Hybrid War - Österreichs Bundesheer
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„<strong>Hybrid</strong> <strong>War</strong>“ oder „Hype-Bred war“?<br />
Eine Bewertung des Konflikts zwischen Israel und der Hisbollah 2006<br />
Matthias Wolfram<br />
Seit 2008 kursiert in sicherheitspolitischen<br />
Kreisen im Rahmen der Analyse zukünftiger<br />
Konfliktformen immer öfter der Begriff des<br />
„<strong>Hybrid</strong> <strong>War</strong>“. In den USA nimmt der Begriff in aktuellen<br />
Diskussionen einen prominenten Platz ein, und auch<br />
einige europäische Staaten benutzen das gedankliche<br />
Modell einer neuen Form von bewaffneten Auseinandersetzungen<br />
als Ausgangspunkt für ihre Überlegungen zur<br />
Bestimmung zukünftig notwendiger Streitkräftefähigkeiten.<br />
Ein wesentlicher Meilenstein in der Verbreitung<br />
des Begriffs war die Anwendung des Konzeptes auf die<br />
Auseinandersetzung zwischen der Hisbollah und den<br />
israelischen Streitkräften im Jahr 2006. Die vielfach weitgehend<br />
unkritisch übernommene Analyse, dass dies ein<br />
Musterbeispiel eines hybriden Krieges darstellt, erscheint<br />
aber zweifelhaft. Sie soll im Folgenden näher beleuchtet<br />
und hinterfragt werden.<br />
Das Gedankenkonstrukt einer hybriden Mischform<br />
von Auseinandersetzungen in zukünftigen bewaffneten<br />
Konflikten entstand 2005 im Zuge der Erarbeitung der<br />
amerikanischen National Defense Strategy. 1) In dieser<br />
wurde erstmals die gravierendste zukünftige Bedrohung<br />
der USA als Kombinationen aus traditionellen, irregulären,<br />
katastrophalen terroristischen und disruptiven Aspekten<br />
skizziert. Der Ausdruck „hybrid“ wurde in dem Dokument<br />
noch nicht verwendet. Ein zentraler Bestandteil der Bedrohung<br />
bestand nach der Analyse in der Nutzung neuester<br />
Technologie zur Aushebelung amerikanischer militärischer<br />
Überlegenheit. 2)<br />
Offensiv verbreitet wurde der Begriff ab 2005 durch<br />
den damaligen Kommandeur des „Marine Corps Combat<br />
Development Command“ General Mattis und John<br />
Hoffmann, einen Reserveoffizier des U.S. Marine Corps<br />
(USMC), der als ziviler Berater in einem internen Think<br />
Tank des USMC in Quantico arbeitete. 3) Beide befeuerten<br />
in den folgenden Jahren die Verbreitung des Begriffes<br />
weiter - Mattis in seiner Funktion als Commander United<br />
States Joint Forces Command (USJFCOM), Hoffmann<br />
als Wissenschaftler und Berater. 4) Ab 2008 findet sich der<br />
Begriff auch im „Multiple Futures Projekt“ 5) (MFP) des<br />
„Allied Command Transformation“ (ACT) der NATO<br />
wieder, das nun von General Mattis geführt wurde. In<br />
einem Anschlussprojekt, das die Ergebnisse des MFP<br />
ab Mitte 2009 aufgriff, führte das ACT unter dem Titel<br />
„Countering <strong>Hybrid</strong> Threats“ eine Untersuchung möglicher<br />
Reaktionen auf so genannte hybride Bedrohungen<br />
durch. 6) Inzwischen hat sich der Begriff als Bestandteil der<br />
Analyse zukünftiger Konfliktformen in den USA etabliert,<br />
und die Zahl der Veröffentlichungen im Rahmen seiner<br />
Diskussion ist erheblich zurückgegangen. Der amerikanische<br />
Verteidigungsminister Robert Gates benutzt den<br />
Begriff inzwischen regelmäßig, wenn er die kommenden<br />
Herausforderungen für die US-Streitkräfte beschreibt, 7)<br />
und auch in dem neuesten „Quadrennial Defense Report“<br />
von Anfang 2010 ist „<strong>Hybrid</strong> <strong>War</strong>“ schließlich ein prominenter<br />
Bestandteil der Bedrohungsanalyse. 8)<br />
Der Begriff des „<strong>Hybrid</strong> <strong>War</strong>“ wird bis heute von vielen<br />
Teilnehmern an dem Diskurs über zukünftige Bedrohungen<br />
unterschiedlich verstanden und definiert. Im ersten Ansatz<br />
wurde „<strong>Hybrid</strong> <strong>War</strong>“ als „combination of novel approaches<br />
- a merger of different modes and means of war“ beschrieben,<br />
die in ein komplexes Umfeld eingebettet sein sollte und aus<br />
dem Konzept des „Three Block <strong>War</strong>“ hervorging. 9)<br />
Hoffman selbst veränderte im Laufe der Jahre den<br />
vierten Aspekt der disruptiven Bedrohungen in den der<br />
Kriminalität. 10) In diesem Sinne wird auch im „Multiple<br />
Futures Project“ die hybride Bedrohung als „interconnected,<br />
unpredictable mix of traditional warfare, irregular<br />
warfare, terrorism and organised crime“ definiert. 11)<br />
Der Begriff ist bisher jedoch weder in den USA<br />
noch international eindeutig definiert und abgestimmt.<br />
V.a. in der Frage der Gleichzeitigkeit der verschiedenen<br />
Konfliktformen und ihrer Austragung im selben Raum,<br />
ihrer Koordination und der handelnden Akteure ergeben<br />
sich bei den unterschiedlichen Definitionen erhebliche<br />
Unterschiede. Selbst unter Befürwortern und den Protagonisten,<br />
die den Begriff geprägt haben, existieren noch<br />
immer zahlreiche verschiedenen Interpretationen und<br />
Beschreibungen von hybrider Kriegführung.<br />
Die vorhandenen Definitionen erscheinen allerdings<br />
aus historischer Perspektive fragwürdig und sind empirisch<br />
bisher nicht zu belegen. Sie verdeutlichen allerdings,<br />
dass die Erscheinungsform moderner Kriege heute von<br />
Teilen ihrer Beobachter anders wahrgenommen wird.<br />
Gerade auf hochintensive zwischenstaatliche Kampfhandlungen<br />
fokussierte Streitkräfte müssen erkennen,<br />
dass potenzielle - oft auch nichtstaatliche - Gegner ihre<br />
Schwachstellen erkunden und sich darauf vorbereitet<br />
haben, diese zu umgehen. Dabei erfolgt ein Rückgriff auf<br />
Techniken und Taktiken nicht-konventioneller Art durch<br />
konventionelle Streitkräfte, aber auch eine Integration<br />
bisher eher staatlicher Fähigkeiten durch nicht-staatliche<br />
Akteure, oft unter Nutzung zivil verfügbarer modernster<br />
Technologie.<br />
ÖMZ-Online 2/2012 11