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Medien<br />

Klinische Studien mit Phytotherapeutika –<br />

ein Negativbeispiel aus einer angesehenen<br />

Fachzeitschrift<br />

Eine so genannte wissenschaftliche Studie<br />

zur Überprüfung der Wirksamkeit von Echinacea<br />

In den USA werden immer wieder<br />

Studien zur Überprüfung der Wirk-<br />

samkeit von Phytotherapeutika durch-<br />

geführt, deren Resultate die Phyto-<br />

therapie in ein ungünstiges Licht<br />

stellen. Beim näheren Hinsehen findet<br />

man in solchen Studien aber sehr oft<br />

gravierende Mängel, die ihre Aussage-<br />

kraft in Frage stellen.<br />

Einleitung<br />

Christoph Bachmann<br />

Ein besonders krasses Beispiel ist in<br />

den angesehenen «Annals of Internal<br />

Medicine» (1) erschienen. In Bezug<br />

auf Randomisierung, Doppelblindheit,<br />

Beschreibung von Verstössen gegen<br />

den Behandlungsplan und Therapieabbrüche<br />

entspricht die Studie<br />

zwar dem Jadad-Score. Sie weist aber<br />

trotzdem so grosse methodische Fehler<br />

auf, dass sie als absolut unbrauchbar<br />

betrachtet werden muss.<br />

Die Studie<br />

An der University of Wisconsin<br />

wurde unter der Leitung von Bruce P.<br />

Barrett die Wirksamkeit von Echinacea<br />

bei grippalen Infekten überprüft.<br />

Es handelte sich um eine randomisierte,<br />

doppelblinde, plazebokontrollierte<br />

Studie, die mit einem pulverisierten,<br />

verkapselten Gemisch aus Wurzeln<br />

von Echinacea angustifolia (50%) und<br />

Echinacea purpurea (25%) sowie aus<br />

dem Kraut von Echinacea purpurea<br />

(25%) durchgeführt wurde. Probanden<br />

waren Studenten der University of<br />

Wisconsin, die im frühen Stadium einer<br />

grippalen Infektion waren und den<br />

Anforderungen für die Teilnahme an<br />

der Studie entsprachen. Sie erhielten<br />

entweder das Verum oder das Plazebo<br />

und nahmen am ersten Tag 4-mal 6<br />

Kapseln und ab dem zweiten Tag 4-mal<br />

3 Kapseln. Die maximale Behandlungsdauer<br />

war auf zehn Tage beschränkt.<br />

Die Verumgruppe nahm so am ersten<br />

Tag 6 g Echinacea-Pulver, ab dem zweiten<br />

Tag 3 g ein. Primäre Zielvariable<br />

war eine Selbstbeurteilung von Schweregrad<br />

und Dauer von 15 verschiedenen<br />

Symptomen eines grippalen Infektes.<br />

Der Schweregrad der Symptome<br />

wurde täglich mit der 9-Punkte-Likert-<br />

Skala erhoben, bis der Proband erklärte,<br />

nicht mehr krank zu sein.<br />

Das Einhalten der Dosierungsvorschriften<br />

wurde durch Zählen der<br />

Kapseln überprüft. Nebenwirkungen<br />

wurden täglich und beim Abschlussgespräch<br />

erfasst. Die Überlegenheit von<br />

Echinacea gegenüber Plazebo wurde<br />

definiert als Verminderung der Krankheitsdauer<br />

in der Verumgruppe von<br />

zwei Tagen oder eine durchschnittliche<br />

Verminderung des Schweregrades der<br />

Symptome von 2 Punkten auf der Likert-Skala.<br />

Resultate<br />

142 der 148 ausgewählten Probanden<br />

lieferten auswertbare Resultate. Sie<br />

dokumentierten total 853 Personen-<br />

Krankheitstage. Die Angaben wurden<br />

statistisch ausgewertet.<br />

Krankheitsdauer: Die durchschnittliche<br />

Krankheitsdauer betrug in der<br />

Echinacea-Gruppe 6,27 Tage und in<br />

der Plazebogruppe 5,75 Tage. Daraus<br />

folgt, dass Echinacea in der Krankheitsdauer<br />

dem Plazebo gegenüber keine<br />

Überlegenheit aufweist.<br />

Schweregrad der Symptome: Im<br />

Artikel wurde der Verlauf folgender<br />

allgemeiner Erkältungssymptome aufgezeigt:<br />

Gesamtschweregrad der Symptome,<br />

Muskelschmerzen, Fieber, Heiserkeit,<br />

