amerikanische Flieger."<br />

Page 30 von 197


Clayton wie<strong>de</strong>rholte Sing Tais Geschichte vor <strong>de</strong>n<br />

an<strong>de</strong>ren, <strong>und</strong> es wur<strong>de</strong> beschlossen, zu Tiang Umars Dorf<br />

weiterzugehen. Clayton nahm <strong>de</strong>n Chinesen behutsam auf<br />

seine Arme <strong>und</strong> trug ihn auf <strong>de</strong>m Pfad weiter. Als Sing Tai<br />

sagte, daß sie <strong>de</strong>m Dorf nahe wären, setzte ihn <strong>de</strong>r<br />

Englän<strong>de</strong>r ab <strong>und</strong> wies alle an zu warten, während er zur<br />

Erk<strong>und</strong>ung vorausging. Die Japaner-Truppe war nicht<br />

mehr da, <strong>und</strong> er kehrte bald zurück.<br />

Tiang Umar nahm sie fre<strong>und</strong>lich auf, als Sing Tai<br />

erklärte, wer sie waren. Mit Sing Tai als Dolmetscher<br />

erzählte ihnen Tiang Umar, daß <strong>die</strong> Japaner am<br />

v o r h e r i g e n M o r g e n a b g e z o g e n w a r e n u n d d a s<br />

holländische Mädchen sowie einen seiner jungen Männer<br />

mitgenommen hatten. Er wußte, daß es im Südwesten ein<br />

Japaner-Lager gab, einen Tagesmarsch entfernt. Wenn<br />

man in seinem Kampong warten wür<strong>de</strong>, war er sicher, daß<br />

<strong>de</strong>r Junge Alam heimkommen wer<strong>de</strong>, da ihn <strong>die</strong> Japaner<br />

nur als Dolmetscher für <strong>die</strong> Dörfer mitgenommen hatten,<br />

durch <strong>die</strong> sie kommen mochten.<br />

Sie entschie<strong>de</strong>n sich zu warten, beson<strong>de</strong>rs Clayton<br />

drang darauf. Und als es beschlossen war, entfernte er<br />

sich allein in <strong>de</strong>n Wald. „Er wird wahrscheinlich mit einem<br />

Wasserbüffel unterm Arm zurückkommen", sagte Shrimp<br />

voraus. Aber als er zurückkehrte, hatte er nur einige<br />

harte, schlanke Zweige <strong>und</strong> etwas Bambus. Damit <strong>und</strong> mit<br />

einigen Hühnerfe<strong>de</strong>rn sowie mit einer Faserschnur, <strong>die</strong><br />

ihm Tiang Umar gegeben hatte, fertigte er einen Bogen<br />

an, einige Pfeile <strong>und</strong> einen Speer. Die Spitzen seiner<br />

Waffen härtete er im Feuer. Aus Fallschirmsei<strong>de</strong> machte<br />

er einen Köcher.<br />

Seine Gefährten sahen interessiert zu. Rosetti war nicht<br />

beson<strong>de</strong>rs beeindruckt, als Clayton erklärte, daß seine<br />

Bewaffnung ihnen nicht nur reichlich Wild garantierte,<br />

son<strong>de</strong>rn als Verteidigungs- <strong>und</strong> Angriffswaffen Menschen<br />

gegenüber <strong>die</strong>nen wür<strong>de</strong>n. „Halten wir ihm das Wild,<br />

<strong>de</strong>rweil er drauf schießt?", fragte<br />

er Bubonovitch. „Ich sag' euch, wenn mich einer von euch<br />

Kerlen je mit so 'nem Ding piekst, <strong>und</strong> ich krieg's raus - "<br />

„Sei nicht blöd", sagte Bubonovitch. Aber Waffen<br />

w a r e n f ü r R o s e t t i 4 5 e r, M a s c h i n e n p i s t o l e n u n d<br />

Maschinengewehre, nicht aber Bambussplitter mit<br />

Hühnerfe<strong>de</strong>rn am einen En<strong>de</strong>.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Am späten Nachmittag kehrte Alam zurück. Sofort war<br />

er von einer Hor<strong>de</strong> schnattern<strong>de</strong>r Eingeborener umgeben.<br />

Schließlich erfaßte Sing Tai, was er erzählte, <strong>und</strong><br />

wie<strong>de</strong>rholte es für Clayton. Alam wußte, daß <strong>die</strong> zwei<br />

Page 31 von 197


japanischen Offiziere sich um das Mädchen gestritten<br />

hatten <strong>und</strong> daß sie zu <strong>de</strong>m Zeitpunkt, da er am Morgen<br />

das Dorf verlassen hatte, noch in Sicherheit gewesen war.<br />

Sing Tai bat Clayton mit Tränen in <strong>de</strong>n Augen, das<br />

Mädchen Corrie vor <strong>de</strong>n Japanern zu retten. Clayton <strong>und</strong><br />

<strong>die</strong> Amerikaner besprachen <strong>die</strong> Angelegenheit. Alle<br />

waren für <strong>de</strong>n Versuch, aber nicht alle aus <strong>de</strong>mselben<br />

Gr<strong>und</strong>. Clayton <strong>und</strong> Bubonovitch wünschten <strong>die</strong> Rettung<br />

<strong>de</strong>s Mädchens. Lucas <strong>und</strong> Rosetti wünschten, <strong>die</strong> Japaner<br />

zu schädigen. An <strong>de</strong>m Mädchen waren sie wenig<br />

interessiert, bei<strong>de</strong> eher frauenfeindlich. Lucas war ein<br />

Frauenhasser, weil das Mädchen, das er in Oklahoma City<br />

zurückgelassen hatte, einen an<strong>de</strong>ren geheiratet hatte.<br />

Rosettis Haß entsprang seinem lebenslangen Haß gegen<br />

seine Mutter. Zeitig am nächsten Morgen brachen sie auf,<br />

geführt von Alam.<br />

Sie bewegten sich langsam <strong>und</strong> vorsichtig voran,<br />

Clayton als K<strong>und</strong>schafter vor <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren. Shrimp<br />

verstand nicht, wozu sie Alam dabei hatten, <strong>und</strong> war<br />

sicher, sie wür<strong>de</strong>n sich verirren. In einer komischen<br />

Zeichensprache seiner eigenen Erfindung fragte er Alam<br />

ständig, ob sie auf <strong>de</strong>m richtigen Pfad wären. Der<br />

Eingeborene, <strong>de</strong>r nicht <strong>die</strong> geringste Ahnung hatte, was<br />

Shrimps wil<strong>de</strong>s Gestikulieren be<strong>de</strong>utete, nickte <strong>und</strong><br />

grinste, sobald Rosetti mit Gefuchtel <strong>und</strong> Grimassen<br />

anfing.<br />

Lucas <strong>und</strong> Bubonovitch sorgten sich nicht so sehr wie<br />

Shrimp. Sie hatten mehr Vertrauen zu <strong>de</strong>m Englän<strong>de</strong>r als<br />

er. Wie auch immer, sie konnten nicht wissen, daß Clayton<br />

keinen Führer brauchte, <strong>de</strong>r ihm <strong>die</strong> Spur einer Abteilung<br />

Soldaten zeigte, <strong>die</strong> ein weißes Mädchen <strong>und</strong> einen<br />

eingeborenen Jungen dabei hatten. Die Anzeichen dafür,<br />

daß sie vor kurzem vorbeigekommen waren, waren für<br />

seine geschärften Sinne überall am Pfad entlang<br />

ersichtlich.<br />

Es war schon dunkel, als sie das Dorf erreichten.<br />

Clayton hieß <strong>die</strong> an<strong>de</strong>ren warten, während er auf<br />

K<strong>und</strong>schaft voraus ging. Er traf das Dorf schlecht bewacht<br />

an <strong>und</strong> betrat es ohne Schwierigkeiten. Die Nacht war<br />

mondlos, <strong>und</strong> Wolken verhüllten <strong>die</strong> Sterne. In einigen<br />

Häusern gab es schwache Beleuchtung.<br />

Nahe <strong>de</strong>r Stelle, <strong>die</strong> er betreten hatte, machte sein<br />

scharfer Geruchssinn das weiße Mädchen aus. Aus ihrem<br />

Haus vernahm er das zornige Geschnatter von zwei<br />

Japanern.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Page 32 von 197


Er verließ das Dorf an <strong>de</strong>r gleichen Stelle, an <strong>de</strong>r er es<br />

betreten hatte, <strong>und</strong> umr<strong>und</strong>ete es bis zum an<strong>de</strong>ren En<strong>de</strong>.<br />

Dort gab es einen Wächter. Clayton wollte keinerlei<br />

Bewachung hier. Der Kerl patrouillierte hin <strong>und</strong> her.<br />

Clayton kauerte sich hinter einen Baum <strong>und</strong> wartete. Der<br />

Wächter tauchte auf. Etwas sprang von hinten gegen ihn;<br />

<strong>und</strong> ehe er einen Warnschrei ausstoßen konnte, drang<br />

eine scharfe Klinge tief in seine Kehle. Clayton schleppte<br />

<strong>die</strong> Leiche aus <strong>de</strong>m Dorf hinaus <strong>und</strong> kehrte zu seinen<br />

Gefährten zurück. Flüsternd gab er Anweisungen; dann<br />

führte er sie ans an<strong>de</strong>re En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Dorfes. „Eure 45er",<br />

hatte er ihnen gesagt, „wer<strong>de</strong>n wahrscheinlich <strong>die</strong><br />

Patronen abschießen, <strong>die</strong> im Lauf sind. Die Möglichkeit<br />

besteht, daß <strong>die</strong> Mechanismen schon so verrostet sind,<br />

daß sie <strong>die</strong> Hülsen nicht auswerfen <strong>und</strong> auch nicht<br />

nachla<strong>de</strong>n, aber feuert, so lange sie schießen. Wenn sie<br />

klemmen, werft Steine ins Dorf, um <strong>die</strong> Aufmerksamkeit in<br />

<strong>die</strong>se Richtung zu lenken. Und brüllt <strong>die</strong> ganze<br />

Zeit hindurch wie <strong>die</strong> Teufel. Fangt damit in drei Minuten<br />

an. In vier Minuten macht euch davon von dort, <strong>und</strong> zwar<br />

schnell. Wir treffen uns auf <strong>de</strong>m Pfad oben hinter <strong>de</strong>m<br />

Dorf."<br />

Er kehrte zum oberen Dorfen<strong>de</strong> zurück <strong>und</strong> versteckte<br />

sich unter <strong>de</strong>m Haus, in <strong>de</strong>m <strong>die</strong> zwei Offiziere <strong>und</strong> das<br />

Mädchen waren. Eine Minute später ertönten Schüsse am<br />

unteren Dorfen<strong>de</strong>, <strong>und</strong> lautes Geschrei durchbrach <strong>die</strong><br />

Stille <strong>de</strong>r Nacht. Clayton grinste. Es klang, als griffe eine<br />

größere Streitmacht das Dorf an.<br />

Eine Sek<strong>und</strong>e darauf rannten <strong>die</strong> zwei Offiziere aus <strong>de</strong>m<br />

Haus <strong>und</strong> riefen Befehle. Soldaten schwärmten aus<br />

an<strong>de</strong>ren Häusern, <strong>und</strong> alles rannte in <strong>die</strong> Richtung <strong>de</strong>s<br />

Aufruhrs. Dann eilte Clayton <strong>die</strong> Leiter hinauf, <strong>die</strong> zum<br />

Hauseingang führte <strong>und</strong> trat ein. Das Mädchen lag auf<br />

Schlafmatten im Hintergr<strong>und</strong> <strong>de</strong>s einzigen Raumes. Hand-<br />

<strong>und</strong> Fußgelenke waren gefesselt. Sie sah, wie <strong>de</strong>r fast<br />

nackte Mann zu ihr her <strong>de</strong>n Raum im Lauf durchquerte. Er<br />

beugte sich herab <strong>und</strong> nahm sie auf seine Arme, trug sie<br />

aus <strong>de</strong>m Haus <strong>und</strong> hinaus in <strong>de</strong>n Dschungel. Panik erfüllte<br />

sie. Was für ein neuer Schrecken erwartete sie?<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Im schwachen Licht <strong>de</strong>s Raums drinnen hatte sie nur<br />

gesehen, daß <strong>de</strong>r Mann groß war <strong>und</strong> seine Haut braun.<br />

Draußen auf <strong>de</strong>m Dschungelpfad trug er sie eine kurze<br />

Strecke weit. Dann hielt er an <strong>und</strong> setzte sie ab. Sie<br />

spürte etwas Kaltes gegen ihre Handgelenke gepreßt -<br />

<strong>und</strong> ihre Hän<strong>de</strong> waren frei. Dann wur<strong>de</strong>n <strong>die</strong> Schnüre um<br />

Page 33 von 197


ihre Fesseln durchgeschnitten. „Wer sind Sie?", fragte sie<br />

auf Holländisch. „Still!", warnte er sie.<br />

Gleich darauf kamen vier an<strong>de</strong>re zu ihnen, <strong>und</strong> sie alle<br />

bewegten sich still mit ihr auf <strong>de</strong>m dunklen Pfad weiter.<br />

Wer waren sie? Was wollten sie von ihr? Das eine Wort<br />

„still", auf Englisch gesprochen, hatte sie ein wenig<br />

beruhigt. Eine St<strong>und</strong>e lang zogen sie in ungebrochenem<br />

Schweigen weiter, Clayton ständig nach Verfolgern<br />

lauschend. Schließlich sprach er. „Ich glaube, wir haben<br />

sie durcheinan<strong>de</strong>r gebracht", sagte er. „Wenn sie uns<br />

suchen, dann wahrscheinlich in <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Richtung."<br />

„Wer sind Sie?", fragte Corrie, <strong>die</strong>smal auf Englisch.<br />

„Fre<strong>und</strong>e", antwortete Clayton. „Sing Tai hat uns von<br />

Ihnen erzählt. Also kamen wir <strong>und</strong> holten Sie."<br />

„Sing Tai ist nicht tot?"<br />

„Nein, nur schwer verw<strong>und</strong>et."<br />

Alam beruhigte sie. „Du bist jetzt in Sicherheit", sagte<br />

er. „Die sind Amerikaner."<br />

„Amerikaner sind sie?", fragte sie ungläubig. „Sind sie<br />

endlich gelan<strong>de</strong>t?"<br />

„Nur <strong>die</strong>se wenigen. Ihr Flugzeug wur<strong>de</strong><br />

abgeschossen."<br />

„Das ist ein echt sauberer Trick gewesen, Captain",<br />

sagte Bubonovitch. „Die haben wir wirklich genarrt."<br />

„Hätte beinah für mich schlechter ausgehen können,<br />

weil ich euch zu sagen vergessen habe, in welche<br />

Richtung ihr schießen sollt. Zwei Kugeln kamen mir für<br />

meinen Geschmack zu nahe." Er wandte sich <strong>de</strong>m<br />

Mädchen zu. „Fühlen Sie sich kräftig genug, <strong>de</strong>n Rest <strong>de</strong>r<br />

Nacht zu marschieren?", fragte er.<br />

„Ja, vollkommen", erwi<strong>de</strong>rte sie. „Wissen Sie, ich bin<br />

das Laufen gewohnt. Während <strong>de</strong>r letzten zwei Jahre hab<br />

ich das ausgiebig getan, um <strong>de</strong>n Japanern aus <strong>de</strong>m Weg<br />

zu gehen."<br />

„Zwei Jahre lang?"<br />

„Ja, ständig, seit <strong>de</strong>r Invasion. Ich hab mich <strong>die</strong> ganze<br />

Zeit über in <strong>de</strong>n Bergen versteckt. Mit Sing Tai." Clayton<br />

erk<strong>und</strong>igte sich, <strong>und</strong> sie erzählte ihm ihre Geschichte -<br />

<strong>die</strong> Flucht von <strong>de</strong>r Plantage, <strong>de</strong>n Tod ihrer Mutter, <strong>de</strong>n<br />

Mord an ihrem Vater <strong>und</strong> Lum Kam, <strong>de</strong>n Verrat durch<br />

einige Eingeborene, <strong>die</strong> Loyalität an<strong>de</strong>rer.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

In <strong>de</strong>r Morgendämmerung kamen sie im Dorf Tiang<br />

Umars an, aber sie blieben dort nur so lang, bis sie<br />

Lebensmittel hatten; dann zogen sie weiter, alle außer<br />

Alam. Während <strong>de</strong>r Nacht war ein Plan ausgearbeitet<br />

Page 34 von 197


wor<strong>de</strong>n. Er beruhte auf <strong>de</strong>r Annahme, daß <strong>die</strong> Japaner<br />

vielleicht zu <strong>die</strong>sem Dorf zurückkommen wür<strong>de</strong>n, um nach<br />

<strong>de</strong>m Mädchen zu suchen. Corrie wollte weiterhin nichts<br />

tun, was <strong>die</strong> Sicherheit <strong>die</strong>ser mit ihr befre<strong>und</strong>eten<br />

Menschen gefähr<strong>de</strong>n könnte.<br />

Corrie <strong>und</strong> Sing Tai kannten viele Verstecke in <strong>de</strong>n<br />

a b g e l e g e n e n We i t e n d e s G e b i rg e s . We g e n i h re s<br />

Unvermögens, ausreichend Nahrung zu bekommen, waren<br />

sie gezwungen gewesen, sich Tiang Umars Dorf zu<br />

nähern. Aber jetzt wür<strong>de</strong> das an<strong>de</strong>rs sein.<br />

Sing Tai hatten sie zurücklassen müssen, da er zum<br />

Reisen nicht in <strong>de</strong>r Lage war. Tiang Umar versicherte<br />

ihnen, er könne <strong>de</strong>n Chinesen so verstecken, daß ihn <strong>die</strong><br />

Japaner nicht fin<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>n, sollten sie zum Dorf<br />

zurückkehren.<br />

„Wenn ich kann, wer<strong>de</strong> ich dich wissen lassen, wo ich<br />

bin, Tiang Umar", sagte Corrie; „dann kannst du vielleicht<br />

Sing Tai zu mir schicken, wenn er kräftig genug zum<br />

Reisen ist."<br />

Corrie führte <strong>die</strong> Gruppe tief in <strong>die</strong> Wildnis <strong>de</strong>s<br />

gebirgigen Hinterlan<strong>de</strong>s. Hier gab es zerklüftete<br />

Schluchten <strong>und</strong> Gebirgsbäche, Teak-Forste, riesige<br />

Bambuswäl<strong>de</strong>r, offene Bergwiesen, dicht von<br />

mannshohen Gräsern bewachsen.<br />

Lucas <strong>und</strong> Clayton hatten beschlossen, weiter so ins<br />

G e b i r g e v o r z u d r i n g e n u n d d a n n n a c h S ü d o s t e n<br />

abzuschwenken, bevor man sich <strong>de</strong>r Küste zuwandte. Auf<br />

<strong>die</strong>sem Weg wür<strong>de</strong>n sie das Gebiet vermei<strong>de</strong>n, wo das<br />

Flugzeug abgestürzt war. Ebenso wür<strong>de</strong>n sie kaum zu<br />

einem Dorf gelangen, falls überhaupt, <strong>de</strong>ssen Einwohner<br />

ihnen Japaner auf <strong>die</strong> Spur brächten.<br />

Clayton stöberte oft voraus nach Nahrung <strong>und</strong> kam nie<br />

mit leeren Hän<strong>de</strong>n zurück, mochte es ein Rebhuhn o<strong>de</strong>r<br />

ein Fasan sein, manchmal ein Hirsch. Und jetzt machte er<br />

in ihren Lagern Feuer, so daß <strong>die</strong> Amerikaner kochen<br />

konnten.<br />

Auf ihrem Weg führten immer Clayton <strong>und</strong> Corrie, dann<br />

kam Bubonovitch. Lucas <strong>und</strong> Shrimp als Nachhut hielten<br />

sich <strong>de</strong>m holländischen Mädchen so fern wie möglich.<br />

Das kam allein davon, daß sie Frauen prinzipiell<br />

abgeneigt waren.<br />

„Aber ich schätze, wir müssen das Weibsbild aushalten",<br />

sagte Rosetti. „Wir können sie nicht <strong>de</strong>n Japanern<br />

überlassen."<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Page 35 von 197


Jerry Lucas stimmte ihm bei. „Wäre sie ein Mann, o<strong>de</strong>r<br />

sogar ein Affe, wäre es nicht so schlimm. Aber ich habe<br />

einfach keine Zeit für Frauen."<br />

„So übel ist sie nicht anzuschau'n", gab Shrimp<br />

wi<strong>de</strong>rwillig zu.<br />

„Die sind <strong>die</strong> Schlimmsten", sagte Jerry. „Äußerst<br />

egoistisch <strong>und</strong> habgierig. Quetschen immer jeman<strong>de</strong>n<br />

aus. Gib mir! Gib mir! Gib mir! Das ist alles, woran sie<br />

<strong>de</strong>nken."<br />

„Wer auch <strong>die</strong>se kleine Hollän<strong>de</strong>r-Braut heiraten mag,<br />

wird eine Menge Sorgen bekommen. Alle Wölfe aus <strong>de</strong>m<br />

Wald wer<strong>de</strong>n an seiner Hintertür heulen. Hast du schon<br />

<strong>die</strong> Lichter bemerkt, wenn sie lächelt?"<br />

„Gehst du ihr auf <strong>de</strong>n Leim, Shrimp?"<br />

„Hölle, nein! Aber ich hab' Augen im Kopf, o<strong>de</strong>r?"<br />

„Ich schau gar nicht hin", log Jerry.<br />

Gera<strong>de</strong> da brach ein Schwärm Rebhühner aus <strong>de</strong>r<br />

Deckung. Clayton hatte schon einen Pfeil auf seinem<br />

Bogen liegen. Mit <strong>de</strong>m Surren <strong>de</strong>r Sehne fiel schon ein<br />

Rebhuhn. Die Bewegungen <strong>de</strong>s Mannes waren so flink,<br />

sicher <strong>und</strong> geschmeidig wie wechseln<strong>de</strong>s Licht.<br />

„Hui!", rief Rosetti. „Ich gesteh's. Der Kerl ist kein<br />

Mensch. Wie zur Hölle hat er gewußt, daß <strong>die</strong> Vögel<br />

aufsteigen wür<strong>de</strong>n? Wie hat er sie mit <strong>de</strong>m Ding<br />

erwischen können?"<br />

Jerry schüttelte <strong>de</strong>n Kopf. „Frag mich nicht. Vielleicht<br />

riecht er<br />

sie, o<strong>de</strong>r er hört sie. Eine Menge von <strong>de</strong>m, was er tut, ist<br />

einfach bloß unheimlich."<br />

„Ich werd' mit einem <strong>de</strong>r Dinger schießen lernen",<br />

sagte Shrimp.<br />

Gleich darauf überwand Rosetti seine Anglophobie so<br />

weit, daß sie ihm erlaubte Clayton zu bitten, daß er ihm<br />

zeigte, wie man Pfeil <strong>und</strong> Bogen macht. Lucas <strong>und</strong><br />

Bubonovitch äußerten das gleiche Verlangen. Am<br />

nächsten Tag besorgte Clayton das benötigte Material,<br />

<strong>und</strong> sie alle gingen unter seiner Anleitung daran Waffen<br />

anzufertigen, sogar Corrie.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Das holländische Mädchen flocht <strong>die</strong> Bogensehnen aus<br />

<strong>de</strong>n Fasern <strong>de</strong>r langen, zähen Gräser, <strong>die</strong> sie auf <strong>de</strong>n<br />

offenen Flächen in <strong>de</strong>n Bergen fan<strong>de</strong>n. Wegen <strong>de</strong>r Fe<strong>de</strong>rn<br />

schoß Clayton Vögel ab, <strong>und</strong> er zeigte <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren, wie<br />

sie ihre Pfeile richtig befie<strong>de</strong>rten. Das Anfertigen <strong>de</strong>r<br />

Waffen war eine angenehme Unterbrechung <strong>de</strong>r langen<br />

Ta g e d e s F e l s e n k l e t t e r n s , d e s K ä m p f e n s d u r c h<br />

Page 36 von 197


Dschungelgestrüpp <strong>und</strong> <strong>de</strong>s Abstiegs so manchen<br />

Steilabfalls - bloß, um einen an<strong>de</strong>ren hinaufzuklettern.<br />

Es war das erste Mal, daß <strong>die</strong> Fünf eine längere<br />

U n t e r h a l t u n g h a t t e n , d e n n n a c h j e d e m h a r t e n<br />

Tagesmarsch war Schlaf ihr größtes Verlangen gewesen.<br />

Das holländische Mädchen saß neben Jerry Lucas. Er<br />

sah zu, wie ihre flinken Finger <strong>die</strong> Fasern flochten, <strong>und</strong><br />

dachte, sie habe schöne Hän<strong>de</strong> - klein <strong>und</strong> wohlgeformt.<br />

Er bemerkte auch, daß sie trotz zweier Jahre bitterer<br />

Mühsal auf ihre Nägel geachtet hatte. Irgendwie wirkte<br />

sie immer gepflegt <strong>und</strong> or<strong>de</strong>ntlich.<br />

„Es wird Spaß machen, mit <strong>de</strong>nen zu jagen", sagte sie<br />

zu ihm in ihrem korrekten fast Oxford-Englisch.<br />

„Falls wir etwas treffen können", erwi<strong>de</strong>rte er. Sie<br />

spricht besseres Englisch als ich, dachte er.<br />

„Wir müssen sehr viel üben", sagte sie. „Es ist nicht<br />

richtig, daß wir vier Erwachsenen uns in allem auf einen<br />

Mann verlassen, als ob wir kleine Kin<strong>de</strong>r wären."<br />

„Nein", sagte er.<br />

„Ist er nicht w<strong>und</strong>ervoll?"<br />

Jerry murmelte ein „Ja" <strong>und</strong> machte mit seiner Arbeit<br />

weiter. Mit ungeschickten, ungeübten Fingern versuchte<br />

er einen Pfeil zu befie<strong>de</strong>rn. Er wünschte, das Mädchen<br />

sollte still bleiben.<br />

Corrie warf ihm einen fragen<strong>de</strong>n Blick zu, ihre Augen<br />

zeigten es. Dann bemerkte sie seine ungeschickten<br />

Versuche, eine Fe<strong>de</strong>r an ihrem Platz zu halten <strong>und</strong> sie<br />

dabei mit ein wenig Fasern dort zu<br />

befestigen. „Hier", sagte sie. „lassen Sie mich Ihnen<br />

helfen. Sie halten <strong>die</strong> Fe<strong>de</strong>r, <strong>und</strong> ich wer<strong>de</strong> <strong>die</strong> Faser um<br />

<strong>de</strong>n Schaft bin<strong>de</strong>n. Halten sie sie nahe <strong>de</strong>r Kerbe. Da, so<br />

ist's richtig." Ihre Hän<strong>de</strong> berührten mehrmals <strong>die</strong> seinen,<br />

während sie <strong>die</strong> Fasern um <strong>de</strong>n Schaft führte. Er empfand<br />

<strong>de</strong>n Kontakt angenehm; <strong>und</strong> weil er das verspürte, wur<strong>de</strong><br />

er darüber zornig.<br />

„Da", sagte er fast grob, „ich kann das selber machen.<br />

Sie brauchen sich nicht zu bemühen."<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Sie sah ihn überrascht an. Dann kehrte sie zum Flechten<br />

<strong>de</strong>r Bogensehnen zurück. Sie sagte zwar nichts, aber <strong>de</strong>r<br />

kurze Blick bei <strong>de</strong>r Begegnung ihrer Augen zeigte<br />

Überraschung <strong>und</strong> Kränkung in <strong>de</strong>n ihren. Dasselbe hatte<br />

er einmal an einem Hirsch gesehen, <strong>de</strong>n er geschossen<br />

hatte; <strong>und</strong> nie wie<strong>de</strong>r hatte er einen Hirsch erlegt.<br />

Page 37 von 197


Du bist ein verdammter Feigling, dachte er bei sich.<br />

Dann, mit einem großen Aufwand von Willensstärke,<br />

sagte er: „Tut mir Leid. Ich wollte nicht grob sein."<br />

„Sie mögen mich nicht", sagte sie. „Weshalb? Habe ich<br />

irgen<strong>de</strong>twas getan, was Sie beleidigte?"<br />

„Natürlich nicht. Und was läßt Sie glauben, daß ich Sie<br />

nicht mag?"<br />

„Das ist ganz offensichtlich gewesen. Der kleine<br />

Sergeant mag mich auch nicht. Manchmal ertappe ich ihn<br />

dabei, wie er mich anschaut, als wollte er mir <strong>de</strong>n Kopf<br />

abbeißen."<br />

„Manche Männer sind Frauen gegenüber schüchtern",<br />

sagte er.<br />

Das Mädchen lächelte. „Sie nicht", sagte sie.<br />

Eine Weile schwiegen sie. Dann sagte er: „Wür<strong>de</strong>n Sie<br />

mir wie<strong>de</strong>r helfen? Ich bin schrecklich ungeschickt bei<br />

sowas."<br />

Corrie dachte: Er ist doch ein Gentleman.<br />

Abermals band sie <strong>die</strong> Fe<strong>de</strong>rn fest, während er sie<br />

hinhielt. Und ihre Hän<strong>de</strong> berührten sich. Zu seinem<br />

Verdruß ertappte sich Jerry dabei, daß er seine so<br />

bewegte, daß sie sie öfter berührte.<br />

Eine Menge Zeit wur<strong>de</strong> für das Bogenschießen<br />

aufgewandt, auch unterwegs. Corrie beschämte <strong>die</strong><br />

Männer. Sie war sehr schnell <strong>und</strong> sehr genau, <strong>und</strong> sie<br />

spannte <strong>de</strong>n Bogen kräftig - <strong>die</strong> gesamte Länge <strong>de</strong>s zwei<br />

Fuß, acht Zoll langen Pfeils, bis <strong>die</strong> Fe<strong>de</strong>rn ihr rechtes<br />

Ohr berührten.<br />

Clayton lobte sie. Shrimp meinte zu Bubonovitch, das<br />

sei je<strong>de</strong>nfalls Sport für Weicheier. Jerry bew<strong>und</strong>erte<br />

heimlich ihr Können <strong>und</strong> schämte sich vor sich selbst, daß<br />

er es bew<strong>und</strong>erte.<br />

Corrie erklärte, daß sie in Holland während ihrer<br />

Schulzeit zwei Jahre lang einem Bogenschützen-Club<br />

angehört hatte <strong>und</strong> daß sie nach <strong>de</strong>r Rückkehr zur<br />

Plantage ihres Vaters weitergeübt hatte. „Wenn ich jetzt<br />

nicht gut darin gewesen wäre, hielte ich mich für ziemlich<br />

dumm."<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Schließlich begann Shrimp mit seiner Treffsicherheit zu<br />

prahlen. Sie alle waren ganz gut, zum Unheil je<strong>de</strong>s Vogels<br />

o<strong>de</strong>r Wil<strong>de</strong>s, das ihnen über <strong>de</strong>n Weg lief. Sie hatten in<br />

einer Kalkklippe ein paar trockene Höhlen gef<strong>und</strong>en, <strong>und</strong><br />

Clayton hatte entschie<strong>de</strong>n, daß sie dort bleiben sollten,<br />

bis neue Kleidung <strong>und</strong> Schuhwerk hergestellt waren.<br />

Page 38 von 197


Der Englän<strong>de</strong>r hatte ein Hirschfell grob gehärtet <strong>und</strong><br />

aus Bambus eine Ahle <strong>und</strong> Na<strong>de</strong>ln angefertigt. Mit <strong>de</strong>n<br />

gleichen zähen Fasern, <strong>die</strong> sie für ihre Bogen <strong>und</strong> Pfeile<br />

benutzten, machte Corrie einfache Sandalen für sie, mit<br />

Hilfe <strong>die</strong>ser Materialien <strong>und</strong> Werkzeuge. Eines Morgens<br />

arbeitete sie allein, während <strong>die</strong> Männer auf <strong>de</strong>r Jagd<br />

waren. Ihre Gedanken durchwan<strong>de</strong>rten <strong>die</strong> zwei Jahre, <strong>die</strong><br />

vergangen waren - Jahre <strong>de</strong>r Trauer, Entbehrung <strong>und</strong><br />

Gefahr. Sie dachte an ihre gegenwärtige Lage - allein in<br />

<strong>de</strong>r Weite <strong>de</strong>r Bergwildnis mit vier frem<strong>de</strong>n Männern. Und<br />

sie erkannte, daß sie sich nie sicherer gefühlt hatte <strong>und</strong><br />

daß sie zum ersten Mal seit zwei Jahren glücklich war.<br />

Sie schmunzelte, als sie sich erinnerte, wie erschrocken<br />

sie war, als <strong>de</strong>r fast nackte braune Mann sie in <strong>de</strong>n Wald<br />

davon getragen hatte. Und wie überrascht sie gewesen<br />

war, als sie erfuhr, daß er ein Offizier <strong>de</strong>r Royal Air Force<br />

war. Ihn <strong>und</strong> Sergeant Bubonovitch hatte sie gleich von<br />

Anfang an gemocht. Ihr Herz hatte sich von <strong>de</strong>m<br />

Augenblick an für <strong>de</strong>n Sergeant erwärmt, da er ihr <strong>die</strong><br />

Bil<strong>de</strong>r von Frau <strong>und</strong> Kind gezeigt hatte. „Den kleinen<br />

Sergeant" o<strong>de</strong>r Captain Lucas hatte sie nicht gemocht.<br />

Sie hatte sie bei<strong>de</strong> für Bauernflegel gehalten; aber <strong>de</strong>r<br />

Captain war schlimmer, <strong>de</strong>nn er war ein gebil<strong>de</strong>ter<br />

Mann <strong>und</strong> hätte es besser wissen sollen.<br />

Das war, was sie bis vor kurzem gedacht hatte, aber seit<br />

<strong>de</strong>m Tag, da sie ihm beim Befie<strong>de</strong>rn seiner Pfeile<br />

geholfen hatte, war er an<strong>de</strong>rs. Noch immer suchte er ihre<br />

Gesellschaft nicht, aber er wich ihr nicht aus, wie er es<br />

davor getan hatte. Bubonovitch hatte ihr erzählt, was für<br />

ein guter Pilot er sei <strong>und</strong> wie ihn seine Mannschaft<br />

verehrte. Er zählte verschie<strong>de</strong>ne Beispiele für Lucas' Mut<br />

a u f , u n d s i e v e r b l a ß t e n n i c h t v o m E r z ä h l e n .<br />

Mannschaftsmitglie<strong>de</strong>r sind so, wenn sie einen Offizier<br />

mögen.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Daraus schloß Corrie, daß Lucas ein harter Mann war<br />

<strong>und</strong> möglicherweise ein Frauenhasser. Und <strong>die</strong>se letztere<br />

Vorstellung fand sie fesselnd. Amüsant auch. Sie<br />

schmunzelte bei <strong>de</strong>m Gedanken, wie sich ein Frauenfeind<br />

in einer solchen Situation fühlen mußte - Tag für Tag in<br />

eine enge Kameradschaft mit einer Frau gezwungen. Und<br />

einer jungen <strong>und</strong> schönen Frau, fügte sie im Geist hinzu.<br />

Denn Corrie war achtzehn, <strong>und</strong> sie wußte, daß sie mehr<br />

als schön war - sogar in Lumpen <strong>und</strong> mit <strong>die</strong>sem<br />

schrecklichen Haar auf <strong>de</strong>m Kopf, größtenteils ein<br />

rostiges Schwarz, aber blond an <strong>de</strong>n Wurzeln. Sie hatte<br />

keinen Spiegel, aber sie hatte ihr Ebenbild in stillen<br />

Page 39 von 197


Wassertümpeln gesehen. Da mußte sie immer lachen. Sie<br />

lachte leicht <strong>und</strong> oft in <strong>die</strong>sen Tagen, <strong>de</strong>nn sie war<br />

seltsam glücklich.<br />

Sie fragte sich, ob Captain Lucas sie nicht gemocht<br />

hätte, wenn sie einan<strong>de</strong>r unter normalen Umstän<strong>de</strong>n<br />

getroffen hätten - sie in eleganten Klei<strong>de</strong>rn <strong>und</strong> mit einer<br />

schönen, blon<strong>de</strong>n, schicklichen Frisur. Hätte sie sich<br />

selbst analysiert, wür<strong>de</strong> sie sich vielleicht auch gefragt<br />

haben, warum er ihr so viel durch ihre Gedanken ging.<br />

Natürlich sah er auf eine extrem maskuline Weise gut aus.<br />

Sie hielt ihn für alt <strong>und</strong> wäre überrascht gewesen zu<br />

erfahren, daß er erst drei<strong>und</strong>zwanzig war. Verantwortung<br />

<strong>und</strong> viele St<strong>und</strong>en intensiver nervlicher Belastung hatten<br />

ihn rasch reifen lassen.<br />

Ihre Gedanken wur<strong>de</strong>n vom Klang von Stimmen<br />

u n t e r b ro c h e n . E r s t n a h m s i e a n , d a ß d i e J ä g e r<br />

zurückkehrten. Dann, als <strong>die</strong> Klänge näher kamen,<br />

erkannte sie <strong>de</strong>n Tonfall <strong>de</strong>r Eingeborenensprache; <strong>und</strong><br />

einen Augenblick später tauchten mehrere Eingeborene<br />

am Höhleneingang auf. Sie waren schmutzige, bösartig<br />

wirken<strong>de</strong> Männer. Zehn waren es. Sie nahmen sie mit. Aus<br />

ihren Gesprächen erfuhr sie bald, warum: Die Japaner<br />

hatten für ihre <strong>und</strong> Sing Tais Ergreifung eine Belohnung<br />

ausgesetzt.<br />

Die Sonne ging unter, als <strong>die</strong> Jäger zur Höhle<br />

zurückkehrten. Der kurzen äquatorialen Dämmerung<br />

folgte bald <strong>die</strong> Dunkelheit. Die<br />

Männer vermißten das Mädchen sofort <strong>und</strong> fingen an,<br />

nach einer Erklärung zu suchen.<br />

„Sie ist uns vielleicht davongelaufen", sagte Shrimp.<br />

„Sei kein verdammter Narr", fuhr Lucas ihn an. Shrimp<br />

blieb vor Staunen <strong>de</strong>r M<strong>und</strong> offen. Er war sicher gewesen,<br />

daß <strong>de</strong>r Captain ihm zustimmen wür<strong>de</strong>. „Warum sollte sie<br />

uns davonlaufen?", fragte Lucas. „Wir bieten ihr <strong>die</strong><br />

e i n z i g e C h a n c e , d e n J a p a n e r n z u e n t k o m m e n .<br />

Wahrscheinlich ist sie jagen gegangen."<br />

„ Wa s b r i n g t S i e a u f d i e I d e e , s i e k ö n n t e u n s<br />

davongelaufen sein, Rosetti?", fragte Clayton, während er<br />

d e n B o d e n u n m i t t e l b a r v o r d e m H ö h l e n e i n g a n g<br />

untersuchte.<br />

„Ich kenne <strong>die</strong> Weiberröcke", sagte Shrimp.<br />

„Ich brauche bessere Beweise als solche", sagte <strong>de</strong>r<br />

Englän<strong>de</strong>r.<br />

„Nun, jagen ging sie nicht", sagte Bubonovitch.<br />

„Woher weißt du das?", fragte Lucas.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Page 40 von 197


„Ihr Bogen <strong>und</strong> <strong>die</strong> Pfeile sind hier."<br />

„Nein, jagen ging sie nicht, <strong>und</strong> weggelaufen ist sie<br />

auch nicht", sagte Clayton. „Sie wur<strong>de</strong> gewaltsam von<br />

einer Ban<strong>de</strong> Eingeborener weggebracht. Einer Ban<strong>de</strong> von<br />

zehn. Sie gingen dorthin." Er wies <strong>die</strong> Richtung.<br />

„Haben Sie eine Kristallkugel?", fragte Bubonovitch<br />

skeptisch.<br />

„Ich habe etwas Verläßlicheres - zwei Augen <strong>und</strong> eine<br />

Nase. Die haben Sie auch, Mann, aber Ihre sind nichts<br />

wert. Sie sind Generationen lang vom verweichlichten<br />

Leben abgestumpft, weil sie Gesetze hatten, <strong>und</strong> zum<br />

Schutz von Polizei <strong>und</strong> Soldaten umgeben waren."<br />

„Und wie war das bei Ihnen, Clayton?", fragte Lucas<br />

anzüglich.<br />

„Ich habe einfach überlebt, weil meine Sinne so<br />

geschärft sind wie <strong>die</strong> meiner Fein<strong>de</strong> - für gewöhnlich<br />

weitaus schärfer."<br />

„Was macht Sie so sicher, daß sie nicht freiwillig mit<br />

<strong>de</strong>n Eingeborenen ging?", fragte Jerry Lucas. „Sie könnte<br />

einige gute Grün<strong>de</strong> haben, von <strong>de</strong>nen wir natürlich nichts<br />

wissen können. Aber bestimmt glaube ich, daß sie uns<br />

nicht im Stich gelassen hat."<br />

„Sie wur<strong>de</strong> nach sehr kurzem Kampf mit Gewalt<br />

weggebracht. Die Zeichen auf <strong>de</strong>m Bo<strong>de</strong>n sind klar. Hier<br />

könnt ihr sehen, wo sie festgehalten <strong>und</strong> ein paar Fuß<br />

weit geschleppt wur<strong>de</strong>. Dann verschwin<strong>de</strong>n ihre Spuren.<br />

Sie hoben sie hoch <strong>und</strong> trugen sie. Der Geruch <strong>de</strong>r<br />

Eingeborenen hängt in <strong>de</strong>n Gräsern."<br />

„Nun, worauf warten wir dann noch?", fragte Lucas.<br />

„Gehen<br />

„Klar", sagte Shrimp. „Laßt uns <strong>die</strong>se schmutzigen<br />

Kreaturen verfolgen. Sie können nicht einfach -" Plötzlich<br />

hielt er inne, verblüfft von <strong>de</strong>r seltsamen Reaktion, <strong>die</strong> <strong>die</strong><br />

Entführung <strong>de</strong>s verhaßten „Weibsbilds" hervorgerufen<br />

hatte.<br />

Es hatte zu regnen begonnen - in einem plötzlichen<br />

tropischen Guß. „Hat keinen Zweck, jetzt loszuziehen",<br />

sagte Clayton. „Dieser Regen wird <strong>die</strong> Geruchsspur<br />

auslöschen, <strong>und</strong> <strong>de</strong>n sichtbaren Spuren könnten wir im<br />

Finstern nicht folgen. Sie wer<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r Nacht irgendwo<br />

l a g e r n . E i n g e b o re n e m ö g e n e s n i c h t , n a c h d e m<br />

Dunkelwer<strong>de</strong>n zu reisen, wegen <strong>de</strong>r großen Katzen. Wir<br />

ziehen sofort los, wenn es mir am Morgen hell genug ist,<br />

<strong>die</strong> Spur zu erkennen."<br />

„Das arme Kind", sagte Jerry Lucas.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Page 41 von 197


Sobald es hell genug war, um etwas zu sehen, brachen<br />

sie auf, um Corries Entführer aufzuspüren. Die Amerikaner<br />

sahen kein Anzeichen irgen<strong>de</strong>iner Spur, aber für <strong>die</strong><br />

geübten Augen <strong>de</strong>s Englän<strong>de</strong>rs verlief sie klar <strong>und</strong><br />

<strong>de</strong>utlich. Er sah, wo man Corrie nach einem kurzen Stück<br />

abgesetzt <strong>und</strong> zu gehen gezwungen hatte.<br />

Später am Vormittag hielt Clayton an <strong>und</strong> schnupperte.<br />

Eine sanfte Brise wehte aus <strong>de</strong>r Richtung, aus <strong>de</strong>r sie<br />

gekommen waren. „Ihr steigt besser auf <strong>die</strong> Bäume",<br />

sagte er zu <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren. „Da kommt ein Tiger auf <strong>de</strong>m<br />

Pfad hinter uns her. Er ist nicht sehr weit weg."<br />

*<br />

Corries Entführer hatten am Rand einer Bergwiese<br />

gelagert, als <strong>die</strong> Dunkelheit hereinbrach. Sie machten<br />

Feuer, um <strong>die</strong> großen Katzen fernzuhalten, <strong>und</strong> kauerten<br />

sich in seiner Nähe aneinan<strong>de</strong>r. Einen Mann ließen sie es<br />

unterhalten.<br />

Das mü<strong>de</strong> Mädchen schlief einige St<strong>und</strong>en lang. Als sie<br />

erwachte, sah sie, daß das Feuer erloschen war, <strong>und</strong><br />

wußte, daß <strong>de</strong>r Wächter eingeschlafen war. Sie erkannte,<br />

daß sie nun entkommen könnte. Sie schaute auf <strong>de</strong>n<br />

finsteren, unzugänglichen Wald - nichts als ein festes<br />

Stück von Schwärze. Doch darin lauerte vermutlich <strong>de</strong>r<br />

Tod. In <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Richtung, <strong>de</strong>r Richtung, in <strong>die</strong> sie<br />

<strong>die</strong>se Männer brachten, lag etwas Schlimmeres als <strong>de</strong>r<br />

Tod.<br />

Leise erhob sie sich. Der Wächter lag ausgestreckt<br />

neben <strong>de</strong>r Asche <strong>de</strong>s erloschenen Feuers. Sie umging ihn<br />

<strong>und</strong> <strong>die</strong> an<strong>de</strong>ren. Einen Augenblick später betrat sie <strong>de</strong>n<br />

Wald. Obwohl <strong>de</strong>r Pfad tief ausgetreten war, war es<br />

schwierig, ihm im Finstern zu folgen, <strong>und</strong> sie kam langsam<br />

voran <strong>und</strong> stolperte häufig. Doch sie ging weiter, damit<br />

sie vor Tageslicht möglichst viel Abstand zwischen sich<br />

<strong>und</strong> ihre Häscher brachte.<br />

Sie fürchtete sich. Der Wald war voller Geräusche -<br />

schleichen<strong>de</strong>r, quälen<strong>de</strong>r Geräusche. Und einige davon<br />

mochten <strong>die</strong> Tritte o<strong>de</strong>r Flügelschläge <strong>de</strong>s To<strong>de</strong>s sein.<br />

Dennoch tastete sie sich auf ihrem Weg weiter, tiefer <strong>und</strong><br />

tiefer in <strong>die</strong> <strong>und</strong>urchdringliche Düsternis, bis sie ein<br />

Geräusch vernahm, das ihr das Blut gefrieren ließ - das<br />

Keuchen eines Tigers. Und dann hörte sie ein Krachen<br />

d u r c h d a s U n t e r h o l z , a l s o b e r i h r e W i t t e r u n g<br />

aufgefangen o<strong>de</strong>r sie gehört hätte.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Sie griff mit ausgestreckten Hän<strong>de</strong>n vom Pfad seitwärts.<br />

Sie betete, daß sie einen Baum fin<strong>de</strong>n möge, <strong>de</strong>n sie<br />

erklettern konnte. Eine herabhängen<strong>de</strong> Ranke schlug ihr<br />

Page 42 von 197


ins Gesicht, als sie dagegen rannte. Sie packte sie <strong>und</strong><br />

begann zu klettern. Das Krachen <strong>de</strong>s Körpers <strong>de</strong>r Bestie<br />

durch das verfilzte Gestrüpp erklang näher. Corrie<br />

k ä m p f t e s i c h e m p o r. Vo n u n t e n k a m w i e d e r h o l t<br />

abscheuliches Gebrüll, als <strong>de</strong>r Tiger sprang. Der Aufprall<br />

seines Körpers riß ihr fast <strong>die</strong> Ranke aus <strong>de</strong>n Hän<strong>de</strong>n,<br />

aber Schrecken <strong>und</strong> Verzweiflung verliehen ihr Kraft.<br />

Einmal noch schwang <strong>die</strong> Ranke wild, als <strong>die</strong> Bestie<br />

abermals sprang, aber nun wußte das Mädchen, daß sie<br />

sie nicht erreichen konnte, wenn <strong>die</strong> Ranke hielt. Da lag<br />

<strong>die</strong> Gefahr. Noch zwei Mal sprang <strong>de</strong>r Tiger, aber<br />

schließlich erreichte Corrie <strong>die</strong> unteren Äste - eine<br />

belaubte Zuflucht, wenigstens vor <strong>de</strong>n großen Katzen.<br />

Einige Zeit lang blieb <strong>de</strong>r Fleischfresser unter <strong>de</strong>m<br />

Baum, gelegentlich knurrend. Endlich hörte ihn das<br />

Mädchen abziehen. Sie überlegte, ob sie hinuntersteigen<br />

<strong>und</strong> ihre Flucht fortsetzen sollte. Sie war überzeugt, daß<br />

Clayton schließlich nach ihr suchen wür<strong>de</strong>, aber vor <strong>de</strong>m<br />

Tageslicht konnte er nichts tun. Sie dachte an Jerry Lucas.<br />

Auch wenn er sie nicht mochte, wür<strong>de</strong> er auf <strong>de</strong>r Suche<br />

nach ihr wahrscheinlich helfen - nicht, weil sie Corrie van<br />

<strong>de</strong>r Meer war, son<strong>de</strong>rn weil sie eine Frau war.<br />

Sie beschloß, das Tageslicht abzuwarten. Manchmal<br />

jagte <strong>de</strong>r Gestreifte am Tag, aber meistens <strong>de</strong>s Nachts.<br />

Und das war, was <strong>die</strong> Malaien Tigerwetter nannten - eine<br />

dunkle, sternenlose, dunstige Nacht.<br />

Bald en<strong>de</strong>te <strong>die</strong> lange Nacht, <strong>und</strong> Corrie kletterte<br />

hinab auf <strong>de</strong>n Pfad, um ihre unterbrochene Flucht<br />

fortzusetzen. Sie zog jetzt eilig weiter.<br />

Auf <strong>de</strong>n Ästen eines Baumes, <strong>die</strong> über <strong>de</strong>n Pfad hingen,<br />

warteten <strong>die</strong> Überleben<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Lovely Lady darauf, daß<br />

<strong>de</strong>r Tiger vorüberlief, damit sie wie<strong>de</strong>r hinabsteigen<br />

konnten. Sie hatten nicht <strong>die</strong> Absicht, ihm in <strong>die</strong> Quere zu<br />

kommen. So oft schon waren sie Clayton auf <strong>die</strong> Bäume<br />

gefolgt, daß Shrimp sagte, er erwartete, daß ihm bald ein<br />

Schwanz wachsen wür<strong>de</strong>. „Das ist alles, was dir noch<br />

fehlt", versicherte Bubonovitch ihm.<br />

Die gewöhnlichen Laute eines Urwalds bei Tag<br />

umgaben sie. Daran waren sie nun schon so gewöhnt -<br />

<strong>die</strong> heiseren Vogelrufe, das schreckliche Dröhnen <strong>de</strong>r<br />

Siamang-Gibbons, das Geschnatter <strong>de</strong>r kleineren Affen -<br />

aber kein Tigerlaut. Shrimp entschied, es sei ein<br />

Fehlalarm gewesen.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Unter ihnen war <strong>de</strong>r Pfad nicht weiter als h<strong>und</strong>ert Fuß<br />

zu sehen, etwa je fünfzig in je<strong>de</strong>r Richtung zwischen zwei<br />

Page 43 von 197


Biegungen. Plötzlich tauchte <strong>de</strong>r Tiger auf, sich gelenkig,<br />

schmiegsam <strong>und</strong> auf weichen Pfoten voranschleichend.<br />

Zugleich kam an <strong>de</strong>r jenseitigen Biegung eine schlanke<br />

Gestalt in Sicht. Es war Corrie. Der Tiger <strong>und</strong> das<br />

Mädchen hielten bei<strong>de</strong> an, einan<strong>de</strong>r weniger als h<strong>und</strong>ert<br />

Schritt weit gegenüber. Der Tiger gab ein tiefes Grollen<br />

von sich <strong>und</strong> begann vorwärts zu trotten. Corrie wirkte vor<br />

Schreck gelähmt. Im ersten Moment bewegte sie sich<br />

nicht. Und in <strong>de</strong>mselben Moment sah sie einen fast<br />

nackten Mann <strong>de</strong>m Fleischfresser von oben herab auf <strong>de</strong>n<br />

Rücken springen. Unverzüglich sprangen ihm drei andre<br />

Männer nach, auf <strong>de</strong>n Pfad herab. Sie rissen Messer aus<br />

ihren Schei<strong>de</strong>n, als sie <strong>de</strong>m Mann nachrannten, <strong>de</strong>r mit<br />

<strong>de</strong>r großen Katze kämpfte. Und <strong>de</strong>r Erste unter ihnen war<br />

Sergeant Rosetti, <strong>de</strong>r Frauenfeind.<br />

Ein stählerner Arm umfing <strong>de</strong>n Hals <strong>de</strong>s Tigers, mächtig<br />

muskulöse Beine umklammerten seine Len<strong>de</strong>n, <strong>und</strong> <strong>de</strong>r<br />

freie Arm <strong>de</strong>s Mannes stieß <strong>de</strong>r Bestie eine scharfe Klinge<br />

in <strong>die</strong> linke Seite. Rasen<strong>de</strong>s Gebrüll entrang sich <strong>de</strong>r<br />

wil<strong>de</strong>n Kehle <strong>de</strong>r großen Katze, während sie sich in<br />

ohnmächtiger Wut hin <strong>und</strong> her warf. Und zu Corries<br />

Schrecken vermischte sich damit ebenso wil<strong>de</strong>s Gebrüll,<br />

das aus <strong>de</strong>r Kehle <strong>de</strong>s Mannes drang. Ungläubig<br />

beobachteten <strong>die</strong> drei Amerikaner <strong>de</strong>n kurzen Kampf<br />

zwischen <strong>de</strong>n Bei<strong>de</strong>n - zwei Dschungelbestien - wegen<br />

<strong>de</strong>r wil<strong>de</strong>n Sprünge <strong>und</strong> Drehungen <strong>de</strong>s verw<strong>und</strong>eten<br />

Tigers nicht in <strong>de</strong>r Lage, <strong>de</strong>m Mann beizuspringen.<br />

Aber was ihnen so lange vorkam, war nur eine Sache<br />

von<br />

Sek<strong>und</strong>en. Die große Gestalt <strong>de</strong>s Tigers erschlaffte <strong>und</strong><br />

sank zu Bo<strong>de</strong>n. Und <strong>de</strong>r Mann erhob sich, setzte einen<br />

Fuß auf ihn <strong>und</strong> gab mit zum Himmel erhobenem Gesicht<br />

einen fürchterlichen Schrei von sich - <strong>de</strong>n Siegesschrei<br />

<strong>de</strong>s Affenbullen. Corrie fürchtete sich plötzlich vor <strong>die</strong>sem<br />

Mann, <strong>de</strong>r immer so zivilisiert <strong>und</strong> kultiviert gewirkt hatte.<br />

Sogar <strong>die</strong> Männer waren erschrocken.<br />

Plötzliche Erkenntnis erleuchtete Jerry Lucas' Augen.<br />

„John Clayton", sagte er, „Lord Greystoke - <strong>Tarzan</strong> von<br />

<strong>de</strong>n Affen!"<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

<strong>Tarzan</strong> schüttelte sein Haupt, als wollte er seinen<br />

Verstand von einer Besessenheit klären. Der dünne<br />

Schleier <strong>de</strong>r Zivilisation war in <strong>de</strong>r Hitze <strong>de</strong>s Kampfes von<br />

ihm abgefallen. Vorübergehend hatte er sich in <strong>die</strong> wil<strong>de</strong>,<br />

v o r z e i t l i c h e B e s t i e z u r ü c k v e r w a n d e l t , a l s d i e e r<br />

aufgezogen wor<strong>de</strong>n war. Aber beinah sofort wur<strong>de</strong> er<br />

wie<strong>de</strong>r zu seinem zweiten Ich. Er begrüßte Corrie mit<br />

Page 44 von 197


einem Lächeln. „Sie sind ihnen also entkommen", sagte<br />

er.<br />

Corrie nickte. Sie zitterte, immer noch erschüttert <strong>und</strong><br />

k n a p p v o r e i n e m Tr ä n e n a u s b r u c h , Tr ä n e n d e r<br />

Erleichterung <strong>und</strong> Dankbarkeit. „Ja, in <strong>de</strong>r Nacht bin ich<br />

ihnen entkommen. Aber wenn Sie nicht gewesen wären,<br />

hätte es mir nicht viel genützt, o<strong>de</strong>r?"<br />

„Wir hatten Glück, daß wir zur rechten Zeit am rechten<br />

Ort waren. Setzen Sie sich lieber ein wenig hin. Sie wirken<br />

erschöpft."<br />

„Das bin ich." Sie setzte sich an <strong>de</strong>n Wegrand, <strong>und</strong> <strong>die</strong><br />

vier Männer versammelten sich um sie herum. Jerry Lucas<br />

strahlte vor Freu<strong>de</strong> <strong>und</strong> Erleichterung. Sogar Shrimp war<br />

glücklich über alles.<br />

„Ich bin froh, daß Sie wie<strong>de</strong>r da sind, Miß, bestimmt",<br />

sagte er. Als ihm dann klar wur<strong>de</strong>, was er gesagt hatte,<br />

wur<strong>de</strong> er rot. Shrimps Seelenleben hatte in <strong>de</strong>r letzten<br />

Zeit heftige Schläge erlitten. Eine Reihe von lebenslangen<br />

Ängsten waren ihm ausgetrieben wor<strong>de</strong>n. Er war<br />

gezwungen wor<strong>de</strong>n, einen Englän<strong>de</strong>r zu bew<strong>und</strong>ern <strong>und</strong><br />

ein Weibsbild zu mögen. Corrie berichtete ihnen von ihrer<br />

Gefangennahme <strong>und</strong> Flucht, <strong>und</strong> sie <strong>und</strong> <strong>die</strong> Amerikaner<br />

besprachen, wie <strong>de</strong>r Tiger getötet wor<strong>de</strong>n war. „Hatten<br />

Sie keine Angst?", fragte sie <strong>Tarzan</strong>.<br />

<strong>Tarzan</strong>, <strong>de</strong>r sich nie in seinem Leben gefürchtet hatte,<br />

nur vorsichtig gewesen war, kam bei <strong>de</strong>r Beantwortung<br />

einer solchen Frage, <strong>die</strong> ihm oft gestellt wur<strong>de</strong>, in<br />

Verlegenheit. Er wußte einfach nicht, was Angst war.<br />

„Ich wußte, daß ich <strong>die</strong> Bestie töten kann", sagte er.<br />

„Ich dachte, Sie sind übergeschnappt, als ich Sie auf<br />

sie hinabspringen sah", sagte Bubonovitch. „Ich<br />

war wirklich<br />

erschrocken."<br />

„Dennoch seid ihr mir gefolgt, um mir zu helfen, ihr<br />

alle. Wenn ihr geglaubt habt, ihr hättet dabei getötet<br />

wer<strong>de</strong>n können, war das wirklich mutig."<br />

„Warum haben Sie uns nicht gesagt, daß Sie <strong>Tarzan</strong><br />

sind?", fragte Jerry.<br />

„Was für einen Unterschied hätte das gemacht?"<br />

„Wir waren echt blöd, daß wir Sie nicht schon lang<br />

vorher erkannt haben", sagte Bubonovitch.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Corrie sagte, sie könnte weitergehen. Die Männer<br />

sammelten <strong>die</strong> Bogen ein, <strong>die</strong> sie beiseite geworfen<br />

hatten, als sie auf <strong>de</strong>n Bo<strong>de</strong>n herab gesprungen waren,<br />

<strong>und</strong> sie machten sich auf <strong>de</strong>n Weg zurück zu ihrem Lager.<br />

Page 45 von 197


„Komisch, keiner von uns dachte daran, ihn mit <strong>de</strong>n<br />

Pfeilen zu erschießen", sagte Shrimp.<br />

„Die hätten ihn nur noch zorniger gemacht", sagte<br />

<strong>Tarzan</strong>. „Natürlich, wenn man ihm einen durchs Herz<br />

schießt, wür<strong>de</strong> das einen Tiger töten, aber er wür<strong>de</strong> lang<br />

genug leben, daß er eine schreckliche Menge Unheil<br />

anrichtet."<br />

„Von einem Löwen o<strong>de</strong>r Tiger zerfleischt zu wer<strong>de</strong>n,<br />

muß eine schreckliche Art zu sterben sein", sagte Corrie<br />

schau<strong>de</strong>rnd.<br />

„Im Gegenteil, es scheint eher eine rasche Art zu sein -<br />

wenn man sterben muß", sagte <strong>Tarzan</strong>. „Eine Anzahl von<br />

Männern, <strong>die</strong> von Löwen angefallen wur<strong>de</strong>n <strong>und</strong> überlebt<br />

haben, berichteten über ihre Eindrücke. Sie erklärten<br />

einhellig, daß sie we<strong>de</strong>r Schmerz noch Furcht verspürt<br />

hatten."<br />

„Sollen sie nur", sagte Shrimp. „Ich würd' mich lieber<br />

an eine Maschinenpistole halten."<br />

<strong>Tarzan</strong> hielt sich auf <strong>de</strong>m Rückweg zum Lager ans En<strong>de</strong><br />

<strong>de</strong>r kleinen Gruppe, damit Usha, <strong>de</strong>r Wind, seiner Nase<br />

rechtzeitig <strong>die</strong> Warnung vor <strong>de</strong>n Eingeborenen zutrug,<br />

falls sie Corrie verfolgten. Shrimp ging neben ihm <strong>und</strong><br />

beäugte je<strong>de</strong> seiner Bewegungen voll Bew<strong>und</strong>erung. Wer<br />

hätte gedacht, sagte er sich, daß ich je mit <strong>Tarzan</strong> von<br />

<strong>de</strong>n Affen im Dschungel herumrenne. Jerry <strong>und</strong> Corrie<br />

führten unterwegs. Er ging unmittelbar hinter einer ihrer<br />

Schultern. Aus <strong>die</strong>ser Position konnte er ihr Profil<br />

betrachten. Er fand, es war ein sehr nettes Profil zum<br />

Anschauen.<br />

„Sie müssen sehr mü<strong>de</strong> sein", sagte er. Er bedachte,<br />

daß sie <strong>die</strong>sen Weg <strong>de</strong>n ganzen gestrigen Tag <strong>und</strong> <strong>de</strong>n<br />

heutigen gegangen war, so gut wie ohne Schlaf<br />

dazwischen.<br />

„Ein wenig", erwi<strong>de</strong>rte sie. „Aber ich bin das Laufen<br />

gewohnt.<br />

Ich bin recht zäh."<br />

„Wir erschraken, als wir bemerkten, daß Sie weg waren,<br />

<strong>und</strong> <strong>Tarzan</strong> ent<strong>de</strong>ckte, daß Sie entführt wor<strong>de</strong>n waren."<br />

Sie warf ihm einen schnellen, fragen<strong>de</strong>n Blick zu. „Sie -<br />

ein Frauenfeind!", warf sie ihm vor.<br />

„Wer sagt, ich sei ein Frauenfeind?"<br />

„Sie <strong>und</strong> <strong>de</strong>r kleine Sergeant."<br />

„Ich hab' Ihnen das nicht gesagt, <strong>und</strong> Shrimp weiß<br />

nicht, was das ist."<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Page 46 von 197


„Ich habe nicht <strong>de</strong>n Ausdruck gemeint. Ich meinte, daß<br />

Sie bei<strong>de</strong> Frauenfein<strong>de</strong> sind. Keiner sagte es. Es war ganz<br />

offensichtlich."<br />

„Vielleicht hielt ich mich für einen", sagte er. Dann<br />

erzählte er ihr von <strong>de</strong>m Mädchen, das ihm <strong>de</strong>n Laufpaß<br />

gegeben hatte.<br />

„Und Sie lieben sie so sehr?"<br />

„Tu ich nicht. Ich glaube, es war mein verletzter Stolz.<br />

Jetzt weiß ich's besser."<br />

„ S i e m e i n e n , e s i s t b e s s e r, v o r d e r H e i r a t<br />

herauszufin<strong>de</strong>n, daß sie flatterhaft ist, als nachher?"<br />

„Belassen wir's dabei - vorläufig. Ich weiß nur, ich<br />

möchte nicht, daß sie jetzt noch in mich verliebt wäre."<br />

Corrie dachte darüber nach. Was für Schlüsse sie<br />

daraus auch zog, sie behielt sie für sich. Als sie ein paar<br />

Minuten später das Lager erreichten, summte sie ein<br />

fröhliches kleines Liedchen. Nach<strong>de</strong>m sie in <strong>die</strong> Höhle<br />

gegangen war, sagte Bubonovitch zu Jerry: „Wie geht es<br />

<strong>de</strong>m Frauenfeind an <strong>die</strong>sem Nachmittag?"<br />

„Halt <strong>die</strong> Klappe", sagte Jerry.<br />

<strong>Tarzan</strong> hatte auf seine Fragen über <strong>die</strong> Entführer von<br />

Corrie erfahren, daß sie zu zehnt waren <strong>und</strong> mit Kris <strong>und</strong><br />

Parang bewaffnet. Sie hatten keine Feuerwaffen. Die<br />

Japaner hatten alle <strong>de</strong>rartigen Waffen, <strong>die</strong> sie fin<strong>de</strong>n<br />

konnten, konfisziert.<br />

Die Fünf versammelten sich am Höhleneingang <strong>und</strong><br />

besprachen Zukunftspläne, einschließlich <strong>de</strong>r Taktiken für<br />

<strong>de</strong>n Fall, daß <strong>die</strong> Stammesleute zurückkehrten. Wer<br />

wollte, hatte in solchen Diskussionen gleich viel<br />

mitzure<strong>de</strong>n. Aber seit sie das Flugzeug verlassen hatten,<br />

wo Jerry <strong>die</strong> Autorität <strong>de</strong>s Vorgesetzten besessen hatte,<br />

gab es eine stillschweigen<strong>de</strong> Übereinkunft, <strong>Tarzan</strong> als<br />

A n f ü h r e r z u a k z e p t i e r e n . J e r r y a n e r k a n n t e d i e<br />

Zweck<strong>die</strong>nlichkeit. In seinen Gedanken war nie <strong>die</strong> Frage<br />

aufgetaucht, ebenso wenig wie in <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren, ob<br />

<strong>de</strong>r Englän<strong>de</strong>r in seinen Kenntnissen <strong>und</strong> Erfahrungen<br />

über <strong>de</strong>n Dschungel besser ausgestattet war, o<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>n<br />

F ä h i g k e i t e n s e i n e r S i n n e s w a h r n e h m u n g e n u n d<br />

körperlichen Tapferkeit. Er führte sie sicherer an <strong>und</strong><br />

beschützte sie besser als sonst einer. Sogar Shrimp mußte<br />

das anerkennen, wenn ihm das anfangs auch schwer fiel.<br />

Nun wäre er einer <strong>de</strong>r eifrigsten Unterstützer <strong>de</strong>s Briten<br />

gewesen, hätte es An<strong>de</strong>rsmeinen<strong>de</strong> gegeben.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

„Corrie erzählte mir", sagte <strong>Tarzan</strong>, „daß eine Gruppe<br />

von zehn Männern sie entführt hat. Die meisten von<br />

ihnen, sagt sie, sind mit einem langen, gera<strong>de</strong>n Kris<br />

Page 47 von 197


ewaffnet, nicht von <strong>de</strong>r Art mit <strong>de</strong>r gewellten Klinge, <strong>die</strong><br />

<strong>die</strong> meisten von uns kennen. Sie alle tragen Parangs,<br />

schwere Messer, <strong>die</strong> eher als Werkzeug <strong>de</strong>nn als Waffe<br />

gedacht sind. Feuerwaffen haben sie keine.<br />

Falls sie kommen, wer<strong>de</strong>n wir sie anhalten müssen, ehe<br />

sie uns zu nahe kommen. Corrie wird als Dolmetsch<br />

helfen. Da sie uns im Verhältnis zwei zu eins überlegen<br />

sind, sollten wir uns ohne Schwierigkeiten halten können.<br />

Wir sind vier Bogenschützen - "<br />

„Fünf, verbesserte ihn Corrie.<br />

<strong>Tarzan</strong> lächelte. „Wir sind fünf Bogenschützen, <strong>und</strong> alle<br />

treffsicher. Wir wer<strong>de</strong>n versuchen sie zu bewegen, lieber<br />

wegzugehen <strong>und</strong> uns in Ruhe zu lassen. Wir wer<strong>de</strong>n nicht<br />

schießen, bevor es unbedingt nötig ist."<br />

„Blödsinn", sagte Shrimp. „Wir sollten es ihnen zeigen<br />

dafür, daß sie <strong>die</strong> Kleine gestohlen haben." Corrie<br />

schenkte ihm einen überraschten, ungläubigen Blick.<br />

Jerry <strong>und</strong> Bubonovitch grinsten. Shrimp wur<strong>de</strong> rot.<br />

„Noch ein Frauenfeind weniger", flüsterte Bubonovitch<br />

Jerry zu. „Ich weiß, was Sie empfin<strong>de</strong>n, Rosetti", sagte<br />

<strong>Tarzan</strong>. „Ich glaube, wir fühlen alle gleich. Aber vor<br />

Jahren habe ich gelernt, nur wegen Nahrung <strong>und</strong><br />

Verteidigung zu töten. Ich habe das von <strong>de</strong>nen gelernt,<br />

<strong>die</strong> ihr Bestien nennt. Wer aus an<strong>de</strong>ren Grün<strong>de</strong>n tötet,<br />

etwa aus Vergnügen o<strong>de</strong>r Rache, setzt sich herab, macht<br />

sich zum Wil<strong>de</strong>n. Ich wer<strong>de</strong> euch sagen, wann ihr<br />

schießt."<br />

„Vielleicht wer<strong>de</strong>n sie gar nicht kommen", sagte Corrie.<br />

<strong>Tarzan</strong> schüttelte <strong>de</strong>n Kopf. „Sie wer<strong>de</strong>n kommen. Sie<br />

sind schon fast hier."<br />

Als Iskandar erwachte, schien ihm <strong>die</strong> Sonne voll ins<br />

Gesicht. Er erhob sich auf einem Ellbogen. Seine Augen<br />

erfaßten <strong>die</strong> Szene vor ihm. Seine neun Genossen<br />

schliefen. Der Wächter schlief neben <strong>de</strong>m erloschenen<br />

Feuer. Die Gefangene war nicht da. Sein häßliches<br />

Gesicht verzog sich im Zorn. Iskandar packte seinen Kris<br />

<strong>und</strong> sprang auf <strong>die</strong> Beine. Die Schreie <strong>de</strong>s Wächters<br />

weckten <strong>die</strong> an<strong>de</strong>ren Schläfer. „Schwein!", brüllte<br />

Iskandar <strong>und</strong> hackte auf Kopf <strong>und</strong> Leib seines Opfers los,<br />

während <strong>de</strong>r Mann auf Hän<strong>de</strong>n <strong>und</strong> Füßen von ihm weg<br />

zu kriechen versuchte. „Die Tiger hätten kommen <strong>und</strong> uns<br />

alle töten können. Und <strong>de</strong>inetwegen ist <strong>die</strong> Frau<br />

entkommen."<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Ein letzter Hieb gegen <strong>die</strong> Schä<strong>de</strong>lbasis, <strong>de</strong>r <strong>die</strong><br />

Wirbelsäule abtrennte, been<strong>de</strong>te <strong>die</strong> Folter. Iskandar<br />

wischte seinen blutigen Kris an <strong>de</strong>r Kleidung <strong>de</strong>s Toten ab<br />

Page 48 von 197


<strong>und</strong> wandte sein finsteres Gesicht seinen Männern zu.<br />

„Kommt!", befahl er. „Sie kann nicht weit sein. Beeilt<br />

euch!"<br />

Bald fan<strong>de</strong>n sie Corries Fußabdrücke auf <strong>de</strong>m Pfad <strong>und</strong><br />

eilten zur Verfolgung. Auf halbem Weg zur Höhle, wo sie<br />

sie gefangen hatten, stießen sie auf <strong>de</strong>n Körper eines<br />

Tigers. Iskandar untersuchte ihn sorgfältig. Er sah <strong>die</strong><br />

Messerw<strong>und</strong>en hinter seiner linken Schulter. Er sah viele<br />

Fußabdrücke auf <strong>de</strong>m schlammigen Pfad. Da waren jene<br />

<strong>de</strong>s Mädchens <strong>und</strong> an<strong>de</strong>re, von gleichen rohen Sandalen<br />

hinterlassene, <strong>die</strong> sie trug, aber größer - <strong>die</strong> Fußspuren<br />

von Männern. Iskandar war verunsichert. Da schien es<br />

ausreichen<strong>de</strong> Beweise zu geben, daß jemand <strong>de</strong>n Tiger<br />

erstochen hatte. Aber das war unmöglich. Niemand hätte<br />

in <strong>die</strong> Reichweite <strong>die</strong>ser schrecklichen Klauen <strong>und</strong> Zähne<br />

kommen können <strong>und</strong> am Leben bleiben. Sie zogen weiter,<br />

<strong>und</strong> am Nachmittag kamen sie in Sichtweite <strong>de</strong>r Höhle.<br />

„Da kommen sie", sagte Jerry Lucas.<br />

„Dort sind nur vier Männer", sagte Iskandar. „Tötet <strong>die</strong><br />

M ä n n e r, a b e r t u t d e r F r a u n i c h t s . " D i e n e u n<br />

S t a m m e s a n g e h ö r i g e n r ü c k t e n z u v e r s i c h t l i c h m i t<br />

gezücktem Kris vor.<br />

Ta r z a n e r l a u b t e i h n e n , b i s a u f h u n d e r t F u ß<br />

heranzukommen. Dann ließ er ihnen von Corrie zurufen:<br />

„Halt! Kommt nicht weiter heran!"<br />

Je<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Fünf hatte einen Pfeil auf seinen Bogen<br />

gelegt. Mit <strong>de</strong>r linken Hand hielten sie weitere Pfeile.<br />

Iskandar lachte <strong>und</strong> gab <strong>de</strong>n Befehl zum Angriff. „Gebt es<br />

ihnen", sagte <strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> schickte<br />

einen Pfeil durch Iskandars Bein. Der stürzte. Vier <strong>de</strong>r<br />

an<strong>de</strong>ren wur<strong>de</strong>n von <strong>de</strong>r ersten Pfeilsalve getroffen. Zwei<br />

von <strong>de</strong>n übrigen hielten an, doch zwei kamen herbei,<br />

brüllend wie Dämonen. <strong>Tarzan</strong> schoß einem je<strong>de</strong>n von<br />

ihnen einen Pfeil durchs Herz. Sie waren zu nahe, um so<br />

wie Iskandar verschont zu wer<strong>de</strong>n. So nahe, daß <strong>de</strong>r eine<br />

im Sturz fast <strong>Tarzan</strong>s Füße berührte.<br />

Er drehte sich zu Corrie um. „Sagen Sie ihnen, wenn sie<br />

ihre Waffen wegwerfen <strong>und</strong> <strong>die</strong> Hän<strong>de</strong> erheben, wer<strong>de</strong>n<br />

wir sie nicht töten."<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Nach<strong>de</strong>m das Mädchen <strong>die</strong> Anweisungen übersetzt<br />

hatte, murrten <strong>die</strong> Eingeborenen trotzig; we<strong>de</strong>r warfen sie<br />

ihre Waffen weg, noch hoben sie <strong>die</strong> Hän<strong>de</strong>. „Legt Pfeile<br />

auf eure Bögen wir nähern uns langsam", befahl <strong>Tarzan</strong>.<br />

„Bei <strong>de</strong>r ersten Drohbewegung schießt, um zu töten."<br />

Page 49 von 197


„Sie warten hier, Corrie", sagte Jerry. „Es kann zu<br />

einem Kampf kommen."<br />

Sie lächelte ihm zu, doch ignorierte sie seine<br />

Anweisungen; also blieb er vor ihr, als sie vorwärts<br />

gingen. Es war ein langer Pfeil, <strong>de</strong>n <strong>Tarzan</strong> auf seinen<br />

Bogen gelegt hatte, einen schweren Bogen, <strong>de</strong>n nur<br />

<strong>Tarzan</strong> spannen konnte. Er zielte mit <strong>de</strong>m Pfeil auf<br />

Iskandars Herz <strong>und</strong> flüsterte mit Corrie.<br />

„Er wird bis zehn zählen", erklärte das Mädchen <strong>de</strong>m<br />

Eingeborenen. „Wenn ihr nicht alle eure Waffen<br />

weggeworfen <strong>und</strong> eure Hän<strong>de</strong> erhoben habt, bevor er das<br />

Zählen been<strong>de</strong>t, wird er dich töten. Dann wird er <strong>die</strong><br />

an<strong>de</strong>ren töten."<br />

<strong>Tarzan</strong> begann zu zählen, Corrie übersetzte. Bei Fünf<br />

gab Iskandar auf. Er hatte in <strong>die</strong> grauen Augen <strong>de</strong>s<br />

Riesen geschaut, <strong>de</strong>r über ihm stand, <strong>und</strong> fürchtete sich.<br />

Die an<strong>de</strong>ren folgten <strong>de</strong>m Beispiel ihres Anführers.<br />

„Rosetti", sagte <strong>Tarzan</strong>, „sammeln Sie ihre Waffen ein<br />

<strong>und</strong> bringen Sie unsere Pfeile zurück. Wir wer<strong>de</strong>n sie in<br />

Schach halten." Rosetti sammelte erst <strong>die</strong> Waffen ein;<br />

dann zog er <strong>die</strong> Pfeile aus <strong>de</strong>n Glie<strong>de</strong>rn <strong>und</strong> Leibern <strong>de</strong>r<br />

Fünf, <strong>die</strong> getroffen, aber nicht getötet wor<strong>de</strong>n waren. Mit<br />

<strong>de</strong>n Toten ging er sanfter um.<br />

„Sagen Sie ihnen, sie sollen ihre Toten nehmen <strong>und</strong> von<br />

hier abziehen, Corrie. Und daß wir sie alle töten wer<strong>de</strong>n,<br />

wenn sie uns noch einmal belästigen."<br />

Corrie übersetzte <strong>und</strong> fügte noch als Pointe aus<br />

eigenem hinzu: „Dieser Mann, <strong>de</strong>r durch mich spricht, ist<br />

k e i n g e w ö h n l i c h e r M a n n . N u r m i t e i n e m M e s s e r<br />

bewaffnet, springt er einem Tiger auf <strong>de</strong>n<br />

Rücken <strong>und</strong> tötet ihn. Wenn ihr klug seid, wer<strong>de</strong>t ihr ihm<br />

gehorchen."<br />

„Nur eine Minute noch, Corrie", sagte Jerry. „Fragen<br />

Sie sie, ob sie vor Kurzem amerikanische Flieger gesehen<br />

haben, <strong>die</strong> aus einem zerstörten Flugzeug herauskamen;<br />

o<strong>de</strong>r von welchen gehört haben."<br />

Corrie legte Iskandar <strong>die</strong> Frage vor <strong>und</strong> erhielt eine<br />

mürrische Verneinung. Der Häuptling kam auf <strong>die</strong> Beine<br />

<strong>und</strong> gab seinen Männern Befehle. Von <strong>de</strong>nen war keiner<br />

ernstlich verw<strong>und</strong>et. Sie hoben ihre Toten auf <strong>und</strong><br />

machten sich auf <strong>de</strong>n Weg, aber Iskandar hielt sie auf.<br />

Dann wandte er sich <strong>Tarzan</strong> zu. „Wirst du uns unsere<br />

Waffen lassen?", fragte er. Corrie übersetzte.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

„Nein." Dies schien keine Übersetzung zu erfor<strong>de</strong>rn<br />

o<strong>de</strong>r eine Diskussion zuzulassen. Der Häuptling schaute<br />

noch einmal in <strong>die</strong> grauen Augen <strong>de</strong>s Riesen, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n<br />

Page 50 von 197


Tiger getötet hatte, <strong>de</strong>n er auf <strong>de</strong>m Pfad gesehen hatte.<br />

Und was er dort sah, machte ihm Angst. Dies sind nicht<br />

<strong>die</strong> Augen eines Menschen, dachte er. Dies sind <strong>die</strong><br />

Augen eines Tigers. Einen malaiischen Fluch ausstoßend,<br />

befahl er seinen Männern zu marschieren, <strong>und</strong> folgte<br />

ihnen.<br />

„Wir hätten sie alle umbringen sollen", sagte Shrimp.<br />

„Die wer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>n ersten Gelbbäuchen, <strong>die</strong> sie sehen,<br />

erzählen wo wir zu fin<strong>de</strong>n sind."<br />

„Wenn wir <strong>die</strong>sem Plan bis zu seinen logischen<br />

Schlüssen folgen wür<strong>de</strong>n", sagte <strong>Tarzan</strong>, „müßten wir<br />

je<strong>de</strong>s menschliche Wesen töten, <strong>de</strong>m wir begegnen. Ein<br />

je<strong>de</strong>r könnte uns <strong>de</strong>n Japanern verraten."<br />

„Sie halten nicht viel vom Leute-Umbringen."<br />

Verneinend schüttelte <strong>Tarzan</strong> <strong>de</strong>n Kopf.<br />

„Nicht mal Japaner?"<br />

„Da ist es an<strong>de</strong>rs. Wir befin<strong>de</strong>n uns im Krieg mit ihnen.<br />

Nicht aus Haß noch aus Rache - <strong>und</strong> ohne beson<strong>de</strong>res<br />

