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Vortrag Verena Bentele

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Mit blindem Vertrauen und Motivation zum Ziel<br />

Beeindruckender <strong>Vortrag</strong> - motivierende Übungsangebote für die<br />

Sportpraxis / Goldmedaillengewinnerin <strong>Verena</strong> <strong>Bentele</strong> bei der bsj-<br />

Fortbildung<br />

Einen wahren Glücksgriff tat die Kreisjugendleitung mit der Verpflichtung von<br />

<strong>Verena</strong> <strong>Bentele</strong> als Referentin bei der Mitarbeiterbildungsmaßnahme in<br />

Spitzingsee. Die vielmalige Olympiasiegern bei Paralympischen Winterspielen<br />

im Skilanglauf und Biathlon begeisterte die Lehrgangsteilnehmer restlos. Die<br />

blinde Spitzensportlerin beeindruckte durch ihre natürliche und absolut<br />

authentische Art.<br />

<strong>Verena</strong> <strong>Bentele</strong>, geboren am 28.02.1982 in Lindau am Bodensee, war 15 Jahre<br />

Mitglied der paralympischen Nationalmannschaft im Langlauf und Biathlon.<br />

Insgesamt gewann sie 12mal Gold, 2mal Silber und 2mal Bronze bei Paralympics.<br />

Die sehbehinderte Athletin erreichte im Jahr 2010 ihren Karrierehöhepunkt. Bei den<br />

Paralympischen Spielen 2010 in Vancouver, Canada, gewann Sie in ihren<br />

Disziplinen Biathlon und Skilanglauf fünf Goldmedaillen.<br />

Für jeden Leistungssportler ist die Goldmedaille das große sportliche Ziel. Es ist<br />

jedoch nicht allein die Jagd nach Edelmetall die im Alltag eines Sportlers zählt.<br />

Wichtig ist im Sport das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und in ein Team, die<br />

Kommunikation mit Mitspielern und die Motivation für den täglichen Versuch Grenzen<br />

zu überwinden.<br />

Egal ob im paralympischen Biathlon oder bei einer Fußballmannschaft, nur als Team<br />

kann die Meisterschaft gewonnen werden. Wie Sportler gemeinsam trainieren, wie<br />

klare Ziele motivieren und wie wichtig eine gute Planung im Sport ist, darum ging es<br />

in ihrem <strong>Vortrag</strong>.


Selbstständigkeit durch Bewegung<br />

Mit knapp 16 Jahren war <strong>Verena</strong> <strong>Bentele</strong> die jüngste deutsche Teilnehmerin bei den<br />

Winterparalympics 1998 in Nagano, Japan, und sicherte sich - neben einer Bronze-<br />

und zwei Silbermedaillen - die Goldmedaille im Biathlon.<br />

Kein Sportler wird jedoch als Medaillengewinner geboren. Das Fundament des<br />

sportlichen Erfolgs wird bei vielen Athleten in der Kindheit gelegt. Daher hat vor allem<br />

sportliche Vielfalt eine große Bedeutung für die Entwicklung der motorischen<br />

Fähigkeiten. Dies gilt auch, und ganz besonders, für Kinder mit einer Behinderung.<br />

Mit 3 Jahren stand <strong>Verena</strong> <strong>Bentele</strong> erstmals auf Alpin ski, mit 7 Jahren ging sie in<br />

einen Judoverein und mit 9 fing sie an zu reiten. Erst mit 10 Jahren kam die Athletin<br />

durch eine Schulfreizeit zum Langlauf und später auch zum Biathlon. Heute ist sie<br />

vor allem in den Sportarten Radfahren und laufen aktiv. Speziell im Behindertensport<br />

ist der Einstieg in den Sport schwierig da viel Asistenzbedarf besteht.<br />

Förderung durch Eltern und Verein<br />

Wer viele Sportarten ausprobiert kann auch die passende Sportart für sich finden.<br />

Der Weg behinderter Kinder in Sportvereine führt meist jedoch über spezielle<br />

Förderschulen. In Förderschulen haben die Kinder normalen Sportunterricht und<br />

können an manchen Schulen nachmittags am Vereinstraining teilnehmen. Haben<br />

Kinder eine hochgradige Behinderung, so ist Hilfe im täglichen Training notwendig.<br />

Wichtig ist also die Förderung durch Eltern, Lehrer, Trainer und Begleitläufer. Um<br />

unterstützen zu können ist häufig Einzelbetreuung notwendig und die Bereitschaft<br />

individuell zugeschnittene Trainingsmethoden zu entwickeln.