Erschöpfungsgefühl, Appetitverlust,<br />

Kopfschmerzen, Schwitzen. Weiter<br />

wurden folgende spezifische Erkältungssymptome<br />

erfasst: Verstopfte Nase, Halskratzen,<br />

Hustenanfälle im Schlaf,<br />

Husten, Niesen, triefende Nase, Halsschmerzen,<br />

produktiver Husten. Alle<br />

Werte wurden täglich erhoben und bewegten<br />

sich bei den allgemeinen Erkältungssymptomen<br />

auf der Likert-Skala<br />

zwischen ungefähr 4 und ungefähr 1,<br />

was einer Beurteilung von «mild-moderat»<br />

(4) bis «sehr mild» (1) entspricht.<br />

Bei den spezifischen Symptomen bewegten<br />

sich die Symptome zwischen<br />

ungefähr 4,5 und 0,5. Bei keinem der<br />

Symptome konnte zwischen der Verumund<br />

der Plazebogruppe ein signifikanter<br />

Unterschied festgestellt werden.<br />

Diskussion<br />

Die Autoren folgern aus diesen Resultaten,<br />

dass Echinacea bei der Behandlung<br />

eines grippalen Infektes gegenüber<br />

Plazebo nicht überlegen ist.<br />

Weiter drücken sie aus, mit dieser Arbeit<br />

sei die Diskussion um Echinacea<br />

nicht abgeschlossen. Die vorliegenden<br />

Resultate ständen im Gegensatz zu vorhergehenden<br />

Resultaten, und die Studie<br />

habe eine begrenzte Aussagekraft.<br />

Die Autoren zeigen einige der Grenzen<br />

selber auf:<br />

● Das Präparat: Sie drücken richtig aus,<br />

dass mit dem Studienpräparat noch<br />

nie eine Studie gemacht worden<br />

sei und dass das negative Resultat<br />

mit dem Präparat zu tun haben<br />

könnte.<br />

● Die Probanden: Das Patientenkollektiv,<br />

junge, gesunde Studenten,<br />

könnte die Studie verfälscht haben.<br />

● Die Selbstbeurteilung der Symptome:<br />

Symptome eines grippalen<br />

8 phytotherapie Nr. 4 • 2005


Infektes haben eine grosse Variabilität.<br />

Und die Selbstbeurteilung dieser<br />

Symptome beinhaltet nochmals<br />

eine grosse Bandbreite.<br />

Die Mängel der Studie<br />

Wie schon erwähnt, entspricht die<br />

Studie dem Jadad-Score und kann deshalb<br />

auf den ersten Blick als seriös betrachtet<br />

werden. Das Studiendesign<br />

beinhaltete Randomisierung, Doppelblindheit<br />

sowie Dokumentation von<br />

Verstössen gegen den Therapieplan<br />

und Therapieabbrüchen. Auch bei der<br />

Consort-Checklist entspricht die Studie<br />

in vielen Punkten den Anforderungen.<br />

Beim genauen Betrachten kommen<br />

aber Fehler zu Tage, die aus der Sicht<br />

einer seriösen Phytotherapie schier unglaublich<br />

sind:<br />

Das Prüfpräparat<br />

Beim Prüfpräparat handelt es sich<br />

nicht um ein reines Echinacea-Präparat!<br />

Die verwendeten Kapseln enthielten<br />

neben den 247 mg Echinacea-Pulver<br />

31 mg Pfefferminz, 49 mg Thymian<br />

und 3 mg Zitronensäure. Dieser gravierende<br />

Fehler zeigt deutlich, dass<br />

die Autoren der Studie keine Phytotherapiespezialisten<br />

sind! Der zweite<br />

Mangel des Prüfpräparates wird von<br />

den Autoren selber angetönt. Sie sehen<br />

aber nur einen Teil des Problems<br />

und ziehen nicht die richtige Schlussfolgerung<br />

daraus. Das verwendete<br />

Prüfmedikament entspricht überhaupt<br />

nicht dem Standard von<br />

Echinacea-Präparaten, die normalerweise<br />

zur Behandlung grippaler Infekte<br />

verwendet werden und für diese<br />

Indikation zum Teil auch schon überprüft<br />

worden sind. Schon diese zwei<br />

Mängel erlauben die Aussage, dass die<br />

Studie und ihre Resultate unbrauchbar<br />

sind!<br />

Die Probanden<br />

Der einzige Mangel der Studie, den<br />

die Autoren selber erkannt und gebührend<br />

erwähnt haben, ist das Patientenkollektiv.<br />

Alle Patienten waren Studenten<br />