Vergnügen wer<strong>de</strong> ich je<strong>de</strong>n Japaner töten, <strong>de</strong>n ich kann,<br />

bis <strong>de</strong>r Krieg vorbei ist. Das ist meine Pflicht."<br />

„Sie hassen sie nicht mal?"<br />

„Was nützte es, wenn ich es täte? Wenn all <strong>die</strong><br />

Millionen Menschen <strong>de</strong>r Alliierten Län<strong>de</strong>r ein ganzes Jahr<br />

ausschließlich <strong>de</strong>m Japaner-Haß widmen wür<strong>de</strong>n, wür<strong>de</strong><br />

das nicht einen Japaner töten noch <strong>de</strong>n Krieg um einen<br />

Tag verkürzen."<br />

Bubonovitch lachte. „Und es wür<strong>de</strong> ihnen allen<br />

Magengeschwüre verursachen."<br />

<strong>Tarzan</strong> lächelte. „Ich kann mich nur an ein einziges Mal<br />

in meinem Leben erinnern, da ich Haß verspürte, o<strong>de</strong>r<br />

einmal nur aus<br />

Rache getötet habe - Kulonga, <strong>de</strong>n Sohn von Mbonga. Er<br />

tötete Kala, meine Pflegemutter. Ich war damals nicht<br />

bloß sehr jung, son<strong>de</strong>rn Kala war auch das einzige Wesen<br />

auf <strong>de</strong>r Welt, das mich liebte o<strong>de</strong>r das ich liebte. Und<br />

damals hielt ich sie für meine eigene Mutter. Diese Tat<br />

habe ich nie bereut."<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Während sie sprachen, kochte Corrie ihr Mahl. Jerry<br />

half ihr. Sie brieten Fasane <strong>und</strong> Hirsch über einem Feuer<br />

gleich drinnen vor <strong>de</strong>m Höhleneingang. Bubonovitch<br />

untersuchte <strong>die</strong> Waffen, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Eingeborenen dagelassen<br />

hatten. Er wählte für sich einen Kris aus. Jerry <strong>und</strong> Shrimp<br />

folgten seinem Beispiel, <strong>und</strong> Jerry brachte Corrie einen<br />

Parang. „Warum haben Sie <strong>de</strong>n Banditen gefragt, ob er<br />

von amerikanischen Fliegern vernommen hätte, <strong>die</strong><br />

kürzlich abgesprungen waren?", fragte Corrie Lucas.<br />

Page 51 von 197


„Zwei von meiner Mannschaft, von <strong>de</strong>nen ich weiß, daß<br />

sie abgesprungen sind, wer<strong>de</strong>n vermißt - Douglas, mein<br />

Funker, <strong>und</strong> Davis, mein Mittschiffsschütze. Wir haben sie<br />

gesucht, aber keine Spur von ihnen gef<strong>und</strong>en. Gef<strong>und</strong>en<br />

haben wir <strong>die</strong> Leiche Lieutenant Burnhams, <strong>de</strong>ssen<br />

Fallschirm nicht aufgegangen war. Daraus schlössen wir,<br />

hätte sich <strong>de</strong>r Fallschirm eines <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren auch nicht<br />

geöffnet, dann hätten wir <strong>die</strong> Leiche in <strong>de</strong>r Nähe fin<strong>de</strong>n<br />

müssen. Wir alle sind innerhalb von wenigen Sek<strong>und</strong>en<br />

abgesprungen."<br />

„Wie viele wart ihr?"<br />

„Elf - neun von <strong>de</strong>r Mannschaft, Captain Clayton <strong>und</strong><br />

ein Fotograf. Mein Bombenschütze wur<strong>de</strong> zurückgelassen,<br />

weil er krank war. Wir führten auch keine Bomben mit. Es<br />

war nur eine Foto- <strong>und</strong> Erk<strong>und</strong>ungsmission."<br />

„Sehen wir mal", sagte Corrie. „Vier von euch sind da,<br />

Lieutenant Burnham macht fünf, <strong>und</strong> <strong>die</strong> zwei Vermißten<br />

machen sieben. Was wur<strong>de</strong> aus <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren Vieren?"<br />

„Im Kampf getötet."<br />

„Arme Burschen", sagte Corrie.<br />

„Nicht <strong>die</strong> Toten sind es, <strong>die</strong> lei<strong>de</strong>n", sagte Jerry. „Es<br />

sind <strong>die</strong>, <strong>die</strong> zurückbleiben - ihre Kumpel <strong>und</strong> ihre Leute<br />

zu Hause. Vielleicht sind sie besser dran. Schließlich ist<br />

<strong>die</strong> Welt höllisch", fügte er bitter hinzu, „<strong>und</strong> <strong>die</strong>, <strong>die</strong> ihr<br />

entkommen, sind <strong>die</strong> Glücklichen."<br />

Sie legte ihre Hand auf seine. „So dürfen Sie das nicht<br />

empfin<strong>de</strong>n. Auf Sie mag noch eine Menge Glück auf<br />

<strong>die</strong>ser Welt warten - auf uns alle."<br />

„Sie waren meine Fre<strong>und</strong>e", sagte er, „<strong>und</strong> sie waren<br />

sehr jung. Sie haben keine Chance bekommen, etwas aus<br />

ihrem Leben zu<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

machen. Es erscheint mir einfach nicht richtig. <strong>Tarzan</strong><br />

sagt, es hilft nichts zu hassen, <strong>und</strong> ich weiß, er hat Recht.<br />

Aber hassen tu ich nicht <strong>die</strong> paar armen Typen, <strong>die</strong> auf<br />

uns schießen <strong>und</strong> auf <strong>die</strong> wir schießen, son<strong>de</strong>rn jene, <strong>die</strong><br />

für das Entstehen von Kriegen verantwortlich sind."<br />

„Ich weiß", sagte sie. „Ich hasse sie auch. Aber ich<br />

hasse alle Japaner. Ich hasse <strong>die</strong> paar armen Typen, <strong>die</strong><br />

auf uns schießen <strong>und</strong> auf <strong>die</strong> wir schießen. Ich<br />

philosophiere nicht so wie Sie <strong>und</strong> <strong>Tarzan</strong>. Ich will sie<br />

hassen. Ich mache mir oft Vorwürfe, weil ich glaube, ich<br />

hasse sie nicht bitter genug." Jerry konnte sehen, daß<br />

Haß sich in ihren Augen spiegelte, <strong>und</strong> er dachte, wie<br />

schrecklich es war, daß sich solche Gefühle in <strong>de</strong>r Brust<br />

von jeman<strong>de</strong>m entwickelt haben konnten, <strong>de</strong>r von Natur<br />

Page 52 von 197


aus so süß <strong>und</strong> lieb war. Er sagte zu ihr, was sie zu ihm<br />

gesagt hatte: „So dürfen Sie das nicht empfin<strong>de</strong>n."<br />

„Sie haben nie zugeschaut, wie Ihre Mutter zu To<strong>de</strong><br />

gehetzt <strong>und</strong> ihr Vater von <strong>de</strong>n Bajonetten <strong>die</strong>ser gelben<br />

Bestien aufgespießt wur<strong>de</strong>. Hätten Sie's <strong>und</strong> Sie wür<strong>de</strong>n<br />

sie nicht hassen, wür<strong>de</strong>n Sie nicht wert sein, sich einen<br />

Mann zu nennen."<br />

„Ich glaube, Sie haben Recht", sagte er. Er drückte ihr<br />

<strong>die</strong> Hand. „Armes kleines Mädchen."<br />

„Bemitlei<strong>de</strong>n Sie mich nicht", sagte sie fast ärgerlich.<br />

„Ich hab' damals nicht geheult. Ich habe seither nicht<br />

geweint. Aber wenn Sie mich bemitlei<strong>de</strong>n, wer<strong>de</strong> ich's."<br />

Hatte sie Sie betont? Er vermeinte es - nur ein wenig.<br />

Weshalb, fragte er sich, sollte ihn das leicht erschauern<br />

lassen? Ich muß plemplem sein, dachte er.<br />

Nun hatte sich <strong>die</strong> kleine Gruppe um das Lagerfeuer zum<br />

Essen versammelt. Sie hatten großflächige Blätter als<br />

Teller, gespitzte Bambussplitter als Gabeln, <strong>und</strong> natürlich<br />

h a t t e n s i e i h r e M e s s e r. G e t r u n k e n w u r d e a u s<br />

Kürbisschalen.<br />

Außer Fasan <strong>und</strong> Hirsch hatten sie Obst <strong>und</strong> <strong>die</strong><br />

gerösteten Durian-Kerne. Sie lebten gut in <strong>die</strong>sem Land<br />

<strong>de</strong>s Überflusses. „Denkt an <strong>die</strong> armen H<strong>und</strong>egesichter auf<br />

<strong>de</strong>m Stützpunkt", sagte Shrimp, „<strong>die</strong> Dosenfutter essen<br />

<strong>und</strong> Müll."<br />

„Ich tausche sofort meine Stelle mit einem solchen<br />

H<strong>und</strong>egesicht", sagte Jerry.<br />

„Was ist ein H<strong>und</strong>egesicht?", fragte Corrie.<br />

„Na, ich glaub', ursprünglich sollte damit ein Mehlkloß<br />

gemeint sein; aber jetzt heißt das allgemein sowas wie<br />

Rekrut, beson<strong>de</strong>rs <strong>die</strong> Gefreiten."<br />

„Je<strong>de</strong>r G.I. Joe", sagte Shrimp.<br />

„Was für eine komische Sprache!", sagte Corrie. „Und<br />

ich hab' geglaubt, ich verstün<strong>de</strong> Englisch. Aber was ist<br />

ein Mehlkloß? Und ein G.I. Joe?"<br />

„Ein Mehlkloß ist ein Infanterist. Ein G.I. Joe ist ein<br />

amerikanischer Soldat - Government Issue, Regierungs-<br />

Ausgabe. Bleiben Sie bei uns, Corrie, <strong>und</strong> wir wer<strong>de</strong>n Ihr<br />

Amerikanisch verbessern, <strong>und</strong> Ihr Englisch ruinieren",<br />

beschloß Jerry das Thema.<br />

„Wenn Sie <strong>de</strong>r Konversation mit Sergeant Rosetti<br />

beson<strong>de</strong>re Aufmerksamkeit schenken, wird Bei<strong>de</strong>s<br />

ruiniert", sagte Bubonovitch.<br />

„ W a s p a ß t n i c h t m i t m e i n e m A m e r i k a n i s c h ,<br />

Schlaumeier?", wollte Shrimp wissen.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

„Ich glaube, Sergeant Shrimp ist prima", sagte Corrie.<br />

Page 53 von 197


R o s e t t i e r rö t e t e h e f t i g . „ M a c h e i n e n B ü c k l i n g ,<br />

Schnucki", sagte Bubonovitch.<br />

V o r d e m E s s e n h a t t e T a r z a n z w e i g r o ß e<br />

R i n d e n s c h w a r t e n v o n e i n e m r i e s i g e n Wa l d b a u m<br />

geschnitten. Die Schwarten waren gut zolldick, zäh <strong>und</strong><br />

fest. Aus ihnen schnitt er zwei Scheiben, 25 Zentimeter im<br />

Durchmesser, so genau wie er abschätzen konnte. Etwa in<br />

<strong>die</strong> Mitte <strong>de</strong>s Umfangs je<strong>de</strong>r <strong>die</strong>ser Scheiben schnitt er<br />

sechs tiefe Kerben <strong>und</strong> ließ zwischen ihnen fünf<br />

Vorsprünge. Jerry <strong>und</strong> <strong>die</strong> an<strong>de</strong>ren, <strong>die</strong> um das Feuer<br />

saßen, sahen ihm zu. „Was zum Kuckuck sollen <strong>die</strong> nun<br />

wie<strong>de</strong>r?", fragte <strong>de</strong>r Pilot. „Die schauen aus wie r<strong>und</strong>e,<br />

flache Füße mit fünf Zehen."<br />

„Danke", sagte <strong>Tarzan</strong>. „Ich hab' nicht gewußt, daß ich<br />

ein so guter Bildhauer bin. Die sollen <strong>die</strong> Fein<strong>de</strong><br />

täuschen. Ich zweifle nicht, daß <strong>die</strong>ser alte Gauner mit<br />

Japanern zurückkehren wird, so schnell er kann. Diese<br />

Eingeborenen müssen nun mal gute Fährtenleser sein,<br />

<strong>und</strong> sie müssen sehr vertraut mit unseren Fußspuren sein,<br />

<strong>de</strong>nn sie haben sie bis hierher verfolgt. Die Spuren<br />

unserer selbstgefertigten Sandalen wer<strong>de</strong>n selbst für <strong>de</strong>n<br />

dümmsten Fährtensucher erkennbar sein, daher müssen<br />

wir sie auslöschen.<br />

Zunächst wer<strong>de</strong>n wir in einer an<strong>de</strong>ren Richtung in <strong>de</strong>n<br />

Wald gehen als jener, <strong>die</strong> wir einschlagen wollen, <strong>und</strong> wir<br />

wer<strong>de</strong>n Spuren hinterlassen, <strong>die</strong> man sofort unserer<br />

Gruppe zuschreibt. Dann wer<strong>de</strong>n wir durchs Gestrüpp, wo<br />

wir ohne Hinterlassen von Fußabdrücken laufen können,<br />

zum Lager zurückkehren <strong>und</strong> auf <strong>de</strong>m Weg losziehen, <strong>de</strong>n<br />

wir vorhaben. Drei von uns wer<strong>de</strong>n im Gänsemarsch<br />

g e h e n , j e d e r s t e i g t g e n a u i n d i e S t a p f e n d e s<br />

Vor<strong>de</strong>rmanns. Ich wer<strong>de</strong> Corrie tragen. Es wür<strong>de</strong> sie<br />

ermü<strong>de</strong>n, Männerschritte zu machen. Bubonovitch wird<br />

<strong>de</strong>n Schluß übernehmen <strong>und</strong> an je<strong>de</strong>n Fuß eins von<br />

<strong>die</strong>sen Dingern geschnürt haben. Damit wird er auf je<strong>de</strong>n<br />

Fußabdruck steigen, <strong>de</strong>n wir gemacht haben. Er wird<br />

seine Schritte ganz schön spreizen müssen, um so zu<br />

gehen, aber er ist ein großer Mann mit langen Beinen.<br />

Damit wird er <strong>die</strong> Fußabdrücke eines Elefanten machen<br />

<strong>und</strong> unsere auslöschen."<br />

„Oje!", machte Rosetti. „Der Fuß eines Elefanten ist<br />

nicht so groß!"<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

„Bei <strong>die</strong>sen indischen Elefanten bin ich selbst nicht so<br />

s i c h e r " , g a b Ta r z a n z u . „ A b e r d e r U m f a n g d e s<br />

Vor<strong>de</strong>rfußes eines afrikanischen Elefanten ist <strong>die</strong> Hälfte<br />

<strong>de</strong>r Schulterhöhe <strong>de</strong>s Tieres. Somit wer<strong>de</strong>n <strong>die</strong> da auf<br />

Page 54 von 197


einen Elefanten von annäher nd neun Fuß Größe<br />

hinweisen. Unglücklicherweise wiegt Bubonovitch nicht so<br />

viel wie ein Elefant. Daher wird <strong>die</strong> Fährte nicht so<br />

lebensecht sein, wie ich möchte. Aber ich setzte auf <strong>die</strong><br />

Wahrscheinlichkeit, daß sie <strong>de</strong>r Elefantenspur nicht viel<br />

Aufmerksamkeit schenken wer<strong>de</strong>n, wenn sie nach <strong>de</strong>r<br />

unsrigen suchen. Tun sie's doch, wer<strong>de</strong>n sie fürchterlich<br />

überrascht sein, <strong>die</strong> Fährte eines zweibeinigen Elefanten<br />

zu ent<strong>de</strong>cken.<br />

Wären wir in Afrika, wür<strong>de</strong> das Problem durch <strong>de</strong>n<br />

Umstand kompliziert, daß <strong>de</strong>r afrikanische Elefant vorne<br />

fünf Zehen hat <strong>und</strong> hinten drei. Darm hätten wir ein<br />

weiteres Paar von <strong>die</strong>sen Dingern benötigt, <strong>und</strong> Jerry<br />

hätte <strong>die</strong> Hinterbeine spielen müssen."<br />

„Das Südkap <strong>de</strong>s Elefanten aufm Weg nach Nor<strong>de</strong>n,<br />

Captain", sagte Shrimp.<br />

„ I c h b i n n i c h t e g o i s t i s c h " , s a g t e J e r r y. „ S o l l<br />

Bubonovitch <strong>de</strong>r ganze Elefant sein."<br />

„Setzt lieber Shrimp an <strong>die</strong> Spitze <strong>de</strong>r Kolonne", sagte<br />

Bubonovitch, „ich könnte auf ihn drauf steigen."<br />

„Ich glaube, wir legen uns jetzt besser hin", sagte<br />

<strong>Tarzan</strong>. „Wie spät haben Sie's, Jerry?"<br />

„Acht Uhr."<br />

„Sie haben <strong>die</strong> erste Nachtwache - zweieinhalb St<strong>und</strong>en<br />

lang. Das wird grad hinkommen. Shrimp übernimmt <strong>die</strong><br />

letzte - 3:30 bis 6:00. Gute Nacht!"<br />

Am folgen<strong>de</strong>n Morgen brachen sie nach einem kalten<br />

Frühstück zeitig auf. Zuerst legten sie <strong>die</strong> falsche Fährte.<br />

Darm zogen sie in <strong>die</strong> Richtung los, <strong>die</strong> sie zu nehmen<br />

gedachten. Bubonovitch, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Abschluß machte,<br />

stampfte fest auf <strong>die</strong> Fußabdrücke drauf, <strong>die</strong> jene vor ihm<br />

hinterließen. Nach einer Meile, einem Abstand, <strong>de</strong>n<br />

<strong>Tarzan</strong> als ausreichend für <strong>die</strong> Tarnung ihrer Fährte hielt,<br />

war er ein ziemlich mü<strong>de</strong>r Elefant. Er setzte sich neben<br />

<strong>de</strong>m Pfad hin <strong>und</strong> nahm seine beschwerlichen Sohlen ab.<br />

„Meine Güte!", sagte er. „Mich hat's wohl bis zum Kinn<br />

gespreizt." Er warf <strong>die</strong> Dinger auf <strong>de</strong>n Weg. <strong>Tarzan</strong> hob<br />

sie auf <strong>und</strong> warf sie ins Dickicht. „Das war eine<br />

anstrengen<strong>de</strong> Aufgabe, Sergeant; aber Sie waren <strong>de</strong>r<br />

beste Mann dafür."<br />

„Ich hätte Corrie tragen können."<br />

„Du - mit Frau <strong>und</strong> Kind!", neckte ihn Shrimp.<br />

„Ich glaube, <strong>de</strong>r Gruppenführer hat dir gegenüber<br />

seinen Rang hervorgekehrt", sagte Jerry.<br />

„Oh nein", sagte <strong>Tarzan</strong>; „es war bloß so, daß ich<br />

Corrie nicht <strong>de</strong>n Wölfen vorwerfen wollte."<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Page 55 von 197


Corrie lachte, ihre Augen leuchteten. Sie mochte <strong>die</strong>se<br />

Amerikaner mit ihrem seltsamen Humor, mit ihrer<br />

unkonventionellen Art. Und <strong>de</strong>r Englän<strong>de</strong>r, obwohl etwas<br />

zurückhalten<strong>de</strong>r, war ihnen ziemlich ähnlich. Jerry hatte<br />

ihr erzählt, daß er ein Viscount war, aber seine<br />

Persönlichkeit beeindruckte sie mehr als sein Titel.<br />

Plötzlich hob <strong>Tarzan</strong> <strong>de</strong>n Kopf <strong>und</strong> prüfte <strong>die</strong> Luft mit<br />

seiner Nase. „Auf <strong>die</strong> Bäume!", sagte er.<br />

„Kommt etwas?", fragte Corrie.<br />

„Ja. Ein Verwandter <strong>de</strong>s Sergeants - mit Vor<strong>de</strong>r- <strong>und</strong><br />

Hinteren<strong>de</strong>.<br />

Es ist ein einzelner Bulle, <strong>und</strong> manchmal sind <strong>die</strong><br />

gemein."<br />

Er half Corrie auf einen überhängen<strong>de</strong>n Ast, während<br />

<strong>die</strong> an<strong>de</strong>ren sich auf <strong>die</strong> nächsten Bäume verteilten.<br />

<strong>Tarzan</strong> lächelte. Sie wur<strong>de</strong>n geübter. Er blieb auf <strong>de</strong>m<br />

Pfad stehen.<br />

„Sie wer<strong>de</strong>n doch nicht dort bleiben?", fragte Jerry.<br />

„Eine Weile. Ich mag Elefanten. Sie sind meine<br />

Fre<strong>und</strong>e. Die meisten von ihnen mögen mich. Ich wer<strong>de</strong><br />

genug Zeit haben zu merken, ob er angreifen wird."<br />

„Aber das ist kein afrikanischer Elefant", beharrte Jerry.<br />

„ D e r i n d i s c h e E l e f a n t i s t n i c h t s o w i l d w i e d e r<br />

afrikanische, <strong>und</strong> ich will etwas versuchen. Ich habe eine<br />

Theorie. Wenn sie sich als falsch erweist, wer<strong>de</strong> ich mich<br />

auf <strong>die</strong> Bäume schwingen. Er wird mich warnen, <strong>de</strong>nn falls<br />

er angreifen will, wird er seine Ohren heben, seinen<br />

Rüssel hochrollen <strong>und</strong> trompeten. Nun re<strong>de</strong>t bitte nicht<br />

<strong>und</strong> macht keinen Lärm. Er kommt näher."<br />

Die Vier auf <strong>de</strong>n Bäumen harrten erwartungsvoll. Corrie<br />

ängstigte sich - ängstigte sich um <strong>Tarzan</strong>. Jerry hielt es<br />

für närrisch, daß ein Mann solch ein Risiko einging.<br />

Shrimp wünschte, er hätte eine Maschinenpistole - für alle<br />

Fälle.<br />

Plötzlich kam <strong>die</strong> große Gestalt <strong>de</strong>s Tieres in Sicht.<br />

<strong>Tarzan</strong> wirkte dagegen zwergenhaft. Als <strong>die</strong> kleinen<br />

Augen <strong>Tarzan</strong> sahen, hielt das Tier an. Sogleich reckte es<br />

seine Ohren weg <strong>und</strong> rollte <strong>de</strong>n Rüssel hoch. Es wird<br />

angreifen, dachten jene auf <strong>de</strong>n Bäumen.<br />

Corries Lippen bewegten sich in lautlosem Flehen:<br />

„Schnell, <strong>Tarzan</strong>! Schnell!"<br />

Und dann sprach <strong>Tarzan</strong>. Er re<strong>de</strong>te mit <strong>de</strong>m Elefanten in<br />

<strong>de</strong>r Sprache, <strong>die</strong>, wie er glaubte, <strong>de</strong>n meisten Tieren<br />

vertraut war - <strong>de</strong>r Muttersprache <strong>de</strong>r großen Affen.<br />

Wenige konnten sie sprechen, aber er wußte, viele<br />

verstan<strong>de</strong>n sie. „Yo, Tantor, yo!", sagte er.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Page 56 von 197


Der Elefant schwankte hin <strong>und</strong> her. Er trompetete nicht.<br />

Langsam<br />

senkten sich <strong>die</strong> Ohren, <strong>und</strong> <strong>de</strong>r Rüssel entrollte sich.<br />

„Yud!", sagte <strong>Tarzan</strong>.<br />

Das große Tier zögerte einen Augenblick <strong>und</strong> näherte<br />

sich dann <strong>de</strong>m Mann. Es hielt vor ihm an, <strong>und</strong> <strong>de</strong>r Rüssel<br />

streckte sich aus <strong>und</strong> bewegte sich über seinen Körper.<br />

Corrie umklammerte <strong>de</strong>n Ast ihres Baumes, um nicht<br />

hinunter zu fallen. Jetzt konnte sie verstehen, wieso<br />

manche Frauen in Augenblicken großer Erregung<br />

unwillkürlich aufschreien o<strong>de</strong>r ohnmächtig wer<strong>de</strong>n.<br />

<strong>Tarzan</strong> streichelte kurz <strong>de</strong>n Rüssel <strong>und</strong> flüsterte leise<br />

mit <strong>de</strong>r hoch über ihm aufragen<strong>de</strong>n Masse. „Abu<br />

tandnala!", sagte er gleich. Langsam kniete sich <strong>de</strong>r<br />

Elefant hin. <strong>Tarzan</strong> schlang <strong>de</strong>n Rüssel um seinen Leib <strong>und</strong><br />

sagte: „Nala b'yat!", <strong>und</strong> Tantor hob ihn hoch <strong>und</strong> setzte<br />

ihn auf seinen Kopf.<br />

„Unk!", befahl <strong>Tarzan</strong>. Der Elefant lief <strong>de</strong>n Pfad hinab,<br />

vorbei unter <strong>de</strong>n Bäumen, auf <strong>de</strong>nen <strong>die</strong> staunen<strong>de</strong>n Vier<br />

saßen <strong>und</strong> kaum zu atmen wagten. Shrimp war <strong>de</strong>r Erste,<br />

<strong>de</strong>r das lange Schweigen brach. „Jetzt hab' ich alles<br />

geseh'n, was es gibt, pff! Was für ein Kerl!"<br />

Bald kehrte <strong>Tarzan</strong> zurück, zu Fuß <strong>und</strong> allein. „Wir<br />

gehen lieber weiter", sagte er, <strong>und</strong> <strong>die</strong> an<strong>de</strong>ren sprangen<br />

von <strong>de</strong>n Bäumen herab.<br />

Jerry war irritiert von <strong>de</strong>m, was er für ein eitles Zur-<br />

Schau-Stellen von Mut <strong>und</strong> Können hielt. „Was bezweckte<br />

es, so eine Gefahr auf sich zu nehmen?", fragte er in<br />

scharfem Ton.<br />

„Im Umgang mit wil<strong>de</strong>n Tieren muß man viele Dinge<br />

wissen, wenn man überleben will", erklärte <strong>Tarzan</strong>. „Dies<br />

ist ein frem<strong>de</strong>s Land für mich. In meinem Land sind <strong>die</strong><br />

Elefanten meine Fre<strong>und</strong>e. Bei mehr als einer Gelegenheit<br />

haben sie mir das Leben gerettet. Ich wollte das Naturell<br />

<strong>de</strong>r Elefanten hier kennen lernen, <strong>und</strong> ob ich sie mir so zu<br />

Willen machen kann wie zu Hause. Es ist möglich, daß ihr<br />

e i n e s Ta g e s f ro h s e i n w e rd e t , d a ß i c h d a s t a t .<br />

Wahrscheinlich wer<strong>de</strong> ich <strong>die</strong>sen Bullen nie wie<strong>de</strong>r sehen;<br />

sollten wir einan<strong>de</strong>r aber begegnen, wird er mich kennen<br />

<strong>und</strong> ich ihn. Tantor <strong>und</strong> ich haben ein gutes Gedächtnis<br />

für Fre<strong>und</strong>e <strong>und</strong> Fein<strong>de</strong>."<br />

„Tut mir Leid, daß ich so gesprochen habe", sagte<br />

Jerry; „aber uns alle erschreckte es mit anzusehen, daß<br />

Sie so eine Gefahr eingehen."<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Page 57 von 197


„Für mich war es nicht gefährlich", sagte <strong>Tarzan</strong>; „ihr<br />

aber laßt so etwas bleiben."<br />

„Was hätt' er mit einem von uns getan?", fragte<br />

Bubonovitch.<br />

„Euch aufgespießt wahrscheinlich, sich auf euch<br />

gekniet <strong>und</strong><br />

dann eure Reste in hohem Bogen in <strong>de</strong>n Wald<br />

geschleu<strong>de</strong>rt."<br />

Corrie schau<strong>de</strong>rte. Shrimp schüttelte <strong>de</strong>n Kopf. „Und<br />

ich hab' <strong>die</strong> im Zirkus mit Erdnüssen gefüttert."<br />

Bald gelangten sie in einen Wald von außeror<strong>de</strong>ntlich<br />

geradstämmigen Bäumen, eingehüllt von gigantischen<br />

K l e t t e r p f l a n z e n , R a n k e n u n d r i e s i g e n<br />

Schmarotzerpflanzen, <strong>die</strong> über ihnen eine dichte Decke<br />

bil<strong>de</strong>ten. Das Dämmerlicht, das Kathedralen-Aussehen,<br />

<strong>die</strong> Geräusche nicht sichtbarer Dinge legten sich allen auf<br />

das Gemüt, nur <strong>Tarzan</strong> nicht. Sie trotteten schweigend<br />

weiter <strong>und</strong> sehnten sich nach Sonnenlicht. Und dann, an<br />

einer Wendung <strong>de</strong>s Pfa<strong>de</strong>s, kamen sie plötzlich in seinen<br />

vollen Glanz, da <strong>de</strong>r Wald abrupt am Rand einer Schlucht<br />

en<strong>de</strong>te. Unter ihnen lag ein enges Tal, das über<br />

J a h r t a u s e n d e v o n e i n e m F l ü ß c h e n i n Tu f f - u n d<br />

Kalksteinformationen eingeschnitten wur<strong>de</strong>. Es schoß wild<br />

auf seinem Gr<strong>und</strong> dahin. Es war ein liebliches Tal, grün<br />

<strong>und</strong> mit Bäumen besetzt.<br />

<strong>Tarzan</strong> untersuchte seinen Anblick sorgfältig. Es gab<br />

kein Anzeichen menschlichen Lebens; aber einiges<br />

Rotwild äste dort, <strong>und</strong> seine scharfen Augen erfaßten<br />

einen schwarzen Fleck, beinah nicht zu unterschei<strong>de</strong>n<br />

vom dichten Schatten eines Baumes. Er wies <strong>die</strong> an<strong>de</strong>ren<br />

darauf hin. „Hütet euch vor <strong>de</strong>m", warnte er. „Er ist<br />

unendlich gefährlicher als Tantor, zuweilen sogar mehr als<br />

<strong>de</strong>r Gestreifte."<br />

„Was ist es, ein Wasserbüffel?", fragte Jerry.<br />

„Nein. Es ist Buto, das Nashorn. Er sieht sehr schlecht,<br />

a b e r s e i n G e h ö r- u n d G e r u c h s s i n n s i n d ä u ß e r s t<br />

e m p f i n d l i c h . E r h a t e i n e h ä ß l i c h e u n d n i c h t<br />

einzuschätzen<strong>de</strong> Charakteranlage. Für gewöhnlich wird es<br />

vor euch weglaufen. Aber man kann es niemals sagen.<br />

Ohne je<strong>de</strong> Provokation kann er donnernd über euch<br />

kommen, so schnell wie ein gutes Pferd, <strong>und</strong> wenn er<br />

e u c h e r w i s c h t , w i r d e s e u c h a u f s p i e ß e n u n d<br />

hochschleu<strong>de</strong>rn."<br />

„Unsere nicht", sagte Corrie. „Sie haben unten Hauer,<br />

<strong>und</strong> <strong>die</strong> verwen<strong>de</strong>n sie statt ihrer Hörner."<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Page 58 von 197


„Jetzt erinnere ich mich, das gehört zu haben", sagte<br />

<strong>Tarzan</strong>, „ich dachte an das afrikanische Nashorn."<br />

Der Pfad wandte sich plötzlich nach rechts an <strong>de</strong>n Rand<br />

<strong>de</strong>s Steilhangs <strong>und</strong> verlief über <strong>de</strong>ssen Kante, eng <strong>und</strong> in<br />

gefährlich steilem Winkel hinab. Sie alle waren froh, als<br />

sie <strong>de</strong>n Talbo<strong>de</strong>n erreichten.<br />

„Bleibt hier", sagte <strong>Tarzan</strong>, „<strong>und</strong> macht keinen Lärm.<br />

Ich wer<strong>de</strong><br />

versuchen, einen <strong>de</strong>r Hirsche für uns zu bekommen. Von<br />

hier wird Buto euren Geruch nicht erhalten; <strong>und</strong> wenn ihr<br />

keinen Lärm macht, wird er euch nicht hören. Ich wer<strong>de</strong><br />

ihn links herum umgehen. Das Gebüsch dort wird mich<br />

verbergen, bis ich in Reichweite <strong>de</strong>r Hirsche komme. Falls<br />

ich einen erwische, wer<strong>de</strong> ich direkt zum Fluß hinab<br />

gehen, wo ihn <strong>de</strong>r Pfad kreuzt. Ihr könnt dann hinkommen<br />

<strong>und</strong> mich dort treffen. Der Pfad geht in etwa h<strong>und</strong>ert<br />

Schritt an Buto vorbei. Wenn er euch wittert o<strong>de</strong>r<br />

vernimmt <strong>und</strong> aufsteht, bewegt euch nicht, außer er läuft<br />

auf euch zu; dann sucht euch einen Baum."<br />

Gebückt bewegte sich <strong>Tarzan</strong> leise durch <strong>die</strong> hohen<br />

Gräser. Der Wind, <strong>de</strong>r aus <strong>de</strong>r Richtung <strong>de</strong>r Hirsche zum<br />

Rhinozeros wehte, trug zu bei<strong>de</strong>n keinen Geruch <strong>de</strong>r<br />

Eindringlinge hin. Wenn <strong>Tarzan</strong> <strong>die</strong> Hirsche erreichte,<br />

wür<strong>de</strong> er das tun, <strong>und</strong> wenn <strong>die</strong> an<strong>de</strong>ren im Wind<br />

querten, um zum Fluß zu gelangen.<br />

<strong>Tarzan</strong> verschwand aus <strong>de</strong>r Sicht <strong>de</strong>r am Fuß <strong>de</strong>r Felsen<br />

Warten<strong>de</strong>n. Sie fragten sich, wie er Deckung fin<strong>de</strong>n<br />

konnte, wenn da keine zu sein schien. Alles schien nach<br />

Plan zu laufen, als es eine abrupte Unterbrechung gab.<br />

Sie sahen, wie ein Hirsch plötzlich <strong>de</strong>n Kopf hob <strong>und</strong> nach<br />

hinten schaute; dann war er mitsamt <strong>de</strong>r Her<strong>de</strong>, zu <strong>de</strong>r er<br />

gehörte, weg wie <strong>de</strong>r Blitz. Fast genau auf sie zu kamen<br />

sie. Sie sahen, wie <strong>Tarzan</strong> sich aus <strong>de</strong>m Gras erhob <strong>und</strong><br />

auf einen jungen Bock zu sprang. Sein Messer blitzte in<br />

<strong>de</strong>r Sonne, <strong>und</strong> bei<strong>de</strong> stürzten <strong>und</strong> verschwan<strong>de</strong>n im<br />

Gras. Die vier Zuschauer waren gefesselt von <strong>die</strong>sem<br />

primitiven Drama - <strong>de</strong>r Urzeitjäger pirscht sich an seine<br />

Beute <strong>und</strong> tötet sie. So muß es vor langen Zeiten<br />

gewesen sein.<br />

Schließlich sagte Jerry: „Na, dann gehen wir."<br />

„Hui!", rief Shrimp aus. „Schaut!"<br />

Sie schauten. Buto hatte sich erhoben <strong>und</strong> schaute<br />

suchend her, <strong>und</strong> das mit seinen schwachen, kleinen<br />

Augen. Aber er lauschte <strong>und</strong> witterte auch im Wind.<br />

„Nicht bewegen", flüsterte Jerry.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Page 59 von 197


„Und da gibt's keine Bäume nicht", keuchte Shrimp. Er<br />

hatte Recht. In ihrer unmittelbaren Umgebung gab es<br />

keine Bäume.<br />

„Nicht bewegen", warnte Jerry nochmals. „Wenn es<br />

angreift, dann wird es alles angreifen, was sich bewegt."<br />

„Da kommt es", sagte Bubonovitch. Das Nashorn<br />

trottete auf sie zu. Es wirkte eher verwirrt als zornig. Sein<br />

schwacher Gesichtssinn hatte vielleicht etwas Frem<strong>de</strong>s in<br />

<strong>de</strong>r Landschaft ent<strong>de</strong>ckt. Etwas, das es we<strong>de</strong>r hören noch<br />

riechen konnte. Und <strong>die</strong> Neugier bewog es nachzusehen.<br />

Zugleich bewegten sich <strong>die</strong> drei Männer vorsichtig<br />

zwischen Corrie <strong>und</strong> das langsam sich nähern<strong>de</strong> Tier. Es<br />

war ein Moment voller Spannung. Falls Buto angriff,<br />

wür<strong>de</strong> jemand verletzt wer<strong>de</strong>n, vielleicht getötet. Sie<br />

beobachteten das Tier aus schmalen Augen. Sie sahen,<br />

wie sich <strong>de</strong>r kleine Schwanz hob <strong>und</strong> <strong>de</strong>r Kopf senkte, als<br />

das Nashorn in Trab fiel. Es hatte sie gesehen <strong>und</strong> kam<br />

gera<strong>de</strong>wegs auf sie zu. Auf einmal galoppierte es. „Das<br />

war's dann", sagte Jerry.<br />

Im selben Augenblick sprang Shrimp von ihnen weg<br />

<strong>und</strong> rannte quer über <strong>de</strong>n Pfad <strong>de</strong>s angreifen<strong>de</strong>n Tieres.<br />

Und das Nashorn schwenkte herum <strong>und</strong> lief ihm nach.<br />

Shrimp rannte, wie er noch nie zuvor gerannt war; aber er<br />

konnte nicht so schnell laufen wie ein Pferd o<strong>de</strong>r ein<br />

Nashorn.<br />

Vo r S c h r e c k g e l ä h m t s a h e n d i e a n d e r e n z u .<br />

Schreckenslahm <strong>und</strong> hilflos. Dann sahen sie <strong>Tarzan</strong>. Er<br />

rannte auf Mann <strong>und</strong> Tier zu, <strong>die</strong> genau auf ihn zukamen.<br />

Doch was konnte er tun? Das fragten sich <strong>die</strong> Zuschauer.<br />

Das Biest war jetzt knapp hinter Shrimp, <strong>und</strong> <strong>Tarzan</strong> war<br />

nur ein paar Schritt weit entfernt. Dann stolperte Shrimp<br />

<strong>und</strong> stürzte. Corrie hielt sich mit <strong>de</strong>n Hän<strong>de</strong>n <strong>die</strong> Augen<br />

z u . J e r r y u n d B u b o n o v i t c h , w i e a u s e i n e r<br />

vorübergehen<strong>de</strong>n Lähmung befreit, begannen auf <strong>de</strong>n<br />

Schauplatz <strong>de</strong>r unabwendbaren Tragö<strong>die</strong> loszulaufen.<br />

Corrie, gegen ihren Willen gezwungen, nahm <strong>die</strong> Hän<strong>de</strong><br />

von ihren Augen. Sie sah, wie das Nashorn <strong>de</strong>n Kopf<br />

senkte, als wolle es <strong>de</strong>n vor<strong>de</strong>rsten Mann aufspießen, <strong>de</strong>r<br />

jetzt praktisch vor seinen Vor<strong>de</strong>rbeinen war. Da sprang<br />

<strong>Tarzan</strong>, überschlug sich in <strong>de</strong>r Luft <strong>und</strong> kam rittlings auf<br />

<strong>de</strong>n Schultern <strong>de</strong>s Tieres auf. Die Ablenkung reichte, <strong>die</strong><br />

Aufmerksamkeit <strong>de</strong>s Tieres von Shrimp zu wen<strong>de</strong>n. Es<br />

galoppierte über ihn hinweg <strong>und</strong> bockte, um <strong>de</strong>n Mann<br />

von seinem Rücken zu werfen.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

<strong>Tarzan</strong> hielt sich auf seinem Sitz lang genug, um sein<br />

Messer durch <strong>die</strong> dicke Haut zu stoßen <strong>und</strong> direkt hinter<br />

Page 60 von 197


<strong>de</strong>m Kopf <strong>die</strong> Wirbelsäule <strong>de</strong>s Tieres zu durchtrennen.<br />

Gelähmt taumelte es zu Bo<strong>de</strong>n. Einen Augenblick später<br />

war es tot.<br />

Bald war <strong>die</strong> ganze Gruppe um <strong>die</strong> Jagdbeute<br />

versammelt. Eine erleichterte <strong>und</strong> vermutlich etwas<br />

zittrige Gruppe. <strong>Tarzan</strong> wandte sich Shrimp zu. „Das war<br />

eines <strong>de</strong>r tapfersten Dinge, <strong>die</strong> ich je einen tun sah,<br />

Sergeant", sagte er.<br />

„Shrimp hat seine Medaillen nicht ohne Gr<strong>und</strong> erhalten,<br />

Captain", sagte Bubonovitch.<br />

Kapitel 10<br />

Nun waren sie gut mit Fleisch versorgt - zu reichlich.<br />

Ein Hirsch <strong>und</strong> ein Nashorn waren wohl mehr als<br />

ausreichend für fünf Personen. <strong>Tarzan</strong> hatte einige <strong>de</strong>r<br />

besten Stücke <strong>de</strong>s jungen Bocks abgeschnitten <strong>und</strong><br />

zerlegte jetzt <strong>de</strong>n Nashornrücken. Er hatte in einem Loch,<br />

das er gegraben, neben <strong>de</strong>m Fluß ein Feuer anzün<strong>de</strong>n<br />

lassen. Über einem zweiten Feuer brieten <strong>die</strong> an<strong>de</strong>ren <strong>die</strong><br />

Stücke <strong>de</strong>s Rotwilds.<br />

„Das wer<strong>de</strong>n Sie nicht essen, wie?", fragte Shrimp,<br />

während er auf <strong>de</strong>n großen Brocken Nashornfleisch<br />

zeigte, an <strong>de</strong>m noch <strong>die</strong> Haut war.<br />

„In ein paar St<strong>und</strong>en wer<strong>de</strong>t ihr es essen", sagte<br />

<strong>Tarzan</strong>. ,Es wird euch schmecken."<br />

Als ein Glutbett <strong>de</strong>n Bo<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Lochs be<strong>de</strong>ckte, das er<br />

ausgehoben hatte, legte er <strong>de</strong>n Buckel mit <strong>de</strong>r Haut nach<br />

unten hinein, be<strong>de</strong>ckte ihn mit Blättern <strong>und</strong> dann mit <strong>de</strong>m<br />

Aushub. Er nahm ein Stück Wild, zog sich ein wenig von<br />

<strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren zurück, hockte sich auf <strong>die</strong> Schenkel hin <strong>und</strong><br />

riß mit seinen kräftigen Zähnen rohe Fleischstücke ab. Die<br />

an<strong>de</strong>ren hatten schon seit langem aufgehört, <strong>die</strong>ser<br />

scheinbaren Unart Beachtung zu schenken.<br />

„Was ist dir durch <strong>de</strong>n Sinn gegangen, Shrimp,<br />

während du vor <strong>de</strong>m Rhinoceros Dicerorhinus sumatrensis<br />

auf <strong>de</strong>n Beinen warst?", fragte Bubonovitch. „Bestimmt<br />

hast du kaum <strong>de</strong>n Bo<strong>de</strong>n berührt. Ich wette, du machtest<br />

<strong>die</strong> h<strong>und</strong>ert Schritt in weniger als acht Sek<strong>und</strong>en."<br />

„Ich werd' dir sagen, was ich gedacht hab'. Ich hab' ein<br />

Ave Maria begonnen, wie ich geseh'n hab', daß mir da nix<br />

weniger als ein Wirbelsturm auf <strong>de</strong>n Fersen war. Ich hab'<br />

gedacht, wenn ich das eine Ave Maria fertig hab', bevor<br />

es mich einholt, könnt' ich eine Chance haben. Dann bin<br />

ich gestolpert. Aber <strong>die</strong> Heilige Maria hat mich erhört <strong>und</strong><br />

gerettet."<br />

„Ich dachte, <strong>Tarzan</strong> war's", sagte Bubonovitch.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Page 61 von 197


„Natürlich war's <strong>Tarzan</strong>; aber wer, zur Hölle, glaubst du,<br />

hat ihn da rechtzeitig hingebracht, du Depp?"<br />

„Es gibt keine Atheisten am Vor<strong>de</strong>ren<strong>de</strong> eines<br />

Rhinozeros", sagte Jerry.<br />

„Ich habe auch gebetet", sagte Corrie. „Ich habe<br />

gebetet, daß Gott keinem von euch etwas zustoßen<br />

lassen möge, <strong>die</strong> ihr euer Leben gewagt habt, um unseres<br />

zu retten. Sie sind ein sehr tapferer<br />

Mann, Sergeant, <strong>de</strong>nn Sie müssen gewußt haben, daß<br />

Ihre Chancen eins zu einer Million stan<strong>de</strong>n."<br />

Rosetti war sehr unglücklich. Er wünschte, sie hätten<br />

über etwas an<strong>de</strong>res gesprochen. „Ihr habt mich ganz<br />

mißverstan<strong>de</strong>n", sagte er. „Ich hab' überhaupt kein Hirn.<br />

Hätt' ich's, war' ich in <strong>die</strong> an<strong>de</strong>re Richtung gelaufen; aber<br />

das ist mir nicht rechtzeitig eingefallen. Der Kerl, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n<br />

Mumm hatte, war unser Anführer. Sich vorzustellen, einen<br />

Hirsch <strong>und</strong> das Nashorn da mit nix als einem Messer zu<br />

töten!" Jerry hatte Corrie, wenn er konnte, ohne daß es<br />

aussah, als starrte er sie an, mit einem schnellen Blick<br />

gestreift. Er sah, wie sie mit ihren schönen, weißen<br />

Zähnen am Fleisch riß. Er erinnerte sich, was sie über <strong>de</strong>n<br />

Haß auf Japaner gesagt hatte: „Ich will sie hassen. Ich<br />

mache mir oft Vorwürfe, weil ich glaube, ich hasse sie<br />

nicht bitter genug." Er dachte, welcher Art Frau wird sie<br />

nach <strong>de</strong>m Krieg sein -nach all <strong>de</strong>m, was sie durchgemacht<br />

hat?<br />

Er sah <strong>Tarzan</strong> am rohen Fleisch zerren. Er schaute <strong>die</strong><br />

an<strong>de</strong>ren an, Hän<strong>de</strong> <strong>und</strong> Gesichter verschmiert mit <strong>de</strong>n<br />

Säften <strong>de</strong>s Rotwilds, von verkohlten Teilen verschmutzt.<br />

„Ich frage mich, was für eine Art Welt <strong>die</strong>s sein wird,<br />

nach<strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Frie<strong>de</strong> kommt", sagte er. „Welche Sorte von<br />

Menschen wer<strong>de</strong>n wir sein? Die meisten von uns sind so<br />

jung, daß wir uns an kaum sonst etwas als <strong>de</strong>n Krieg<br />

erinnern können wer<strong>de</strong>n - Töten, Haß, Blut. Ich frage<br />

mich, ob wir uns jemals zum Alltagsdasein eines<br />

bürgerlichen Lebens bereit fin<strong>de</strong>n können."<br />

„Sag das nicht! Wenn ich jemals wie<strong>de</strong>r meine Füße<br />

unter einen Schreibtisch kriege", sagte Bubonovitch,<br />

„hoffe ich, daß Gott mich erschlägt, sollte ich sie je<br />

wie<strong>de</strong>r hervorziehen."<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

„So <strong>de</strong>nkst du jetzt, du Rumtreiber. Und ich hoffe, du<br />

hast Recht. Von mir weiß ich's nicht. Manchmal hasse ich<br />

das Fliegen, aber es liegt mir jetzt im Blut. Vielleicht ist's<br />

nicht bloß das Fliegen - es ist wahrscheinlich <strong>die</strong><br />

Spannung <strong>und</strong> Aufregung. Und wenn das wahr ist, dann<br />

sind's das Fliegen <strong>und</strong> das Töten, was mir gefällt. Ich weiß<br />

Page 62 von 197


nicht. Hoffentlich nicht. Es wird eine höllische Welt sein,<br />

wenn sehr viele junge Burschen so empfin<strong>de</strong>n.<br />

Und nehmt Carrie her. Sie hat gelernt zu hassen.<br />

Gemacht dafür war sie nie. Das ist es, was <strong>de</strong>r Krieg <strong>und</strong><br />

<strong>die</strong> Japaner ihr angetan haben. Ich frag' mich, ob Haß <strong>die</strong><br />

Seele eines Menschen so verzerren kann, daß er nie mehr<br />

<strong>de</strong>rselbe sein kann wie früher."<br />

„Ich glaube, ihr braucht euch nicht zu sorgen", sagte<br />

<strong>Tarzan</strong>. „Der Mensch paßt sich verän<strong>de</strong>rten Bedingungen<br />

an. Beson<strong>de</strong>rs <strong>die</strong><br />

Jungen reagieren schnell auf Verän<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>r Umwelt<br />

<strong>und</strong> <strong>de</strong>r Umstän<strong>de</strong>. Ihr wer<strong>de</strong>t <strong>de</strong>n rechten Platz im Leben<br />

einnehmen, wenn <strong>de</strong>r Frie<strong>de</strong> kommt. Nur <strong>die</strong> Schwachen<br />

<strong>und</strong> Wanken<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n zum Schlechteren verän<strong>de</strong>rt."<br />

„Mit all <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen Metho<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Tötens <strong>und</strong><br />

Verstümmeins, wie wir's gelernt haben, wie sich hinter<br />

einen Kerl schleichen <strong>und</strong> ihm <strong>de</strong>n Hals abschnei<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r<br />

ihn erwürgen, <strong>und</strong> eine Menge noch schlimmerer Sachen<br />

als <strong>die</strong>, da wird's einen Haufen Typen geben, <strong>die</strong> eine<br />

Mord-Ges.m.b.H. überall in <strong>de</strong>n USA einrichten, glaubt<br />

mir's", sagte Shrimp. „Ich kenn' solche Kerle. Hab' nicht<br />

umsonst mein ganzes Leben in Chicago gelebt."<br />

„Ich glaube, es wird uns sehr verän<strong>de</strong>rn", sagte Corrie.<br />

„Wir wer<strong>de</strong>n nicht <strong>die</strong>selben Menschen sein, <strong>die</strong> wir<br />

gewor<strong>de</strong>n wären, hätten wir nicht das alles durchgemacht.<br />

Es ließ uns rasch erwachsen wer<strong>de</strong>n, <strong>und</strong> das be<strong>de</strong>utet,<br />

wir haben einen großen Teil unserer Jugend verloren.<br />

Jerry hat mir gestern erzählt, daß er erst drei<strong>und</strong>zwanzig<br />

ist. Ich glaubte, er sei schon weit in <strong>de</strong>n Dreißigern. Er<br />

hat zehn Jahre seiner Jugend verloren. Kann er <strong>de</strong>rselbe<br />

Mann sein, <strong>de</strong>r er gewesen wäre, hätte er <strong>die</strong>se zehn<br />

Jahre in Frie<strong>de</strong>n <strong>und</strong> Sicherheit gelebt? Nein. Ich glaube,<br />

er wird ein besserer Mensch sein.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Ich glaube, daß ich eine bessere Frau sein wer<strong>de</strong>,<br />

wegen <strong>de</strong>r bloßen Emotion, <strong>die</strong> er <strong>und</strong> <strong>Tarzan</strong> mißbilligen<br />

- Haß. Ich meine keine kleinen Gehässigkeiten. Ich meine<br />

einen gerechten Haß -einen gewaltigen, ansteigen<strong>de</strong>n<br />

Haß. Und zum Ausgleich bringt es mit sich <strong>die</strong> Loyalität zu<br />

s e i n e m L a n d u n d s e i n e n K a m e r a d e n , d i e t i e f e n<br />

Fre<strong>und</strong>schaften <strong>und</strong> Zuneigungen, <strong>die</strong> ein allgemeiner,<br />

heiliger Haß auf <strong>de</strong>n gemeinsamen Feind erzeugt."<br />

Eine Zeitlang sprach keiner. Sie schienen <strong>die</strong>se<br />

einmalige Lobre<strong>de</strong> auf <strong>de</strong>n Haß zu über<strong>de</strong>nken. Es war<br />

Jerry, <strong>de</strong>r das Schweigen brach. „Das ist ein neuer<br />

Aspekt", sagte er. „Ich habe nie zuvor auf <strong>die</strong>se Weise<br />

Page 63 von 197


ü b e r d e n H a ß g e d a c h t . Ta t s ä c h l i c h k o m m e n d i e<br />

kämpfen<strong>de</strong>n Männer nicht viel dazu, zu hassen. Das<br />

scheint das Vorrecht <strong>de</strong>r Nicht-Kämpfen<strong>de</strong>n zu sein."<br />

„Nein", sagte Corrie. „Das ist bloß eine Hel<strong>de</strong>npose in<br />

<strong>de</strong>r Kämpferrolle. Wenn eine japanische Feindseligkeit ihr<br />

Ziel trifft, dann sicher mit <strong>de</strong>r Folge, daß <strong>die</strong> hassen, <strong>die</strong><br />

erfahren, daß alliierte Kriegsgefangene geköpft wor<strong>de</strong>n<br />

sind. Das ist hier passiert, <strong>und</strong> ich garantiere, daß unsere<br />

holländischen Kämpfer dann das Hassen ler nten.<br />

Außer<strong>de</strong>m", sagte Corrie ätzend, „betrachte ich mich<br />

nicht<br />

als Nicht-Kämpfen<strong>de</strong>."<br />

Jerry lächelte. „Verzeihung. Diese Bemerkung war nicht<br />

auf Sie gemünzt. Sie sind eine von uns, <strong>und</strong> wir alle sind<br />

Kämpfer."<br />

Beschwichtigt lächelte Corrie zu ihm zurück. Mochte sie<br />

auch eine gute Vollwert-Hasserin sein, aber Haß war das<br />

nicht, was zur Zeit aus ihren Augen glitzerte.<br />

Shrimp unterbrach <strong>die</strong> Diskussion. „Hui!", rief er aus.<br />

„Gebt euch mal das! Riecht himmlisch."<br />

S i e s c h a u t e n u n d s a h e n , w i e Ta r z a n s e i n e n<br />

improvisierten Ofen ab<strong>de</strong>ckte. „Kommt <strong>und</strong> greift zu!",<br />

rief Shrimp.<br />

Zu ihrem Erstaunen fan<strong>de</strong>n sie <strong>de</strong>n Nashornrücken<br />

s a f t i g , z a r t u n d d e l i k a t . U n d w ä h re n d s i e a ß e n ,<br />

beobachtete sie ein Augenpaar aus <strong>de</strong>r Deckung <strong>de</strong>s<br />

Gebüschs, das am Rand <strong>de</strong>r Felsen jenseits <strong>de</strong>s Flusses<br />

wuchs - beobachtete sie ein paar Minuten lang; dann<br />

kehrte <strong>de</strong>r Besitzer <strong>de</strong>r Augen in <strong>de</strong>n Wald zurück.<br />

In <strong>die</strong>ser Nacht kämpften Wildh<strong>und</strong>e um <strong>die</strong> Kadaver,<br />

<strong>die</strong> <strong>Tarzan</strong> erlegt hatte, bis vor <strong>de</strong>r Dämmerung ein Tiger<br />

kam <strong>und</strong> sie von ihrem Festmahl vertrieb. Finster grollend<br />

blieben sie im Umkreis, bis <strong>de</strong>r Herr <strong>de</strong>s Dschungels<br />

abziehen wür<strong>de</strong>.<br />

Der Krieg schafft neue Wörter. Der Zweite Weltkrieg ist<br />

keine Ausnahme. Das vielleicht berüchtigtste Wort, für<br />

das er verantwortlich ist, ist quisling - Lan<strong>de</strong>sverräter.<br />

Kriege verän<strong>de</strong>rn Wörter auch. Kollaborateur hatte früher<br />

eine schöne <strong>und</strong> ehrenvolle Be<strong>de</strong>utung, aber ich<br />

bezweifle, daß <strong>die</strong>se <strong>de</strong>n Zweiten Weltkrieg überleben<br />

wird. Niemand wird jemals wie<strong>de</strong>r als Kollaborateur<br />

gelten wollen.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Sie sind in je<strong>de</strong>m Land zu fin<strong>de</strong>n, in <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Feind zu<br />

fin<strong>de</strong>n ist. Es gibt Kollaborateure in Sumatra. So einer war<br />

Amat. Er war ein mieses Geschöpf, das sich vor je<strong>de</strong>m<br />

japanischen Soldaten tief verbeugte <strong>und</strong> seiner Gunst<br />

Page 64 von 197


w e g e n s i c h i h m a n z u b i e d e r n s u c h t e . E r w a r e i n<br />

menschlicher Schakal, <strong>de</strong>r sich von <strong>de</strong>n Überresten <strong>de</strong>r<br />

arroganten Eindringlinge ernährte, <strong>und</strong> <strong>de</strong>n sie ins<br />

Gesicht schlugen, wenn er ihnen in <strong>die</strong> Quere kam.<br />

Daher leckte er seine vollen Lippen wie in <strong>de</strong>r<br />

Erwartung eines Festmahls, als er <strong>die</strong> fünf weißen<br />

Menschen am Fluß im kleinen Tal lagern sah, <strong>und</strong> er eilte<br />

<strong>de</strong>n Pfad zurück zum Dorf seines Volkes, in <strong>de</strong>m eine<br />

A b t e i l u n g j a p a n i s c h e r S o l d a t e n v o r ü b e r g e h e n d<br />

einquartiert war.<br />

Zwei Grün<strong>de</strong> hatte er zur Eile. Er war begierig, seine<br />

Information <strong>de</strong>m Feind mitzuteilen. Der an<strong>de</strong>re war <strong>die</strong><br />

Angst. Er hatte nicht<br />

b e m e r k t , w i e s p ä t e s w a r. D u n k e l h e i t w ü r d e<br />

hereinbrechen, ehe er sein Dorf erreichen konnte. Dann<br />

ist's, daß <strong>de</strong>r Herr Tiger durch <strong>de</strong>n Wald streift. Er war<br />

noch einige Meilen vom Dorf entfernt, <strong>und</strong> Zwielicht<br />

verkün<strong>de</strong>te <strong>die</strong> kurze äquatoriale Dämmerung, als sich<br />

Amats Angst bestätigte. Das gräßliche Antlitz <strong>de</strong>s Herrn<br />

<strong>de</strong>s Dschungels lauerte genau auf seinem Pfad. Die<br />

schreckenerregen<strong>de</strong>n Augen, das faltige, knurren<strong>de</strong><br />

Gesicht eines Tigers, zwischen <strong>de</strong>m <strong>und</strong> seinem baldigen<br />

Opfer keine Eisenstäbe sind, son<strong>de</strong>rn nur ein paar Schritt<br />

einsamen Dschungelpfads, sind ein so angsterregen<strong>de</strong>r<br />

Anblick, wie ihn <strong>die</strong> Augen eines Menschen nur je erblickt<br />

haben mögen.<br />

Der Tiger ließ Amat nicht lang im Zweifel über seine<br />

Absichten. Er griff an. Amat kreischte <strong>und</strong> sprang zu<br />

einem Baum. Weiter kreischend, kämpfte er sich hinauf.<br />

Der Tiger sprang ihm nach; <strong>und</strong> unglücklicherweise<br />

verfehlte er ihn. Schwitzend <strong>und</strong> keuchend kletterte Amat<br />

höher. Dort hing er zitternd; <strong>und</strong> dort können wir ihn bis<br />

morgen zurücklassen.<br />

Kapitel 11<br />

„Pff! Was für ein Land", knurrte Shrimp, als sie sich<br />

einen steilen Pfad hinauf quälten, hinaus aus <strong>de</strong>m Tal, ins<br />

Licht eines neuen Tages. „Wenns d' nicht in ein Loch<br />

hinab kraxelst, kraxelst du aus einem raus."<br />

„Schau, <strong>die</strong> Aussicht, Mann. Hast du kein Auge für<br />

Schönheit?"<br />

„Sicher hab' ich ein Auge für Schönheit; aber meine<br />

Füße nicht. Sie haben sich <strong>de</strong>r Air Force angeschlossen,<br />

<strong>und</strong> jetzt sind sie nix als verdammte Teigknö<strong>de</strong>l."<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Aber alles hat ein En<strong>de</strong>, <strong>und</strong> schließlich kamen sie oben<br />

am Steilabbruch an. <strong>Tarzan</strong> betrachtete <strong>de</strong>n Pfad. „Hier<br />

Page 65 von 197


war vor kurzem ein Eingeborener", sagte er. „Vielleicht<br />

gestern am späten Nachmittag. Er kann uns gesehen<br />

haben. Grad hier stand er mehrere Minuten lang, von wo<br />

aus er auf unser Lager hinab schauen konnte."<br />

Als <strong>die</strong> kleine Gruppe <strong>de</strong>m Pfad weiter in <strong>de</strong>n Wald<br />

folgte, hastete Amat atemlos in sein Dorf, platzend vor<br />

Neuigkeiten, <strong>die</strong> während einer Nacht <strong>de</strong>s Schreckens in<br />

ihm gebro<strong>de</strong>lt hatten. So aufgeregt war er, daß er sich vor<br />

einem japanischen Gefreiten zu verbeugen vergaß <strong>und</strong><br />

geschlagen <strong>und</strong> beinah aufgespießt wur<strong>de</strong>. Aber<br />

schließlich stand er vor Leutnant Kumajiro Tada <strong>und</strong><br />

vergaß <strong>die</strong>smal nicht darauf, sich sehr tief zu verneigen.<br />

Aufgeregt ratterte er eine Aufzählung <strong>de</strong>ssen herunter,<br />

was er gesehen hatte. Tada, <strong>de</strong>r kein Wort <strong>de</strong>s<br />

Eingeborenendialekts verstand <strong>und</strong> an <strong>die</strong>sem Morgen<br />

beson<strong>de</strong>rs göttlich war, trat Amat in <strong>die</strong> Rippen. Amat<br />

schrie auf, griff auf <strong>die</strong> schmerzen<strong>de</strong> Stelle <strong>und</strong> sank zu<br />

Bo<strong>de</strong>n. Tada zog sein Schwert. Es war schon lange her,<br />

seit er einen Kopf abgeschlagen hatte, <strong>und</strong> er hatte Lust<br />

darauf, vor <strong>de</strong>m Frühstück einen Kopf abzuschlagen.<br />

Ein Wachtmeister, <strong>de</strong>r Amats Bericht mit angehört hatte<br />

<strong>und</strong> <strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>n Dialekt verstand, salutierte <strong>und</strong> verbeugte sich. Er<br />

informierte<br />

<strong>de</strong>n ehrenwerten Leutnant, in<strong>de</strong>m er Luft durch <strong>die</strong> Zähne<br />

einsog,<br />

daß Amat eine Gruppe von Weißen gesehen hatte <strong>und</strong><br />

daß es das<br />

gewesen war, was er <strong>de</strong>m ehrenwerten Leutnant zu<br />

erzählen<br />

versuchte. Zögernd schob Tada sein Schwert in <strong>die</strong><br />

Schei<strong>de</strong> <strong>und</strong><br />

hörte <strong>de</strong>r Übersetzung <strong>de</strong>s Wachtmeisters zu.<br />

*<br />

Einige Meilen von <strong>de</strong>r Stelle, an <strong>de</strong>r sie <strong>de</strong>n Wald<br />

betreten hatten, hielt <strong>Tarzan</strong> an <strong>und</strong> untersuchte <strong>de</strong>n Pfad<br />

sorgfältig. „Hier", sagte er, „wur<strong>de</strong> unser eingeborener<br />

Fre<strong>und</strong> von einem Tiger auf einen Baum<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

gehetzt. Die ganze Nacht lang blieb er auf <strong>die</strong>sem Baum,<br />

er kam erst vor Kurzem herunter, wahrscheinlich sobald es<br />

hell war. Ihr könnt <strong>die</strong> Abdrücke <strong>de</strong>s Tieres im Lehm<br />

sehen, wo sie <strong>die</strong> Fährte <strong>de</strong>s Burschen über<strong>de</strong>cken, <strong>die</strong> er<br />

letzte Nacht hinterließ. Hier ist's, wo er heute Morgen<br />

herabgesprungen ist <strong>und</strong> seinen Weg fortgesetzt hat."<br />

Page 66 von 197


S i e z o g e n w e i t e r u n d g e l a n g t e n b a l d a n e i n e<br />

Weggabelung. Abermals hielt <strong>Tarzan</strong> an. Er zeigte ihnen,<br />

welchen Weg <strong>de</strong>r Eingeborene eingeschlagen hatte. Auf<br />

<strong>de</strong>r Abzweigung wies er sie auf Spuren hin, <strong>die</strong> bewiesen,<br />

daß eine Anzahl Menschen wohl vor einigen Tagen dort<br />

gegangen waren. „Diese waren keine Eingeborenen",<br />

sagte er, „<strong>und</strong> ich glaube auch nicht, daß sie Japaner<br />

waren. Das sind <strong>die</strong> Fußabdrücke sehr großer Männer.<br />

Jerry, ich schlage vor, ihr folgt <strong>de</strong>m Pfad, <strong>de</strong>n <strong>de</strong>r<br />

Eingeborene einschlug, während ich <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren<br />

erk<strong>und</strong>e. Diese Leute könnten holländische Guerillas sein.<br />

In <strong>die</strong>sem Fall könnten sie uns sehr hilfreich wer<strong>de</strong>n. Lauft<br />

nicht zu schnell, ich wer<strong>de</strong> euch dann einholen."<br />

„ W i r w e r d e n w a h r s c h e i n l i c h z u e i n e m<br />

Eingeborenendorf kommen", sagte Jerry. „Dann wer<strong>de</strong>n<br />

wir uns wohl lieber im Dschungel verkriechen, bis Sie<br />

nachkommen; so daß wir alle zusammen dort auftauchen<br />

können. Inzwischen kann ich <strong>de</strong>n Ort erk<strong>und</strong>en." <strong>Tarzan</strong><br />

nickte zustimmend <strong>und</strong> schwang sich auf <strong>die</strong> Bäume, um<br />

<strong>de</strong>m linken Seitenweg zu folgen. Sie beobachteten ihn,<br />

bis er außer Sicht war. „Dem Kerl gefällt's, so mühsam zu<br />

wan<strong>de</strong>rn?", sagte Shrimp.<br />

„ S c h a u t n i c h t s o m ü h s a m a u s , w e n n m a n i h m<br />

zuschaut", sagte Bubonovitch. „Das ist nur, wenn man's<br />

selber versucht."<br />

„Unter <strong>die</strong>sen Umstän<strong>de</strong>n ist es <strong>die</strong> i<strong>de</strong>ale Art zu<br />

wan<strong>de</strong>rn", sagte Jerry. „Es hinterläßt keine Fährte, <strong>und</strong> es<br />

gibt ihm einen Vorteil gegenüber je<strong>de</strong>m Feind, <strong>de</strong>m er<br />

begegnen könnte."<br />

„Es ist schön", sagte Corrie. „Er ist so anmutig, <strong>und</strong> er<br />

bewegt sich so leise." Sie seufzte. „Könnten wir alle es so<br />

machen, wie viel sicherer wären wir!"<br />

Sie zogen gemächlich auf <strong>de</strong>m Pfad zu Amats Dorf<br />

weiter, Bubonovitch an <strong>de</strong>r Spitze, Rosetti hinter ihm.<br />

Jerry <strong>und</strong> Corrie folgten einige Schritte dahinter. Dann<br />

hielt Corrie an, um <strong>die</strong> Bän<strong>de</strong>r eines ihrer Mokassins<br />

nachzubin<strong>de</strong>n, <strong>und</strong> Jerry wartete auf sie. Die an<strong>de</strong>ren<br />

gelangten hinter einer Biegung <strong>de</strong>s gew<strong>und</strong>enen Pfa<strong>de</strong>s<br />

außer Sicht.<br />

„Fühlen Sie sich nicht etwas verloren ohne <strong>Tarzan</strong>?",<br />

fragte Corrie, als sie sich wie<strong>de</strong>r aufrichtete. Dann gab sie<br />

einen kleinen<br />

Schreckensruf von sich. „Oh, ich meine damit nicht, daß<br />

ich kein Vertrauen in Sie <strong>und</strong> Bubonovitch <strong>und</strong> Rosetti<br />

habe, aber - "<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Page 67 von 197


Jerry lächelte. „Entschuldigen Sie sich nicht. Ich<br />

empfin<strong>de</strong> ebenso wie Sie. Wir sind alle außerhalb unserer<br />

natürlichen Umgebung. Er ist's nicht. Er ist richtig<br />

zuhause hier. Ich weiß nicht, was wir ohne ihn angefangen<br />

hätten."<br />

„Wir wären so gewesen wie Rotkäppchen im - "<br />

„Horchen Sie!", warnte Jerry, plötzlich alarmiert. Er<br />

vernahm Stimmen voraus. Heisere Stimmen in einer<br />

frem<strong>de</strong>n Sprache. „Japaner!", rief er aus. Er wollte auf <strong>die</strong><br />

Geräusche zu loslaufen. Dann hielt er ein <strong>und</strong> kehrte um.<br />

Es wur<strong>de</strong> ihm eine grausame Entscheidung, gleich wie er<br />

sie betrachtete. Er mußte entwe<strong>de</strong>r seine bei<strong>de</strong>n<br />

Sergeanten o<strong>de</strong>r das Mädchen im Stich lassen. Aber er<br />

war für seine schnellen Entscheidungen bekannt.<br />

Er packte Corrie am Arm <strong>und</strong> zog sie ins Gewirr <strong>de</strong>s<br />

Unterholzes neben <strong>de</strong>m Pfad. Sie schlängelten sich immer<br />

tiefer hinein, so lang, bis <strong>de</strong>r Klang <strong>de</strong>r Stimmen nicht<br />

mehr näher kam. Wenn sie es taten, was anzeigte, daß <strong>die</strong><br />

Japaner <strong>de</strong>n Pfad in ihrer Richtung durchsuchten, legten<br />

sie sich unter <strong>de</strong>m Gewirr <strong>de</strong>s tropischen Grüns flach auf<br />

<strong>de</strong>n Bo<strong>de</strong>n. Ein Suchen<strong>de</strong>r hätte in einem Fuß Abstand<br />

vor ihnen vorbei gehen können, ohne sie zu sehen.<br />

Ein Dutzend Soldaten überraschten Bubonovitch <strong>und</strong><br />

Rosetti <strong>und</strong> nahmen sie gefangen. Sie hatten keine<br />

Chance gehabt. Die Japaner stießen sie herum <strong>und</strong><br />

bedrohten sie mit ihren Bajonetten, bis Leutnant Tada sie<br />

z u r ü c k r i e f . Ta d a s p r a c h E n g l i s c h . E r h a t t e a l s<br />

Tellerwäscher in einem Hotel in Eugene gearbeitet,<br />

während er <strong>die</strong> Universität von Oregon besuchte, <strong>und</strong> er<br />

hatte <strong>die</strong> Gefangenen sofort als Amerikaner eingeschätzt.<br />

Er verhörte sie, <strong>und</strong> je<strong>de</strong>r nannte seinen Namen, Rang<br />

<strong>und</strong> <strong>die</strong> Erkennungsnummer.<br />

„Ihr wart von <strong>de</strong>m Bomber, <strong>de</strong>r abgeschossen wur<strong>de</strong>?",<br />

wollte Tada wissen.<br />

„Wir haben Ihnen alle Informationen gegeben, mit<br />

<strong>de</strong>nen wir auf Fragen antworten dürfen."<br />

Tada sprach mit einem Soldaten auf Japanisch. Der<br />

Mann trat vor<br />

<strong>und</strong> stieß <strong>die</strong> Spitze seines Bajonetts gegen<br />

Bubonovitchs Bauch.<br />

„Wer<strong>de</strong>n Sie nun auf meine Frage antworten?", knurrte<br />

Tada.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

„Sie kennen <strong>die</strong> Regeln, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Behandlung von<br />

Kriegsgefangenen bestimmen", sagte Bubonovitch, „aber<br />

ich glaube nicht, daß das für Sie einen Unterschied<br />

Page 68 von 197


ausmacht. Für mich schon. Ich wer<strong>de</strong> keine weiteren<br />

Fragen beantworten."<br />

„Sie sind ein verdammter Narr", sagte Tada. Er wandte<br />

sich Rosetti zu. „Wie ist's mit Ihnen?", fragte er. „Wer<strong>de</strong>n<br />

Sie antworten?"<br />

„Nix zu machen", sagte Rosetti.<br />

„Ihr wart zu fünft in eurer Gruppe - vier Männer <strong>und</strong> ein<br />

Mädchen. Wo sind <strong>die</strong> an<strong>de</strong>ren drei? - Wo ist das<br />

Mädchen?", ließ <strong>de</strong>r Japaner nicht locker.<br />

„Hast g'sehn, wie viele in unsrer Gruppe sind. Schau'n<br />

wir aus wie fünf? O<strong>de</strong>r kannst nicht zählen? Schaut einer<br />

von uns wie ein Weibsbild aus? Jemand hat dir einen<br />

Bären aufgeb<strong>und</strong>en, Tojo."<br />

„Okay, Schlaumeier", schnappte Tada. „Ich wer<strong>de</strong> euch<br />

bis morgen Zeit zum Nach<strong>de</strong>nken geben. Ihr antwortet<br />

morgen auf alle meine Fragen, o<strong>de</strong>r ihr wer<strong>de</strong>t bei<strong>de</strong><br />

geköpft."<br />

„Un<strong>de</strong>i ichei schätzei, dabei spaßtei erei nichtei", sagte<br />

Rosetti zu Bubonovitch.<br />

„Darauf könnt ihr euer süßes Leben verwetten, daß ich<br />

nicht spaße, Yank", sagte Tada.<br />

Shrimp war wie aus allen Wolken gefallen. „Pfui! Wer<br />

hätt'n gedacht, ein Nip würd' Schweinchenlatein<br />

versteh'n!", maulte er Bubonovitch zu.<br />

Tada schickte zwei seiner Männer <strong>de</strong>n Pfad entlang, um<br />

nach <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren Mitglie<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r Gruppe zu suchen. Er<br />

kehrte mit <strong>de</strong>m Rest <strong>und</strong> <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n Gefangenen zu<br />

Amats Dorf zurück. Jerry <strong>und</strong> Corrie hatten alles was<br />

gesagt wur<strong>de</strong> mit angehört. Sie hörten <strong>de</strong>n Haupttrupp in<br />

<strong>die</strong> Richtung abziehen, aus <strong>de</strong>r er gekommen war, aber<br />

sie wußten nichts von <strong>de</strong>n Zweien, <strong>die</strong> auf <strong>die</strong> Suche nach<br />

ihnen geschickt wor<strong>de</strong>n waren. In <strong>de</strong>r Annahme, daß sie<br />

nun vor Ent<strong>de</strong>ckung sicher wären, krochen sie aus ihrem<br />

Versteck.<br />

<strong>Tarzan</strong> schwang sich problemlos durch <strong>die</strong> mittleren<br />

Stockwerke <strong>de</strong>s Wal<strong>de</strong>s. Vielleicht zwei Meilen hatte er<br />

zurückgelegt, als seine Aufmerksamkeit durch eine<br />

Bewegung vor ihm erregt wur<strong>de</strong>. Er vernahm das<br />

vertraute Grunzen <strong>und</strong> Knurren <strong>und</strong> Schnattern <strong>de</strong>r<br />

großen Affen <strong>und</strong> nahm an, daß sie einen Feind angriffen<br />

o<strong>de</strong>r angegriffen wur<strong>de</strong>n. Da <strong>de</strong>r Lärm direkt in seinem<br />

Weg lag, bewegte er sich darauf zu.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Bald bot sich ihm <strong>de</strong>r Anblick von vier erwachsenen<br />

Orang-Utans, <strong>die</strong> sich aufgeregt unter <strong>de</strong>n Ästen eines<br />

Page 69 von 197


großen Baumes schwangen. Schlagend <strong>und</strong> kreischend<br />

schössen sie vor <strong>und</strong> zurück. Und dann sah er <strong>de</strong>n<br />

Gegenstand ihres Zorns - ein Python hielt einen jungen<br />

Orang-Utan umschlungen.<br />

<strong>Tarzan</strong> erfaßte <strong>die</strong> ganze Szene mit einem Blick. Der<br />

Python hatte noch nicht zu würgen begonnen. Er hielt nur<br />

das zappeln<strong>de</strong> Opfer fest, während er versuchte, <strong>die</strong><br />

angreifen<strong>de</strong>n Affen abzuwehren. Das Geschrei <strong>de</strong>s<br />

Jungen war <strong>de</strong>r endgültige Beweis, daß es noch sehr am<br />

Leben war.<br />

<strong>Tarzan</strong> stieß <strong>de</strong>n wil<strong>de</strong>n Kampfschrei aus, um seinen<br />

alten Feind, Histah, <strong>die</strong> Schlange, herauszufor<strong>de</strong>rn, <strong>die</strong><br />

Gefahr für seine Fre<strong>und</strong>e, <strong>die</strong> Mangani - <strong>die</strong> großen<br />

Affen. Wenn er sich fragte, ob sie ihn als Fre<strong>und</strong> erkennen<br />

wür<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r ihn als Feind attackierten, so beirrte ihn <strong>de</strong>r<br />

Gedanke nicht. Er schwang sich schnell auf <strong>de</strong>n Baum, auf<br />

welchem sich <strong>die</strong> Tragö<strong>die</strong> abspielte, nur einen Ast über<br />

<strong>de</strong>m Python <strong>und</strong> seinem Opfer.<br />

So gefesselt waren <strong>die</strong> Schauspieler <strong>die</strong>ses primitiven<br />

Dramas von <strong>de</strong>r Haupthandlung, daß keiner seine<br />

Gegenwart bemerkte, bis er sprach. Er fragte sich, ob ihn<br />

<strong>die</strong> großen Affen so wie Tantor verstehen wür<strong>de</strong>n.<br />

„Kreeg-ha!", brüllte er. „<strong>Tarzan</strong>b<strong>und</strong>olo Histah!"<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Die Affen erstarrten <strong>und</strong> sahen hoch. Sie erblickten ein<br />

fast nacktes Menschen-Ding über <strong>de</strong>m Python, in <strong>de</strong>r<br />

Hand <strong>de</strong>s Menschen-Dings eine schimmern<strong>de</strong> Klinge.<br />

„B<strong>und</strong>olo! B<strong>und</strong>olo!", brüllten sie - Töten! Töten! Und<br />

<strong>Tarzan</strong> wußte, daß sie ihn verstan<strong>de</strong>n. Dann warf er sich<br />

mit voller Wucht auf <strong>de</strong>n Python <strong>und</strong> sein Opfer.<br />

Stählerne Finger ergriffen <strong>die</strong> Schlange hinter <strong>de</strong>m Kopf,<br />

w ä h re n d Ta r z a n m i t s e i n e n k r ä f t i g e n B e i n e n d i e<br />

Windungen <strong>und</strong> <strong>de</strong>n jungen Affen umklammerte. Seine<br />

scharfe Klinge schnitt gera<strong>de</strong> hinter <strong>de</strong>r Hand, <strong>die</strong> mit<br />

tödlichem Griff das Genick festhielt, tief in <strong>de</strong>n sich<br />

win<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Leib. Die peitschen<strong>de</strong>n Schlingen zuckten im<br />

To<strong>de</strong>skampf, gaben <strong>de</strong>n jungen Orang-Utan frei <strong>und</strong><br />

versuchten, <strong>de</strong>n Körper <strong>de</strong>s Wesens, das sich an sie<br />

klammerte, zu zerquetschen. Das verzweifelte Ringen<br />

löste <strong>de</strong>n Halt <strong>de</strong>s Pythons von <strong>de</strong>m Ast <strong>de</strong>s Baumes, <strong>und</strong><br />

er stürzte hinab zum Bo<strong>de</strong>n, <strong>Tarzan</strong> mit sich reißend.<br />

An<strong>de</strong>re Äste bremsten ihren Sturz, <strong>und</strong> <strong>de</strong>r Mensch wur<strong>de</strong><br />

nicht verletzt. Aber auch <strong>die</strong> Schlange war noch lange<br />

nicht tot. Ihr wahnwitziges Win<strong>de</strong>n machte es <strong>Tarzan</strong><br />

unmöglich, seine Klinge wirkungsvoll einzusetzen. Die<br />

Schlange war schwer verw<strong>und</strong>et, doch immer noch ein<br />

äußerst ansehnlicher Feind. Wenn es ihr gelang, <strong>Tarzan</strong><br />

Page 70 von 197


mit ihren kräftigen Windungen zu umschlingen, wür<strong>de</strong><br />

sein Körper zerquetscht wer<strong>de</strong>n, lange bevor er sie töten<br />

konnte.<br />

Und nun sprangen <strong>die</strong> Affen neben <strong>de</strong>n Teilnehmern<br />

<strong>die</strong>ses<br />

grimmigen Kampfes auf Leben <strong>und</strong> Tod auf <strong>de</strong>n Bo<strong>de</strong>n<br />

herab. Knurrend, schnatternd <strong>und</strong> kreischend hüpften <strong>die</strong><br />

vier kräftigen Erwachsenen auf <strong>die</strong> schlagen<strong>de</strong>n Schlingen<br />

<strong>de</strong>s Pythons <strong>und</strong> zerrten sie vom Leib <strong>de</strong>s Menschen-<br />

Dings. Und <strong>Tarzan</strong>s Messer fand abermals sein Ziel.<br />

Als <strong>de</strong>r abgetrennte Kopf auf <strong>de</strong>n Bo<strong>de</strong>n rollte, sprang<br />

<strong>Tarzan</strong> zur Seite. Das taten auch <strong>die</strong> Affen, <strong>de</strong>nn <strong>de</strong>r<br />

To<strong>de</strong>skampf <strong>de</strong>r Riesenschlange konnte sich als ebenso<br />

tödlich erweisen wie ihr vom winzigen Gehirn gesteuerter<br />

Kampf.<br />

<strong>Tarzan</strong> drehte sich um <strong>und</strong> blickte <strong>de</strong>n Affen entgegen;<br />

dann setzte er einen Fuß auf <strong>de</strong>n toten Kopf <strong>und</strong> brüllte<br />

mit zum Himmel erhobenem Kopf <strong>de</strong>n Siegesschrei <strong>de</strong>s<br />

A f f e n b u l l e n . E s s c h o l l w i l d u n d g r a u s i g u n d<br />

schreckenerregend durch <strong>de</strong>n Urwald, <strong>und</strong> für einen<br />

Augenblick verstummten <strong>die</strong> Stimmen <strong>de</strong>s Dschungels.<br />

Die Affen schauten das Menschen-Ding an. Ihr ganzes<br />

Leben lang war seine Art ihr natürlicher Feind gewesen.<br />

War er Fre<strong>und</strong> o<strong>de</strong>r Feind?<br />

<strong>Tarzan</strong> schlug sich auf <strong>die</strong> Brust <strong>und</strong> sagte: „<strong>Tarzan</strong>."<br />

Die Affen nickten <strong>und</strong> sagten: „<strong>Tarzan</strong>", <strong>de</strong>nn <strong>Tarzan</strong><br />

be<strong>de</strong>utet Weiß-Haut in <strong>de</strong>r Sprache <strong>de</strong>r großen Affen.<br />

