Worte des Abschieds und des Dankesx - BAK
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<strong>Worte</strong> <strong>des</strong> <strong>Abschieds</strong> <strong>und</strong> <strong>des</strong> Dankes –<br />
Erinnerungen an <strong>und</strong> Begegnungen mit<br />
Dr. Knut Lohmann (1929 - 2013)<br />
Bernd Sensenschmidt: Als meine Frau <strong>und</strong> ich Anfang 1974 für das Referendariat ein<br />
Bezirksseminar in Westfalen suchten, hieß es, in Siegen sei ein vor kurzem gegrün-<br />
detes Seminar im Aufbau, <strong>und</strong> so fuhren wir nach Siegen <strong>und</strong> trafen vor 39 Jahren in<br />
einer Gründerzeitvilla auf den Mittvierziger Dr. Knut Lohmann in einem sehr altmo-<br />
disch wirkenden Zimmer; doch nach dem Gespräch mit ihm hatten wir den Eindruck,<br />
das Siegener Seminar könnte das richtige für uns werden. Mit uns wurden r<strong>und</strong> 50<br />
angehende Lehrer Referendare, wir gehörten zum ersten größeren Referendarjahr-<br />
gang in Siegen, <strong>und</strong> Knut Lohmann übernahm unsere Hauptseminargruppe.<br />
29 Jahre später lässt der ehemalige Studienreferendar Markus Orths in seinem sati-<br />
risch bis kafkaesk wirkenden Bestseller „Lehrerzimmer“ den Schulleiter ein Modell<br />
<strong>des</strong> Schulwesens vorstellen, das auf den Säulen Angst, Jammer, Schein <strong>und</strong> Lüge<br />
basiert. Das ist m. E. gar nicht abwegig <strong>und</strong> eignet sich zur Darstellung eines Gegen-<br />
modells, für das Knut Lohmann stand: Sein Seminar basierte nämlich auf Vertrauen<br />
statt Angst, Initiative für Verbesserung statt Jammer, Transparenz statt Schein <strong>und</strong><br />
Ehrlichkeit statt Lüge. Ich will kurz skizzieren, wie sich uns das 1974/75 darstellte:<br />
Kaum hatte unser Referendariat begonnen, wurde von oben aus Düsseldorf die<br />
"Verbesserung" der Ausbildung durch Einführung <strong>des</strong> obligatorischen selbstständigen<br />
Unterrichts ab 1975 angekündigt. Wir hatten nichts gegen eigenverantwortlichen<br />
Unterricht, wohl aber gegen unseren "kostenneutralen" Beitrag zur Milderung <strong>des</strong><br />
Lehrermangels. Natürlich kannte Knut Lohmann die Erwartung <strong>des</strong> Kultus-<br />
ministeriums an seine Seminarleiter beim reibungslosen Umsetzen verordneter<br />
Reformen, dennoch ermöglichte <strong>und</strong> förderte unser Seminarleiter eine unvoreinge-<br />
nommene kritische Auseinandersetzung <strong>und</strong> Unmutsäußerung dieses Referendar-<br />
Jahrgangs zur Düsseldorfer Bildungspolitik. Er erwies sich stets als diskursfähig <strong>und</strong><br />
-willig im Umgang mit vom Herkömmlichen abweichenden Sichtweisen auf Unterricht;<br />
das sachliche Abwägen von Pro- <strong>und</strong> Kontra-Argumenten stand im Vordergr<strong>und</strong>, <strong>und</strong><br />
dabei verstand es Knut Lohmann, seine eigenen Positionen argumentativ zu vertre-<br />
ten, die gar nicht immer kongruent waren zu den Positionen seiner Seminarausbilder-<br />
kollegen; weder erzeugte er den Schein eines „Korpsgeistes“, noch stimmte er in