Hilfe durch Kommunikation<br />

Exakte Kommunikation in einem Team ist für die Unterstützung im Sport<br />

entscheidend. Exemplarisch wird dies an einem Beispiel aus <strong>Bentele</strong>s Trainingsalltag<br />

deutlich:<br />

Blinde Athleten haben durch den fehlenden Sehsinn keinen so guten<br />

Gleichgewichtssinn wie sehende Sportler. Im Langlauf ist es jedoch wichtig, dass der<br />

Athlet lang auf einem Bein steht um viele Meter auf einem Bein fahren zu können.<br />

Vor den Paralympics in Vancouver hat der Begleitläufer von <strong>Bentele</strong> angefangen der<br />

Athletin häufig die Länge des Schritts durch präzise Ansagen vorzugeben. So war<br />

das Kommando „hop“ der erste Schritt, erst beim Kommando „und“ versuchte die<br />

Athletin den nächsten Schritt einzuleiten. Der vorgegebene Rhythmus des<br />

Begleitläufers konnte natürlich nicht immer gleich eingehalten werden, jedoch war<br />

diese kleine Hilfestellung durch präzise Ansagen die Voraussetzung um Hemmungen<br />

vor dem Fallen abzubauen.<br />

Der Sport<br />

Im Folgenden gab <strong>Verena</strong> <strong>Bentele</strong> einen kurzer Überblick über de paralympischen<br />

Sport , außerdem erklärte sie die Sportarten Langlauf und Biathlon für Blinde noch<br />

einmal .<br />

Olympia und Paralympics<br />

Die Geschichte der Paralympics ist wesentlich jünger als die der Olympischen Spiele.<br />

Olympische Sommerspiele fanden erstmals 1896, die Winterspiele 1924<br />

statt. In seiner heutigen Form entstand der Behindertensport erst nach dem Zweiten<br />

Weltkrieg.


1948 wurden in Stocke Mandeville (England) die ersten Sportspiele für<br />

Rollstuhlfahrer am selben Tag wie die Olympischen Spiele, die in London<br />

stattfanden,<br />

gefeiert.<br />

Der Neurologe Sir Ludwig Guttmann hatte sie initiiert, um die Wettkämpfe der<br />

Behinderten mit den Spielen der Nichtbehinderten zu verbinden. 1960 wurden<br />

die Paralympics, die damals noch “Weltspiele der Behinderten“ hießen, in Rom<br />

abgehalten, und damit am selben Ort, wie die olympischen Spiele. 1976 wurden<br />

im schwedischen Ornskoldsvik die ersten Winterparalympics ausgetragen. Seit den<br />

Spielen 1992 in Albertville sind die Paralympischen Wettkämpfe am selben<br />

Ort jeweils zwei Wochen nach den Olympischen Spielen.<br />

Die Startklassen im Behindertensport<br />

Inzwischen wird in den meisten Sportarten im Behindertensport in einem<br />

Wettkampfklassensystem gestartet. Durch dieses System, das sich in den letzten 20<br />

Jahren entwickelt hat, gibt es deutlich weniger Medaillengewinner wie noch bei<br />

früheren Paralympics. Mit diesem System können Sportler mit unterschiedlichem<br />

Grad der Behinderung gegeneinander antreten.<br />

Im Langlauf und Biathlon wird seit 2003 in diesem Wettkampfklassensystem<br />

gestartet, bestehend aus drei Klassen: Rollstuhlfahrer, Körperbehinderte und<br />

Sehgeschädigte.<br />

Innerhalb der einzelnen Startklassen wird mit Hilfe von errechneten Zeitfaktoren ein<br />

fairer Wettkampf möglich.<br />

Bei den Sehgeschädigten Sportlern gibt es die drei Abstufungen B 1, B 2 und B 3. In<br />

der Kategorie B3 starten die Läufer mit dem größten Sehrest. Ihre Zeit<br />

wird mit 100% gewertet, sie entspricht somit der real benötigten Zeit. Die komplett<br />

blinden Athleten starten in der Klasse B1 mit einem Faktor von 85%.<br />

Die Uhr läuft hier um 15 % langsamer als in Klasse B3.<br />

Die Rolle des Begleitläufers<br />

Jeder sehbehinderte Athlet hat im Wettkampf einen Begleitläufer. Der Begleitläufer,<br />

oder auch Guide, läuft im Abstand von ungefähr 3 Metern vor dem Rennläufer und<br />

hat die Aufgabe,<br />

durch möglichst genaue Beschreibung der Strecke dem Läufer „das Auge zu<br />

ersetzen“.<br />

Je höher der Grad der Sehbehinderung ist, desto mehr muss der Guide sagen. Bei<br />

blinden Athleten sagt der Begleitläufer ständig ein Wort, wie z. B. hopp,<br />

diese Ansagen und das Geräusch der Ski ermöglichen dem Athleten die Orientierung<br />

im Training und im Wettkampf. Für blinde Athleten ist ein permanentes Geräusch die<br />