„<strong>Tarzan</strong> yo", sagte <strong>de</strong>r Mann. „Manganiyo?"<br />

„Mangani yo", sagte <strong>de</strong>r älteste <strong>und</strong> größte <strong>de</strong>r Affen -<br />

Fre<strong>und</strong> großer Affen.<br />

Da entstand Lärm in <strong>de</strong>n Bäumen, als käme heftiger<br />

Wind auf -das wil<strong>de</strong> Rascheln <strong>und</strong> Streifen von Blättern<br />

<strong>und</strong> Zweigen. Affen <strong>und</strong> Mensch schauten erwartungsvoll<br />

in <strong>die</strong> Richtung, aus <strong>de</strong>r <strong>die</strong> Geräusche kamen. Alle<br />

wußten, was <strong>de</strong>n Lärm verursachte. Nur <strong>de</strong>r Mann wußte<br />

nicht, was er ankündigte.<br />

Bald sah er zehn o<strong>de</strong>r zwölf riesige schwarze Gestalten<br />

durch <strong>die</strong> Bäume auf sie zu schwingen. R<strong>und</strong> um sie<br />

sprangen <strong>die</strong> Affen zum Bo<strong>de</strong>n herab. Sie hatten <strong>Tarzan</strong>s<br />

d u r c h d r i n g e n d e n S c h r e i v e r n o m m e n u n d w a r e n<br />

herbeigeeilt um nachzusehen. Es hätte <strong>de</strong>r Siegesschrei<br />

eines Fein<strong>de</strong>s sein können, <strong>de</strong>r ihren Stamm überw<strong>und</strong>en<br />

hatte. Es hätte eine Herausfor<strong>de</strong>rung zum Kampf sein<br />

können.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Page 71 von 197


Sie beäugten <strong>Tarzan</strong> mißtrauisch, einige von ihnen mit<br />

entblößten Zähnen. Er war ein Menschen-Ding, ein<br />

natürlicher Feind. Sie schauten von <strong>Tarzan</strong> zu Uglo, <strong>de</strong>m<br />

ältesten <strong>und</strong> größten <strong>de</strong>r Affen. Uglo zeigte auf <strong>de</strong>n Mann<br />

<strong>und</strong> sagte: „<strong>Tarzan</strong>. Yo." Dann erzählte er in <strong>de</strong>r einfachen<br />

Sprache <strong>de</strong>r Urmenschen <strong>und</strong> mit Zeichen <strong>und</strong><br />

Gesten, was <strong>Tarzan</strong> getan hatte. Die neu Angekommenen<br />

nickten zum Einverständnis - alle außer einem. Oju, ein<br />

voll erwachsener junger Orang-Utan, fletschte drohend<br />

seine Zähne.<br />

„Oju b<strong>und</strong>olo!", knurrte er - Oju töten!<br />

Vanda, <strong>die</strong> Mutter <strong>de</strong>s kleinen Affen, <strong>de</strong>r vor <strong>de</strong>m<br />

Python gerettet wor<strong>de</strong>n war, drückte sich eng an <strong>Tarzan</strong><br />

<strong>und</strong> streichelte ihn mit rauer, schwieliger Handfläche. Sie<br />

stellte sich zwischen <strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> Oju, aber jener schob sie<br />

sanft beiseite.<br />

Oju hatte eine Herausfor<strong>de</strong>rung ausgesprochen, <strong>die</strong><br />

<strong>Tarzan</strong> nicht ignorieren konnte, ohne das Ansehen vor<br />

<strong>de</strong>m Stamm zu verlieren. Das wußte er, <strong>und</strong> obwohl er<br />

nicht kämpfen wollte, zog er sein Messer <strong>und</strong> rückte<br />

gegen <strong>de</strong>n knurren<strong>de</strong>n Oju vor.<br />

Oju war bei seinen fast sechs Fuß Größe <strong>und</strong> vollen<br />

dreih<strong>und</strong>ert Pf<strong>und</strong> Gewicht in <strong>de</strong>r Tat ein beachtlicher<br />

Gegner. Seine außeror<strong>de</strong>ntlich langen Arme, seine<br />

herkulischen Muskeln, seine kräftigen Fänge <strong>und</strong><br />

gewaltigen Kiefer ließen <strong>die</strong> Kampfkraft selbst <strong>de</strong>s<br />

mächtigen <strong>Tarzan</strong> schwächlich wirken.<br />

Oju trampelte vorwärts, seine schwieligen Knöchel auf<br />

<strong>de</strong>m Bo<strong>de</strong>n lassend. Uglo wäre eingeschritten. Er machte<br />

eine halbherzige Geste, zwischen <strong>die</strong> Bei<strong>de</strong>n zu treten.<br />

Aber Uglo fürchtete sich wirklich. Er war König, aber er<br />

wur<strong>de</strong> alt. Er wußte, daß Oju vorhatte, seine Herrschaft<br />

herauszufor<strong>de</strong>rn. Wür<strong>de</strong> er ihm jetzt entgegentreten,<br />

wür<strong>de</strong> er bloß <strong>de</strong>n Zeitpunkt seiner Entthronung<br />

vorverlegen. Er schritt nicht ein. Aber Vanda zeterte, <strong>und</strong><br />

das taten auch <strong>die</strong> an<strong>de</strong>ren Affen, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Rettung von<br />

Vandas Balu durch <strong>Tarzan</strong> miterlebt hatten.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Oju war unbeirrt. Er tapste zuversichtlich heran, in<br />

Verachtung <strong>die</strong>ses mickrigen Menschen-Dings. Wenn er<br />

eine Hand kräftig an ihn legen konnte, wäre <strong>de</strong>r Kampf so<br />

gut wie vorbei. Er streckte einen langen Arm nach seinem<br />

beabsichtigten Opfer aus. Es war ein taktischer Fehler.<br />

<strong>Tarzan</strong> bemerkte das langsame, dumme Vorrücken, <strong>die</strong><br />

ausgestreckte Hand; <strong>und</strong> er än<strong>de</strong>rte seinen eigenen<br />

Kampfplan. Er nahm das Messer in seinen M<strong>und</strong> <strong>und</strong> hielt<br />

<strong>die</strong> Klinge zwischen <strong>de</strong>n Zähnen fest. Damit hatte er<br />

Page 72 von 197


ei<strong>de</strong> Hän<strong>de</strong> frei. Dann sprang er vorwärts, packte Ojus<br />

ausgestrecktes Handgelenk mit zehn kräftigen Fingern,<br />

drehte sich schnell, beugte sich vor <strong>und</strong> warf <strong>de</strong>n Affen<br />

über seinen Kopf. Er warf ihn so, daß er schwer auf seinen<br />

Rücken fallen wür<strong>de</strong>.<br />

Schlimm geprellt <strong>und</strong> brüllend vor Zorn rappelte<br />

sich Oju<br />

unbeholfen auf <strong>die</strong> Beine. <strong>Tarzan</strong> sprang ihm schnell auf<br />

<strong>de</strong>n Rücken, solange er seine Balance noch nicht wie<strong>de</strong>r<br />

hatte, umschloß mit seinen mächtigen Beinen seine<br />

Hüften <strong>und</strong> schlang <strong>de</strong>n linken Arm um seinen Hals. Dann<br />

drückte er <strong>de</strong>m Biest <strong>die</strong> Spitze seines Messers in <strong>die</strong><br />

Seite - drückte sie, bis Oju in ein Schmerzgeschrei<br />

ausbrach.<br />

„Kagoda!", verlangte <strong>Tarzan</strong>. Aufgeben heißt das bei<br />

<strong>de</strong>n Affen. Ebenso wie: Ich ergebe mich. Der Unterschied<br />

ist nur eine Sache <strong>de</strong>r Betonung.<br />

Oju streckte einen langen Arm nach hinten, um seinen<br />

Gegner zu packen. Das Messer grub sich wie<strong>de</strong>r ein.<br />

Diesmal tiefer. Wie<strong>de</strong>r fragte <strong>Tarzan</strong>: „Kagoda?" Je mehr<br />

Oju versuchte, das Menschen-Ding von seinem Rücken zu<br />

entfernen, <strong>de</strong>sto tiefer wur<strong>de</strong> das Messer hineingepreßt.<br />

<strong>Tarzan</strong> hätte <strong>de</strong>n Affen töten können, aber das wollte er<br />

nicht. Kräftige junge Bullen sind <strong>die</strong> Stärke eines<br />

Stammes, <strong>und</strong> <strong>die</strong>ser Stamm war ihm äußerst fre<strong>und</strong>lich<br />

gesinnt.<br />

Oju stand jetzt still. Blut strömte an seiner Seite<br />

herunter. <strong>Tarzan</strong> verlagerte <strong>die</strong> Spitze <strong>de</strong>s Messers zu<br />

Ojus Schä<strong>de</strong>l-Basis <strong>und</strong> stach gera<strong>de</strong> so tief ein, daß er<br />

blutete <strong>und</strong> Schmerzen empfand.<br />

„Kagoda!", schrie Oju.<br />

<strong>Tarzan</strong> löste seinen Griff <strong>und</strong> trat beiseite. Oju<br />

humpelte davon <strong>und</strong> hockte sich hin, um seine W<strong>und</strong>en zu<br />

pflegen. <strong>Tarzan</strong> wußte, daß er sich einen Feind gemacht<br />

hatte, aber einen Feind, <strong>de</strong>r sich immer vor ihm fürchten<br />

wür<strong>de</strong>. Er wußte auch, daß er sich einen Platz als<br />

Stammesmitglied geschaffen hatte. Er wür<strong>de</strong> immer<br />

Fre<strong>und</strong>e unter ihnen haben.<br />

Er zog Uglos Aufmerksamkeit auf <strong>die</strong> Menschenfährte<br />

auf <strong>de</strong>m Pfad. „Tarmangani?", fragte er. Tar ist weiß,<br />

Mangani be<strong>de</strong>utet Affen; Tarmangani also: weiße, große<br />

Affen, das heißt: weiße Menschen.<br />

„Sord Tarmangani", sagte Uglo - böse weiße<br />

Menschen.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

<strong>Tarzan</strong> wußte, daß für <strong>die</strong> großen Affen alle weißen<br />

M e n s c h e n b ö s e w a r e n . E r w ü r d e s i e s e l b s t<br />

Page 73 von 197


ausk<strong>und</strong>schaften müssen. Diese Menschen mochten sich<br />

als wertvolle Verbün<strong>de</strong>te erweisen.<br />

Er fragte Uglo, ob <strong>die</strong> weißen Menschen reisten o<strong>de</strong>r<br />

lagerten. Uglo sagte, daß sie lagerten. <strong>Tarzan</strong> fragte, in<br />

welcher Entfernung. Uglo streckte seine Arme zur vollen<br />

Länge gegen <strong>die</strong> Sonne hin aus <strong>und</strong> hielt <strong>die</strong> Handflächen<br />

einan<strong>de</strong>r zugekehrt <strong>und</strong> auf einen Fuß Abstand. Das ist so<br />

weit, wie <strong>die</strong> Sonne in einer St<strong>und</strong>e vorrücken wür<strong>de</strong>.<br />

<strong>Tarzan</strong> interpretierte das, daß das Camp <strong>de</strong>r weißen<br />

Männer<br />

etwa drei Meilen entfernt lag - so weit, wie <strong>die</strong><br />

Affen für gewöhnlich in einer St<strong>und</strong>e durch <strong>die</strong> Bäume<br />

weiterkamen.<br />

Er schwang sich auf einen Baum <strong>und</strong> war unterwegs in<br />

<strong>die</strong> Richtung <strong>de</strong>s Tarmangani-Camps. Es gibt kein<br />

Lebwohl o<strong>de</strong>r Auf wie<strong>de</strong>rsehen in <strong>de</strong>r Affensprache. Die<br />

Mitglie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Stammes kehrten zu ihren normalen<br />

Aktivitäten zurück. Oju kümmerte sich um seine W<strong>und</strong>en<br />

<strong>und</strong> um seine Wut. Er fletschte <strong>die</strong> Zähne gegen je<strong>de</strong>n,<br />

<strong>de</strong>r ihm nahe kam.<br />

Kapitel 12<br />

Jerry erging sich in Selbstvorwürfen. „Ich fühle mich<br />

wie ein Feigling", sagte er, „daß ich <strong>die</strong> bei<strong>de</strong>n Burschen<br />

ihrem Schicksal überließ, während ich mich versteckte.<br />

Aber ich konnte Sie nicht hier allein lassen, Corrie, o<strong>de</strong>r<br />

Ihre Gefangennahme riskieren."<br />

„Auch wenn Sie nicht hier gewesen wären", sagte<br />

Corrie, „war grad das, was Sie getan haben, das Richtige.<br />

Wären Sie mit ihnen gefangen wor<strong>de</strong>n, hätten Sie nicht<br />

mehr für sie tun können, als sie selbst für sich tun mögen.<br />

So aber können Sie <strong>und</strong> <strong>Tarzan</strong> etwas für sie tun."<br />

„Danke, daß Sie es so darstellen. Trotz<strong>de</strong>m, ich - " Er<br />

hielt lauschend inne. „Jemand kommt", sagte er <strong>und</strong> zog<br />

das Mädchen zurück in <strong>die</strong> Deckung <strong>de</strong>s Gestrüpps.<br />

Von dort aus, wo sie verborgen waren, hatten sie freie<br />

Sicht zurück auf <strong>de</strong>n Pfad, gut fünfzig Schritt weit, ehe er<br />

aus ihrer Blicklinie abbog. Bald hörten sie <strong>de</strong>utlicher <strong>die</strong><br />

Stimmen. „Japaner", flüsterte Corrie. Sie nahm eine<br />

Handvoll Pfeile aus <strong>de</strong>m Köcher auf ihrem Rücken <strong>und</strong><br />

legte einen auf ihren Bogen. Jerry grinste <strong>und</strong> folgte<br />

ihrem Beispiel.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Einen Augenblick später schlen<strong>de</strong>rten zwei Japaner<br />

sorglos in ihr Blickfeld. Ihre Gewehre waren über ihre<br />

Page 74 von 197


Rücken gehängt. Aus <strong>die</strong>ser Richtung hatten sie nichts zu<br />

befürchten - glaubten sie. Sie hatten eine symbolische<br />

Gehorsamsgeste gemacht, um <strong>de</strong>n Anweisungen ihres<br />

Offiziers zu gehorchen, daß sie auf <strong>de</strong>m Pfad zurück nach<br />

<strong>de</strong>n fehlen<strong>de</strong>n drei Weißen suchen sollten. Die in einem<br />

Hinterhalt auf sie Warten<strong>de</strong>n aufzustöbern, waren sie<br />

nicht allzu begierig. Sie wür<strong>de</strong>n langsam zum Lager<br />

zurückbummeln <strong>und</strong> mel<strong>de</strong>n, daß sie eine sorgfältige<br />

Suche unternommen hätten.<br />

Corrie lehnte sich näher an Jerry <strong>und</strong> flüsterte: „Sie<br />

über nehmen <strong>de</strong>n Linken. Ich wer<strong>de</strong> <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren<br />

übernehmen." Jerry nickte <strong>und</strong> hob <strong>de</strong>n Bogen.<br />

„Lassen Sie sie auf zwanzig Fuß herankommen",<br />

antwortete er gleichfalls flüsternd. „Wenn ich sage jetzt,<br />

wer<strong>de</strong>n wir zugleich schießen."<br />

Sie warteten. Die Japaner kamen sehr langsam näher<br />

<strong>und</strong> plapperten, als hätten sie etwas Wichtiges zu re<strong>de</strong>n.<br />

„Affengeschnatter", murmelte Jerry.<br />

„Psst!", ermahnte ihn das Mädchen. Sie stand da mit<br />

<strong>de</strong>m gespannten Bogen, <strong>die</strong> Pfeilfie<strong>de</strong>rung an ihrem<br />

rechten Ohr. Jerry<br />

schielte aus <strong>de</strong>n Augenwinkeln nach ihr. Jeanne d'<br />

Sumatra, dachte er. Die Japaner erreichten das Limit.<br />

„Jetzt!", sagte Jerry. Zwei Bogensehnen schnalzten<br />

gleichzeitig. Corries Zielobjekt fiel mit einem Pfeil im<br />

Herzen nach vorn. Jerry hatte nicht so genau getroffen.<br />

Sein Opfer umklammerte <strong>de</strong>n Schaft, <strong>de</strong>r ihm tief in <strong>de</strong>n<br />

Hals gedrungen war.<br />

Jerry sprang auf <strong>de</strong>n Pfad, <strong>und</strong> <strong>de</strong>r verw<strong>und</strong>ete Japaner<br />

versuchte, sein Gewehr abzunehmen. Fast wäre es ihm<br />

gelungen, als Jerry ihm einen schrecklichen Schlag aufs<br />

Kinn versetzte. Er stürzte, <strong>und</strong> <strong>de</strong>r Pilot warf sich mit<br />

gezogenem Messer auf ihn. Zwei Mal stieß er <strong>die</strong> Klinge<br />

ins Herz <strong>de</strong>s Mannes. Der Kerl wand sich zuckend <strong>und</strong> lag<br />

still.<br />

Jerry sah auf <strong>und</strong> sah Corrie, wie sie von <strong>de</strong>r Leiche <strong>de</strong>s<br />

a n d e r e n J a p a n e r s d a s G e w e h r l ö s t e . W i e e i n e<br />

Rachegöttin sah er sie über ihrem Opfer stehen. Drei Mal<br />

stieß sie das Bajonett in <strong>die</strong> Brust <strong>de</strong>s Soldaten. Der<br />

Amerikaner beobachtete das Gesicht <strong>de</strong>s Mädchens. Es<br />

war nicht verzerrt vor Wut o<strong>de</strong>r Haß o<strong>de</strong>r Rache. Es<br />

erstrahlte in einem göttlichen Licht <strong>de</strong>r Begeisterung.<br />

Sie wandte sich Jerry zu. „Das ist's, was ich sie meinem<br />

Vater antun sah. Jetzt fühle ich mich glücklicher. Ich<br />

wünschte nur, er wäre noch am Leben gewesen."<br />

„Sie sind großartig", sagte Jerry.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Page 75 von 197


Sie nahmen das an<strong>de</strong>re Gewehr an sich <strong>und</strong> <strong>die</strong> Gürtel<br />

<strong>und</strong> Munition <strong>de</strong>r Toten. Dann schleppte Jerry <strong>die</strong> Leichen<br />

ins Unterholz. Corrie half ihm.<br />

„Sie können eine Kerbe in Ihr Schießeisen schnitzen,<br />

meine Dame", sagte Jerry grinsend. „Sie haben Ihren<br />

Mann getötet."<br />

„Nicht einen Mann habe ich getötet", wi<strong>de</strong>rsprach das<br />

Mädchen. „Ich habe einen Japaner getötet."<br />

„Entfesselter Haß <strong>de</strong>r stolzen Juno", zitierte Jerry.<br />

„Sie <strong>de</strong>nken, eine Frau sollte nicht hassen", sagte<br />

Corrie. „Sie könnten eine Frau niemals mögen, <strong>die</strong><br />

gehaßt hat."<br />

„Ich mag Sie", sagte Jerry sanft <strong>und</strong> feierlich.<br />

„Und ich mag Sie, Jerry. „Sie sind so fein gewesen, ihr<br />

alle. Ihr<br />

habt mir nicht das Gefühl gegeben, ein Mädchen zu sein,<br />

son<strong>de</strong>rn ein<br />

Mann unter Männern."<br />

„Gott behüte!", rief Jerry, <strong>und</strong> <strong>die</strong> Bei<strong>de</strong>n lachten.<br />

*<br />

<strong>Tarzan</strong>, <strong>de</strong>r sich durch <strong>die</strong> Bäume über <strong>de</strong>n Pfad heran<br />

geschwungen hatte, hielt plötzlich an <strong>und</strong><br />

erstarrte zur<br />

Bewegungslosigkeit. Vor ihm sah er einen Mann auf einer<br />

Plattform auf einem Baum hocken, von wo aus eine<br />

Strecke weit <strong>de</strong>r Pfad in <strong>de</strong>r Richtung zu sehen war, aus<br />

<strong>de</strong>r <strong>Tarzan</strong> gekommen war. Der Mann war vollbärtig <strong>und</strong><br />

voll bewaffnet. Ein weißer Mann war es. Offenbar war er<br />

ein Wachtposten, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Pfad beobachtete, auf <strong>de</strong>m ein<br />

Feind erscheinen mochte.<br />

<strong>Tarzan</strong> entfernte sich vorsichtig vom Pfad weg. Wären<br />

ihm nicht <strong>die</strong> abgestumpften Sinne zivilisierter Menschen<br />

bekannt gewesen, hätte es ihn gew<strong>und</strong>ert, daß <strong>de</strong>r<br />

Bursche sein Auftauchen nicht bemerkt hatte.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Auf einem Umweg umkreiste er <strong>de</strong>n Wächter; <strong>und</strong> ein,<br />

zwei Minuten später gelangte er an <strong>de</strong>n Rand einer<br />

kleinen Bergwiese <strong>und</strong> blickte auf ein simples <strong>und</strong><br />

unor<strong>de</strong>ntliches Lager hinab. Eine Schar von Männern lag<br />

im Schatten <strong>de</strong>r Bäume herum. Eine Flasche wan<strong>de</strong>rte<br />

unter ihnen von Hand zu Hand o<strong>de</strong>r von M<strong>und</strong> zu M<strong>und</strong>.<br />

Auch eine Anzahl von Frauen trank mit ihnen. Die meisten<br />

von ihnen schienen Eurasier zu sein. Alle Männer trugen<br />

dichte Barte, mit einer einzigen Ausnahme. Das war ein<br />

junger Mann, <strong>de</strong>r bei ihnen saß <strong>und</strong> gelegentlich einen<br />

Schluck aus <strong>de</strong>r Flasche nahm. Die Männer trugen<br />

Page 76 von 197


Pistolen <strong>und</strong> Messer, <strong>und</strong> je<strong>de</strong>r hatte ein Gewehr<br />

griffbereit. Es war keine einla<strong>de</strong>nd wirken<strong>de</strong> Gesellschaft.<br />

<strong>Tarzan</strong> entschied, daß es <strong>de</strong>sto besser wäre, je weniger<br />

er mit <strong>die</strong>sen Leuten zu tun hätte. Da brach plötzlich <strong>de</strong>r<br />

Ast, auf <strong>de</strong>m er saß, <strong>und</strong> er stürzte keine h<strong>und</strong>ert Fuß von<br />

ihnen zu Bo<strong>de</strong>n. Sein Kopf schlug auf etwas Hartes, <strong>und</strong><br />

er verlor das Bewußtsein.<br />

Als er zu sich kam, lag er unter einem Baum, an Hän<strong>de</strong>n<br />

<strong>und</strong> Füßen gefesselt. Männer <strong>und</strong> Frauen hockten o<strong>de</strong>r<br />

stan<strong>de</strong>n r<strong>und</strong> um ihn. Als sie sahen, daß er das<br />

Bewußtsein wie<strong>de</strong>r erlangte, sprach ihn einer <strong>de</strong>r Männer<br />

auf Holländisch an. <strong>Tarzan</strong> verstand ihn, aber er schüttelte<br />

<strong>de</strong>n Kopf, als wür<strong>de</strong> er's nicht.<br />

Der Bursche fragte ihn, wer er sei <strong>und</strong> was er bei ihnen<br />

herumzuspionieren hätte. Ein an<strong>de</strong>rer versuchte es auf<br />

Französisch; das war <strong>die</strong> erste gesprochene Sprache<br />

zivilisierter Menschen, <strong>die</strong> er erlernt hatte. Aber er<br />

schüttelte weiter <strong>de</strong>n Kopf. Der junge Mann versuchte<br />

Englisch. <strong>Tarzan</strong> gab vor nicht zu verstehen <strong>und</strong> sprach sie<br />

auf Suaheli an, <strong>de</strong>r Sprache eines mohammedanischen<br />

Bantuvolkes von Sansibar <strong>und</strong> <strong>de</strong>r afrikanischen Ostküste.<br />

Er wußte, sie wür<strong>de</strong>n das nicht verstehen.<br />

„Klingt wie Japanisch", sagte einer <strong>de</strong>r Männer.<br />

„Ist's aber nicht", sagte einer, <strong>de</strong>r <strong>die</strong>se Sprache<br />

verstand.<br />

„Vielleicht ist er ein Wil<strong>de</strong>r. Keine Kleidung, Pfeil <strong>und</strong><br />

Bogen. Fiel vom Baum wie ein Affe."<br />

„Er ist ein verdammter Spion."<br />

„Wozu wäre ein Spion gut, wenn er keine zivilisierte<br />

Sprache sprechen kann?"<br />

Sie überlegten. Es schien, wenigstens vorläufig, ihren<br />

Verdacht zu zerstreuen, daß ihr Gefangener ein Spion sein<br />

könnte. Sie hatten Wichtigeres zu erledigen, wie sich bald<br />

zeigte.<br />

„Ach, zur Hölle mit ihm", sagte ein triefäugiger Riese.<br />

„Ich trockne schon wie<strong>de</strong>r aus."<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Er ging in Richtung <strong>de</strong>r Bäume zurück, unter <strong>de</strong>nen sie<br />

herumgelungert hatten - in Richtung <strong>de</strong>r Bäume <strong>und</strong> <strong>de</strong>r<br />

Flasche -<strong>und</strong> <strong>die</strong> an<strong>de</strong>ren folgten ihm. Alle außer <strong>de</strong>m<br />

jungen Mann mit <strong>de</strong>m bartlosen Gesicht. Er hockte immer<br />

n o c h n e b e n Ta r z a n , m i t d e m R ü c k e n z u s e i n e n<br />

abziehen<strong>de</strong>n Gefährten. Als sie in sicherer Entfernung<br />

waren <strong>und</strong> <strong>die</strong> Flasche ihre Aufmerksamkeit beanspruchte,<br />

sprach er. Er sprach leise flüsternd <strong>und</strong> auf Englisch.<br />

„Ich bin sicher, daß Sie entwe<strong>de</strong>r ein Amerikaner o<strong>de</strong>r<br />

ein Englän<strong>de</strong>r sind", sagte er. „Vielleicht einer <strong>de</strong>r<br />

Page 77 von 197


Amerikaner aus <strong>de</strong>m Bomber, <strong>de</strong>r vor einiger Zeit<br />

abgeschossen wur<strong>de</strong>. In <strong>de</strong>m Fall können Sie mir<br />

vertrauen. Ich bin selbst praktisch ein Gefangener hier.<br />

Aber zeigen Sie ihnen nicht, daß Sie mit mir re<strong>de</strong>n. Wenn<br />

Sie mir vertrauen wollen, machen Sie ein Zeichen, daß Sie<br />

mich verstehen.<br />

Sie sind einer Ban<strong>de</strong> von Halsabschnei<strong>de</strong>rn in <strong>die</strong><br />

Hän<strong>de</strong> gefallen. Mit ein paar Ausnahmen sind sie<br />

Kriminelle, <strong>die</strong> aus <strong>de</strong>m Gefängnis freigelassen <strong>und</strong><br />

bewaffnet wur<strong>de</strong>n, als <strong>die</strong> Japaner auf <strong>de</strong>r Insel<br />

einmarschierten. Auch <strong>die</strong> meisten <strong>de</strong>r Frauen sind<br />

Kriminelle, <strong>die</strong> ihre Strafen absaßen. Die an<strong>de</strong>ren sind<br />

ebenso vom Bo<strong>de</strong>nsatz <strong>de</strong>r Gesellschaft - äußerst<br />

nichtswürdig.<br />

Diese Leute sind ins Gebirge entkommen, als <strong>die</strong><br />

Japaner das Land besetzten. Sie haben keinen Versuch<br />

unternommen, unsere Streitkräfte zu unterstützen. Sie<br />

dachten bloß an ihre eigene Haut. Nach<strong>de</strong>m sich mein<br />

Regiment ergeben hatte, gelang es mir zu entkommen.<br />

Ich rannte <strong>die</strong>sem Haufen in <strong>die</strong> Quere; <strong>und</strong> in <strong>de</strong>r<br />

Annahme, es sei eine loyale Guerillaban<strong>de</strong>, trat ich ihnen<br />

bei. Als sie von meiner Herkunft erfuhren, hätten sie mich<br />

umgebracht, wür<strong>de</strong> ich mich nicht mit einigen <strong>de</strong>r Männer<br />

früher angefre<strong>und</strong>et haben. Aber sie trauen mir nicht.<br />

Wissen Sie, es gibt loyale Guerillas, <strong>die</strong> sich in <strong>de</strong>n<br />

Bergen<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

verstecken <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>die</strong>se Verräter genau so gern töten<br />

wür<strong>de</strong>n wie <strong>die</strong> Japaner. Und <strong>die</strong>se Kerle befurchten, ich<br />

könnte mit ihnen in Verbindung kommen <strong>und</strong> <strong>die</strong> Lage<br />

<strong>die</strong>ses Camps verraten. Das Schlimmste, was <strong>die</strong>se Leute<br />

bisher getan haben, sind Geschäfte mit <strong>de</strong>n Fein<strong>de</strong>n,<br />

doch sie wer<strong>de</strong>n Sie <strong>de</strong>n Japanern ausliefern. Sie<br />

glauben, Sie seien einer <strong>de</strong>r amerikanischen Flieger. Die<br />

Japaner wür<strong>de</strong>n einen ansehnlichen Preis für Sie zahlen.<br />

Diese Kerle <strong>de</strong>stillieren üble Spirituosen, welche sie<br />

Schnaps nennen. Was sie nicht selbst trinken, verwen<strong>de</strong>n<br />

sie für Tauschhan<strong>de</strong>l mit Japanern <strong>und</strong> Eingeborenen.<br />

Unter an<strong>de</strong>rem erhalten sie dafür Wachol<strong>de</strong>rbeeren,<br />

Munition <strong>und</strong> Reis von <strong>de</strong>n Japanern. Daß <strong>die</strong> Japaner<br />

ihnen Munition überlassen, zeigt, daß sie sie als<br />

befre<strong>und</strong>et einstufen. Wie auch immer, es ist kaum mehr<br />

als ein Waffenstillstand, da keiner <strong>de</strong>m an<strong>de</strong>ren sehr weit<br />

traut. Die Eingeborenen sind <strong>die</strong> Zwischenträger, <strong>die</strong> <strong>de</strong>n<br />

Schnaps liefern <strong>und</strong> <strong>die</strong> Bezahlung dafür überbringen."<br />

Page 78 von 197


<strong>Tarzan</strong>, <strong>de</strong>r nun wußte, daß sich sein Schicksal bereits<br />

entschie<strong>de</strong>n hatte, erkannte, daß von weiteren Versuchen,<br />

<strong>de</strong>m jungen Mann etwas vorzumachen, nichts zu<br />

gewinnen sei. Auch hatte er einen guten Eindruck von<br />

<strong>de</strong>m Mann gewonnen. Er blickte in <strong>die</strong> Richtung <strong>de</strong>r<br />

an<strong>de</strong>ren. Sie alle waren in einen lauthalsigen Zank<br />

zwischen zwei ihrer Kerle vertieft <strong>und</strong> schenkten ihm <strong>und</strong><br />

seinem Gefährten keine Beachtung.<br />

„Ich bin Englän<strong>de</strong>r", sagte er.<br />

Der junge Mann grinste. „Danke, daß Sie mir<br />

vertrauen", sagte er. „Ich heiße Tak van <strong>de</strong>r Bos. Ich bin<br />

Offizier <strong>de</strong>r Reserve."<br />

„Mein Name ist Clayton. Wollen Sie weg von <strong>die</strong>sen<br />

Leuten?"<br />

„Ja, aber was wür<strong>de</strong> es nützen? Wohin könnte ich<br />

gehen? Ich wür<strong>de</strong> sicher <strong>de</strong>n Japanern in <strong>die</strong> Hän<strong>de</strong><br />

fallen, wenn mich nicht vielleicht statt<strong>de</strong>ssen ein Tiger<br />

k r i e g e n w ü r d e . W ü ß t e i c h , w o e i n e r u n s e r e r<br />

Guerillahaufen steckt, wür<strong>de</strong> ich es bestimmt riskieren.<br />

Ich weiß es aber nicht."<br />

„Meine Gruppe ist zu fünft", sagte <strong>Tarzan</strong>. „Wir<br />

versuchen, <strong>die</strong> Südspitze <strong>de</strong>r Insel zu erreichen. Wenn wir<br />

Glück haben, hoffen wir ein Boot zu requirieren, um uns<br />

nach Australien aufzumachen."<br />

„Ein ziemlich ambitionierter Plan", sagte van <strong>de</strong>r Bos.<br />

„Es sind mehr als zwölfh<strong>und</strong>ert Meilen zum nächsten<br />

Punkt <strong>de</strong>s australischen Kontinents. Und es sind<br />

fünfh<strong>und</strong>ert Meilen zum südlichen En<strong>de</strong> <strong>die</strong>ser Insel."<br />

„Ja", sagte <strong>Tarzan</strong>. „Wir wissen das, aber wir gehen<br />

das Wagnis<br />

ein. Wir alle haben das Gefühl, es wäre besser, bei <strong>de</strong>m<br />

Versuch zu sterben, als uns auf Dauer wie ein Haufen<br />

gehetzter Hasen in <strong>de</strong>n Wäl<strong>de</strong>rn zu verbergen."<br />

Van <strong>de</strong>r Bos war für einige Augenblicke still <strong>und</strong> dachte<br />

nach. Dann blickte er auf. „Das ist <strong>die</strong> richtige<br />

Entscheidung", sagte er. „Ich wür<strong>de</strong> gern mit euch<br />

kommen. Ich glaube, ich kann euch helfen. Ich kann ein<br />

Boot viel näher auftreiben, als wo ihr hin wollt. Aber erst<br />

müssen wir von <strong>die</strong>sen Kerlen wegkommen, <strong>und</strong> das wird<br />

nicht leicht sein. Es gibt nur einen Pfad in <strong>die</strong>ses kleine<br />

Tal, <strong>und</strong> <strong>de</strong>r wird Tag <strong>und</strong> Nacht bewacht."<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

„Ja, ich habe <strong>de</strong>n Wächter gesehen. Tatsächlich kam<br />

ich knapp an ihm vorbei. Ich kann genauso leicht wie<strong>de</strong>r<br />

an ihm vorbei. Aber mit Ihnen ist es an<strong>de</strong>rs. Ich glaube<br />

nicht, daß es Ihnen auch gelänge. Wenn Sie mir heut<br />

Page 79 von 197


Nacht ein Messer verschaffen, wer<strong>de</strong> ich Sie an <strong>de</strong>m<br />

Posten vorbeibringen."<br />

„Ich werd's versuchen. Wenn sie betrunken genug sind,<br />

sollte es leicht sein. Dann wer<strong>de</strong> ich Ihre Fesseln<br />

zerschnei<strong>de</strong>n, <strong>und</strong> wir können losziehen."<br />

„Diese Fesseln kann ich zerreißen, wann immer ich<br />

will", sagte <strong>Tarzan</strong>.<br />

Van <strong>de</strong>r Bos erwi<strong>de</strong>rte nichts auf <strong>die</strong>se Behauptung.<br />

Dieser Bursche ist seiner ziemlich sicher, dachte er.<br />

Vielleicht ein wenig zu sicher. Und <strong>de</strong>r Hollän<strong>de</strong>r begann<br />

zu überlegen, ob es klug von ihm gewesen war zu sagen,<br />

er wür<strong>de</strong> mit ihm gehen. Er wußte, daß natürlich kein<br />

Mensch <strong>die</strong>se Fesseln zerreißen konnte. Womöglich<br />

konnte <strong>de</strong>r Bursche auch seine Behauptung nicht<br />

wahrmachen, er könnte ihn an <strong>de</strong>m Wachtposten vorbei<br />

bringen.<br />

„Bewachen sie Sie nachts sehr sorgfältig?", fragte<br />

<strong>Tarzan</strong>.<br />

„Sie bewachen mich überhaupt nicht. Das ist Tigerland.<br />

Haben Sie das bedacht?"<br />

„Oh ja. Aber das Risiko wer<strong>de</strong>n wir eingehen müssen."<br />

Kapitel 13<br />

Nach<strong>de</strong>m man sie herumgeprügelt, mit Bajonetten in<br />

<strong>de</strong>n Rücken gestochen <strong>und</strong> bespuckt hatte, waren Rosetti<br />

<strong>und</strong> Bubonovitch zwei zornerfüllte, unglückliche Männer,<br />

lang bevor sie das Eingeborenendorf erreicht hatten. Hier<br />

wur<strong>de</strong>n sie in eine Eingeborenenhütte gebracht <strong>und</strong> in<br />

einer Ecke <strong>de</strong>s Raumes zu Bo<strong>de</strong>n geworfen. Dort wur<strong>de</strong>n<br />

sie ihren eigenen Beschäftigungen überlassen, <strong>die</strong> fast<br />

gänzlich aus Beschimpfungen bestan<strong>de</strong>n. Nach <strong>de</strong>n<br />

Bezeichnungen aller Japaner von Hirohito an bis zu ihren<br />

Vorfahren, speziell jener von Leutnant Kumajiro Tada, <strong>und</strong><br />

das in <strong>de</strong>r bil<strong>de</strong>rreichen, nicht druckreifen Palette von<br />

Cicero, Brooklyn <strong>und</strong> <strong>de</strong>r Army, arbeiteten sie sich wie<strong>de</strong>r<br />

bis zu Hirohito zurück.<br />

„Was nützt das?", fragte Bubonovitch. „Wir treiben<br />

bloß unseren Blutdruck hinauf."<br />

„Ich treib' meinen Haß hinauf, sagte Rosetti. „Ich weiß<br />

jetzt genau, was das Corrie-Mädchen verspürt. Ich liebe<br />

es, <strong>die</strong> zu hassen."<br />

„Genieße es, solang du kannst", riet ihm Bubonovitch.<br />

„Dieser Ocker-Häutige wird dir <strong>de</strong>ine Hasserei am<br />

Morgen abstutzen."<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

„Oje", sagte Rosetti. „Ich will nicht sterben, Alter."<br />

Page 80 von 197


„Ich auch nicht, Shrimp."<br />

Viel Schlaf gab es nicht für sie in <strong>die</strong>ser Nacht. Ihre<br />

Fesseln schnitten in Hand- <strong>und</strong> Fußgelenke. Der Hals war<br />

trocken <strong>und</strong> ausgedörrt. We<strong>de</strong>r Nahrung noch Wasser<br />

wur<strong>de</strong> ihnen gegeben. Die Nacht wur<strong>de</strong> zur Ewigkeit.<br />

Aber schließlich en<strong>de</strong>te sie.<br />

„Oje! Ich wünschte, sie kommen <strong>und</strong> machen Schluß<br />

damit", sagte Rosetti.<br />

„An Frau <strong>und</strong> Baby zu <strong>de</strong>nken, ist <strong>de</strong>r härteste Teil für<br />

mich. Meine Frau <strong>und</strong> ich hatten so große Pläne. Sie wird<br />

nie erfahren, was mit mir passiert ist, <strong>und</strong> darüber bin ich<br />

froh. Alles, was sie erfahren wird, ist, daß mein Flugzeug<br />

gestartet ist, von irgendwo nach irgendwohin, <strong>und</strong> nie<br />

zurückkam."<br />

Das Geräusch von Füßen, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Leiter zum Haus<br />

hinauf schlurften, drang an ihre Ohren.<br />

„Ich glaub', das war's dann", sagte Bubonovitch. „Wirst<br />

du's packen, Shrimp?"<br />

„Klar."<br />

„Na, bis dann, Fre<strong>und</strong>."<br />

„Bis dann, Alter."<br />

Einige Soldaten betraten <strong>de</strong>n Raum. Sie zerschnitten<br />

<strong>die</strong> Fesseln <strong>und</strong> zerrten <strong>die</strong> bei<strong>de</strong>n Männer auf <strong>die</strong> Beine.<br />

Sie konnten aber nicht stehen. Bei<strong>de</strong> stolperten <strong>und</strong><br />

stürzten zu Bo<strong>de</strong>n. Die Soldaten traten sie gegen Kopf<br />

<strong>und</strong> Magen, lachten <strong>und</strong> schnatterten dabei. Schließlich<br />

zerrten sie sie zum Eingang <strong>und</strong> ließen einen nach <strong>de</strong>m<br />

an<strong>de</strong>ren <strong>die</strong> Leiter hinab rutschen, größtenteils aber<br />

hinunter zum Bo<strong>de</strong>n fallen.<br />

Tada kam herüber <strong>und</strong> betrachtete sie. „Seid ihr bereit,<br />

meine Fragen zu beantworten?", fragte er.<br />

„Nein", sagte Bubonovitch.<br />

„Steht auf!", schnappte <strong>de</strong>r Japaner.<br />

Das Blut begann wie<strong>de</strong>r in ihren tauben Beinen zu<br />

zirkulieren. Sie versuchten sich zu erheben, schließlich mit<br />

Erfolg. Aber sie stolperten beim Gehen wie Betrunkene.<br />

Sie wur<strong>de</strong>n in <strong>die</strong> Mitte <strong>de</strong>s Dorfes gebracht. Die<br />

Soldaten <strong>und</strong> <strong>die</strong> Eingeborenen bil<strong>de</strong>ten einen Kreis um<br />

sie. Tada stand mit gezogenem Schwert neben ihnen. Er<br />

ließ sie hinknien <strong>und</strong> <strong>die</strong> Köpfe vorbeugen. Bubonovitch<br />

sollte <strong>de</strong>r Erste sein.<br />

Tada holte mit seinem Schwert zum Schlag aus.<br />

*<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Als es im Camp ruhig wur<strong>de</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> meisten Männer<br />

<strong>und</strong> Frauen von Trunkenheit benommen schliefen, kroch<br />

Page 81 von 197


van <strong>de</strong>r Bos an <strong>Tarzan</strong>s Seite. „Ich habe ein Messer",<br />

sagte er. „Ich wer<strong>de</strong> Ihre Fesseln zerschnei<strong>de</strong>n."<br />

„Ich bin sie schon eine ganze Weile los", sagte <strong>Tarzan</strong>.<br />

„Sie haben sie zersprengt?", fragte <strong>de</strong>r Hollän<strong>de</strong>r<br />

staunend.<br />

„Ja. Kommen Sie jetzt, aber leise. Geben Sie mir das<br />

Messer."<br />

In kurzer Entfernung hielt <strong>Tarzan</strong> im Wald an. „Warten<br />

Sie hier", flüsterte er. Dann war er fort. Er schwang sich<br />

leise auf <strong>die</strong> Bäume, langsam vordringend, häufig zum<br />

Lauschen anhaltend <strong>und</strong> um <strong>die</strong> Luft durch seine Nase<br />

ziehend zu prüfen. Schließlich hatte er <strong>de</strong>n Wachtposten<br />

ausgemacht <strong>und</strong> kletterte auf <strong>de</strong>nselben Baum, auf <strong>de</strong>m<br />

<strong>die</strong> Plattform errichtet war, auf <strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Mann hockte.<br />

Direkt über <strong>de</strong>m Kopf <strong>de</strong>s Burschen verhielt er. Seine<br />

Augen durchdrangen <strong>die</strong> Finsternis. Sie erfaßten Gestalt<br />

<strong>und</strong> Position <strong>de</strong>s verlorenen Mannes. Dann hechtete<br />

<strong>Tarzan</strong> mit <strong>de</strong>m Kopf voraus, das Messer in <strong>de</strong>r Hand. Das<br />

einzige Geräusch war <strong>de</strong>r Aufprall zweier Körper auf <strong>de</strong>r<br />

Plattform. Der Wächter starb lautlos, mit von einem Ohr<br />

zum an<strong>de</strong>ren durchschnittener Kehle.<br />

<strong>Tarzan</strong> warf <strong>die</strong> Leiche auf <strong>de</strong>n Pfad hinab <strong>und</strong> folgte<br />

mit <strong>de</strong>m<br />

Gewehr <strong>de</strong>s Mannes. Er ging zurück, bis er auf van <strong>de</strong>r<br />

Bos traf. „Kommen Sie", sagte er. „Jetzt können Sie an<br />

<strong>de</strong>m Wachtposten vorbei."<br />

Als sie zur Leiche kamen, stolperte van <strong>de</strong>r Bos<br />

darüber. „Da haben Sie wirklich sauber gearbeitet", sagte<br />

er.<br />

„Nicht so sauber", sagte <strong>Tarzan</strong>. „Er bespritzte mich<br />

ganz mit Blut. Ich wer<strong>de</strong> ein wan<strong>de</strong>ln<strong>de</strong>r Kö<strong>de</strong>r für <strong>de</strong>n<br />

Gestreiften sein, bis wir Wasser erreichen. Nehmen Sie<br />

Pistole, Gurt <strong>und</strong> Munition von ihm. Hier ist sein Gewehr.<br />

Gehen wir jetzt."<br />

Sie kamen auf <strong>de</strong>m Pfad schnell voran, <strong>Tarzan</strong> führte.<br />

Bald gelangten sie an einen kleinen Bach, <strong>und</strong> bei<strong>de</strong><br />

reinigten sich vom Blut, <strong>de</strong>nn <strong>de</strong>r Hollän<strong>de</strong>r hatte einiges<br />

davon abbekommen, als er <strong>de</strong>n Gürtel von <strong>de</strong>r Leiche<br />

löste.<br />

Kein Tiger hielt sie auf, <strong>und</strong> bald kamen sie zu <strong>de</strong>r<br />

Gabelung, an<br />

<strong>de</strong>r <strong>Tarzan</strong> zuletzt seine Gefährten gesehen hatte. Es gab<br />

von ihnen<br />

keine Witterung, <strong>und</strong> so folgten <strong>die</strong> bei<strong>de</strong>n Männer <strong>de</strong>m<br />

Pfad, <strong>de</strong>n<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Page 82 von 197


<strong>die</strong> an<strong>de</strong>ren genommen haben mußten. Es war schon<br />

Tageslicht, als<br />

sie nahe vor sich einen Schuß vernahmen.<br />

*<br />

Jerry <strong>und</strong> Corrie entschlossen sich zu bleiben, wo sie<br />

waren, da sie auf <strong>Tarzan</strong> warteten. Sie glaubten, er wer<strong>de</strong><br />

bald zurückkehren. Es war nur gut für ihre Gemütsruhe,<br />

daß sie nicht wußten, welches Pech ihm zugestoßen war.<br />

Um sicherer zu sein, waren sie auf einen Baum geklettert,<br />

wo sie sich etwa zwanzig Fuß über <strong>de</strong>m Bo<strong>de</strong>n notdürftig<br />

<strong>und</strong> unbequem lagerten. Jerry sorgte sich um das<br />

Schicksal von Bubonovitch <strong>und</strong> Rosetti, <strong>und</strong> schließlich<br />

beschloß er, <strong>die</strong>sbezüglich etwas zu unternehmen. Die<br />

Nacht hatte sich endlos hingezogen, <strong>und</strong> <strong>Tarzan</strong> war noch<br />

immer nicht zurückgekehrt.<br />

„Ich glaube nicht, daß er kommt", sagte Jerry. „Etwas<br />

muß ihm zugestoßen sein. Je<strong>de</strong>nfalls wer<strong>de</strong> ich nicht<br />

länger warten. Ich wer<strong>de</strong> schauen gehen, ob ich<br />

Bubonovitch <strong>und</strong> Rosetti aufspüren kann. Falls <strong>Tarzan</strong><br />

dann kommt, wer<strong>de</strong>n wir wenigstens wissen, wo sie sind;<br />

u n d v i e l l e i c h t k ö n n e n w i r z u s a m m e n e i n e n P l a n<br />

ausarbeiten, sie zu befreien. Sie bleiben hier, bis ich<br />

zurückkomme. Hier wer<strong>de</strong>n Sie sicherer sein als unten auf<br />

<strong>de</strong>m Bo<strong>de</strong>n."<br />

„Und angenommen, Sie kommen nicht zurück?"<br />

„Ich weiß nicht, Corrie. Das ist <strong>die</strong> schwierigste<br />

E n t s c h e i d u n g , d i e i c h j e z u t re ff e n h a t t e - d i e<br />

Entscheidung zwischen Ihnen <strong>und</strong> <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n Burschen.<br />

Aber ich habe <strong>die</strong> Entscheidung getroffen, <strong>und</strong> ich hoffe,<br />

Sie wer<strong>de</strong>n verstehen. Sie sind Gefangene <strong>de</strong>r Japaner,<br />

<strong>und</strong><br />

wir alle wissen, wie Japaner ihre Gefangenen behan<strong>de</strong>ln."<br />

„Da gab es nur eins zu entschei<strong>de</strong>n für Sie. Ich wußte,<br />

daß Sie ihnen folgen wür<strong>de</strong>n, <strong>und</strong> ich gehe mit Ihnen."<br />

„Nichts zu machen", sagte Jerry. „Sie bleiben genau<br />

da, wo Sie sind."<br />

„Ist das ein Befehl?"<br />

„Ja."<br />

Er hörte einen schwachen Ansatz von Lachen. „Wenn<br />

Sie an Bord Ihres Schiffes einen Befehl geben, Captain,<br />

müßte Ihnen auch ein General gehorchen. Aber Sie sind<br />

nicht <strong>de</strong>r Captain <strong>die</strong>ses Baumes. Los geht's!" Und Corrie<br />

glitt von <strong>de</strong>m Ast, auf <strong>de</strong>m sie gesessen hatte <strong>und</strong><br />

kletterte zum Bo<strong>de</strong>n hinab.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Page 83 von 197


Jerry folgte ihr. „Sie gewinnen", sagte er. „Ich hätte es<br />

besser wissen müssen, als daß ich versuchte, eine Frau zu<br />

komman<strong>die</strong>ren." „Zwei Gewehre sind besser als eines",<br />

sagte Corrie. „Ich bin ein guter Schütze."<br />

Seite an Seite stapften sie <strong>de</strong>n Pfad entlang. Häufig<br />

berührten einan<strong>de</strong>r ihre Arme; <strong>und</strong> einmal rutschte Corrie<br />

auf einem schlammigen Fleck, <strong>und</strong> Jerry umfing sie mit<br />

einem Arm, um sie vor einem Sturz zu bewahren. Er<br />

dachte, mit <strong>die</strong>ser Pranke hab' ich oft jenes Mädchen<br />

daheim in Oklahoma City gehalten, aber das war nie so<br />

aufregend wie das hier. Ich glaube, du bist <strong>die</strong>sem<br />

kleinen Bengel verfallen, Jerry. Ich glaub', dich hat's<br />

schlimm erwischt.<br />

Es war sehr dunkel, <strong>und</strong> manchmal stießen sie gegen<br />

Bäume, wenn <strong>de</strong>r Pfad abbog. Daher kamen sie langsam<br />

voran. Sie konnten sich <strong>de</strong>n weiteren Weg nur ertasten<br />

<strong>und</strong> hoffen, daß es bald dämmerte.<br />

„Was für ein Tag war das für uns", sagte Jerry. „Alles<br />

was wir jetzt noch brauchten zur Vollkommenheit wäre,<br />

auf einen Tiger zu stoßen."<br />

„Ich glaube, darüber brauchen wir uns nicht zu<br />

sorgen", sagte Corrie.<br />

„Krieg ist Mist", sagte Jerry. „Falls wir jemals<br />

heimkommen, wette ich, wir wer<strong>de</strong>n etwas wegen <strong>de</strong>r<br />

verdammten Nips <strong>und</strong> Krauts unternehmen, damit es<br />

ihnen für ziemlich lange Zeit vergeht, Kriege anzufangen.<br />

Es wird zehn o<strong>de</strong>r zwölf Millionen von uns geben, <strong>die</strong> <strong>de</strong>n<br />

Krieg or<strong>de</strong>ntlich satt haben. Wir wer<strong>de</strong>n einen Artillerie-<br />

Captain, einen Fre<strong>und</strong> von mir, zum Gouverneur von<br />

Oklahoma wählen <strong>und</strong> ihn dann in <strong>de</strong>n Senat entsen<strong>de</strong>n.<br />

Er haßt <strong>de</strong>n Krieg. Ich kenne keinen Soldaten, <strong>de</strong>r's nicht<br />

täte, <strong>und</strong> wenn ganz Amerika<br />

genug Soldaten in <strong>de</strong>n Kongreß entsen<strong>de</strong>t, wer<strong>de</strong>n wir<br />

etwas erreichen."<br />

„Ist's schön in Oklahoma?", fragte Corrie.<br />

„Es ist <strong>de</strong>r schönste Staat in <strong>de</strong>r Union", bekannte<br />

Jerry.<br />

Der neue Tag warf seine Bett<strong>de</strong>cke ab <strong>und</strong> kroch aus<br />

<strong>de</strong>n Fe<strong>de</strong>rn. Bald wür<strong>de</strong> er ganz wach sein, <strong>de</strong>nn nahe am<br />

Äquator fin<strong>de</strong>t <strong>de</strong>r Übergang von <strong>de</strong>r Nacht zum Tag<br />

schnell statt. Eine lang ausge<strong>de</strong>hnte Dämmerung gibt es<br />

nicht.<br />

„Was für eine Erleichterung", sagte Corrie. „Ich war <strong>de</strong>r<br />

Nacht schon reichlich mü<strong>de</strong>."<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Page 84 von 197


„Verflucht!", rief Jerry. „Schauen Sie!" Er legte sein<br />

Gewehr an <strong>und</strong> stand still. Auf <strong>de</strong>m Pfad direkt vor ihnen<br />

stand ein Tiger.<br />

„Nicht schießen!", warnte Corrie.<br />

„Ich hab's nicht vor, solang er sich um seine eigenen<br />

Sachen kümmert. Diese armselig kleine japanische Flinte<br />

vom Kaliber 0.25 wür<strong>de</strong> ihn kaum ärgern, <strong>und</strong> ich mochte<br />

es nie, Tiger am frühen Morgen zu verärgern."<br />

„Ich wünschte, er liefe weg", sagte Corrie. „Er sieht<br />

hungrig aus."<br />

Der Tiger, ein großes Männchen, stand einige<br />

Sek<strong>und</strong>en vollkommen still <strong>und</strong> beobachtete sie; dann<br />

wandte er sich um <strong>und</strong> setzte ins Unterholz.<br />

„Pffuh!", stieß Jerry einen langen Seufzer <strong>de</strong>r<br />

E r l e i c h t e r u n g a u s . „ M e i n H e r z u n d m e i n M a g e n<br />

versuchten bei<strong>de</strong> zugleich in meinen M<strong>und</strong> zu kommen.<br />

War ich erschrocken!"<br />

„Meine Knie sind ganz weich", sagte Corrie. „Ich<br />

glaube, ich setze mich hin."<br />

„Warten Sie!", warnte Jerry. „Horchen Sie! Sind da<br />

nicht Stimmen?"<br />

„Ja. Nur wenig vor uns."<br />

Sie bewegten sich sehr vorsichtig voran. Der Wald<br />

en<strong>de</strong>te am Rand eines flachen Tales, <strong>und</strong> <strong>die</strong> Bei<strong>de</strong>n<br />

schauten auf ein kleines Kampong hinunter, kaum h<strong>und</strong>ert<br />

Schritte vor ihnen. Sie sahen Eingeborene <strong>und</strong> japanische<br />

Soldaten.<br />

„Da müssen unsere Burschen sein", sagte Jerry.<br />

„Dort sind sie!", flüsterte Corrie. „Oh Gott! Er ist<br />

dabei, sie umzubringen!"<br />

Tada holte mit seinem Schwert aus. Jerrys Gewehr<br />

feuerte, <strong>und</strong> Leutnant Kumajiro Tada taumelte vorwärts<br />

<strong>und</strong> fiel ausgestreckt vor <strong>die</strong> Männer hin, <strong>die</strong> er hatte<br />

töten wollen. Dann schoß Corrie, <strong>und</strong><br />

ein japanischer Soldat, <strong>de</strong>r auf <strong>die</strong> zwei Gefangenen<br />

zueilte, starb. Die Bei<strong>de</strong>n gaben eine Salve ab, <strong>die</strong> Soldat<br />

um Soldat umlegte <strong>und</strong> das Dorf in Panik versetzte.<br />

<strong>Tarzan</strong>, <strong>de</strong>r beim ersten Schuß vorwärts eilte, war bald<br />

an ihrer Seite; <strong>und</strong> van <strong>de</strong>r Bos stieß einen Moment<br />

später zu ihnen, mit noch einem Gewehr <strong>und</strong> einer<br />

Pistole. Diese nahm <strong>Tarzan</strong>.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Bubonovitch <strong>und</strong> Rosetti nutzten <strong>de</strong>n Vorteil <strong>de</strong>r<br />

Verwirrung im Kampong, rafften Gewehre <strong>und</strong> Munition<br />

von zwei toten Soldaten an sich <strong>und</strong> zogen zum Wald hin<br />

Page 85 von 197


ab; sie feuerten im Gehen. Rosetti hatte auch einige<br />

Handgranaten ergattert, <strong>die</strong> er in seine Taschen stopfte.<br />

Ein japanischer Sergeant versuchte seine Männer zu<br />

sammeln <strong>und</strong> hinter einem Haus aufzustellen. Plötzlich<br />

griffen sie schreiend an. Rosetti warf seine Granaten in<br />

rascher Folge zwischen sie; dann drehten er <strong>und</strong><br />

Bubonovitch sich um <strong>und</strong> liefen zum Wald.<br />

Das Feuer war verstummt, ehe <strong>die</strong> zwei Sergeanten <strong>die</strong><br />

kleine Gruppe im Wald erreichten. Rosettis Granaten<br />

hatten <strong>die</strong>sem Teil <strong>de</strong>s Zweiten Weltkriegs ein En<strong>de</strong><br />

gesetzt, wenigstens vorläufig. Die Japaner waren<br />

endgültig <strong>de</strong>moralisiert o<strong>de</strong>r tot.<br />

Die kleine Gruppe war so in <strong>de</strong>n Kampf vertieft<br />

gewesen, daß sie einan<strong>de</strong>r während seines Ablaufs kaum<br />

angeschaut hatten. Nun entspannten sie sich ein wenig<br />

<strong>und</strong> sahen sich um. Als Corrie <strong>und</strong> van <strong>de</strong>r Bos einan<strong>de</strong>r<br />

ansahen, waren sie einen Moment lang sprachlos. Dann<br />

riefen bei<strong>de</strong> gleichzeitig: „Corrie!" <strong>und</strong> „Tak!"<br />

„Liebling!", rief Corrie <strong>und</strong> warf ihre Arme um <strong>de</strong>n<br />

jungen Hollän<strong>de</strong>r. Jerry war nicht begeistert.<br />

D a n n f o l g t e n V o r s t e l l u n g e n u n d k u r z e<br />

Zusammenfassungen ihrer verschie<strong>de</strong>nen Abenteuer.<br />

Während <strong>die</strong> an<strong>de</strong>ren re<strong>de</strong>ten, beobachtete <strong>Tarzan</strong> das<br />

Kampong. Die Japaner wirkten äußerst durcheinan<strong>de</strong>r. Sie<br />

hatten ihren Offizier verloren <strong>und</strong> ihre vorgesetzten<br />

einberufenen Ränge. Ohne sie war <strong>de</strong>r gewöhnliche<br />

Rekrut zu dumm, um für sich selbst zu <strong>de</strong>nken o<strong>de</strong>r zu<br />

planen.<br />

<strong>Tarzan</strong> wandte sich an Jerry. „Ich glaube, wir können<br />

d a s D o r f e i n n e h m e n u n d d e n R e s t d e r J a p a n e r<br />

auslöschen, wenn wir sie jetzt angreifen, da sie<br />

<strong>de</strong>moralisiert <strong>und</strong> führerlos sind. Wir haben fünf Gewehre,<br />

<strong>und</strong> dort ist nicht mehr als ein Dutzend Japaner<br />

verblieben, <strong>die</strong> noch in einer Verfassung sind zu<br />

kämpfen."<br />

Jerry wandte sich an <strong>die</strong> an<strong>de</strong>ren. „Wie wär's?", fragte<br />

er. „Kommt schon!", sagte Bubonovitch. „Worauf warten<br />

wir noch?"<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Page 86 von 197


Kapitel 14<br />

Der Kampf war kurz <strong>und</strong> siegreich, <strong>und</strong> einige Japaner<br />

halfen noch dabei - sie sprengten sich selbst mit ihren<br />

eigenen Granaten in <strong>die</strong> Luft. Corrie war im Wald<br />

z u r ü c k g e l a s s e n w o rd e n . A b e r d o r t w a r s i e n i c h t<br />

geblieben. Jerry hatte eben erst <strong>die</strong> Mitte <strong>de</strong>s Kampongs<br />

erreicht, als er sie schon an seiner Seite kämpfen sah.<br />

Bubonovitch <strong>und</strong> Rosetti wüteten wie <strong>die</strong> Berserker,<br />

<strong>und</strong> ihre Bajonette trieften von japanischem Blut, als <strong>de</strong>r<br />

Kampf vorbei war. Sie hatten gelernt zu hassen.<br />

Die Eingeborenen kauerten in ihren Hütten. Sie hatten<br />

mit <strong>de</strong>n Japanern kollaboriert, <strong>und</strong> sie erwarteten das<br />

Schlimmste, aber sie wur<strong>de</strong>n nicht behelligt. Wenngleich<br />

von ihnen verlangt wur<strong>de</strong>, für Nahrung <strong>und</strong> <strong>de</strong>ren<br />

Zubereitung zu sorgen.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> Jerry verhörten einige von ihnen. Corrie <strong>und</strong><br />

Tak übersetzten. Sie erfuhren, daß <strong>die</strong>s ein Vorposten<br />

einer viel größeren Streitmacht gewesen war, <strong>die</strong> etwa<br />

fünf<strong>und</strong>zwanzig Meilen weiter unten in Richtung zur<br />

Südwestküste stationiert war. In ein o<strong>de</strong>r zwei Tagen war<br />

<strong>die</strong> Ablösung erwartet wor<strong>de</strong>n.<br />

Sie erfuhren auch, daß es weiter gegen Südosten hin<br />

eine Guerillagruppe in <strong>de</strong>n Bergen gab. Aber keiner von<br />

<strong>de</strong>n Eingeborenen wußte genau, wo o<strong>de</strong>r wie weit<br />

entfernt. Sie schienen sich vor <strong>de</strong>n Guerillas schrecklich<br />

zu fürchten.<br />

Amat versuchte <strong>die</strong> Gunst <strong>de</strong>r Neuankömmlinge zu<br />

erlangen. Er war ein überzeugter Opportunist, ein<br />

geborener Politiker. Er fragte sich, ob es ihm einen Vorteil<br />

verschaffte, zum Hauptlager <strong>de</strong>r Japaner zu eilen <strong>und</strong> das<br />

Erscheinen <strong>die</strong>ser Männer zu mel<strong>de</strong>n <strong>und</strong> <strong>die</strong> Verwüstung,<br />

<strong>die</strong> sie angerichtet hatten. Aber er gab <strong>die</strong> I<strong>de</strong>e auf, da er<br />

durch gefährliches Tigergebiet hätte reisen müssen. Es<br />

war gut für Amat, daß we<strong>de</strong>r Bubonovitch noch Rosetti<br />

wußten, welche Rolle er gespielt hatte, <strong>die</strong> zu ihrer<br />

Gefangennahme führte.<br />

Aber vielleicht wären <strong>die</strong> bei<strong>de</strong>n Sergeanten zur<br />

Nachsicht geneigt gewesen, <strong>de</strong>nn sie waren sehr<br />

glücklich. Sie waren durch <strong>de</strong>n kleinen Unterschied, <strong>de</strong>n<br />

ein Sek<strong>und</strong>enbruchteil ausmachte, gerettet wor<strong>de</strong>n. Das<br />

war schon etwas, worüber man glücklich sein konnte.<br />

Darüber hinaus hatten sie in einer sehr erfolgreichen<br />

Rache-Orgie schwelgen können. Mit <strong>de</strong>m Blut ihrer<br />

Fein<strong>de</strong> hatten sie <strong>die</strong> Schläge <strong>und</strong> Beleidigungen <strong>und</strong><br />

Erniedrigungen abgewaschen, <strong>die</strong> über sie gehäuft<br />

wor<strong>de</strong>n waren.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Page 87 von 197


„Hui! Alter, wir sind knapp davongekommen."<br />

„Ich hab' nichts sehen können; weil ich auf <strong>de</strong>n Bo<strong>de</strong>n<br />

geschaut hab'", sagte Bubonovitch, „aber Corrie sagt,<br />

daß <strong>de</strong>r Japanerhäuptling grad mit <strong>de</strong>m Schwert<br />

ausholte, als Jerry ihn abknallte. So knapp war's. Aber <strong>die</strong><br />

Sache haben wir bestimmt geregelt, hä, Shrimp?"<br />

„Wie viele hast du erwischt?"<br />

„Weiß ich nicht. Vielleicht drei o<strong>de</strong>r vier. Ich hab'<br />

einfach auf alles losgeknallt, was zu sehen war. Aber <strong>de</strong>n<br />

Vogel abgeschossen hast bestimmt du, mit <strong>die</strong>sen zwei<br />

Granaten. Junge! War das ein Ding!"<br />

„Sag, hast du <strong>die</strong>se Frau mitten im Kampf geseh'n? Die<br />

ist scharf."<br />

„Meine Güte! Shrimp, läufst du einem Rock nach?"<br />

„Ich lauf keinem Rock nicht nach, aber <strong>die</strong> ist eine ganz<br />

Gute. Hab' nie zuvor kein Weibsbild wie das nicht<br />

g e s e h ' n . H a b ' n i c h t g e w u ß t , d a ß a u c h s o l c h e<br />

daherkommen. Ich würd' mich je<strong>de</strong>rzeit für sie prügeln."<br />

„Der Letzte <strong>de</strong>r Frauenfein<strong>de</strong>", sagte Bubonovitch.<br />

„Jerry hat schon lang aufgesteckt, <strong>und</strong> ihn hat's schwer<br />

erwischt!"<br />

„Aber hast du geseh'n, wie sie <strong>de</strong>m Hollän<strong>de</strong>r um <strong>de</strong>n<br />

Hals gefallen ist? Du hättest Jerrys Gesicht sehen sollen.<br />

Das ist <strong>de</strong>r Jammer mit <strong>de</strong>n Weibsbil<strong>de</strong>rn - sogar mit <strong>de</strong>r<br />

da. Die können's nicht lassen, dafür zu sorgen, was <strong>die</strong><br />

Hawaiianer daheim auf <strong>de</strong>m Felsen pilikia nennen. Wir<br />

war'n grad eine glückliche Familie, bis ihr alter Boyfriend<br />

ins Bild stolperte."<br />

„Vielleicht ist er bloß ein alter Fre<strong>und</strong>", legte<br />

Bubonovitch nahe. „Mir ist aufgefallen, daß sie, als <strong>de</strong>r<br />

Kampf tobte, grad an Jerrys Seite kämpfte."<br />

Rosetti schüttelte <strong>de</strong>n Kopf. Er hatte schon zu viele<br />

Zugeständnisse gemacht, aber sein Vorurteil war zu tief<br />

verwurzelt, als daß er sich erlaubte, ganz für <strong>die</strong> La<strong>die</strong>s<br />

einzutreten. Er war für Corrie, aber mit verständlichen<br />

Einschränkungen. „Wirfst du <strong>de</strong>ine Arme einem alten<br />

Fre<strong>und</strong> um <strong>de</strong>n Hals <strong>und</strong> schreist 'Liebling!'? Frag' ich."<br />

„Hängt ganz davon ab. Du bist ein alter Fre<strong>und</strong> von<br />

mir, Shrimp; aber ich kann mir nicht vorstellen, dir meine<br />

Arme um <strong>de</strong>n Hals zu werfen <strong>und</strong> dich Liebling zu rufen."<br />

„Du tat'st eine in <strong>die</strong> Schnauze kriegen."<br />

„Aber wenn du Ginger Rogers wärst!"<br />

„Hui! Was für Beine! Ich hab' noch nie solche Beine<br />

geseh'n,<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

bevor ich Lady in the Dark angeschaut hab'. Junge!"<br />

Page 88 von 197


<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> Jerry hielten Kriegsrat. Corrie <strong>und</strong> Tak<br />

erzählten einan<strong>de</strong>r <strong>die</strong> Abenteuer ihrer letzten zwei Jahre.<br />

„Ich möchte ein wenig ausk<strong>und</strong>schaften, bevor wir<br />

weiterziehen", sagte <strong>Tarzan</strong>. „Ich möchte das allein tun,<br />

<strong>de</strong>nn so kann ich mich viel schneller fortbewegen als <strong>de</strong>r<br />

Rest von euch. Aber wenn ihr hier bleibt, wird <strong>die</strong>se<br />

japanische Ablösung auftauchen, bevor ich zurückkehre.<br />

Das mögen etwa zwanzig von <strong>de</strong>nen sein, so wie in <strong>die</strong>ser<br />

Abteilung. Das ist eine ziemlich große Übermacht gegen<br />

euch."<br />

„Das wer<strong>de</strong> ich wagen", sagte Jerry. „Wenn <strong>die</strong><br />

an<strong>de</strong>ren wollen. Wir sind fünf Schützen. Wir haben genug<br />

japanische Munition, um einen Krieg auszukämpfen - eine<br />

Menge Granaten. Wir kennen <strong>de</strong>n Weg, auf <strong>de</strong>m sie<br />

herbeikommen. Alles was wir tun müssen ist, einen<br />

Wachtposten weit genug draußen aufzustellen, <strong>de</strong>r uns<br />

ausreichend vorwarnt. Dann können wir sie aus einem<br />

Hinterhalt mit Granaten zupflastern. Wollen sehen, was<br />

<strong>die</strong> an<strong>de</strong>ren <strong>de</strong>nken." Er rief sie herüber <strong>und</strong> erklärte <strong>die</strong><br />

Situation.<br />

„Uü", sagte Shrimp. „Nur vier zu eins? Ist gar nix.<br />

Hamma schon früher gemacht. Machen wir's wie<strong>de</strong>r?"<br />

„Das ist ein Wort!", sagte Jerry. „Das Hauptlager ist<br />

fünfzehn Meilen von hier entfernt", sagte Bubonovitch.<br />

„Sie wer<strong>de</strong>n wahrscheinlich <strong>de</strong>n ganzen Tag für <strong>de</strong>n<br />

Marsch brauchen, <strong>de</strong>nn sie wer<strong>de</strong>n's nicht eilig haben.<br />

Aber wir fangen lieber heute Nachmittag damit an, nach<br />

ihnen Ausschau zu halten. Sie könnten heute kommen."<br />

„Du hast Recht", sagte Jerry. „Ich schlage vor, du gehst<br />

<strong>de</strong>n Pfad etwa eine Meile weit hinaus. Du wirst sie<br />

kommen hören, bevor sie zu sehen sind; dann kannst du<br />

hierher zurück eilen, <strong>und</strong> wir wer<strong>de</strong>n bereit für sie sein."<br />

„Ich habe eine I<strong>de</strong>e", sagte Corrie. „Angenommen, wir<br />

bela<strong>de</strong>n uns mit Handgranaten <strong>und</strong> gehen alle <strong>und</strong><br />

nehmen auf <strong>de</strong>n Bäumen zu bei<strong>de</strong>n Seiten <strong>de</strong>s Pfa<strong>de</strong>s<br />

Stellungen ein. Wenn wir uns weit genug verteilen,<br />

können wir <strong>die</strong> ganze Abteilung in Reichweite haben,<br />

bevor wir losschlagen. Auf <strong>die</strong>se Weise sollten wir sie alle<br />

kriegen können."<br />

„Großartig!", sagte Jerry.<br />

„Was bist du bloß für eine blutrünstige Person<br />

gewor<strong>de</strong>n, Corrie!", rief Tak grinsend.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

„Sie kennen sie noch nicht mal zur Hälfte", sagte Jerry.<br />

„Es ist eine gute I<strong>de</strong>e", sagte <strong>Tarzan</strong>. „Wir wissen, <strong>de</strong>r<br />

Feind kommt. Wir wissen nicht genau, wann; also sollten<br />

Page 89 von 197


wir je<strong>de</strong>rzeit für ihn bereit sein. Ihr könnt zurückkommen,<br />

wenn es finster wird, da ich sicher bin, daß sie nicht<br />

nachts marschieren wer<strong>de</strong>n. Ich glaube aber, ihr solltet<br />

<strong>die</strong> ganze Nacht lang eine Wache aufstellen."<br />

„Bestimmt", stimmte Jerry zu. Die Angelegenheit war<br />

geregelt. Bald verschwand <strong>Tarzan</strong> im Wald.<br />

*<br />

Hooft erwachte abgeschlagen <strong>und</strong> mit schrecklichem<br />

Kopfweh. Der Geschmack in seinem M<strong>und</strong> erinnerte an<br />

<strong>de</strong>n Bo<strong>de</strong>n eines Vogelkäfigs. Auch in seinem besten<br />

Zustand war er nie gut aufgelegt. Jetzt war er wi<strong>de</strong>rwärtig<br />

<strong>und</strong> mör<strong>de</strong>risch gelaunt. Er schnauzte <strong>die</strong> an<strong>de</strong>ren an, um<br />

sie aufzuwecken, <strong>und</strong> bald war das Lager aufgescheucht.<br />

Die lie<strong>de</strong>rlichen, schlampigen Frauen begannen das<br />

Frühstück für <strong>die</strong> Männer zu bereiten.<br />

Hooft stand auf <strong>und</strong> streckte sich. Dann schaute er über<br />

das Lager hin. „Wo ist <strong>de</strong>r Gefangene?", schrie er.<br />

A l l e a n d e r e n s a h e n s i c h u m . E s g a b k e i n e n<br />

Gefangenen. „Der an<strong>de</strong>re ist auch weg", sagte ein Mann.<br />

Hooft brüllte blutrünstige Gotteslästerungen heraus<br />

<strong>und</strong> abstoßen<strong>de</strong> Obszönitäten. „Wer ist auf <strong>de</strong>m<br />

Wachtposten?", wollte er wissen.<br />

„Hugo sollte mich um Mitternacht aufwecken, damit ich<br />

ihn ablöse", sagte ein an<strong>de</strong>rer. „Hat er aber nicht<br />

gemacht."<br />

„Geh hinaus <strong>und</strong> schau nach, was aus ihm gewor<strong>de</strong>n<br />

ist", befahl Hooft. „Dafür zieh ich ihm bei lebendigem<br />

Leib <strong>die</strong> Haut ab. Ich reiße ihm das Herz raus -<br />

einzuschlafen <strong>und</strong> <strong>die</strong>se zwei Männer entfliehen lassen!"<br />

Der Mann war nur wenige Minuten weg. Als er<br />

z u r ü c k k e h r t e , g r i n s t e e r. „ J e m a n d i s t d i r s c h o n<br />

zuvorgekommen, Chef, sagte er zu Hooft. „Hugo ist<br />

abgeschlachtet. Seine Kehle ist von einem Ohr zum<br />

an<strong>de</strong>ren durchgeschnitten."<br />

„Das muß <strong>die</strong>ser Wil<strong>de</strong> gewesen sein", sagte Sarina.<br />

„Van <strong>de</strong>r Bos muß ihm <strong>die</strong> Fesseln durchgeschnitten<br />

haben", sagte Hooft. „Wartet, bis ich <strong>de</strong>n erwische."<br />

„Falls du's jemals tust", sagte Sarina. „Der wird<br />

schnurstracks zu <strong>de</strong>n nächsten Guerillas laufen, <strong>und</strong><br />

ziemlich bald wer<strong>de</strong>n wir sie auf <strong>de</strong>m Hals haben."<br />

Einer <strong>de</strong>r Männer war zu <strong>de</strong>m Platz hinübergegangen,<br />

wo <strong>Tarzan</strong> gelegen hatte. Er kehrte mit <strong>de</strong>n Fesseln<br />

zurück <strong>und</strong> reichte sie<br />

Hooft. „Die wur<strong>de</strong>n nicht zerschnitten", sagte er. „Sie<br />

wur<strong>de</strong>n zerrissen."<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Page 90 von 197


„Kein Mensch hätte <strong>die</strong> zerreißen können", sagte<br />

Hooft.<br />

„Der Wil<strong>de</strong> hat's getan", sagte Sarina.<br />

„Dem werd' ich das Wil<strong>de</strong> schon zeigen", knurrte<br />

Hooft. „Essen wir <strong>und</strong> gehen dann. Wir wer<strong>de</strong>n sie<br />

verfolgen. Ihr Weiber bleibt hier." Niemand erhob<br />

Einspruch. Niemand stritt jemals mit Hooft, wenn er<br />

schlechter Laune war, Sarina ausgenommen. Sie war <strong>die</strong><br />

Einzige in <strong>de</strong>m mör<strong>de</strong>rischen Haufen, <strong>die</strong> Hooft fürchtete,<br />

aber Sarina wi<strong>de</strong>rsprach jetzt nicht. Sie verspürte kein<br />

Verlangen, durch <strong>de</strong>n Wald zu streifen.<br />

Die Gesetzlosen waren gute Fährtenleser, <strong>und</strong> <strong>Tarzan</strong><br />

<strong>und</strong> van<br />

<strong>de</strong>r Bos hatten sich nicht bemüht, ihre Spuren zu<br />

verwischen. Hooft<br />

<strong>und</strong> seine Ban<strong>de</strong> von Halsabschnei<strong>de</strong>rn hatten leichtes<br />

Spiel.<br />

*<br />

Jerry <strong>und</strong> seine kleine Gruppe nahmen alle Granaten,<br />

<strong>die</strong> sie tragen konnten, <strong>und</strong> gingen in <strong>de</strong>r Richtung hinaus<br />

in <strong>de</strong>n Wald, aus <strong>de</strong>r <strong>die</strong> japanische Ablösung kommen<br />

mußte. Durch van <strong>de</strong>r Bos warnte Jerry <strong>die</strong> Eingeborenen<br />

davor, Gewehre o<strong>de</strong>r Munition wegzunehmen, <strong>die</strong> sie<br />

zurückließen. „Sagen Sie ihnen, wir wür<strong>de</strong>n ihr Dorf<br />

nie<strong>de</strong>rbrennen, falls wir merken, daß etwas verschw<strong>und</strong>en<br />

ist, wenn wir zurückkommen."<br />

Van <strong>de</strong>r Bos schmückte <strong>die</strong>se Drohung aus, in<strong>de</strong>m er<br />

<strong>de</strong>m Häuptling versicherte, daß sie außer das Dorf<br />

nie<strong>de</strong>rzubrennen auch allen Dorfbewohnern <strong>die</strong> Köpfe<br />

abschnei<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>n. Der Häuptling war beeindruckt.<br />

Amat war es ebenfalls. Er hatte vorgehabt, <strong>de</strong>n<br />

Frem<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>n Wald zu folgen, um sie auszuspionieren.<br />

Als er erfuhr, wir blutrünstig sie waren, überlegte er es<br />

sich an<strong>de</strong>rs. Sie mochten ihn beim Spionieren schnappen.<br />

Statt<strong>de</strong>ssen ging er auf einem an<strong>de</strong>ren Pfad weg, um<br />

Durian-Früchte zu pflücken.<br />

So kam es, während er im Geäst eines Durian-Baumes<br />

beschäftigt <strong>und</strong> <strong>de</strong>shalb unachtsam war, daß Hooft ihn<br />

ent<strong>de</strong>ckte. Hooft befahl ihm herunterzusteigen. Amat<br />

fürchtete sich.<br />

Hooft befragte ihn, ob er <strong>die</strong> bei<strong>de</strong>n Entflohenen<br />

gesehen hätte <strong>und</strong> beschrieb sie ihm. Amat war<br />

erleichtert. Er konnte <strong>die</strong>sen Männern eine Menge<br />

Informationen liefern <strong>und</strong> sich dadurch retten. Sie wür<strong>de</strong>n<br />

ihn zur Belohnung wenigstens am Leben lassen.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Page 91 von 197


„Ich habe sie gesehen", sagte er. „Sie kamen heute<br />

Morgen mit zwei an<strong>de</strong>ren in unser Dorf, davon eine Frau.<br />

Sie retteten zwei<br />

Männer, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Japaner gefangen genommen hatten;<br />

dann töteten <strong>die</strong> Sechs all <strong>die</strong> Japaner."<br />

„Wo sind sie jetzt?"<br />

„Sie gingen auf einem an<strong>de</strong>ren Pfad in <strong>de</strong>n Wald<br />

hinaus. Ich weiß nicht, warum. Aber sie kommen heute<br />

Abend zurück. So sagten sie. Darf ich jetzt gehen?"<br />

„Und <strong>die</strong>se Leute warnen? Ich sage nein."<br />

„Bring ihn lieber um", sagte einer <strong>de</strong>r Männer. Er<br />

sprach in Amats Dialekt, <strong>und</strong> Amat zitterte so, daß er<br />

beinah stürzte. Er warf sich auf <strong>die</strong> Knie <strong>und</strong> bettelte um<br />

sein Leben.<br />

„Tu, was wir sagen, dann wer<strong>de</strong>n wir dich nicht töten",<br />

sagte Hooft.<br />

„Amat wird alles tun, was ihr wollt", sagte <strong>de</strong>r<br />

verängstigte Mann. „Ich kann euch noch mehr erzählen.<br />

Die Japaner wür<strong>de</strong>n für das Mädchen gut zahlen, das<br />

heute in unserem Dorf war. Die Japaner, <strong>die</strong> dort<br />

stationiert waren, re<strong>de</strong>ten über sie. Zwei Jahre lang<br />

haben <strong>die</strong> Japaner sie gejagt. Vielleicht kann ich euch<br />

helfen, sie zu kriegen. Ich wer<strong>de</strong> alles für euch tun."<br />

Amat wußte nicht, wie er ihnen helfen könnte, Corrie zu<br />

bekommen, aber er war bereit, alles zu versprechen. Falls<br />

er sie nicht kriegen konnte, wür<strong>de</strong> er vielleicht in <strong>de</strong>n<br />

Wald davonlaufen, bis <strong>die</strong>se schrecklichen Männer<br />

fortgegangen waren.<br />

Die weitere Diskussion wur<strong>de</strong> durch Explosionslärm<br />

hinter <strong>de</strong>m<br />

Dorf unterbrochen, irgendwo nicht weit im Wald<br />

draußen.<br />

„Handgranaten", sagte einer <strong>de</strong>r Männer.<br />

„Klingt nach richtigem Gefecht", sagte Hooft.<br />

Die lauteren Detonationen wur<strong>de</strong>n vom Knall <strong>de</strong>r<br />

