09.10.2013 Aufrufe

Das Magazin als PDF - ars-music

Das Magazin als PDF - ars-music

Das Magazin als PDF - ars-music

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

titeL<br />

inga ruMpfs<br />

ein einladendes Studio mit roten Backsteinwänden, Trägerbalken und Boden<br />

aus Holz, das Licht abgedimmt und warm. Links ein Steinway-Flügel und eine<br />

Orgel, in der Mitte eine Gitarre und ein Barhocker, rechts ein Kontrabass, der<br />

noch auf dem Boden liegt. Die Stimmung in dem ehemaligen Pferdestall, den der<br />

Hamburger Pianist Joja Wendt zu einem exklusiven Event- und Tonstudio umgebaut<br />

hat, ist erwartungsvoll. Vierzig geladene Gäste sind gekommen, um an diesem<br />

Oktoberabend 2012 einer besonderen Aufnahme beizuwohnen. Gleich wird sich die<br />

Sängerin Inga Rumpf mit ihrer Gitarre auf den Hocker setzen, Joe Dinkelbach wird<br />

am Flügel Platz nehmen und Thomas Biller seinen Bass aufrichten. Die Sängerin und<br />

ihre Begleiter lächeln in die Runde, warten auf ein Zeichen des Produzenten Dirk<br />

Sommer, der während der Studio-Session hinter den Kulissen und damit für alle unsichtbar<br />

bleibt. Der Regieraum ist abgetrennt vom Aufnahmeraum, die Anweisungen<br />

kommen über Lautsprecher aus dem Off. <strong>Das</strong> Publikum wird um Ruhe gebeten, und<br />

darf nur nach den Stücken applaudieren. Nichts soll nachträglich bearbeitet werden.<br />

Inga Rumpf wird in diesem intimen Ambiente ein Album einspielen, das entgegen<br />

den heutigen Gepflogenheiten nur auf zwei Spuren aufgenommen wird und am<br />

Ende <strong>als</strong> Vinyl-Langspielplatte veröffentlicht werden soll. Die Künstlerin und ihre<br />

Plattenfirma wollen einen authentischen, analogen Klang erzielen, der wärmer<br />

und intensiver ist <strong>als</strong> der digitale. <strong>Das</strong> Studio mit seinen gebrochenen Oberflächen<br />

aus Stein und Holz verleiht einer solchen Aufnahme eine wunderbare Atmosphäre.<br />

Inga Rumpf und ihre beiden Begleiter an den Tasten und am Bass sind sich dessen<br />

bewusst, dass ihre zwei Musik-Sets in den nächsten zweieinhalb Stunden durchgehend<br />

mitgeschnitten werden. Alles, was sie singen und spielen – jeder Ton, jedes<br />

Atmen – wird ohne technische Korrekturen <strong>als</strong> »First Take« auf Vinyl erscheinen.<br />

Ohne Verstärkung, akustisch, unplugged.<br />

Inga Rumpf, Joe Dinkelbach und Thomas Biller spielen in der Trio-Besetzung seit<br />

mehr <strong>als</strong> 10 Jahren zusammen, sie sind so vertraut miteinander, dass ihnen die<br />

Live-Aufnahme leicht von der Hand geht. <strong>Das</strong> Repertoire sitzt perfekt, die Aufnahme<br />

läuft wie am Schnürchen. Aus den Songs von Inga Rumpf spricht der Blues,<br />

seine Farbe zieht sich durch die gesamte Session: der verrauchte und der sehnsüchtige,<br />

der leiderfahrene und der hoffnungsvolle, kurzum: der gelebte Blues. Geschrieben<br />

und gesungen von einer Rock-Lady, die ab den 1970er Jahren mit ihren Bands<br />

Frumpy und Atlantis die deutsche Musik-Szene aufhorchen ließ , die <strong>als</strong> weiblicher<br />

»Rock’n’Roll Preacher« und <strong>als</strong> „Hungry Girl“ die Fans begeisterte und die ab den<br />

1990er Jahren auch <strong>als</strong> Gospel- und Soul-Interpretin beeindruckte. Ihre tiefschwarze<br />

Blues-Stimme scheint einem amerikanischem Road-Movie entsprungen, angesiedelt<br />

irgendwo zwischen Memphis, Tennessee, und St. Louis, Missouri.<br />

Inga Rumpf kann auf eine facettenreiche Karriere zurückblicken zum Bersten gefüllt<br />

mit Erfahrungen. Sie ist eine Künstlerin, die jedes ihrer Stücke glaubhaft präsentiert.<br />

<strong>Das</strong>, was sie singt, nimmt man ihr ab. »So many roads I walked, and so many<br />

tunes I sang, but to tell you the truth, sometimes I didn’t know how to begin. But<br />

if you love what you do and if you only trust your heart, nothing can stop you, no<br />

way is too hard«, lautet ihr Statement in dem Song »First Things First«.<br />

Einige Stücke sind Cover-Versionen, wie »Undercover Agent For The Blues« von Tony<br />

Joe White oder »Angie« von den Rolling Stones. Alle anderen sind Inga Rumpf-<br />

Klassiker und solche, die es noch werden können. »White Horses« ist ein zeitloses<br />

Doppelalbum, das Inga Rumpf im Hier und Jetzt zeigt.<br />

Blues- und Jazz-Anklänge kommen gerade an diesem Punkt von Inga Rumpfs<br />

Karriere richtig zur Geltung, ihre Texte singt sie mit derselben Intensität wie vor 40<br />

