Geschichte ist konkret - a3kultur
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KritiK & MeinUnG<br />
Selbstmordkommandokaninchen<br />
Die Arbeiten der britischen Künstlerin Laura Ford im Schaezlerpalais<br />
gehören zu den Entdeckungen in diesem Kultursommer, die Sie<br />
auf keinen Fall verpassen sollten<br />
Wer durch ihre Menagerie in den Gängen und Sälen der Barockgalerie schlendert, wird allerdings bald<br />
feststellen, dass es dieser Frau nicht um Niedlichkeiten geht. Schon das Begrüßungskommando, bestehend<br />
aus einer Gruppe halbstark daherkommender Pinguine, macht das den Besuchern klar. Der zweite<br />
Blick offenbart, dass es sich bei den kecken Gestalten eigentlich um kleine Menschen handelt, die in viel<br />
zu engen Kostümen gefangen sind.<br />
Figuren wie der »Bunny Boy« gehen vielleicht im wahrsten Sinne des Wortes mit etwas mehr Sprengkraft<br />
an das Thema, doch hier bleibt Ford in ihrer Direktheit hinter ihren Möglichkeiten zurück. Dass das<br />
Selbstmordkommandokaninchen gerade vor einem exotischen Schlachtengemälde von Moritz Rugendas<br />
kauert, <strong>ist</strong> kein Zufall. Nach Hann Trier und Max Kaminsky öffneten die Macher der Schau nun zum<br />
dritten Mal ihre h<strong>ist</strong>orischen Räume für zeitgenössische Kunst, die den Bezug zum Palais nicht scheut.<br />
Meine liebste Arbeit in der Schau <strong>ist</strong> der »Headthinker VIII« aus dem Jahr 2012. Es <strong>ist</strong> von einer schier<br />
herzzerreißenden Intensität, wie der Halbwüchsige seinen Eselskopf am Klavier zur Ruhe bringt. Die<br />
Position des Schädels, wie unter der Guillotine gebettet, und ein Gesichtsausdruck, der mehr an den Tod<br />
als an das Leben erinnert, verheißen nichts Gutes. Wem fiele bei diesem Bild nicht sofort die traurigschöne<br />
<strong>Geschichte</strong> von Carlo Collodis Pinocchio ein, der sich nach sorglosen Wochen im Land des Müßiggangs<br />
plötzlich in einen Esel verwandelt?<br />
Und diese Begegnung <strong>ist</strong> nicht die einzige mit Figuren aus der Kinderliteratur, auch wenn die me<strong>ist</strong>en<br />
Werke im Schaezlerpalais wohl ihre ge<strong>ist</strong>igen Paten in angloamerikanischen <strong>Geschichte</strong>n finden dürften,<br />
wie zum Beispiel die Bronzeplastiken »Weeping Girl I–IV« im wunderbaren Garten des Palais. Hier<br />
stehen die kleine Alice und ihre Schwestern auf dem Weg ins Wunderland oder vielleicht auch auf der<br />
Flucht aus einem dieser vermeintlichen Paradiese. (kaj)<br />
Laura Ford, vom 5. Juli bis zum 29. September im Schaezlerpalais Augsburg<br />
www.kunstsammlungen-augsburg.de<br />
w w w . a 3 k u l t u r . d e<br />
HAIR<br />
Galt MacDermot<br />
Freilichtbühne am roten tor<br />
präsentiert von: Stadtsparkasse Augsburg<br />
29. Juni bis 27. Juli 2013<br />
8. bis 21. Juli 2013<br />
Schreikleider in Pappel<br />
02<br />
Klaus Hack eindrucksvoll bis zum 15. September im Künstlerhaus Marktoberdorf<br />
Ein Besuch im Künstlerhaus Marktoberdorf bereitet eigentlich immer Freude.<br />
Me<strong>ist</strong> <strong>ist</strong> der Abstecher Teil eines Ausflugs ins befreundete Allgäu, so auch<br />
bei meinem letzten Besuch. Mit mir teilten sich an diesem Vormittag rund 30<br />
Kinder im Vorschulalter die eleganten, aus rotem Backstein hochgezogenen<br />
Räume im Neubau des Museums. Für diesen Rundgang schloss ich mich einfach<br />
den jungen Kunstfreunden an. Als diese zu Kartoffelhälften und Farbe<br />
griffen, um endlich selbst kreativ tätig zu werden, waren wir im Keller des<br />
Hauses angekommen. Hier stand ich vor mannshohen Druckstöcken, grob<br />
behauenen Baumstämmen, die der Bildhauer wie beim Druck von der Rolle<br />
über gespannte Stoffbahnen schickte. Das Ergebnis in seiner rustikalen<br />
Schlichtheit <strong>ist</strong> beeindruckend. In der Mitte des Raums die archaisch-gewaltigen<br />
Druckwerkzeuge, an den Wänden der Print.<br />
Eine Etage höher tummeln sich Urwesen: »Fremdartig wirken die Skulpturen<br />
von Klaus Hack, deren Kraft und Ausdruck aus dem tiefsten Inneren zu kommen<br />