Gewehrschüsse untermalt. „Das sind japanische 0.25er",<br />

sagte Grotius.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Ü b e r d i e D e t o n a t i o n e n e r h o b e n s i c h d i e<br />

durchdringen<strong>de</strong>n Schreie von Männern im To<strong>de</strong>skampf.<br />

Die ganze Sache dauerte nur wenige Minuten. Am Schluß<br />

gab es noch ein paar verstreute Gewehrschüsse, dann<br />

Stille. Man konnte <strong>die</strong> Szene aus <strong>de</strong>n Geräuschen beinah<br />

nacherleben. Es hatte ein hartes Treffen gegeben.<br />

Zwischen wem? fragten sich <strong>die</strong> Gesetzlosen. Eine Seite<br />

w a r a u s g e l ö s c h t w o r d e n . W e l c h e ? D i e l e t z t e n<br />

Gewehrschüsse hatten <strong>die</strong> Verw<strong>und</strong>eten liqui<strong>die</strong>rt.<br />

Page 92 von 197


Die Sieger wür<strong>de</strong>n bestimmt ins Dorf kommen. Hooft<br />

<strong>und</strong> seine Gefolgsleute erreichten <strong>de</strong>n Waldrand <strong>und</strong><br />

legten sich in Deckung. Das kleine Tal <strong>und</strong> das Kampong<br />

unter ihnen waren gut einzusehen.<br />

Sie hatten nicht lange zu warten. Vier weiße Männer<br />

<strong>und</strong> ein<br />

weißes Mädchen tauchten vom Waldweg her auf. Sie<br />

waren mit all <strong>de</strong>n Waffen <strong>und</strong> <strong>de</strong>r Munition so schwer<br />

bela<strong>de</strong>n, wie sie nur tragen konnten. Sie re<strong>de</strong>ten<br />

a u f g e r e g t . D i e M ä n n e r g i n g e n z u e i n e r d e r<br />

Eingeborenenhütten, das Mädchen zu einer an<strong>de</strong>ren.<br />

Hooft überlegte schnell. Er mußte einen Weg fin<strong>de</strong>n,<br />

das Mädchen zu kriegen, ohne mit <strong>de</strong>ssen Gefährten<br />

zusammenzustoßen. Hooft war feige, wie alle Gewalttäter.<br />

Er konnte einen Mann von hinten erstechen o<strong>de</strong>r<br />

erschießen, einem bewaffneten Gegner konnte er aber<br />

nicht gegenübertreten.<br />

Er wandte sich an Amat. „Bring <strong>de</strong>m Mädchen folgen<strong>de</strong><br />

Botschaft. Sag ihr, ein alter Fre<strong>und</strong> von ihr wartet am<br />

Waldrand auf sie. Er will nicht ins Dorf kommen, bevor er<br />

sicher ist, daß ihre Gefährten zu <strong>de</strong>n Hollän<strong>de</strong>rn halten.<br />

Sag ihr, sie soll allein zum Waldrand kommen <strong>und</strong> mit ihm<br />

re<strong>de</strong>n. Er ist ein alter Fre<strong>und</strong> ihres Vaters. Und, Amat,<br />

erzähl sonst keinem, daß wir hier sind. Kommt jemand<br />

außer <strong>de</strong>m Mädchen, wer<strong>de</strong>n wir nicht hier sein; aber<br />

eines Tages wer<strong>de</strong>n wir zurückkommen <strong>und</strong> dich töten. Du<br />

kannst auch <strong>de</strong>m Mädchen sagen, daß ich nicht hier sein<br />

wer<strong>de</strong>, wenn sie nicht allein kommt. Wie<strong>de</strong>rhol mir <strong>die</strong>se<br />

Botschaft."<br />

Amat wie<strong>de</strong>rholte sie, <strong>und</strong> Hooft schickte ihn auf <strong>de</strong>n<br />

Weg. Amat fühlte sich wie ein Verurteilter, <strong>de</strong>r eben<br />

begnadigt wur<strong>de</strong>; o<strong>de</strong>r wenigstens einen Strafaufschub<br />

erhalten hatte. Er schlüpfte leise ins Dorf <strong>und</strong> ging ans<br />

untere En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Leiter, <strong>die</strong> zur Tür <strong>de</strong>r Hütte führte, in<br />

<strong>de</strong>r Corrie einquartiert war. Er rief sie, <strong>und</strong> ein<br />

Eingeborenenmädchen kam zum Eingang. Als sie Amat<br />

sah, verzog verächtlich sie ihre Lippen. „Geh fort, du<br />

Schwein!", sagte sie.<br />

„Ich habe eine Botschaft für <strong>die</strong> weiße Frau", sagte<br />

Amat.<br />

Corrie hörte es <strong>und</strong> kam zum Eingang. „Was für eine<br />

Botschaft hast du für mich?", fragte sie.<br />

„Es ist eine sehr private Botschaft", sagte Amat. „Ich<br />

kann sie nicht rufen."<br />

„Dann komm herauf."<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Page 93 von 197


Lara, das eingeborene Mädchen, rümpfte <strong>die</strong> Nase, als<br />

Amat ins Haus ging. Sie kannte ihn als Lügner <strong>und</strong><br />

Duckmäuser, aber sie warnte Corrie nicht. War das ihre<br />

Angelegenheit?<br />

Amat lieferte seine Botschaft ab. Corrie überlegte.<br />

„Wie sah <strong>de</strong>r Mann aus?", fragte sie.<br />

„Er ist ein weißer Mann mit einem Bart", sagte Amat.<br />

„Das ist alles, was ich weiß."<br />

„Ist er allein?"<br />

Amat überlegte schnell, wenn sie erfährt, daß da<br />

zwanzig von <strong>de</strong>nen sind, wird sie nicht gehen; dann wird<br />

<strong>de</strong>r Mann eines Tages kommen <strong>und</strong> mich töten. „Er ist<br />

allein", sagte Amat.<br />

Corrie ergriff ihr Gewehr <strong>und</strong> stieg <strong>die</strong> Leiter zum<br />

Bo<strong>de</strong>n hinab. Die Männer ihrer Gruppe waren noch in <strong>de</strong>r<br />

Hütte, <strong>die</strong> sie sich genommen hatten. Sie reinigten <strong>und</strong><br />

ölten <strong>die</strong> erbeuteten Gewehre. Eingeborene waren keine<br />

in <strong>de</strong>r Nähe. Nur Amat <strong>und</strong> Lara sahen, wie das weiße<br />

Mädchen das Kampong verließ <strong>und</strong> <strong>de</strong>n Wald betrat.<br />

Kapitel 15<br />

<strong>Tarzan</strong> hatte von <strong>de</strong>n Eingeborenen nicht viele<br />

Informationen über <strong>die</strong> Guerillas bekommen können. Sie<br />

hatten gerüchteweise gehört, daß es etwa 65 Meilen<br />

südöstlich, in <strong>de</strong>r Nähe eines gewissen Vulkans, eine<br />

Ban<strong>de</strong> geben solle. Sie konnten <strong>die</strong> Gestalt <strong>die</strong>ses<br />

Vulkans beschreiben <strong>und</strong> verschie<strong>de</strong>ne Gelän<strong>de</strong>merkmale,<br />

<strong>die</strong> <strong>Tarzan</strong> hinführen helfen mochten. Mit <strong>die</strong>sen mageren<br />

Auskünften war er aufgebrochen.<br />

Er wan<strong>de</strong>rte bis zum Einbruch <strong>de</strong>r Nacht <strong>und</strong> lagerte<br />

bis zum Morgen auf einem Baum. Seine einzigen Waffen<br />

waren Messer, Pfeil <strong>und</strong> Bogen. Er wollte sich nicht mit<br />

einem japanischen Gewehr <strong>und</strong> <strong>de</strong>r Munition belasten.<br />

Am Morgen pflückte er einiges Obst <strong>und</strong> erlegte einen<br />

Hasen fürs Frühstück.<br />

Das Land, durch das er kam, war äußerst wild <strong>und</strong><br />

ermangelte jeglicher Hinweise auf Menschen.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Nichts wäre <strong>Tarzan</strong> lieber gewesen. Er mochte <strong>die</strong><br />

Gefährten, <strong>die</strong> er zurückgelassen hatte; aber trotz all<br />

seiner Kontakte zu Menschen war er nie ganz gesellig<br />

gewor<strong>de</strong>n. Sein Volk waren <strong>die</strong> wil<strong>de</strong>n Wesen <strong>de</strong>s Wal<strong>de</strong>s,<br />

<strong>de</strong>s Dschungels, <strong>de</strong>r Steppe. Bei ihnen war er immer zu<br />

Page 94 von 197


Hause. Er liebte es, sie zu beobachten <strong>und</strong> zu erforschen.<br />

Häufig kannte er sie besser als sie sich selbst.<br />

Er kam an vielen Affen vorbei. Sie zeterten, bis er sie in<br />

ihrer eigenen Sprache anre<strong>de</strong>te. Sie kannten ihre Welt,<br />

<strong>und</strong> durch sie blieb er auf <strong>de</strong>r richtigen Route zum<br />

Vu l k a n . S i e s a g t e n i h m , i n w e l c h e R i c h t u n g e r<br />

weitergehen mußte, um das nächste Gelän<strong>de</strong>merkmal zu<br />

erreichen, von <strong>de</strong>m <strong>die</strong> Eingeborenen gesprochen hatten<br />

- ein kleiner See, eine Bergwiese, <strong>de</strong>r Krater eines<br />

erloschenen Vulkans.<br />

Als er glaubte, daß er sich seinem Ziel näherte, fragte<br />

er einige Affen, ob es weiße Männer in <strong>de</strong>r Nähe eines<br />

Vulkans gäbe. Er bezeichnete ihn argo ved - Feuerberg.<br />

Sie sagten, es gäbe welche, <strong>und</strong> beschrieben ihm, wie ihr<br />

Lager zu erreichen sei. Ein alter Affe sagte: „Kreeg-ah!<br />

Tarmangani sord. Tarmangani b<strong>und</strong>olo", <strong>und</strong> er ahmte<br />

das Anlegen eines Gewehrs nach. Er sagte: „Boo! Boo!"<br />

Hüte dich! Weiße Männer böse. Weiße Männer töten.<br />

Er fand das Lager in einer kleinen Schlucht, doch bevor<br />

er hingelangte, sah er einen Wächter, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n einzigen<br />

Zugang bewachte. <strong>Tarzan</strong> trat aus <strong>de</strong>r Deckung <strong>und</strong> ging<br />

auf <strong>de</strong>n Mann zu, einen bärtigen Hollän<strong>de</strong>r. Der Bursche<br />

legte sein Gewehr an <strong>und</strong> wartete ab, bis <strong>Tarzan</strong> auf<br />

fünf<strong>und</strong>zwanzig o<strong>de</strong>r dreißig Schritte<br />

herangekommen war; dann hielt er ihn an.<br />

„Wer sind Sie, <strong>und</strong> was machen Sie hier?", fragte er.<br />

„Ich bin Englän<strong>de</strong>r. Ich wür<strong>de</strong> gern mit Ihrem Chef<br />

re<strong>de</strong>n."<br />

Der Mann hatte <strong>Tarzan</strong> mit einiger Verw<strong>und</strong>erung<br />

taxiert. „Bleiben Sie, wo Sie sind", befahl er. „Kommen<br />

Sie nicht näher." Darm rief er in <strong>die</strong> Schlucht hinunter:<br />

„De Lettenhove! Da ist ein Wil<strong>de</strong>r heroben, <strong>de</strong>r will mit<br />

dir re<strong>de</strong>n."<br />

<strong>Tarzan</strong> verbiß sich ein Lächeln. Schon oft zuvor hatte er<br />

<strong>die</strong>se Beschreibung von sich gehört, aber nie mit so ganz<br />

offener Mißachtung seiner Gefühle. Dann fiel ihm wie<strong>de</strong>r<br />

ein, daß er <strong>de</strong>n Mann auf Englisch angesprochen <strong>und</strong><br />

gesagt hatte, er sei Englän<strong>de</strong>r. Der Bursche in<strong>de</strong>ssen<br />

hatte <strong>de</strong> Lettenhove auf Holländisch zugerufen, zweifellos<br />

in <strong>de</strong>r Annahme, daß <strong>de</strong>r „Wil<strong>de</strong>" <strong>die</strong>se Sprache nicht<br />

verstand. Er wür<strong>de</strong> sie noch länger in <strong>de</strong>m Glauben<br />

lassen.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Bald kamen drei Männer aus <strong>de</strong>m Tal. Alle waren<br />

schwer bewaffnet. Sie waren bärtige, hart aussehen<strong>de</strong><br />

Männer. Sie trugen geflickte, zerlumpte, unbestimmte<br />

Page 95 von 197


Kleidung, teils Zivil, teils militärisch, teils grob aus<br />

Tierhäuten gefertigt. Einer von ihnen trug einen<br />

unansehnlichen Waffenrock mit <strong>de</strong>n zwei Sternen eines<br />

Ersten Leutnants auf <strong>de</strong>n Schulterklappen. Das war <strong>de</strong><br />

Lettenhove. Er sagte auf Holländisch zu <strong>de</strong>m Wächter:<br />

„Was hat <strong>die</strong>ser Mann gemacht?"<br />

„Er ging einfach auf mich zu. Er unternahm keinen<br />

Versuch, mir auszuweichen o<strong>de</strong>r sich vor mir zu<br />

verstecken. Vielleicht ist er ein harmloser Dummkopf,<br />

aber was zum Teufel er hier macht, ist mir schleierhaft. Er<br />

sagt, er ist ein Englän<strong>de</strong>r. Er hat mit mir in <strong>die</strong>ser Sprache<br />

gesprochen."<br />

De Lettenhove wandte sich <strong>Tarzan</strong> zu. „Wer sind Sie?<br />

Was machen Sie hier?", fragte er auf Englisch.<br />

„Mein Name ist Clayton. Ich bin Offizier <strong>de</strong>r RAF. Ich<br />

erfuhr, daß eine Kompanie holländischer Guerillas hier<br />

lagert. Ich wollte mit ihrem befehlshaben<strong>de</strong>n Offizier<br />

s p r e c h e n . S i n d d a s S i e ? I c h w e i ß , d a ß a u c h<br />

Verbrecherban<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>n Bergen sind, doch <strong>de</strong>r einzige<br />

Weg herauszufin<strong>de</strong>n, was ihr seid, war herzukommen <strong>und</strong><br />

mit euch zu sprechen. Das Wagnis hatte ich einzugehen."<br />

„Ich bin nicht <strong>de</strong>r befehlshaben<strong>de</strong> Offizier", sagte <strong>de</strong><br />

Lettenhove. „Captain van Prins hat das Kommando, aber<br />

er ist heute nicht hier. Wir erwarten ihn morgen zurück.<br />

Weshalb genau wollen Sie ihn treffen? Ich kann Ihnen<br />

versichern", fügte er lächelnd hinzu, „daß wir in <strong>de</strong>n<br />

Augen <strong>de</strong>r Japaner <strong>und</strong> <strong>de</strong>r eingeborenen Kollaborateure<br />

als Verbrecher dastehen."<br />

„Ich kam, weil ich Kontakt zu Leuten suche, <strong>de</strong>nen ich<br />

vertrauen kann, <strong>die</strong> mir Informationen über <strong>die</strong> Stellungen<br />

japanischer Vorposten <strong>und</strong> über Eingeborenendörfer<br />

g e b e n k ö n n e n , d e re n E i n w o h n e r d e n H o l l ä n d e r n<br />

f r e u n d l i c h g e s i n n t s i n d . I c h v e r s u c h e , j e n e n<br />

auszuweichen, <strong>und</strong> von <strong>die</strong>sen vielleicht Unterstützung zu<br />

bekommen. Ich versuche, <strong>die</strong> Küste zu erreichen, wo ich<br />

versuchen wer<strong>de</strong>, ein Boot aufzutreiben <strong>und</strong> von <strong>de</strong>r Insel<br />

zu entkommen."<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

De Lettenhove wandte sich an einen <strong>de</strong>r Männer, <strong>de</strong>r<br />

ihn vom Lager im Tal her begleitet hatte. „Ich begann ihm<br />

schon zu glauben", sagte er auf Holländisch, „bis er das<br />

mit <strong>de</strong>m Boot anfing, daß er eins auftreiben <strong>und</strong> von <strong>de</strong>r<br />

Insel entkommen will. Er muß uns für verdammte Narren<br />

halten, daß wir auf eine so dumme Erklärung seines<br />

Auftauchens hier hereinfallen. Er ist wahrscheinlich ein<br />

verdammter <strong>de</strong>utscher Spion. Wir wer<strong>de</strong>n ihn einfach<br />

festhalten, bis van Prins zurückkommt." Dann, zu <strong>Tarzan</strong>,<br />

Page 96 von 197


auf Englisch: „Sie sagen, Sie sind ein englischer Offizier.<br />

Natürlich haben Sie etwas zur I<strong>de</strong>ntifikation bei sich?"<br />

„Nichts", erwi<strong>de</strong>rte <strong>Tarzan</strong>.<br />

„Darf ich fragen, warum ein englischer Offizier nackt in<br />

<strong>de</strong>n Bergen von Sumatra herumläuft, bewaffnet mit einem<br />

Messer, Pfeil <strong>und</strong> Bogen?" Sein Ton war ironisch. „Mein<br />

Fre<strong>und</strong>, Sie können bestimmt nicht erwarten, daß wir<br />

Ihnen glauben. Sie wer<strong>de</strong>n hier bleiben, bis Captain van<br />

Prins zurückkehrt."<br />

„Als Gefangener?", fragte <strong>Tarzan</strong>.<br />

„Als Gefangener. Kommen Sie, wir wer<strong>de</strong>n Sie ins<br />

Lager hinunter bringen."<br />

Das Lager war sauber <strong>und</strong> gut bewacht. Frauen gab es<br />

keine. Es gab eine Reihe strohge<strong>de</strong>ckter Hütten, <strong>die</strong> mit<br />

militärischer Präzision angelegt waren. Die rot-weiß-blaue<br />

Flagge <strong>de</strong>r Nie<strong>de</strong>rlan<strong>de</strong> flatterte an einem Mast vor einer<br />

<strong>de</strong>r Hütten. Zwanzig o<strong>de</strong>r dreißig Männer waren im Lager<br />

umher mit Verschie<strong>de</strong>nem beschäftigt, <strong>die</strong> meisten von<br />

ihnen mit <strong>de</strong>m Reinigen <strong>de</strong>r Gewehre o<strong>de</strong>r Pistolen.<br />

Z e r l u m p t u n d z e r r i s s e n u n d s c h ä b i g w a re n i h re<br />

Kleidungsstücke, aber ihre Waffen waren ta<strong>de</strong>llos. Daß<br />

<strong>die</strong>s ein gut diszipliniertes Militärlager war, davon war<br />

<strong>Tarzan</strong> nun überzeugt. Das hier waren keine Gesetzlosen.<br />

Er wußte, daß er <strong>die</strong>sen Männern trauen konnte.<br />

Sein Betreten <strong>de</strong>s Camps rief eine kleine Sensation<br />

hervor. Die Männer pausierten in ihrer Arbeit, um ihn<br />

anzustarren. Einige kamen <strong>und</strong> befragten jene, <strong>die</strong> ihn<br />

geleiteten.<br />

„Was habt ihr da aufgegabelt?", fragte einer. „Den<br />

Wil<strong>de</strong>n Mann vonBorneo?"<br />

„Er sagt, er ist ein RAF-Captain, aber ich tippe auf<br />

zweierlei. Entwe<strong>de</strong>r ist er ein harmloser Narr o<strong>de</strong>r ein<br />

d e u t s c h e r S p i o n . I c h n e i g e d a z u , d a s L e t z t e r e<br />

anzunehmen. Er spricht nicht wie ein Tölpel."<br />

„Spricht er Deutsch?"<br />

„Weiß nicht."<br />

„Ich teste ihn." Er sprach <strong>Tarzan</strong> auf Deutsch an; <strong>und</strong><br />

<strong>die</strong>ser, von <strong>de</strong>r Lächerlichkeit <strong>de</strong>r Situation verleitet,<br />

rasselte eine Antwort in ta<strong>de</strong>llosem Deutsch herunter.<br />

„Ich hab's euch gesagt", triumphierte <strong>de</strong>r Doppel-<br />

Tipper.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Dann wandte sich <strong>Tarzan</strong> an <strong>de</strong> Lettenhove. „Ich habe<br />

Ihnen gesagt, daß ich keine I<strong>de</strong>ntifikations-Mittel habe",<br />

sagte er. „Ich habe keine bei mir, aber ich habe Fre<strong>und</strong>e,<br />

Page 97 von 197


<strong>die</strong> mich i<strong>de</strong>ntifizieren können - drei Amerikaner <strong>und</strong> zwei<br />

Hollän<strong>de</strong>r. Diese Letzteren mögen Sie kennen."<br />

„Wer sind sie?"<br />

„Corrie van <strong>de</strong>r Meer <strong>und</strong> Tak van <strong>de</strong>r Bos. Kennen Sie<br />

sie?"<br />

„Ich kannte sie sehr gut, aber bei<strong>de</strong> sind als tot<br />

gemel<strong>de</strong>t wor<strong>de</strong>n."<br />

„Gestern waren sie nicht tot", sagte <strong>Tarzan</strong>.<br />

„Erzählen Sie mir", sagte <strong>de</strong> Lettenhove. „Wie sind Sie<br />

ü b e r h a u p t n a c h S u m a t r a g e r a t e n ? W i e k a n n e i n<br />

englischer Offizier in Kriegszeiten nach Sumatra kommen?<br />

Und was machen <strong>die</strong> Amerikaner hier?"<br />

„Ein amerikanischer Bomber soll vor einiger Zeit hier<br />

abgestürzt sein", erinnerte einer <strong>de</strong>r Männer <strong>de</strong><br />

Lettenhove auf Holländisch. „Dieser Bursche, falls er mit<br />

<strong>de</strong>n Japanern zusammenarbeitet, wür<strong>de</strong> das gewußt<br />

haben. Er wür<strong>de</strong> auch im Stan<strong>de</strong> gewesen sein, <strong>die</strong><br />

Namen von Miß van <strong>de</strong>r Meer <strong>und</strong> Tak zu erfahren. Laßt<br />

<strong>de</strong>n verdammten Narren weitermachen. Er gräbt sich sein<br />

eigenes Grab." „Fragt ihn, woher er wußte, daß unser<br />

Lager hier ist", schlug ein an<strong>de</strong>rer vor.<br />

„Woher wußten Sie, wo Sie uns fin<strong>de</strong>n?", fragte <strong>de</strong><br />

Lettenhove.<br />

„Ich wer<strong>de</strong> alle Ihre Fragen beantworten", sagte<br />

<strong>Tarzan</strong>. „Ich war an Bord <strong>de</strong>s Bombers, <strong>de</strong>r abgeschossen<br />

wur<strong>de</strong>. Daher kommt es, daß ich hier bin. Die drei<br />

Amerikaner, <strong>die</strong> ich erwähnt habe, sind ebenfalls<br />

Ü b e r l e b e n d e a u s d i e s e m F l u g z e u g . I n e i n e m<br />

Eingeborenendorf erfuhr ich gestern <strong>die</strong> ungefähre<br />

Lage Ihres<br />

Camps. Diese Dorfbewohner haben mit <strong>de</strong>n Japanern<br />

kollaboriert. Es gab dort einen einquartierten japanischen<br />

Vorposten. Wir hatten gestern ein Gefecht mit ihnen <strong>und</strong><br />

haben <strong>die</strong> ganze Besatzung ausgelöscht."<br />

„Sie sprechen exzellentes Deutsch", sagte einer <strong>de</strong>r<br />

Männer vorwurfsvoll.<br />

„Ich spreche verschie<strong>de</strong>ne Sprachen", sagte <strong>Tarzan</strong>,<br />

„einschließlich Deutsch."<br />

De Lettenhove errötete. „Warum haben Sie mir all das<br />

nicht gleich gesagt?", fragte er.<br />

„Ich wollte mich erst davon überzeugen, daß ich unter<br />

möglichen Fre<strong>und</strong>en bin. Ihr hättet Kollaborateure sein<br />

können. Ich habe gera<strong>de</strong> erst meine Erfahrungen mit<br />

einer Ban<strong>de</strong> bewaffneter Hollän<strong>de</strong>r gemacht, <strong>die</strong> mit <strong>de</strong>n<br />

Japanern zusammenspielen."<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

„Was hat Sie überzeugt, wir wären in Ordnung?"<br />

Page 98 von 197


„Das Aussehen <strong>die</strong>ses Lagers. Es ist nicht das Lager<br />

einer Ban<strong>de</strong> <strong>und</strong>isziplinierter Verbrecher. Und außer<strong>de</strong>m<br />

habe ich alles verstan<strong>de</strong>n, was ihr auf Holländisch sagtet.<br />

Ihr hättet nicht fürchten müssen, daß ich ein Spion sei,<br />

wenn ihr auf gutem Fuß mit <strong>de</strong>n Japanern gestan<strong>de</strong>n<br />

wärt. Ich bin überzeugt, daß ich euch trauen kann. Es tut<br />

mir Leid, daß ihr mir nicht vertraut. Vielleicht hättet ihr<br />

mir <strong>und</strong> meinen Fre<strong>und</strong>en von großer Hilfe sein können."<br />

„ I c h m ö c h t e I h n e n g e r n e g l a u b e n " , s a g t e d e<br />

Lettenhove. „Wir wer<strong>de</strong>n es dabei belassen, bis Captain<br />

van Prins zurückkehrt."<br />

„Wenn er Corrie van <strong>de</strong>r Meer <strong>und</strong> Tak van <strong>de</strong>r Bos<br />

beschreiben kann, wer<strong>de</strong> ich ihm glauben", sagte einer<br />

<strong>de</strong>r Männer. „Falls sie tot sind, wie wir gehört haben,<br />

kann er sie nie gesehen haben, <strong>de</strong>nn Corrie wur<strong>de</strong> mit<br />

ihrem Vater <strong>und</strong> ihrer Mutter vor über zwei Jahren oben in<br />

<strong>de</strong>n Bergen umgebracht; <strong>und</strong> Tak wur<strong>de</strong> von <strong>de</strong>n<br />

Japanern gefangen <strong>und</strong> getötet, nach<strong>de</strong>m er aus <strong>de</strong>m<br />

Konzentrationslager geflohen ist."<br />

<strong>Tarzan</strong> beschrieb <strong>die</strong> Bei<strong>de</strong>n genau <strong>und</strong> erzählte viel<br />

von <strong>de</strong>m, was ihnen in <strong>de</strong>n vergangenen zwei Jahren<br />

passiert war.<br />

De Lettenhove hielt <strong>Tarzan</strong> seine Hand hin. „Jetzt<br />

glaube ich Ihnen", sagte er, „aber Sie müssen verstehen,<br />

daß wir je<strong>de</strong>n verdächtigen müssen."<br />

„Wie auch ich", erwi<strong>de</strong>rte <strong>de</strong>r Englän<strong>de</strong>r.<br />

„Verzeihen Sie mir, wenn ich unhöflich erscheine",<br />

sagte <strong>de</strong>r Hollän<strong>de</strong>r, „aber ich Wüßte wirklich gern,<br />

warum Sie fast nackt herumlaufen wie ein rechter <strong>Tarzan</strong>."<br />

„Weil ich <strong>Tarzan</strong> bin." Er sah, wie Ungläubigkeit <strong>und</strong><br />

Zweifel in <strong>de</strong> Lettenhoves Gesicht zurückkehrten.<br />

„Möglicherweise wer<strong>de</strong>n sich einige von euch erinnern,<br />

daß <strong>Tarzan</strong> ein Englän<strong>de</strong>r ist <strong>und</strong> sein Name Clayton<br />

lautet. Das ist <strong>de</strong>r Name, <strong>de</strong>n ich euch nannte, ihr wer<strong>de</strong>t<br />

euch erinnern."<br />

„Das stimmt", rief einer <strong>de</strong>r Männer. „John Clayton,<br />

Lord Greystoke."<br />

„Und da ist <strong>die</strong> Narbe an seiner Stirn, <strong>die</strong> er als Knabe<br />

beim Kampf mit einem Gorilla erhielt", rief ein an<strong>de</strong>rer.<br />

„Ich glaube, damit reicht es", sagte <strong>de</strong> Lettenhove.<br />

Die Männer scharten sich um ihn <strong>und</strong> stellten <strong>Tarzan</strong><br />

unzählige Fragen. Jetzt waren sie mehr als fre<strong>und</strong>lich <strong>und</strong><br />

v e r s u c h t e n , i h r e v o r h e r i g e n V e r d ä c h t i g u n g e n<br />

gutzumachen.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Page 99 von 197


„Bin ich immer noch ein Gefangener?", fragte er <strong>de</strong><br />

Lettenhove.<br />

„Nein, aber ich hätte gern, daß Sie bleiben wür<strong>de</strong>n, bis<br />

<strong>de</strong>r Captain zurückkehrt. Ich weiß, daß er mehr als<br />

bestrebt sein wird, Ihnen von Hilfe zu sein."<br />

Kapitel 16<br />

Als Corrie <strong>de</strong>n Wald betrat, sah sie etwa dreißig Meter<br />

vor ihr einen Mann auf <strong>de</strong>m Pfad stehen. Es war Hooft. Er<br />

zog seinen Hut <strong>und</strong> verbeugte sich lächelnd. „Danke, daß<br />

Sie gekommen sind", sagte er. „Ich fürchtete mich, ins<br />

Dorf hinunter zu gehen, bevor ich sicher war, daß <strong>die</strong><br />

Leute dort fre<strong>und</strong>lich sind."<br />

Corrie ging näher zu ihm hin. Sie kannte ihn nicht.<br />

O b w o h l e r l ä c h e l t e , w a r s e i n A u s s e h e n ä u ß e r s t<br />

unvorteilhaft; daher hielt sie ihr Gewehr bereit. „Wenn<br />

Sie ein loyaler Hollän<strong>de</strong>r sind", sagte sie, „wer<strong>de</strong>n Sie in<br />

<strong>die</strong>sem Dorf auf fre<strong>und</strong>lich gesinnte Männer treffen. Was<br />

wollen Sie von ihnen?"<br />

Sie war ihm auf zwanzig Schritt nahe gekommen, als<br />

plötzlich zu bei<strong>de</strong>n Seiten <strong>de</strong>s Pfa<strong>de</strong>s Männer aus <strong>de</strong>m<br />

Gestrüpp sprangen. Der Lauf ihres Gewehres wur<strong>de</strong><br />

hochgeschlagen, <strong>die</strong> Waffe gepackt <strong>und</strong> ihrem Griff<br />

entw<strong>und</strong>en.<br />

„Machen Sie keinen Lärm, dann passiert Ihnen nichts",<br />

sagte einer <strong>de</strong>r Männer.<br />

Pistolen wur<strong>de</strong>n auf sie gerichtet, als Drohung, was ihr<br />

geschehen wür<strong>de</strong>, wenn sie um Hilfe riefe. Sie sah, daß<br />

<strong>die</strong> Männer um sie Hollän<strong>de</strong>r waren, <strong>und</strong> begriff, daß sie<br />

wahrscheinlich zur selben Ban<strong>de</strong> von Gesetzlosen<br />

gehörten, <strong>de</strong>r Tak <strong>und</strong> <strong>Tarzan</strong> entkommen waren.<br />

„Was wollt ihr von mir?", fragte sie.<br />

„W ir wer<strong>de</strong>n Ihnen nicht wehtun", sagte Hooft.<br />

„Kommen Sie bloß still mit, <strong>und</strong> wir wer<strong>de</strong>n Sie nicht lang<br />

festhalten." Schon zogen sie <strong>de</strong>n Pfad weiter, Männer vor<br />

ihr <strong>und</strong> hinter ihr. Sie sah ein, daß es unmöglich war zu<br />

fliehen.<br />

„Aber was wer<strong>de</strong>t ihr mit mir tun?", fragte sie weiter.<br />

„Das wer<strong>de</strong>n Sie in einigen Tagen herausfin<strong>de</strong>n."<br />

„Meine Fre<strong>und</strong>e wer<strong>de</strong>n nachkommen, <strong>und</strong> wenn sie<br />

euch einholen, wer<strong>de</strong>t ihr euch wünschen, ihr hättet mich<br />

nie gesehen."<br />

„Die wer<strong>de</strong>n uns nie einholen", sagte Hooft. „Wenn<br />

sie's auch täten, sie sind nur zu viert. Wir wür<strong>de</strong>n sie<br />

unverzüglich auslöschen."<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Page 100 von 197


„Ihr kennt sie nicht", sagte Corrie. „Heute haben sie<br />

vierzig Japaner getötet, <strong>und</strong> sie wer<strong>de</strong>n euch fin<strong>de</strong>n,<br />

egal, wo ihr euch versteckt. Es wäre besser, ihr laßt mich<br />

umkehren; <strong>de</strong>nn ihr wer<strong>de</strong>t es sicher büßen, wenn ihr's<br />

nicht tut."<br />

„M<strong>und</strong> halten", sagte Hooft.<br />

Sie eilten weiter. Die Nacht begann, aber sie hielten<br />

nicht an. Corrie dachte an Jerry <strong>und</strong> <strong>die</strong> an<strong>de</strong>ren. Am<br />

meisten dachte sie an Jerry. Sie fragte sich, ob er sie<br />

schon vermißte. Was sie tun wür<strong>de</strong>n, wenn sie sie<br />

vermißten, fragte sie sich nicht. Sie wußte es. Sie wußte,<br />

daß sie mit <strong>de</strong>r Suche nach ihr unverzüglich anfangen<br />

wür<strong>de</strong>n. Vielleicht hatten sie bereits damit begonnen. Sie<br />

verlangsamte, gab vor, mü<strong>de</strong> zu sein. Sie wollte ihre<br />

Häscher aufhalten; aber sie stießen sie grob weiter <strong>und</strong><br />

fluchten auf sie.<br />

Im Dorf war Jerry <strong>de</strong>r Erste, <strong>de</strong>r sich fragte, warum<br />

C o r r i e n i c h t z u i h n e n g e k o m m e n w a r, d e n n d i e<br />

Eingeborenen hatten ihr Aben<strong>de</strong>ssen zubereitet. Er sah<br />

Amat <strong>und</strong> bat van <strong>de</strong>r Bos, ihn zu Corrie zu schicken. Der<br />

Eingeborene ging zum Haus, das Corrie belegt hatte, <strong>und</strong><br />

tat, als suchte er sie. Bald kam er zurück <strong>und</strong> sagte, daß<br />

sie nicht dort wäre. „Ich sah sie vorhin in <strong>de</strong>n Wald<br />

gehen", sagte er. „Ich nahm an, sie sei zurück, aber sie ist<br />

nicht in ihrem Haus."<br />

„Wo in <strong>de</strong>n Wald?", fragte van <strong>de</strong>r Bos. Amat zeigte<br />

auf einen an<strong>de</strong>ren Pfad als <strong>de</strong>n, <strong>de</strong>n Corrie genommen<br />

hatte.<br />

Als van <strong>de</strong>r Bos übersetzt hatte, was Amat sagte, nahm<br />

Jerry sein Gewehr auf <strong>und</strong> ging auf <strong>de</strong>n Wald zu. Die<br />

an<strong>de</strong>ren folgten ihm.<br />

„Was in aller Welt hat sie geritten, allein in <strong>de</strong>n Wald<br />

fort zu strolchen?", fragte Jerry.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

„Vielleicht ist sie nicht dort hin", sagte Rosetti.<br />

„Vielleicht hat <strong>de</strong>r kleine Stinker gelogen. Mir gefällt<br />

seine Schnauze nicht. Er schaut aus wie eine Ratte."<br />

„Ich glaub' <strong>de</strong>m kleinen Mistkerl auch nicht", sagte<br />

Bubonovitch. „Es ist gar nicht Corries Art, sowas zu tun."<br />

„Ich weiß", sagte Jerry, „aber suchen wer<strong>de</strong>n wir sie<br />

je<strong>de</strong>nfalls müssen. Wir können <strong>die</strong> Möglichkeit nicht<br />

vergeben, sie zu fin<strong>de</strong>n, wie gering sie auch sein mag."<br />

„Wenn <strong>de</strong>r kleine, feige Wicht gelogen hat, wenn er<br />

weiß, was aus Corrie gewor<strong>de</strong>n ist, werd' ich ihm ein<br />

Bajonett mitten durch <strong>de</strong>n Bauch stoßen", knurrte Rosetti.<br />

Sie betraten <strong>de</strong>n Wald <strong>und</strong> riefen laut Corries Namen.<br />

Bald sahen sie <strong>die</strong> Zwecklosigkeit davon ein. In <strong>de</strong>r<br />

Page 101 von 197


pechschwarzen Waldnacht hätten sie keine Spur sehen<br />

können, auch wenn eine dagewesen wäre.<br />

„Wenn bloß <strong>Tarzan</strong> hier wäre", sagte Jerry. „Gott! Fühle<br />

ich mich aber hilflos."<br />

„Irgendwas Faules wur<strong>de</strong> da gedreht", sagte Rosetti.<br />

„Ich glaub',<br />

wir sollten lieber zurückgehen <strong>und</strong> das ganze Dorf im<br />

dritten Grad verhören."<br />

„Du hast Recht, Shrimp", sagte Jerry. „Kehren wir um."<br />

Sie jagten <strong>die</strong> Eingeborenen auf <strong>und</strong> trieben sie in <strong>de</strong>r<br />

Mitte <strong>de</strong>s Dorfes zusammen. Dann befragte van <strong>de</strong>r Bos<br />

sie. Die ersten Verhörten leugneten sogar jegliche<br />

K e n n t n i s v o n C o r r i e s We g g e h e n . S i e b e s t r i t t e n ,<br />

irgen<strong>de</strong>ine I<strong>de</strong>e davon zu haben, wo sie sein könnte. Als<br />

Lara an <strong>die</strong> Reihe kam, wollte Amat davonschleichen.<br />

Shrimp sah ihn, weil er ihn im Auge behalten hatte,<br />

packte ihn im Genick <strong>und</strong> stieß ihn in <strong>die</strong> Mitte <strong>de</strong>r Szene,<br />

wobei er ihm gleich auch schnell einen Tritt in <strong>de</strong>n<br />

Hintern gab. „Diese Laus hat versucht abzuhauen",<br />

verkün<strong>de</strong>te er. „Ich hab's euch gesagt, daß er ein falscher<br />

Kerl ist." Er hielt <strong>die</strong> Spitze seines Bajonetts ans untere<br />

En<strong>de</strong> von Amats Rücken.<br />

Van <strong>de</strong>r Bos verhörte Lara gründlich, <strong>und</strong> dann<br />

übersetzte er <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren ihre Antworten. „Dieses<br />

Mädchen sagt, daß Amat gekommen ist <strong>und</strong> Corrie<br />

erzählte, ein Fre<strong>und</strong> ihres Vaters warte am Waldrand <strong>und</strong><br />

wolle sie sehen, aber sie sollte allein kommen, weil er<br />

nicht wüßte, ob wir übrigen <strong>de</strong>n Hollän<strong>de</strong>rn fre<strong>und</strong>lich<br />

gesinnt wären o<strong>de</strong>r nicht. Sie ist auf <strong>de</strong>m Pfad dort in <strong>de</strong>n<br />

Wald gegangen." Er zeigte hin. Es war nicht <strong>de</strong>r Pfad, von<br />

<strong>de</strong>m Amat gesagt hatte, sie hätte ihn genommen.<br />

„Ich hab's euch gesagt!", rief Rosetti. „Sagt <strong>die</strong>sem<br />

Stinktier, er soll seine letzten Gebete sprechen, <strong>de</strong>nn ich<br />

wer<strong>de</strong> ihn umbringen."<br />

„Nein, Rosetti", sagte Jerry. „Er ist <strong>de</strong>r Einzige, <strong>de</strong>r <strong>die</strong><br />

Wa h r h e i t k e n n t . W i r k ö n n e n s i e a u s i h m n i c h t<br />

herauskriegen, wenn er tot ist."<br />

„Ich kann warten", sagte Rosetti.<br />

Tak van <strong>de</strong>r Bos verhörte Amat gründlich, während<br />

Rosetti <strong>die</strong> Bajonettspitze gegen <strong>die</strong> linke Niere <strong>de</strong>s<br />

eingeschüchterten Eingeborenen gedrückt hielt.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

„Nach <strong>de</strong>m, was <strong>die</strong>ser Mann erzählt", sagte Tak, „ging<br />

er in <strong>de</strong>n Wald, um Durians zu pflücken. Da wur<strong>de</strong> er<br />

gleich von einer Ban<strong>de</strong> Weißer gefangen genommen. Er<br />

sagt, es wären etwa zwanzig gewesen. Einer von <strong>de</strong>nen<br />

Page 102 von 197


zwang ihn, Corrie <strong>die</strong>se Botschaft zu überbringen, <strong>und</strong><br />

drohte ihm, zurückzukommen <strong>und</strong> ihn umzubringen, wenn<br />

Corrie nicht allein hinauskäme. Er sagt, er habe sich<br />

schrecklich gefürchtet. Er glaubte auch, <strong>de</strong>r Mann wolle<br />

nur mit Corrie re<strong>de</strong>n. Sagt, er wüßte nicht, daß sie sie<br />

mitnehmen wür<strong>de</strong>n."<br />

„Darf ich ihn jetzt umbringen, Captain?", fragte<br />

Shrimp.<br />

„Nein", sagte Jerry.<br />

„Och, zur Hölle! Warum nicht? Du weißt, <strong>de</strong>r Mistkerl<br />

lügt."<br />

„Wir sind keine Japaner, Rosetti. Und wir haben grad<br />

jetzt an<strong>de</strong>res zu tun." Er wandte sich an van <strong>de</strong>r Bos. „Ist<br />

es nicht wahrscheinlich, daß <strong>die</strong>se Burschen <strong>die</strong>selben<br />

waren, <strong>de</strong>nen Sie <strong>und</strong> <strong>Tarzan</strong> entkommen sind?"<br />

„Ich glaube, da gibt's keinen Zweifel."<br />

„Dann können Sie uns zu ihrem Lager führen?"<br />

„Ja."<br />

„Bei Nacht?"<br />

„Wir können sofort losziehen", sagte van <strong>de</strong>r Bos.<br />

„Gut!", rief Jerry. „Gehen wir!"<br />

Rosetti versetzte Amat schnell einen Stoß mit seinem<br />

Bajonett, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Eingeborenen ängstlich aufschreien<br />

ließ. Jerry fuhr zu <strong>de</strong>m Sergeanten herum.<br />

„Ich hab' ihn nicht umgebracht, Captain. Du hast mir<br />

aber nicht gesagt, daß ich ihm nicht einen glücklichen<br />

Piekser verpassen darf."<br />

„Ich hätte ihn selbst gern umgebracht, Shrimp", sagte<br />

Jerry. „Aber wir können <strong>die</strong> Dinge nicht auf <strong>die</strong>se Weise<br />

erledigen."<br />

Jerry zog los zum Anfang <strong>de</strong>s Pfa<strong>de</strong>s. Die an<strong>de</strong>ren<br />

folgten ihm. Shrimp schüttelte <strong>de</strong>n Kopf <strong>und</strong> murrte.<br />

B u b o n o v i t c h v e r z i c h t e t e a u f S t i c h e l e i e n ü b e r<br />

Frauenfein<strong>de</strong>. Er<br />

war nicht in <strong>de</strong>r Laune für Sticheleien, aber er<br />

konnte nicht<br />

vergessen, wie heftig sich Shrimp geärgert hatte,<br />

daß sie ein<br />

„Weibsbild" in ihre Gruppe aufnahmen.<br />

*<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Corrie sah ein, daß ihre Verzögerungstaktik ihr nichts<br />

einbrachte als Beschimpfungen, <strong>und</strong> paßte sich <strong>de</strong>m<br />

mäßigen Schritt ihrer Fänger an. Bald vernahm sie drei<br />

harte Schläge von vorn, als hätte jemand mit einem<br />

Page 103 von 197


schweren Werkzeug drei Mal gegen einen Baumstamm<br />

geschlagen. Die Männer hielten an, <strong>und</strong> Ffooft schlug mit<br />

<strong>de</strong>m Kolben seines Gewehres drei Mal gegen einen<br />

Baumstamm - zwei Schläge knapp hintereinan<strong>de</strong>r, <strong>und</strong><br />

dann einen dritten in etwas längerem Abstand.<br />

Eine Frauenstimme fragte: „Wer ist es?", <strong>und</strong> <strong>de</strong>r<br />

Ban<strong>de</strong>nchef antwortete: „Ffooft."<br />

„Kommt rein", sagte <strong>die</strong> Frau. „Diese Schnapsstimme<br />

wür<strong>de</strong> ich noch erkennen, wenn ich sie in <strong>de</strong>r Hölle<br />

hörte."<br />

Die Gruppe ging weiter, <strong>und</strong> bald mel<strong>de</strong>te sich <strong>die</strong> Frau<br />

wie<strong>de</strong>r, von direkt über ihnen. „Ich komme hinunter",<br />

sagte sie. „Postiere einen <strong>de</strong>iner Männer hier oben,<br />

Hooft. Das ist kein Job für eine<br />

Lady."<br />

„Wer hat dich auf <strong>die</strong> I<strong>de</strong>e gebracht, du wärst eine<br />

Lady?", fragte Hooft, während <strong>die</strong> Frau von <strong>de</strong>r Plattform<br />

herabstieg, von <strong>de</strong>r aus sie <strong>de</strong>n Pfad zum Lager bewacht<br />

hatte. Sie war Hoofts Weib, Sarina.<br />

„Du nicht, Herzchen", sagte <strong>die</strong> Frau.<br />

„Wir wer<strong>de</strong>n hier keine Wache mehr brauchen", sagte<br />

Hooft „wir hauen schnell ab von hier."<br />

„Warum? Jagt dich irgend so ein Lahmer mit einer<br />

Steinschleu<strong>de</strong>r?"<br />

„Maul halten!", schnappte Hooft. „Eines Tages wirst du<br />

<strong>de</strong>in M<strong>und</strong>werk einmal zu weit aufreißen."<br />

„Daß ich nicht lache", sagte Sarina.<br />

„Ich hab' verdammt <strong>die</strong> Nase voll von dir", sagte<br />

Hooft.<br />

„Ich hab' <strong>die</strong> Nase schon lang voll von dir, Herzchen.<br />

Eines Tages tausche ich dich gegen einen Orang-Utan<br />

ein."<br />

Bald betraten sie das Lager <strong>und</strong> scheuchten <strong>die</strong> Frauen<br />

auf, worauf beträchtliches Gezeter entstand, als <strong>die</strong><br />

Frauen erfuhren, daß sie so spätnachts das Lager<br />

abbrechen sollten um weiterzuziehen.<br />

Einige Fackeln wur<strong>de</strong>n entzün<strong>de</strong>t, <strong>und</strong> in ihrem trüben,<br />

flackern<strong>de</strong>n Licht las <strong>die</strong> Ban<strong>de</strong> ihre beschei<strong>de</strong>ne Habe<br />

auf. Das Licht ließ <strong>die</strong> Frauen auch Corrie ent<strong>de</strong>cken.<br />

„Wer ist das Kind?", fragte eine von ihnen. „Das ist<br />

kein Ort für einen netten Jungen."<br />

„Das ist kein Junge", sagte ein Mann. „Das ist ein<br />

Mädchen."<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

„Was wollt ihr mit ihr?", fragte eine Frau mißtrauisch.<br />

Page 104 von 197


„Die Japaner wollen sie", erklärte Gropius, <strong>de</strong>r<br />

Unteranführer.<br />

„Vielleicht wer<strong>de</strong>n sie sie nicht kriegen?", sagte Hooft.<br />

„Warum nicht?", fragte Gropius.<br />

„Weil ich vielleicht selbst an ihr Gefallen fin<strong>de</strong>. Ich<br />

wer<strong>de</strong> Sarina einem Affen überlassen." Alle lachten,<br />

Sarina lauter als <strong>die</strong> an<strong>de</strong>ren.<br />

„Du schaust nicht viel gleich, du hörst dich nicht<br />

beson<strong>de</strong>rs an, <strong>und</strong> es lebt sich mit dir auch nicht toll",<br />

verkün<strong>de</strong>te sie; „aber bis ich mir einen an<strong>de</strong>ren Mann<br />

fin<strong>de</strong>, theaterst du nicht mit irgend einer an<strong>de</strong>ren Frau<br />

herum. Und schau, daß du das nicht vergißt", fügte sie<br />

hinzu.<br />

Sarina war eine gut gebaute Frau von fünf<strong>und</strong>dreißig<br />

Jahren, schlank <strong>und</strong> muskulös. Eine automatische Pistole<br />

hing an ihrer Hüfte, <strong>und</strong> ihr Karabiner war immer in ihrer<br />

Reichweite. Sie betrachtete sich auch nicht als komplett<br />

ausgestattet, wenn nicht ihr Parang in seiner Schei<strong>de</strong> vom<br />

Gürtel baumelte. Aber das waren nur<br />

äußerliche Respekt einflößen<strong>de</strong> Merkmale Sarinas. Es war<br />

ihre angeborene Grausamkeit, <strong>die</strong>, einmal erweckt, sie bei<br />

<strong>de</strong>n Halsabschnei<strong>de</strong>rn <strong>und</strong> Heruntergekommenen von<br />

Hoofts prächtiger Ban<strong>de</strong> gefürchtet machte. Und <strong>die</strong>se<br />

Grausamkeit hatte sie sich ganz selbstverständlich<br />

erworben. Ihr mütterlicher Großvater war ein Kopfjäger<br />

aus Borneo gewesen, <strong>und</strong> ihre mütterliche Großmutter<br />

eine Batak-Kannibalin. Ihr Vater war ein Hollän<strong>de</strong>r, <strong>de</strong>r in<br />

<strong>und</strong> um <strong>die</strong> Südsee als Abenteurer gelebt <strong>und</strong> <strong>de</strong>m<br />

Betrug <strong>und</strong> <strong>de</strong>r Piraterie gefrönt hatte; schließlich war er<br />

wegen Mor<strong>de</strong>s am Galgen gestorben. Sarina selbst, <strong>die</strong><br />

<strong>die</strong> Traditionen ihrer Familie weiterführte, war wegen<br />

Mor<strong>de</strong>s lebenslänglich verurteilt - <strong>und</strong> aus <strong>de</strong>m Gefängnis<br />

zur Zeit <strong>de</strong>r japanischen Invasion freigelassen wor<strong>de</strong>n.<br />

Es stimmt, daß <strong>de</strong>r Mann, <strong>de</strong>n sie ermor<strong>de</strong>t hatte,<br />

schon lange vorher hätte ermor<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n sollen; daher<br />

sollte man Sarina nicht allzu streng beurteilen. Es stimmt<br />

auch, wie es bei Charakteren wie Sarina oft <strong>de</strong>r Fall ist,<br />

daß sie viele löbliche Eigenschaften besaß. Sie war<br />

großzügig, treu <strong>und</strong> aufrichtig. Auf <strong>de</strong>n geringsten Anlaß<br />

wür<strong>de</strong> sie dafür kämpfen, wovon sie glaubte, daß es<br />

richtig sei. Tatsächlich bedurfte es nicht <strong>de</strong>s geringsten<br />

Anlasses. Hooft fürchtete sie.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Corrie hatte mit wachsen<strong>de</strong>r Bestürzung <strong>de</strong>m Austausch<br />

<strong>de</strong>r Fre<strong>und</strong>lichkeiten zwischen Hooft <strong>und</strong> Sarina zugehört.<br />

Sie wußte nicht, wen sie mehr zu fürchten hatte. Sie<br />

konnte <strong>de</strong>n Japanern übergeben, von Hooft genommen<br />

Page 105 von 197


o<strong>de</strong>r von Sarina umgebracht wer<strong>de</strong>n. Die Gesetzlosen<br />

hatten das Lager auf einem an<strong>de</strong>ren Pfad verlassen als<br />

<strong>de</strong>m, worauf Corrie hergebracht wor<strong>de</strong>n war. Hooft hatte<br />

für <strong>de</strong>n Marsch Befehle erteilt, <strong>die</strong> dafür sorgen sollten,<br />

daß ihre Fährte je<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r ihr zu folgen versuchte,<br />

vollkommen irreleiten sollte. Als Corrie das hörte, schien<br />

ihr letzter Hoffnungsstrahl zu erlöschen.<br />

Auf <strong>de</strong>m Marsch ging Sarina immer in ihrer Nähe.<br />

Corrie hoffte, daß <strong>die</strong>s Hooft fernhalten wür<strong>de</strong>. Von <strong>de</strong>n<br />

Bei<strong>de</strong>n fürchtete sie ihn mehr als <strong>die</strong> Frau.<br />

Kapitel 17<br />

Tak van <strong>de</strong>r Bos führte Jerry, Bubonovitch <strong>und</strong> Rosetti<br />

durch <strong>die</strong> <strong>und</strong>urchdringlche Finsternis <strong>de</strong>s tropischen<br />

Wal<strong>de</strong>s zum Lager <strong>de</strong>r Gesetzlosen. R<strong>und</strong> um sie war <strong>de</strong>r<br />

nächtliche Lärm <strong>de</strong>s Dschungels; aber sie sahen nichts,<br />

nicht einmal einan<strong>de</strong>r. Sie wur<strong>de</strong>n allein von <strong>de</strong>n leisen<br />

Geräuschen <strong>de</strong>r Ausrüstung <strong>de</strong>s Mannes unmittelbar vor<br />

ihnen geleitet. Wenn van <strong>de</strong>r Bos langsamer wur<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r<br />

anhielt, weil er nach <strong>de</strong>m Pfad tastete, stießen sie<br />

gegeneinan<strong>de</strong>r. Häufig rannten sie gegen Bäume o<strong>de</strong>r<br />

stolperten leise fluchend über Hin<strong>de</strong>rnisse.<br />

Fremdartige Geräusche kamen aus <strong>de</strong>m Dschungel -<br />

unerklärliches Krachen, gelegentlich ein Angst- o<strong>de</strong>r<br />

To<strong>de</strong>sschrei. Leben <strong>und</strong> Tod waren rings um sie. Und<br />

manchmal gab es eine seltsame Stille, bedrohlicher als<br />

<strong>de</strong>r Lärm. Dann dachte Bubonovitch: Der Tod ist auf <strong>de</strong>m<br />

Weg. Der Dschungel wartet herauszufin<strong>de</strong>n, wo er<br />

zuschlagen wird, je<strong>de</strong>s Geschöpf fürchtet, selbst seine<br />

Aufmerksamkeit zu erregen.<br />

Rosetti fühlte sich wie ein Traumwandler. Er ging <strong>und</strong><br />

ging <strong>und</strong> ging <strong>und</strong> kam nie irgendwo an. Es war, als wäre<br />

er ewig gegangen <strong>und</strong> wür<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r Finsternis weiter<br />

durch <strong>die</strong> Ewigkeit gehen.<br />

Jerry dachte nur daran, was Corrie passieren mochte,<br />

<strong>und</strong> ha<strong>de</strong>rte mit ihrem langsamen Vorankommen. Zum<br />

tausendsten Mal fragte er sich, wie lange es noch dauern<br />

mochte, bis sie das Lager erreichen wür<strong>de</strong>n, als er gegen<br />

van <strong>de</strong>r Bos prallte. Dann liefen Rosetti <strong>und</strong> Bubonovitch<br />

gegen ihn.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Van <strong>de</strong>r Bos hielt sie in einem Haufen zusammen <strong>und</strong><br />

flüsterte: „Haltet <strong>die</strong> Waffen bereit. Wir nähern uns ihrem<br />

Wachtposten. Im Finstern könnten wir ihn beschleichen.<br />

Sollte er angreifen, wer<strong>de</strong>n Jerry <strong>und</strong> ich es ihm geben;<br />

dann wer<strong>de</strong>n wir das Lager stürmen <strong>und</strong> dabei höllisch<br />

Page 106 von 197


üllen. Aber wir können dort nicht schießen, bevor wir<br />

Corrie aufgespürt haben. Sobald wir sie haben, können<br />

wir zu schießen beginnen; dann haltet grad durch das<br />

Lager weiter."<br />

„Ich glaube, wir sollten schießend eindringen, aber in<br />

<strong>die</strong> Luft zielen", schlug Jerry vor.<br />

„Das ist besser", stimmte van <strong>de</strong>r Bos zu. „Kommt,<br />

weiter!"<br />

Da war keine Wache aufgestellt, daher krochen sie leise<br />

ins verlassene Lager, um zu erk<strong>und</strong>en. Hier im Offenen<br />

war es nicht so dunkel, <strong>und</strong> sie ent<strong>de</strong>ckten bald, daß ihre<br />

B e u t e e n t f l o h e n w a r. I h re R e a k t i o n e n a u f d i e s e<br />

Enttäuschung äußerten sie auf verschie<strong>de</strong>ne Weise, <strong>und</strong><br />

fluchend.<br />

„Wohin gehen wir von hier?", fragte Rosetti.<br />

„Wir wer<strong>de</strong>n das Tageslicht abwarten müssen, bevor wir<br />

ihre Spur aufnehmen", sagte Jerry. „Der Rest von euch<br />

holt sich etwas Schlaf. Ich wer<strong>de</strong> eine St<strong>und</strong>e lang Wache<br />

halten. Dann kann mich einer von euch eine St<strong>und</strong>e lang<br />

ablösen. Bis dahin sollte es hell sein."<br />

„Laß mich Wache steh'n, Captain", sagte Rosetti. „Ich<br />

pack' das besser als du."<br />

„Was bringt dich zu <strong>de</strong>r Annahme?", fragte Jerry.<br />

„Nun - na, schau, du bist ganz schön alt. Du solltest zu<br />

<strong>de</strong>iner Ruh' kommen."<br />

Jerry grinste. „Danke trotz<strong>de</strong>m, Shrimp; aber ich<br />

übernehme <strong>die</strong> erste Wache."<br />

Sobald es hell war, suchten sie nach <strong>de</strong>n Spuren <strong>de</strong>r<br />

Gesetzlosen; aber sie fan<strong>de</strong>n keine, <strong>die</strong> aus <strong>de</strong>m Lager<br />

hinaus führte. Das verwirrte sie, bis Bubonovitch meinte,<br />

daß sie auf <strong>de</strong>mselben Weg weggezogen sein könnten,<br />

auf <strong>de</strong>m sie selbst herbeigekommen waren, <strong>und</strong> daß <strong>die</strong><br />

Fährte <strong>de</strong>r Verbrecher von ihrer eigenen verwischt wor<strong>de</strong>n<br />

war.<br />

„Sie müssen sich bei <strong>de</strong>r Gabelung nach rechts<br />

gehalten haben", sagte van <strong>de</strong>r Bos. „Ich schätze, wir<br />

müssen dorthin zurückgehen <strong>und</strong> ganz neu beginnen."<br />

Aber als sie <strong>die</strong> Gabelung erreichten, gab es kein<br />

Anzeichen von einer neuen Spur, <strong>die</strong> auf <strong>de</strong>m Hauptpfad<br />

weitergelaufen wäre.<br />

„Was zur Hölle ist aus <strong>de</strong>nen gewor<strong>de</strong>n?", fragte<br />

Rosetti. „Da ist irgendwas faul dran - daß Leute einfach<br />

so verschwin<strong>de</strong>n."<br />

„<strong>Tarzan</strong> hatte Recht. Die Zivilisation hat uns <strong>de</strong>r<br />

meisten unserer körperlichen Fähigkeiten beraubt", sagte<br />

Bubonovitch.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Page 107 von 197


„Alles, was wir weiter tun können", sagte Jerry, „ist ins<br />

Dorf zurückgehen <strong>und</strong> auf ihn warten. Ein Haufen<br />

Blindgänger wie wir könnte sie nie fin<strong>de</strong>n, <strong>und</strong> wenn wir's<br />

v e r s u c h e n , v e r p a s s e n w i r Ta r z a n g a n z , w e n n e r<br />

zurückkehrt."<br />

Sie waren eine entmutigte Gruppe, als sie<br />

ins Dorf<br />

zurückkehrten. Als Amat Rosetti das Dorf betreten sah,<br />

verschwand<br />

er in <strong>de</strong>n Wald <strong>und</strong> kletterte auf einen Baum. Dort blieb<br />

er bis in <strong>die</strong><br />

Nacht, ein verängstigter, unglücklicher Kollaborateur.<br />

*<br />

<strong>Tarzan</strong> wartete im Guerilla-Camp, bis Captain Kervyn<br />

van Prins zurückkam. Van Prins, <strong>de</strong> Lettenhove <strong>und</strong> <strong>Tarzan</strong><br />

besprachen sich ausführlich. <strong>Tarzan</strong> erzählte ihnen<br />

von <strong>de</strong>r Vernichtung <strong>de</strong>r<br />

japanischen Abteilung im Dorf <strong>und</strong> von <strong>de</strong>n zusätzlichen<br />

Gewehren <strong>und</strong> <strong>de</strong>r Munition, wovon er annahm, <strong>die</strong><br />

Guerillas könnten sie brauchen.<br />

„Als ich gestern wegging", sagte er, „machten sich<br />

m e i n e F r e u n d e a u f , d e r j a p a n i s c h e n A b l ö s u n g<br />

aufzulauern, <strong>die</strong> je<strong>de</strong>rzeit zu erwarten war. Falls sie<br />

angekommen ist, habe ich wenig Zweifel am Ausgang<br />

<strong>die</strong>ses Treffens; also sollte ganz schön zusätzliche<br />

Ausrüstung für euch da sein, wenn ihr euch <strong>die</strong> Mühe<br />

macht <strong>und</strong> sie euch abholt. Ich glaube, auch das Dorf<br />

braucht eine Lektion. Zweifellos arbeiten <strong>die</strong>se Leute mit<br />

<strong>de</strong>n Japanern zusammen."<br />

„Sie sagen, Sie glauben, <strong>die</strong> japanische Ablösung<br />

wür<strong>de</strong> aus etwa zwanzig Mann bestehen", sagte van Prins,<br />

„<strong>und</strong> Ihre Gruppe hatte nur fünf Leute, darunter ein<br />

Mädchen. Sind Sie nicht gar zu zuversichtlich, wenn Sie<br />

glauben, ein Kampf wür<strong>de</strong> für ihre Leute siegreich<br />

ausgehen?"<br />

<strong>Tarzan</strong> lächelte. „Sie kennen meine Leute nicht", sagte<br />

er. „Sie besaßen fürwahr einen beträchtlichen Vorteil <strong>de</strong>n<br />

Japanern gegenüber. Sie wußten, daß <strong>die</strong> Japaner<br />

kamen; aber <strong>die</strong> Japaner wußten nicht, daß wir dort<br />

waren <strong>und</strong> sie auf Bäumen bei<strong>de</strong>rseits <strong>de</strong>s Pfa<strong>de</strong>s<br />

erwarteten, bewaffnet mit Gewehren <strong>und</strong> Handgranaten.<br />

Unterschätzen Sie nicht <strong>die</strong> Kampfkraft <strong>de</strong>s Mädchens. Sie<br />

ist eine Scharfschützin <strong>und</strong> hat bereits mehrere Japaner<br />

auf ihrem Konto. Sie ist von einem Haß auf <strong>die</strong> Japaner<br />

besessen, <strong>de</strong>r sich fast zu religiöser Begeisterung<br />

steigert."<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Page 108 von 197


„Die kleine Corrie van <strong>de</strong>r Meer!", rief van Prins. „Es ist<br />

fast unglaublich."<br />

„Und zwei von unseren Amerikanern", fuhr <strong>Tarzan</strong> fort,<br />

„wur<strong>de</strong>n von <strong>de</strong>n Japanern gefangen <strong>und</strong> mißhan<strong>de</strong>lt,<br />

w a re n k n a p p d a v o r g e k ö p f t z u w e rd e n , a l s d e r<br />

amerikanische Captain <strong>und</strong> Corrie rechtzeitig zu ihrer<br />

Rettung kamen. Ich glaube, sie sind für wenigstens fünf<br />

Japaner auf einmal gut, wenn nicht mehr. Sie sind zu<br />

unerbittlichen Fein<strong>de</strong>n gewor<strong>de</strong>n. Nein, ich glaube nicht,<br />

daß wir uns um <strong>de</strong>n Ausgang <strong>die</strong>ses Kampfes sorgen<br />

müssen, falls es einen gab."<br />

„Sehr schön, wir wer<strong>de</strong>n mit Ihnen gehen. Bestimmt<br />

können wir mehr Gewehre <strong>und</strong> Munition brauchen.<br />

Vielleicht sollten wir uns zusammentun. Das können wir<br />

später besprechen, wenn wir alle beisammen sind. Wann<br />

wollen Sie, daß wir gehen?"<br />

„Ich gehe jetzt", erwi<strong>de</strong>rte <strong>Tarzan</strong>. „Wir wer<strong>de</strong>n euch<br />

im Dorf erwarten."<br />

„Wir können zusammen mit Ihnen gehen", sagte van<br />

Prins.<br />

<strong>Tarzan</strong> schüttelte <strong>de</strong>n Kopf. „Nicht in <strong>de</strong>r Art, wie ich<br />

reise, fürchte ich. Im Eilmarsch können Sie es bis<br />

irgendwann morgen schaffen. Ich wer<strong>de</strong> dort heut Nacht<br />

zurück sein."<br />

Der Hollän<strong>de</strong>r zuckte skeptisch <strong>die</strong> Schultern; aber er<br />

lächelte<br />

<strong>und</strong> sagte: „Sehr schön. Wir wer<strong>de</strong>n Sie morgen<br />

irgendwann sehen."<br />

*<br />

Der Tag begann, als <strong>die</strong> Gesetzlosen aus <strong>de</strong>m Wald in<br />

ein enges Tal gelangten. Sie hatten ihren Schnaps-Vorrat<br />

mitgebracht, <strong>und</strong> <strong>die</strong> meisten von ihnen waren betrunken.<br />

Mehr als alles an<strong>de</strong>re verlangte es sie nach Hinlegen <strong>und</strong><br />

Schlafen. Sie lagerten unter einigen Bäumen neben <strong>de</strong>m<br />

kleinen Fluß, <strong>de</strong>r sich durch das Tal zum Meer hinunter<br />

wand.<br />

Hooft sagte, daß <strong>die</strong> Frauen Wache stehen könnten, da<br />

sie davor in <strong>de</strong>r Nacht etwas geschlafen hatten. Weil<br />

Sarina <strong>die</strong> einzige Frau war, <strong>die</strong> nicht während <strong>de</strong>r Nacht<br />

getrunken hatte, bot sie sich freiwillig für <strong>die</strong> erste<br />

Schicht an. Bald hatten sich <strong>die</strong> an<strong>de</strong>ren ausgestreckt <strong>und</strong><br />

schnarchten. Corrie aber schlief nicht.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Fluchtpläne schössen ihr durch <strong>de</strong>n Kopf <strong>und</strong> vertrieben<br />

ihr <strong>die</strong> Gedanken an Schlaf. Sie sah, daß für alle außer<br />

Sarina <strong>die</strong> Welt gestorben war. Vielleicht wür<strong>de</strong> auch<br />

Page 109 von 197


Sarina ihrer Müdigkeit nachgeben. Dann konnte sie<br />

wegkommen. Sie wußte genau, wo sie war <strong>und</strong> wo <strong>de</strong>r<br />

Pfad zu fin<strong>de</strong>n war, <strong>de</strong>r in das Dorf zurückführte.<br />

Sie beäugte <strong>die</strong> Waffen <strong>de</strong>r schlafen<strong>de</strong>n Männer <strong>und</strong><br />

Frauen. Könnte sie doch nur einen Parang stehlen, ohne<br />

daß es Sarina auffiel. Sie wür<strong>de</strong> dann nur nah genug an<br />

<strong>die</strong> Frau heranzukommen brauchen. Irgendwann wür<strong>de</strong><br />

ihre Aufmerksamkeit abgelenkt wer<strong>de</strong>n. Sie wür<strong>de</strong> ihren<br />

Kopf wegdrehen. Dann ein gewaltiger Hieb mit <strong>de</strong>m<br />

schweren Messer, <strong>und</strong> Corrie wür<strong>de</strong>, bewaffnet mit<br />

Gewehr, Pistole <strong>und</strong> Parang, längst auf <strong>de</strong>m Weg zum<br />

Dorf sein, ehe <strong>die</strong>se Trunkenbol<strong>de</strong> erwachten.<br />

Corrie w<strong>und</strong>erte sich nicht, daß sie solche Gedanken<br />

beschäftigten. Ihr einst behütetes Leben war zum nackten<br />

Kampf ums Dasein gewor<strong>de</strong>n. Entkam man <strong>de</strong>n Fein<strong>de</strong>n<br />

nicht, mußten sie vernichtet wer<strong>de</strong>n. Und <strong>die</strong>se Frau war<br />

ein Feind. Corrie fürchtete sie ebenso sehr, wie sie <strong>die</strong><br />

Männer fürchtete. Sie hielt sie für ein schreckliches<br />

Geschöpf, im Laster abgebrüht.<br />

Sarina war eine noch vergleichsweise junge Frau. Sie<br />

hatte <strong>die</strong> heißblütige Schönheit, <strong>die</strong> so viele eurasische<br />

Frauen besitzen, <strong>und</strong> <strong>die</strong> aufrechte, graziöse Haltung,<br />

<strong>die</strong> <strong>die</strong> Frauen von Java <strong>und</strong><br />

Sumatra kennzeichnet, sowie <strong>de</strong>ren Schlankheit <strong>und</strong><br />

körperliche Vollkommenheit. Aber Corrie betrachtete sie<br />

aus Augen voller Haß <strong>und</strong> Verachtung. Sarina starrte auf<br />

C o r r i e h i n , m i t k o n z e n t r i e r t z u s a m m e n g e z o g e n e n<br />

Augenbrauen. Wür<strong>de</strong> <strong>die</strong> Frau nie wegschauen? „Wie<br />

heißt du?", fragte Sarina.<br />

„Van <strong>de</strong>r Meer", antwortete das Mädchen.<br />

„Corrie van <strong>de</strong>r Meer?" Sarina lächelte. „Dachte ich<br />

mir. Du siehst <strong>de</strong>iner Mutter ähnlich."<br />

„Sie haben meine Mutter gekannt?", fragte Corrie.<br />

„Konnten Sie nicht." Ihr Ton ließ erkennen, daß <strong>die</strong> Frau<br />

das An<strong>de</strong>nken ihrer Mutter allein dadurch beleidigt hatte,<br />

daß sie behauptete, sie gekannt zu haben.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

„Hab ich aber", sagte Sarina. „Ich hab' auch <strong>de</strong>inen<br />

Vater gekannt. Ich hab' für sie gearbeitet, während du in<br />

Holland in <strong>de</strong>r Schule warst. Sie waren sehr gut zu mir. Ich<br />

hab' sie bei<strong>de</strong> gern gehabt. Als ich Probleme kriegte, hat<br />

<strong>de</strong>in Vater einen guten Anwalt für meine Verteidigung<br />

bezahlt. Hat aber nichts genützt. Justiz ist nichts für<br />

Eurasier, o<strong>de</strong>r vielleicht sollte ich sagen, Gna<strong>de</strong> ist für<br />

Eurasier nicht vorgesehen. Ich war schuldig, aber es gab<br />

Umstän<strong>de</strong>, <strong>die</strong> zu meinen Gunsten gezählt hätten, wäre<br />

ich eine Weiße. Das alles ist vorbei. Weil <strong>de</strong>in Vater <strong>und</strong><br />

Page 110 von 197


<strong>de</strong>ine Mutter fre<strong>und</strong>lich zu mir waren <strong>und</strong> mir geholfen<br />

haben, wer<strong>de</strong> ich dir helfen."<br />

„Wie heißen Sie?", fragte Corrie.<br />

„Sarina."<br />

„Ich habe sowohl Vater wie auch Mutter von Ihnen<br />

sprechen gehört. Sie haben Sie sehr gemocht. Aber wie<br />

können Sie mir helfen?"<br />

Sarina ging hinüber zu einem <strong>de</strong>r schlafen<strong>de</strong>n Männer<br />

<strong>und</strong> nahm ihm sein Gewehr <strong>und</strong> etwas Munition ab. Das<br />

brachte sie Corrie herüber. „Weißt du, wie du zum Dorf<br />

zurückkommst, wo sie dich gef<strong>und</strong>en haben?"<br />

„Ja."<br />

„Dann zieh los. Diese betrunkenen Biester wer<strong>de</strong>n<br />

lange schlafen."<br />

„Wie kann ich Ihnen danken, Sarina?", sagte sie. Sie<br />

dachte: „Und ich wollte sie umbringen!"<br />

„Dank nicht mir. Dank <strong>de</strong>inem Vater <strong>und</strong> <strong>de</strong>iner Mutter,<br />

daß sie gut zu einer Eurasierin waren. Leb wohl <strong>und</strong> viel<br />

Glück!"<br />

Impulsiv umarmte Corrie <strong>die</strong> Frau, <strong>die</strong> sie hatte töten<br />

wollen, <strong>und</strong> küßte sie. „Gott segne Sie, Sarina", sagte sie.<br />

Dann wandte sie sich<br />

das Tal hinab. Sarina sah ihr nach, <strong>und</strong> Tränen waren in<br />

ihren Augen.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Corrie nützte <strong>die</strong> Deckung <strong>de</strong>r Bäume, <strong>die</strong> am linken<br />

Flußufer entlang wuchsen. Es war viel weiter zum Pfad,<br />

<strong>de</strong>r aus <strong>de</strong>m Tal herausführte, als sie sich vorgestellt<br />

hatte, <strong>und</strong> es war später Nachmittag, ehe sie ihn von <strong>de</strong>r<br />

an<strong>de</strong>ren Seite durchs Tal schlängeln sah. Sie sah noch<br />

etwas an<strong>de</strong>res. Etwas, das ihr das Herz sinken ließ. Einige<br />

Eingeborene schlugen genau auf ihrem Pfad ein Lager für<br />

<strong>die</strong> Nacht auf, <strong>und</strong> zwei japanische Soldaten waren bei<br />

ihnen. Nun wür<strong>de</strong> sie auf <strong>die</strong> Dunkelheit warten müssen<br />

<strong>und</strong> dann versuchen, an ihnen vorbei zu schleichen.<br />

Sie kletterte auf einen Baum <strong>und</strong> versuchte es sich<br />

bequem zu machen. Sie war sehr mü<strong>de</strong> <strong>und</strong> sehr schläfrig.<br />

Aber sie wagte es nicht zu schlafen, aus Angst, daß sie<br />

vom Baum fallen wür<strong>de</strong>. Schließlich fand sie passen<strong>de</strong>s<br />

Geäst, in <strong>de</strong>m sie ihren Körper festklemmen konnte <strong>und</strong><br />

von wo sie nicht hinabfallen wür<strong>de</strong>. Es war sehr<br />

unbequem für sie; <strong>de</strong>nnoch schlief sie ein, äußerst<br />

erschöpft. Als sie erwachte, wußte sie, daß sie eine<br />

Zeitlang geschlafen hatte, da <strong>de</strong>r Mond hoch am Himmel<br />

stand. Sie konnte das Feuer im Lager <strong>de</strong>r Eingeborenen<br />

brennen sehen. Jetzt konnte sie an ihnen vorbeischlüpfen<br />

Page 111 von 197


<strong>und</strong> <strong>de</strong>n Pfad zum Dorf erreichen. Sie machte sich daran,<br />

hinabzuklettern, als sie das husten<strong>de</strong> Grunzen eines<br />

Tigers vernahm. Es klang sehr nah. Aus geringer<br />

Entfernung erhob sich das Gebell <strong>und</strong> Geknurr wil<strong>de</strong>r<br />

H<strong>und</strong>e. Corrie entschloß sich zu bleiben, wo sie war.<br />

Kapitel 18<br />

Es war spät, als <strong>Tarzan</strong> das Dorf erreichte. Bubonovitch,<br />

<strong>de</strong>r Wache hielt, rief ihn an. „Gruppenkapitän Clayton",<br />

antwortete <strong>Tarzan</strong>.<br />

„Näherkommen zur Erkennung, aber ich kenne Sie<br />

sowieso. Und <strong>de</strong>m Herrn sei Dank, daß Sie zurück sind."<br />

<strong>Tarzan</strong> kam heran. „Stimmt etwas nicht, Sergeant?",<br />

fragte er.<br />

„Kann man wohl sagen, daß etwas nicht stimmt. Corrie<br />

ist entführt wor<strong>de</strong>n." Dann erzählte er <strong>Tarzan</strong>, was er über<br />

<strong>die</strong> Sache wußte.<br />

„Und ihr konntet ihre Spur nicht fin<strong>de</strong>n?"<br />

„Es gab keine."<br />

„Es muß eine da sein", sagte <strong>Tarzan</strong>.<br />

„Ich hoffe, Sie haben Recht, Sir."<br />

„Wir können bis morgen nichts tun. Wir beginnen,<br />

sobald es hell ist."<br />

J e r r y h i e l t Wa c h e , a l s Ta r z a n b e i m Ta g e s l i c h t<br />

aufwachte. Der Amerikaner, <strong>de</strong>r begierig war, <strong>die</strong> Suche<br />

zu starten, hatte schon <strong>die</strong> an<strong>de</strong>ren aufgescheucht. Sie<br />

riefen Lara aus ihrer Hütte. Sie war <strong>die</strong> einzige<br />

Eingeborene, <strong>de</strong>r sie trauen wollten. Van <strong>de</strong>r Bos sprach<br />

mit ihr. Er sagte ihr, daß ein Haufen Guerillas irgendwann<br />

an <strong>die</strong>sem Tag im Dorf auftauchen wür<strong>de</strong>, <strong>und</strong> wies sie an,<br />

ihnen zu erzählen, was geschehen war, <strong>und</strong> sie zu bitten,<br />

daß sie blieben, bis man von <strong>de</strong>r Suche zurückkehrte.<br />

*<br />

A l s C o r r i e s i c h e r a u ß e r S i c h t d e s L a g e r s d e r<br />

Gesetzlosen war, weckte Sarina <strong>die</strong> Frau, von <strong>de</strong>r sie<br />

dachte, daß sie am meisten vom Trinken benommen war,<br />

<strong>und</strong> sagte zu ihr, sie solle sie als Wache ablösen. Sie<br />

sagte nichts über <strong>die</strong> Flucht <strong>de</strong>r Gefangenen, in <strong>de</strong>r<br />

Annahme, daß <strong>de</strong>r Verstand <strong>de</strong>r Frau so benebelt war,<br />

daß sie nichts merkte. Sarina hatte Recht.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Zwei Mal wur<strong>de</strong> <strong>die</strong> Wache abgelöst, ehe Hooft<br />

erwachte. Als er ent<strong>de</strong>ckte, daß Corrie vermißt wur<strong>de</strong>,<br />

war er wütend. Er verhörte alle Frauen, <strong>die</strong> Wache<br />

gehalten hatten. Sarina beharrte darauf, daß Corrie<br />

dagewesen wäre, als sie ihren Posten einer an<strong>de</strong>ren<br />

übergeben hatte. Die an<strong>de</strong>ren blieben dabei, daß <strong>die</strong><br />

Page 112 von 197


Gefangene nicht weggelaufen sei, während sie ihren<br />

Dienst versahen. Hooft kam zu keinem Ergebnis.<br />

Er hatte <strong>de</strong>n ganzen Tag geschlafen. Nun wur<strong>de</strong> es<br />

finster <strong>und</strong> zu<br />

spät, mit einer Suche zu beginnen. Alles, was er <strong>de</strong>shalb<br />

tun konnte, war, <strong>die</strong> Frauen allgemein zu verfluchen <strong>und</strong><br />

zu versuchen, sich mit einer Schnapsflasche zu trösten.<br />

Etwa zur gleichen Zeit an <strong>de</strong>m Morgen, da <strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>die</strong> an<strong>de</strong>ren vom Dorf aus mit <strong>de</strong>r Suche nach ihr<br />

begannen, beobachtete Corrie ungeduldig das Lager <strong>de</strong>r<br />

Eingeborenen <strong>und</strong> <strong>de</strong>r zwei Japaner. Sie wagte nicht<br />

hinunterzuklettern, ehe sie weggingen. Sie sah zu, wie sie<br />

ihr Frühstück bereiteten <strong>und</strong> gemächlich aßen, <strong>und</strong><br />

glaubte, sie wür<strong>de</strong>n nie mehr damit aufhören. Aber zu<br />

guter Letzt taten sie's.<br />

Sie kamen in ihre Richtung, <strong>und</strong> Corrie verbarg sich auf<br />

<strong>de</strong>m Baum, wo das Laub am dichtesten war. Schließlich<br />

zogen sie vorbei, ganz nahe, <strong>und</strong> Corrie erkannte<br />

Iskandar wie<strong>de</strong>r, <strong>de</strong>n Anführer <strong>de</strong>r Eingeborenen, <strong>de</strong>r sie<br />

einst entführt hatte, <strong>und</strong> einige aus seiner Ban<strong>de</strong>. Als sie<br />

in sicherer Entfernung waren, stieg Corrie zum Bo<strong>de</strong>n<br />

hinab <strong>und</strong> folgte <strong>de</strong>m Pfad hinauf zum Felsen <strong>und</strong> in <strong>de</strong>n<br />

Wald. Schließlich war sie in Sicherheit, <strong>de</strong>nn alle ihr<br />

bekannten Fein<strong>de</strong> waren hinter ihr, <strong>und</strong> sie war auf einem<br />

vertrauten Pfad, <strong>de</strong>r direkt zurück zu ihren Fre<strong>und</strong>en<br />

führte.<br />

Iskandar zog mit seiner Gruppe weiter, bis sie in Sicht<br />

<strong>de</strong>r Gesetzlosen kamen; dann versteckten sich <strong>die</strong> bei<strong>de</strong>n<br />

Japaner, <strong>und</strong> <strong>die</strong> Eingeborenen näherten sich Hooft <strong>und</strong><br />

seinen Leuten. Es gab ein kurzes Palaver zwischen<br />

Iskandar <strong>und</strong> Hooft; dann schickte <strong>de</strong>r Eingeborene einen<br />

seiner Männer zurück, um <strong>de</strong>n Japanern zu sagen, daß <strong>die</strong><br />