gelegentliches Jammern über „schwierige“ Referendare ein. Damals kritisierte kaum<br />
jemand „defizitorientierte“ Vorgehensweisen, <strong>und</strong> noch war kaum vom Arbeiten mit<br />
den „Ressourcen“ die Rede, aber Knut Lohmann favorisierte in seinem Agieren<br />
sowohl als Seminarausbilder wie als Vorgesetzter seiner Fachleiter die Konzentration<br />
auf die Stärken seiner Referendare <strong>und</strong> deren Ausbilder <strong>und</strong> war somit heutigen Ten-<br />
denzen im „Personalmanagement“ Jahrzehnte voraus <strong>und</strong> für mich ein wegweisen-<br />
<strong>des</strong> Vorbild als späterer Leiter von Fach- <strong>und</strong> Hauptseminaren an seinem Seminar.<br />
Paul Gerhard van de Kolk: 1979 hatte ich mich auf die für das Bezirksseminar in<br />
Siegen ausgeschriebene Stelle eines Fachleiters für Politik / Sozialwissenschaften<br />
beworben. Irgendwann im Mai oder Juni dieses Jahres, einige Wochen vor Schul-<br />
jahresende, teilte mir mein Schulleiter (an einem Gymnasium im Norden <strong>des</strong> Mär-<br />
kischen Kreises) mit, dass ich zum 1. September 1979 die Fachleiterstelle in Siegen<br />
übernehmen würde. Also vereinbarte ich ein Gespräch <strong>und</strong> fuhr mit einem mulmigen<br />
Gefühl nach Siegen; denn ich hatte - das war sicher meinem damals gleichsam<br />
jugendlichen Alter <strong>und</strong>/oder meiner Naivität geschuldet - vorab nichts über das Siege-<br />
ner Seminar recherchiert <strong>und</strong> auch niemanden aus der Leitung oder aus dem Kolle-<br />
gium angesprochen. Nach meiner ersten Begegnung mit Dr. Knut Lohmann <strong>und</strong><br />
meinem ersten Gespräch mit ihm hatte sich meine Gefühlslage deutlich geändert; ich<br />
fuhr nach Hause mit dem klaren Eindruck: du hast einen Seminarleiter getroffen, der<br />
dich nicht kennt <strong>und</strong> kaum etwas über dich <strong>und</strong> deine (heute würde man sagen:)<br />
Kompetenzen weiß, der dir aber deutlich signalisiert hat, dass er dir vertraut <strong>und</strong> dir<br />
zutraut, die schwierige <strong>und</strong> anspruchsvolle Aufgabe eines Lehrerausbilders zu bewäl-<br />
tigen. Dieser Vertrauensvorschuss, dieses dem anderen etwas zutrauen bestimmte<br />
nach meiner Erfahrung das berufliche Agieren von Knut Lohmann <strong>und</strong> war immer<br />
spürbar.<br />
Bernd Sensenschmidt hat vom Personalmanagement gesprochen; unter diese<br />
Rubrik gehört auch Knut Lohmanns Konzept, einen längerfristigen krankheitsbeding-<br />
ten Ausfall meines Fachkollegen zu kompensieren: ich übernahm das Fachseminar,<br />
Knut Lohmann die meisten Unterrichtsbesuche. Ich bin sicher, Vorrang hatte für ihn<br />
eine sinnvolle Aufteilung der Belastung, deutlich nachrangig war ihm die Überlegung,<br />
ob die Lösung völlig rechtssicher war (z.B. hätte ja ein Referendar wegen zu geringer<br />
fachlicher Beratung klagen bzw. juristisch vorgehen können). Er war bereit, für eine<br />
sinnvolle Lösung einzustehen ohne Angst vor einem Widerspruch oder einer Klage.
