Menschenhandel mit Minderjährigen - Schweizerischer Städteverband
Menschenhandel mit Minderjährigen - Schweizerischer Städteverband
Menschenhandel mit Minderjährigen - Schweizerischer Städteverband
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
a) Schweizerisches Strafgesetzbuch (StGB; SR 311.0)<br />
Art. 182 <strong>Menschenhandel</strong> (Abs. 1 – 4)<br />
1 Wer als Anbieter, Ver<strong>mit</strong>tler oder Abnehmer <strong>mit</strong> einem Menschen Handel<br />
treibt zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung, der Ausbeutung seiner<br />
Arbeitskraft oder zwecks Entnahme eines Körperorgans, wird <strong>mit</strong><br />
Freiheitsstrafe oder Geldstrafe bestraft. Das Anwerben eines Menschen zu<br />
diesen Zwecken ist dem Handel gleichgestellt.<br />
2 Handelt es sich beim Opfer um eine unmündige Person oder handelt der<br />
Täter gewerbsmässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr.<br />
3 In jedem Fall ist auch eine Geldstrafe auszusprechen.<br />
4 Strafbar ist auch der Täter, der die Tat im Ausland verübt.<br />
Indem die Betroffenen angeworben und zum Zweck der Arbeitsausbeutung an andere Täter<br />
weitergereicht werden, ist das Tatbestandmerkmal des <strong>Menschenhandel</strong>s erfüllt. Für die<br />
Qualifizierung eines Sachverhalts als Ausbeutung der Arbeitskraft spielt es keine Rolle, ob die Arbeit<br />
in der Verrichtung legaler Tätigkeiten oder krimineller Handlungen besteht.<br />
b) Übereinkommen Nr. 29 über Zwangs- oder Pflichtarbeit von 28. Juni 1930<br />
(SR 0.822.713.9)<br />
Im vorliegenden Kontext ist die Ausbeutung der Arbeitskraft eine Folge der Zwangsarbeit. Was unter<br />
«Ausbeutung der Arbeitskraft» im Sinne von Art. 182 StGB zu verstehen ist, wird in Art. 2 Abs. 1 des<br />
Übereinkommens Nr. 29 über die Zwangs- oder Pflichtarbeit festgelegt:<br />
1. Als «Zwangs- oder Pflichtarbeit» im Sinne dieses Übereinkommens gilt jede<br />
Art von Arbeit oder Dienstleistung, die von einer Person unter Androhung<br />
irgendeiner Strafe verlangt wird und für die sie sich nicht freiwillig zur Verfügung<br />
gestellt hat.<br />
Alle in diesem Absatz genannten Voraussetzungen werden bei Erwachsenen, die zu Bettelei und<br />
Diebstahl gezwungen werden, erfüllt. Weil Minderjährige nicht rechtsgültig in eine Straftat einwilligen<br />
können, entfällt die Voraussetzung der Freiwilligkeit. Massgebend ist, dass die Tätigkeit nicht dem<br />
Kindeswohl dient.<br />
Da<strong>mit</strong> liegt in Fällen der organisierten Bettelei und des Diebstahls <strong>Menschenhandel</strong> vor und die dazu<br />
eingesetzten Personen sind als Opfer zu betrachten. Diese Erkenntnis setzt sich international durch,<br />
denn die Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Verhütung und Bekämpfung von<br />
<strong>Menschenhandel</strong> und zum Opferschutz vom 14. Dezember 2010 legt fest, dass die Ausbeutung unter<br />
anderem erzwungene Dienstleistungen, einschliesslich Betteltätigkeiten oder die Ausnutzung<br />
strafbarer Handlungen umfasst (Richtlinie 2011I36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates<br />
vom 5. April 2011, Art. 2 Abs. 3).<br />
Seite 5 / 15