Weißen Fre<strong>und</strong>e seien.<br />

Nach<strong>de</strong>m <strong>die</strong> bei<strong>de</strong>n Japaner zu ihnen gestoßen waren,<br />

wur<strong>de</strong>n <strong>die</strong> Schnapsflaschen herumgereicht, während <strong>die</strong><br />

Männer Pläne besprachen. Die Japaner waren rekrutierte<br />

Offiziere aus <strong>de</strong>r Abteilung von Hauptmann Tokujo<br />

Matsuo, <strong>und</strong> waren <strong>de</strong>shalb begierig, Corrie wie<strong>de</strong>r<br />

einzufangen. Das waren auch Iskandar <strong>und</strong> Hooft; je<strong>de</strong>m<br />

schwebte irgen<strong>de</strong>ine Art von Belohnung vor, falls sie <strong>de</strong>m<br />

japanischen Offizier das Mädchen wie<strong>de</strong>rbrachten.<br />

Zum Unglück für ihre Pläne tranken sie zu viel Schnaps;<br />

<strong>und</strong><br />

obwohl sie in <strong>de</strong>r richtigen Richtung loszogen, spürten sie<br />

nie mehr<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Page 113 von 197


Corries Fährte auf. Als sie <strong>de</strong>n Pfad erreichten, <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>n<br />

Wald<br />

f ü h r t e , d e n P f a d , d e n C o r r i e g e n o m m e n h a t t e ,<br />

behauptete Sarina, sie<br />

hätte <strong>die</strong> Spur ent<strong>de</strong>ckt, <strong>und</strong> schickte sie das Tal<br />

abwärts. So<br />

bewirkte abermals <strong>die</strong> Fre<strong>und</strong>lichkeit <strong>de</strong>s toten Vaters<br />

<strong>und</strong> <strong>de</strong>r<br />

Mutter <strong>die</strong> Rettung <strong>de</strong>s Mädchens.<br />

<strong>Tarzan</strong>, Jerry <strong>und</strong> <strong>die</strong> an<strong>de</strong>ren marschierten<br />

schnell zum<br />

*<br />

verlassenen Lager <strong>de</strong>r Gesetzlosen. <strong>Tarzan</strong> untersuchte<br />

<strong>die</strong> Spur, <strong>die</strong> seine Gefährten verwirrt <strong>und</strong> getäuscht<br />

hatte; dann führte er sie hinaus auf <strong>de</strong>m Pfad, <strong>de</strong>n <strong>die</strong><br />

Verbrecher genommen hatten. Die an<strong>de</strong>ren zweifelten,<br />

folgten aber nach.<br />

„Die Abdrücke <strong>de</strong>uten alle zum Lager hin", sagte<br />

Rosetti. „W ir gehen in <strong>die</strong> falsche Richtung <strong>und</strong><br />

verschwen<strong>de</strong>n nur <strong>die</strong> Zeit."<br />

„Man sagte mir, daß Sie ein großartiger Kugelturm-<br />

Schütze sind, Shrimp", sagte <strong>Tarzan</strong>, „aber Sie sind ein<br />

recht armseliger Spurenleser. Die Leute, hinter <strong>de</strong>nen wir<br />

her sind, kamen letzte Nacht <strong>die</strong>sen Pfad entlang in<br />

<strong>de</strong>rselben Richtung, in <strong>de</strong>r wir gehen."<br />

„Dann müssen sie wie<strong>de</strong>r zurückgekommen sein,<br />

C a p t a i n . A l l e d i e F u ß s p u r e n z e i g e n i n d i e<br />

Gegenrichtung."<br />

„Die meisten von ihnen gingen voraus", erklärte <strong>Tarzan</strong>.<br />

„Dann sind drei Männer <strong>und</strong> eine Frau hinter ihnen<br />

rückwärts gegangen <strong>und</strong> haben <strong>die</strong> Spuren jener vorne<br />

Gegangenen verwischt. Etwa alle h<strong>und</strong>ert Schritte lösten<br />

drei an<strong>de</strong>re Männer <strong>und</strong> eine Frau <strong>die</strong> Spurenlöscher ab;<br />

weil es ermü<strong>de</strong>nd ist, rückwärts zu gehen.<br />

„Ich verstehe nicht, wie Sie das alles herauslesen<br />

können", beharrte Rosetti.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

„Wenn man vorwärts geht, treffen <strong>die</strong> Fersen zuerst auf<br />

<strong>de</strong>m Bo<strong>de</strong>n auf; dann stoßen sich <strong>die</strong> Füße auf <strong>de</strong>n Ballen<br />

v o r w ä r t s u n d s c h i e b e n z u g l e i c h d i e E rd e i n d i e<br />

Gegenrichtung nach hinten. Wenn man rückwärts geht,<br />

treten <strong>die</strong> Ballen zuerst auf <strong>de</strong>m Bo<strong>de</strong>n auf, <strong>und</strong> man<br />

schiebt sich mit <strong>de</strong>n Fersen voran, drückt aber trotz<strong>de</strong>m<br />

<strong>die</strong> Er<strong>de</strong> entgegengesetzt zu <strong>de</strong>r Richtung, in <strong>de</strong>r man<br />

geht. Untersucht <strong>de</strong>n Bo<strong>de</strong>n sorgfältig, <strong>und</strong> ihr wer<strong>de</strong>t es<br />

selbst sehen. Wenn ihr <strong>de</strong>m Pfad weit genug folgt <strong>und</strong><br />

genau hinschaut, wer<strong>de</strong>t ihr sehen, daß etwa alle h<strong>und</strong>ert<br />

Page 114 von 197


Schritt <strong>die</strong> Größe <strong>de</strong>r Fußabdrücke wechselt. Das zeigt,<br />

daß an<strong>de</strong>re Leute <strong>die</strong> Arbeit übernommen haben."<br />

Nicht nur Rosetti, son<strong>de</strong>rn auch <strong>die</strong> an<strong>de</strong>ren widmeten<br />

sich <strong>de</strong>m Spurenlesen. „Verflixt, waren wir aber dumm",<br />

sagte Jerry.<br />

„Hätt' ich mir <strong>de</strong>nken können, daß ich besser meine<br />

blö<strong>de</strong> Klappe halte", sagte Rosetti. „Der Captain irrt sich<br />

nie."<br />

„Glaubt das nicht", sagte <strong>Tarzan</strong>. „Ich möchte für so<br />

etwas keinen Beweis antreten müssen. Und be<strong>de</strong>nkt, daß<br />

ich <strong>die</strong>ses Fährtenlesen mein ganzes Leben lang gemacht<br />

habe, seit ich ein Kind war, <strong>und</strong> daß unzählige Male mein<br />

Leben davon abhing, daß ich wußte, was ich tue. Jetzt<br />

gehe ich weiter voran. Wir wollen nicht unvorbereitet in<br />

<strong>die</strong>sen Haufen hineinlaufen."<br />

Eine St<strong>und</strong>e später stieß <strong>de</strong>r Rest <strong>de</strong>r Gruppe aus <strong>de</strong>m<br />

Wald<br />

heraus auf ein offenes Tal, wo sie <strong>Tarzan</strong> fan<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r auf<br />

sie wartete. „Eure Gesetzlosen kamen vor kurzer Zeit das<br />

Tal hinab", sagte er ihnen. „Ich habe auch Corries Spur<br />

gef<strong>und</strong>en. Sie war ihnen um St<strong>und</strong>en voraus <strong>und</strong> allein.<br />

Offenbar ist es ihr gelungen, ihnen zu entfliehen. Ich bin<br />

ziemlich sicher, daß sie ihre Spur nicht ent<strong>de</strong>ckt haben,<br />

<strong>de</strong>nn ihre eigene ist oft meterweit weiter rechts <strong>und</strong><br />

berührt sie nie.<br />

Es gab eine Anzahl Männer <strong>und</strong> Frauen in ihrer Gruppe,<br />

einige Eingeborene <strong>und</strong> zwei japanische Soldaten.<br />

Min<strong>de</strong>stens zwei von <strong>de</strong>n Männern hatten kurze Beine<br />

<strong>und</strong> trugen Arbeits-Sandalen; also nehme ich an, sie<br />

waren Japaner. Ich gehe weiter voran <strong>und</strong> folge Corries<br />

Fährte. Wenn sie <strong>de</strong>n Pfad zum Wald hinauf genommen<br />

hat, wer<strong>de</strong> ich eine einfache Markierung an einem Baum<br />

nahe am Pfad einkerben. Wenn sie ins Tal hinab<br />

gegangen ist, wer<strong>de</strong> ich zwei Kerben einschnei<strong>de</strong>n.<br />

Fin<strong>de</strong>t ihr drei, wer<strong>de</strong>t ihr wissen, daß <strong>die</strong> Verbrecher<br />

<strong>de</strong>nselben Pfad nahmen wie Corrie; im an<strong>de</strong>ren Fall<br />

nahmen sie einen an<strong>de</strong>ren Pfad." Dann wandte sich<br />

<strong>Tarzan</strong> um <strong>und</strong> verschwand in <strong>de</strong>m gleichmäßigen Trab,<br />

<strong>de</strong>n er St<strong>und</strong>en lang durchhalten konnte, wenn er auf<br />

<strong>de</strong>m Bo<strong>de</strong>n bleiben wollte, in einer Gangart, für <strong>die</strong> <strong>die</strong><br />

Apatschen berühmt waren.<br />

„Ich weiß nicht, wozu wir gut sind", sagte Bubonovitch.<br />

„Dieser Kerl braucht uns nicht."<br />

„Er ließ uns auf <strong>die</strong>se Tour mitkommen", sagte Jerry.<br />

„Ich glaube, wir sind ihm einfach im Weg", meinte van<br />

<strong>de</strong>r Bos, „aber er ist recht geduldig mit uns."<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Page 115 von 197


*<br />

Als Corrie <strong>de</strong>m Pfad folgte, <strong>de</strong>r für sie jetzt heim zu<br />

führte, war sie glücklich <strong>und</strong> leichten Herzens. Sie kehrte<br />

zurück zu Tak <strong>und</strong> Jerry <strong>und</strong> <strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> Bubonovitch <strong>und</strong><br />

<strong>de</strong>m kleinen Sergeant, <strong>de</strong>n sie nun auch schon sehr<br />

mochte. Eigentlich mochte sie sie alle sehr gern. Tak<br />

natürlich kannte sie schon ihr ganzes Leben lang; aber es<br />

war, als hätte sie auch <strong>die</strong> an<strong>de</strong>ren schon immer gekannt.<br />

Sie entschied, daß sie sie alle gern hatte. Sie konnte es<br />

kaum abwarten, sie alle wie<strong>de</strong>rzusehen <strong>und</strong> ihnen von<br />

ihren Abenteuern zu erzählen. Außer<strong>de</strong>m hatte sie noch<br />

ein Hühnchen zu rupfen - mit Amat. Aber das verdrängte<br />

sie schnell aus ihren Gedanken. Sie wollte nur an<br />

angenehme Dinge <strong>de</strong>nken.<br />

Daher dachte sie nur an angenehme Dinge, eins davon<br />

war Jerry, als sie plötzlich gewahr wur<strong>de</strong>, daß etwas sich<br />

parallel zum Pfad im Unterholz bewegte. Es war etwas<br />

Großes. Corrie legte ihr Gewehr<br />

an, <strong>de</strong>n Finger am Abzug.<br />

Höchst unzureichend war das japanische Gewehr vom<br />

Kaliber 0.25, das sie trug! Wenn sie anhielt, hielt auch <strong>de</strong>r<br />

Tiger an. Jetzt konnte sie seine Augen sehen -<br />

schreckliche Augen - als er mit gesenktem Kopf ihrem<br />

Blick begegnete. Wür<strong>de</strong> er angreifen? Wozu sonst sollte<br />

er sich an sie anschleichen?<br />

Corrie sah sich um. In ihrer Nähe war ein Durian-Baum,<br />

von <strong>de</strong>m eine starke Liane herabhing. Wenn <strong>de</strong>r Tiger<br />

angriff, wür<strong>de</strong> er sie erreichen, bevor sie aus <strong>de</strong>m<br />

Gefahrenbereich klettern konnte. Bewegte sie sich zu<br />

schnell, wür<strong>de</strong> er angreifen. Je<strong>de</strong> plötzliche Bewegung<br />

ihrerseits wür<strong>de</strong> zweifellos ihren sofortigen Tod be<strong>de</strong>uten.<br />

Sehr vorsichtig lehnte sie ihr Gewehr gegen einen<br />

B a u m s t a m m ; d a n n g r i ff s i e n a c h d e r L i a n e . S i e<br />

beobachtete <strong>de</strong>n Tiger. Er hatte sich nicht bewegt. Er<br />

stand immer noch da <strong>und</strong> beobachtete sie. Corrie zog<br />

sich sehr langsam hinauf. Ständig beobachtete sie <strong>de</strong>n<br />

Tiger. Das Tier wirkte fasziniert. Während sie kletterte,<br />

sah sie, wie ihr seine Augen folgten. Plötzlich bewegte er<br />

sich vorwärts, zu ihr her.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Da hangelte sich Corrie so schnell hinauf, wie sie nur<br />

konnte, <strong>und</strong> <strong>de</strong>r Tiger griff an. Aber er war in einer<br />

ungünstigen Position. Er mußte halb um <strong>de</strong>n Baum herum<br />

<strong>und</strong> auf <strong>de</strong>n Pfad laufen, bevor er sich hinkauern konnte,<br />

um zu springen <strong>und</strong> sie zu packen. Er sprang; aber<br />

daneben. Und Corrie kletterte nach oben, in Sicherheit.<br />

Page 116 von 197


Dort saß sie rittlings auf einem Ast <strong>und</strong> zitterte; ihr<br />

Herz pochte. Und <strong>de</strong>r Tiger lag unten am Pfad, am Fuß<br />

<strong>de</strong>s Baumes. Er war alt <strong>und</strong> räudig. Weil er alt war, war er<br />

vielleicht schon so lange nicht im Stan<strong>de</strong>, eine Beute<br />

einzuholen, daß er gezwungen war, bei Tag nach irgend<br />

etwas zu jagen, das er fin<strong>de</strong>n konnte. Und da er etwas<br />

gef<strong>und</strong>en hatte, hatte er sichtlich beschlossen, grad da<br />

wo er war zu warten, bis seine Beute entwe<strong>de</strong>r herunter<br />

kam o<strong>de</strong>r vom Baum fiel. Hin <strong>und</strong> wie<strong>de</strong>r schaute er<br />

hinauf zu Corrie, entblößte seine gelben Fänge <strong>und</strong><br />

knurrte.<br />

Corrie, zwar nur mit harmloseren Schimpfwörtern<br />

vertraut, verfluchte ihn trotz<strong>de</strong>m. Das Tier hatte ihre<br />

Träume zerstört, bald wie<strong>de</strong>r zu ihren Kamera<strong>de</strong>n<br />

z u r ü c k z u k o m m e n . E s l a g n u r d o r t u n d k n u r r t e<br />

gelegentlich hinauf zu ihr. Eine St<strong>und</strong>e verstrich. Corrie<br />

verlor ihre Geduld. Eine weitere St<strong>und</strong>e, <strong>und</strong> immer noch<br />

verharrte das dumme Biest hartnäckig auf seinem Posten.<br />

Corrie fragte sich, wer von ihnen zuerst verhungern<br />

wür<strong>de</strong>.<br />

Bald leisteten ihr einige Affen Gesellschaft.<br />

Auch sie<br />

beschimpften <strong>de</strong>n Tiger <strong>und</strong> fluchten vielleicht in ihrer<br />

Affensprache auf ihn. Da kam Corrie eine I<strong>de</strong>e. Sie wußte,<br />

daß Affen gern nachahmen. Sie pflückte eine Durian-<br />

Frucht <strong>und</strong> warf sie auf <strong>de</strong>n Tiger. Sie traf ihn, zu ihrer<br />

Überraschung, <strong>und</strong> verursachte ein wil<strong>de</strong>s Gebrüll. Sie<br />

warf noch eine, aber daneben. Dann hatten <strong>die</strong> Affen<br />

b e g r i f f e n . D i e s w a r Ve r g n ü g e n . S i e u n d C o r r i e<br />

bombar<strong>die</strong>rten <strong>die</strong> große Katze mit Durian-Früchten. Das<br />

Tier erhob sich knurrend <strong>und</strong> versuchte, auf <strong>de</strong>n Baum zu<br />

springen, stürzte jedoch bloß zurück, verlor das<br />

Gleichgewicht <strong>und</strong> überschlug sich über <strong>de</strong>n eigenen<br />

Rücken. Eine Durian-Frucht fiel ihm voll auf <strong>die</strong> Nase.<br />

Durians regneten auf ihn herab. Schließlich gab er auf<br />

<strong>und</strong> krachte davon in <strong>de</strong>n Dschungel. Doch lange Zeit<br />

wagte Corrie es nicht, ihre Zuflucht zu verlassen. Und sie<br />

war ein wachsames, mißtrauisches Mädchen, als sie<br />

endlich hinunterglitt <strong>und</strong> ihr Gewehr wie<strong>de</strong>r an sich nahm.<br />

Je<strong>de</strong>s kleine Geräusch ließ sie jetzt aufschrecken, als<br />

sie <strong>de</strong>m Pfad zum Dorf hin folgte; sie gewann jedoch<br />

schließlich <strong>die</strong> Überzeugung, daß sie nichts mehr vom<br />

Gestreiften zu sehen bekommen wür<strong>de</strong>.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Ein riesiges Geschöpf lagerte dunkel <strong>und</strong> schwer auf<br />

einem Baum, unter <strong>de</strong>m Corrie vorbeikam. Sie bemerkte<br />

Page 117 von 197


es nicht. Es bewegte sich leise über <strong>und</strong> hinter ihr <strong>und</strong><br />

beobachtete sie. Es war Oju, <strong>de</strong>r junge Orang-Utan, mit<br />

<strong>de</strong>m <strong>Tarzan</strong> gekämpft hatte. Corries Gewehr ließ ihn<br />

Abstand halten. Oju fürchtete sich vor <strong>de</strong>n schwarzen<br />

Stöcken, <strong>die</strong> lauten Lärm machten. Aber er war geduldig.<br />

Er konnte warten.<br />

Bald tauchten an<strong>de</strong>re monströse Gestalten in <strong>de</strong>n<br />

Bäumen <strong>und</strong> auf <strong>de</strong>m Pfad vor Corrie auf. Sie hielt an. Nie<br />

zuvor hatte sie so viele Orang-Utans beisammen gesehen.<br />

Corrie glaubte nicht, daß sie ihr etwas antun wür<strong>de</strong>n,<br />

aber sie war sich nicht sicher. Sie schnitten ihr Grimassen,<br />

<strong>und</strong> einige von ihnen machten Drohgebär<strong>de</strong>n, stampften<br />

auf <strong>de</strong>n Bo<strong>de</strong>n <strong>und</strong> rückten langsam näher. Sie hielt <strong>de</strong>n<br />

Finger am Abzug <strong>und</strong> wich zurück. Genau bis unter Oju,<br />

<strong>de</strong>r nur wenige Fuß über ihrem Kopf auf einem Ast<br />

hockte.<br />

F ü r g e w ö h n l i c h m e i d e n d i e g r o ß e n A f f e n d i e<br />

Menschen, laufen davon, wenn einer auftaucht. Corrie<br />

fragte sich, warum <strong>die</strong>se nicht wegliefen. Sie glaubte, sie<br />

wür<strong>de</strong>n es bald tun, daher wartete sie ab. Sie wagte es<br />

nicht, <strong>de</strong>m Pfad weiter zu folgen, <strong>de</strong>n einige von ihnen<br />

besetzten. Sie dachte, daß ihnen wahrscheinlich ihre<br />

A n z a h l d e n M u t g a b , i n d e r G e g e n w a r t e i n e s<br />

menschlichen Wesens zu bleiben. Das war es je<strong>de</strong>nfalls<br />

nicht. Es war Neugier. Sie wollten sehen, was Oju<br />

tun wür<strong>de</strong>. Sie brauchten nicht lange warten.<br />

Aus blutunterlaufenen Augen schaute Oju hinab <strong>und</strong><br />

schätzte <strong>die</strong> Situation ab. Er sah, daß <strong>die</strong> ganze<br />

Aufmerksamkeit <strong>die</strong>ser Sie-Tarmangani von <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren<br />

Affen beansprucht wur<strong>de</strong>. Er ließ sich auf Corrie fallen<br />

<strong>und</strong> warf sie zu Bo<strong>de</strong>n. Zugleich entwand er das Gewehr<br />

aus ihrem Griff. Da dabei <strong>de</strong>r Finger <strong>de</strong>s Mädchens auf<br />

<strong>de</strong>m Abzug lag, entlud sich <strong>die</strong> Waffe. Das erschreckte<br />

Oju, <strong>und</strong> er schwang sich auf einen Baum <strong>und</strong> floh in <strong>de</strong>n<br />

Wald. Aber sein eingleisiges Denken ließ ihn vergessen,<br />

Corries Körper loszulassen; also nahm er sie mit.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Der Schuß erschreckte auch <strong>die</strong> an<strong>de</strong>ren Affen; auch sie<br />

schwangen sich in <strong>de</strong>n Wald davon, aber nicht in <strong>die</strong>selbe<br />

Richtung, <strong>die</strong> Oju genommen hatte. Nun war <strong>de</strong>r Pfad still<br />

<strong>und</strong> verlassen. Corrie war jedoch nicht dort, um <strong>die</strong> Lage<br />

zu nutzen. Mit geballten Fäusten schlug sie vergeblich<br />

gegen <strong>de</strong>n monströsen, haarigen Körper ihres Entführers.<br />

Irgendwann ärgerte das Oju, <strong>und</strong> er schlug sie auf <strong>die</strong><br />

Seite ihres Kopfes. Es war Corries Glück, daß <strong>die</strong>s nur ein<br />

sanfter Hinweis war auf Ojus Ablehnung, geschlagen zu<br />

wer<strong>de</strong>n, auch wenn ihm <strong>die</strong> Schläge nicht im Geringsten<br />

Page 118 von 197


weh taten. Das nahm ihr nur das Bewußtsein. Hätte Oju<br />

in<strong>de</strong>s kräftig zugeschlagen, hätte er sie zweifellos<br />

getötet.<br />

Als Corrie das Bewußtsein wie<strong>de</strong>r erlangte, was sehr<br />

schnell geschah, glaubte sie erst, sie erlebe einen<br />

s c h re c k l i c h e n A l p t r a u m ; a b e r d a s w a r n u r e i n e n<br />

A u g e n b l i c k l a n g , e h e i h r e S i n n e v o l l s t ä n d i g<br />

zurückkehrten. Nun fürchtete sie sich wirklich. Die große,<br />

haarige Bestie eilte durch <strong>die</strong> Bäume, ständig über <strong>die</strong><br />

Schulter nach hinten schauend, als verfolgte sie etwas.<br />

Corrie war mit einer Pistole <strong>und</strong> einem Parang<br />

bewaffnet, aber <strong>de</strong>r Orang-Utan hielt sie so, daß einer<br />

seiner großen Arme über bei<strong>de</strong> Waffen geschlungen war.<br />

So konnte sie keine von bei<strong>de</strong>n ziehen. Und das Tier trug<br />

sie tiefer <strong>und</strong> tiefer in <strong>de</strong>n Wald - welchem schrecklichen<br />

Schicksal entgegen?<br />

Kapitel 19<br />

Jerry, Bubonovitch, Rosetti <strong>und</strong> van <strong>de</strong>r Bos folgten<br />

<strong>de</strong>m Fluß talabwärts, bis sie zu <strong>de</strong>m Pfad kamen, <strong>de</strong>r links<br />

aus <strong>de</strong>m Tal hinaus führte <strong>und</strong> weiter in <strong>de</strong>n Wald auf <strong>de</strong>r<br />

felsigen Anhöhe. Hier fan<strong>de</strong>n sie eine einzige Kerbe an<br />

einem Baumstamm <strong>und</strong> wußten, daß Corrie <strong>de</strong>n Pfad zum<br />

Dorf zurück genommen hatte <strong>und</strong> daß ihre vorherigen<br />

Entführer ihr nicht gefolgt waren.<br />

Als sie auf <strong>de</strong>n Felsen oben ankamen, vernahmen sie<br />

sehr schwach <strong>und</strong> weit vor sich einen Schuß. <strong>Tarzan</strong> hatte<br />

keine Feuerwaffen getragen, <strong>und</strong> sie konnten nicht<br />

wissen, daß Corrie bewaffnet war. Die natürliche<br />

Annahme war, sie sei es nicht. Die Verbrecher waren nicht<br />

hierher gekommen, also konnte keiner von ihnen <strong>de</strong>n<br />

Schuß abgegeben haben. Die Eingeborenen waren davor<br />

gewarnt wor<strong>de</strong>n, <strong>die</strong> japanischen Waffen anzurühren, <strong>die</strong><br />

<strong>die</strong> Weißen in ihrem Dorf versteckt hatten, sie hätten es<br />

auch gegen das Verbot <strong>de</strong>r Japaner, vor <strong>de</strong>nen sie<br />

To<strong>de</strong>sangst empfan<strong>de</strong>n, nicht gewagt sich zu bewaffnen.<br />

Die vier Männer diskutierten <strong>die</strong>se verschie<strong>de</strong>nen<br />

Schlußfolgerungen, während sie weiter auf <strong>de</strong>m Pfad<br />

vordrangen.<br />

„Ein Japaner muß <strong>die</strong>sen Schuß abgefeuert haben",<br />

sagte van <strong>de</strong>r Bos. „Und wo ein Japaner ist, da sind<br />

zweifellos weitere."<br />

„Holt sie her", sagte Rosetti. „Ich hab' schon seit zwei<br />

Tagen keinen Japaner umgebracht."<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

„Wir wer<strong>de</strong>n vorsichtig sein müssen", sagte Jerry. „Ich<br />

wer<strong>de</strong> so h<strong>und</strong>ert Schritt weit vorangehen. Ich wer<strong>de</strong> auf<br />

Page 119 von 197


<strong>de</strong>n ersten Japaner schießen, <strong>de</strong>n ich sehe, <strong>und</strong> dann<br />

umkehren. Ihr Burschen macht euch zu bei<strong>de</strong>n Seiten <strong>de</strong>s<br />

Pfa<strong>de</strong>s ins Unterholz, wenn ihr meinen Schuß hört, <strong>und</strong><br />

gebt es ihnen, wenn man sie treffen kann. Laßt sie nah<br />

genug heran."<br />

„Schau, Captain, das brauchst nicht du zu tun. Laß mich<br />

das erledigen", sagte Rosetti.<br />

„O<strong>de</strong>r mich", sagte Bubonovitch. „Das ist nicht <strong>de</strong>in<br />

Job, Captain."<br />

„Okay", sagte Jerry. „Du gehst voran, Shrimp, <strong>und</strong> halt<br />

<strong>de</strong>ine Ohren offen."<br />

„Warum schwingst du dich nicht durch <strong>die</strong> Bäume?",<br />

fragte Bubonovitch. Shrimp grinste <strong>und</strong> rannte voraus.<br />

<strong>Tarzan</strong> hatte Corries Spur noch nicht weit verfolgt, als<br />

er an <strong>die</strong> Stelle gelangte, wo sie vor <strong>de</strong>m Tiger auf <strong>de</strong>n<br />

Baum geflohen war. Er<br />

las <strong>die</strong> ganze Story so klar, als hätte er sie von einer<br />

gedruckten Seite abgelesen. Sogar <strong>die</strong> zerplatzten<br />

Durians sagten ihm, wie <strong>de</strong>r Tiger schließlich vertrieben<br />

wor<strong>de</strong>n war. Er lächelte <strong>und</strong> folgte <strong>de</strong>r nun frischen<br />

Fährte, <strong>die</strong> anzeigte, daß das Mädchen sich erst vor<br />

kurzer Zeit wie<strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>n Weg gemacht hatte. Dann<br />

vernahm er vor sich <strong>de</strong>n Schuß.<br />

Nun suchte er <strong>die</strong> Bäume auf <strong>und</strong> bewegte sich flink<br />

über <strong>de</strong>m Pfad. Wie <strong>die</strong> Männer hinter ihm glaubte er, ein<br />

Japaner hätte <strong>de</strong>n Schuß abgefeuert. Er nahm ebenso mit<br />

Sicherheit an, Corrie wäre einer Abteilung japanischer<br />

Soldaten in <strong>die</strong> Hän<strong>de</strong> gefallen. Und dann sah er das<br />

Gewehr auf <strong>de</strong>m Pfad liegen.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Ta r z a n w a r v e r b l ü ff t . D i e J a p a n e r w ä re n n i c h t<br />

abgezogen <strong>und</strong> hätten ein Gewehr liegen gelassen. Es<br />

gab auch keine Witterung von Japanern; aber <strong>die</strong><br />

Geruchsspur <strong>de</strong>r großen Affen war <strong>de</strong>utlich. Er sprang auf<br />

<strong>de</strong>n Pfad hinunter. Er sah, daß Corries Spur en<strong>de</strong>te, wo<br />

das Gewehr lag. Er sah Anzeichen dafür, daß das<br />

Mädchen zu Bo<strong>de</strong>n gestürzt o<strong>de</strong>r nie<strong>de</strong>rgeworfen wor<strong>de</strong>n<br />

war. Außer<strong>de</strong>m sah er menschenähnliche Fußabdrücke<br />

e i n e s g ro ß e n O r a n g - U t a n s , d i e j e n e v o n C o r r i e<br />

hinterlassenen über<strong>de</strong>ckten, aber <strong>die</strong>se Abdrücke waren<br />

nur direkt unter <strong>de</strong>m Baum, bei <strong>de</strong>m <strong>Tarzan</strong> stand.<br />

Die Schlußfolgerung war klar: Ein Orang-Utan war vom<br />

Baum gesprungen, hatte Corrie gepackt <strong>und</strong> sie davon<br />

geschleppt. <strong>Tarzan</strong> schwang sich auf <strong>de</strong>n Baum <strong>und</strong><br />

machte sich auf Ojus Fährte. Für seine geübten Sinne war<br />

<strong>die</strong> Spur im Geäst klar. Zerdrückte Käfer o<strong>de</strong>r Raupen, von<br />

hornigen Hän<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r Füßen abgeschabte Rin<strong>de</strong> an<br />

Page 120 von 197


Ästen, ein Büschel rotbrauner Haare, an einem Zweig<br />

hängen geblieben, <strong>die</strong> Witterung sowohl nach <strong>de</strong>m Affen<br />

als auch nach <strong>de</strong>m Mädchen, <strong>die</strong> immer noch, wenn auch<br />

schwach, in <strong>de</strong>r stillen Waldluft hing.<br />

Auf einer kleinen Waldlichtung holte <strong>Tarzan</strong> seine Beute<br />

ein. Oju hatte bemerkt, daß er verfolgt wur<strong>de</strong>, <strong>und</strong> nun<br />

beschloß er, an <strong>die</strong>ser offenen Stelle zu bleiben <strong>und</strong> zu<br />

kämpfen, wenn ein Kampf sein mußte. Immer noch<br />

umklammerte er seine Beute, <strong>und</strong> er hielt sie zufällig so,<br />

daß Corrie aus ihrer Position <strong>Tarzan</strong> nicht sehen konnte.<br />

Sie wußte, daß Oju einem Feind entgegensah, <strong>de</strong>nn er<br />

knurrte wild. Und sie hörte <strong>die</strong> geknurrte Antwort seines<br />

Gegners, aber <strong>die</strong> klang eher wie das Knurren eines<br />

Löwen. Natürlich gab es auf Sumatra keine Löwen, aber<br />

<strong>die</strong> Stimme war nicht <strong>die</strong> Stimme eines Tigers. Sie fragte<br />

sich, was für ein Tier das sein mochte.<br />

Die Stimme näherte sich. Plötzlich ließ <strong>de</strong>r Orang-Utan<br />

sie fallen<br />

<strong>und</strong> trampelte vorwärts. Corrie stemmte sich auf <strong>de</strong>n<br />

Hän<strong>de</strong>n auf <strong>und</strong> schaute nach hinten. Und in <strong>die</strong>sem<br />

Moment ging <strong>Tarzan</strong> auf Oju los. Corrie sprang auf <strong>die</strong><br />

Beine <strong>und</strong> zog ihre Pistole. Aber sie wagte nicht zu<br />

schießen, aus Angst, sie könnte <strong>Tarzan</strong> treffen. Die Bei<strong>de</strong>n<br />

waren in tödlicher Umklammerung gefangen. Oju<br />

versuchte, seine kräftigen Kiefer um <strong>de</strong>n Hals <strong>de</strong>s Mannes<br />

zu schließen, <strong>und</strong> <strong>de</strong>r Mann hielt mit einem starken Arm<br />

<strong>die</strong> gelben Fänge ab. Bei<strong>de</strong> knurrten, jetzt aber in<br />

tieferem Ton. Corrie wur<strong>de</strong> sich auf einmal <strong>de</strong>s Gefühls<br />

bewußt, daß sie zwei Raubtiere auf Leben <strong>und</strong> Tod<br />

kämpfen sah - <strong>und</strong> ihretwegen.<br />

<strong>Tarzan</strong> hielt Ojus Kiefer mit seinem rechten Arm vom<br />

Hals ab. Seine Linke war von einem Arm <strong>de</strong>s Affen an <strong>die</strong><br />

Seite gepreßt. <strong>Tarzan</strong> bemühte sich, sich aus <strong>die</strong>sem Griff<br />

zu befreien. Zoll um Zoll zog er seinen Arm heraus. Zoll<br />

um Zoll drückte Oju seine Fänge immer näher an <strong>de</strong>n Hals<br />

<strong>de</strong>s Mannes heran.<br />

Corrie fürchtete sich. Sie umkreiste <strong>die</strong> Ringkämpfer in<br />

<strong>de</strong>r Absicht, auf <strong>de</strong>n Orang-Utan schießen zu können;<br />

aber sie bewegten sich zu schnell. Sie hätte <strong>Tarzan</strong><br />

ebenso leicht treffen können wie seinen Gegner.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Die Bei<strong>de</strong>n stan<strong>de</strong>n immer noch auf <strong>de</strong>n Beinen,<br />

drückten <strong>und</strong> zogen. Plötzlich schlang <strong>Tarzan</strong> eins seiner<br />

Beine um jene <strong>de</strong>s Affen <strong>und</strong> ruckte heftig an ihm. Oju<br />

stürzte rückwärts, <strong>Tarzan</strong> auf ihn drauf. Im Versuch, sich zu<br />

befreien, löste <strong>de</strong>r Affe <strong>de</strong>n Griff um <strong>de</strong>n linken Arm <strong>de</strong>s<br />

Mannes. Dann sah Corrie ein Messer aufblitzen, sah, wie<br />

Page 121 von 197


es <strong>de</strong>m Affen in <strong>die</strong> Brust gestoßen wur<strong>de</strong>, <strong>und</strong> hörte<br />

seine zornigen Schmerzensschreie. Wie<strong>de</strong>r <strong>und</strong> wie<strong>de</strong>r<br />

wur<strong>de</strong> das Messer hineingetrieben. Das Geschrei<br />

versiegte, <strong>de</strong>r große Körper erbebte <strong>und</strong> lag still. Oju war<br />

tot.<br />

<strong>Tarzan</strong> stand auf <strong>und</strong> setzte einen Fuß auf <strong>die</strong> Leiche<br />

seines Fein<strong>de</strong>s. Er hob sein Gesicht zum Himmel - <strong>und</strong><br />

dann lächelte er auf einmal. Der Siegesschrei <strong>de</strong>s<br />

Affenbullen erstarb in seiner Kehle. Weshalb er ihn nicht<br />

hinausbrüllte, wußte er selbst nicht.<br />

C o r r i e f ü h l t e s i c h s e h r s c h w a c h . I h r e B e i n e<br />

verweigerten ihr <strong>de</strong>n Halt, <strong>und</strong> sie setzte sich hin. Sie<br />

schaute <strong>Tarzan</strong> nur an <strong>und</strong> schüttelte <strong>de</strong>n Kopf. „Alles in<br />

Ordnung?", fragte er. Corrie nickte. „Nun, Ihre Sorgen<br />

sind Sie los, für heute wenigstens, hoffe ich. Jerry, van<br />

<strong>de</strong>r Bos <strong>und</strong> <strong>die</strong> Sergeanten kommen <strong>de</strong>n Pfad entlang.<br />

Besser, wir gehen hinüber <strong>und</strong> treffen sie dort." Er lud sie<br />

auf seine Schultern <strong>und</strong> schwang sich <strong>de</strong>n Weg durchs<br />

Laub zurück, auf <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Affe sie hergebracht hatte, aber<br />

wie waren ihre Gefühle jetzt an<strong>de</strong>rs!<br />

Als sie <strong>de</strong>n Pfad erreichten, besah ihn sich <strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong><br />

sah, daß <strong>die</strong> an<strong>de</strong>ren noch nicht vorbeigekommen waren.<br />

Also setzten sie sich daneben hin <strong>und</strong> warteten. Sie<br />

re<strong>de</strong>ten nicht. Der Mann sah, daß das Mädchen einen<br />

schrecklichen Schock erlitten hatte, also ließ er sie in<br />

Ruhe <strong>und</strong> fragte sie nichts. Er wollte, daß sie sich<br />

ausruhte.<br />

Aber schließlich brach Corrie selbst das Schweigen.<br />

„Ich bin eine schreckliche Närrin", sagte sie. „Ich mußte<br />

all meine Willenskraft aufbringen, um nicht zu weinen. Ich<br />

glaubte, <strong>de</strong>r Tod sei so nahe, <strong>und</strong> dann sind Sie<br />

gekommen. Es war grad, als wären Sie aus <strong>de</strong>r Luft<br />

aufgetaucht. Ich glaube, daß mich <strong>die</strong>se Reaktion fast<br />

zusammenbrechen ließ. Aber woher in aller Welt wußten<br />

Sie, wo ich war? Wie konnten Sie wissen, was mir<br />

zugestoßen war?"<br />

„ G e s c h i c h t e n w e r d e n n i c h t n u r i n B ü c h e r n<br />

aufgeschrieben", sagte er. „Es war nicht schwierig." Dann<br />

erzählte er ihr, wie er sie aufgespürt hatte. „Ich hatte vor<br />

einigen Tagen mit <strong>de</strong>mselben Affen einen Zusammenstoß.<br />

Ich habe ihn überwältigt, sah aber davon ab, ihn zu töten.<br />

Jetzt wünschte ich, ich hätte es getan. Sein Name war<br />

Oju."<br />

„Davon haben Sie nie etwas erwähnt", sagte sie.<br />

„Es war nicht wichtig."<br />

„Sie sind ein sehr eigenartiger Mann."<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Page 122 von 197


„Ich bin eher ein Tier als ein Mann, Corrie."<br />

Sie runzelte <strong>die</strong> Brauen <strong>und</strong> schüttelte <strong>de</strong>n Kopf. „Sie<br />

sind weit davon entfernt, ein Tier zu sein."<br />

„Sie meinen das als Kompliment. Das kommt daher,<br />

weil Sie <strong>die</strong> Tiere nicht sehr gut kennen. Sie besitzen viele<br />

gute Qualitäten, <strong>de</strong>nen nachzueifern <strong>de</strong>n Menschen gut<br />

anstün<strong>de</strong>. Sie haben keine Laster. Es ist <strong>de</strong>n Menschen<br />

überlassen, <strong>die</strong>se wie viele abstoßen<strong>de</strong> <strong>und</strong> kriminelle<br />

Eigenschaften zu haben, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Tiere nicht besitzen. Als<br />

ich sagte, ich sei eher ein Tier als ein Mann, meinte ich<br />

damit nicht, ich besäße alle ihre edlen Qualitäten. Ich<br />

meinte einfach, ich dächte <strong>und</strong> reagierte mehr wie ein<br />

Tier <strong>de</strong>nn als Mensch. Ich besitze <strong>die</strong> Seele eines wil<strong>de</strong>n<br />

Tieres."<br />

„Nun, Sie mögen Recht haben; aber wenn ich zum<br />

Essen ausgehe, gehe ich lieber mit einem Mann aus als<br />

mit einem Tiger."<br />

<strong>Tarzan</strong> lächelte. „Das ist eine <strong>de</strong>r schönen Seiten, ein<br />

Tier zu sein. Man braucht nicht zu Festessen gehen <strong>und</strong><br />

Ansprachen anhören <strong>und</strong> sich zu To<strong>de</strong> langweilen."<br />

Corrie lachte. „Aber eines Ihrer Mittiere könnte auf Sie<br />

los springen <strong>und</strong> Sie als Festmahl nehmen."<br />

„O<strong>de</strong>r ein netter Mann kann vorbeikommen <strong>und</strong> Sie<br />

erschießen, nur zum Spaß."<br />

„Sie gewinnen", sagte Corrie.<br />

„Die an<strong>de</strong>ren kommen", sagte <strong>Tarzan</strong>.<br />

„Woher wissen Sie das?"<br />

„Usha sagt es mir."<br />

„Usha? Wer ist Usha?"<br />

„Der Wind. Er trägt sowohl meinen Ohren wie meiner<br />

Nase <strong>de</strong>n Nachweis zu, daß Männer <strong>de</strong>n Pfad entlang<br />

kommen. Je<strong>de</strong> Rasse hat ihren typischen Körpergeruch;<br />

daher weiß ich, <strong>die</strong>s sind Weiße."<br />

E i n e n A u g e n b l i c k s p ä t e r k a m R o s e t t i a n e i n e r<br />

Wegbiegung in Sicht. Als er <strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> Corrie sah, stieß<br />

er einen Freu<strong>de</strong>nschrei aus <strong>und</strong> gab <strong>de</strong>nen hinter ihm <strong>die</strong><br />

Botschaft weiter. Bald erreichten ihn <strong>die</strong> an<strong>de</strong>ren. Es war<br />

ein frohes Wie<strong>de</strong>rsehen.<br />

„Es scheint, als wären Sie Wochen lang weggewesen,<br />

Corrie", sagte Jerry.<br />

„Ich ging einen langen Weg ins Tal <strong>de</strong>r Schatten",<br />

sagte Corrie. „Ich dachte, ich sähe auf <strong>die</strong>ser Welt keinen<br />

mehr von euch wie<strong>de</strong>r. Dann kam <strong>Tarzan</strong>."<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Tak van <strong>de</strong>r Bos kam <strong>und</strong> küßte sie. „Wenn mein Haar<br />

seit <strong>de</strong>inem Verschwin<strong>de</strong>n nicht weiß gewor<strong>de</strong>n ist, dann<br />

Page 123 von 197


läßt Kummer <strong>die</strong> Haare nicht weiß wer<strong>de</strong>n. Komm nie<br />

wie<strong>de</strong>r außer Sicht, Liebling."<br />

Jerry wünschte, er wür<strong>de</strong> van <strong>de</strong>r Bos nicht mögen. Es<br />

wäre ihm ein großer Genuß gewesen, ihn hassen zu<br />

können. Dann dachte er: Du bist ein Idiot, Lucas. Du hast<br />

nicht <strong>de</strong>n Hauch einer Chance, <strong>und</strong> <strong>die</strong> Bei<strong>de</strong>n sind für<br />

einan<strong>de</strong>r gemacht. Sie sind bei<strong>de</strong> Klasse. So blieb <strong>de</strong>nn<br />

Jerry hinter ihnen zurück <strong>und</strong> ließ sie beisammen,<br />

während sie <strong>de</strong>n Marsch zum Dorf wie<strong>de</strong>r aufnahmen.<br />

Ta r z a n w a r v o r a u s g e g a n g e n , u m d i e S p i t z e<br />

einzunehmen. Die an<strong>de</strong>ren hörten zu, als Corrie ihre<br />

Abenteuer wie<strong>de</strong>rgab. Sie erzählte von Amats Verrat, von<br />

Sarinas unerwarteter Hilfe, von ihrem schrecklichen<br />

Erlebnis mit Oju <strong>und</strong> von ihrer Rettung durch <strong>Tarzan</strong>.<br />

„Er ist großartig", sagte sie. „Im Kampf ist er<br />

schrecklich. Er scheint ein wil<strong>de</strong>s Tier zu wer<strong>de</strong>n, mit <strong>de</strong>r<br />

Kraft <strong>und</strong> Wendigkeit eines Tigers, aber geleitet von<br />

menschlicher Intelligenz. Er knurrt wie eine Bestie. Fast<br />

habe ich mich vor ihm gefürchtet. Aber als <strong>de</strong>r Kampf<br />

vorbei war <strong>und</strong> er lächelte, war er wie<strong>de</strong>r ganz<br />

menschlich."<br />

„Er hat unsere Schul<strong>de</strong>n um eine weitere vermehrt. Was<br />

wir ihm verdanken, können wir ihm nie vergelten", sagte<br />

Jerry.<br />

„Der ist wirklich ein toller Kerl", sagte Rosetti, „auch<br />

wenn er ein Brite ist."<br />

Nach wenigen Minuten hatte <strong>die</strong> zurückkehren<strong>de</strong><br />

Gruppe das Kampong betreten; <strong>und</strong> eben da sie das<br />

taten, verabschie<strong>de</strong>te sich Amat auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite<br />

<strong>de</strong>s Dorfes in <strong>de</strong>n Wald. Er hatte Rosetti erblickt.<br />

Kapitel 20<br />

Captain van Prins <strong>und</strong> Leutnant <strong>de</strong> Lettenhove, ebenso<br />

wie verschie<strong>de</strong>ne an<strong>de</strong>re <strong>de</strong>r Guerilla-Truppe, kannten<br />

sowohl Corrie als auch Tak, <strong>die</strong> sie für tot gehalten<br />

hatten. Sie scharten sich um sie, lachten, re<strong>de</strong>ten,<br />

beglückwünschten sie <strong>und</strong> tauschten Einzelheiten aus<br />

ihren unterschiedlichen Erlebnissen aus, <strong>die</strong> sie in <strong>de</strong>n<br />

vergangenen zwei o<strong>de</strong>r mehr Jahren, in <strong>de</strong>nen sie<br />

einan<strong>de</strong>r nicht gesehen hatten, machten. Corrie <strong>und</strong> Tak<br />

fragten nach alten Fre<strong>und</strong>en. Von einigen wußte man, daß<br />

sie tot waren, an<strong>de</strong>re waren Gefangene <strong>de</strong>r Japaner<br />

gewesen, als man zuletzt von ihnen gehört hatte. All das<br />

besprach man in <strong>de</strong>r Muttersprache.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Page 124 von 197


Jerry, <strong>de</strong>r sich so recht als Außenseiter fühlte, suchte<br />

Bubonovitch <strong>und</strong> Rosetti. Sie saßen unter einem Baum<br />

beisammen <strong>und</strong> reinigten ihre Gewehre <strong>und</strong> Pistolen,<br />

<strong>de</strong>nn seit sie ihre Bewaffnung von <strong>de</strong>n Japanern erbeutet<br />

hatten, war es nötig, sie zu reinigen <strong>und</strong> zu ölen, eine<br />

endlose Prozedur in <strong>de</strong>r feuchten tropischen Atmosphäre.<br />

Bald kamen van Prins <strong>und</strong> <strong>de</strong> Lettenhove zu ihnen, um<br />

Pläne für <strong>die</strong> Zukunft zu besprechen. Corrie <strong>und</strong> Tak<br />

saßen in einiger Entfernung im Schatten eines an<strong>de</strong>ren<br />

Baumes beisammen. Corrie war aufgefallen, daß Jerry sie<br />

seit neuestem mied; daher verlangte sie nicht, an <strong>de</strong>r<br />

Besprechung teilzunehmen. Sie fragte sich, ob sie etwas<br />

getan hatte, das ihn beleidigte, o<strong>de</strong>r ob er bloß ihrer<br />

Gesellschaft überdrüssig war. Sie war gekränkt, <strong>und</strong> so<br />

w i d m e t e s i e Ta k v a n d e r B o s d o p p e l t s o v i e l<br />

Aufmerksamkeit. Jerry merkte es nur zu genau <strong>und</strong> fühlte<br />

sich miserabel. Er beteiligte sich nicht an <strong>de</strong>r laufen<strong>de</strong>n<br />

Diskussion. Bubonovitch wie auch Rosetti fiel das auf, <strong>und</strong><br />

sie w<strong>und</strong>erten sich über <strong>die</strong> Verän<strong>de</strong>rung, <strong>die</strong> über ihn<br />

gekommen war.<br />

Die Besprechung führte zu <strong>de</strong>m Beschluß, daß sich <strong>die</strong><br />

bei<strong>de</strong>n Gruppen zusammentun wollten, wenigstens<br />

vorläufig, daß es aber unklug wäre zu bleiben, wo sie<br />

waren. Sobald <strong>die</strong> Abteilung, <strong>die</strong> hätte abgelöst wer<strong>de</strong>n<br />

sollen, nicht zum Stützpunkt zurückkehrte, wür<strong>de</strong><br />

bestimmt eine Streitmacht nachforschen. Und <strong>die</strong><br />

H o l l ä n d e r w ü n s c h t e n n i c h t , i n g r ö ß e r e<br />

Auseinan<strong>de</strong>rsetzungen verwickelt zu wer<strong>de</strong>n. Sie wollten<br />

<strong>de</strong>m Feind auf an<strong>de</strong>re Weise zusetzen.<br />

Demnach wur<strong>de</strong> beschlossen, daß man sich in eine<br />

leicht zu verteidigen<strong>de</strong> Stellung begab, <strong>die</strong> man kannte.<br />

Es wür<strong>de</strong> zwar für <strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> Amerikaner einen Weg<br />

zurück be<strong>de</strong>uten, doch van<br />

Prins versicherte ihnen, daß es letztlich ihre Chance, <strong>die</strong><br />

Südwestküste zu erreichen, vergrößerte.<br />

„Von dort, wo ich vorhabe zu lagern", erklärte er, „gibt<br />

es eine vergleichsweise einfache Route über <strong>de</strong>n Gipfel.<br />

Ihr könnt dann am Osthang <strong>de</strong>r Berge hinunterziehen, wo<br />

nach meinen Informationen relativ wenige Japaner in <strong>de</strong>n<br />

höher gelegenen Bereichen sind, während es auf <strong>die</strong>ser<br />

Seite viele gibt. Ich wer<strong>de</strong> euch eine Karte geben <strong>und</strong><br />

eine Route einzeichnen, <strong>die</strong> euch an einen Punkt <strong>de</strong>r<br />

Westseite zurückführt, von wo aus ihr meiner Meinung<br />

nach viel leichter <strong>die</strong> Küste erreicht, falls ihr bei <strong>de</strong>m<br />

bleiben wollt, was ich für ein sehr waghalsiges Abenteuer<br />

halte."<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Page 125 von 197


„Wie <strong>de</strong>nken Sie darüber, Jerry?", fragte <strong>Tarzan</strong>.<br />

J e r r y s c h a u t e , a u s e i n e m Ta g t r a u m g e w e c k t ,<br />

verständnislos auf. „Worüber?", fragte er.<br />

<strong>Tarzan</strong> schaute ihn überrascht an. Dann wie<strong>de</strong>rholte er<br />

<strong>de</strong>n Plan. „Was ihr auch beschließt, mir soll's recht sein",<br />

sagte Jerry gleichgültig.<br />

Bubonovitch <strong>und</strong> Rosetti sahen einan<strong>de</strong>r an. „Was zur<br />

Hölle ist mit <strong>de</strong>m Alten los?", flüsterte <strong>die</strong>ser.<br />

Bubonovitch zuckte <strong>die</strong> Schultern <strong>und</strong> schaute zu Corrie<br />

<strong>und</strong> van <strong>de</strong>r Bos hinüber. „Cherchez la femme", sagte er.<br />

„Red' Amerikanisch", sagte Rosetti.<br />

„Ich glaube, <strong>de</strong>r Captain wird sehr bald wie<strong>de</strong>r zum<br />

Frauenfeind wer<strong>de</strong>n", sagte Bubonovitch.<br />

„Verstehe. Schätze, vielleicht werd' ich selber auch<br />

wie<strong>de</strong>r sowas wer<strong>de</strong>n. Ärger ist <strong>de</strong>r Beiname <strong>de</strong>r Weiber -<br />

Ärger, Ärger, nix als Ärger."<br />

„Wann habt ihr vor abzuziehen?", fragte <strong>Tarzan</strong> van<br />

Prins.<br />

„Ich glaube, heute <strong>und</strong> morgen können wir hier in<br />

Sicherheit bleiben. Die Japaner wer<strong>de</strong>n sich einige Tage<br />

lang nicht über <strong>die</strong> Abteilung zu sorgen beginnen, <strong>und</strong><br />

dann wird es noch einen Tag dauern, bis sie <strong>die</strong>ses Dorf<br />

erreichen. Wir können übermorgen hier abziehen, früh am<br />

Morgen. Das wird meinen Männern Zeit lassen, ihre<br />

Fußbekleidung herzurichten. Die Dinger, <strong>die</strong> wir tragen,<br />

kann ich nicht als Schuhe bezeichnen. Der Häuptling hier<br />

hat genug Material, <strong>und</strong> einige <strong>de</strong>r Frauen helfen uns,<br />

Sandalen anzufertigen. Wir waren so gut wie barfuß, als<br />

wir hier ankamen. Sollten <strong>die</strong> Japaner doch kommen,<br />

wer<strong>de</strong>n wir auf sie vorbereitet sein. Einige meiner Männer<br />

hacken zum Hauptpfad, <strong>de</strong>r zum japanischen Stützpunkt<br />

führt, einen Parallelpfad frei. Ich lasse ihn etwa<br />

fünfh<strong>und</strong>ert Schritt weit anlegen. Falls <strong>die</strong> Japaner<br />

kommen, wer<strong>de</strong>n wir eine Überraschung für sie haben."<br />

Die Besprechung en<strong>de</strong>te. Van Prins ging hinaus in <strong>de</strong>n<br />

Wald, um zu sehen, wie seine Männer mit <strong>de</strong>m Pfad<br />

vorankamen. Die an<strong>de</strong>ren Hollän<strong>de</strong>r begannen an ihren<br />

Sandalen zu arbeiten o<strong>de</strong>r reinigten ihre Waffen. Corrie<br />

hatte Jerry verstohlen beobachtet. Sie merkte, wie<br />

mürrisch er aussah, <strong>und</strong> daß er nur re<strong>de</strong>te, wenn er direkt<br />

angesprochen wur<strong>de</strong>; <strong>und</strong> dann nur kurz. Plötzlich kam sie<br />

auf <strong>de</strong>n Gedanken, er könnte krank sein. Sie war böse auf<br />

ihn gewesen, aber <strong>die</strong>ser Gedanke beseitigte ihren Ärger<br />

<strong>und</strong> erfüllte sie mit Mitleid. Sie ging hinüber zu <strong>de</strong>r<br />

Stelle, wo er allein saß.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Page 126 von 197


„Was ist los, Jerry?", fragte sie. „Sie sind doch nicht<br />

krank, o<strong>de</strong>r?"<br />

„Nein", sagte er. Er hatte sich in solch einen Zustand<br />

äußersten Elends hineingesteigert, daß er nicht einmal<br />

höflich sein konnte.<br />

Corrie sah ihn überrascht <strong>und</strong> verletzt an. Er bemerkte<br />

nicht <strong>de</strong>n Ausdruck ihres Gesichts, <strong>de</strong>nn er gab vor, mit<br />

<strong>de</strong>r Pistole beschäftigt zu sein. Er wußte, daß er kindisch<br />

war, <strong>und</strong> haßte sich dafür. Was zur Hölle ist los mit mir?<br />

dachte er. Corrie stand langsam auf <strong>und</strong> ging weg. Jerry<br />

dachte an Selbstmord. Er war ein Esel, <strong>und</strong> er wußte es.<br />

Aber Jerry war sehr jung <strong>und</strong> sehr verliebt. Er rammte <strong>de</strong>n<br />

letzten Teil seiner Pistole zornig an seinen Platz <strong>und</strong> stand<br />

auf.<br />

Corrie ging auf <strong>die</strong> kleine Hütte zu, <strong>die</strong> sie mit <strong>de</strong>m<br />

Eingeborenenmädchen Lara belegt hatte. Jerry eilte ihr<br />

nach. Er wollte ihr sagen, wie Leid es ihm tat. Als er <strong>de</strong>n<br />

Fuß <strong>de</strong>r Leiter erreichte, <strong>die</strong> in <strong>die</strong> Hütte hinauf führte,<br />

rief er ihr zu: „Corrie!" Sie hielt we<strong>de</strong>r an noch schaute<br />

sie zurück. Sie erkletterte <strong>die</strong> Leiter <strong>und</strong> verschwand im<br />

Eingang.<br />

Er wußte, daß sie ihn gehört hatte. Er wußte auch, daß<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> Bubonovitch <strong>und</strong> Rosetti <strong>die</strong> ganze Sache mit<br />

angesehen hatten. Auch van <strong>de</strong>r Bos, das war am<br />

schlimmsten von allem. Jerry fühlte, daß sein Gesicht<br />

brannte. Einen Moment lang stand er da <strong>und</strong> wußte nicht,<br />

was er tun sollte. Zur Hölle mit allen Frauen, dachte er.<br />

Dem Tod hatte er schon oft ins Angesicht geschaut, aber<br />

seinen Fre<strong>und</strong>en jetzt ins Gesicht zu schauen, war<br />

schlimmer. Es erfor<strong>de</strong>rte all seine Willenskraft, sich<br />

umzudrehen <strong>und</strong> zu ihnen zurückzugehen.<br />

Keiner sagte etwas, als er sich bei ihnen hinsetzte. Sie<br />

schienen ganz mit <strong>de</strong>m beschäftigt, was sie gera<strong>de</strong> taten.<br />

<strong>Tarzan</strong> durchbrach das Schweigen. „Ich wer<strong>de</strong> ausziehen<br />

<strong>und</strong> sehen, ob ich frisches Fleisch holen kann", sagte er.<br />

„Will jemand mit mir kommen?" Es<br />

war das erste Mal, daß er jeman<strong>de</strong>n gefragt hatte, ob er<br />

mit ihm zur Jagd kommen wollte. Sie alle wußten, daß er<br />

Jerry meinte.<br />

„Ja, wür<strong>de</strong> ich gern, falls sonst keiner möchte", sagte<br />

<strong>de</strong>r.<br />

„Kommen Sie mit", sagte <strong>Tarzan</strong>.<br />

Sie nahmen ihre Gewehre auf <strong>und</strong> gingen hinaus in <strong>de</strong>n<br />

Wald.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Bubonovitch <strong>und</strong> Rosetti saßen ein wenig abseits von<br />

<strong>de</strong>n Hollän<strong>de</strong>rn. „Das war nett von <strong>Tarzan</strong>", sagte jener.<br />

Page 127 von 197


„Jerry tat mir echt Leid. Ich frag' mich, was in Corrie<br />

gefahren ist."<br />

„Och, Hölle; sie sind alle gleich", sagte Rosetti.<br />

Bubonovitch schüttelte <strong>de</strong>n Kopf. „Das war gar nicht<br />

Corries Art - sie ist an<strong>de</strong>rs. Jerry muß etwas gesagt<br />

haben. Er ist so grantig wie ein Bär mit w<strong>und</strong>em Kopf."<br />

„Der Hollän<strong>de</strong>r isses", sagte Rosetti. „Er <strong>und</strong> Corrie<br />

sind ganz so." Er kreuzte <strong>de</strong>n Zeigefinger mit <strong>de</strong>m<br />

Mittelfinger. „Und ich hab' <strong>die</strong> ganze Zeit geglaubt, sie<br />

macht sich was aus'm Captain. Ich hab' dir's gesagt, daß<br />

es Ärger gibt, als wir das Weib aufgegabelt haben."<br />

„Du bist ja selber von ihr berückt wor<strong>de</strong>n, Shrimp."<br />

„Hab' sie in Ordnung gef<strong>und</strong>en. Angestellt hat sie wohl<br />

nix."<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> Jerry waren über eine St<strong>und</strong>e lang weg. Sie<br />

kehrten mit einem erlegten Hirsch zum Dorf zurück.<br />

<strong>Tarzan</strong> hatte ihn geschossen. Jerry war froh, daß er es<br />

nicht mußte. Natürlich war das Töten, um Nahrung zu<br />

bekommen, richtig, aber einen Hirsch tötete er nicht<br />

gern. Japaner zu töten, machte ihm nichts aus.<br />

A n d i e s e m A b e n d a ß C o r r i e d r ü b e n b e i d e n<br />

Hollän<strong>de</strong>rn. Sie hätte es nicht tun sollen <strong>und</strong> sie wußte es<br />

auch. Sie hätte weitermachen sollen, als wäre nichts<br />

geschehen. Nachher wünschte sie, sie hätte es getan,<br />

<strong>de</strong>nn sie erkannte, daß sie nun endgültig <strong>de</strong>n Bruch<br />

bestätigte. Es wür<strong>de</strong> schwierig sein, ihn wie<strong>de</strong>r zu kitten.<br />

Er wür<strong>de</strong> sich wahrscheinlich erweitern. Sie war äußerst<br />

unglücklich; <strong>de</strong>nn sie mochte <strong>die</strong>se Männer, mit <strong>de</strong>nen sie<br />

so viel durchgemacht hatte -<strong>de</strong>nen sie so viel schul<strong>de</strong>te.<br />

Es tat ihr jetzt Leid, daß sie nicht gewartet hatte, als Jerry<br />

ihr nachgerufen hatte.<br />

Sie beschloß, ihren Stolz hinunterzuschlucken <strong>und</strong> zu<br />

ihnen hinüberzugehen; aber als sie es tat, stand Jerry auf<br />

<strong>und</strong> ging weg. Also ging sie an ihnen vorbei <strong>und</strong> zu ihrer<br />

Hütte. Dort warf sie sich auf ihre Schlafmatten hin <strong>und</strong><br />

weinte. Zum ersten Mal seit Jahren weinte sie.<br />

Der Tag neigte sich seinem En<strong>de</strong> zu, <strong>und</strong> Amat war sehr<br />

mü<strong>de</strong>, als er <strong>de</strong>n japanischen Stützpunkt erreichte. Tief<br />

verbeugte er sich vor <strong>de</strong>m Wachtposten, <strong>de</strong>r ihn<br />

anhielt, <strong>und</strong> in <strong>de</strong>n wenigen<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

japanischen Worten, <strong>die</strong> er erlernt hatte, versuchte er zu<br />

erklären, daß er für <strong>de</strong>n befehlshaben<strong>de</strong>n Offizier<br />

wichtige Nachrichten hatte. Der Posten rief einen<br />

rekrutierten Offizier <strong>de</strong>r Wache, <strong>de</strong>r das Gebrabbel <strong>de</strong>s<br />

Eingeborenendialekts erlernt hatte; <strong>und</strong> ihm wie<strong>de</strong>rholte<br />

Page 128 von 197


Amat, was er <strong>de</strong>m Posten gesagt hatte. Beinahe vergaß er<br />

sich zu verbeugen.<br />

Der Sergeant brachte ihn zum Adjutanten, vor <strong>de</strong>m sich<br />

Amat drei Mal verbeugte. Als <strong>de</strong>r Sergeant berichtet<br />

hatte, verhörte <strong>de</strong>r Adjutant Amat, <strong>und</strong> was Amat ihm<br />

erzählte, erregte ihn ziemlich. Er verlor keine Zeit, Amat<br />

<strong>de</strong>m befehlshaben<strong>de</strong>n Offizier vorzuführen, einem Oberst<br />

Kanji Tajiro, vor <strong>de</strong>m sich Amat vier Mal verbeugte.<br />

Als <strong>de</strong>r Oberst erfuhr, daß vierzig seiner Männer<br />

getötet wor<strong>de</strong>n waren, raste er. Amat erzählte ihm auch<br />

genau, wie viele Weiße <strong>de</strong>r Gruppe in seinem Dorf<br />

angehörten. Er berichtete von <strong>de</strong>n Wachtposten draußen<br />

auf <strong>de</strong>n Pfa<strong>de</strong>n. Er berichtete von <strong>de</strong>m weißen Mädchen.<br />

Er berichtete alles.<br />

Tajiro erteilte Befehle, daß man Amat zu essen <strong>und</strong><br />

einen Schlafplatz geben sollte. Er befahl auch, daß zwei<br />

ganze Kompanien im Morgendämmern abmarschieren<br />

sollten, um das Dorf anzugreifen <strong>und</strong> <strong>die</strong> Weißen zu<br />

ver nichten. Er selbst wollte als Komman<strong>die</strong>ren<strong>de</strong>r<br />

mitgehen, <strong>und</strong> sie wür<strong>de</strong>n Amat mitnehmen. Hätte Amat<br />

das gewußt, hätte er nicht so gut geschlafen.<br />

Kapitel 21<br />

Beim Frühstück am nächsten Morgen war <strong>die</strong> Kluft<br />

abermals <strong>de</strong>utlich erkennbar. Die Hollän<strong>de</strong>r bereiteten<br />

<strong>und</strong> aßen ihres ein wenig abseits von <strong>de</strong>n Amerikanern<br />

<strong>und</strong> <strong>Tarzan</strong>. Der Englän<strong>de</strong>r wußte, daß das alles sehr<br />

falsch <strong>und</strong> ziemlich dumm war <strong>und</strong> daß <strong>die</strong> Moral <strong>de</strong>r<br />

ganzen Truppe beeinträchtigt wür<strong>de</strong>, wenn <strong>de</strong>r Zustand<br />

anhielt. Zu<strong>de</strong>m war je<strong>de</strong>nfalls auch er nicht begeistert, da<br />

es so offensichtlich war, daß <strong>die</strong> bei<strong>de</strong>n Anführer, <strong>die</strong><br />

dafür verantwortlich waren, so sehr in einan<strong>de</strong>r verliebt<br />

waren. Daß sie verliebt waren, wußte er; <strong>de</strong>nn nur<br />

Menschen, <strong>die</strong> sehr verliebt sind, behan<strong>de</strong>ln einan<strong>de</strong>r so<br />

gräßlich.<br />

Nach<strong>de</strong>m sie gegessen hatten, gingen <strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong><br />

Amerikaner in <strong>de</strong>n Wald, um <strong>de</strong>n Pfad anzusehen, <strong>de</strong>n <strong>die</strong><br />

Hollän<strong>de</strong>r ausgehackt hatten. Sie stellten fest, daß er<br />

gegen <strong>de</strong>n Hauptpfad hin hervorragend Deckung bot,<br />

aber <strong>Tarzan</strong> meinte, <strong>de</strong>r Wachtposten sei nicht weit genug<br />

entfernt vom an<strong>de</strong>ren En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Pfa<strong>de</strong>s.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Captain van Prins hatte vier Männer auf <strong>die</strong>sen Posten<br />

gestellt <strong>und</strong> ihnen befohlen, <strong>die</strong> Japaner so lang wie<br />

möglich aufzuhalten, falls sie kämen, <strong>und</strong> langsam<br />

zurückzuweichen, damit <strong>die</strong> Haupttruppe <strong>de</strong>r Guerillas<br />

Page 129 von 197


ausreichend Zeit fän<strong>de</strong>, vom Dorf vorzurücken <strong>und</strong> <strong>de</strong>n<br />

Hinterhalt vorzubereiten.<br />

„Ich glaube, er sollte einen Mann sehr viel weiter<br />

voraus haben", sagte <strong>Tarzan</strong> zu Jerry, „<strong>und</strong> wenigstens<br />

seine halbe Truppe ständig auf <strong>die</strong>sem Parallelpfad<br />

stationieren. Er ist auf Überraschungen nicht vorbereitet,<br />

<strong>und</strong> er rechnet nicht mit <strong>de</strong>r List, <strong>die</strong> <strong>de</strong>n Japanern zu<br />

Eigen ist."<br />

„Die wer<strong>de</strong>n einen Mann als Vorhut haben", sagte<br />

Jerry. „Er wird gut getarnt sein, <strong>und</strong> er wird wie eine<br />

Schlange durch <strong>de</strong>n Dschungel kriechen. Er wird <strong>die</strong><br />

Burschen auf <strong>die</strong>sem Posten sehen <strong>und</strong> dann zurückgehen<br />

u n d s i e m e l d e n . S e h r b a l d w e rd e n e i n i g e m e h r<br />

heranschleichen <strong>und</strong> ein paar Granaten werfen. Das wird<br />

das En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Wächter be<strong>de</strong>uten, <strong>und</strong> <strong>die</strong> Japaner wer<strong>de</strong>n<br />

das Dorf stürmen, bevor van Prins seine Männer hier<br />

draußen im Hinterhalt hat."<br />

„Kehren wir zurück <strong>und</strong> re<strong>de</strong>n wir mit ihm", schlug<br />

<strong>Tarzan</strong> vor.<br />

Kurz nach <strong>de</strong>m Frühstück hatte Lara Corrie aufgesucht.<br />

„Ich habe eben ent<strong>de</strong>ckt", sagte sie, „daß Amat letzte<br />

Nacht nicht ins Dorf zurückgekommen ist. Er ist gestern<br />

weggegangen. Ich kenne ihn. Er ist ein schlechter<br />

Mensch. Ich bin sicher, er ist zu <strong>de</strong>m großen<br />

japanischen Camp gegangen <strong>und</strong> hat alles gemel<strong>de</strong>t, was<br />

gestern hier geschehen ist."<br />

Corrie wie<strong>de</strong>rholte das vor van Prins, als <strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong><br />

Jerry zurückkehrten. Der Hollän<strong>de</strong>r rief sie herbei; <strong>und</strong> als<br />

sie kamen, ging Corrie weg. Van Prins berichtete ihnen<br />

von Laras Warnung, <strong>und</strong> <strong>Tarzan</strong> unterbreitete ihm <strong>de</strong>n<br />

Plan, <strong>de</strong>n er <strong>und</strong> Jerry besprochen hatten.<br />

„Ich glaube, ich wer<strong>de</strong> <strong>de</strong>n Großteil <strong>de</strong>r Truppe dort<br />

draußen hinstellen", sagte van Prins. „Ich wer<strong>de</strong> nur ein<br />

Empfangskomitee hier lassen, falls einige zum Dorf her<br />

durchbrechen."<br />

„Es wäre vielleicht eine gute I<strong>de</strong>e, Ihre Wachen ganz<br />

abzuziehen", schlug Jerry vor. „Dann wür<strong>de</strong>n <strong>die</strong> Japaner<br />

völlig unvorbereitet in <strong>de</strong>n Hinterhalt laufen."<br />

„Ich weiß nicht recht", sagte van Prins. „Ich selbst<br />

hätte schon gern etwas Vorwarnung, sonst könnten wir<br />

<strong>die</strong>jenigen sein, <strong>die</strong> überrascht wür<strong>de</strong>n."<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

<strong>Tarzan</strong> war an<strong>de</strong>rer Meinung, aber er sagte: „Ich wer<strong>de</strong><br />

Ihnen <strong>die</strong> Vorwarnung viel früher überbringen, als Ihre<br />

Wachen es könnten. Ich wer<strong>de</strong> vier o<strong>de</strong>r fünf Meilen weit<br />

voraus sein, <strong>und</strong> wenn <strong>die</strong> Japaner auftauchen, wer<strong>de</strong> ich<br />

Page 130 von 197


lange, bevor sie Ihren Hinterhalt erreichen, mit <strong>de</strong>r<br />

Nachricht zurück sein."<br />

„Aber angenommen, sie sehen Sie?"<br />

„Wer<strong>de</strong>n sie nicht."<br />

„Sie sind Ihrer selbst ziemlich sicher, Sir", sagte <strong>de</strong>r<br />

Hollän<strong>de</strong>r mit einem Lächeln.<br />

„Das bin ich."<br />

„Ich will Ihnen sagen, was wir machen", sagte van<br />

Prins. „Nur um uns doppelt abzusichern, wer<strong>de</strong> ich meine<br />

Wächter draußen belassen. Ich wer<strong>de</strong> ihnen sagen, daß<br />

Sie sie herbeor<strong>de</strong>rn, wenn Sie zurückkehren. Wie war'<br />

das?"<br />

„Schön", sagte <strong>Tarzan</strong>. „Ich wer<strong>de</strong> jetzt hinausgehen,<br />

<strong>und</strong> Sie können Ihre Männer getarnt für <strong>de</strong>n Hinterhalt<br />

aufstellen. Okay?"<br />

„Okay", sagte van Prins.<br />

Ta r z a n s c h w a n g s i c h a u f d i e B ä u m e u n d w a r<br />

verschw<strong>und</strong>en. Der Hollän<strong>de</strong>r schüttelte <strong>de</strong>n Kopf.<br />

„Hätte ich ein Bataillon von seiner Sorte, könnte ich<br />

fast <strong>die</strong> Japaner von <strong>die</strong>ser Insel vertreiben."<br />

Jerry, Bubonovitch <strong>und</strong> Rosetti gingen, schwer bela<strong>de</strong>n<br />

mit Munition <strong>und</strong> Handgranaten, <strong>de</strong>n Guerillas zum<br />

Hinterhalt voraus. Sie gelangten ans an<strong>de</strong>re En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s<br />

Parallelpfa<strong>de</strong>s <strong>und</strong> begannen es<br />

sich bequem zu machen <strong>und</strong> sich auch zu tarnen. Mit Laub<br />

<strong>und</strong> Ranken be<strong>de</strong>ckten sie Köpfe <strong>und</strong> Schultern, bis sie<br />

wie ein Teil <strong>de</strong>s umgeben<strong>de</strong>n Dschungels wirkten. Auch<br />

wenn es da nicht einige Fuß weit Dickicht zwischen ihnen<br />

<strong>und</strong> <strong>de</strong>m Hauptpfad gegeben hätte, hätte ein Feind<br />

gera<strong>de</strong> gleich vor ihnen sein müssen, ehe er sie<br />

ent<strong>de</strong>cken konnte.<br />

Die Guerillas waren bald an ihren Stellungen <strong>und</strong><br />

tarnten sich eifrig. Captain van Prins lief <strong>de</strong>n Hauptpfad<br />

hin <strong>und</strong> her, um <strong>die</strong> Wirksamkeit <strong>de</strong>r Tarnung eines je<strong>de</strong>n<br />

Mannes zu überprüfen. Schließlich erteilte er seine<br />

Befehle.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

„Schießt nicht, bevor ihr ent<strong>de</strong>ckt wer<strong>de</strong>t; dann fangt<br />

damit an. Ein paar Männer an <strong>de</strong>r vor<strong>de</strong>rsten Linie können<br />

Granaten einsetzen, wenn sie sie weit genug werfen<br />

können, ohne unsere eigenen Leute zu gefähr<strong>de</strong>n.<br />

Dasselbe gilt für ein paar am entgegengesetzten En<strong>de</strong>,<br />

falls einige Japaner an uns vorbei kommen. Versucht, <strong>die</strong><br />

Japaner direkt vor euch zu erwischen. Falls sich alles so<br />

entwickelt wie ich hoffe, wird je<strong>de</strong>r von euch Japaner vor<br />

Page 131 von 197


sich haben, wenn ich das Zeichen zum Feuern gebe. Noch<br />

Fragen?"<br />

„Nein. Wir mögen selbst in einen Hinterhalt geraten.<br />

Alles, was ich will, ist ihnen etwas Vergeltung zu<br />

verpassen <strong>und</strong> eine Höllenangst vor uns Hollän<strong>de</strong>rn." Er<br />

kam etwa zur Mitte <strong>de</strong>r Linie <strong>und</strong> bezog dort Stellung.<br />

Jerry ent<strong>de</strong>ckte bald, daß van <strong>de</strong>r Bos neben ihm<br />

eingereiht war. Tak hatte wenig zuvor ein kurzes Gespräch<br />

mit Corrie gehabt. „Was ist los zwischen dir <strong>und</strong> Jerry?",<br />

hatte er gefragt.<br />

„Ich wüßte nicht, daß da etwas los wäre."<br />

„Oh ja, es ist so. Was stimmt nicht mit ihm?"<br />

„Es interessiert mich nicht, was mit ihm nicht stimmt.<br />

Ich bin überhaupt an ihm nicht interessiert. Er ist ein<br />

Flegel, <strong>und</strong> Flegel interessieren mich nicht."<br />

Aber Tak wußte, daß sie sich interessierte, <strong>und</strong> plötzlich<br />

ging ihm ein Licht auf, was da los war. Wie ein Blitz<br />

durchzuckte es ihn <strong>und</strong> verursachte ihn, einen erstaunten<br />

Pfiff auszustoßen.<br />

„Weshalb pfeifst du?", hatte Corrie gefragt.<br />

„Ich habe vor Staunen gepfiffen, daß es so viele<br />

verflixte Narren auf <strong>de</strong>r Welt gibt."<br />

„Meinst du mich?"<br />

„Ich meine dich <strong>und</strong> Jerry <strong>und</strong> mich selbst."<br />

„Pfeif, wenn's dir Spaß macht, aber kümmere dich um<br />

<strong>de</strong>in eigenes Zeug."<br />

Tak stupste sie unters Kinn <strong>und</strong> grinste; dann ging er<br />

mit van Prins hinaus in <strong>de</strong>n Wald.<br />

Jerry war nicht eben begeistert, van <strong>de</strong>r Bos neben sich<br />

zu haben. Von allen Leuten, <strong>die</strong> ihm eingefallen wären,<br />

war van <strong>de</strong>r Bos <strong>de</strong>rjenige, mit <strong>de</strong>m er am wenigsten<br />

vertraulich wer<strong>de</strong>n wollte. Er hoffte, <strong>de</strong>r Bursche wür<strong>de</strong><br />

nicht versuchen, ein Gespräch in Gang zu bringen.<br />

„Na, ich glaube, wir wer<strong>de</strong>n uns auf ein langes Warten<br />

einrichten müssen", sagte van <strong>de</strong>r Bos.<br />

Jerry brummte.<br />

Da Jerry ihn nicht anschaute, erlaubte sich van <strong>de</strong>r Bos<br />

<strong>de</strong>n Luxus eines Grinsens. „Corrie wollte herauskommen<br />

<strong>und</strong> mitkämpfen", sagte er, „aber van Prins <strong>und</strong> ich haben<br />

ihr <strong>die</strong>se I<strong>de</strong>e ausgetrieben."<br />

„Sehr gut", sagte Jerry.<br />

„Corrie ist ein großartiges kleines Mädchen", fuhr van<br />

<strong>de</strong>r Bos fort. „Wir kennen uns schon das ganze Leben<br />

lang. Sie <strong>und</strong> meine Frau sind Fre<strong>und</strong>innen, seit wir alle<br />

uns erinnern können. Corrie ist ganz wie eine Schwester<br />

für uns."<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Page 132 von 197


Es war still. Van <strong>de</strong>r Bos unterhielt sich großartig. Jerry<br />

auch, <strong>und</strong> doch wie<strong>de</strong>r nicht. Endlich sagte er: „Ich hab'<br />

nicht gewußt, daß Sie verheiratet sind."<br />

„Das wur<strong>de</strong> mir auch erst vor ein paar Minuten<br />

bewußt", sagte van <strong>de</strong>r Bos.<br />

Jerry hielt ihm <strong>die</strong> Hand hin. „Danke", sagte er. „Ich<br />

bin ein gottverdammter Narr."<br />

„Schon recht", sagte van <strong>de</strong>r Bos.<br />

„Ist Ihre Frau davongekommen?"<br />

„Ja. Wir haben versucht, <strong>de</strong>n alten van <strong>de</strong>r Meer dazu<br />

zu bringen, auch Corrie <strong>und</strong> ihre Mutter wegzuschicken;<br />

aber <strong>de</strong>r sture alte Narr wollte nicht. Gott! Was für einen<br />

Preis hat er dafür bezahlt. Der Starrsinn <strong>die</strong>ses Mannes<br />

war auf <strong>de</strong>r ganzen Insel berüchtigt. Er kostete ihn<br />

genüßlich aus. Davon abgesehen war er ein sehr netter<br />

Mensch."<br />

„Meinen Sie, daß Corrie etwas von <strong>de</strong>r Sturheit ihres<br />

Vaters geerbt hat?", fragte Jerry besorgt.<br />

„Wür<strong>de</strong> mich nicht überraschen." Van <strong>de</strong>r Bos<br />

unterhielt sich königlich. Er mochte <strong>die</strong>sen Amerikaner,<br />

doch war ihm danach, ihn ein wenig zu bestrafen.<br />

Bubonovitch <strong>und</strong> Rosetti bemerkten mit<br />

wachsen<strong>de</strong>r<br />

Verw<strong>und</strong>erung <strong>die</strong> Herzlichkeit, <strong>die</strong> sich zwischen Jerry<br />

<strong>und</strong> van <strong>de</strong>r Bos entwickelte. Als <strong>de</strong>r Tag voranschritt,<br />

merkten sie auch, daß „<strong>de</strong>r Alte" mehr <strong>und</strong> mehr wie<strong>de</strong>r<br />

er selbst wur<strong>de</strong>.<br />

Dazu äußerten sie sich auch. „Er wird fast wie<strong>de</strong>r<br />

menschlich", flüsterte Rosetti.<br />

D a s G e s p r ä c h w u r d e d u r c h Ta r z a n s R ü c k k e h r<br />

unterbrochen. Er suchte van Prins auf. „Eure kleinen<br />

braunen Vettern kommen", sagte er. „Sie sind etwa zwei<br />

Meilen weit entfernt. Es sind zwei ganze Kompanien, wie<br />

ich schätze. Sie haben leichte Maschinengewehre <strong>und</strong><br />

<strong>die</strong>se niedlichen kleinen Mörser, wie sie in Gebrauch sind.<br />

Ein Oberst führt sie an. Sie haben eine Vorhut von drei<br />

Mann nur h<strong>und</strong>ert Schritt vor sich. Ihre Wachtposten<br />

kommen zurück zu uns."<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

„Da haben Sie wirklich gute Arbeit geleistet, Sir", sagte<br />

van Prins. „Ich kann Ihnen nicht genug danken." Er<br />

wandte sich zu <strong>de</strong>n Männern neben ihm. „Gebt weiter,<br />

daß jetzt nicht mehr gere<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n darf. Der Feind wird<br />

in fünf<strong>und</strong>dreißig o<strong>de</strong>r vierzig Minuten da sein." Er<br />

wandte sich wie<strong>de</strong>r an <strong>Tarzan</strong>. „Verzeihen Sie, Sir", sagte<br />

er, „aber sie sind nicht braun. Die Bastar<strong>de</strong> sind gelb."<br />

Page 133 von 197


Groen <strong>de</strong> Lettenhove war <strong>die</strong> Führung <strong>de</strong>r Guerillas<br />