Eine letzte Episode: gegen Ende der achtziger Jahre nahmen die Referendarzahlen<br />
generell <strong>und</strong> in Sozialwissenschaften / Politik besonders drastisch ab bzw. brachen<br />
nahezu ein. Letztendlich führte dies dazu, dass ich 1989 in eine „Warteschleife“ ging<br />
<strong>und</strong> wenig später entpflichtet wurde. Das hätte bei mir durchaus ein negatives Gefühl<br />
<strong>und</strong> einen bitteren Nachgeschmack hinterlassen können. Das war aber nicht so, vor<br />
allem auch <strong>des</strong>halb, weil Knut Lohmann den Prozess, der zu diesem Ergebnis führte,<br />
völlig transparent gestaltet hat <strong>und</strong> für mich glaubhaft <strong>und</strong> nachvollziehbar alles<br />
getan hat, was er zu tun vermochte, um den Prozess zu einem anderen, für mich<br />
besseren Ende zu führen.<br />
Bernd Sensenschmidt: Schon bald nach seiner Pensionierung <strong>und</strong> dem Überstehen<br />
einer lebensbedrohlichen Erkrankung 1994 begann Knut Lohmann in seinem neuen<br />
Beruf als freier Journalist für die „Westfälische R<strong>und</strong>schau“ zu arbeiten. Als mich vor<br />
zwölf Jahren die Kulturredaktion der Siegener Zeitung für eine journalistische Neben-<br />
tätigkeit angeworben hatte, konnte ich wiederum von seinem Erfahrungsschatz in<br />
diesem neuen Metier profitieren. Z. B. brauchte ich mich für einen „Fototermin“ mit<br />
einem als „schwierig“ geltenden Künstler nur an Knut Lohmanns Versen zu heften, er<br />
hatte alles bereits vorgeklärt; die Gespräche in Konzertpausen mit Marianne Groh<br />
<strong>und</strong> ihm waren mir Unerfahrenem oft eine große Hilfe bei der Vorbereitung von Kriti-<br />
ken. Unsere Zeitungsredaktionen konkurrierten, wir kooperierten.<br />
Als sich in einer schweren Krise <strong>des</strong> Seminars 2001/02 die <strong>BAK</strong>-Kollegen zu einer<br />
Art Notgemeinschaft zusammenschlossen, unterstützte der Ehrenvorsitzende seine<br />
ehemaligen Mitarbeiter tatkräftig <strong>und</strong> kam seinem lang gehegten Wunsch näher, die<br />
Lan<strong>des</strong>gruppe der unmittelbaren <strong>BAK</strong>-Mitglieder in NRW wiederzubeleben. Als<br />
Sprecher dieser Lan<strong>des</strong>gruppe wurde mir schließlich die Ehre zuteil, Knut Lohmann<br />
zu Sitzungen <strong>des</strong> Erweiterten <strong>BAK</strong>-Vorstan<strong>des</strong> im Auto mitnehmen zu dürfen - ich<br />
durfte als Fahrer <strong>des</strong> Ehrenvorsitzenden fungieren <strong>und</strong> hatte dabei Gelegenheit für<br />
viele Gespräche mit ihm (er vertraute meiner „Fahrkunst“ voll). Mit großem Geschick<br />
<strong>und</strong> großer Geduld leistete Knut Lohmann schließlich einen wesentlichen Beitrag zur<br />
Fusion der diversen Fachverbands-Gruppierungen in NRW hin zu einer großen <strong>BAK</strong>-<br />
Lan<strong>des</strong>gruppe – für mich ein letztes Beispiel für die begnadete Verquickung von<br />
ausgeprägter Zielorientierung, großer Geduld <strong>und</strong> diplomatischem Geschick.