Jahren.<br />

sommelier du son; Dirk sommer<br />

foto: Lena semmelroggen<br />

Foto: Benjamin Hüllenkremer<br />

interview mit inga rumpf:<br />

Warum war die Aufnahme des Vinyls in Joja Wendts Studio eine besondere<br />

Sache?<br />

<strong>Das</strong> war ein einmaliges Ereignis, aber eigentlich auch so, wie es schon vor<br />

40 Jahren üblich war. Es war interessant zu sehen, ob und wie das noch<br />

funktioniert. Die Atmosphäre war wie bei einem Konzert auf Tour. <strong>Das</strong> hat<br />

mir sehr gut gefallen. Auch, dass Ohren- und Augenzeugen dabei waren ,<br />

die bestätigen können, dass alles nur »One Takes« waren.<br />

Hat Dich der Gedanke, dass das Album live mitgeschnitten wird und kein<br />

nachträglicher Eingriff möglich ist, befangen gemacht?<br />

Man ist äußerst konzentriert, genauso wie im Live-Konzert. Mir und<br />

meinen Kollegen Joe und Thomas, mit denen ich schon seit vielen Jahren<br />

zusammen Konzerte spiele, ist das komplett vertraut. Ja, das ist eine hohe<br />

Konzentration, aber es ist auch wichtig, dass man nicht verkrampft, sondern<br />

gelassen und bei sich bleibt.<br />

War von Beginn an klar, dass die Aufnahmen <strong>als</strong> Doppel-Vinyl herauskommen<br />

würden?<br />

Wir hatten am Ende so viel gutes Material, dass wir nicht wussten, welche<br />

Stücke wir nun nehmen sollen. Alle Songs waren gut und hörenswert gespielt,<br />

deshalb haben wir entschieden, dass ein Doppelalbum daraus wird.<br />

Wie kam es überhaupt zu der Idee, die Aufnahmen auf Vinyl herausbringen<br />

zu wollen?<br />

Dirk Sommer <strong>als</strong> Produzent der ganzen Aufnahme war an Edel herangetreten<br />

auf der Suche nach einer Künstlerin oder einem Künstler, der genug<br />

Erfahrung hat, live direkt ins Band zu spielen. Die meisten Musiker sind<br />

heute an Synchronisationen und Overdubs gewöhnt, da wird so lange<br />

probiert und gefeilt, bis es passt. Ich hatte schon länger den Wunsch, eine<br />

Live-Platte zu machen mit neuen Songs und Titeln meines Programms<br />

„Easy In My Soul“, direkt eingespielt, ohne studiotechnische Korrekturen,<br />

eben live, wie wir auf der Bühne spielen. Die Anfrage der Plattenfirma kam<br />

parallel dazu und war wie ein Geschenk für mich.<br />

Habt Ihr für das Album nur bekannte Stücke von Dir aufgenommen<br />

oder waren auch neue Stücke dabei?<br />

Ein großer Teil der Stücke stammt von meiner letzten Studio-Einspielung<br />

»Easy In My Soul«. In den vergangenen zwei, drei Jahren sind neue Songs<br />

dazu gekommen, die hier erstm<strong>als</strong> auf Platte zu hören sind. »Lazy« zum<br />

Beispiel erzählt ein bisschen über das Altern und ist auch eine Reflektion<br />

über mein Leben. Es gibt noch andere neue Stücke in meinem Repertoire,<br />

aber die eignen sich nicht für die Trio-Besetzung, die spiele ich mit meiner<br />

Rhythm’n’Blues-Band, <strong>als</strong>o mit Schlagzeug und E-Gitarre.<br />

Was zeichnet die beiden Musiker Joe Dinkelbach und Thomas Biller<br />

aus?<br />

<strong>Das</strong> sind großartige Musiker und liebenswerte Menschen. Thomas Biller<br />

begleitet mich schon seit fast zwanzig Jahren. Er spielt nicht nur Kontrabass,<br />

sondern auch E-Bass. Ich stelle hohe Ansprüche und habe immer<br />

mit erstklassigen Musikern gearbeitet. <strong>Das</strong> ist wie in einer Liebesbeziehung.<br />

Große Emotionen und großes musikalisches Verständnis bringen<br />

großartige Ergebnisse hervor. Eine glückliche Situation. So miteinander zu<br />

spielen, ist auch eine Form gegenseitiger Anerkennung und Auszeichnung.<br />

Was hat es mit dem Titel »White Horses« auf sich?<br />

Ich war gerade in Mexiko und ging am Strand des Pazifischen Ozeans<br />

spazieren. Auf dem Meer sah ich die Wellenkämme und da fiel mir sofort<br />

der Begriff »White Horses« ein. »White Horses“ ist ein Idiom für die<br />

Schaumkronen auf den Wellenkämmen. Und ich dachte, das passt. Also erst<br />

einmal der Bezug zu Jojas ‚Pferdestall‘, wo wir das Album aufgenommen<br />

haben, und dann der Bezug zu den »White Horses«: eine Schaumkrone<br />

auf einem Wellenkamm ist ebenso einzigartig wie eine Live-Aufnahme, die<br />

nicht wiederholbar ist. »White Horses« sind die Schaumkronen auf den<br />

Wellen meines musikalischen Ozeans.<br />

14 <strong>ars</strong>! <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong> <strong>ars</strong>! <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong> 15

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!