überlassen, <strong>die</strong> im Dorf zurückgeblieben waren. Er<br />

versuchte Corrie zu überre<strong>de</strong>n, einen sicheren Platz<br />

a u f z u s u c h e n , f a l l s e i n i g e d e r F e i n d e z u m D o r f<br />

durchzubrechen vermochten.<br />

„Sie wer<strong>de</strong>n je<strong>de</strong>n Schützen brauchen, <strong>de</strong>n Sie kriegen<br />

können", konterte sie; „<strong>und</strong> außer<strong>de</strong>m habe ich meine<br />

Rechnung mit <strong>de</strong>n Japanern noch nicht beglichen."<br />

„Aber Sie könnten getötet o<strong>de</strong>r verw<strong>und</strong>et wer<strong>de</strong>n,<br />

Corrie."<br />

„Wie auch Sie <strong>und</strong> Ihre Männer. Vielleicht sollten wir<br />

alle gehen <strong>und</strong> uns verstecken."<br />

„Es ist hoffnungslos mit Ihnen", sagte er. „Ich hätte es<br />

besser wissen müssen, als daß ich mit einer Frau streite."<br />

„Denken Sie von mir nicht wie von einer Frau. Ich bin<br />

ein weiterer Schütze, <strong>und</strong> ich bin ein Veteran. Außer<strong>de</strong>m<br />

bin ich verdammt gut im Schießen."<br />

Das Gespräch wur<strong>de</strong> von ausbrechen<strong>de</strong>m Gewehrfeuer<br />

aus <strong>de</strong>m Wald unterbrochen.<br />

Kapitel 22<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Jerry war <strong>de</strong>r Erste, <strong>de</strong>r <strong>die</strong> auftauchen<strong>de</strong>n Japaner<br />

sah, da er zufällig in einer Position war, <strong>die</strong> ihn <strong>de</strong>n Pfad<br />

über h<strong>und</strong>ert Fuß weit überblicken ließ, bis dorthin, wo er<br />

direkt vor ihm nach rechts zum Dorf hin abbog. Es waren<br />

<strong>die</strong> drei Männer <strong>de</strong>r Vorhut. Sie kamen vorsichtig näher<br />

<strong>und</strong> beobachteten <strong>de</strong>n Pfad vor ihnen. Offensichtlich<br />

waren sie sich so sicher, ihr Angriff käme überraschend,<br />

daß sie <strong>die</strong> Möglichkeit eines Hinterhalts nicht einmal<br />

erwogen. Dem Dschungel bei<strong>de</strong>rseits <strong>de</strong>s Pfa<strong>de</strong>s<br />

schenkten sie keine Aufmerksamkeit. An <strong>de</strong>n Männern,<br />

<strong>die</strong> <strong>die</strong> Haupttruppe abwarteten, kamen sie vorbei <strong>und</strong><br />

erreichten <strong>de</strong>n Waldrand. Das Dorf lag unter ihnen. Es<br />

schien verlassen. Die Guerillas, <strong>die</strong> in <strong>und</strong> hinter <strong>de</strong>n<br />

Hütten verborgen lagen, sahen sie <strong>und</strong> warteten ab.<br />

Bald sah Jerry <strong>die</strong> Haupttruppe auftauchen. Der Oberst<br />

marschierte mit erhobenem Samurai-Schwert an <strong>de</strong>r<br />

Spitze <strong>de</strong>r Kolonne. Hinter ihm latschte Amat, <strong>und</strong> hinter<br />

Amat ging ein Soldat, <strong>de</strong>ssen Bajonettspitze auf eine<br />

Niere <strong>de</strong>s Eingeborenen gerichtet war. Offenbar hatte<br />

Amat versucht, irgendwo entlang <strong>de</strong>r Strecke zu<br />

<strong>de</strong>sertieren. Glücklich sah er nicht aus. Shrimp sah ihn<br />

Page 134 von 197


vorbeikommen, <strong>und</strong> im Stillen ermahnte er seinen<br />

Abzugsfinger gehorsam zu bleiben.<br />

Am Schluß <strong>de</strong>r Truppe häuften sich <strong>die</strong> Männer aus <strong>de</strong>r<br />

ersten Kompanie. Sie hatten zu einer kompakten Masse<br />

aufgeschlossen, als <strong>die</strong> Spitze <strong>de</strong>r Kolonne an <strong>de</strong>r Stelle<br />

am Waldrand angehalten hatte. Dann feuerte van Prins,<br />

<strong>und</strong> unverzüglich entlud sich eine tödliche Salve in <strong>die</strong><br />

Reihen <strong>de</strong>s überraschten Fein<strong>de</strong>s. In rascher Folge<br />

schleu<strong>de</strong>rte Jerry drei Granaten auf <strong>de</strong>n hinteren Pfad<br />

hinab, mitten in <strong>die</strong> zweite Kompanie.<br />

Die Japaner schössen wild in <strong>de</strong>n Dschungel hinein;<br />

dann wandten sich einige Unverletzte zum Rückzug um.<br />

Ein paar sprangen mit vorgesteckten Bajonetten ins<br />

Dickicht, im Versuch, in <strong>de</strong>n Nahkampf mit <strong>de</strong>n Weißen zu<br />

gelangen. Shrimp genoß <strong>de</strong>n Tag auf <strong>de</strong>m Schlachtfeld.<br />

Er knallte <strong>die</strong> Japaner ab, so schnell er schießen konnte,<br />

bis sein Gewehr so heiß wur<strong>de</strong>, daß es blockierte.<br />

Unter jenen, <strong>die</strong> sich wahnsinnig zur Flucht beeilten,<br />

waren <strong>de</strong>r Oberst <strong>und</strong> Amat. Wie durch ein W<strong>und</strong>er waren<br />

sie bisher unversehrt davongekommen. Der Oberst<br />

kreischte auf Japanisch, was Amat nicht verstehen konnte;<br />

aber er hatte zurückgeschaut <strong>und</strong> erkannt, daß <strong>de</strong>r Oberst<br />

Mordabsichten gegen ihn hegte. Während er floh,<br />

schrie Amat. Es hätte ihn tief verletzt zu wissen, daß ihn<br />

<strong>de</strong>r Oberst beschuldigte, sie in verräterischer Weise in<br />

einen Hinterhalt geführt zu haben, <strong>und</strong> <strong>die</strong>s <strong>de</strong>r Gr<strong>und</strong><br />

dafür war, daß er Amat umbringen wollte.<br />

Rosetti sah sie eben, als sie ihm in <strong>die</strong> Quere kamen.<br />

„Nix zu machen, Gelbbauch", schrie er. „Den Kerl<br />

verspeis' ich selber. Den bringt mir keiner um, wenn ich's<br />

verhin<strong>de</strong>rn kann." Dann erschoß er <strong>de</strong>n Oberst mit seiner<br />

Pistole. Er gab einen weiteren Schuß auf Amat ab <strong>und</strong><br />

verfehlte ihn. „Verhunzt!", sagte Rosetti, als <strong>de</strong>r panische<br />

E i n g e b o r e n e w e i t e r v o r n a m P f a d i m D i c k i c h t<br />

untertauchte.<br />

Der Überrest <strong>de</strong>r japanischen Streitmacht floh in<br />

völligem Durcheinan<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>n Wald, ihre Toten <strong>und</strong><br />

Verw<strong>und</strong>eten ließen sie zurück. Van Prins teilte eine<br />

Anzahl von Männern als Rücken<strong>de</strong>ckung ein, an<strong>de</strong>re zum<br />

Einsammeln <strong>de</strong>r feindlichen Waffen <strong>und</strong> Munition, <strong>und</strong><br />

<strong>de</strong>n Rest dazu, <strong>die</strong> verw<strong>und</strong>eten Japaner <strong>und</strong> ihre<br />

eigenen ins Dorf zu tragen.<br />

Im nächsten Moment erschoß ein verw<strong>und</strong>eter Japaner<br />

<strong>de</strong>n Hollän<strong>de</strong>r, <strong>de</strong>r ihm zu helfen versuchte. Kurz darauf<br />

gab es keine verw<strong>und</strong>eten Japaner mehr.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Page 135 von 197


Bubonovitch <strong>und</strong> Rosetti, <strong>die</strong> auf <strong>de</strong>n Pfad hinaus<br />

gesprungen waren, um auf <strong>die</strong> fliehen<strong>de</strong>n Fein<strong>de</strong> zu<br />

schießen, halfen beim Einsammeln <strong>de</strong>r zurückgelassenen<br />

japanischen Waffen <strong>und</strong> Munition. Plötzlich hielt Rosetti<br />

inne <strong>und</strong> schaute um sich. „Wo ist <strong>de</strong>r Captain?", fragte<br />

er.<br />

Jerry war nirgends zu sehen. Die bei<strong>de</strong>n Männer<br />

kämpften sich zurück durchs Gestrüpp, wo sie ihn zuletzt<br />

gesehen hatten. Dort fan<strong>de</strong>n sie ihn. Er lag auf <strong>de</strong>m<br />

Rücken, sein Hemd war über <strong>de</strong>r linken Brust von Blut<br />

durchtränkt. Die bei<strong>de</strong>n Männer knieten sich neben ihn.<br />

„Er ist nicht tot", sagte Rosetti. „Er atmet."<br />

„Er darf nicht sterben", sagte Bubonovitch.<br />

„Ein großes Wort, Soldat", sagte Rosetti.<br />

Sehr vorsichtig hoben sie ihn hoch <strong>und</strong> machten sich<br />

auf <strong>de</strong>n Rückweg ins Dorf. Die Hollän<strong>de</strong>r brachten von<br />

<strong>de</strong>n ihren drei Tote <strong>und</strong> fünf Verw<strong>und</strong>ete zurück.<br />

<strong>Tarzan</strong> sah <strong>die</strong> zwei Sergeanten Jerry tragen. Er kam<br />

herbei <strong>und</strong> sah <strong>de</strong>n Bewußtlosen an. „Schlimm?", fragte<br />

er.<br />

„Das fürchte ich, Sir", sagte Bubonovitch. Sie gingen<br />

weiter <strong>und</strong> ließen <strong>Tarzan</strong> zurück.<br />

Als <strong>die</strong> Männer mit ihrer traurigen Last das Dorf<br />

betraten, kamen<br />

ihnen <strong>die</strong> Zurückgebliebenen entgegen. Die Toten<br />

wur<strong>de</strong>n in einer Reihe hingebettet <strong>und</strong> mit Schlafmatten<br />

be<strong>de</strong>ckt. Die Verw<strong>und</strong>eten legte man in <strong>de</strong>n Schatten <strong>de</strong>r<br />

Bäume. Unter <strong>de</strong>n Guerillas gab es einen Arzt. Er hatte<br />

we<strong>de</strong>r Arzneien noch Betäubungsmittel. Er tat einfach<br />

sein Möglichstes, <strong>und</strong> Corrie half ihm. Am Rand <strong>de</strong>s<br />

Dschungels hoben Männer bereits Gräber für <strong>die</strong> drei<br />

Toten aus. Eingeborene Frauen kochten Wasser, um darin<br />

Verbandszeug zu sterilisieren. Bubonovitch <strong>und</strong> Rosetti<br />

saßen neben Jerry, als schließlich <strong>de</strong>r Arzt <strong>und</strong> Corrie zu<br />

ihm kamen. Als Corrie sah, wer es war, erbleichte sie <strong>und</strong><br />

rang plötzlich nach Atem. Sowohl Bubonovitch als auch<br />

Rosetti beobachteten sie. Ihre Reaktion besagte mehr, als<br />

es Worte vermocht hätten; <strong>de</strong>nn Worte wer<strong>de</strong>n manchmal<br />

ausgesprochen, um irrezuführen.<br />

Mit Hilfe <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n Sergeanten <strong>und</strong> Corries, <strong>die</strong> alle<br />

etwas für <strong>de</strong>n Mann zu tun versuchten, <strong>de</strong>r ihnen teuer<br />

war, entfernte <strong>de</strong>r Arzt Jerrys Hemd <strong>und</strong> untersuchte <strong>die</strong><br />

W<strong>und</strong>e sorgfältig.<br />

„Ist es sehr schlimm?", fragte Corrie.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Page 136 von 197


„Ich glaube nicht", antwortete <strong>de</strong>r Arzt. ,Es ging<br />

bestimmt am Herz vorbei, <strong>und</strong> ich bin sicher, auch an <strong>de</strong>r<br />

Lunge. Er hat nicht mehr weiter geblutet, o<strong>de</strong>r,<br />

Sergeant?"<br />

„Nein", sagte Bubonovitch.<br />

„Er hat hauptsächlich einen Schock erlitten <strong>und</strong> lei<strong>de</strong>t<br />

an Blutverlust. Ich glaube, er wird wie<strong>de</strong>r in Ordnung<br />

kommen. Helft mir beim Umdrehen - sehr vorsichtig<br />

jetzt."<br />

I n J e r r y s R ü c k e n , g e r a d e u n t e r s e i n e m l i n k e n<br />

Schulterblatt, war ein kleines r<strong>und</strong>es Loch. Es hatte nicht<br />

viel geblutet.<br />

„Er muß unter einem Glücksstern geboren sein", sagte<br />

<strong>de</strong>r Arzt. „Wir brauchen nichts aufschnei<strong>de</strong>n, <strong>und</strong> das ist<br />

gut; <strong>de</strong>nn ich habe keine Instrumente. Die Kugel drang<br />

glatt durch, wie ein scharfer Pfiff." Er wusch <strong>die</strong> W<strong>und</strong>en<br />

mit sterilem Wasser aus <strong>und</strong> verband sie locker. „Das ist<br />

alles, was ich tun kann", sagte er. „Einer von euch soll bei<br />

ihm bleiben. Wenn er zu sich kommt, seht, daß er still<br />

hält."<br />

„Ich wer<strong>de</strong> bleiben", sagte Corrie.<br />

„Ihr Männer könnt mir dort drüben helfen, wenn ihr<br />

wollt", sagte <strong>de</strong>r Arzt.<br />

„Wenn Sie uns brauchen, Miß, einfach rufen", sagte<br />

Rosetti.<br />

Corrie saß neben <strong>de</strong>m verw<strong>und</strong>eten Mann <strong>und</strong> benetzte<br />

sein Gesicht mit kühlem Wasser. Sie wußte nicht, was sie<br />

sonst tun könnte, aber sie wußte, daß sie etwas für ihn<br />

tun wollte. Was für eine<br />

geringfügige Verbitterung auch immer sie ihm gegenüber<br />

empf<strong>und</strong>en hatte, sie war ihr angesichts seines Blutes <strong>und</strong><br />

seiner Hilflosigkeit ausgelöscht wor<strong>de</strong>n. Bald seufzte er<br />

<strong>und</strong> schlug <strong>die</strong> Augen auf. Er zwinkerte ein paar Mal mit<br />

ihnen, mit einem Ausdruck <strong>de</strong>r Ungläubigkeit darin, als er<br />

das Gesicht <strong>de</strong>s Mädchens nahe über <strong>de</strong>m seinen sah.<br />

Dann lächelte er, langte hoch <strong>und</strong> drückte ihre Hand.<br />

„Du kommst wie<strong>de</strong>r in Ordnung, Jerry", sagte sie.<br />

„Ich bin jetzt schon in Ordnung", sagte er.<br />

Er hatte ihre Hand nur eine Sek<strong>und</strong>e lang gehalten.<br />

Nun nahm sie seine <strong>und</strong> streichelte sie. Sie lächelten<br />

einan<strong>de</strong>r nur an. Die Welt war ganz in Ordnung.<br />

Captain van Prins ließ für <strong>die</strong> Verw<strong>und</strong>eten Tragen<br />

bauen. Er kam herüber, um nach Jerry zu sehen. „Wie<br />

fühlen Sie sich?", fragte er.<br />

„Gut."<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Page 137 von 197


„Schön. Ich habe beschlossen, daß wir hier so bald wie<br />

möglich abziehen. Ziemlich sicher wer<strong>de</strong>n <strong>die</strong> Japaner<br />

heute Nacht zu uns zurückschleichen, <strong>und</strong> das ist kein<br />

Ort, <strong>de</strong>n man erfolgreich verteidigen kann. Ich kenne<br />

einen, auf <strong>de</strong>n das doch zutrifft. Wir können ihn in zwei<br />

Märschen erreichen. Sobald <strong>die</strong> Tragen fertig <strong>und</strong> unsere<br />

Toten begraben sind, ziehen wir hier ab. Ich wer<strong>de</strong> <strong>de</strong>n<br />

Eingeborenen eine Lektion erteilen <strong>und</strong> das Dorf<br />

nie<strong>de</strong>rbrennen. Diese Leute haben mit <strong>de</strong>m Feind<br />

koUaboriert. Sie müssen bestraft wer<strong>de</strong>n."<br />

„Oh nein!", rief Corrie. „Das wäre äußerst ungerecht.<br />

Sie wür<strong>de</strong>n <strong>die</strong> Unschuldigen mit <strong>de</strong>n Schuldigen<br />

bestrafen. Nehmen Sie Lara, beispielsweise. Sie hat uns<br />

zwei Mal geholfen. Sie hat mir erzählt, daß es hier nur<br />

zwei Leute gibt, <strong>die</strong> zu <strong>de</strong>n Japanern halten - <strong>de</strong>n<br />

Häuptling <strong>und</strong> Amat. Es wäre grausam, <strong>die</strong> Häuser jener<br />

nie<strong>de</strong>rzubrennen, <strong>die</strong> loyal sind. Be<strong>de</strong>nken Sie - wäre Lara<br />

nicht gewesen, hätten uns <strong>die</strong> Japaner wohl überrascht."<br />

„Ich schätze, Sie haben Recht, Corrie", sagte Prins.<br />

„Je<strong>de</strong>nfalls haben Sie mich auf eine bessere I<strong>de</strong>e<br />

gebracht."<br />

Er ging weg, <strong>und</strong> zehn Minuten später wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r<br />

Häuptling aus <strong>de</strong>m Dorf gebracht <strong>und</strong> von einem<br />

Erschießungskommando erschossen.<br />

Die Guerillas versammelten sich um <strong>die</strong> Gräber ihrer<br />

Toten. Der Doktor sprach ein kurzes Gebet, drei Salven<br />

w u r d e n a b g e f e u e r t , u n d d i e G r ä b e r w u r d e n<br />

zugeschaufelt. Man legte <strong>die</strong> Verw<strong>und</strong>eten auf<br />

<strong>die</strong> Tragen, <strong>die</strong> Nachhut marschierte ins Dorf, <strong>und</strong> <strong>die</strong><br />

kleine Kompanie war fertig zum Abzug.<br />

Jerry beschwerte sich, weil er getragen wur<strong>de</strong>, <strong>und</strong><br />

beharrte darauf, gehen zu können. Bubonovitch, Rosetti<br />

<strong>und</strong> Corrie versuchten es ihm auszure<strong>de</strong>n, als <strong>de</strong>r Arzt<br />

herbeikam. „Was geht da vor?", fragte er. Sie sagten es<br />

ihm. „Sie bleiben auf <strong>die</strong>ser Trage, junger Mann", sagte<br />

er zu Jerry, <strong>und</strong> zu Bubonovitch <strong>und</strong> Rosetti: „Wenn er<br />

abzusteigen versucht, bin<strong>de</strong>t ihn nie<strong>de</strong>r."<br />

Jerry grinste. „Ich wer<strong>de</strong> brav sein, Doc", sagte er.<br />

Wegen <strong>de</strong>r Erschießung ihres Häuptlings fürchteten<br />

sich <strong>die</strong> Eingeborenen. Sie wußten nicht, wie viele noch<br />

erschossen wer<strong>de</strong>n mochten. Lara kam eben zu Corrie, als<br />

van Prins vorbeiging. Er erkannte das Mädchen.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

„Du kannst <strong>de</strong>inen Leuten mitteilen", sagte er, „daß wir<br />

hauptsächlich <strong>de</strong>inetwegen <strong>und</strong> <strong>de</strong>r Unterstützung, <strong>die</strong> du<br />

Page 138 von 197


uns gabst, das Dorf nicht wie beabsichtig nie<strong>de</strong>rbrennen.<br />

Wir haben nur <strong>de</strong>n Häuptling bestraft. Er hat unseren<br />

Fein<strong>de</strong>n geholfen. Wenn wir zurückkommen <strong>und</strong> Amat ist<br />

hier, wer<strong>de</strong>n wir auch ihn bestrafen. Ihr übrigen braucht<br />

uns weiter nicht zu fürchten, wenn ihr nicht <strong>die</strong> Fein<strong>de</strong><br />

unterstützt. Wir wissen, daß ihr sie gut behan<strong>de</strong>ln müßt,<br />

sonst wer<strong>de</strong>t ihr mißhan<strong>de</strong>lt. Wir verstehen das, aber<br />

helft ihnen nicht mehr als absolut nötig ist." Er warf einen<br />

schnellen Blick r<strong>und</strong> ums Kampong. „Wo ist <strong>Tarzan</strong>?",<br />

fragte er.<br />

„Richtig", sagte Bubonovitch. „Wo ist er?"<br />

„Oje", sagte Rosetti. „Er ist nach <strong>de</strong>m Scharmützel<br />

nimmer ins Dorf zurückgekommen. Aber verw<strong>und</strong>et war er<br />

nicht. Er war in Ordnung, als wir ihn zuletzt geseh'n<br />

haben, grad, bevor wir <strong>de</strong>n Captain rausgeholt haben."<br />

„Macht euch keine Sorgen um ihn", sagte Bubonovitch.<br />

„Er kann schon auf sich aufpassen - <strong>und</strong> auf <strong>de</strong>n ganzen<br />

Rest von uns dazu."<br />

„Ich kann ein paar Männer hier zurücklassen, damit sie<br />

ihm sagen, wo wir lagern wer<strong>de</strong>n", sagte van Prins.<br />

„Nicht einmal das brauchen Sie", sagte Bubonovitch.<br />

„Er wird<br />

uns fin<strong>de</strong>n. Lara kann ihm sagen, in welche<br />

Richtung wir<br />

weggegangen sind. Er wird uns besser aufspüren als ein<br />

Bluth<strong>und</strong>."<br />

„Na schön", sagte van Prins, „ziehen wir los."<br />

*<br />

Als <strong>Tarzan</strong> <strong>de</strong>n verw<strong>und</strong>eten Amerikaner gesehen hatte,<br />

schien es <strong>die</strong>sem sehr schlecht zu gehen. <strong>Tarzan</strong> war<br />

überzeugt, <strong>die</strong> Verw<strong>und</strong>ung sei tödlich. Sein Zorn auf <strong>die</strong><br />

Japaner wur<strong>de</strong> angefacht,<br />

<strong>de</strong>nn er mochte <strong>die</strong>sen jungen Flieger. Unbemerkt von<br />

<strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren schwang er sich auf <strong>die</strong> Bäume <strong>und</strong> folgte<br />

<strong>de</strong>r Fährte <strong>de</strong>r Fein<strong>de</strong>.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Er holte sie an einer Stelle ein, an <strong>de</strong>r ein Hauptmann<br />

<strong>und</strong> zwei Leutnants sie gesammelt hatten - <strong>die</strong> einzigen<br />

Offiziere <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n Kompanien. Aus <strong>de</strong>n Bäumen hoch<br />

über ihnen blickte eine grimmige Gestalt auf sie hinunter<br />

<strong>und</strong> legte einen Pfeil auf <strong>de</strong>n Bogen. Das Schnalzen <strong>de</strong>r<br />

Bogensehne wur<strong>de</strong> vom Affen-Geschnatter <strong>de</strong>r Männer<br />

übertönt, vom Kommandogebrüll ihrer Offiziere. Der<br />

Hauptmann stürzte nach vorn auf sein Gesicht, einen<br />

Bambusschaft durchs Herz gebohrt. Beim Hinfallen wur<strong>de</strong><br />

Page 139 von 197


<strong>de</strong>r Pfeil durch <strong>de</strong>n Körper gestoßen, so daß er aus <strong>de</strong>m<br />

Rücken heraus ragte.<br />

Einen Moment lang waren <strong>die</strong> Japaner still in ihrer<br />

Verblüffung; dann begann wie<strong>de</strong>r das Geschrei, während<br />

s i e i n a l l e R i c h t u n g e n a u s G e w e h r e n u n d<br />

M a s c h i n e n g e w e h re n i n d e n D s c h u n g e l s c h ö s s e n .<br />

Fünf<strong>und</strong>siebzig Fuß über ihren Kugeln beobachtete<br />

<strong>Tarzan</strong> sie, ein weiterer Pfeil war schußbereit.<br />

Diesmal suchte er sich einen <strong>de</strong>r Leutnants aus.<br />

Während er das Geschoß losließ, bewegte er sich lautlos<br />

zu einem an<strong>de</strong>ren Standort hin, mehrere h<strong>und</strong>ert Fuß weit<br />

weg. Als ihr zweiter Offizier fiel, begannen <strong>die</strong> Japaner<br />

Anzeichen von Panik zu zeigen, da auch er auf rätselhafte<br />

Weise zu Fall kam. Nun feuerten sie wild ins Unterholz<br />

<strong>und</strong> in <strong>die</strong> Bäume.<br />

Als <strong>de</strong>r letzte Offizier zu Bo<strong>de</strong>n ging, begannen <strong>die</strong><br />

Japaner auf <strong>de</strong>n Pfad in Richtung ihres Hauptlagers hin zu<br />

laufen. Sie hatten genug. <strong>Tarzan</strong> jedoch nicht. Er<br />

verfolgte sie, bis alle seine Pfeile aufgebraucht waren, bis<br />

je<strong>de</strong>r im Körper eines Japaners steckte. Kreischen<strong>de</strong><br />

Verw<strong>und</strong>ete zogen Pfeile aus Rücken <strong>und</strong> Bäuchen. Die<br />

verstummten Toten wur<strong>de</strong>n <strong>de</strong>n Tigern <strong>und</strong> wil<strong>de</strong>n<br />

H<strong>und</strong>en hinterlassen.<br />

<strong>Tarzan</strong> nahm das Gewehr vom Rücken <strong>und</strong> leerte ein<br />

Magazin in <strong>die</strong> gelichteten Reihen <strong>de</strong>r fliehen<strong>de</strong>n Fein<strong>de</strong>.<br />

Dann drehte er um <strong>und</strong> schwang sich in Richtung zum<br />

Dorf zurück. Sein amerikanischer Fre<strong>und</strong> war gerächt.<br />

<strong>Tarzan</strong> folgte <strong>de</strong>m Pfad nicht, er bewegte sich nicht<br />

einmal lange in <strong>de</strong>r Richtung zum Dorf. Er drang tief in<br />

<strong>de</strong>n Urwald ein, sah dabei Altes, das vielleicht kein<br />

a n d e re s m e n s c h l i c h e s A u g e j e g e s c h a u t h a t t e -<br />

P a t r i a rc h e n d e s Wa l d e s , v o n M o o s b e d e c k t u n d<br />

altersgrau, umhüllt von riesenhaften Schlingpflanzen,<br />

Ranken <strong>und</strong> großen Luftpflanzen, verziert von Orchi<strong>de</strong>en.<br />

Als <strong>de</strong>r Wind drehte <strong>und</strong> ihm eine flüchtige Brise ins<br />

Gesicht<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

blies, fing er menschliche Gerüche auf. Und bald<br />

ent<strong>de</strong>ckte er einen kleinen Pfad, wie Menschen ihn<br />

austreten. Er ließ sich tiefer gleiten <strong>und</strong> sah eine Falle,<br />

wie primitive Jäger sie für Kleinwild auslegen. Er war in<br />

<strong>de</strong>n Wald gekommen, um allein zu sein <strong>und</strong> von <strong>de</strong>n<br />

Menschen weg zu gelangen. Er war nicht ungesellig, aber<br />

gelegentlich verlangte es ihn nach Einsamkeit, o<strong>de</strong>r nach<br />

entspannen<strong>de</strong>r Gemeinschaft mit Tieren. Sogar <strong>die</strong><br />

schnattern<strong>de</strong>n, zetern<strong>de</strong>n Affen boten oft willkommene<br />

Page 140 von 197


Entspannung, <strong>de</strong>nn sie waren unterhaltsam. Wenige<br />

Menschen waren das.<br />

Hier gab es viele Affen. Erst flohen sie vor ihm, aber als<br />

er sie in ihrer eigenen Sprache anre<strong>de</strong>te, faßten sie Mut<br />

<strong>und</strong> kamen näher. Er verlockte sogar einen kleinen Kerl<br />

herzukommen <strong>und</strong> sich auf seine Hand zu hocken. Er<br />

erinnerte ihn an <strong>de</strong>n kleinen Nkima, <strong>de</strong>r <strong>Tarzan</strong> liebte <strong>und</strong><br />

<strong>de</strong>n auch <strong>Tarzan</strong> liebte, ein ebenso prahlerischer,<br />

streitlustiger, putziger, dreister kleiner Feigling. Afrika!<br />

Wie weit, weit entfernt schien es.<br />

Er plau<strong>de</strong>rte mit <strong>de</strong>m kleinen Affen, so wie er mit<br />

Nkima gere<strong>de</strong>t hätte, <strong>und</strong> bald wuchs <strong>de</strong>r Mut <strong>de</strong>s kleinen<br />

Burschen <strong>und</strong> er sprang <strong>Tarzan</strong> auf <strong>die</strong> Schulter. Wie<br />

Nkima fühlte er sich dort sicher beim Reiten, als <strong>Tarzan</strong><br />

sich durch <strong>die</strong> Bäume schwang.<br />

Die frem<strong>de</strong> Geruchsspur hatte <strong>die</strong> Neugier <strong>Tarzan</strong>s<br />

geweckt, also folgte er ihr. Sie führte ihn zu einem kleinen<br />

See, in <strong>de</strong>ssen Gewässer am Ufer entlang eine Anzahl von<br />

primitiven Unterstän<strong>de</strong>n errichtet war - Äste <strong>und</strong><br />

Laubblätter auf Plattformen, <strong>die</strong> ein paar Fuß über <strong>de</strong>m<br />

Wasser von rohen Pfählen gestützt wur<strong>de</strong>n, <strong>die</strong> in <strong>de</strong>n<br />

Schlamm <strong>de</strong>s Seebo<strong>de</strong>ns getrieben waren.<br />

Die Schutzdächer waren nach allen Seiten hin offen.<br />

Ihre Bewohner waren ein Volk von unterdurchschnittlicher<br />

K ö r p e r g r ö ß e , v o n k r ä f t i g o l i v b r a u n e r H a u t u n d<br />

kohlschwarzem Haar. Sie waren nackte Wil<strong>de</strong>, <strong>die</strong> mit <strong>de</strong>r<br />

Zivilisation noch nie Kontakt gehabt hatten. Ein<br />

glückliches Volk, dachte <strong>Tarzan</strong>. Einige Männer <strong>und</strong><br />

Frauen fischten mit Netzen im Wasser. Die Männer trugen<br />

Bogen <strong>und</strong> Pfeile.<br />

Der kleine Affe sagte, sie seien böse Gomangani. „So<br />

manu", sagte er - essen Affe. Dann fing er an, sie<br />

anzuschreien <strong>und</strong> zu schelten. Wegen <strong>de</strong>r Vorteile <strong>de</strong>r<br />

Entfernung <strong>und</strong> <strong>de</strong>s Beiseins seines neuen großen<br />

Fre<strong>und</strong>es fühlte er sich sicher. <strong>Tarzan</strong> lächelte; es<br />

erinnerte ihn so sehr an <strong>de</strong>n kleinen Nkima.<br />

Das Äffchen veranstaltete so viel Lärm, daß einige <strong>de</strong>r<br />

Eingeborenen aufschauten. <strong>Tarzan</strong> machte das<br />

universelle<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Frie<strong>de</strong>nszeichen, aber <strong>die</strong> Eingeborenen bedrohten ihn<br />

mit ihren Pfeilen. Sie schnatterten <strong>und</strong> gestikulierten auf<br />

ihn ein, unzweifelhaft, um ihn fortzuscheuchen. In vollem<br />

Einverständnis mit ihnen bew<strong>und</strong>erte <strong>de</strong>r Herr <strong>de</strong>s<br />

Dschungels ihr gutes Urteilsvermögen. Wären sie immer<br />

so erfolgreich, <strong>die</strong> Weißen auf Distanz zu halten, wür<strong>de</strong>n<br />

Page 141 von 197


sie weiterhin Frie<strong>de</strong>n <strong>und</strong> Sicherheit ihres idyllischen<br />

Daseins genießen.<br />

Er beobachtete sie einige Minuten lang, dann kehrte er<br />

in <strong>de</strong>n Wald zurück, um ziellos umherzustreifen <strong>und</strong> <strong>die</strong>ses<br />

kurze Zwischenspiel im unerbittlichen Kriegstreiben zu<br />

genießen.<br />

Kapitel 23<br />

Sergeant Tony Rosetti hockte auf <strong>de</strong>r Wachtplattform<br />

über <strong>de</strong>m Pfad außerhalb <strong>de</strong>s früheren Lagers <strong>de</strong>r<br />

Gesetzlosen, wo <strong>die</strong> Guerillas jetzt einen Tag lang<br />

biwakierten, um ihre Verw<strong>und</strong>eten ausruhen zu lassen.<br />

Seine Dienstschicht war fast vorbei, <strong>und</strong> er wartete auf<br />

seine Ablösung, als er sah, wie sich ihm eine Gestalt auf<br />

<strong>de</strong>m Pfad näherte. Sie war von schlanker, knabenhafter<br />

Figur; doch selbst im schwachen, Kathedralenhaften Licht<br />

<strong>de</strong>s Wal<strong>de</strong>s am Nachmittag erkannte <strong>de</strong>r Sergeant, daß<br />

sie ungeachtet <strong>de</strong>r Hosen, <strong>de</strong>s Gewehrs, <strong>de</strong>r Pistole, <strong>de</strong>s<br />

Parangs <strong>und</strong> <strong>de</strong>s Patronengürtels kein Knabe war.<br />

Als <strong>die</strong> Frau Rosettis ansichtig wur<strong>de</strong>, hielt sie an.<br />

„Halt!", gebot Rosetti <strong>und</strong> brachte sein Gewehr in<br />

Anschlag.<br />

„Ich halte ja schon", sagte <strong>die</strong> Frau in gutem Englisch.<br />

„Wer sind Sie, <strong>und</strong> was glauben Sie, wohin Sie mit all<br />

<strong>de</strong>r Bewaffnung gehen können?"<br />

„Sie müssen <strong>de</strong>r niedliche kleine Sergeant sein, von<br />

<strong>de</strong>m mir Corrie van <strong>de</strong>r Meer erzählte - <strong>de</strong>r, <strong>de</strong>r <strong>die</strong><br />

Frauen haßt <strong>und</strong> komisches Englisch spricht."<br />

„Ich spreche nicht Englisch. Ich spreche Amerikanisch.<br />

Und was ist dran komisch? Und wer sind Sie?"<br />

„Ich bin Sarina. Ich suche Corrie van <strong>de</strong>r Meer."<br />

„Vortreten", sagte Rosetti. Dann sprang er von <strong>de</strong>r<br />

Plattform auf <strong>de</strong>n Pfad hinab. Dort stand er mit <strong>de</strong>m<br />

Finger am Abzug seines Gewehrs <strong>und</strong> <strong>de</strong>r Bajonettspitze<br />

in Bauchhöhe. Die Frau trat vor <strong>und</strong> blieb ein paar<br />

Schritte vor ihm stehen.<br />

„Ich wünschte, Sie wür<strong>de</strong>n mit <strong>de</strong>m Ding woan<strong>de</strong>rshin<br />

zielen", sagte sie.<br />

„Nix zu machen, Schwester. Sie gehör'n zu <strong>de</strong>r<br />

Verbrecherban<strong>de</strong>. Woher weiß ich, daß Sie nicht <strong>die</strong><br />

Vorhut sind <strong>und</strong> <strong>de</strong>r Rest von <strong>de</strong>nen Ihnen nachfolgt?<br />

Wenn <strong>die</strong>'s tun, wer<strong>de</strong>n Sie erschossen, Schwester."<br />

„Ich bin allein", sagte Sarina.<br />

„Vielleicht sind Sie's, vielleicht sind Sie's nicht, lassen<br />

Sie <strong>die</strong> Waffe fallen, <strong>und</strong> hoch <strong>die</strong> Flossen! Ich werd' Sie<br />

filzen."<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Page 142 von 197


„Sprechen Sie Englisch, wenn Sie können", sagte<br />

Sarina. „Amerikanisch verstehe ich nicht. Was sind<br />

Flossen, <strong>und</strong> was ist filzen?"<br />

„Heben Sie <strong>die</strong> Hän<strong>de</strong> hoch, dann zeig' ich Ihnen, was<br />

filzen ist.<br />

Und machen Sie flott, Schwester." Sarina zögerte. „Ich<br />

werd' Sie nicht beißen", sagte Rosetti, „aber ich werd'<br />

auch kein Risiko eingeh'n. Wenn Sie das Arsenal da<br />

abgelegt haben, werd' ich Sie ins Lager bringen, sobald<br />

meine Ablöse auftaucht."<br />

Sarina legte ihr Gewehr hin <strong>und</strong> erhob ihre Hän<strong>de</strong>.<br />

Shrimp ließ sie in <strong>die</strong> an<strong>de</strong>re Richtung schauen. Dann<br />

nahm er ihr von hinten <strong>die</strong> Pistole <strong>und</strong> <strong>de</strong>n Parang ab.<br />

„ O k a y " , s a g t e e r. „ S i e k ö n n e n s i e j e t z t w i e d e r<br />

runternehmen." Er häufte ihre Waffen hinter ihm auf.<br />

„Jetzt wissen Sie, was filzen be<strong>de</strong>utet", sagte er.<br />

Sarina setzte sich neben <strong>de</strong>m Pfad hin. „Sie sind ein<br />

guter Soldat", sagte sie. „Ich mag gute Soldaten. Und Sie<br />

sind niedlich."<br />

Rosetti grinste. „Sie sind selber nicht so übel,<br />

Schwester."<br />

Auch ein Frauenfeind kann einen Blick für Schönheit<br />

besitzen. „Wie kommt's, daß Sie allein in <strong>de</strong>n Wäl<strong>de</strong>rn<br />

herumspazieren -wenn Sie allein sind."<br />

„Ich bin allein. Ich habe <strong>die</strong>se Leute verlassen. Ich<br />

möchte bei Corrie van <strong>de</strong>r Meer sein. Sie sollte eine Frau<br />

dabeihaben. Eine Frau wird es ziemlich mü<strong>de</strong>, <strong>die</strong> ganze<br />

Zeit nur Männer zu sehen. Ich wer<strong>de</strong> mich um sie<br />

kümmern. Sie ist hier, nicht wahr?"<br />

„Ja, sie ist im Camp. Aber sie braucht kein Weibsbild,<br />

das sich um sie kümmert. Sie hat vier Männer, <strong>die</strong> das<br />

bisher ziemlich gut besorgt haben."<br />

„Ich weiß", sagte Sarina. „Sie hat's mir erzählt; aber sie<br />

wird froh sein, eine Frau bei sich zu haben." Nach einer<br />

Pause sagte sie: „Glauben Sie, daß sie mich dableiben<br />

lassen?"<br />

„Wenn's Corrie sagt, wer<strong>de</strong>n sie's. Wenn Sie wirklich<br />

das Weibsbild sind, das ihr aus <strong>die</strong>sem Lager ausbrechen<br />

half, wer<strong>de</strong>n wir alle uns für Sie stark machen."<br />

„Amerikanisch ist eine fremdartige Sprache, aber ich<br />

glaube, ich weiß, was Sie sagen wollen: Falls ich wirklich<br />

<strong>die</strong> Frau bin, <strong>die</strong> Corrie vor Hooft zu fliehen verhalf,<br />

wer<strong>de</strong>t ihr mich mögen. Stimmt es so?"<br />

„Isses das nicht, was ich sag'?"<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Page 143 von 197


Ein Mann, <strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>m Pfad aus <strong>de</strong>r Richtung <strong>de</strong>s<br />

Lagers kam, unterbrach ihr Gespräch. Er war ein<br />

Hollän<strong>de</strong>r <strong>und</strong> kam Rosetti ablösen. Er sprach kein<br />

Englisch. Seine Miene zeigte seine Überraschung, als er<br />

Sarina sah, <strong>und</strong> er fragte Rosetti auf Holländisch.<br />

„Kein Quatsch, Dutchie", sagte <strong>de</strong>r Amerikaner.<br />

„Er hat keinen Quatsch erwähnt", erklärte Sarina. „Er<br />

erwähnte<br />

mich."<br />

„Sie gneißen sein Lingo?", fragte Shrimp.<br />

Sarina schüttelte <strong>de</strong>n Kopf. ,3itte versuchen Sie<br />

Englisch zu sprechen", sagte sie. „Ich kann Sie nicht<br />

verstehen. Was be<strong>de</strong>utet 'sein Lingo gneißen'?"<br />

„Sprechen Sie Holländisch?"<br />

„Oh ja."<br />

„Was hat er dann gesagt?"<br />

„Er hat nach mir gefragt."<br />

„Na, antworten Sie ihm, <strong>und</strong> sagen Sie ihm, er soll Ihre<br />

Bewaffnung mit hinein bringen, wenn er abgelöst wird.<br />

Ich kann nicht <strong>de</strong>n Haufen packen <strong>und</strong> zugleich eine<br />

Gefangene bewachen."<br />

Sarina lächelte <strong>und</strong> übersetzte. Der Mann antwortete<br />

ihr auf Holländisch <strong>und</strong> nickte Rosetti zu. „Abmarsch",<br />

sagte <strong>de</strong>r Sergeant zu Sarina. Er folgte ihr auf <strong>de</strong>m Pfad<br />

ins Camp <strong>und</strong> brachte sie zu Jerry, <strong>de</strong>r auf einer Trage<br />

unter einem Baum lag.<br />

„Sergeant Rosetti mel<strong>de</strong>t sich mit einer Gefangenen,<br />

Sir", sagte er.<br />

Corrie, <strong>die</strong> neben Jerry saß, sah auf, <strong>und</strong> als sie Sarina<br />

erkannte, sprang sie auf <strong>die</strong> Beine. „Sarina!", rief sie.<br />

„Was in aller Welt machst du hier?"<br />

„Ich komme, um bei dir zu bleiben. Sag ihnen, sie<br />

sollen mich dableiben lassen." Sie sprach auf Holländisch,<br />

<strong>und</strong> Corrie übersetzte für Jerry.<br />

„Was mich angeht, mag sie dableiben, wenn du es<br />

willst", sagte Jerry. „Aber ich glaube, das wird Captain<br />

van Prins zu entschei<strong>de</strong>n haben. Nimm <strong>de</strong>ine Gefangene<br />

<strong>und</strong> mel<strong>de</strong> dich bei Captain van Prins, Sergeant."<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Rosetti, <strong>de</strong>r keine höhere Autorität als jene Jerrys<br />

anerkannte, zeigte seine Mißbilligung; aber er gehorchte.<br />

„Kommen Sie mit, Schwester", sagte er zu Sarina.<br />

„In Ordnung, Bru<strong>de</strong>r", antwortete sie, „aber Sie<br />

brauchen mir <strong>die</strong>ses Bajonett da nicht <strong>die</strong> ganze Zeit über<br />

gegen meinen Rücken halten. Ich weiß, daß Sie ein guter<br />

Soldat sind, aber Sie müssen's nicht übertreiben." Corrie<br />

schaute sie überrascht an. Dies war <strong>de</strong>r erste Hinweis für<br />

Page 144 von 197


sie, daß Sarina Englisch sprach. Und gutes Englisch dazu,<br />

dachte sie. Sie fragte sich, wo Sarina es gelernt hatte.<br />

„Okay, Herzchen", sagte Rosetti, „schätze, Sie wer<strong>de</strong>n<br />

jetzt nix Dummes nicht anstellen."<br />

„Ich wer<strong>de</strong> mitkommen", sagte Corrie. „Wenn ich für<br />

dich<br />

garantiere, bin ich sicher, daß dich Captain van Prins bei<br />

uns bleiben läßt."<br />

Sie fan<strong>de</strong>n <strong>de</strong>n Captain, <strong>und</strong> er hörte genau allem zu,<br />

was Sarina <strong>und</strong> Corrie zu sagen hatten. Dann fragte er:<br />

„Warum wollten Sie <strong>de</strong>r Verbrecherban<strong>de</strong> beitreten <strong>und</strong><br />

bei ihr bleiben?"<br />

„Es waren entwe<strong>de</strong>r sie o<strong>de</strong>r <strong>die</strong> Japaner", sagte<br />

Sarina. „Ich habe immer vorgehabt sie zu verlassen <strong>und</strong><br />

einer Guerillatruppe beizutreten, wenn ich eine fin<strong>de</strong>n<br />

konnte. Dies ist <strong>die</strong> erste Gelegenheit, <strong>die</strong> ich gehabt<br />

hatte."<br />

„Wenn Miß van <strong>de</strong>r Meer für Sie garantiert <strong>und</strong> Captain<br />

Lucas nichts einzuwen<strong>de</strong>n hat, können Sie bleiben."<br />

„Damit ist's beschlossen", sagte Corrie.<br />

Rosetti hatte keine Gefangene mehr, aber er ging mit<br />

Corrie <strong>und</strong> Sarina dorthin zurück, wo Jerry lag. Er gab vor,<br />

er sei gekommen, um sich nach Jerrys W<strong>und</strong>e zu<br />

erk<strong>und</strong>igen, aber er setzte sich nie<strong>de</strong>r <strong>und</strong> blieb,<br />

nach<strong>de</strong>m Jerry ihm versichert hatte, es ginge ihm gut.<br />

Nicht weit von ihnen entfernt reinigte Bubonovitch sein<br />

Gewehr. Er glaubte, Rosetti wür<strong>de</strong> sich zu ihm gesellen<br />

<strong>und</strong> er könnte ihn dann nach <strong>de</strong>r Frau fragen, <strong>die</strong> Shrimp<br />

mitgebracht hatte. Aber Shrimp gesellte sich nicht zu ihm.<br />

Er blieb bei Jerry <strong>und</strong> <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n Frauen. Das sah Shrimp<br />

gar nicht ähnlich, daß er Damengesellschaft aufsuchte,<br />

wenn es sich vermei<strong>de</strong>n ließ. Bubonovitch w<strong>und</strong>erte sich;<br />

daher ging er hinüber <strong>und</strong> gesellte sich zu <strong>de</strong>r Gruppe.<br />

Sarina berichtete über ihr Zusammentreffen mit Rosetti.<br />

„Er hieß mich meine Flossen heben, <strong>und</strong> er sagte, er<br />

wer<strong>de</strong> mich filzen. Amerikanisch ist eine sehr komische<br />

Sprache."<br />

Jerry lachte. „Rosetti spricht nicht Amerikanisch - nur<br />

Chicagonesisch."<br />

„Wo in aller Welt hast du Englisch sprechen gelernt,<br />

Sarina?", fragte Corrie.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

„In einer katholischen Missionsschule auf <strong>de</strong>n Gilberts.<br />

Mein Vater nahm meine Mutter <strong>und</strong> mich auf allen seinen<br />

Fahrten mit. Außer in <strong>de</strong>n zwei Jahren, <strong>die</strong> ich in <strong>de</strong>r<br />

Mission von Tarawa verbrachte, lebte ich mein ganzes<br />

Leben an Bord seines Schoners, bis ich neun<strong>und</strong>zwanzig<br />

Page 145 von 197


war. Meine Mutter starb, als ich noch ein kleines Mädchen<br />

war, aber mein Vater behielt mich bei sich. Er war ein sehr<br />

schlimmer Mann, aber zu uns war er immer fre<strong>und</strong>lich. Wir<br />

durchkreuzten <strong>die</strong> ganze Südsee, <strong>und</strong> etwa alle zwei Jahre<br />

suchten wir <strong>die</strong> Gilberts auf, immer auf Han<strong>de</strong>lsfahrten<br />

zwischen <strong>de</strong>n verschie<strong>de</strong>nen Inseln unterwegs, mit<br />

Piraterie <strong>und</strong> Mord nebenbei.<br />

Vater wollte, daß ich eine Ausbildung bekäme; also ließ<br />

er mich, als ich zwölf war, bis zu seiner nächsten Fahrt<br />

zwei Jahre in <strong>die</strong>ser Missionsschule. Ich habe ziemlich viel<br />

dort gelernt. Von meinem Vater lernte ich Holländisch. Ich<br />

glaube, er war ein gebil<strong>de</strong>ter Mensch. Er hatte auf seinem<br />

Schiff eine Bibliothek mit sehr guten Büchern. Er erzählte<br />

mir nie etwas über seine Vergangenheit - nicht einmal<br />

seinen richtigen Namen. Je<strong>de</strong>r nannte ihn Big Jon. Er<br />

lehrte mich Navigation. Seit ich vierzehn war, war ich sein<br />

Erster Maat. Es war kein schöner Job für ein Mädchen, da<br />

Vaters Mannschaften für gewöhnlich aus übelsten Typen<br />

von Kriminellen bestan<strong>de</strong>n. Keiner wollte mit ihm fahren.<br />

Ich fing einige Brocken Japanisch <strong>und</strong> Chinesisch von<br />

verschie<strong>de</strong>nen Mannschaftsmitglie<strong>de</strong>rn auf. Wir fuhren<br />

m i t a l l e n N a t i o n a l i t ä t e n . H ä u f i g h a t Va t e r s i e<br />

geschanghait. Wenn Vater betrunken war, war ich <strong>de</strong>r<br />

Schiffskapitän. Es war ein harter Job, <strong>und</strong> hart mußte ich<br />

sein. Mit Hilfe einiger Pistolen hielt ich durch. Ich legte<br />

sie niemals ab."<br />

Rosettis Augen ließen nicht ab von Sarina. Er wirkte wie<br />

von ihr hypnotisiert.<br />

Bubonovitch betrachtete ihn mit etwas Ähnlichem wie<br />

Verw<strong>und</strong>erung. Je<strong>de</strong>nfalls mußte er eingestehen, daß<br />

man Sarina nicht ungern anschaute.<br />

„Wo ist Ihr Vater jetzt?", fragte Jerry.<br />

„Wahrscheinlich in <strong>de</strong>r Hölle. Einer seiner Mor<strong>de</strong><br />

brachte ihn schließlich zu Fall, <strong>und</strong> er wur<strong>de</strong> gehängt. Es<br />

war nach seiner Verhaftung, als Mr. <strong>und</strong> Mrs. van <strong>de</strong>r Meer<br />

so fre<strong>und</strong>lich zu mir waren."<br />

Die Versammlung löste sich einen Moment später auf,<br />

als <strong>de</strong>r Arzt kam, um Jerry zu untersuchen. Corrie <strong>und</strong><br />

Sarina gingen zu <strong>de</strong>m Unterstand, <strong>de</strong>n <strong>die</strong> Letztere<br />

belegte, <strong>und</strong> Bubonovitch <strong>und</strong> Rosetti gingen, um sich<br />

vor <strong>de</strong>m ihrigen hinzusetzen.<br />

„Was für ein Weibsbild!", rief Rosetti aus.<br />

„Wer? Corrie?"<br />

Shrimp warf Bubonovitch einen kurzen Blick zu <strong>und</strong><br />

erfaßte das En<strong>de</strong> eines flüchtigen Lächelns. Er erriet, daß<br />

er gefoppt wur<strong>de</strong>.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Page 146 von 197


„Nein", sagte er. „Ich bezieh' mich auf Eleanor."<br />

„Ist dir zufälligerweise <strong>die</strong>se Pistolenbepackte Mama<br />

bei Corrie aufgefallen?", fragte Bubonovitch. „Na, <strong>die</strong> ist<br />

ein sauberes kleines Stück Weiblichkeit nach meinem<br />

eigenen Geschmack. Auf <strong>die</strong> fahr' ich sicher ab."<br />

„Du hast Frau <strong>und</strong> Kind", erinnerte ihn Shrimp.<br />

„Meine Zuneigung ist rein platonisch. Ich war' nicht<br />

drauf scharf, daß es mit einer Piratin gar zu ernst wird. Ich<br />

glaub', wenn einer ihrer vornehmen Fre<strong>und</strong>e sie verärgert<br />

hat, ließ sie ihn über <strong>die</strong> Planke gehen."<br />

„Stell dir bloß das kleine Kind allein auf einem Schiff<br />

mit einem Haufen Piraten <strong>und</strong> ihrem besoffenen Alten<br />

vor!"<br />

„Irgendwie hab' ich <strong>de</strong>n Eindruck gewonnen, daß <strong>die</strong><br />

kleine Dame auf sich aufpassen kann. Wirf nur einen Blick<br />

auf ihre Herkunft. Du erinnerst dich, daß Corrie uns<br />

erzählte, einer ihrer Großväter sei ein Kopfjäger gewesen<br />

<strong>und</strong> <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re ein Kannibale; <strong>und</strong> nun stellt sich heraus,<br />

daß ihr Vater ein Pirat <strong>und</strong> Mör<strong>de</strong>r war. Und um das Bild<br />

vollends abzur<strong>und</strong>en, hatte Sarina lebenslänglich im Knast<br />

abzusitzen, für einen eigenen kleinen Mord."<br />

„Trotz<strong>de</strong>m ist sie schrecklich hübsch", sagte Rosetti.<br />

„Meine Güte!", rief Bubonovitch aus. „Et tu Brüte!"<br />

„Ich weiß nicht, was du da zusammenre<strong>de</strong>st; aber wenn<br />

du Weisheiten über das kleine Weibsbild von dir gibst -<br />

laß es."<br />

„Ich hab' keine Weisheiten von mir gegeben. Ich würd'<br />

um alles in <strong>de</strong>r Welt nicht dran <strong>de</strong>nken, <strong>de</strong>ine Gefühle zu<br />

beleidigen, Shrimp. Ich rief nur eine Aussage in<br />

Erinnerung, <strong>die</strong> du kürzlich gemacht hast. Warte - wie<br />

hieß es da? 'Ich wür<strong>de</strong> Dorothy Lamour nicht haben<br />

wollen, selbst wenn sie auf <strong>die</strong> Knie fallen <strong>und</strong> mich<br />

bitten wür<strong>de</strong>'!"<br />

„Na, würd' ich auch nicht. Ich würd' keine von <strong>de</strong>nen<br />

haben wollen. Aber kann ein Kerl nicht sagen, ein<br />

Weibsbild ist hübsch, ohne daß du in <strong>die</strong> Höhe gehst?"<br />

„Shrimpy, ich hab' geseh'n, wie du sie angeschaut hast<br />

- mit Glubschaugen. Ich kenne <strong>die</strong> Symptome. Du bist<br />

ganz ga-ga gewor<strong>de</strong>n."<br />

„Du spinnst."<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Page 147 von 197


Kapitel 24<br />

Am nächsten Morgen brachen sie das Lager ab <strong>und</strong><br />

zogen langsam weiter; <strong>die</strong> Verw<strong>und</strong>eten wur<strong>de</strong>n weiterhin<br />

auf Tragen transportiert. Wo <strong>de</strong>r Pfad breit genug war,<br />

ging Corrie neben Jerrys Trage her. Sarina war hinter ihr,<br />

<strong>und</strong> Rosetti ging neben Sarina. Bubonovitch <strong>und</strong> mehrere<br />

Hollän<strong>de</strong>r bil<strong>de</strong>ten <strong>die</strong> Nachhut. Da von <strong>die</strong>sen keiner<br />

Englisch sprach <strong>und</strong> Bubonovitch kein Holländisch, hatte<br />

<strong>de</strong>r Amerikaner Muße zum Nach<strong>de</strong>nken. Unter an<strong>de</strong>rem<br />

dachte er über <strong>die</strong> bemerkenswerte Wirkung nach, <strong>die</strong><br />

manche Frauen auf manche Männer ausübten. Kälte <strong>und</strong><br />

Schnee können Menschen verrückt machen. Corrie <strong>und</strong><br />

Sarina schienen eine ähnliche Wirkung auf Jerry <strong>und</strong><br />

Rosetti zu haben. In Jerrys Fall war das nicht so<br />

v e r w u n d e r l i c h . A b e r S h r i m p ! S h r i m p w a r e i n<br />

eingefleischter Frauenfeind, doch ganz unvermittelt hatte<br />

er alles über Bord geworfen, wegen einer braunhäutigen<br />

eurasischen Mör<strong>de</strong>rin, <strong>die</strong> alt genug war, um seine Mutter<br />

zu sein.<br />

Bubonovitch mußte einräumen, daß Sarina sehr gut<br />

aussah. Das war das Verflixte daran. Er hielt viel auf<br />

Rosetti, daher hoffte er, daß <strong>de</strong>r kleine Sergeant es nicht<br />

zu weit trieb. Er kannte sich bei Frauen nicht gut aus, <strong>und</strong><br />

Sarina wirkte nicht eben wie <strong>de</strong>r harmlose Typ, von <strong>de</strong>r<br />

man lernen konnte. Bubonovitch fiel ein Satz von Kipling<br />

ein:<br />

„Weil ich wünscht', sie war' weiß, traf ihr Messer mich<br />

heiß, in <strong>de</strong>r Nacht, da ich Frauen versteh'n wollt."<br />

Bubonovitch seufzte. Schließlich, dachte er, mochte<br />

Shrimp nicht ganz daneben getroffen haben, als er sagte:<br />

„Die brauch'n gar nix anstellen. Genügt schon, ein<br />

Weibsbild zu sein, um Ärger zu machen." Er verwarf seine<br />

Gedankengänge, weil sie zu nichts führten, <strong>und</strong> begann<br />

über <strong>Tarzan</strong> nachzu<strong>de</strong>nken. Auch Jerry w<strong>und</strong>erte sich über<br />

sein Ausbleiben; er äußerte seine Be<strong>de</strong>nken gegenüber<br />

Corrie. „Ich fang' an mir Sorgen zu machen wegen<br />

<strong>Tarzan</strong>", sagte er. „Er ist jetzt zwei Tage fort, <strong>und</strong> kurz<br />

nach seinem Verschwin<strong>de</strong>n glaubten ein paar Männer,<br />

weit weg im Wald eine Schießerei zu hören, aus <strong>de</strong>r<br />

Richtung, in <strong>die</strong> <strong>die</strong> Japaner abzogen."<br />

„Aber was in aller Welt sollte er dort draußen tun?",<br />

wandte Corrie ein.<br />

„Er ist nicht wie an<strong>de</strong>re Menschen; daher wäre es<br />

zwecklos, daß einer von uns versuchte sich vorzustellen,<br />

was ihn zu irgen<strong>de</strong>iner Handlung bewegt. Zuweilen<br />

han<strong>de</strong>lt er, das wißt ihr, wie ein wil<strong>de</strong>s<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Page 148 von 197


Tier. Also muß es einen Anlaß geben, <strong>de</strong>r ihn dazu bringt,<br />

wie ein wil<strong>de</strong>s Tier zu <strong>de</strong>nken <strong>und</strong> zu reagieren. Ihr wißt,<br />

was er davon hält, ein Leben zu nehmen, doch habt ihr<br />

ihn sagen gehört, daß es seine Pflicht sei, Japaner zu<br />

töten."<br />

„Und Sie glauben, er könnte sie in <strong>de</strong>r Absicht verfolgt<br />

haben, ein paar mehr von ihnen zu töten?", legte Corrie<br />

nahe.<br />

„Ja, <strong>und</strong> dabei selbst getötet wor<strong>de</strong>n sein."<br />

„Oh nein! Selbst <strong>die</strong> Vorstellung ist zu schrecklich."<br />

„Ich weiß, aber es ist möglich. Und wenn er nicht<br />

auftaucht, wer<strong>de</strong>n wir ohne ihn weitermachen müssen.<br />

Mist! Nicht einmal halb hab' ich erkannt, wie abhängig wir<br />

von ihm gewor<strong>de</strong>n sind. Bestimmt hätten wir <strong>die</strong> längste<br />

Zeit hindurch nur <strong>die</strong> Hälfte zu essen gehabt, wenn nicht<br />

er als Jäger bei uns gewesen wäre."<br />

„Ohne ihn hätte ich schon lange aufgehört, überhaupt<br />

Nahrung zu brauchen", sagte Corrie. „Den Tiger seh' ich<br />

manchmal immer noch in meinen Träumen. Und Oju - uff!"<br />

E i n e We i l e l a n g s c h w i e g e n s i e . J e r r y l a g m i t<br />

geschlossenen Augen da. Er drehte seinen Kopf leicht<br />

von einer Seite auf <strong>die</strong> an<strong>de</strong>re. „Geht's Ihnen gut?",<br />

fragte Corrie.<br />

„Ja - gut. Ich frag' mich, wie weit es noch bis zum<br />

Camp ist."<br />

„Ich glaube, Kervyn hat vor, nachts dort zu lagern, wo<br />

<strong>die</strong> Gesetzlosen bei meiner Flucht ihr Lager hatten",<br />

sagte Corrie. „Das ist nicht weit." Sie bemerkte, daß<br />

Jerrys Gesicht sehr rot war, <strong>und</strong> legte ihre Hand auf seine<br />

Stirn. Sie blieb zurück <strong>und</strong> flüsterte mit Sarina, <strong>und</strong> <strong>die</strong><br />

Nachricht wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Reihe nach weitergegeben bis zum<br />

Arzt. Dann kehrte sie an <strong>die</strong> Seite von Jerrys Trage<br />

zurück.<br />

Der Amerikaner murmelte unzusammenhängend. Sie<br />

sprach ihn an, aber er antwortete nicht. Er wur<strong>de</strong> unruhig,<br />

<strong>und</strong> sie mußte ihn festhalten, um zu verhin<strong>de</strong>rn, daß er<br />

von <strong>de</strong>r Trage herabfiel. Sie bekam schreckliche Angst.<br />

Sie re<strong>de</strong>te nichts, als Dr. Reyd an <strong>die</strong> an<strong>de</strong>re Seite <strong>de</strong>r<br />

Trage herbeikam. Jerrys Verfassung war zu offensichtlich,<br />

um nach einer Erklärung zu verlangen. Praktisch das<br />

einzige Instrument seiner Tätigkeit, das Dr. Reyd gerettet<br />

hatte, war ein Fieberthermometer. Als er es zwei Minuten<br />

später ablas, schüttelte er <strong>de</strong>n Kopf.<br />

„Schlimm?", fragte Corrie.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

„Nicht grad gut. Aber ich versteh's nicht. Ich erwartete,<br />

daß er in <strong>de</strong>r Nacht nach seiner Verw<strong>und</strong>ung ein wenig<br />

Page 149 von 197


fiebern wür<strong>de</strong>, doch das tat er nicht. Ich glaubte, er sei<br />

jetzt ziemlich gefeit davor." „Wird er - ? Wird er - ?"<br />

Der Arzt schaute über <strong>die</strong> Trage hinüber zu ihr <strong>und</strong><br />

lächelte. „Sorgen wir uns nicht, ehe wir's müssen", sagte<br />

er. „Millionen Menschen haben viel schlimmere W<strong>und</strong>en<br />

<strong>und</strong> höheres Fieber überlebt."<br />

„Aber können Sie nichts für ihn tun?"<br />

Reyd zuckte <strong>die</strong> Schultern. „Ich habe nichts, womit ich<br />

etwas tun könnte. Wahrscheinlich geht's auch so. Er ist<br />

jung, kräftig, in guter Verfassung <strong>und</strong> körperlich fast so<br />

vollkommen, wie ein Mann nur sein kann. Die Natur ist ein<br />

verdammt guter Arzt, Corrie."<br />

„Aber Sie wer<strong>de</strong>n doch hier bei ihm bleiben, nicht<br />

wahr, Doktor?"<br />

„Sicher. Und machen Sie sich keine Sorgen." Jerry<br />

murmelte: „Drei Zeros auf zwei Uhr", <strong>und</strong> setzte sich auf.<br />

Corrie <strong>und</strong> <strong>de</strong>r Arzt drückten ihn sanft zurück. Jerry<br />

schlug <strong>die</strong> Augen auf <strong>und</strong> schaute Corrie an. Er lächelte<br />

<strong>und</strong> sagte: „Mabel." Danach lag er eine Weile lang still.<br />

Rosetti war herbeigekommen <strong>und</strong> lief neben <strong>de</strong>r Trage<br />

her. Er hatte gesehen, daß Corrie <strong>und</strong> <strong>de</strong>r Arzt vielleicht<br />

Hilfe brauchten. In seinen Augen spiegelten sich Sorge<br />

<strong>und</strong> Angst.<br />

Jerry sagte: „Lucas anMelrose! Lucas anMelrose!"<br />

Rosetti unterdrückte einen Seufzer. Melrose war <strong>de</strong>r<br />

Heckschütze gewesen, <strong>de</strong>r umgekommen war - <strong>und</strong> zu<br />

i h m s p r a c h J e r r y ! D i e K o n s e q u e n z l i e ß R o s e t t i<br />

erschrecken, aber er behielt <strong>de</strong>n Kopf. „Melrose an<br />

Lucas", sagte er. „Alles ruhig an <strong>de</strong>r Westfront, Captain."<br />

Jerry entspannte sich <strong>und</strong> sagte: „Roger."<br />

Corrie klopfte Rosetti auf <strong>die</strong> Schulter. „Sie sind lieb",<br />

sagte sie. Shrimp errötete. „Wer ist Melrose?", fragte<br />

Corrie.<br />

„Unser Heckschütze. Er fand <strong>de</strong>n Tod, bevor <strong>die</strong> Lovely<br />

Lady abstürzte. Und er re<strong>de</strong>t mit ihm! Oje!"<br />

Jerry drehte <strong>und</strong> wand sich. Alles was <strong>die</strong> Drei für ihn<br />

tun konnten war, ihn auf <strong>de</strong>r Trage zu halten. „Ich glaube,<br />

wir wer<strong>de</strong>n ihn festbin<strong>de</strong>n müssen", sagte <strong>de</strong>r Arzt.<br />

Rosetti schüttelte <strong>de</strong>n Kopf. „Holt Bubonovitch her, <strong>und</strong><br />

ich werd' mich mit ihm um ihn kümmern. Der Captain<br />

würd' es nicht mögen, daß man ihn bin<strong>de</strong>t."<br />

Die Nachricht an Bubonovitch wur<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r Kolonne<br />

nach hinten weitergegeben. Jerry versuchte sich auf <strong>de</strong>r<br />

Trage aufzusetzen, als er herbeikam. Es brauchte <strong>die</strong><br />

vereinten Kräfte von Vieren, um ihn nie<strong>de</strong>rzuzwingen.<br />

Bubonovitch fluchte leise <strong>und</strong> verhalten. „Die<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Page 150 von 197


gottverdammten Japsen. Die gelben Bastar<strong>de</strong>." Er<br />

wandte sich an Rosetti. „Warum zur Hölle hast du nicht<br />

schon früher nach mir geschickt?", fragte er. „Warum hat<br />

mir keiner gesagt, wie es um ihn steht?"<br />

„Laß Dampf ab, Bum", sagte Rosetti. „Ich schick nach<br />

dir sowie er dich braucht."<br />

„Er ist noch nicht lang in <strong>die</strong>sem Zustand", berichtete<br />

Corrie Bubonovitch.<br />

„Tut mir Leid", sagte <strong>die</strong>ser. „Ich bin erschrocken, als<br />

ich ihn so sah. Schau'n Sie, wir halten was auf <strong>die</strong>sen<br />

Kerl."<br />

Fast kamen Corrie Tränen in <strong>die</strong> Augen. „Ich glaube,<br />

das tun wir alle", sagte sie.<br />

„Geht's ihm sehr schlecht, Doktor?", fragte<br />

Bubonovitch.<br />

„Er hat recht heftiges Fieber", antwortete Reyd; „aber<br />

es ist nicht hoch genug, um ihn zu gefähr<strong>de</strong>n - noch<br />

nicht."<br />

Sie waren aus <strong>de</strong>m Wald heraus in das Tal gekommen,<br />

wo sie lagern mußten. Jetzt, da <strong>de</strong>r schmale Pfad hinter<br />

ihnen lag, war Sarina neben <strong>die</strong> Trage hergekommen. Als<br />

Jerry schrie: „Himmel! Ich kann ihre Nase nicht<br />

hochkriegen. Springt ab, Burschen! Aber flott!" <strong>und</strong> von<br />

d e r Tr a g e a b z u s p r i n g e n v e r s u c h t e , h a l f s i e i h n<br />

nie<strong>de</strong>rhalten.<br />

Corrie streichelte seine Stirn <strong>und</strong> sagte beruhigend:<br />

„Alles ist in Ordnung, Jerry. Bleib nur still liegen <strong>und</strong><br />

versuche zu ruhen."<br />

Er langte hin <strong>und</strong> ergriff ihre Hand. „Mabel", sagte er<br />

<strong>und</strong> seufzte. Dann sank er in <strong>de</strong>n Schlaf. Rosetti <strong>und</strong><br />

Bubonovitch versuchten, Corrie nicht anzuschauen.<br />

Reyd seufzte auch. „Das ist <strong>die</strong> beste Medizin, <strong>die</strong> er<br />

bekommen kann", sagte er.<br />

Eine halbe St<strong>und</strong>e später ließ van Prins anhalten, <strong>und</strong><br />

sie schlugen unter einigen Bäumen neben <strong>de</strong>m kleinen<br />

Fluß, <strong>de</strong>r durchs Tal lief, ein Lager auf.<br />

Jerry schlief <strong>de</strong>n restlichen Nachmittag <strong>und</strong> <strong>die</strong> ganze<br />

folgen<strong>de</strong> Nacht hindurch. Corrie <strong>und</strong> Sarina schliefen an<br />

<strong>de</strong>r einen Seite <strong>de</strong>r Trage, Bubonovitch <strong>und</strong> Rosetti an<br />

<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren. Sie ruhten abwechselnd, um über ihren<br />

Patienten zu wachen.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Als Corrie an <strong>de</strong>r Reihe war, wach zu bleiben, dachte<br />

sie ständig an Mabel. Sie hatte <strong>de</strong>n Namen <strong>de</strong>s Mädchens<br />

aus Oklahoma City nie gehört, das <strong>de</strong>n 4-F geheiratet<br />

hatte, aber sie wußte jetzt, daß ihr Name Mabel war. Also<br />

Page 151 von 197


liebte er sie noch! Corrie versuchte, sich nicht darum zu<br />

kümmern. War Mabel nicht für ihn verloren? Sie war<br />

verheiratet. Dann überlegte sie, daß es vielleicht ein<br />

an<strong>de</strong>res Mädchen namens Mabel war, <strong>und</strong> vielleicht war<br />

<strong>die</strong>ses an<strong>de</strong>re Mädchen nicht verheiratet. Sie wollte<br />

Bubonovitch fragen, wie <strong>de</strong>r Name <strong>de</strong>s Mädchens aus<br />

Oklahoma war, aber ihr Stolz ließ es nicht zu.<br />

Als Jerry erwachte, lag er einige Minuten lang still <strong>und</strong><br />

schaute ins Blätterdach über sich hinauf, um so seine<br />

Erinnerung zu verleiten, ihm ihre Geheimnisse zu<br />

enthüllen. Langsam erinnerte er sich: Das Letzte, <strong>de</strong>ssen<br />

er sich entsann, war, daß man ihn auf einem schmalen<br />

Waldpfad entlang auf einer Trage ziemlich unbequem<br />

transportierte. Nun war <strong>die</strong> Trage zur Ruhe gekommen,<br />

<strong>und</strong> er hatte es sehr bequem. Ganz in <strong>de</strong>r Nähe hörte er<br />

das fröhliche Plätschern <strong>de</strong>s kleinen Flusses, wie er <strong>die</strong><br />

Steine überspülte, während er vergnügt weiter seiner<br />

Bestimmung, <strong>de</strong>m Meer, entgegen eilte.<br />

Jerry schaute hinüber <strong>und</strong> sah Bubonovitch <strong>und</strong> Rosetti<br />

im Gras <strong>de</strong>s Ufers; sie wuschen ihre Hän<strong>de</strong> <strong>und</strong> Gesichter.<br />

Er lächelte zufrie<strong>de</strong>n, da er dachte, wie glücklich er mit<br />

<strong>de</strong>n Kamera<strong>de</strong>n gewesen war, <strong>die</strong> ihm <strong>de</strong>r Krieg gegeben<br />

hatte. Er bekämpfte <strong>die</strong> Trauer um jene, <strong>die</strong> er nie wie<strong>de</strong>r<br />

sehen wür<strong>de</strong>. Ein Mann durfte nicht über solche Dinge<br />

brüten, jene unumgänglichen Begleitumstän<strong>de</strong> <strong>de</strong>s<br />

Krieges.<br />

Er wandte seinen Kopf vom Fluß weg, um nach Corrie<br />

zu sehen. Sie saß nahe neben seiner Trage, <strong>die</strong> Beine<br />

überkreuzt, <strong>die</strong> Ellbogen auf <strong>de</strong>n Knien, das Gesicht in<br />

ihren Handflächen vergraben. Ihr Haar war wie<strong>de</strong>r gol<strong>de</strong>n;<br />

aber sie trug es als Pagenkopffrisur, <strong>de</strong>nn sie war eine<br />

sehr praktische kleine Person. Deshalb trug sie auch<br />

weiterhin Hosen.<br />

Jerry sah sie liebevoll an <strong>und</strong> dachte, was für einen<br />

feschen Knaben sie abgäbe. Aber zugleich dachte er,<br />

Gott sei Dank ist sie keiner. Er wußte, daß sie keiner war,<br />

<strong>de</strong>nn er wür<strong>de</strong> keinen Knaben in <strong>die</strong> Arme nehmen <strong>und</strong><br />

küssen wollen. Und genau das war es, was er in <strong>die</strong>sem<br />

Augenblick mit Corrie tun wollte, aber hatte nicht <strong>de</strong>n<br />

Mut dazu. Feigling! dachte er.<br />

„Corrie", sagte er sehr sanft.<br />

Sie öffnete ihre Augen <strong>und</strong> hob <strong>de</strong>n Kopf. „Oh Jerry!"<br />

Er langte hinüber <strong>und</strong> nahm eine ihrer Hän<strong>de</strong>. Sie legte<br />

ihre an<strong>de</strong>re Hand auf seine Stirn. „Oh Jerry! Jerry! Ihr<br />

Fieber ist ganz weg. Wie fühlen Sie sich?"<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Page 152 von 197


„Als ob ich eine Kuh verspeisen könnte, mit Hufen,<br />

Hörnern <strong>und</strong> Haut."<br />

Corrie unterdrückte ein Seufzen. Diese plötzliche<br />

Erlösung von Furcht <strong>und</strong> Anspannung riß <strong>die</strong> Barrieren<br />

<strong>de</strong>r unterdrückten Gefühle ein, <strong>die</strong> so lange für sie<br />

geistige Abschirmung <strong>und</strong> Schutz gewesen waren. Corrie<br />

sprang auf <strong>die</strong> Beine <strong>und</strong> rannte davon. Sie nahm Zuflucht<br />

hinter einem Baum, lehnte sich dagegen <strong>und</strong> weinte. Sie<br />

konnte sich nicht erinnern, wann sie je so selig gewesen<br />

war.<br />

„Was", fragte Rosetti Bubonovitch, „war das für'n<br />

Name von <strong>de</strong>m Weibsbild in Oklahoma City, <strong>die</strong> <strong>de</strong>m<br />

Captain <strong>de</strong>n Laufpaß gab?"<br />

„Weiß ich nicht", sagte Bubonovitch.<br />

„Ich frag mich, ob's eine Mabel war", überlegte<br />

Rosetti.<br />

„Kann sein."<br />

Jerry sah mit gerunzelten Brauen hinter Corrie her. Na,<br />

was zur Hölle? dachte er. Sarina, <strong>die</strong> sich Corrie <strong>und</strong> <strong>de</strong>n<br />

Amerikanern beigesellt hatte, bereitete in <strong>de</strong>r Nähe das<br />

Frühstück. Dr. Reyd, <strong>de</strong>r <strong>die</strong> R<strong>und</strong>e bei seinen Patienten<br />

machte, kam zu Jerry. „Wie geht's an <strong>die</strong>sem Morgen?"<br />

„Fühl mich großartig", verkün<strong>de</strong>te ihm Jerry. „Ich<br />

brauch' nicht länger getragen wer<strong>de</strong>n."<br />

„Das glauben Sie vielleicht", sagte Reyd <strong>und</strong> grinste.<br />

„Aber da irren Sie sich."<br />

Captain van Prins <strong>und</strong> Tak van <strong>de</strong>r Bos kamen herüber.<br />

„Glauben Sie, Sie können's noch einen Tag länger<br />

aushalten?", fragte jener Jerry.<br />

„Klar kann ich's."<br />

„Gut! Ich möchte so früh wie möglich losziehen. Dieser<br />

Ort ist zu exponiert."<br />

„Gestern haben Sie uns Sorgen gemacht, Jerry", sagte<br />

van <strong>de</strong>r Bos.<br />

„Ich hatte einen guten Doktor", sagte Jerry.<br />

„Wenn ich Sie wie<strong>de</strong>r im bürgerlichen Leben zurück<br />

hätte", sagte Reyd, „hätte ich Ihnen gestern eine Pille<br />

gegeben; <strong>und</strong> heut Morgen hätte ich Ihnen erzählt, wie<br />

nahe Sie gestern an <strong>de</strong>r Pforte <strong>de</strong>s To<strong>de</strong>s waren."<br />

Corrie kam hinter ihrem Baum hervor <strong>und</strong> zu ihnen. Jerry<br />

sah, daß ihre Augen rot waren, <strong>und</strong> wußte, warum sie<br />

weggelaufen war.<br />

„Schon aufgestan<strong>de</strong>n, Faulpelz?", fragte Tak sie.<br />

„Ich habe eine Kuh gesucht", sagte Corrie.<br />

„Eine Kuh! Warum?"<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Page 153 von 197


„Jerry wollte eine zum Frühstück."<br />

„Dann wird er Reis essen", sagte van Prins grinsend.<br />

„Wenn ich von <strong>die</strong>ser schönen Insel wegkomme", sagte<br />

Jerry, „<strong>und</strong> irgendwer spricht mir von Reis, wär's besser,<br />

er lächelt."<br />

Die an<strong>de</strong>ren gingen ihren Pflichten nach <strong>und</strong> ließen<br />

Corrie mit Jerry allein. „Ich muß gestern weggetreten<br />

sein", sagte er. „Kann mich an nichts mehr erinnern nach<br />

ein paar St<strong>und</strong>en auf <strong>de</strong>m Pfad."<br />

„Sie waren ein sehr kranker Mann - verbrannten fast im<br />

Fieber. Sie wollten ständig von <strong>de</strong>r Trage abspringen. Wir<br />

mußten Sie zu viert nie<strong>de</strong>rhalten. Der Arzt wollte Sie auf<br />

<strong>de</strong>r Trage festbin<strong>de</strong>n, aber <strong>de</strong>r niedliche kleine Sergeant<br />

wollte davon nichts hören. Er sagte: 'Der Captain würd' es<br />

nicht wollen, daß man ihn bin<strong>de</strong>t.' Also sind er <strong>und</strong><br />

Bubonovitch <strong>und</strong> <strong>de</strong>r Doktor <strong>und</strong> Sarina <strong>und</strong> ich neben<br />

<strong>de</strong>r Trage her gelaufen."<br />

„Shrimp ist ein guter kleiner Kerl", sagte Jerry.<br />

„Diese Burschen halten viel auf sie, Jerry."<br />

„Das gilt wechselseitig", sagte Jerry. „Mitglie<strong>de</strong>r einer<br />

Kampfmannschaft müssen einan<strong>de</strong>r mögen. Man vertraut<br />

keinem Kerl, <strong>de</strong>n man nicht mag, <strong>und</strong> wir haben genug<br />

Sorgen, wenn wir auf eine Mission fliegen, auch ohne daß<br />

wir uns wegen eines Kerls sorgen müssen, <strong>de</strong>m wir nicht<br />

vertrauen können. Tut mir Leid, daß ich gestern so eine<br />

Plage war."<br />

„Sie waren keine Plage. Wir waren bloß erschrocken,<br />

weil wir glaubten, Sie wären so schrecklich krank. Und Ihr<br />

Delirium ließ es noch viel schlimmer aussehen, als es<br />

wirklich war." Sie schwieg einen Moment lang, <strong>und</strong> dann<br />

sagte sie: „Wer ist Mabel?"<br />

„Mabel! Was wissen Sie von Mabel?"<br />

„Nichts. Aber Sie haben ständig nach ihr verlangt."<br />

Jerry lachte. „Dad nannte Mutter so. Es ist nicht ihr<br />

Name, aber er fing an, sie Mabel zu rufen, ehe sie noch<br />

verheiratet waren. Er hatte <strong>de</strong>n Namen aus einer Serie<br />

von 'Liebe Mabelbriefen' <strong>die</strong> während <strong>de</strong>s Ersten<br />

Weltkriegs sehr populär war. Und wir Kin<strong>de</strong>r fan<strong>de</strong>n es<br />

sehr lustig, sie auch Mabel zu rufen."<br />

„Wir alle rätselten, wer Mabel war", sagte Corrie lahm.<br />

„Ich glaube, Shrimp <strong>und</strong> Bubonovitch <strong>und</strong> Sarina <strong>und</strong><br />

<strong>de</strong>r Doktor waren schrecklich bekümmert", sagte Jerry.<br />

„Das ist nicht lustig, <strong>und</strong> Sie sind nicht nett", sagte<br />

Corrie.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Page 154 von 197


Kapitel 5<br />

Am Talschluß, wo <strong>de</strong>r Fluß als kleine Quelle entsprang,<br />

<strong>die</strong> unter einem Kalkfelsen hervorspru<strong>de</strong>lte, gab es viele<br />