Paul Gerhard van de Kolk: Im Zuge der erweiterten Nachfolgelösung für Knut Loh-<br />
mann wurde ich 1996 stellvertretender Leiter <strong>des</strong> damaligen Studienseminars für das<br />
Lehramt an Gymnasien <strong>und</strong> Gesamtschulen Siegen. Ende der neunziger Jahre<br />
fragte mich der Pensionär, ob ich nicht Interesse hätte, ihn zu den monatlich statt-<br />
findenden Sitzungen der AGL (Arbeitsgruppe Lehrerbildung) an der Universität<br />
Bielefeld zu begleiten; das sei eine Gruppe, die sich in den siebziger Jahren in der<br />
damaligen Diskussion um die Reform der Lehrer(aus)bildung konstituiert hatte, nun<br />
aber „frisches Blut“ brauche. Meine Neugier war geweckt, ich fuhr mit ihm nach<br />
Bielefeld. Ich lernte eine Gruppe von älteren Damen <strong>und</strong> Herren (ich war ja damals<br />
noch 12, 15 Jahre jünger als heute) kennen, teils noch aktiv im Beruf, teils in Pen-<br />
sion, aus der Universität, aus dem Oberstufenkolleg der Universität Bielefeld, aus<br />
den Prüfungsämtern für erste <strong>und</strong> zweite Staatsprüfungen, aus der Schulaufsicht <strong>und</strong><br />
aus den Seminaren, die auf der Basis ihrer reichen Erfahrungen die unterschied-<br />
lichsten aktuellen Entwicklungen der Schul- <strong>und</strong> Bildungspolitik intensiv diskutierten.<br />
Ich erinnere mich besonders deutlich an die Diskussion über konsekutive Studien-<br />
gänge, über die damals bevorstehende Umsetzung <strong>des</strong> Bologna-Prozesses: der<br />
Pensionär Knut Lohmann agierte <strong>und</strong> diskutierte als jemand, der zwar sehr deutlich<br />
wahrnahm, was durch neuere Entwicklung verloren gehen konnte, <strong>und</strong> einen prin-<br />
zipiell kritischen Blick hatte, der aber vor allem auch die Chancen sah, die Neues<br />
bieten konnte, sein Augenmerk auf die Spielräume richtete, die neue Entwicklungen<br />
eröffnen können, Spielräume, die es ermöglichten, sinnvolle Entwicklungen in Gang<br />
zu setzen <strong>und</strong> sinnträchtige Ziele zu erreichen. Nicht jammern, sondern versuchen,<br />
Entwicklungen, denen man skeptisch gegenübersteht, zu gestalten <strong>und</strong> Spielräume<br />
für Sinnvolles zu nutzen.<br />
Bernd Sensenschmidt: Am Ende seines Lebens steht fest, dass Knut Lohmann<br />
sowohl in seinem ehemaligen Seminar wie auch in seinem Berufsfachverband über<br />
seinen Tod hinaus Weiterwirken<strong>des</strong>, Nachhaltiges, schaffen konnte, für das ihm nicht<br />
nur seine unmittelbaren Weggefährten, sondern auch die danach Wirkenden immer<br />
dankbar sein werden.<br />
Paul Gerhard van de Kolk: Unter unserem Nachruf in der lokalen Presse stand:<br />
"In Dankbarkeit für das uns Bleibende".<br />
Es bleibt nicht nur die je subjektive Erinnerung in unseren Köpfen; es bleibt darüber<br />
hinaus auch <strong>und</strong> vor allem etwas Spürbares <strong>und</strong> Erfahrbares in jener Institution (egal
ob sie Bezirksseminar, Studienseminar, Seminar im ZfsL heißt), die Knut Lohmann<br />
seit der Gründung 1971 bis zu seiner Pensionierung 1993 leitete <strong>und</strong> nach seiner<br />
Pensionierung bis zu seinem Tod 2013 begleitete.<br />
Vertrauen, Initiative für Verbesserung, Transparenz, Ehrlichkeit.<br />
Paul Gerhard van de Kolk war 1979 bis 1990 Fachleiter für Sozialwissenschaften, von<br />
1996 bis 2003 stellvertretender Seminarleiter, seit 2004 ist er Leiter <strong>des</strong> Seminars für das<br />
Lehramt an Gymnasien <strong>und</strong> Gesamtschulen im heutigen Zentrum für schulpraktische<br />
Lehrerausbildung Siegen.<br />
Bernd Sensenschmidt war von 1979 bis 2008 Fachleiter für Pädagogik <strong>und</strong> von 1993 bis<br />
2011 Fachleiter im Hauptseminar am Seminar für das Lehramt an Gymnasien <strong>und</strong> Gesamtschulen<br />
im Studienseminar, dem heutigen Zentrum für schulpraktische Lehrerausbildung<br />
Siegen; von 2002 bis 2008 war er Sprecher der Lan<strong>des</strong>gruppe NRW im <strong>BAK</strong>.