scheint«, so formuliert es die künstlerische Leiterin des Hauses Maya<br />
Heckelmann im Ausstellungsprogramm, und sie hat recht. Die Pappelholzbande<br />
hört auf Namen wie »Schreikleid« oder »Wächterin«, <strong>ist</strong> nur auf den<br />
ersten Blick grob gehauen und me<strong>ist</strong> weiß gefasst.<br />
Die Beletage des Museums gehört Hacks Türmen. Wieder Pappel, wieder weiß<br />
gefasst und wieder riesig, aber nicht erdrückend. Sie erinnern mich an die<br />
schlanken Termitenhügel in der afrikanischen Savanne. Hoch aufragende,<br />
filigrane Behausungen für alles, worauf wir uns in unserer Vorstellung einlassen.<br />
Sehr schön!<br />
In der alten Villa finden sich noch einige Zeichnungen von Klaus Hack. Aber nach dieser grandiosen<br />
Vorlage will sich mein schlagartig träge gewordener Ge<strong>ist</strong> nicht mehr so recht auf die zweidimensionalen<br />
Vertreter an den Wänden einlassen. Vielleicht ein andermal, die Ausstellung <strong>ist</strong> ja schließlich<br />
noch bis zum 15. September zu sehen. (kaj)<br />
www.kuenstlerhaus-marktoberdorf.de<br />
Doppeltes Glück<br />
Aichacher Kunstpreis 2013 für Ruth Strähhuber und Michael Herden<br />
Der Kunstverein Aichach entwickelt sich in den letzten Jahren mit Konsequenz zu einem dynamischen<br />
Faktor in Sachen Gegenwartskunst für die Region. Sein Ausstellungsprogramm 2013 startete am 23. Juni<br />
mit der Schau zum 20. Aichacher Kunstpreis im SanDepot.<br />
Diese ehemalige Militäreinrichtung, bestehend aus mehreren Lagerhallen und Verwaltungsräumen,<br />
liegt ein wenig versteckt auf halbem Weg zwischen der h<strong>ist</strong>orischen Altstadt und dem Industriegebiet<br />
Oberbernbacher Weg an einer beschaulichen Schlaufe des Flüsschens Paar. Mit der gebührenden Pflege<br />
durch die Stadt könnte sich das Areal zu einem echten Kulturzentrum für das Wittelsbacher Land entwickeln.<br />
Am Potenzial und den Ideen der Kreativen vor Ort wird das Projekt wohl nicht scheitern, ebenso<br />
wenig an der Unterstützung durch Bürgerme<strong>ist</strong>er Klaus Habermann. Dieser wird von den<br />
Kulturmachern in Aichach zunehmend als echter Partner wahrgenommen. In seiner Doppelfunktion als<br />
Stadtoberhaupt und Kulturfreund war er demnach auch einer der fünf Juroren, die an der finalen Wahl<br />
der diesjährigen Pre<strong>ist</strong>räger beteiligt waren.<br />
Das Votum des Gremiums fiel zu gleichen Teilen auf Ruth Strähhubers wunderbare Videoarbeit<br />
»Unsichtbar, eine Anleitung«, die allein schon einen Besuch im SanDepot lohnt, und auf Michael Herden,<br />
der die Jury mit seiner überdimensionalen Grafitzeichnung »Kampenwand« zu überzeugen wusste.<br />
Die Altbayerin Strähhuber wickelt in ihrer Siegerarbeit ein braunes Pferd auf einer schneebedeckten<br />
Koppel ein, bis Huftier und Landschaft zunehmend eins werden. Aus dem Off begleitet die Künstlerin<br />
die groteske Handlung mit passenden Zitaten aus nicht näher genannten Textquellen. Diese Frau hat<br />
eindeutig Spaß an ihrer Arbeit – herrlich!<br />
Der Oberbayer Herden erlaubt auf seiner knapp vier Quadratmeter großen Papierarbeit einen Blick von<br />
der Kampenwand, seinem Hausberg. Die mit Grafit auf Kupferdruckpapieren gefertigte Arbeit erinnert<br />
im besten Sinne an h<strong>ist</strong>orische japanische Holzschnitte und übt dabei auf den Betrachter eine fast schon<br />
beunruhigende Anziehung aus – spannend!<br />
Beide Arbeiten stehen stellvertretend sowohl für den unglaublich freudigen und vielseitigen Materialeinsatz,<br />
der bei dieser Schau zum Tragen kommt, als auch für den Spaß und die Ernsthaftigkeit, die die<br />
ausgewählten Künstler bei ihrer Arbeit empfunden haben und hier an die Besucher weitergeben. (kaj)<br />
Die Schau <strong>ist</strong> noch bis zum 21. Juli zu sehen. Am 28. Juli startet ebenfalls im SanDepot eine Einzelschau<br />
mit Arbeiten des Nürnberger Künstlers Bernd Klötzer, ihr Titel: »Gleiches – Ungleich«.<br />
www.kunstverein-aichach.de<br />
Besucherservice 0821. 324 4900<br />
www.theater-augsburg.de<br />
Motiv Hair; Timo Dentler, Okarina Peter, Nik Schölzel