Höhlen, <strong>die</strong> leicht zu verteidigen waren. Van Prins<br />

beschloß, hier ein mehr o<strong>de</strong>r weniger dauerhaftes Lager<br />

einzurichten <strong>und</strong> <strong>die</strong> Ankunft <strong>de</strong>r alliierten Streitkräfte<br />

unter MacArthur abzuwarten; <strong>de</strong>nn seit <strong>die</strong> Amerikaner<br />

gekommen waren, erfuhr er erstmals, daß MacArthur<br />

tatsächlich Woche für Woche vordrang. Sobald <strong>die</strong><br />

Alliierten einen Brückenkopf errichteten, wür<strong>de</strong>n er <strong>und</strong><br />

a n d e r e G u e r i l l a - A n f ü h r e r a u s d e n B e r g e n<br />

herunterkommen <strong>und</strong> <strong>de</strong>n Feind im Rücken <strong>und</strong> in seinen<br />

Nachrichtenverbindungen stören. Inzwischen war alles,<br />

was sie zu Stan<strong>de</strong> brächten, ein gelegentlicher Ausfall<br />

gegen einen japanischen Vorposten.<br />

Von <strong>die</strong>sem Camp aus hatten <strong>die</strong> Amerikaner vor, <strong>die</strong><br />

Berge zur an<strong>de</strong>ren Seite hin zu überqueren, sobald Jerry<br />

völlig genesen war, <strong>und</strong> an <strong>de</strong>r Ostseite <strong>de</strong>r Bergkette<br />

einem Pfad bis zu einem Punkt zu folgen, von wo aus sie<br />

eine Überquerung zurück nach Westen machen <strong>und</strong><br />

versuchen konnten, <strong>de</strong>n Weg zur Küste zu schaffen. Tak<br />

van <strong>de</strong>r Bos ging mit ihnen, weil er glaubte, daß seine<br />

Kenntnis Sumatras <strong>und</strong> <strong>de</strong>r japanischen Stützpunkte <strong>de</strong>n<br />

alliierten Streitkräften von Nutzen sein könnte. „Für <strong>de</strong>n<br />

sehr unwahrscheinlichen Fall, daß ihr sie jemals erreicht",<br />

sagte van Prins.<br />

Er hegte wenig Hoffnung auf <strong>de</strong>n Erfolg <strong>de</strong>ssen, was er<br />

als verrücktes Abenteuer einschätzte, <strong>und</strong> er versuchte<br />

Corrie zu überre<strong>de</strong>n, das Risiko nicht auf sich zu nehmen.<br />

„Wir können Sie für unbegrenzte Zeit hier in <strong>de</strong>n Bergen<br />

verstecken", sagte er ihr, „<strong>und</strong> Sie wür<strong>de</strong>n von Leuten<br />

Ihres eigenen Volkes beschützt."<br />

Jerry war nicht so überzeugt, daß sie in Sicherheit<br />

w ä r e . F a l l s d i e J a p a n e r j e m a l s e i n e e r n s t h a f t e<br />

Anstrengung unternähmen, <strong>die</strong> Guerillas auszulöschen,<br />

wür<strong>de</strong>n sie sowohl Infanterie wie auch Flugzeuge<br />

einsetzen. Corrie wäre alles an<strong>de</strong>re als sicher. Doch<br />

drängte er sie nicht, mit ihm zu kommen. Er wäre weitaus<br />

mehr von <strong>de</strong>n Chancen auf Erfolg ihres Wagnisses<br />

überzeugt gewesen, wäre <strong>Tarzan</strong> ihnen nicht verloren<br />

gegangen.<br />

Tak van <strong>de</strong>r Bos stimmte van Prins zu. „Ich glaube<br />

wirklich, du wärest hier sicherer, Corrie", sagte er zu ihr.<br />

„Und ich glaube, daß wir vier Männer eine bessere<br />

Chance hätten durchzukommen, wenn - wenn - "<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Page 155 von 197


„Wenn ihr nicht mit ein paar Frauen belastet wäret.<br />

Warum<br />

sprichst du's nicht aus, Tak?"<br />

„Ich wußte nicht, wie ich es höflich ausdrücken könnte,<br />

Corrie; aber so habe ich' s gemeint."<br />

„Sarina <strong>und</strong> ich wer<strong>de</strong>n keine Belastung sein. Wir<br />

wer<strong>de</strong>n zwei weitere Schützen sein. Wir haben auf <strong>de</strong>r<br />

Reise bewiesen, daß wir es mit je<strong>de</strong>m von euch Männern<br />

aufnehmen. Ich glaube, ihr wer<strong>de</strong>t zugeben, daß Sarina<br />

wüten<strong>de</strong>r kämpfen wür<strong>de</strong> als einer von euch, <strong>und</strong> ich<br />

habe schon gezeigt, daß ich nicht heule <strong>und</strong> in Ohnmacht<br />

falle, wenn <strong>die</strong> Schießerei anfängt. Abgesehen von all<br />

<strong>de</strong>m glaubt Sarina, sie wüßte, wo genau sie ein Boot für<br />

uns fin<strong>de</strong>n <strong>und</strong> es von fre<strong>und</strong>lich gesinnten Eingeborenen<br />

mit Vorräten ausrüsten lassen kann. Noch etwas ist zu<br />

überlegen: Sarina hat <strong>die</strong>se Gewässer ihr ganzes Leben<br />

lang befahren. Sie kennt sie nicht nur, son<strong>de</strong>rn sie ist ein<br />

erfahrener Navigator. Ich glaube, wir wären euch eine<br />

große Hilfe. Was <strong>die</strong> Gefahren betrifft, steht es sechs zu<br />

eins, <strong>und</strong> ein halbes Dutzend gegen <strong>die</strong> an<strong>de</strong>ren. Die<br />

Japaner könnten uns schnappen, wenn wir wegzukommen<br />

versuchen, aber auch, wenn wir bleiben. Sarina <strong>und</strong> ich<br />

wollen mit euch Männern gehen; aber wenn Jerry nein<br />

sagt, dann war's das."<br />

Bubonovitch <strong>und</strong> Rosetti waren interessierte Zuhörer<br />

<strong>de</strong>r Diskussion. Jerry wandte sich ihnen zu. „Was meint<br />

ihr, Burschen?", fragte er. „Hättet ihr lieber, daß Corrie<br />

<strong>und</strong> Sarina mit uns kommen, o<strong>de</strong>r wolltet ihr das eher<br />

nicht?"<br />

„Na, es ist so", sagte Bubonovitch. „Hätten wir zwei<br />

Männer, <strong>die</strong> so gute Soldaten sind wie sie, dann wäre es<br />

keine Frage. Es ist bloß so, daß ein Mann zögert, eine<br />

Frau in Gefahr zu bringen, wenn er es vermei<strong>de</strong>n kann."<br />

„Zur Hölle, das ist es ja", sagte Jerry. Er schaute<br />

R o s e t t i f r a g e n d a n , R o s e t t i , d e n e i n g e f l e i s c h t e n<br />

Frauenfeind.<br />

„Ich sag', alle gehen o<strong>de</strong>r alle bleiben. Bleiben wir<br />

zusammen."<br />

„Corrie <strong>und</strong> Sarina wissen, welche Gefahren <strong>und</strong><br />

Entbehrungen zu erwarten wären", sagte Bubonovitch.<br />

„Laßt sie entschei<strong>de</strong>n. Ich sehe nicht ein, daß einer von<br />

uns das Recht hätte, ihnen das Denken abzunehmen."<br />

„Gut für Sie, Sergeant", sagte Corrie. „Sarina <strong>und</strong> ich<br />

haben uns bereits entschie<strong>de</strong>n."<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Page 156 von 197


Captain van Prins zuckte <strong>die</strong> Schultern. „Ich halte euch<br />

für verrückt", sagte er, „aber ich bew<strong>und</strong>ere euren Mut,<br />

<strong>und</strong> ich wünsche euch Glück."<br />

„Schaut!", rief Rosetti <strong>und</strong> streckte <strong>de</strong>n Finger aus.<br />

„Jetzt wird<br />

alles paletti."<br />

Alle schauten in <strong>die</strong> Richtung, in <strong>die</strong> Rosetti zeigte.<br />

Ihnen näherte sich <strong>die</strong> vertraute, gebräunte Gestalt, auf<br />

<strong>die</strong> zu verlassen sich <strong>die</strong> Amerikaner <strong>und</strong> Corrie so<br />

gewöhnt hatten, mit einem auf <strong>de</strong>r Schulter hocken<strong>de</strong>n<br />

kleinen Affen; über <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren hing ein Hirschkadaver.<br />

<strong>Tarzan</strong> warf <strong>de</strong>n Hirsch am Rand <strong>de</strong>s Camps auf <strong>de</strong>n<br />

Bo<strong>de</strong>n <strong>und</strong> ging herüber zu <strong>de</strong>r Gruppe, <strong>die</strong> um Jerrys<br />

Trage versammelt war. Keta umfing <strong>Tarzan</strong>s Hals mit<br />

bei<strong>de</strong>n Armen, schrie <strong>de</strong>n frem<strong>de</strong>n Tarmangani entgegen<br />

<strong>und</strong> bewarf sie mit Dschungel-Beschimpfungen. Der<br />

kleine Keta fürchtete sich.<br />

„Sie sind Fre<strong>und</strong>e, Keta", sagte <strong>Tarzan</strong> in ihrer<br />

gemeinsamen Sprache. „Hab keine Angst."<br />

„Keta keine Angst", quietschte <strong>de</strong>r Affe. „Keta beißt<br />

Tarmangani."<br />

<strong>Tarzan</strong> wur<strong>de</strong> begeistert begrüßt. Er ging sogleich zu<br />

Jerry <strong>und</strong> schaute lächelnd auf ihn hinab. „Also haben sie<br />

Sie nicht erwischt", sagte er.<br />

„Nur gestreift", sagte Jerry.<br />

„Als ich Sie das letzte Mal gesehen habe, hielt ich Sie<br />

für tot."<br />

„Wir haben befürchtet, daß Sie tot wären. Sind Sie<br />

Schwierigkeiten begegnet?"<br />

„Ja", erwi<strong>de</strong>rte <strong>Tarzan</strong>, „aber es waren nicht meine<br />

Schwierigkeiten, es waren <strong>die</strong> <strong>de</strong>r Japaner. Ich habe sie<br />

verfolgt. Ganz gleich, was sie Ihnen in Zukunft antun<br />

mögen, Sie sind bereits gerächt."<br />

Jerry grinste. „Ich wünschte, ich wäre dabei gewesen,<br />

um es zu sehen."<br />

„Es war nicht schön", sagte <strong>Tarzan</strong>. „Seelenlose<br />

Geschöpfe in Schreckensangst - lebendige Roboter,<br />

hilflos ohne ihre Herren. Ich war bedacht, <strong>die</strong>se zuerst<br />

abzuschießen." Er lächelte bei <strong>de</strong>r Erinnerung daran.<br />

„Sie müssen sie eine lange Strecke weit verfolgt<br />

haben", vermutete van Prins.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

„Nein; aber nach<strong>de</strong>m ich mit ihnen fertig war, drang ich<br />

tief in <strong>de</strong>n Wald vor. Ein Land, mit <strong>de</strong>m ich nicht vertraut<br />

bin, interessiert mich immer. Je<strong>de</strong>nfalls habe ich nicht viel<br />

Page 157 von 197


von Be<strong>de</strong>utung erfahren. Gestern ent<strong>de</strong>ckte ich am<br />

späten Nachmittag eine feindliche Batterie mit großen<br />

Kanonen, <strong>und</strong> heute Morgen eine weitere. Wenn Sie eine<br />

Karte haben, kann ich ihre Positionen ziemlich genau<br />

einzeichnen.<br />

A m e r s t e n T a g f a n d i c h e i n a b g e l e g e n e s<br />

Eingeborenendorf. Es wur<strong>de</strong> im seichten Gewässer nahe<br />

am Strand eines Sees im Urwald errichtet, <strong>de</strong>r mir<br />

<strong>und</strong>urchdringlich erschien. Die Leute fischten mit Netzen.<br />

Sie drohten mir mit Pfeil <strong>und</strong> Bogen, nach<strong>de</strong>m ich ihnen<br />

das Frie<strong>de</strong>nszeichen zeigte."<br />

„Ich glaube, ich kenne das Dorf, sagte van Prins.<br />

„Flieger haben es gesehen; aber soweit bekannt ist,<br />

haben keine an<strong>de</strong>ren zivilisierten Menschen es gesehen<br />

<strong>und</strong> sind noch am Leben. Einer o<strong>de</strong>r zwei haben versucht,<br />

es zu erreichen. Vielleicht gelang es ihnen, aber sie<br />

kehrten nie zurück. Die Einwohner <strong>die</strong>ses Dorfes hält man<br />

für <strong>die</strong> Nachkommen eines Volkes von Ureinwohnern, von<br />

<strong>de</strong>nen <strong>die</strong> Battaks abstammen - echte Wil<strong>de</strong> <strong>und</strong><br />

Kannibalen. Bis vor Kurzem waren heutige Battaks<br />

Kannibalen - was man als wohltätige Kannibalen<br />

bezeichnen könnte. Sie aßen ihre Alten, im Glauben, daß<br />

sie so <strong>die</strong> Unsterblichkeit erringen wür<strong>de</strong>n, weil sie in <strong>de</strong>n<br />

Personen, <strong>die</strong> sie verspeist hatten, weiterleben wür<strong>de</strong>n.<br />

Auch wür<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Verzehrer <strong>die</strong> Kraft <strong>und</strong> <strong>die</strong> Fähigkeiten<br />

<strong>de</strong>r Verspeisten aufnehmen. Aus <strong>de</strong>m letzteren Gr<strong>und</strong><br />

aßen sie auch ihre Fein<strong>de</strong> - teilweise gekocht <strong>und</strong> mit<br />

einem Schuß Zitrone."<br />

„Diese Uferbewohner", sagte van <strong>de</strong>r Bos, „sollen auch<br />

das Geheimnis <strong>de</strong>r ewigen Jugend ent<strong>de</strong>ckt haben."<br />

„Das ist natürlich alles Blödsinn", sagte Dr. Reyd.<br />

„Vielleicht nicht", sagte <strong>Tarzan</strong>.<br />

Reyd schaute ihn überrascht an. „Sie meinen doch<br />

nicht, mir erzählen zu können, Sie glauben irgend so<br />

einen dummen Unsinn, o<strong>de</strong>r?", fragte er.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

<strong>Tarzan</strong> lächelte <strong>und</strong> nickte. „Natürlich glaube ich an<br />

solche Dinge, <strong>die</strong> ich selbst gesehen o<strong>de</strong>r erfahren habe;<br />

<strong>und</strong> zwei Mal habe ich <strong>de</strong>n endgültigen Beweis gesehen,<br />

daß ewige Jugend erlangt wer<strong>de</strong>n kann. Vor Langem<br />

habe ich auch gelernt, <strong>die</strong> Möglichkeit von irgen<strong>de</strong>twas<br />

<strong>de</strong>m Aberglauben o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Religion primitiver Völker<br />

Entstammen<strong>de</strong>m abzustreiten. Im tiefsten, schwärzesten<br />

Afrika habe ich seltsame Dinge gesehen." Er unterbrach<br />

sich, offensichtlich ohne Lust auf weitere Erklärungen.<br />

Seine Augen wan<strong>de</strong>rten über <strong>die</strong> Gesichter seiner Zuhörer<br />

<strong>und</strong> blieben dann auf Sarina gerichtet. „Was macht <strong>die</strong>se<br />

Page 158 von 197


Frau hier?", fragte er. „Sie gehört zu Hooft <strong>und</strong> seiner<br />

Verbrecher bän<strong>de</strong>."<br />

Corrie <strong>und</strong> Rosetti versuchten es gleichzeitig zu<br />

erklären, <strong>die</strong>ser in ziemlich heftiger Verteidigung Sarinas.<br />

Als er <strong>die</strong> Geschichte gehört hatte, war <strong>Tarzan</strong> zufrie<strong>de</strong>n.<br />

„Wenn Sergeant Rosetti es<br />

dul<strong>de</strong>t, eine Frau dabei zu haben, muß sie jenseits aller<br />

Kritik stehen."<br />

Rosetti errötete verlegen, aber er sagte: „Sarina ist<br />

okay."<br />

Dr. Reyd räusperte sich. „Was Sie vom wahren Kern im<br />

Aberglauben <strong>und</strong> in <strong>de</strong>n Religionen primitiver Völker<br />

gesagt haben, <strong>und</strong> daß ewige Jugend erlangt wer<strong>de</strong>n<br />

k ö n n e , i n t e re s s i e r t m i c h . Wü rd e e s I h n e n e t w a s<br />

ausmachen, das näher zu erklären?"<br />

<strong>Tarzan</strong> setzte sich mit überschlagenen Beinen neben<br />

Jerry hin. „Bei zahlreichen Gelegenheiten habe ich erlebt,<br />

wie Medizinmänner Menschen auf große Entfernung<br />

getötet haben; <strong>und</strong> manchmal im Abstand von Jahren. Ich<br />

weiß nicht, wie sie es machen. Ich weiß nur, daß sie es<br />

machen. Vielleicht säen sie <strong>die</strong> Vorstellung in <strong>de</strong>n<br />

Verstand ihres Opfers, <strong>und</strong> das ruft <strong>de</strong>n Tod durch<br />

Autosuggestion hervor. Meist ist ihr Hokuspokus reine<br />

Scharlatanerie. Gelegentlich wirkt es wie eine exakte<br />

Wissenschaft."<br />

„Wir sind auch leicht zu täuschen", sagte Jerry.<br />

„Nehmen Sie einen <strong>die</strong>ser Kerle, <strong>die</strong> sich Bühnenzauberei<br />

zum Hobby gemacht haben. Sie geben zu, daß sie Sie<br />

beschwin<strong>de</strong>ln; wären Sie aber ein unwissen<strong>de</strong>r Wil<strong>de</strong>r <strong>und</strong><br />

<strong>die</strong> erzählten Ihnen, das wäre wahre Magie, wür<strong>de</strong>n Sie<br />

ihnen glauben. Ich hatte einen Fre<strong>und</strong> in Honolulu, als ich<br />

bei Hickham stationiert war, <strong>de</strong>r war so gut wie irgen<strong>de</strong>in<br />

Profi, <strong>de</strong>n ich je gesehen hatte. Malen Sie Colonel<br />

Kendall J. Fiel<strong>de</strong>r schwarz an, klei<strong>de</strong>n Sie ihn in<br />

Len<strong>de</strong>nschurz <strong>und</strong> Fe<strong>de</strong>r-Kopfschmuck, geben Sie ihm ein<br />

paar Anhänger aus Knochen <strong>und</strong> Holzstücken <strong>und</strong> einen<br />

Zebraschwanz, <strong>und</strong> lassen Sie ihn in Afrika aus - <strong>und</strong> er<br />

wür<strong>de</strong> alle an<strong>de</strong>ren Medizinmänner grün wer<strong>de</strong>n lassen<br />

vor Neid.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Und was <strong>de</strong>r mit Karten anstellen konnte! Ich habe mit<br />

ihm Bridge gespielt, <strong>und</strong> er hat immer gewonnen.<br />

Natürlich spielte er ehrlich, aber er war einem schon um<br />

zwei Schritte voraus, bevor man anfing - grad wie <strong>Tarzan</strong>s<br />

Medizinmänner bei ihren Opfern. Man hat sich das<br />

V e r l i e r e n s e l b s t e i n g e r e d e t . Tr o t z d e m w a r ' s<br />

Page 159 von 197


eschämend", fügte Jerry hinzu, „weil ich ein sehr viel<br />

besserer Bridge-Spieler bin als er."<br />

„Diese Art von Zauberei kann natürlich je<strong>de</strong>r lernen",<br />

sagte Reyd, „doch wie ist das mit <strong>de</strong>r ewigen Jugend? Sie<br />

haben wirklich Beispiele dafür gesehen?"<br />

„Als ich ein junger Mann war", sagte <strong>Tarzan</strong>, „rettete<br />

i c h e i n e n S c h w a r z e n v o r e i n e m L ö w e n , e i n e m<br />

Menschenfresser. Er war sehr dankbar <strong>und</strong> wollte es mir<br />

auf irgen<strong>de</strong>ine Weise lohnen. Er bot mir<br />

ewige Jugend an. Ich sagte ihm, ich glaube nicht, daß so<br />

etwas möglich wäre. Er fragte mich, für wie alt ich ihn<br />

hielte, <strong>und</strong> ich sagte, er scheine in seinen Zwanzigern zu<br />

sein. Er sagte mir, daß er ein Medizinmann sei. Alle<br />

Medizinmänner, <strong>die</strong> ich je gesehen hatte, waren viel<br />

ältere Männer als er; daher bezweifelte ich seine<br />

Behauptung wie auch seinen Anspruch, daß er im Stan<strong>de</strong><br />

sei, mir ewige Jugend zu verschaffen.<br />

Er nahm mich mit in sein Dorf, wo ich seinem Häuptling<br />

begegnete. Er fragte <strong>de</strong>n Häuptling, wie lang er ihn<br />

kenne. 'Mein ganzes Leben', antwortete <strong>de</strong>r Häuptling,<br />

<strong>de</strong>r ein sehr alter Mann war. Der Häuptling erzählte mir,<br />

niemand wüßte, wie alt <strong>de</strong>r Medizinmann war; daß er aber<br />

sehr alt sein müsse, <strong>de</strong>nn er hatte Tippu Tibs Großvater<br />

gekannt. Tippu Tib wur<strong>de</strong> vielleicht in <strong>de</strong>n 1840ern<br />

geboren o<strong>de</strong>r womöglich in <strong>de</strong>n 1830ern; daher mochte<br />

sein Großvater aus <strong>de</strong>m achtzehnten Jahrh<strong>und</strong>ert<br />

stammen.<br />

Ich war noch ganz jung <strong>und</strong> wie <strong>die</strong> meisten jungen<br />

Männer ein Abenteurer. Ich hätte alles ausprobiert; also<br />

ließ ich <strong>de</strong>n Medizinmann sein Werk an mir beginnen.<br />

Bevor er mit mir fertig war, verstand ich, warum er <strong>die</strong><br />

ewige Jugend nicht allgemein verbreitete. Es erfor<strong>de</strong>rte<br />

einen ganzen Monat, um üble Tränke zu brauen,<br />

feierlichen Ritualen beizuwohnen <strong>und</strong> ein paar Gläser vom<br />

Blut <strong>de</strong>s Medizinmanns in meine Venen zu übertragen.<br />

Lang, bevor es vorbei war, bereute ich, daß ich mich<br />

darauf eingelassen hatte; <strong>de</strong>nn ich schenkte seinen<br />

Behauptungen keinen Glauben." <strong>Tarzan</strong> hörte zu sprechen<br />

auf, als hätte er sein Geschichte been<strong>de</strong>t.<br />

„Und Sie behielten ganz Recht", sagte Dr. Reyd.<br />

„Dann glauben Sie also, daß ich altern wer<strong>de</strong>?"<br />

„Ganz bestimmt", sagte <strong>de</strong>r Arzt.<br />

„Wie alt, glauben Sie, bin ich jetzt?", fragte <strong>Tarzan</strong>.<br />

„In Ihren Zwanzigern."<br />

<strong>Tarzan</strong> lächelte. „Was ich Ihnen erzählt habe, geschah<br />

vor vielen Jahren."<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Page 160 von 197


Dr. Reyd schüttelte <strong>de</strong>n Kopf. „Das ist sehr seltsam",<br />

sagte er. Er war offensichtlich, daß er nicht überzeugt war.<br />

„Ich habe mir über Ihr Alter nie Gedanken gemacht",<br />

sagte Jerry. „Aber ich erinnere mich jetzt, daß mein Vater<br />

sagte, er habe von Ihnen gelesen, als er ein Bub war. Und<br />

ich wuchs auf mit Ihnen. Sie haben mein Leben mehr<br />

beeinflußt als sonst jemand."<br />

„Ich geb's auf, sagte Dr. Reyd. „Aber Sie sagten, daß<br />

Sie zwei Beispiele kennen, da ewige Jugend erlangt<br />

wur<strong>de</strong>. Was war das<br />

an<strong>de</strong>re? Sie haben mein Interesse or<strong>de</strong>ntlich geweckt."<br />

„ E i n S t a m m w e i ß e r F a n a t i k e r s e t z t e i n e i n e m<br />

entlegenen Teil Afrikas ein höllisches Ding in Gang, das<br />

ewige Jugend bewirkte. Ich meine, <strong>die</strong> Art, wie sie eine<br />

<strong>de</strong>r Hauptingre<strong>die</strong>nzien beschafften, war höllisch. Sie<br />

entführten junge Mädchen, töteten sie <strong>und</strong> entnahmen<br />

ihnen gewisse Drüsen.<br />

Im Zuge <strong>de</strong>r Suche nach einigen <strong>de</strong>r Mädchen, <strong>die</strong> sie<br />

gestohlen hatten, fand ich ihr Dorf. Um <strong>die</strong> lange<br />

Geschichte kurz zu machen, meine Gefährten <strong>und</strong> ich<br />

retteten <strong>die</strong> Mädchen <strong>und</strong> nahmen einige <strong>de</strong>r Zutaten an<br />

uns. Die, <strong>die</strong> sie eingenommen haben, auch ein kleiner<br />

Affe, haben seither kein Anzeichen <strong>de</strong>s Alterns gezeigt."<br />

„Erstaunlich!", sagte Dr. Reyd. „Erwarten Sie, ewig zu<br />

leben?"<br />

„Ich weiß nicht, was mich erwartet."<br />

„Womöglich", meinte Bubonovitch, „wer<strong>de</strong>n Sie ganz<br />

plötzlich in Stücke zerfallen, wie One Hoss Shay."<br />

„Wür<strong>de</strong>n Sie ewig leben wollen?", fragte van <strong>de</strong>r Bos.<br />

„Natürlich - wenn ich nie <strong>die</strong> Altersschwäche erlei<strong>de</strong>n<br />

müßte."<br />

„Aber alle Ihre Fre<strong>und</strong>e wären fort."<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

„Man vermißt <strong>die</strong> alten Fre<strong>und</strong>e, aber man macht sich<br />

ständig neue. Aber meine Chancen auf ewiges Leben sind<br />

wirklich sehr gering. Eines Tages kann mich eine Kugel<br />

treffen, o<strong>de</strong>r ein Tiger erwischt mich, o<strong>de</strong>r ein Python.<br />

Falls ich es erlebe, nach Afrika zurückzukehren, könnte<br />

mich ein Löwe erwarten o<strong>de</strong>r ein Büffel. Der Tod wartet in<br />

vielerlei Gestalt, nicht nur im Alter. Man kann ihn für eine<br />

Weile überlisten, aber am En<strong>de</strong> gewinnt er immer."<br />

Page 161 von 197


Kapitel 26<br />

Die kleine Gruppe, <strong>die</strong> versuchen wollte, Australien zu<br />

erreichen, <strong>und</strong> <strong>die</strong> aus Amerikanern, Hollän<strong>de</strong>rn, einem<br />

Englän<strong>de</strong>r <strong>und</strong> einer Eurasierin bestand, hatte von <strong>de</strong>n<br />

Guerillas <strong>die</strong> Bezeichnung „<strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong>" bekommen.<br />

Jerry ergänzte <strong>die</strong> Begründung für <strong>die</strong>se Namensgebung<br />

dadurch, daß er darauf aufmerksam machte, Bubonovitch<br />

sei Russe, Rosetti Italiener <strong>und</strong> er selbst zum Teil<br />

Cherokee-Indianer.<br />

„Wenn <strong>de</strong>r arme alte Sing Tai bei uns wäre", sagte<br />

Corrie, „wären <strong>die</strong> vier wichtigsten <strong>de</strong>r Alliierten<br />

Nationen vertreten."<br />

„Hätte sich Italien nicht ergeben", sagte Bubonovitch,<br />

„müßten wir Shrimp liqui<strong>die</strong>ren. Er ist <strong>de</strong>r einzige Partner<br />

in unserer Mitte, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Achsenmächten zuzurechnen<br />

ist."<br />

„Ich bin kein Italiäner nicht", sagte Rosetti, „aber ich<br />

war' lieber ein Italiäner als ein lausiger russischer<br />

Kommunist." Bubonovitch grinste <strong>und</strong> zwinkerte Corrie<br />

zu.<br />

Captain van Prins, <strong>de</strong>r mit <strong>Tarzan</strong> ein wenig abseits saß,<br />

sagte mit leiser Stimme: „Es ist schon schlimm, daß <strong>die</strong><br />

Bei<strong>de</strong>n einan<strong>de</strong>r nicht lei<strong>de</strong>n können. Das könnte eine<br />

Menge Ärger verursachen, bevor ihr am Ziel seid."<br />

<strong>Tarzan</strong> sah ihn überrascht an. „Ich glaube, Sie kennen<br />

<strong>die</strong> Amerikaner nicht so gut, Captain. Je<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n<br />

Burschen wür<strong>de</strong> bereitwillig sein Leben für <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren<br />

riskieren."<br />

„Warum versuchen sie dann, einan<strong>de</strong>r zu beleidigen?",<br />

fragte van Prins. „Das ist nicht das erste Mal, daß ich das<br />

höre."<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

<strong>Tarzan</strong> zuckte mit <strong>de</strong>n Schultern. „Wäre ich ein<br />

Amerikaner, könnte ich es Ihnen vielleicht sagen."<br />

Wo <strong>die</strong> Guerillas ihr Lager aufgeschlagen hatten,<br />

verengte sich das Tal <strong>und</strong> en<strong>de</strong>te als Schlucht in einer<br />

Sackgasse. Deren Kalksteinwän<strong>de</strong> wur<strong>de</strong>n zu bei<strong>de</strong>n<br />

Seiten von großen Höhlen durchlöchert. Gewehr- <strong>und</strong><br />

MG-Feuer aus <strong>die</strong>sen Höhlenöffnungen mochten ein<br />

tödliches Kreuzfeuer ermöglichen, das <strong>die</strong>se Positionen<br />

unangreifbar machte. Ein weiterer Vorteil lag in <strong>de</strong>r von<br />

<strong>de</strong>n Höhlen gebotenen Möglichkeit, alle Anzeichen<br />

menschlicher Gegenwart zu verbergen. Gelegentlich flog<br />

e i n j a p a n i s c h e s F l u g z e u g v o r b e i . B e i m e r s t e n<br />

Motorenlärm verschwand <strong>die</strong> Kompanie in <strong>de</strong>n Höhlen.<br />

Page 162 von 197


Ein Wachtposten auf <strong>de</strong>m Felsen über <strong>de</strong>m Lager hatte<br />

volle Sicht über das Tal hinab, so weit ein Fernglas<br />

reichte. Sollte er auch nur ein einziges menschliches<br />

Wesen auftauchen sehen, wür<strong>de</strong> auf<br />

sein Zeichen sogleich <strong>de</strong>r Bo<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Schlucht geräumt<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

In <strong>die</strong>sem Camp fühlte sich <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong> zum<br />

ersten Mal in annehmbarer Sicherheit. Das war eine<br />

Erleichterung nach <strong>de</strong>r ständigen Nervenanspannung, <strong>de</strong>r<br />

sie ausgesetzt gewesen waren, <strong>und</strong> sie entspannten sich<br />

<strong>und</strong> ruhten sich aus, während sie abwarteten, daß Jerrys<br />

W<strong>und</strong>e heilte <strong>und</strong> er wie<strong>de</strong>r zu Kräften kam.<br />

<strong>Tarzan</strong> war häufig auf Erk<strong>und</strong>ungsmissionen unterwegs<br />

o<strong>de</strong>r auf <strong>de</strong>r Jagd. Er war es, <strong>de</strong>r das Camp mit frischem<br />

Fleisch versorgte, da er lautlos töten konnte, was äußerst<br />

wünschenswert war. Ein Gewehrschuß mochte <strong>die</strong><br />

Aufmerksamkeit einer feindlichen Patrouille erregen.<br />

Manchmal war <strong>Tarzan</strong> mehrere Tage auf einmal fort. Bei<br />

einem solchen Anlaß fand er weit unten im Tal das Lager<br />

<strong>de</strong>r Gesetzlosen. Es befand sich unweit <strong>de</strong>s Kampongs, in<br />

<strong>de</strong>m Hauptmann Tokujo Matsuo <strong>und</strong> Leutnant Hi<strong>de</strong>o<br />

Sokabe immer noch aushielten, <strong>und</strong> es war offensichtlich,<br />

d a ß d i e V e r b r e c h e r o f f e n m i t d e n J a p a n e r n<br />

kollaborierten.<br />

Die Gesetzlosen hatten eine Destillieranlage errichtet<br />

<strong>und</strong> brannten Schnaps, mit <strong>de</strong>m sie einen regen Han<strong>de</strong>l<br />

mit <strong>de</strong>m Feind trieben. <strong>Tarzan</strong> sah Trunkenheit in bei<strong>de</strong>n<br />

Lagern verbreitet. Ein bemerkenswertes Ergebnis <strong>de</strong>ssen<br />

war <strong>die</strong> Lockerung von Disziplin <strong>und</strong> Bereitschaft im<br />

Fein<strong>de</strong>slager.<br />

Es gab keine Wachen an <strong>de</strong>n Pfa<strong>de</strong>n, <strong>die</strong> zum Dorf<br />

führten. Ein einzelner Soldat hielt neben einer kleinen<br />

Stacheldraht-Abzäunung Wache. Darin konnte <strong>Tarzan</strong><br />

unter einer armseligen Ab<strong>de</strong>ckung zwei Gestalten sehen;<br />

aber er konnte nicht ausnehmen, wer o<strong>de</strong>r was sie waren.<br />

Sichtlich waren sie Gefangene, doch ob Eingeborene<br />

o<strong>de</strong>r Japaner, konnte er nicht sagen. Sie interessierten<br />

ihn nicht.<br />

Als <strong>Tarzan</strong> sich umdrehte, um das Dorf hinter sich zu<br />

lassen <strong>und</strong> zum Camp <strong>de</strong>r Guerillas zurückzukehren,<br />

plärrte ein Radio aus einer <strong>de</strong>r Hütten. Er hielt einen<br />

Moment inne um hinzuhören; aber <strong>die</strong> Stimme sprach auf<br />

Japanisch, was er nicht verstehen konnte, <strong>und</strong> er setzte<br />

seinen Weg fort.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Page 163 von 197


Leutnant Hi<strong>de</strong>o Sokabe verstand es je<strong>de</strong>nfalls, <strong>und</strong> ihm<br />

gefiel nicht, was er hörte. Hauptmann Tokujo Matsuo<br />

verstand es <strong>und</strong> war erfreut. Er war nicht wenig vom<br />

Schnaps betrunken, wie Sokabe auch. Der Schnaps<br />

verstärkte <strong>de</strong>n Jubel, mit <strong>de</strong>m Matsuo <strong>die</strong> Sendung aus<br />

Tokyo aufnahm. Er wur<strong>de</strong> recht laut darüber.<br />

„Also ist Ihr ehrenwerter Onkel hinausgeworfen<br />

wor<strong>de</strong>n", begeisterte er sich. „Nun können Sie Ihrem<br />

ehrenwerten Onkel, <strong>de</strong>m<br />

General Hi<strong>de</strong>ki Tojo je<strong>de</strong>n Tag schreiben; aber ich wer<strong>de</strong><br />

Hauptmann bleiben - bis ich beför<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>. Jetzt hat<br />

sich <strong>die</strong> Lage gewen<strong>de</strong>t. Der 'Singen<strong>de</strong> Frosch' ist jetzt<br />

Premier. Er ist nicht mein Onkel, aber er ist mein Fre<strong>und</strong>.<br />

Ich habe unter ihm in <strong>de</strong>r Kwantung-Armee in <strong>de</strong>r<br />

Mandschurei ge<strong>die</strong>nt."<br />

„Wie eine Million an<strong>de</strong>rer Bauern", sagte Sokabe.<br />

So kam es, daß das böse Blut zwischen <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n<br />

Offizieren noch schlimmer wur<strong>de</strong>, was <strong>die</strong> Moral <strong>und</strong><br />

Disziplin ihres Kommandos nicht för<strong>de</strong>rte.<br />

Corrie hatte oft Besorgnis über das Schicksal Sing Tais<br />

geäußert, <strong>de</strong>n sie versteckt im Dorf von Tiang Umar<br />

zurückgelassen hatten; daher beschloß <strong>Tarzan</strong>, <strong>die</strong>ses<br />

Dorf aufzusuchen, bevor er ins Lager <strong>de</strong>r Guerillas<br />

zurückkehrte. Das erfor<strong>de</strong>rte einen beträchtlichen<br />

U m w e g , d o c h n u r s e l t e n v e r u r s a c h t e n Z e i t o d e r<br />

Entfernung <strong>de</strong>m Herrn <strong>de</strong>s Dschungels Be<strong>de</strong>nken. Eines<br />

<strong>de</strong>r Merkmale <strong>de</strong>r Zivilisation, an das er sich niemals<br />

gewöhnen konnte, war <strong>die</strong> sklavische Unterwerfung <strong>de</strong>s<br />

zivilisierten Menschen unter <strong>die</strong> Ansprüche <strong>de</strong>r Zeit.<br />

Manchmal erwies sich sein Mangel an Konformität mit<br />

eingebürgerten Bräuchen als peinlich für an<strong>de</strong>re, aber<br />

niemals für <strong>Tarzan</strong>. Er aß, wenn er hungrig war, schlief,<br />

wenn er schläfrig wur<strong>de</strong>. Er ging auf Reisen, wenn ihm <strong>de</strong>r<br />

Sinn danach stand o<strong>de</strong>r <strong>die</strong> Notwendigkeit es erfor<strong>de</strong>rte,<br />

o h n e s i c h u m d i e Z e i t z u k ü m m e r n , d i e d a f ü r<br />

aufzuwen<strong>de</strong>n war.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Er bewegte sich jetzt gemächlich voran. Er machte<br />

Fleisch <strong>und</strong> bettete sich nach <strong>de</strong>m Essen aufs Nachtlager.<br />

Gegen <strong>die</strong> Mitte <strong>de</strong>s Vormittags tauchte er beim<br />

Kampong von Tiang Umar auf. Von <strong>de</strong>r ständigen Vorsicht<br />

<strong>und</strong> <strong>de</strong>m Mißtrauen eines wil<strong>de</strong>n Tieres bewogen, kam<br />

<strong>Tarzan</strong> lautlos durch <strong>die</strong> Bäume, <strong>die</strong> das Kampong<br />

umschlossen, um sich zu überzeugen, daß kein Feind dort<br />

lauerte. Er sah, wie <strong>die</strong> Eingeborenen ihren normalen,<br />

friedlichen Tätigkeiten nachgingen. Bald ent<strong>de</strong>ckte er<br />

Page 164 von 197


Alam, <strong>und</strong> einen Augenblick später sprang er auf <strong>de</strong>n<br />

Bo<strong>de</strong>n hinab <strong>und</strong> ging ins Dorf.<br />

Sobald <strong>die</strong> Eingeborenen ihn erkannten, begrüßten sie<br />

ihn herzlich <strong>und</strong> sammelten sich um ihn. Sie stellten<br />

Fragen in ihrer Sprache, <strong>die</strong> er nicht verstand. Er fragte,<br />

ob jemand im Dorf Holländisch spräche; <strong>und</strong> ein alter<br />

Mann antwortete in <strong>die</strong>ser Sprache, in<strong>de</strong>m er sagte, er<br />

könnte es.<br />

Über <strong>de</strong>n Dolmetscher erk<strong>und</strong>igte sich Alam über<br />

Corrie <strong>und</strong> zeigte seine Freu<strong>de</strong>, als er erfuhr, sie sei in<br />

Sicherheit. Dann fragte <strong>Tarzan</strong>, was aus Sing Tai gewor<strong>de</strong>n<br />

sei, <strong>und</strong> erfuhr, daß er noch<br />

immer im Dorf war, sich bei Tag aber nie hervorwagte.<br />

D a s w a r g u t , d e n n z w e i M a l w a r e n j a p a n i s c h e<br />

Erk<strong>und</strong>ungstrupps überraschend ins Kampong gekommen.<br />

<strong>Tarzan</strong> wur<strong>de</strong> zu <strong>de</strong>m Chinesen gebracht. Er traf ihn von<br />

s e i n e r Ve r w u n d u n g v ö l l i g g e n e s e n u n d i n g u t e r<br />

körperlicher Verfassung vor. Seine erste Frage betraf<br />

Corrie, <strong>und</strong> als ihm versichert wur<strong>de</strong>, daß es ihr gut ging<br />

<strong>und</strong> sie unter Fre<strong>und</strong>en war, strahlte er vor Freu<strong>de</strong>.<br />

„Willst du hier bleiben, Sing Tai", fragte <strong>Tarzan</strong>, „o<strong>de</strong>r<br />

willst du mit uns kommen? Wir wer<strong>de</strong>n versuchen, von <strong>de</strong>r<br />

Insel wegzukommen."<br />

„Ich komme mit euch", antwortete Sing Tai.<br />

„Sehr gut", sagte <strong>Tarzan</strong>. „Brechen wir gleich auf."<br />

*<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Die <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong> wur<strong>de</strong> ungeduldig. Jerry war völlig<br />

genesen, er war wie<strong>de</strong>r zu Kräften gekommen <strong>und</strong><br />

begierig darauf weiterzuziehen. Er wartete nur auf <strong>Tarzan</strong>s<br />

Rückkehr, <strong>de</strong>r mehrere Tage lang fort gewesen war.<br />

„Ich wünschte, er wür<strong>de</strong> auftauchen", sagte er zu<br />

Corrie. „Ich weiß, er kann auf sich aufpassen, aber<br />

irgendwas könnte ihm zustoßen." Mehrere aus <strong>de</strong>r<br />

Gruppe waren unter <strong>de</strong>m Sichtschutz eines Baumgeästs<br />

versammelt. Sie hatten ihre Waffen zerlegt, geölt <strong>und</strong><br />

w i e d e r z u s a m m e n g e b a u t . D a s Z e r l e g e n u n d<br />

Zusammenbauen machten sie mit geschlossenen Augen.<br />

Es war ein Spiel, das <strong>die</strong> Eintönigkeit <strong>die</strong>ser unablässigen<br />

Waffenpflege in <strong>de</strong>r feuchten Atmosphäre <strong>die</strong>ses<br />

Tropenberglan<strong>de</strong>s auflockerte. Gelegentlich stoppten sie<br />

füreinan<strong>de</strong>r <strong>die</strong> Zeit; <strong>und</strong> sehr zum Bedauern <strong>de</strong>r Männer<br />

kam heraus, daß Corrie <strong>und</strong> Sarina <strong>die</strong> flinksten waren.<br />

Sarina sicherte wie<strong>de</strong>r ihr Gewehr, zielte zum Himmel<br />

<strong>und</strong> zog am Abzug. Sie lehnte <strong>die</strong> Waffe gegen <strong>de</strong>n Baum<br />

<strong>und</strong> blickte lange suchend das Tal hinab. „Tony ist schon<br />

Page 165 von 197


lange weg", sagte sie. „Wenn er nicht bald kommt, wer<strong>de</strong><br />

ich ihn suchen gehen."<br />

„Wohin ist er gegangen?", fragte Jerry.<br />

„Jagen."<br />

„Es wur<strong>de</strong> befohlen, nicht zu jagen", sagte Jerry.<br />

„Rosetti weiß das. Wir können es nicht wagen, <strong>die</strong><br />

Aufmerksamkeit <strong>de</strong>r Japaner durch Gewehrfeuer auf uns<br />

zu ziehen."<br />

„Tony nahm Pfeile <strong>und</strong> Bogen mit auf <strong>die</strong> Jagd",<br />

erklärte Sarina. „Er wird sein Gewehr nicht abschießen,<br />

außer in Notwehr."<br />

„Er könnte nichts Kleineres als einen Elefanten treffen<br />

mit seiner<br />

Bogenschützenausrüstung", sagte Bubonovitch.<br />

„Wie lang ist er schon fort?", fragte Jerry.<br />

„Zu lang", sagte Sarina; „drei o<strong>de</strong>r vier St<strong>und</strong>en<br />

min<strong>de</strong>stens."<br />

„Ich wer<strong>de</strong> ihn suchen gehen", sagte Bubonovitch. Er<br />

nahm sein Gewehr <strong>und</strong> stand auf.<br />

Gera<strong>de</strong> da rief <strong>de</strong>r Posten vom Felsen herab: „Ein<br />

Mann kommt. Schaut aus wie Sergeant Rosetti. Ja, es ist<br />

Sergeant Rosetti."<br />

„Trägt er einen Elefanten?", rief Bubonovitch.<br />

Der Wächter lachte. „Er trägt etwas. Aber ich glaube<br />

nicht, daß es ein Elefant ist."<br />

Sie alle schauten das Tal hinab, <strong>und</strong> bald konnten sie<br />

einen Mann auftauchen sehen. Er war noch weit weg. Nur<br />

<strong>de</strong>r Wachtposten mit seinem Fernglas konnte ihn erkannt<br />

haben. Nach einer Weile kam Rosetti ins Camp. Er trug<br />

einen Hasen.<br />

„Da ist euer Mittagessen", sagte er <strong>und</strong> warf <strong>de</strong>n Hasen<br />

auf <strong>de</strong>n Bo<strong>de</strong>n. „Ich hab' drei Hirsche verfehlt, <strong>und</strong> dann<br />

hab' ich das Würstchen da erwischt."<br />

„Hat er da eben geschlafen, o<strong>de</strong>r hat ihn jemand für<br />

dich festgehalten?", fragte Bubonovitch.<br />

„Der ist gerannt wie <strong>de</strong>r Teufel", sagte Rosetti<br />

grinsend. „Rannte gegen einen Baum <strong>und</strong> ging k.o."<br />

„Gute Arbeit, Hiawatha", sagte Bubonovitch.<br />

„Versucht hab' ich's je<strong>de</strong>nfalls", sagte Rosetti. „Ich bin<br />

nicht auf meinem großen, fetten Po<strong>de</strong>x gesessen <strong>und</strong><br />

hab' gewartet, daß mir ein an<strong>de</strong>rer Kerl was zu futtern<br />

bringt."<br />

„So ist's recht, Sergeant Bum", sagte Sarina.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

„Als stets perfekter Gentleman wer<strong>de</strong> ich einer Dame<br />

nicht wi<strong>de</strong>rsprechen", sagte Bubonovitch. „Die Frage ist<br />

jetzt, wer wird das Festmahl zubereiten. Da sind nur<br />

Page 166 von 197


fünfzig von uns, <strong>die</strong> davon essen. Was übrig bleibt,<br />

können wir <strong>de</strong>n hungern<strong>de</strong>n Armeniern schicken."<br />

„Die hungern<strong>de</strong>n Armenier kriegen nix von <strong>de</strong>m Hasen<br />

da. Ihr auch nicht. Der ist allein für Sarina <strong>und</strong> Corrie."<br />

„Zwei Leute kommen das Tal herauf!", rief <strong>de</strong>r Posten<br />

herab. „Kann sie noch nicht erkennen. Ist was Komisches<br />

an ihnen." Aller Augen spähten das Tal hinab, je<strong>de</strong>s Ohr<br />

wartete auf <strong>die</strong> nächste Meldung <strong>de</strong>s Wächters. Nach<br />

einigen Augenblicken kam sie. „Je<strong>de</strong>r von ihnen trägt<br />

irgen<strong>de</strong>ine Last. Einer von ihnen ist nackt."<br />

„Muß <strong>Tarzan</strong> sein", sagte Jerry.<br />

Es war <strong>Tarzan</strong>. Bei ihm war Sing Tai. Als sie das<br />

Camp<br />

erreichten, warf je<strong>de</strong>r von ihnen einen Hirschkadaver auf<br />

<strong>de</strong>n Bo<strong>de</strong>n. Corrie freute sich, Sing Tai zu sehen <strong>und</strong> zu<br />

erfahren, daß er von seiner Verw<strong>und</strong>ung völlig genesen<br />

war. Und Jerry war erleichtert <strong>und</strong> froh, <strong>Tarzan</strong> zu sehen.<br />

„Ich bin wirklich froh, daß Sie zurück sind", sagte er.<br />

„Wir sind alle bereit zum Aufbruch <strong>und</strong> haben nur noch<br />

auf Sie gewartet."<br />

„Ich glaube, wir haben noch etwas Weiteres zu<br />

erledigen, bevor wir aufbrechen", sagte <strong>Tarzan</strong>. „Ich habe<br />

unten im Tal Hoofts Ban<strong>de</strong> aufgespürt, nicht weit von <strong>de</strong>m<br />

Dorf, in <strong>de</strong>m wir Corrie <strong>de</strong>n Japanern abgenommen<br />

haben. Die Japaner sind noch dort, <strong>und</strong> während ich <strong>de</strong>n<br />

O r t e r k u n d e t e , s a h i c h z w e i G e f a n g e n e h i n t e r<br />

Stacheldraht. Ich konnte nicht erkennen, wer sie waren,<br />

aber auf <strong>de</strong>m Rückweg von Tiang Umars Kampong hierher<br />

erzählte mir Sing Tai, daß vor einigen Tagen ein paar<br />

Japaner mit zwei amerikanischen Gefangenen durchs<br />

Kampong gekommen waren. Die Japaner haben <strong>de</strong>n<br />

Eingeborenen erzählt, daß es Flieger wären, <strong>de</strong>ren<br />

Flugzeug vor einiger Zeit abgeschossen wor<strong>de</strong>n war."<br />

„Douglas <strong>und</strong> Davis!" rief Bubonovitch.<br />

„Müssen's sein", stimmte Jerry zu. „Sie sind <strong>die</strong><br />

einzigen bei<strong>de</strong>n Verschollenen."<br />

Bubonovitch schnallte seinen Patronengurt um <strong>und</strong><br />

nahm sein Gewehr auf. „Gehen wir, Captain", sagte er.<br />

<strong>Tarzan</strong> schaute <strong>die</strong> Sonne an. „Wenn wir uns beeilen",<br />

sagte er, „können wir es noch vor <strong>de</strong>r Dunkelheit<br />

schaffen; aber wir sollten nur Männer mitnehmen, <strong>die</strong><br />

schnell vorankommen können."<br />

„Wie viele?", fragte van Prins.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

„Zwanzig sollten genug sein. Wenn alles gut geht, kann<br />

ich es allein erledigen. Wenn nicht alles klappt, sollten<br />

Page 167 von 197


zwanzig Mann <strong>und</strong> das Überraschungsmoment alles<br />

wettmachen."<br />

„Ich wer<strong>de</strong> mit so vielen meiner Männer mitkommen,<br />

damit wir zwanzig sind", sagte van Prins.<br />

Alle Angehörigen <strong>de</strong>r <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong> bereiteten sich<br />

vor zu gehen, aber <strong>Tarzan</strong> sagte zu Corrie <strong>und</strong> Sarina<br />

n e i n . S i e b e g a n n e n ü b e r d i e A n g e l e g e n h e i t z u<br />

diskutieren, aber <strong>Tarzan</strong> blieb unnachgiebig. „Wir wür<strong>de</strong>n<br />

zusätzlich Verantwortung für euch tragen", sagte er. „Wir<br />

müßten an eure Sicherheit <strong>de</strong>nken, wenn unser Sinnen<br />

allein unserer Mission gelten sollte."<br />

„Er hat Recht", sagte Jerry.<br />

„Hat er, glaub' ich", gab Corrie zu.<br />

„Guter Soldat", sagte Tak.<br />

„Es gibt noch jeman<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r nicht gehen sollte", sagte<br />

Dr. Reyd. Alle schauten Jerry an. „Captain Lucas ist ein<br />

sehr kranker Mann gewesen. Wenn er jetzt einen langen<br />

Eilmarsch mitmacht, wird er nicht in <strong>de</strong>r Verfassung sein,<br />

weitere Märsche nach Sü<strong>de</strong>n zu unternehmen, wie ihr sie<br />

vorhabt."<br />

Jerry sah <strong>Tarzan</strong> fragend an. „Ich wünschte, Sie wür<strong>de</strong>n<br />

nicht darauf bestehen, Jerry", sagte <strong>de</strong>r Englän<strong>de</strong>r.<br />

Jerry schnallte seinen Patronengurt ab <strong>und</strong> legte ihn<br />

unter <strong>de</strong>m Baum hin. Er grinste bedauernd. „Wenn Corrie<br />

<strong>und</strong> Sarina brave Soldaten sein können, kann ich's auch,<br />

glaube ich; aber mich ärgert es wirklich, da nicht dabei zu<br />

sein."<br />

Zehn Minuten später brachen zwanzig Männer auf, in<br />

schleunigem Tempo das Tal hinab, fast im Dauerlauf.<br />

<strong>Tarzan</strong>, mit van Prins an <strong>de</strong>r Spitze <strong>de</strong>r Kolonne, erklärte<br />

<strong>de</strong>m Hollän<strong>de</strong>r seinen Plan.<br />

*<br />

Hauptmann Tokujo Matsuo <strong>und</strong> Leutnant Hi<strong>de</strong>o Sokabe<br />

hatten <strong>die</strong> ganze Nacht getrunken - getrunken <strong>und</strong><br />

gestritten. Auch unter ihren Männern war viel getrunken<br />

wor<strong>de</strong>n. Die Eingeborenen <strong>de</strong>s Kampongs hatten ihre<br />

F r a u e n i n d e n Wa l d g e b r a c h t , u m d e n b r u t a l e n<br />

Annäherungen <strong>de</strong>r betrunkenen Soldaten zu entkommen.<br />

Aber jetzt, kurz vor <strong>de</strong>r Dämmerung, war es ruhig<br />

gewor<strong>de</strong>n im Lager, bis auf das Streiten <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n<br />

Offiziere; <strong>de</strong>nn <strong>die</strong> an<strong>de</strong>ren lagen größtenteils in<br />

besinnungsloser Trunkenheit.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Der einzelne Wächter vor <strong>de</strong>m Gefängnisstall war eben<br />

zur Ablöse gekommen. Er hatte seinen Schnapsrausch ein<br />

wenig ausgeschlafen, war aber noch weit davon entfernt,<br />

Page 168 von 197


nüchtern zu sein. Er bedauerte es, geweckt wor<strong>de</strong>n zu<br />

sein; daher ließ er einiges von seinem Zorn an <strong>de</strong>n zwei<br />

Gefangenen aus, weckte sie, um sie zu beschimpfen <strong>und</strong><br />

zu bedrohen. Da er in Honolulu geboren <strong>und</strong> aufgezogen<br />

wor<strong>de</strong>n war, sprach er Englisch. Das Beschimpfen<br />

beherrschte er zweisprachig. Er überschüttete <strong>die</strong> bei<strong>de</strong>n<br />

Männer innerhalb <strong>de</strong>r Stacheldrahtumzäunung mit einer<br />

Flut von Gemeinheiten <strong>und</strong> Obszönitäten.<br />

S t a f f S e r g e a n t C a r t e r D o u g l a s a u s Va n N u y s ,<br />

Kalifornien, regte sich auf seiner zerfetzten Schlafmatte<br />

<strong>und</strong> stützte sich auf einem Ellbogen hoch. „Aloha,<br />

Liebling!", rief er <strong>de</strong>m Wächter zu. Das versetzte <strong>de</strong>n<br />

Japaner in sprachlosen Zorn.<br />

„Was juckt <strong>de</strong>n Kerl?", fragte Staff Sergeant Bill Davis<br />

aus Waco, Texas.<br />

„Ich glaub', er mag uns nicht", sagte Douglas. „Bevor<br />

du aufgewacht bist, sagte er, er wür<strong>de</strong> uns jetzt gleich<br />

umbringen, wenn nicht sein ehrenwerter Hauptmann uns<br />

am Morgen selbst <strong>die</strong> Köpfe abschlagen wollte."<br />

„Vielleicht sagt er uns das nur, um uns Angst zu<br />

machen", meinte Davis.<br />

„Könnt' sein", sagte Douglas. „Der Kerl ist beduselt.<br />

Das Zeug, das sie trinken, muß höllisch stark sein. Es<br />

hörte sich an, als wäre je<strong>de</strong>r im Camp besoffen."<br />

„Erinnerst du dich an <strong>de</strong>n Schmetterlings-Brandy, <strong>de</strong>n<br />

sie uns in Noumea um fünf<strong>und</strong>achtzig Kröten pro Flasche<br />

verkaufen wollten? Drei Gläser, <strong>und</strong> ein Rekrut wür<strong>de</strong><br />

einem Captain ins Gesicht spucken. Vielleicht ist's sowas,<br />

was <strong>die</strong> trinken."<br />

„Wenn <strong>die</strong>ser Kerl einen kleinen Rausch hätte", sagte<br />

Douglas, „könnten wir heut Nacht einen Ausbruch<br />

versuchen."<br />

„Wenn wir hier hinauskämen, könnten wir ihn<br />

überwältigen."<br />

„Aber wir können hier nicht hinaus."<br />

„Zur Hölle, ich will mir <strong>de</strong>n Kopf nicht abschlagen<br />

lassen. Was für ein abscheuliches Geburtstagsgeschenk."<br />

„Was meinst du mit Geburtstagsgeschenk?"<br />

„Ich hab' nicht vergessen mitzuzählen, morgen sollte<br />

mein Geburtstag sein", sagte Davis. „Ich wer<strong>de</strong> morgen<br />

fünf<strong>und</strong>zwanzig."<br />

„Du hast doch nicht geglaubt, du lebst ewig, o<strong>de</strong>r? Ich<br />

weiß nicht, was ihr alten Kerle erwartet."<br />

„Wie alt bist du, Doug?"<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Page 169 von 197


„Zwanzig."<br />

„Gott! Die haben dich grad aus <strong>de</strong>r Wiege gezerrt.<br />

Ach, zur Hölle!", sagte er nach kurzer Pause. „Wir wollen<br />

uns doch nur vormachen, daß wir keine Angst haben. Ich<br />

habe eine echte, or<strong>de</strong>ntliche Angst."<br />

„Ich habe höllische Angst", gab Davis zu.<br />

„Was re<strong>de</strong>t ihr da drin?", fragte <strong>de</strong>r Wächter. „M<strong>und</strong><br />

halten!"<br />

„Halt ihn selber, Tojo", sagte Douglas; „du bist<br />

besoffen."<br />

„Na, dafür bring' ich euch um", schrie <strong>de</strong>r Japaner.<br />

„Ich sag' <strong>de</strong>m Hauptmann, ihr versucht zu fliehen." Er<br />

erhob sein Gewehr <strong>und</strong> zielte ins Dunkel <strong>de</strong>r Ab<strong>de</strong>ckung,<br />

<strong>die</strong> <strong>die</strong> zwei Gefangenen überdachte.<br />

Lautlos glitt eine Gestalt aus <strong>de</strong>n Schatten <strong>de</strong>r<br />

Eingeborenenhütten auf ihn zu. Hinter ihm tauchte sie<br />

auf.<br />

Matsuo <strong>und</strong> Sokabe schrieen einan<strong>de</strong>r in ihrer<br />

Unterkunft auf <strong>de</strong>r<br />

an<strong>de</strong>ren Seite <strong>de</strong>s Kampongs Beschimpfungen zu.<br />

Plötzlich zog jener seine Pistole <strong>und</strong> feuerte auf Sokabe.<br />

Er verfehlte ihn, <strong>und</strong> <strong>de</strong>r Leutnant erwi<strong>de</strong>rte das Feuer.<br />

Sie waren zu betrunken um einan<strong>de</strong>r zu treffen, außer<br />

durch Zufall, aber sie schössen weiter.<br />

Beinahe gleichzeitig mit Matsuos erstem Schuß feuerte<br />

<strong>de</strong>r Wächter unter <strong>die</strong> Ab<strong>de</strong>ckung, <strong>die</strong> <strong>die</strong> zwei<br />

Amerikaner überdachte. Bevor er einen zweiten Schuß<br />

abgeben konnte, umfaßte ein Arm seinen Kopf <strong>und</strong> zog<br />

ihn zurück, <strong>Tarzan</strong>s Messer trennte ihn fast von seinem<br />

Körper ab.<br />

„Bist du getroffen wor<strong>de</strong>n, Bill?", fragte Douglas.<br />

„Nein. Er hat meilenweit an uns vorbei geschossen.<br />

W a s g e h t d o r t d r a u ß e n v o r ? H a t i h n j e m a n d<br />

angesprungen?"<br />

Vo n d e r S c h i e ß e r e i i n d e r O f f i z i e r s u n t e r k u n f t<br />

aufgeschreckt, stolperten benommene, betrunkene<br />

Soldaten auf das an<strong>de</strong>re Dorfen<strong>de</strong> zu, im Glauben, das<br />

Lager wer<strong>de</strong> angegriffen. Einige von ihnen rannten so<br />

nahe an <strong>Tarzan</strong> vorbei, daß er sie fast berühren konnte,<br />

wenn er hingriff. Er kauerte sich neben <strong>de</strong>m toten<br />

Wächter hin <strong>und</strong> wartete. Der Gr<strong>und</strong> für <strong>die</strong> Schießerei<br />

war ihm ebenso unbekannt wie <strong>de</strong>n Japanern. Van Prins<br />

<strong>und</strong> seine Truppe waren am gegenüber liegen<strong>de</strong>n Rand<br />

<strong>de</strong>s Kampongs; daher wußte er, daß nicht sie es sein<br />

konnten, <strong>die</strong> schössen.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Page 170 von 197


Als er glaubte, <strong>de</strong>r letzte Japaner sei an ihm<br />

vorbeigelaufen, rief er <strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n Gefangenen mit leiser<br />

Stimme zu: „Seid ihr Douglas <strong>und</strong> Davis?"<br />

„Sicher sind wir's."<br />

„Wo ist <strong>de</strong>r Eingang?"<br />

„Rechts vor dir, aber er ist versperrt."<br />

Van Prins, <strong>de</strong>r <strong>die</strong> Schüsse hörte, glaubte, sie seien<br />

gegen <strong>Tarzan</strong> gerichtet; daher führte er seine Männer im<br />

Laufschritt ins Dorf. Sie verteilten sich, ein Haus nach<br />

<strong>de</strong>m an<strong>de</strong>ren als Deckung benutzend.<br />

<strong>Tarzan</strong> trat an <strong>de</strong>n Eingang. Seine Pfosten waren <strong>die</strong><br />

Stämme kleiner Bäumchen. Douglas <strong>und</strong> Davis waren<br />

unter <strong>de</strong>r Ab<strong>de</strong>ckung hervorgekommen <strong>und</strong> stan<strong>de</strong>n nahe<br />

hinter <strong>de</strong>m Eingangsgatter.<br />

<strong>Tarzan</strong> erfaßte <strong>die</strong> Pfosten, je<strong>de</strong>n mit einer Hand.<br />

„Je<strong>de</strong>r von euch Burschen drückt gegen einen Pfosten",<br />

sagte er, „<strong>und</strong> ich wer<strong>de</strong> ziehen." Während er sprach,<br />

warf er sich mit seinem ganzen Gewicht kräftig zurück,<br />

<strong>und</strong> <strong>die</strong> Pfosten brachen ab, bevor <strong>die</strong> Gefangenen<br />

mithelfen konnten. Der Stacheldraht wur<strong>de</strong> mit <strong>de</strong>n<br />

Pfosten zu Bo<strong>de</strong>n gezogen, <strong>und</strong> Douglas <strong>und</strong> Davis<br />

spazierten darüber in <strong>die</strong> Freiheit hinaus.<br />

<strong>Tarzan</strong> hatte <strong>die</strong> Männer von van Prins' Stellung<br />

herbeikommen gehört <strong>und</strong> angenommen, daß sie es<br />

seien. Er rief van Prins, <strong>und</strong> <strong>die</strong>ser antwortete. „Die<br />

Gefangenen sind bei mir", sagte <strong>Tarzan</strong>. „Am besten<br />

sammeln Sie Ihre Männer, so daß wir hier wegkommen."<br />

Dann nahm er <strong>de</strong>m toten Japaner Gewehr <strong>und</strong> Munition<br />

ab <strong>und</strong> reichte sie Davis.<br />

Während <strong>die</strong> Gruppe das Dorf verließ, konnten sie das<br />

Gebrabbel <strong>und</strong> Geschrei <strong>de</strong>r Japaner vom drüberen En<strong>de</strong><br />

hören. Sie kannten <strong>de</strong>n Gr<strong>und</strong> für <strong>die</strong> Ablenkung nicht,<br />

<strong>die</strong> ihnen bei <strong>de</strong>r Rettung <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n Männer so sehr<br />

geholfen hatte, ohne daß sie dabei irgendwelche<br />

Verw<strong>und</strong>ungen davongetragen hätten.<br />

Bubonovitch <strong>und</strong> Rosetti fielen or<strong>de</strong>ntlich über ihre<br />

bei<strong>de</strong>n Kumpel her <strong>und</strong> stellten <strong>und</strong> beantworteten<br />

unzählige Fragen. Eine <strong>de</strong>r ersten Fragen von Davis betraf<br />

<strong>Tarzan</strong>. „Wer war <strong>de</strong>r nackte Kerl, <strong>de</strong>r uns rausholte?",<br />

fragte er.<br />

„Erinnerst du dich nicht mehr an <strong>de</strong>n englischen<br />

Herzog, <strong>de</strong>r an Bord gekommen ist, grad bevor wir<br />

losflogen?", fragte Rosetti. „Na, das isser; <strong>und</strong> <strong>de</strong>r ist ein<br />

toller Kerl. Und, was glaubst du, wer er ist?"<br />

„Hast du uns grad gesagt - <strong>de</strong>r RAF-Offizier."<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Page 171 von 197


„Er ist <strong>Tarzan</strong> von <strong>de</strong>n Affen."<br />

„Wen glaubst du damit zu foppen?"<br />

„Im Ernst", sagte Bubonovitch. „Er ist wirklich <strong>Tarzan</strong>."<br />

„Der Alte ist nicht hier", sagte Douglas. „Wur<strong>de</strong> er<br />

nicht - "<br />

„Nein. Ihm geht's gut. Er ist verw<strong>und</strong>et wor<strong>de</strong>n, <strong>und</strong> sie<br />

wollten ihn nicht mitkommen lassen; aber es geht ihm<br />

gut."<br />

Die Vier re<strong>de</strong>ten fast ununterbrochen auf <strong>de</strong>m Weg<br />

zurück zum Guerilla-Camp. Sie hatten zusammen in vielen<br />

Einsätzen gekämpft. Das band sie enger aneinan<strong>de</strong>r als<br />

Blut. Zwischen ihnen gab es etwas, das in Worten nicht<br />

auszudrücken ist. Sie hätten auch nicht daran gedacht es<br />

zu versuchen. Vielleicht traf es Rosetti am besten, als er<br />

Davis auf <strong>de</strong>n Rücken schlug <strong>und</strong> sagte: „Du alter<br />

H<strong>und</strong>esohn!"<br />

Kapitel 27<br />

Z w e i Ta g e s p ä t e r v e r a b s c h i e d e t e s i c h d i e<br />

<strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong>, jetzt zu zehnt, von <strong>de</strong>n Guerillas <strong>und</strong><br />

begann ihren langen Marsch zu einem nebelhaften Ziel.<br />

Douglas <strong>und</strong> Davis nahmen ihren Platz in <strong>de</strong>r kleinen<br />

K o m p a n i e m i t d e r l o c k e re n A n p a s s u n g s f ä h i g k e i t<br />

amerikanischer Soldaten ein. Douglas bezeichnete sie als<br />

<strong>die</strong> Liga <strong>de</strong>r Nationen.<br />

Erst waren <strong>die</strong> bei<strong>de</strong>n Neuankömmlinge skeptisch<br />

gewesen, was <strong>die</strong> Fähigkeit <strong>de</strong>r zwei Frauen betraf, <strong>die</strong><br />

A n s t re n g u n g e n u n d G e f a h re n d e r f a s t w e g l o s e n<br />

Bergwildnis auszuhalten, <strong>die</strong> zu durchqueren war, wollte<br />

man Feindkontakt vermei<strong>de</strong>n. Aber bald ent<strong>de</strong>ckten sie,<br />

daß sie sich selbst ganz schön anstrengen mußten, um<br />

mit Corrie <strong>und</strong> Sarina mitzuhalten. Es gab auch noch<br />

an<strong>de</strong>re Überraschungen.<br />

„Was ist mit Shrimp los?", fragte Davis Bubonovitch.<br />

„Ich glaubte, er hätte keine Zeit für eine Frau, aber<br />

ständig hängt er bei <strong>de</strong>m braunen Mädchen rum. Nicht<br />

daß ich ihm einen Vorwurf mache. Die könnte ihre Schuhe<br />

je<strong>de</strong>rzeit in meinem Schrank einstellen."<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

„Ich fürchte", sagte Bubonovitch, „daß Staff Sergeant<br />

Rosetti ihr mit Stumpf <strong>und</strong> Stiel verfallen ist. Zuerst hat<br />

Page 172 von 197


er's ein bißchen kaschiert, aber jetzt geniert er sich<br />

überhaupt nicht mehr. Er geifert."<br />

„Und <strong>de</strong>r Alte", sagte Davis. „Er war immer, was man<br />

einen Misnogomisten nennt."<br />

„Das ist nicht genau das, wie ich es nannte", sagte<br />

Bubonovitch, „aber du hast es im Wesentlichen erfaßt. Er<br />

mag es gewesen sein, aber er ist es nicht mehr."<br />

„Irgendwie dumm", bemerkte Carter Douglas. „Was<br />

wissen alte Männer über <strong>die</strong> Liebe?"<br />

„Du wür<strong>de</strong>st überrascht sein, Kleiner", sagte<br />

Bubonovitch.<br />

Das Vorankommen war grausam. Mit Parangs hackten<br />

sie sich ihren Weg durch unberührten Dschungel. Tiefe<br />

Schluchten <strong>und</strong> Gebirgsbäche hin<strong>de</strong>rten ihr Vordringen<br />

mit entmutigen<strong>de</strong>r Regelmäßigkeit. Oft fielen <strong>die</strong><br />

Felswän<strong>de</strong> H<strong>und</strong>erte Fuß steil ab <strong>und</strong> boten we<strong>de</strong>r Hand<br />

noch Zehen Halt. Weite Umwege wur<strong>de</strong>n nötig. Kaum ein<br />

Tag verging ohne Regen, <strong>de</strong>ssen schütten<strong>de</strong> Ströme sie<br />

blen<strong>de</strong>ten. Sie marschierten <strong>und</strong> schliefen in nasser,<br />

durchtränkter Kleidung. Ihre Schuhe <strong>und</strong> Sandalen<br />

verrotteten.<br />

<strong>Tarzan</strong> jagte für sie, <strong>und</strong> jene, <strong>die</strong> es noch nicht getan<br />

hatten,<br />

lernten rohes Fleisch zu essen. Er erk<strong>und</strong>ete voraus,<br />

suchte <strong>die</strong> besten Routen aus, wachsam ob es feindliche<br />

Vorposten o<strong>de</strong>r Patrouillen gäbe. Nachts schliefen sie eng<br />

beisammen, ständig war eine Wache wegen Angriffen<br />

plötzlich anschleichen<strong>de</strong>r Tiger aufgestellt. Manchmal<br />

erlahmten <strong>die</strong> Muskeln, nie aber <strong>die</strong> Moral.<br />

Der kleine Keta besorgte alles Schimpfen <strong>und</strong> Schelten.<br />

Als <strong>Tarzan</strong> zur Befreiung von Davis <strong>und</strong> Douglas fort war,<br />

hatte er Keta an einen Baum geb<strong>und</strong>en zurückgelassen.<br />

Der war darüber sehr beleidigt gewesen <strong>und</strong> hatte drei<br />

Hollän<strong>de</strong>r gebissen, <strong>die</strong> sich mit ihm anzufre<strong>und</strong>en<br />

versuchten. Von da an hatte man ihn ganz allein gelassen,<br />

er gesellte sich nur zu <strong>Tarzan</strong>. Die einzige Ausnahme war<br />

Rosetti. Mit <strong>de</strong>m kleinen Sergeant hatte er sich aus<br />

eigenem Antrieb angefre<strong>und</strong>et, oft rollte er sich in seinen<br />

Armen zusammen, wenn <strong>die</strong> Kompanie nicht marschierte.<br />

„Er erkennt wahrscheinlich in Shrimp einen verwandten<br />

Geist", sagte Bubonovitch, „wenn nicht einen nahen<br />

Verwandten."<br />

„Und dich hält er für einen von <strong>de</strong>n großen Affen, <strong>die</strong><br />

wir geseh'n haben <strong>und</strong> vor <strong>de</strong>nen er sich fürchtet."<br />

„Du beziehst dich, wie ich annehme, auf <strong>de</strong>n Pongo<br />

pygmaeus", sagte Bubonovitch.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Page 173 von 197


Shrimp zeigte sich empört. „Wollt' ich war' ein Poet, da<br />

würd' ich ein Poem schreiben."<br />

„Über mich, mein Lieber?"<br />

„Du hast schon zu viel gesagt. Ich kenn' ein Wort, das<br />

sich auf dich reimt."<br />

Sie hatten früher als üblich für <strong>die</strong> Nacht angehalten,<br />

weil <strong>Tarzan</strong> eine große, trockene Höhle gef<strong>und</strong>en hatte,<br />

<strong>die</strong> ihnen allen Platz bieten wür<strong>de</strong>. Sie war wahrscheinlich<br />

schon oft zuvor bewohnt gewesen, <strong>de</strong>nn es gab nahe am<br />

E i n g a n g v e r k o h l t e H o l z s t ü c k e u n d e i n e n d r i n n e n<br />

gelagerten Vorrat an trockenem Holz. Sie machten Feuer<br />

<strong>und</strong> setzten sich nah daran, um <strong>die</strong> willkommene Wärme<br />

aufzunehmen <strong>und</strong> so viel von ihrer Kleidung zu trocknen,<br />

wie <strong>die</strong> Gegenwart gemischter Gesellschaft abzulegen<br />

erlaubte. Das war ver nünftig, <strong>de</strong>nn <strong>die</strong> dummen<br />

Beschränkungen falscher Sittsamkeit waren schon seit<br />

Langem abgeworfen wor<strong>de</strong>n. Sie waren eine Kompanie<br />

von „kämpfen<strong>de</strong>n Männern".<br />

Jerry, Bubonovitch <strong>und</strong> Rosetti betrachteten <strong>die</strong> grobe<br />

Karte, <strong>die</strong> van Prins für sie gezeichnet hatte. „Hier ist's,<br />

wo wir zur Ostseite <strong>de</strong>r Bergkette herüberkamen", sagte<br />

Jerry <strong>und</strong> zeigte hin, „gera<strong>de</strong> unter Alahanpandjang."<br />

„Pfuh, was für ein Namensding für eine Stadt! Isses<br />

überhaupt eine Stadt?"<br />

„Für mich ist es nur ein Punkt auf einer Karte", gestand<br />

Jerry ein.<br />

„Schau her", fuhr Rosetti fort, „da heißt's, daß es<br />

dorthin, wo wir zur an<strong>de</strong>rn Seite queren müssen, 170<br />

Kilometer sind. Was ist das in <strong>de</strong>n Vereinigten Staaten?"<br />

„Och, so um <strong>die</strong> h<strong>und</strong>ertfünf o<strong>de</strong>r - sechs Meilen.<br />

Luftlinie."<br />

„Was glaubst du, was wir im Durchschnitt machen,<br />

Jerry?", fragte Bubonovitch.<br />

„Ich glaube kaum, daß wir fünf Meilen Luftlinie pro Tag<br />

machen."<br />

„Heute", sagte Bubonovitch, „haben wir kaum fünf<br />

Meilen von irgen<strong>de</strong>iner Art Linie gemacht - außer sie war<br />

hinauf <strong>und</strong> hinunter."<br />

„Oje!", sagte Rosetti. „Die Lovely Lady hätt' uns dahin<br />

vielleicht in zwanzig, fünf<strong>und</strong>zwanzig Minuten gebracht.<br />

Das Herumgehatsche wie bei <strong>de</strong>n H<strong>und</strong>egesichtern wird<br />

uns wahrscheinlich einen Monat kosten."<br />

„Vielleicht mehr", sagte Jerry.<br />

„Zu was rechnen!", sagte Rosetti. „Wir hab'n Glück,<br />

daß wir leben."<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Page 174 von 197


„Und <strong>die</strong> Landschaft ist großartig", sagte Bubonovitch.<br />

„Wenn wir sie durch <strong>die</strong>se Suppe sehen können, schaut<br />

sie recht schön <strong>und</strong> friedlich aus."<br />

„Tut sie bestimmt", stimmte Rosetti zu. „Schaut gar<br />

nicht aus, als ob in so einem schönen Land Krieg sein<br />

könnte. Ich glaub' nicht, daß <strong>die</strong> hier schon vorher einmal<br />

Kriege gehabt haben."<br />

„Das ist alles, was sie bis ins vorige Jahrh<strong>und</strong>ert jemals<br />

gehabt haben", sagte Tak van <strong>de</strong>r Bos. „Während <strong>de</strong>r<br />

gesamten geschichtlichen Zeit <strong>und</strong> wahrscheinlich<br />

während sämtlicher prähistorischen Zeiten bis zurück zu<br />

<strong>de</strong>n Tagen <strong>de</strong>s Pithecanthropus erectus <strong>und</strong> <strong>de</strong>s Homo<br />

Modjokertensis sind alle Inseln von Ostin<strong>die</strong>n fast ständig<br />

v o n K r i e g e r n ü b e r r a n n t w o r d e n - d e n<br />

Stammeshäuptlingen, <strong>de</strong>n unbe<strong>de</strong>uten<strong>de</strong>n Prinzen, <strong>de</strong>n<br />

kleinen Königen, <strong>de</strong>n Sultanen. Die Hindus kamen aus<br />

In<strong>die</strong>n, <strong>die</strong> Chinesen kamen, <strong>die</strong> Portugiesen, <strong>die</strong> Spanier<br />

von <strong>de</strong>n Philippinen, <strong>die</strong> Englän<strong>de</strong>r, <strong>die</strong> Hollän<strong>de</strong>r, <strong>und</strong><br />

jetzt <strong>die</strong> Japaner. Sie alle brachten Flotten <strong>und</strong> Soldaten<br />

<strong>und</strong> Krieg. Im dreizehnten Jahrh<strong>und</strong>ert schickte Kublai<br />

Khan eine Flotte von tausend Schiffen mit 200.000<br />

Soldaten, um einen König von Java zu bestrafen, <strong>de</strong>r <strong>die</strong><br />

Botschafter <strong>de</strong>s Großen Khans eingesperrt <strong>und</strong> mit<br />

verstümmelten Gesichtern nach<br />

China zurückgeschickt hatte.<br />

Wir Hollän<strong>de</strong>r machten uns häufiger Grausamkeiten <strong>und</strong><br />

Gewalttaten schuldig, <strong>die</strong> an Indonesiern begangen<br />

wur<strong>de</strong>n; aber we<strong>de</strong>r wir noch <strong>die</strong> an<strong>de</strong>ren, <strong>die</strong> vor uns<br />

gekommen waren, haben so wie ihre eigenen Sultane das<br />

Land verwüstet <strong>und</strong> seine Bevölkerung versklavt <strong>und</strong><br />

m a s s a k r i e r t . D i e s e t r u n k s ü c h t i g e n , h a b g i e r i g e n ,<br />

z ü g e l l o s e n G e s c h ö p f e s c h l a c h t e t e n i h re e i g e n e n<br />

Untertanen ab, wenn es eine ihrer unberechenbaren<br />

Launen befriedigte. Sie nahmen sich <strong>die</strong> lieblichsten<br />

Frauen, <strong>die</strong> schönsten Jungfrauen. Einer von ihnen hatte<br />

vierzehntausend Frauen in seinem Harem."<br />

„Uü", rief Rosetti.<br />

Tak grinste <strong>und</strong> fuhr fort: „Und wären sie immer noch<br />

an <strong>de</strong>r Macht, wür<strong>de</strong>n sie weiter <strong>die</strong> gleichen Dinge<br />

anstellen. Unter uns Hollän<strong>de</strong>rn haben <strong>die</strong> Indonesier das<br />

erste Mal Freiheit von Sklaverei, <strong>de</strong>n ersten Frie<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>n<br />

ersten Wohlstand seit jeher kennen gelernt. Gebt ihnen<br />

d i e U n a b h ä n g i g k e i t , n a c h d e m d i e J a p a n e r<br />

hinausgeworfen sind, <strong>und</strong> eine Generation später wer<strong>de</strong>n<br />

sie wie<strong>de</strong>r da sein, wo wir sie gef<strong>und</strong>en haben."<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Page 175 von 197


„ H a b e n n i c h t a l l e V ö l k e r e i n R e c h t a u f<br />

Unabhängigkeit?", fragte Bubonovitch.<br />

„Hol dir eine Seifenkiste, du Kommunist", stichelte<br />

Rosetti.<br />

„Nur jenes Volk, das sich das Recht auf Unabhängigkeit<br />

errungen hat, ver<strong>die</strong>nt sie", sagte van <strong>de</strong>r Bos. „Der erste<br />

belegte Kontakt mit Sumatra war während <strong>de</strong>r Herrschaft<br />

von Wang Mang, einem chinesischen Kaiser <strong>de</strong>r Han-<br />

D y n a s t i e , g e r a d e v o r d e m J a h r 2 3 n . C h r. D i e<br />

indonesische Zivilisation war damals schon alt. Wenn <strong>die</strong><br />

Einwohner, vor all <strong>de</strong>m Hintergr<strong>und</strong> alter Kultur <strong>und</strong> <strong>de</strong>r<br />

fast zweitausend Jahre, bevor <strong>die</strong> Hollän<strong>de</strong>r <strong>die</strong><br />

Erschließung <strong>de</strong>r Inseln vollen<strong>de</strong>ten, noch immer von<br />

tyrannischen Herrschern in Sklaverei gehalten wur<strong>de</strong>n,<br />

dann ver<strong>die</strong>nen sie nicht, was ihr Unabhängigkeit nennt.<br />

Unter <strong>de</strong>n Hollän<strong>de</strong>rn haben sie alle Freiheiten. Was<br />

können sie mehr verlangen?"<br />

„Nur um es richtigzustellen", sagte Bubonovitch mit<br />

einem Grinsen. „Ich möchte festhalten, daß ich kein<br />

Kommunist bin. Ich bin ein rechtschaffener New-Deal-<br />

Republikaner. Aber hier komme ich auf <strong>de</strong>n Punkt: Ich<br />

dachte, daß Freiheit eins <strong>de</strong>r Dinge wäre, für <strong>die</strong> wir<br />

kämpfen."<br />

„Zur Hölle", sagte Jerry. „Ich glaube nicht, daß einer<br />

von uns weiß, wofür wir kämpfen, außer um Japaner zu<br />

töten, <strong>de</strong>n Krieg zu been<strong>de</strong>n <strong>und</strong> heimzukommen.<br />