der University of Wisconsin,<br />

also junge, gesunde Menschen. Ein<br />

Medien<br />

richtig ausgewähltes Patientenkollektiv<br />

hätte verschiedene Altersgruppen und<br />

soziale Stellungen beinhalten müssen.<br />

Die Einseitigkeit der Probanden drückt<br />

sich vermutlich auch im nächsten Mangel<br />

aus!<br />

Die Symptome<br />

Alle beschriebenen Symptome bewegten<br />

sich während der zehn Untersuchungstage<br />

im unteren Bereich der<br />

Likert-Skala. Wahrscheinlich brechen<br />

bei einem jungen, gesunden Menschen<br />

im Falle eines grippalen Infektes die<br />

Symptome weniger stark auf als bei älteren<br />

Personen, deren Vitalität nicht<br />

mehr optimal ist. Je schwächer die Symptome<br />

sind und je näher die Werte beisammenliegen,<br />

desto geringer sind die<br />

Veränderungen im Falle einer Wirksamkeit<br />

des Prüfpräparates. Und die<br />

Unterschiede zwischen Verum und Plazebo<br />

liegen nahe beieinander. Deshalb<br />

gestaltet sich eine Auswertung der Resultate<br />

als sehr schwierig bis unmöglich.<br />

Die Literatur<br />

Beim Betrachten des Literaturteils<br />

fällt auf, dass die Autoren die ganz aktuelle<br />

Literatur nicht berücksichtigten<br />

und somit die gefundenen Resultate<br />

nicht in den Kontext des aktuellen<br />

Standes der Forschung stellen können.<br />

Schlussfolgerung<br />

Vorliegendes Beispiel ist eine Studie,<br />

wie sie vor allem in den USA gemacht<br />

werden und die Wirksamkeit von<br />

Phytotherapeutika in Frage stellen. Bei<br />

genauer Betrachtung erweisen sich die<br />

Autoren aber als inkompetent, was die<br />

Phytotherapie angeht, und sie machen<br />

gravierende methodische Fehler, die<br />

die Aussagekraft der Studie relativieren<br />

oder sie sogar, wie im vorliegenden<br />

Fall, der Lächerlichkeit preisgeben.<br />

Natürlich werden die Resultate solcher<br />

Studien von Gegnern der Phytotherapie<br />

trotzdem unkritisch übernommen<br />

und weiterverbreitet. Manchmal tauchen<br />

sie dann sogar in den Tagesmedien<br />

auf und bieten willkommene<br />

Schlagzeilen.<br />

Das vorliegende Beispiel ist zugegebenermassen<br />

extrem. In Ländern mit<br />

einer Phytotherapietradition wäre ein<br />

Autor wissenschaftlich abgeschrieben,<br />

wenn er sich erlauben würde, eine Studie<br />

zu veröffentlichen, in der das Prüfpräparat<br />

neben der zu untersuchenden<br />

Pflanze weitere Stoffe enthält, die die<br />

Wirksamkeit des Präparates entscheidend<br />

beeinflussen können.<br />

Die vorliegende Studie ist wegen der<br />

Wahl des Prüfmedikamentes und der<br />

einseitigen Auswahl des Patientenkollektivs<br />

unbrauchbar. Eine aussagekräftige<br />

Interpretation der Resultate ist wegen<br />

der tiefen Ausgangswerte der<br />

Symptomstärke auf der Likert-Skala<br />

und ihrer geringen Veränderungen<br />

nicht möglich. Die Resultate der aktuellen<br />

Literatur wurden bei der Beurteilung<br />

der Ergebnisse nicht einbezogen.<br />

Klinische Studien zur Überprüfung<br />

der Wirksamkeit von Phytotherapeutika<br />

sollten nur von ausgewiesenen<br />

Fachleuten mit standardisierten Handelspräparaten<br />

durchgeführt werden,<br />

die als Phytotherapeutika registriert<br />

sind. ■<br />

Anschrift des Verfassers:<br />

Dr. Christoph Bachmann<br />

Hirschmattstrasse 46<br />

6003 Luzern<br />

E-Mail: bachmann.gaus@triamun.net<br />

Literatur:<br />

1. Barrett Bruce P. et al.: Treament of the Common<br />

Cold with Unrefined Echiancea. Annals of Internal<br />

Medicine 2002; 137: 939–946.<br />

10 phytotherapie Nr. 4 • 2005

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