Nach<strong>de</strong>m wir das erledigt haben,<br />

wer<strong>de</strong>n <strong>die</strong> verfluchten Politiker wie<strong>de</strong>r alles zunichte<br />

machen."<br />

„Und <strong>die</strong> Säbelrassler wer<strong>de</strong>n anfangen, sich auf <strong>de</strong>n<br />

dritten Weltkrieg vorzubereiten", sagte van <strong>de</strong>r Bos.<br />

„Ich glaube daß sie eine Zeitlang nicht sehr laut mit<br />

ihren Säbeln rasseln wer<strong>de</strong>n", sagte Corrie.<br />

„Gera<strong>de</strong> lang genug, daß sie unsere Kin<strong>de</strong>r für <strong>de</strong>n<br />

nächsten Krieg holen", sagte Jerry.<br />

Verlegenes Schweigen folgte. Jerry erkannte plötzlich<br />

<strong>die</strong> Auslegung, <strong>die</strong> seiner unschuldigen Bemerkung<br />

unterstellt wer<strong>de</strong>n konnte; er errötete. Corrie ebenso.<br />

Alle schauten sie an, was es noch schlimmer machte.<br />

Schließlich vermochte van <strong>de</strong>r Bos sein Gelächter nicht<br />

länger zurückhalten; alle fielen darin ein - sogar Corrie<br />

<strong>und</strong> Jerry. Sing Tai, <strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>m Bratenfeuer beschäftigt<br />

war, löste <strong>die</strong> Spannung noch weiter, in<strong>de</strong>m er einen<br />

bewährten Satz wie<strong>de</strong>rholte, <strong>de</strong>n er von Rosetti gelernt<br />

hatte: ,Kommt, <strong>und</strong> greift zu!"<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Page 176 von 197


Wildschwein, Moorhuhn <strong>und</strong> Nüsse stellten das Menü<br />

für das Mahl vor.<br />

„Wir leben bestimmt gut", sagte Davis.<br />

„Das Drake-Hotel ist uns um nix voraus", stimmte<br />

Rosetti zu.<br />

„Wir haben auf einem reichhaltigen Markt <strong>die</strong> Auswahl,<br />

<strong>und</strong> das ohne Essensmarken", sagte <strong>Tarzan</strong>.<br />

„Und müssen kein Kleingeld springen lassen", sagte<br />

Rosetti. „Ui! Das ist ein Leben."<br />

„Drehst du durch?", fragte Bubonovitch.<br />

„ K o m m e n S i e n a c h d e m K r i e g h i e r h e r z u r ü c k ,<br />

Sergeant", sagte van <strong>de</strong>r Bos, „dann zeige ich Ihnen ein<br />

ganz an<strong>de</strong>res Sumatra."<br />

Bubonovitch schüttelte <strong>de</strong>n Kopf. „Wenn ich jemals<br />

nach Brooklyn heimkomme", sagte er, „wer<strong>de</strong> ich für<br />

immer dort bleiben."<br />

„Und ich in Texas", sagte Davis.<br />

„Ist Texas ein schöner Staat?", fragte Corrie.<br />

„Der schönste Staat <strong>de</strong>r Union", versicherte ihr Davis.<br />

„Aber Jerry erzählte mir, Oklahoma sei <strong>de</strong>r schönste<br />

Staat."<br />

„Das kleine Indianerreservat?", fragte Davis. „Sag mir<br />

einer! Texas ist fast vier Mal so groß. Erster Platz in<br />

Rin<strong>de</strong>rn, Schafen, Maultieren. Hat <strong>die</strong> größte Ranch <strong>de</strong>r<br />

Welt."<br />

„Und <strong>die</strong> größten Aufschnei<strong>de</strong>r", sagte Douglas. „Na,<br />

wenn ihr wirklich wissen wollt, welches <strong>de</strong>r schönste Staat<br />

in <strong>de</strong>r Union ist, will ich's euch sagen. Es ist Kalifornien.<br />

Kommt nur ins gute alte<br />

San Fernando Valley nach <strong>de</strong>m Krieg, <strong>und</strong> ihr wer<strong>de</strong>t<br />

nirgendwo an<strong>de</strong>rs mehr leben wollen."<br />

„Wir haben nichts vom Staat New York gehört", sagte<br />

Jerry grinsend.<br />

„New Yorker brauchen nicht zu prahlen", sagte<br />

B u b o n o v i t c h . „ S i e w e r d e n n i c h t v o n<br />

Min<strong>de</strong>rwertigkeitsgefühlen geplagt."<br />

„Das wird schwer zu übertreffen sein", sagte van <strong>de</strong>r<br />

Bos.<br />

„Wie ist's mit <strong>de</strong>inem Staat, Tony?", fragte Sarina.<br />

Rosetti dachte einen Moment lang nach. „Na", sagte<br />

er, „Illinois hat <strong>de</strong>n Staatsfeind Nummer Eins."<br />

„Je<strong>de</strong>r Amerikaner", sagte <strong>Tarzan</strong>, „lebt in <strong>de</strong>r<br />

schönsten Stadt im schönsten Bezirk im schönsten Staat<br />

im schönsten Land <strong>de</strong>r Welt - <strong>und</strong> je<strong>de</strong>r von ihnen glaubt<br />

daran. Und das ist es, was Amerika zu einem großartigen<br />

Land macht <strong>und</strong> es so bleiben läßt."<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Page 177 von 197


„Das können Sie wie<strong>de</strong>rholen", sagte Davis.<br />

„Ich habe etwas Gleiches in eurer Armee bemerkt",<br />

fuhr <strong>de</strong>r Englän<strong>de</strong>r fort. „Je<strong>de</strong>r Soldat <strong>die</strong>nt in <strong>de</strong>r<br />

'verdammt besten Einheit <strong>de</strong>r Army' <strong>und</strong> er ist bereit,<br />

dafür zu kämpfen. Dieses Gefühl schafft eine großartige<br />

Armee."<br />

„Na", sagte Jerry, „so übel haben wir uns bisher nicht<br />

gehalten für eine Nation von Jitter-Bug tanzen<strong>de</strong>n<br />

Playboys. Ich glaube, wir haben <strong>die</strong> Welt überrascht."<br />

„Hitler <strong>und</strong> Tojo habt ihr bestimmt überrascht. Wenn ihr<br />

nicht eingestiegen wärt, erst mit Material <strong>und</strong> dann mit<br />

<strong>de</strong>n Männern, wäre <strong>de</strong>r Krieg jetzt vorbei, <strong>und</strong> Hitler <strong>und</strong><br />

Tojo hätten ihn gewonnen. Die Welt schul<strong>de</strong>t euch einen<br />

gewaltigen Dank."<br />

„Ich frage mich, ob sie ihn bezahlen wird", sagte Jerry.<br />

„Wahrscheinlich nicht", sagte <strong>Tarzan</strong>.<br />

Kapitel 28<br />

Corrie saß mit ihrem Rücken gegen <strong>die</strong> Wand <strong>de</strong>r<br />

Höhle. Jerry kam herbei <strong>und</strong> setzte sich neben sie hin.<br />

Sarina <strong>und</strong> Rosetti waren zusammen, Arm in Arm, aus <strong>de</strong>r<br />

Höhle hinausspaziert.<br />

„Shrimp ist vollkommen hemmungslos gewor<strong>de</strong>n",<br />

sagte Jerry. „Wissen Sie, er haßte wirklich <strong>die</strong> Frauen. Ich<br />

glaube, Sie sind <strong>die</strong> Erste, <strong>die</strong> er je tolerierte. Jetzt mag<br />

er Sie sehr."<br />

„Sie waren selbst nicht gera<strong>de</strong> scharf auf uns",<br />

erinnerte ihn Corrie.<br />

„Na, sehen Sie, ich habe noch kein holländisches<br />

Mädchen gekannt."<br />

„Das war lieb. Sie bessern sich. Aber erzählen Sie mir<br />

nicht, daß <strong>de</strong>r schönste Staat in <strong>de</strong>r Union nicht <strong>die</strong><br />

schönsten Mädchen <strong>de</strong>r Welt hätte."<br />

„Es gibt nur ein 'schönstes Mädchen <strong>de</strong>r Welt', <strong>und</strong> es<br />

ist nicht aus Oklahoma."<br />

Corrie lachte. „Ich weiß, was Sie tun."<br />

„Was?"<br />

„Sie legen mir ein Wort in <strong>de</strong>n M<strong>und</strong>. Sagt man nicht so<br />

in Amerika?"<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Page 178 von 197


„Ich lege Ihnen kein Wort in <strong>de</strong>n M<strong>und</strong>, Corrie. Sie<br />

wissen, was ich für Sie empfin<strong>de</strong>."<br />

„Ich bin keine Gedankenleserin."<br />

„Sie sind das w<strong>und</strong>erschönste Ding, das mir je im<br />

Leben begegnet ist."<br />

„Jetzt erzählen Sie mir nicht, daß wir von Liebe<br />

sprechen!"<br />

„Das ist es im Wesentlichen, was ich im Sinn habe",<br />

sagte Jerry, „aber ich glaube, ich bin nicht beson<strong>de</strong>rs gut<br />

d a r i n . " E r s c h a u t e i h r i n d i e A u g e n . I n i h r e r<br />

geheimnisvollen Tiefe spiegelte sich <strong>de</strong>r Feuerschein,<br />

aber tief unter <strong>de</strong>r Oberfläche brannte ein an<strong>de</strong>res<br />

Leuchten, ein solches Leuchten hatte er noch nie zuvor in<br />

<strong>de</strong>n Augen einer Frau gesehen. „Gott! Wie w<strong>und</strong>erschön<br />

Sie sind", sagte er.<br />

Corrie lächelte. „Das war's, was Sie zuvor sagten, aber<br />

da haben Sie mich ein Ding genannt. Es heißt, Sie seien<br />

ein großartiger Pilot, Captain."<br />

Er wußte, daß sie ihn neckte; aber es kümmerte ihn<br />

nicht - er konnte das Leuchten in ihren Augen immer noch<br />

sehen. „Ich bin kein großartiger Pilot. Ich bin ein großer<br />

Feigling. Ich fürchte mich so vor Ihnen, daß ich keine drei<br />

kleinen Wörter herausbringe."<br />

Corrie lachte, <strong>und</strong> sie versuchte nicht ihm zu helfen.<br />

„Hören Sie!", platzte er heraus. „Was glauben Sie, wie<br />

Ihnen das Leben in Oklahoma gefallen wird?"<br />

„Sehr gut wird's mir gefallen", sagte sie.<br />

„Liebling", sagte Jerry. „Ich muß dich küssen. Gleich<br />

jetzt muß ich dich küssen - wenn nur nicht all <strong>die</strong> Leute<br />

hier drin wären."<br />

„Wir könnten hinausgehen", sagte Corrie.<br />

Sergeant Rosetti hielt Sarina in <strong>de</strong>n Armen. Sein M<strong>und</strong><br />

lag auf ihrem. Ihre Arme um seinen Hals preßten ihn wild<br />

an sich. Corrie <strong>und</strong> Jerry, <strong>die</strong> aus <strong>de</strong>m Feuerschein in <strong>die</strong><br />

Nacht traten, stießen beinah an sie. Dann gingen sie ein<br />

wenig weg.<br />

„Ich glaube, Sergeanten sind nicht dafür vorgesehen,<br />

ihren Captains etwas beizubringen", sagte Corrie; „aber<br />

Sergeant Rosetti ist auch ein äußerst ungewöhnlicher<br />

Sergeant." Später war sie ein wenig atemlos, als sie ihn<br />

sanft wegschob. „Ihr Frauenfein<strong>de</strong>!", keuchte sie.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Sergeant Bubonovitch saß gera<strong>de</strong> im Höhleneingang<br />

am Feuer. Er hatte Shrimp <strong>und</strong> Sarina Arm in Arm<br />

hinausgehen gesehen; dann waren Corrie <strong>und</strong> Jerry ins<br />

Dunkle hinausgegangen. „Ich brauche Liebe", sagte<br />

Bubonovitch <strong>und</strong> versuchte sich mit <strong>de</strong>m kleinen Keta<br />

Page 179 von 197


anzufre<strong>und</strong>en. Klein Keta biß ihn. „Keiner liebt mich",<br />

sagte <strong>de</strong>r Sergeant bedauernd.<br />

Tag für Tag kämpfte <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong> mit <strong>de</strong>r Natur<br />

um je<strong>de</strong> hart errungene Meile. Oft waren einige von ihnen<br />

zum Zeitpunkt <strong>de</strong>s Lagermachens am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Tages so<br />

erschöpft, daß sie ohne zu essen in Schlaf fielen. Sie<br />

waren sogar zu mü<strong>de</strong>, um viel zu re<strong>de</strong>n. Aber es gab<br />

keine Klagen. Corrie <strong>und</strong> Sarina hielten mit <strong>de</strong>n Männern<br />

mit, <strong>die</strong> sehr stolz auf sie waren.<br />

„Sie haben Glück, daß sie nicht viel Gewicht haben",<br />

meinte Bubonovitch. „Nehmt sie zusammen, <strong>und</strong> sie<br />

wür<strong>de</strong>n nicht mehr wiegen als ich. Vielleicht könnte man<br />

Shrimp auch noch hinzurechnen. Nach <strong>de</strong>m Krieg wer<strong>de</strong><br />

ich <strong>die</strong> Drei anwerben, glaube ich, <strong>und</strong> einen Flohzirkus<br />

eröffnen."<br />

„Jaa? Was du sollen tatst", sagte Shrimp, „ist zur Navy<br />

g e h e n . D a h ä t t ' s t d a n n e i n e n S t r e i t w a g e n m i t<br />

herumzuschleppen, du Riesenochse."<br />

„Was du hättest tun sollen, nicht 'Was du sollen tatst'",<br />

besserte Sarina aus, <strong>die</strong> zum heimlichen Vergnügen <strong>de</strong>r<br />

restlichen Gruppe daran arbeitete, Shrimps Englisch auf<br />

<strong>die</strong> Linie zu bringen, <strong>die</strong> ihr <strong>die</strong> katholischen Schwestern<br />

beigebracht hatten.<br />

Bubonovitch hatte einmal zu Jerry gesagt: „Die Enkelin<br />

eines Kopfjägers aus Borneo lehrt einen Amerikaner<br />

Englisch! Mehr kann ich jetzt nicht mehr erleben."<br />

Sarina bemühte sich nicht, Shrimps Gefühle zu<br />

verschonen. Sie besserte ihn vor je<strong>de</strong>rmann aus, oft<br />

mitten im Satz. Und Shrimp beschwerte sich niemals. Er<br />

grinste nur <strong>und</strong> fing wie<strong>de</strong>r an. Und er lernte dazu. Er<br />

hatte fast aufgehört, th durch d zu ersetzen, aber <strong>die</strong><br />

Zeitformen verwirrten ihn immer noch. Douglas sagte: ,,Is'<br />

Liebe nicht w<strong>und</strong>erbar!"<br />

Sie näherten sich <strong>de</strong>m Mt. Masoerai. Kurz davor<br />

mußten sie <strong>die</strong> Bergkette wie<strong>de</strong>r überqueren <strong>und</strong> zum<br />

Meer hinab vorstoßen. Fast einen Monat war es nun<br />

schon her, seit sie das Camp <strong>de</strong>r Guerillas verlassen<br />

hatten, <strong>und</strong> ihnen waren nur Anstrengungen auferlegt<br />

gewesen, mit <strong>de</strong>nen sie fertig wer<strong>de</strong>n konnten. Nie hatte<br />

sich einer von ihnen in großer Gefahr bef<strong>und</strong>en, <strong>und</strong><br />

außer ihnen war nie ein menschliches Wesen zu sehen<br />

gewesen. Und dann, wie aus <strong>de</strong>m blauen Himmel, brach<br />

<strong>die</strong> Katastrophe herein. <strong>Tarzan</strong> wur<strong>de</strong> von <strong>de</strong>n Japanern<br />

gefangen.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Sie folgten einem gut erkennbaren Wildpfad. <strong>Tarzan</strong><br />

schwang sich wie üblich wenig vor ihnen durch <strong>die</strong><br />

Page 180 von 197


Bäume. Plötzlich stieß er auf eine Patrouille <strong>de</strong>r Japaner.<br />

Sie hatten auf <strong>de</strong>m Pfad zur Rast angehalten. <strong>Tarzan</strong><br />

näherte sich, um <strong>die</strong> Stärke <strong>de</strong>r Abteilung zu erk<strong>und</strong>en. Er<br />

hatte noch genug Zeit umzukehren <strong>und</strong> seine Kamera<strong>de</strong>n<br />

zu warnen sowie mit ihnen zu disponieren, was eintreten<br />

mochte.<br />

Klein Keta ritt auf seiner Schulter. <strong>Tarzan</strong> warnte ihn,<br />

still zu bleiben.<br />

Die Aufmerksamkeit <strong>de</strong>s Mannes war auf <strong>die</strong> Japaner<br />

fixiert. Die Bedrohung <strong>die</strong> genau über ihm hing, bemerkte<br />

er nicht. Aber Keta sah sie <strong>und</strong> begann zu schreien. Die<br />

Japaner sahen hoch. Die Windungen eines riesigen<br />

Pythons umfingen <strong>de</strong>n Körper <strong>de</strong>s Mannes <strong>und</strong> zwangen<br />

ihn zu han<strong>de</strong>ln. Sein Messer blitzte. Die verw<strong>und</strong>ete<br />

Schlange wand sich verzweifelt in Schmerz <strong>und</strong> Zorn,<br />

verlor ihren Halt an <strong>de</strong>m Ast, <strong>de</strong>r sie getragen hatte, <strong>und</strong><br />

<strong>die</strong> Bei<strong>de</strong>n stürzten vor <strong>de</strong>n Füßen <strong>de</strong>r Japaner auf <strong>de</strong>n<br />

Pfad. Keta floh.<br />

D i e J a p a n e r s t ü r z t e n s i c h m i t B a j o n e t t e n u n d<br />

Schwertern auf <strong>die</strong> Schlange <strong>und</strong> töteten sie schnell. Und<br />

<strong>Tarzan</strong> war ihnen ausgeliefert. Es waren zu viele. Ein<br />

Dutzend Bajonette warteten nur Zentimeter über seinem<br />

Leib, während er hilflos mit <strong>de</strong>m Rücken auf <strong>de</strong>m Pfad<br />

lag.<br />

Sie nahmen ihm Bogen <strong>und</strong> Pfeile <strong>und</strong> Messer. Ein<br />

Offizier trat näher <strong>und</strong> trat ihn in <strong>die</strong> Seite. „Aufstehen!",<br />

sagte er auf Englisch. Er war ein Marktgärtner in Culver<br />

City gewesen. Er war klein <strong>und</strong> o-beinig. Er hatte<br />

Hasenzähne <strong>und</strong> er trug eine Hornbrille. Er hätte einem<br />

Lichty-Cartoon entspringen können. Seine Männer gaben<br />

ihm seiner Größe wegen <strong>de</strong>n Spitznamen „Wal". Er erhob<br />

sich ganze fünf Fuß aus seinen Sandalen.<br />

„Wer sind Sie?", fragte <strong>de</strong>r Offizier.<br />

„Gruppenkapitän John Clayton, Royal Air Force".<br />

„Sie sind ein Amerikaner", sagte <strong>de</strong>r Japaner. <strong>Tarzan</strong><br />

antwortete nicht. „Was machen Sie hier?", lautete <strong>die</strong><br />

nächste Frage.<br />

„Ich habe Ihnen alles gesagt, was ich Ihnen sagen muß,<br />

<strong>und</strong> das ist alles, was ich Ihnen sagen will."<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

„Das wer<strong>de</strong>n wir sehen." Er wandte sich an einen<br />

Wachtmeister <strong>und</strong> gab ihm Anweisungen auf Japanisch.<br />

Der Wachtmeister ließ <strong>die</strong> Abteilung antreten, zur Hälfte<br />

vor, zur Hälfte hinter <strong>de</strong>m Gefangenen, dann zogen sie<br />

<strong>de</strong>n Pfad in <strong>de</strong>rselben Richtung weiter entlang, in <strong>de</strong>r<br />

auch <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong> reiste. <strong>Tarzan</strong> ersah aus<br />

Page 181 von 197


Anzeichen am Verlauf <strong>de</strong>s Pfa<strong>de</strong>s, daß sie von <strong>de</strong>m Punkt<br />

an, wo sie gerastet hatten, in ihren eigenen Fußstapfen<br />

zurückkehrten. Er schloß daraus, daß sie, was auch immer<br />

ihr Auftrag gewesen war, <strong>die</strong>sen erledigt hatten <strong>und</strong> ins<br />

Lager zurückkehrten.<br />

Klein Keta war durch <strong>die</strong> Bäume geflohen, bis er <strong>die</strong><br />

<strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong> sichtete; dann sprang er hinab <strong>und</strong> hüpfte<br />

auf Shrimps Schultern. Er warf bei<strong>de</strong> Arme um <strong>de</strong>n Hals<br />

<strong>de</strong>s Mannes <strong>und</strong> schrie <strong>und</strong> schnatterte in sein Ohr.<br />

„Etwas muß <strong>Tarzan</strong> zugestoßen sein", sagte Jerry.<br />

„Keta versucht es uns zu erzählen. Er wür<strong>de</strong> <strong>Tarzan</strong> nicht<br />

verlassen, wenn alles bei ihm in Ordnung wäre."<br />

„Darf ich <strong>de</strong>n Pfad vorauslaufen <strong>und</strong> nachschau'n,<br />

Captain?", bat Rosetti. „Ich kann schneller laufen als ihr<br />

an<strong>de</strong>ren."<br />

„Ja. Zieh los. Wir folgen nach."<br />

Shrimp lief in einem langsamen Trott. Keta schien nun<br />

zufrie<strong>de</strong>n zu sein; daher war sich <strong>de</strong>r Mann sicher, daß<br />

Jerry Recht gehabt hatte. <strong>Tarzan</strong> war in Schwierigkeiten.<br />

Bald vernahm Shrimp Stimmen vor sich <strong>und</strong> das Geräusch<br />

v o n A u s r ü s t u n g . D i e J a p a n e r, d i e k e i n e G e f a h r<br />

erwarteten, marschierten sorglos. Shrimp kam näher; <strong>und</strong><br />

bald erkannte er über <strong>de</strong>n kleinen Männlein Kopf <strong>und</strong><br />

Schultern <strong>Tarzan</strong>s aufragen. <strong>Tarzan</strong>, ein Gefangener <strong>de</strong>r<br />

Japaner? Es war unglaublich. Shrimps Herz versackte -<br />

das Herz, das noch nicht<br />

lange zuvor vom Haß auf Englän<strong>de</strong>r erfüllt gewesen war.<br />

Die Neuigkeit, <strong>die</strong> Rosetti <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren zurückbrachte,<br />

erschreckte alle. Der Verlust <strong>de</strong>s Herrn <strong>de</strong>s Dschungels<br />

wür<strong>de</strong> einen schweren Schlag für <strong>die</strong> kleine Kompanie<br />

be<strong>de</strong>uten, doch dachten sie erst eher an <strong>Tarzan</strong>s<br />

Sicherheit als an ihre eigene. Er hatte in <strong>de</strong>r Brust eines<br />

je<strong>de</strong>n nicht nur Respekt <strong>und</strong> Bew<strong>und</strong>erung erweckt,<br />

son<strong>de</strong>rn auch echte Zuneigung. Das rührte daher, daß,<br />

wie Shrimp es Bubonovitch anvertraut hatte, „<strong>de</strong>r Kerl<br />

Klasse" war.<br />

„Wie viele Japaner waren dort, Rosetti?", fragte Jerry.<br />

„So zwanzig. Wir sind neun, Captain, das ist mehr als<br />

genug."<br />

„Das kannst du wie<strong>de</strong>rholen", sagte Bubonovitch.<br />

„Geh'n wir ihn holen."<br />

„Wir können sie auf <strong>die</strong>sem engen Pfad nicht von<br />

hinten angreifen, ohne <strong>Tarzan</strong> zu gefähr<strong>de</strong>n. Wir müssen<br />

uns an sie anhängen, bis wir einen besseren Platz zum<br />

Angreifen fin<strong>de</strong>n", sagte Jerry.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Page 182 von 197


Der Pfad verließ am Rand einer engen Schlucht <strong>de</strong>n<br />

Wald. Unter ihm sah <strong>Tarzan</strong> etwas, das offenbar ein<br />

vorläufiges Lager war. Ein halbes Dutzend japanischer<br />

Soldaten bewachten einige Ausrüstung <strong>und</strong> ein paar<br />

Packtiere. Die Ausrüstung lag unor<strong>de</strong>ntlich verstreut<br />

umher. Einiges davon, wahrscheinlich ver<strong>de</strong>rbliche<br />

Vorräte, war von einer Plane be<strong>de</strong>ckt. Es gab keine<br />

Unterstän<strong>de</strong>. Aus <strong>de</strong>r Erscheinung <strong>de</strong>s Lagers schloß<br />

<strong>Tarzan</strong>, daß <strong>de</strong>r Offizier unfähig war. Je weniger fähig,<br />

<strong>de</strong>sto leichter wür<strong>de</strong> es sein zu entfliehen.<br />

D e r V i z e l e u t n a n t K e n z o K a n e k o b e l l t e e i n e m<br />

Wachtmeister Anweisungen zu, <strong>und</strong> <strong>de</strong>r Wachtmeister<br />

fesselte <strong>die</strong> Handgelenke <strong>de</strong>s Gefangenen hinter seinem<br />

Rücken. Wenn auch <strong>de</strong>r Leutnant unfähig sein mochte,<br />

<strong>de</strong>r Wachtmeister war es nicht. Er fesselte <strong>Tarzan</strong>s<br />

Gelenke so fest <strong>und</strong> mit so vielen Schnüren, daß nicht<br />

einmal <strong>die</strong> Muskeln <strong>de</strong>s Dschungelherrn ihn befreien<br />

konnten.<br />

D e r W a c h t m e i s t e r b a n d d i e F u ß g e l e n k e d e s<br />

Gefangenen genauso. Nach<strong>de</strong>m er das getan hatte, stieß<br />

er ihn <strong>und</strong> stellte ihm ein Bein, so daß <strong>Tarzan</strong> schwer zu<br />

Bo<strong>de</strong>n stürzen mußte. Ein Pferd wur<strong>de</strong> geholt <strong>und</strong> <strong>de</strong>r<br />

Packsattel aufgelegt. Ein Strick wur<strong>de</strong> am Sattel befestigt,<br />

dann das an<strong>de</strong>re En<strong>de</strong> an <strong>Tarzan</strong>s Beine geb<strong>und</strong>en.<br />

Leutnant Kaneko trat heran <strong>und</strong> stand über ihm. Er<br />

lächelte fre<strong>und</strong>lich.<br />

„Ich wür<strong>de</strong> es hassen, wenn ich das Pferd zum Laufen<br />

peitschen müßte", sagte er. „Es wür<strong>de</strong> mir weh tun, aber<br />

Ihnen wür<strong>de</strong> es noch mehr weh tun."<br />

Das Pferd war aufgezäumt wor<strong>de</strong>n, <strong>und</strong> ein Soldat, <strong>de</strong>r<br />

eine<br />

Peitsche trug, war aufgesessen. Die an<strong>de</strong>ren Soldaten<br />

stan<strong>de</strong>n herum <strong>und</strong> grinsten. Sie erwarteten eine<br />

Vorstellung mit anzusehen, <strong>die</strong> ihren sadistischen<br />

Neigungen gefiele.<br />

„Wenn Sie auf meine Fragen antworten", fuhr Kaneko<br />

fort, „wird das Pferd nicht gepeitscht wer<strong>de</strong>n, <strong>und</strong> <strong>de</strong>r<br />

Strick wird abgenommen. Wie viele sind in Ihrer Truppe,<br />

<strong>und</strong> wo sind sie?"<br />

<strong>Tarzan</strong> blieb still. Kaneko lächelte nicht länger. Seine<br />

Züge wur<strong>de</strong>n von Zorn verzerrt, o<strong>de</strong>r vielleicht spielte er<br />

<strong>de</strong>n Zorn nur, um seinem Opfer Angst einzujagen. Er kam<br />

näher <strong>und</strong> trat <strong>Tarzan</strong> in <strong>die</strong> Seite.<br />

„Sie weigern sich zu antworten?", fragte er.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

<strong>Tarzan</strong> erwi<strong>de</strong>rte <strong>de</strong>n Blick <strong>de</strong>s Japaners. Sein Gesicht<br />

zeigte keine Regung, nicht einmal <strong>die</strong> Verachtung, <strong>die</strong> er<br />

Page 183 von 197


für <strong>die</strong>se groteske Karikatur eines Menschen empfand.<br />

K a n e k o s e n k t e s e i n e A u g e n v o r d e n e n s e i n e s<br />

Gefangenen. Etwas in jenen Augen ängstigte ihn, <strong>und</strong> das<br />

erfüllte ihn wirklich mit echter Wut.<br />

Er bellte <strong>de</strong>m Mann auf <strong>de</strong>m Pferd einen Befehl zu. Der<br />

Kerl beugte sich vor <strong>und</strong> hob seine Peitsche. Ein Schuß<br />

krachte. Das Pferd bäumte sich auf <strong>und</strong> taumelte zurück.<br />

Noch ein Schuß. Vizeleutnant Kenzo Kaneko schrie <strong>und</strong><br />

stürzte auf sein Gesicht. Dann folgte eine Salve von<br />

Schüssen. Soldaten fielen in rascher Folge. Die es<br />

konnten, flohen in höchster Entmutigung das Tal hinab,<br />

als neun Schützen <strong>de</strong>n steilen Pfad ins Lager herab<br />

sprangen.<br />

Ein verw<strong>und</strong>eter Japaner stützte sich auf einem<br />

Ellbogen hoch <strong>und</strong> feuerte auf sie. Corrie erschoß ihn.<br />

Dann waren Rosetti <strong>und</strong> Sarina mit Bajonett <strong>und</strong> Sarang<br />

über ihnen, <strong>und</strong> es gab keine verw<strong>und</strong>eten Japaner mehr.<br />

Jerry durchschnitt <strong>Tarzan</strong>s Fesseln. „Ihr seid gera<strong>de</strong><br />

noch rechtzeitig gekommen", sagte <strong>Tarzan</strong>.<br />

„Wir müssen versuchen, <strong>de</strong>n Rest von ihnen zu<br />

erledigen. Das ist offenbar nur eine Abteilung einer<br />

größeren Truppe. Wenn ein paar von <strong>die</strong>sen Burschen zu<br />

ihrer Truppe zurückkommen, wer<strong>de</strong>n wir gejagt wer<strong>de</strong>n."<br />

„Haben Sie eine Ahnung, wie viele Männer da waren?"<br />

„So fünf<strong>und</strong>zwanzig, sechs<strong>und</strong>zwanzig. Wie viele haben<br />

wir getötet?"<br />

„Sechzehn", sagte Rosetti. „Ich hab' sie grad gezählt."<br />

<strong>Tarzan</strong> hob ein Gewehr auf <strong>und</strong> nahm einem <strong>de</strong>r toten<br />

Japaner <strong>de</strong>n Patronengurt ab. „Wir wer<strong>de</strong>n zum Rand <strong>de</strong>s<br />

Tales zurückgehen. Ich wer<strong>de</strong> durch <strong>die</strong> Bäume<br />

vorauseilen <strong>und</strong> versuchen ihnen<br />

zuvorzukommen. Ihr Übrigen arbeitet euch am Rand<br />

entlang hinab, bis ihr auf sie hinunter feuern könnt."<br />

Eine halbe Meile unter <strong>de</strong>m Lager überholte <strong>Tarzan</strong> <strong>die</strong><br />

Ü b e r l e b e n d e n . E s w a r e n z e h n v o n i h n e n . E i n<br />

Wachtmeister hatte sie gesammelt <strong>und</strong> ermahnte sie<br />

offenbar, zum Kampf zurückzukehren. Als sie sich wenig<br />

begeistert umdrehten, feuerte <strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> legte <strong>de</strong>n<br />

Wachtmeister um. Ein Rekrut begann das Tal hinunter zu<br />

laufen. <strong>Tarzan</strong> feuerte wie<strong>de</strong>r, <strong>und</strong> <strong>de</strong>r Mann stürzte. Nun<br />

erkannten <strong>die</strong> an<strong>de</strong>ren, daß <strong>die</strong> Schüsse von weiter unten<br />

im Tal gekommen waren. Sie suchten Deckung vor <strong>die</strong>ser<br />

Richtung. <strong>Tarzan</strong> stellte das Feuern ein, um nicht seine<br />

Position zu verraten.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Die <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong> vernahm <strong>die</strong> zwei Schüsse <strong>und</strong><br />

wußte, daß <strong>Tarzan</strong> Feindberührung hatte. Sie drangen<br />

Page 184 von 197


durch <strong>die</strong> Bäume am Rand <strong>de</strong>s Tales vorwärts. Jerry<br />

führte. Bald sah er einen Japaner, <strong>de</strong>r hinter einem<br />

gestürzten Baum in Deckung gegangen war. Dann sah er<br />

einen weiteren <strong>und</strong> noch einen. Er nahm sie aufs Korn,<br />

<strong>und</strong> <strong>die</strong> Schießerei begann. Auch <strong>Tarzan</strong> feuerte wie<strong>de</strong>r.<br />

Die Japaner waren in <strong>de</strong>m engen Tal in bei<strong>de</strong>n<br />

Richtungen abgeschnitten, führerlos, ohne <strong>de</strong>n nötigen<br />

Verstand o<strong>de</strong>r eine Initiative an<strong>de</strong>rs zu han<strong>de</strong>ln, <strong>und</strong><br />

sprengten sich mit ihren eigenen Granaten in <strong>die</strong> Luft.<br />

„Die sind verdammt gefällig", sagte Douglas.<br />

„Nette Kerlchen", sagte Davis; „versuchen uns<br />

Munition zu sparen."<br />

„Ich werd' runtergeh'n <strong>und</strong> <strong>de</strong>nen aushelfen", sagte<br />

Rosetti, „falls einer von ihnen noch lebt." Er rutschte <strong>und</strong><br />

rollte <strong>de</strong>n steilen Felsabhang hinab, <strong>und</strong> Sarina war gleich<br />

hinter ihm.<br />

„Das", sagte Bubonovitch, „ist <strong>die</strong> i<strong>de</strong>ale<br />

Hilfestellung."<br />

Kapitel 29<br />

Sechs Wochen später gelangte <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

unterhalb von Moekemoeko zur Küste hinunter. Es waren<br />

anstrengen<strong>de</strong> sechs Wochen gewesen, gespickt mit vielen<br />

Gefahren. Japanische Stellungen in vermehrter Anzahl<br />

hatten lange Umwege erfor<strong>de</strong>rt. Nur <strong>die</strong> scharfen<br />

Sinneswahrnehmungen <strong>de</strong>s Dschungelherrn, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>r<br />

kleinen Kompanie ein gutes Stück voraus war, hatte sie in<br />

zahlreichen Fällen vor Unheil bewahrt.<br />

Etwa eine Meile weiter <strong>die</strong> Küste hinauf von da, wo sie<br />

sich verbargen, gab es eine japanische Luftabwehr-<br />

Batterie. Zwischen ihnen <strong>und</strong> <strong>de</strong>r Batterie war ein<br />

Eingeborenendorf. Dieses Dorf war es, in <strong>de</strong>m Sarina<br />

Fre<strong>und</strong>e zu fin<strong>de</strong>n hoffte, <strong>die</strong> ihnen ein Boot <strong>und</strong> Vorräte<br />

besorgen konnten.<br />

„Wenn ich einen Sarong hätte", sagte sie, „könnte ich<br />

einfach bei Tag ins Dorf spazieren, auch wenn Japaner<br />

dort wären; <strong>die</strong>se Kleidung aber wür<strong>de</strong> Verdacht erregen.<br />

I c h m u ß d a s Wa g n i s e i n g e h e n , b e i D u n k e l h e i t<br />

hineinzuschleichen."<br />

„Vielleicht kann ich Ihnen einen Sarong verschaffen",<br />

sagte <strong>Tarzan</strong>.<br />

„Sie wollen ins Dorf gehen?", fragte Sarina.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Page 185 von 197


„Heut' Nacht", antwortete <strong>Tarzan</strong>. „Wahrscheinlich<br />

wer<strong>de</strong>n Sie Sarongs fin<strong>de</strong>n, <strong>die</strong> am Tag gewaschen <strong>und</strong><br />

zum Trocknen aufgehängt wur<strong>de</strong>n."<br />

Nach <strong>de</strong>m Dunkelwer<strong>de</strong>n verließ <strong>Tarzan</strong> sie. Lautlos<br />

bewegte er sich durch <strong>die</strong> stehen<strong>de</strong> Luft <strong>de</strong>r feuchten<br />

Tropennacht. In <strong>de</strong>m Lager, das er verlassen hatte - kein<br />

Camp, son<strong>de</strong>rn nur ein Versteck - unterhielten sich <strong>die</strong><br />

an<strong>de</strong>ren flüsternd. Sie fühlten sich bedrückt von <strong>de</strong>r Hitze<br />

<strong>und</strong> <strong>de</strong>r Feuchtigkeit <strong>und</strong> <strong>de</strong>m ständigen Gefühl<br />

lauern<strong>de</strong>r Gefahren. Als sie im Gebirge gewesen waren,<br />

hatten sie sich nicht so miserabel gefühlt. Jetzt dachten<br />

sie mit Bedauern an <strong>die</strong> verhältnismäßige Kühle <strong>de</strong>r<br />

höheren Lagen zurück.<br />

„Ich bin so lange in <strong>de</strong>n Bergen gewesen", sagte<br />

Corrie, „daß ich beinah vergessen habe, wie schrecklich<br />

das Küstenklima sein kann."<br />

„Es ist ziemlich mies", gab ihr van <strong>de</strong>r Bos Recht.<br />

„ H o l l ä n d e r m ü s s e n M a s o c h i s t e n s e i n " , s a g t e<br />

Bubonovitch, „daß sie Kolonien in Türkischen Bä<strong>de</strong>rn<br />

einrichten."<br />

„Nein", sagte van <strong>de</strong>r Bos; „wir sind profitgierig. Dies<br />

ist eine sehr reiche Weltgegend."<br />

„Die könnt ihr haben", sagte Rosetti. „Ich will kein<br />

Bißchen<br />

davon haben."<br />

„Wir wünschten, daß <strong>de</strong>r Rest <strong>de</strong>r Welt auch so <strong>de</strong>nkt",<br />

sagte van <strong>de</strong>r Bos.<br />

<strong>Tarzan</strong> schwang sich auf einen Baum, <strong>de</strong>r das Dorf<br />

überragte. Ein voller Mond erhellte <strong>die</strong> freien Plätze. Die<br />

verzierten Eingeborenenhäuser warfen tiefe Schatten.<br />

Eingeborene hockten im Mondschein, rauchten <strong>und</strong><br />

tratschten. In <strong>de</strong>r unbewegten Luft hingen drei Sarongs<br />

schlaff von einer Stange, über <strong>die</strong> sie zum Trocknen<br />

geworfen wor<strong>de</strong>n waren. <strong>Tarzan</strong> richtete sich darauf ein zu<br />

warten, bis <strong>die</strong> Leute zum Schlafen in ihre Häuser<br />

gegangen waren.<br />

Nach einer Weile betrat ein Mann von Westen her das<br />

Kampong. <strong>Tarzan</strong> konnte ihn gut sehen. Er war ein<br />

japanischer Offizier, <strong>de</strong>r befehlshaben<strong>de</strong> Offizier <strong>de</strong>r<br />

nahen Luftabwehr-Batterie. Sobald <strong>die</strong> Eingeborenen ihn<br />

sahen, erhoben sie sich <strong>und</strong> verbeugten sich. Er trat in<br />

stolzieren<strong>de</strong>r Arroganz an sie heran <strong>und</strong> sprach ein paar<br />

Worte mit einer jungen Frau. Sie erhob sich unterwürfig<br />

<strong>und</strong> folgte ihm in das Haus, das er zu seiner eigenen<br />

Verwendung requiriert hatte.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Page 186 von 197


Sobald er <strong>de</strong>n Eingeborenen seinen Rücken zuwandte,<br />

schnitten sie ihm Gesichter <strong>und</strong> machten obszöne Gesten.<br />

<strong>Tarzan</strong> war zufrie<strong>de</strong>n. Was er gesehen hatte, überzeugte<br />

ihn, daß <strong>die</strong> Eingeborenen einem je<strong>de</strong>n Feind <strong>de</strong>r<br />

Japaner fre<strong>und</strong>lich gesinnt wären. Nach einer Weile<br />

gingen <strong>die</strong> Eingeborenen in ihre Häuser, <strong>und</strong> Stille<br />

breitete sich über das Kampong aus.<br />

<strong>Tarzan</strong> sprang zum Bo<strong>de</strong>n hinab <strong>und</strong> glitt in <strong>de</strong>n<br />

Schatten eines Gebäu<strong>de</strong>s. Lautlos stahl er sich zu einer<br />

Stelle, <strong>die</strong> möglichst nahe außerhalb <strong>de</strong>s Mondlichts an<br />

<strong>de</strong>n Sarongs lag. Dort stand er, einen Augenblick<br />

lauschend; dann überquerte er schnell <strong>de</strong>n vom Mond<br />

erhellten Platz <strong>und</strong> ergriff einen Sarong.<br />

Auf <strong>de</strong>m Rückzug hatte er fast <strong>de</strong>n Schatten erreicht,<br />

als von hinten eine Frau um eine Gebäu<strong>de</strong>ecke trat. Sie<br />

begegneten einan<strong>de</strong>r im Mondlicht von Angesicht zu<br />

Angesicht. Die erschrockene Frau öffnete ihren M<strong>und</strong> zu<br />

einem Schrei. <strong>Tarzan</strong> packte sie <strong>und</strong> schloß ihr mit einer<br />

Hand <strong>die</strong> aufgerissenen Lippen. Dann zog er sie in <strong>de</strong>n<br />

Schatten.<br />

„Still!", befahl er auf Holländisch. „Dann tu ich dir<br />

nichts." Er hoffte, daß sie Holländisch verstand. Das traf<br />

zu.<br />

„Wer bist du?", fragte sie.<br />

„Ein Fre<strong>und</strong>", antwortete er.<br />

„Fre<strong>und</strong>e bestehlen uns nicht", sagte sie.<br />

„Ich leihe <strong>die</strong>sen Sarong nur aus. Er wird<br />

zurückgegeben wer<strong>de</strong>n.<br />

Du wirst <strong>de</strong>m Japaner nichts davon erzählen? Er ist auch<br />

mein Feind."<br />

„Ich wer<strong>de</strong> ihm nichts sagen. Wir sagen ihnen nichts."<br />

„Gut", sagte <strong>Tarzan</strong>. „Der Sarong wird morgen<br />

zurückgebracht."<br />

Er drehte sich um <strong>und</strong> war im Schatten verschw<strong>und</strong>en.<br />

Die Frau schüttelte <strong>de</strong>n Kopf <strong>und</strong> erkletterte <strong>die</strong> Leiter,<br />

<strong>die</strong> zu ihrem Hauseingang führte. Sie berichtete ihrer<br />

Familie von <strong>de</strong>m Abenteuer, das sie erlebt hatte.<br />

„Du wirst <strong>de</strong>n Sarong nie mehr wie<strong>de</strong>r sehen", sagte<br />

einer.<br />

„Um <strong>de</strong>n Sarong kümmere ich mich nicht", erwi<strong>de</strong>rte<br />

sie. „Er hat mir nicht gehört. Aber ich wür<strong>de</strong> <strong>de</strong>n Wil<strong>de</strong>n<br />

gern wie<strong>de</strong>rsehen. Er war ein stattlicher Mann."<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Am nächsten Morgen betrat Sarina das Dorf. Die erste<br />

Frau, <strong>die</strong> sie traf, erkannte sie, <strong>und</strong> bald war sie von alten<br />

Bekannten umgeben. Sie warnte sie, lieber wegzubleiben,<br />

aus Sorge, daß Japaner im Dorf sein könnten, <strong>die</strong> an <strong>de</strong>r<br />

Page 187 von 197


Begrüßung erkennen mochten, daß sie neu angekommen<br />

war <strong>und</strong> daher jemand, <strong>de</strong>n man sich ansehen sollte.<br />

Sarina wollte nicht, daß sie von Japanern angesehen<br />

wur<strong>de</strong>. Das verstan<strong>de</strong>n <strong>die</strong> Dorfbewohner <strong>und</strong> kehrten zu<br />

ihrer üblichen Tätigkeiten zurück. Dann suchte Sarina<br />

Alauddin Shah auf, <strong>de</strong>n Dorfhäuptling. Er schien erfreut,<br />

sie zu sehen, <strong>und</strong> stellte ihr viele Fragen. Sie vermied es,<br />

<strong>die</strong> meisten davon zu beantworten, bis sie herausfand,<br />

welcherart seine Beziehungen zu <strong>de</strong>n Japanern waren.<br />

Bald erfuhr sie, daß er sie haßte. Alauddin Shah war ein<br />

stolzer alter Mann, ein Erbhäuptling. Die Japaner hatten<br />

ihn geschlagen <strong>und</strong> getreten <strong>und</strong> ihn gezwungen, sich<br />

sogar vor ihren Rekruten tief zu verbeugen. Beruhigt<br />

erzählte ihm Sarina ihre Geschichte, erklärte, was sie <strong>und</strong><br />

ihre Gefährten brauchten, <strong>und</strong> erbat seine Unterstützung.<br />

„Das wird eine gefährliche Reise wer<strong>de</strong>n", sagte er. „Es<br />

gibt viele feindliche Schiffe in <strong>de</strong>n Gewässern, <strong>und</strong> es ist<br />

ein weiter Weg nach Australien. Aber wenn du <strong>und</strong> <strong>de</strong>ine<br />

Fre<strong>und</strong>e ihn wagen wollt, wer<strong>de</strong> ich euch helfen. Es liegt<br />

eine große Prau am Fluß versteckt, ein paar Meilen vom<br />

Dorf <strong>die</strong> Küste hinab. Wir wer<strong>de</strong>n sie für euch ausrüsten,<br />

aber es wird Zeit benötigen. Wir wer<strong>de</strong>n nicht richtig<br />

bewacht, weil wir <strong>de</strong>n Japanern keine Schwierigkeiten<br />

machen, aber sie gehen fast täglich im Kampong aus <strong>und</strong><br />

ein. Ein Offizier schläft je<strong>de</strong> Nacht hier. Alles was wir tun,<br />

muß mit äußerster Vorsicht getan wer<strong>de</strong>n."<br />

„Wenn ihr je<strong>de</strong>n Tag in einem Haus am Rand <strong>de</strong>s<br />

Kampongs Vorräte hinterlaßt, wer<strong>de</strong>n wir nachts kommen<br />

<strong>und</strong> sie zur Prau<br />

bringen", sagte ihm Sarina. „So könnt ihr<br />

Beschuldigungen<br />

entgehen, wenn wir ent<strong>de</strong>ckt wer<strong>de</strong>n. Ihr könnt sehr<br />

überrascht tun,<br />

wenn ihr bemerkt, daß jemand nachts ins Dorf gekommen<br />

ist <strong>und</strong><br />

Nahrung gestohlen hat."<br />

Alauddin Shah lächelte. „Du bist wahrlich eine Tochter<br />

von Big<br />

Jon", sagte er.<br />

*<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Ein Monat verging, ein Monat knapp verhin<strong>de</strong>rter<br />

Ent<strong>de</strong>ckungen, ein Monat voll Nervenanspannung; aber<br />

schließlich war <strong>die</strong> Prau ausgerüstet. Und nun warteten<br />

sie auf eine mondlose Nacht <strong>und</strong> günstigen Wind.<br />

Stacheldraht <strong>und</strong> Verbauungen an <strong>de</strong>r Flußmündung<br />

waren unberührt geblieben, bis <strong>die</strong> Prau bereit war. Jetzt<br />

Page 188 von 197


mußten sie entfernt wer<strong>de</strong>n - ein gefährliches Vorhaben in<br />

Gewässern, <strong>die</strong> von Krokodilen bewohnt waren. Aber<br />

schließlich war auch das vollbracht.<br />

Endlich war sie da - <strong>die</strong> N-Nacht, wie sie sie nannten.<br />

Die Gezeiten stimmten. Dazu gab es gab einen lebhaften<br />

ablandigen Wind. Langsam stakten sie <strong>die</strong> Prau zum Meer<br />

hinunter. Das große Lateinersegel war gehißt. Nahe <strong>de</strong>m<br />

Lee am Strand nahm es wenig Wind auf, doch weiter<br />

draußen blähte es sich unter einer kräftigen Brise, <strong>und</strong><br />

<strong>die</strong> Prau nahm Fahrt auf.<br />

Die Nacht war mondlos, doch klar. Sie setzten <strong>de</strong>n Kurs<br />

nach Sü<strong>de</strong>n, mit <strong>de</strong>m Kreuz <strong>de</strong>s Sü<strong>de</strong>ns als Leitstern. Sie<br />

hatten ein einfaches Log <strong>und</strong> eine Logleine angefertigt,<br />

<strong>und</strong> während <strong>die</strong> Knoten liefen, versuchten sie, ihre<br />

Geschwindigkeit zu schätzen. Sarina schätzte zwölf<br />

Knoten. Sie traf nicht weit daneben.<br />

„Wenn <strong>die</strong>ser Wind aushält", sagte sie, „wer<strong>de</strong>n wir vor<br />

zwei Uhr morgen früh ein gutes Stück von <strong>de</strong>r Südspitze<br />

<strong>de</strong>r Insel Nassau entfernt sein. Dann wer<strong>de</strong>n wir einen<br />

südwestlichen Kurs nehmen. Ich möchte aus <strong>de</strong>n<br />

Küstengewässern von Sumatra <strong>und</strong> Java herauskommen,<br />

bevor wir nach Südosten abschwenken, nach Australien.<br />

So wer<strong>de</strong>n wir Engano ausweichen. Dann wer<strong>de</strong>n uns nur<br />

noch <strong>die</strong> Kokos-Inseln Sorgen bereiten, was das Land<br />

betrifft. Ich weiß nicht, ob <strong>die</strong> Japaner irgen<strong>de</strong>twas dort<br />

haben." „Sind das <strong>die</strong>selben wie <strong>die</strong> Keeling-Inseln?",<br />

fragte Jerry. „Ja, aber mein Vater nannte sie immer <strong>die</strong><br />

Kokos-Inseln, weil er sagte, Keeling war ein 'verdammter<br />

Englän<strong>de</strong>r'." Sie lachte, <strong>und</strong> <strong>Tarzan</strong> stimmte mit ein.<br />

„Keiner mag einen Englän<strong>de</strong>r", sagte er. „Aber ich bin<br />

nicht so sicher, daß Keeling ein Englän<strong>de</strong>r war."<br />

„Da ist ein Licht auf zwei Uhr", sagte Davis.<br />

„Wahrscheinlich auf Nassau", sagte Sarina. „Hoffen wir<br />

e s , d e n n w e n n ' s n i c h t s o i s t , i s t e s e i n e<br />

Schiffsbeleuchtung; <strong>und</strong> mit Schiffen wollen wir nichts zu<br />

tun haben."<br />

„Ich glaube nicht, daß ihre Schiffe Beleuchtung zeigen<br />

wür<strong>de</strong>n", sagte Jerry. „Es gibt zu viele U-Boote <strong>de</strong>r<br />

Alliierten in <strong>die</strong>sen Gewässern."<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Der Morgen traf sie auf einem leeren Ozean an - nur<br />

ein riesiger r<strong>und</strong>er Kessel voll wogen<strong>de</strong>m, grauem<br />

Wasser. Der Wind hatte aufgefrischt, <strong>und</strong> schwere Seen<br />

liefen. Sergeant Rosetti war krank. Zwischen Krämpfen<br />

bemerkte er: „Ich hab' einen blö<strong>de</strong>n Cousin. Er ging zur<br />

Navy." Nach einer Weile sagte er: „Jetzt wird's nimmer<br />

lang dauern. Die Kiste wird nicht viel mehr aushalten, <strong>und</strong><br />

Page 189 von 197


mir kann's nicht schnell genug geh'n. Ist das erste Mal in<br />

meinem Leben, daß ich sterben wollt'." Dann lehnte er<br />

sich wie<strong>de</strong>r über <strong>die</strong> Reling <strong>und</strong> übergab sich.<br />

„Kopf hoch, Shrimp", sagte Bubonovitch. „Jetzt wird's<br />

nicht mehr lang dauern, bis wir in Australien an Land<br />

gehen - vielleicht einen Monat o<strong>de</strong>r so."<br />

„Uije", greinte Rosetti.<br />

„Du wirst <strong>die</strong> Übelkeit recht bald überstan<strong>de</strong>n haben,<br />

Tony", sagte Sarina.<br />

„Manche Admiräle wer<strong>de</strong>n je<strong>de</strong>s Mal krank, wenn sie<br />

nach Land<strong>die</strong>nst das erste Mal auf See gehen", sagte<br />

<strong>Tarzan</strong>.<br />

„Ich will kein Admiral sein. Ich bin zu <strong>de</strong>n Fliegern<br />

gegangen, <strong>und</strong> was krieg' ich ab? Zwei, drei Monate lang<br />

bin ich ein Teigkloß; jetzt auch noch ein blauer Junge.<br />

Oje!" Er lehnte sich wie<strong>de</strong>r über <strong>die</strong> Reling.<br />

„Armer Tony", sagte Sarina.<br />

Die langen Tage verstrichen. Der Wind drehte gen<br />

Südosten. Der Südostpassat, <strong>de</strong>r zehn Monate lang<br />

wehen wür<strong>de</strong>, hatte begonnen. Sarina nahm lange<br />

Kurswechsel vor, erst nach Steuerbord <strong>und</strong> dann nach<br />

Backbord. Es war langsames Vorankommen, aber ihr<br />

Glück blieb ihnen treu. Sie waren nun schon weit über <strong>die</strong><br />

Keeling-Inseln hinaus, <strong>und</strong> kein feindliches Schiff zeigte<br />

sich.<br />

Douglas, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Ausguckposten übernommen hatte,<br />

kam nach achtern. „Es ist eine schreckliche Menge<br />

Wa s s e r " , s a g t e e r. „ B e i m D r ü b e r f l i e g e n s c h a u t ' s<br />

fürchterlich groß aus - ich meine <strong>de</strong>n Pazifik. Aber hier<br />

unten auf <strong>de</strong>r Oberfläche scheint's, als gäbe es nichts als<br />

Wasser auf <strong>de</strong>r Welt. Dabei ist das nur <strong>de</strong>r Indische<br />

Ozean, <strong>de</strong>r nicht<br />

einmal ein Tropfen im Kübel ist neben <strong>de</strong>m Pazifik. Es läßt<br />

einen ziemlich klein <strong>und</strong> unbe<strong>de</strong>utend wirken."<br />

„Bestimmt gibt's eine Menge Wasser auf <strong>de</strong>r Welt",<br />

stimmte van <strong>de</strong>r Bos zu.<br />

„Drei Viertel <strong>de</strong>r ganzen Erdoberfläche sind Wasser",<br />

sagte Corrie.<br />

„Und <strong>de</strong>r Pazifik besitzt eine größere Fläche als alle<br />

Landoberflächen <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> zusammen", sagte Jerry.<br />

„Wenn's mir gehören wür<strong>de</strong>", sagte Rosetti, „tat' ich<br />

d a s g a n z e v e r d a m m t e Z e u g f ü r i r g e n d e i n e a l t e<br />

Straßenecke von Chicago eintauschen."<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

„Was ich dran nicht mag", sagte Douglas, „ist <strong>de</strong>r<br />

totale Mangel an Landschaft. Na, in Kalifornien - "<br />

„Er fängt schon wie<strong>de</strong>r an", sagte Bubonovitch.<br />

Page 190 von 197


„Aber irgendwie hat er schon Recht", sagte Davis.<br />

„Gott! Wie gern würd' ich eine Kuh sehen - nur eine<br />

schäbige kleine Kuh tief im Herzen von Texas."<br />

„Ich war' mit Land zufrie<strong>de</strong>n, mit irgen<strong>de</strong>inem echten<br />

Land, jetzt gleich", sagte Rosetti. „Sogar Brooklyn würd'<br />

mir gefallen. Könnt' sogar dort bleiben. Mir reicht's mit<br />

<strong>de</strong>m Reisen."<br />

„Reisen bil<strong>de</strong>t, Shrimp", sagte Bubonovitch. „Schau<br />

nur, was es dir gebracht hat. Du magst einen Englän<strong>de</strong>r,<br />

du liebst ein Weibsbild, <strong>und</strong> dank Sarina hast du<br />

halbwegs verständliches Englisch sprechen gelernt."<br />

„Sehr gebil<strong>de</strong>t bin ich in letzter Zeit nicht wor<strong>de</strong>n",<br />

klagte Rosetti. „Wochenlang haben wir nix geseh'n als<br />

wie Wasser. Ich will was an<strong>de</strong>res seh'n."<br />

„Rauch aus elf Uhr!", rief Jerry, <strong>de</strong>r als Ausguck nach<br />

vorn gegangen war. Sarina lächelte. Die Fliegermetho<strong>de</strong><br />

<strong>de</strong>r Richtungsangabe amüsierte sie immer, aber sie mußte<br />

zugeben, daß sie praktisch war.<br />

Je<strong>de</strong>r schaute in <strong>die</strong> angegebene Richtung, wo sich<br />

knapp über <strong>de</strong>m Horizont ein schwarzer Fleck zeigte.<br />

„Vielleicht wirst du außer Wasser jetzt etwas an<strong>de</strong>res<br />

sehen, Shrimp", sagte Davis. „Dein Wunsch wur<strong>de</strong> schnell<br />

erfüllt."<br />

„Das muß ein Schiff sein", rief Jerry, „<strong>und</strong> ich glaube,<br />

wir gehen ihm lieber aus <strong>de</strong>m Weg."<br />

„Nach fünf Uhr hin?", sagte Sarina.<br />

„Genau", sagte Jerry, „<strong>und</strong>pronto."<br />

Sie brachten es fertig <strong>und</strong> segelten vor <strong>de</strong>m<br />

Wind in<br />

nordwestlicher Richtung, ständig <strong>de</strong>n schwarzen Fleck im<br />

Auge behaltend. „Es könnte britisch sein", sagte Corrie<br />

hoffnungsvoll.<br />

„Mag sein", stimmte Tak ihr zu, „aber wir können kein<br />

Risiko eingehen. Es kann genauso gut ein Japaner sein."<br />

Für längere Zeit schien es, als gäbe es keine<br />

bemerkenswerte Verän<strong>de</strong>rung in <strong>de</strong>r Erscheinung <strong>de</strong>s<br />

Dings, das sie so besorgt beobachteten; dann erfaßten<br />

<strong>Tarzan</strong>s scharfe Augen <strong>de</strong>n Aufbau eines Schiffes, <strong>de</strong>r sich<br />

über <strong>de</strong>n Horizont erhob. Einige Minuten lang hielt er<br />

sorgfältig Ausschau. „Es ist dabei, grad unseren Kurs zu<br />

kreuzen", sagte er. „Es wird achtern vorbeikommen, aber<br />

sie wer<strong>de</strong>n uns sichten müssen."<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

„Wenn's ein Japaner ist", sagte Sarina, „hält er auf<br />

Sumatra o<strong>de</strong>r Java zu. Unsere einzige Chance ist es,<br />

<strong>die</strong>sen Kurs zu halten <strong>und</strong> zu beten - beten um Wind <strong>und</strong><br />

noch mehr Wind. Wenn es eins von <strong>die</strong>sen kleinen<br />

Page 191 von 197


japanischen Han<strong>de</strong>lsschiffen ist, können wir davon segeln,<br />

falls <strong>de</strong>r Wind auffrischt. Sonst, wenn wir unseren<br />

Vorsprung bis zur Dunkelheit halten können, entkommen<br />

wir ihm so."<br />

Die Prau schien sich nie zuvor so langsam bewegt zu<br />

haben. Aus angestrengten Augen beobachteten sie wie<br />

<strong>die</strong> Bedrohung anwuchs, während <strong>de</strong>r Schiffsrumpf über<br />

<strong>de</strong>n Rand <strong>de</strong>r Welt kletterte. „Es ist wie in einem<br />

Alptraum", sagte Corrie, „wenn einen etwas Schreckliches<br />

jagt, <strong>und</strong> man kann sich nicht bewegen. Und <strong>de</strong>r Wind<br />

legt sich."<br />

„Ihr Leute betet nicht eifrig genug", sagte Rosetti.<br />

„Alles, was mir einfällt", sagte Davis, „ist jetzt: Bevor<br />

ich mich zur Ruh' begeb', <strong>und</strong> an <strong>de</strong>n Rest kann ich mich<br />

nicht erinnern."<br />

Eine plötzliche Windbö blähte das große Segel, <strong>und</strong><br />

<strong>die</strong> Geschwindigkeit <strong>de</strong>r Prau erhöhte sich merklich.<br />

„Jemand hat's geschafft", sagte Douglas.<br />

Aber das frem<strong>de</strong> Schiff näherte sich ihnen weiter. „Es<br />

hat <strong>de</strong>n Kurs gewechselt", sagte <strong>Tarzan</strong>. „Es hält auf uns<br />

zu." Einen Moment später sagte er: „Ich kann jetzt seine<br />

Flagge erkennen. Es ist wirklich ein Japaner."<br />

„Ich hätte zur Kirche gehen sollen, wie es Mama immer<br />

von mir wollte", sagte Davis. „Ich hätte ein paar gute<br />

Gebete gelernt. Aber ich kann nicht beson<strong>de</strong>rs gut<br />

beten", sagte er einen Augenblick später. ,JJafür kann ich<br />

bestimmt gut schießen." Er ergriff sein Gewehr <strong>und</strong> lud<br />

mit einem Magazin durch.<br />

„Wir alle können gut schießen", sagte Jerry, „aber wir<br />

können mit <strong>de</strong>m, was wir zum Schießen haben, kein Schiff<br />

versenken."<br />

„Das ist ein schwach bewaffneter Kauffahrer", sagte<br />

<strong>Tarzan</strong>. „Er hat wahrscheinlich 20mm-Flak-Kanonen an<br />

Bord <strong>und</strong> Maschinengewehre vom Kaliber 30."<br />

„Ich glaub', <strong>de</strong>r ist uns über", sagte Bubonovitch mit<br />

trockenem Grinsen.<br />

„Die Reichweite <strong>de</strong>r 20er liegt nur bei 1.100 Meter",<br />

sagte Jerry. „Diese Bolzengewehre wer<strong>de</strong>n weiter reichen.<br />

Wir müßten ein paar Nips erwischen können, bevor sie<br />

uns erledigen - das heißt, wenn ihr Leute kämpfen wollt."<br />

Er schaute sie <strong>de</strong>r Reihe nach an. „Wir können uns<br />

ergeben, o<strong>de</strong>r wir können kämpfen. Was sagt ihr?"<br />

„Ich sag' kämpfen", sagte Rosetti.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

„Überlegt euch das gut", ermahnte sie Jerry. „Wenn<br />

wir <strong>de</strong>n Kampf aufnehmen, wer<strong>de</strong>n wir alle getötet."<br />

Page 192 von 197


„ I c h h a b ' n i c h t v o r, m i c h v o n d i e s e n g e l b e n<br />

H<strong>und</strong>esöhnen noch einmal herumtreten zu lassen", sagte<br />

Bubonovitch. „Wenn ihr an<strong>de</strong>ren nicht kämpfen wollt,<br />

wer<strong>de</strong> ich's auch nicht, aber lebend kriegen sie mich<br />

nicht."<br />

„Mich auch nicht", sagte Corrie. „Wie steht's mit dir,<br />

Jerry?"<br />

„Kämpfen, natürlich." Er schaute <strong>Tarzan</strong> an. „Und Sie?"<br />

<strong>Tarzan</strong> lächelte ihn an. „Was glaubt ihr?"<br />

„Will sich jemand statt zu kämpfen lieber ergeben?"<br />

Niemand wollte es. „Dann überprüfen wir lieber unsere<br />

Gewehre <strong>und</strong> la<strong>de</strong>n sie. Und ich darf abschließend sagen,<br />

es war schön mit euch."<br />

„Das klingt schrecklich endgültig", sagte Corrie,<br />

„selbst wenn du es scherzhaft gemeint hast."<br />

„Ich fürchte, es ist - endgültig, <strong>und</strong> kein Scherz."<br />

Der Kauffahrer schloß jetzt rasch zu ihnen auf, <strong>de</strong>nn<br />

nach <strong>de</strong>r einen günstigen Bö hatte sich <strong>de</strong>r Wind zu einer<br />

Brise abgeschwächt, <strong>die</strong> nicht einmal das Dreieckssegel<br />

<strong>de</strong>r Prau füllte.<br />

„Ziemlich lange hatten wir sehr viel Glück", sagte Tak.<br />

„Nach <strong>de</strong>m Gesetz <strong>de</strong>r Wahrscheinlichkeit wäre es so<br />

weit, daß <strong>die</strong> Zeit unseres Glücks ablaufen sollte."<br />

Einem roten Aufblitzen an Bord <strong>de</strong>s Japaners folgte<br />

eine Rauchwolke. Einen Moment darauf explo<strong>die</strong>rte eine<br />

Granate viel zu kurz vor ihnen.<br />

„Lady Luck macht sich auf <strong>die</strong> Socken", sagte Rosetti.<br />

30<br />

„Schöne Artillerie!", sagte Bubonovitch. „Der arme<br />

Tö l p e l k e n n t n i c h t e i n m a l d i e R e i c h w e i t e s e i n e s<br />

Geschützes."<br />

„Wahrscheinlich haben ihm <strong>die</strong> Finger gejuckt", sagte<br />

Douglas.<br />

„Ich bezweifle, daß <strong>die</strong> kleinen Admiräle ihre besten<br />

Artillerie-Offiziere an Bord kleiner Kauffahrer einsetzen",<br />

sagte Jerry. „Also hält unser Glück vielleicht noch an."<br />

Die Prau kam nun kaum noch voran, während sie sich<br />

auf langer Dünung hob <strong>und</strong> senkte. Der Bug <strong>de</strong>s sich<br />

nähern<strong>de</strong>n Schiffes durchpflügte das tiefe Blau <strong>de</strong>s<br />

Ozeans <strong>und</strong> warf weißes Wasser auf, wie <strong>de</strong>r Pflug aus<br />

fruchtbarem Ackerbo<strong>de</strong>n Erdschollen aufwirft.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Abermals feuerte <strong>de</strong>r Japaner. Dieses Geschoß ging zu<br />

weit, aber nicht so viel. Jerry <strong>und</strong> Corrie saßen nahe<br />

beisammen, eine seiner Hän<strong>de</strong> lag auf einer von ihr. „Ich<br />

glaube, van Prins hatte Recht", sagte Jerry. „Er sagte, wir<br />

Page 193 von 197


wären verrückt. Ich hätte dich nicht mitnehmen sollen,<br />

Liebling."<br />

„Ich hätte es nicht an<strong>de</strong>rs haben wollen", sagte Corrie.<br />

„Wir haben so viel Zeit zusammen gehabt, <strong>die</strong> wir nicht<br />

gehabt hätten, wenn ich nicht mit dir mitgekommen wäre.<br />

Ich hatte nie <strong>die</strong> Gelegenheit zu sagen, 'in guten <strong>und</strong> in<br />

schlechten Tagen', aber in meinem Herzen war es immer."<br />

Er lehnte sich näher zu ihr. „Willst du, Corrie, <strong>die</strong>sen<br />

Mann als <strong>de</strong>inen Ehegatten nehmen?"<br />

„Ich will", sagte Corrie sehr leise. „Willst du, Jerry,<br />

<strong>die</strong>se Frau als <strong>de</strong>ine Ehegattin nehmen, sie ehren <strong>und</strong><br />

beschützen, bis daß <strong>de</strong>r Tod euch schei<strong>de</strong>t?"<br />

„Ich will", sagte Jerry ein wenig heiser. Er streifte <strong>de</strong>n<br />

College-Ring von seinem Finger <strong>und</strong> steckte ihn an<br />

Corries Ringfinger. „Mit <strong>die</strong>sem Ring nehme ich dich zur<br />

Frau, <strong>und</strong> damit vertraue ich dir all meinen weltlichen<br />

Besitz an." Dann küßte er sie.<br />

„Ich glaube", sagte Corrie, „was <strong>die</strong> Zeremonie betrifft,<br />

war unser Gedächtnis ein wenig schwach; aber im<br />

Wesentlichen haben wir's getroffen. Und ich fühle mich<br />

sehr fest verheiratet, Liebster."<br />

Ein naher Fehltreffer überschüttete sie mit Wasser. Sie<br />

schienen es nicht zu bemerken.<br />

„Meine Frau", sagte Jerry, „so jung <strong>und</strong> so schön."<br />

„Frau!", wie<strong>de</strong>rholte Corrie.<br />

„Der Kerl schießt sich ein", sagte Rosetti.<br />

Eine Haiflosse durchschnitt das Wasser zwischen <strong>de</strong>r<br />

Prau <strong>und</strong><br />

<strong>de</strong>m Japaner. Der kleine Keta betrachtete sie, zum Glück<br />

nicht ahnend, was sie be<strong>de</strong>utete. <strong>Tarzan</strong> richtete Kimme<br />

<strong>und</strong> Korn seines Gewehres aus <strong>und</strong> feuerte auf <strong>die</strong><br />

Gestalten entlang <strong>de</strong>r Reling <strong>de</strong>s Japaners. Die an<strong>de</strong>ren<br />

folgten seinem Beispiel, <strong>und</strong> bald blitzten zehn Gewehre<br />

auf. Wenn sie schon sonst nichts erreichten, so leerte sich<br />

d i e R e l i n g v o n Z a u n g ä s t e n u n d v e r u r s a c h t e v i e l<br />

Durcheinan<strong>de</strong>r an Bord <strong>de</strong>s Kauffahrers. Doch sie<br />

erreichten noch etwas an<strong>de</strong>res: Sie trieben <strong>die</strong> Flak-<br />

Schützen zu hektischer Aktivität. Granattreffer löcherten<br />

<strong>de</strong>n Ozean.<br />

„Wenn ihre Munition ausreicht", sagte Rosetti, „müssen<br />

sie uns einmal zufällig treffen. Pfui! So ein lausiges<br />

Geballer!"<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Schließlich kam es, wie es kommen mußte, sie wußten<br />

es - ein direkter Treffer. Jerry sah, wie <strong>die</strong> Hälfte von Sing<br />

Tais Körper fünfzig Fuß hoch in <strong>die</strong> Luft geschleu<strong>de</strong>rt<br />

wur<strong>de</strong>. Tak van <strong>de</strong>r Bos' rechtes Bein wur<strong>de</strong> abgerissen.<br />

Page 194 von 197


Die ganze Gruppe wur<strong>de</strong> ins Meer geworfen; dann drehte<br />

<strong>de</strong>r Japaner bei <strong>und</strong> begann mit Maschinengewehren auf<br />

sie zu feuern, während sie schwammen o<strong>de</strong>r sich an<br />

Wracktrümmer klammerten. Das Ziel <strong>de</strong>r Schützen war<br />

abscheulich, aber wie<strong>de</strong>r sahen sie ein, daß <strong>die</strong>s das<br />

En<strong>de</strong> für <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong> war - daß irgendwann einige<br />

<strong>die</strong>ser H<strong>und</strong>erte pfeifen<strong>de</strong>r Kugeln sie alle treffen<br />

wür<strong>de</strong>n.<br />

Bubonovitch <strong>und</strong> Douglas hielten van <strong>de</strong>r Bos, <strong>de</strong>r<br />

bewußtlos war, über Wasser. Jerry versuchte sich zwischen<br />

Corrie <strong>und</strong> <strong>de</strong>n Maschinengewehren zu halten. Plötzlich<br />

begann etwas van <strong>de</strong>r Bos hinabzuziehen. Einer von<br />

Bubonovitchs Füßen traf auf einen festen Körper, <strong>de</strong>r<br />

unten schwamm. „Mein Gott!", schrie er. „Ein Hai hat Tak<br />

erwischt." R<strong>und</strong> um sie schwirrte das Wasser vor<br />

Querschlägern.<br />

Ta r z a n , d e n d i e E x p l o s i o n e t w a s w e i t e r w e g<br />

geschleu<strong>de</strong>rt hatte, schwamm auf Bubonovitch <strong>und</strong><br />

Douglas zu, nach<strong>de</strong>m er <strong>de</strong>n Warnruf <strong>de</strong>s Ersteren gehört<br />

hatte. Schnell tauchte er <strong>und</strong> zog sein Messer. Ein paar<br />

flinke, kräftige Tempi brachten ihn nahe an <strong>de</strong>n Hai heran.<br />

Ein mächtiger Streich mit seinem Messerarm riß <strong>de</strong>n<br />

Bauch <strong>de</strong>s riesigen Fisches auf <strong>und</strong> <strong>die</strong> Gedärme heraus.<br />

Er ließ van <strong>de</strong>r Bos los <strong>und</strong> wandte sich <strong>Tarzan</strong> zu, aber<br />

<strong>de</strong>r Mann entging seinem Maul <strong>und</strong> stach wie<strong>de</strong>r <strong>und</strong><br />

wie<strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>m Messer zu.<br />

Das Wasser war rot vom Blut, da schoß ein an<strong>de</strong>rer Hai<br />

herbei <strong>und</strong> attackierte seinen Genossen. Der erste Hai<br />

schwamm schwerfällig davon, während <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re ihn biß<br />

<strong>und</strong> an ihm zerrte. Für <strong>de</strong>n Augenblick waren <strong>die</strong><br />

Überleben<strong>de</strong>n <strong>die</strong> eine Bedrohung los,<br />

aber <strong>die</strong> Kugeln schlugen immer noch in <strong>de</strong>r Nähe ein.<br />

Mit <strong>Tarzan</strong>s Hilfe brachten Bubonovitch <strong>und</strong> Douglas<br />

van <strong>de</strong>r Bos an ein großes Wrackstück heran - an <strong>de</strong>n Teil<br />

eines Auslegers. <strong>Tarzan</strong> riß einen Streifen von <strong>de</strong>m, was<br />

von van <strong>de</strong>r Bos' Hosen übriggeblieben war, <strong>und</strong> während<br />

er <strong>und</strong> Douglas <strong>de</strong>n Mann auf <strong>de</strong>m Bruchstück festhielten,<br />

legte Bubonovitch einen Verband an. Tak atmete noch,<br />

doch war er zum Glück bewußtlos.<br />

Bubonovitch schüttelte <strong>de</strong>n Kopf. „Er hat keine<br />

Chance", sagte er. „Aber wjr auch nicht."<br />

„Die Haie wer<strong>de</strong>n heute eine Menge gutes Futter<br />

bekommen", sagte Douglas.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Sie schauten alle auf das japanische Schiff. Wie<strong>de</strong>r war<br />

<strong>die</strong> Reling mit o-beinigen kleinen Männern besetzt. Einige<br />

von ihnen schössen mit Pistolen auf <strong>die</strong> Leute im Wasser.<br />

Page 195 von 197


Keta, <strong>de</strong>r auf einem Wrackstück hockte, schimpfte <strong>und</strong><br />

drohte.<br />

Da gab es eine schreckliche Explosion. Ein großes,<br />

fächerförmiges Flammenbün<strong>de</strong>l schoß von mittschiffs <strong>de</strong>s<br />

Kauffahrers H<strong>und</strong>erte Fuß hoch in <strong>die</strong> Luft, <strong>und</strong> eine<br />

Rauchsäule erhob sich noch H<strong>und</strong>erte Fuß höher. Eine<br />

zweite Explosion folgte, <strong>und</strong> das Schiff brach entzwei,<br />

<strong>de</strong>n Bug fast über das Wasser schleu<strong>de</strong>rnd. Die bei<strong>de</strong>n<br />

Hälften versanken fast unmittelbar <strong>und</strong> hinterließen ein<br />

paar versengte <strong>und</strong> schreien<strong>de</strong> Geschöpfe, <strong>die</strong> in<br />

brennen<strong>de</strong>m Öl zappelten.<br />

Ein paar Augenblicke lang schauten <strong>die</strong> Überleben<strong>de</strong>n<br />

<strong>de</strong>r Prau in gelähmtem Schweigen, das dann von Rosetti<br />

durchbrochen wur<strong>de</strong>. „Ich wußte, sie wür<strong>de</strong> mich<br />

erhören", sagte er. „Sie hat mich noch nie im Stich<br />

gelassen."<br />

„Sie wird noch ein paar echte W<strong>und</strong>er wirken müssen,<br />

u m u n s a u s d e r M i t t e d e s I n d i s c h e n O z e a n s<br />

herauszuholen, bevor wir ertrinken o<strong>de</strong>r <strong>die</strong> Haie uns<br />

kriegen", sagte Jerry.<br />

„Bete höllisch, Shrimp", sagte Bubonovitch.<br />

„Glaub' nicht, ichtät's nicht, Bru<strong>de</strong>r", sagte Rosetti.<br />

„Schaut! Schaut!", rief Corrie <strong>und</strong> zeigte auf etwas.<br />

Zwei- o<strong>de</strong>r dreih<strong>und</strong>ert Meter jenseits <strong>de</strong>s brennen<strong>de</strong>n<br />

Öls tauchte ein U-Boot auf. Der Union Jack leuchtete von<br />

<strong>de</strong>r Seite seines Kommandoturms.<br />

„Da hast du <strong>de</strong>in W<strong>und</strong>er, Captain", sagte Rosetti. „Sie<br />

hat mich noch nie im Stich gelassen. Ich meine, in einer<br />

wirklichen Klemme."<br />

„Was halten Sie jetzt von <strong>de</strong>n Briten, Sergeant?", fragte<br />

<strong>Tarzan</strong> grinsend.<br />

„Ich liebe sie", sagte Rosetti.<br />

Das U-Boot umfuhr gegen <strong>de</strong>n Wind das brennen<strong>de</strong> Öl<br />

<strong>und</strong> zog längsseits <strong>de</strong>s Wracks <strong>de</strong>r Prau. Die Luke spuckte<br />

Männer aus, um <strong>die</strong> Schiffbrüchigen an Bord zu holen.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> Bubonovitch übergaben van <strong>de</strong>r Bos zuerst. Er<br />

starb, während sie ihn vorsichtig aufs Deck legten.<br />

Corrie <strong>und</strong> Sarina folgten, <strong>und</strong> dann <strong>die</strong> Männer.<br />

Lieutenant Commodore Bolton, <strong>de</strong>r Skipper <strong>de</strong>s U-Boots,<br />

war voller Staunen <strong>und</strong> Fragen. Corrie kniete neben van<br />

<strong>de</strong>r Bos' Leichnam hin <strong>und</strong> versuchte, <strong>die</strong> Tränen<br />

zurückzuhalten. Jerry kam zu ihr.<br />

„Armer Tak", sagte sie.<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Sie nahmen ihn nicht mit hinunter. Er wur<strong>de</strong> auf See<br />

begraben, Bolton verlas <strong>die</strong> letzten Worte. Dann gingen<br />

sie alle hinunter, erhielten trockene Kleidung <strong>und</strong> heißen<br />

Page 196 von 197


K a f f e e , u n d b a l d s c h i e n e n T r a u e r u n d<br />

Nie<strong>de</strong>rgeschlagenheit gemin<strong>de</strong>rt, <strong>de</strong>nn sie waren alle<br />

jung <strong>und</strong> hatten genug vom Tod gesehen.<br />

Als Bolton ihre Geschichte hörte, sagte er: „Nun, ihr<br />

hattet von Anfang an Glück in <strong>die</strong>sem Spiel; aber daß ich<br />

zufällig gera<strong>de</strong> da war, wo ihr mich brauchtet, ist nicht<br />

viel weniger als ein W<strong>und</strong>er."<br />

„Glück war's nicht, Sir", sagte Rosetti. „Es war <strong>die</strong><br />

heilige Maria, Mutter Jesu, vom Anfang bis zum En<strong>de</strong>,<br />

das W<strong>und</strong>er eingeschlossen."<br />

„Ich will es gern glauben", sagte Bolton, „<strong>de</strong>nn keiner<br />

von euch sollte noch am Leben sein, nach allen Gesetzen<br />

d e r Wa h r s c h e i n l i c h k e i t . N i c h t s a u ß e r g ö t t l i c h e m<br />

Eingreifen könnte euch gerettet haben. Es war sogar<br />

arrangiert, daß ich mir meine letzten zwei 'Fische' für<br />

<strong>die</strong>sen Japaner aufgespart habe. Ihr müßtet wirklich alle<br />

tot sein."<br />

„Bestimmt half uns Maria aus <strong>de</strong>r Klemme", sagte<br />

Jerry, „aber wenn <strong>Tarzan</strong> nicht ständig bei <strong>de</strong>r ganzen<br />

Angelegenheit dabei gewesen wäre <strong>und</strong> sich für sie um<br />

<strong>die</strong> Klemmen gekümmert hätte, wären wir schon vor<br />

Monaten gescheitert."<br />

„Nun", sagte Bolton, „ich glaube, ihr braucht von jetzt<br />

an we<strong>de</strong>r Maria noch <strong>Tarzan</strong> anrufen. Ich bin nach Sydney<br />

beor<strong>de</strong>rt, <strong>und</strong> es wird jetzt nicht mehr lang dauern, bevor<br />

ihr euch in Usher's Hotel hinsetzen könnt, mit einem<br />

Steak <strong>und</strong> Kidney Pie vor euch."<br />

„Und warmes Bier trinken", sagte Bubonovitch.<br />

Später an <strong>die</strong>sem Abend erschienen Jerry <strong>und</strong> Rosetti<br />

bei Bolton. „Captain", sagte jener, „sind Sie berechtigt,<br />

Heiratszeremonien auf See vorzunehmen?"<br />

„Sicherlich bin ich das."<br />

„Dann hab'n Sie jetzt gleich zwei zu erledigen,<br />

Skipper", sagte Rosetti.<br />

E n d e<br />

<strong>Tarzan</strong> <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Frem<strong>de</strong>nlegion</strong><br />

Page 197 von 197

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!