Voraussetzung um schnell und ohne Angst zu laufen, denn sobald Angst den


Sportler hemmt, wird die Lauftechnik schlechter und dies verlangsamt die<br />

Laufgeschwindigkeit.<br />

Angesagt werden vom Begleitläufer Bodenwellen, Anstiege, Abfahrten und Kurven<br />

so präzise wie möglich. Die Schärfe der Kurve wird am oberen Teil der Uhr<br />

beschrieben,<br />

also 90 Grad nach links wäre „links auf 9". Auf den Wettkampfstrecken gibt es so<br />

genannte „Haltezonen“. Dies sind meist sehr schnelle Abfahrten, mit scharfen<br />

Kurven in denen Begleitläufer und Athlet sich berühren dürfen. Hier kann man zum<br />

Beispiel das Ende des Skistocks des Guides zur Orientierung anfassen. Beim<br />

Biathlon darf der Begleitläufer den Athleten zum Gewehr bringen, dann jedoch ist<br />

keine Hilfe mehr erlaubt.<br />

Die Begleitläufer sind meist ehemalige Top-Athleten, die dem Leistungssport weiter<br />

verbunden bleiben wollen. Sie müssen so fit sein, dass sie schnell laufen,<br />

sprechen und sich permanent nach dem Athleten umdrehen können.<br />

Die Besonderheit im Skilanglauf und Biathlon für blinde Athleten ist die Tatsache,<br />

dass einerseits ein Individualsport betrieben wird, andererseits kann der Sport nur als<br />

Team erfolgreich funktionieren. Begleitläufer und Athlet müssen viele<br />

Trainingseinheiten gemeinsam absolvieren, arbeiten in vielen Trainingsstunden an<br />

ihrer Kommunikation und werden im Optimalfall ein so harmonisches Team, dass im<br />

Wettkampf der Nachteil durch die Blindheit zu großen Teilen ausgeglichen wird.<br />

Das Schießen im Biathlon<br />

Blinde Athleten schießen mit Hilfe eines Infrarotsystems. Die Zielscheibe, die 10 m<br />

von der Waffe entfernt ist, sendet ein Infrarotsignal aus. Dieses Signal<br />

wird von einer Kommunikationseinheit in einen ton umgewandelt. Der Biathlet legt<br />

sich an den Schießstand, setzt sich einen Kopfhörer auf und hört auf diesem<br />

Kopfhörer den Ton. Das Ziel wird durch Bewegungen der Waffe gesucht, je höher<br />

der Ton wird, desto näher befindet sich der Schütze am Ziel. Die Trefferfläche<br />

beträgt 25 Millimeter.<br />

Körperbehinderte Athleten haben speziell adaptierte Gewehre, bzw. Hilfsmittel. Sie<br />

schießen ebenfalls auf 10 m, jedoch mit normalen Luftgewehren. Beinbehinderte<br />

Athleten schießen ohne spezielle Hilfsmittel, Athleten mit einem Arm oder ohne Arme<br />

dürfen eine federnde Auflage zum schießen benutzen.


Die Kommunikation im Team als Trainingsprogramm<br />

Damit ein sportliches Team funktionieren kann, muss auch die Kommunikation<br />

trainiert werden. Um im Wettkampf um eine Medaille mitlaufen zu können ist für<br />

blinde Athleten vor allem wichtig zu klären wer für welche Aufgaben zuständig ist.<br />

Der Begleitläufer beispielsweise präpariert im Training die Ski, im Wettkampf jedoch<br />

gibt es Servicepersonal für diese Aufgabe. Die Athletin sorgt dafür, dass Sponsoren<br />

die Ausübung des Sports fördern und der Trainer ist für die Planung des Trainings<br />

und für die methodische Arbeit zuständig. Funktionieren die Abläufe nicht, so ist eine<br />

gute Feedbackkultur wichtig um mögliche Fehlerquellen schnell zu beseitigen. Zu<br />

einer Feedbackkultur gehört neben offener und ehrlicher Aussprache auch, dass<br />

Schwierigkeiten zum richtigen Zeitpunkt angesprochen werden.<br />

Trainiert werden muss jedoch auch die Genauigkeit sprachlicher Anweisungen. Je<br />

genauer die Anweisungen sind die <strong>Verena</strong> <strong>Bentele</strong> bekommt, desto schneller kommt<br />

sie ans Ziel.<br />

Ziele als Motivation<br />

Ziele visualisieren<br />

Im Biathlon muss der Sportler 5 Scheiben treffen. Dieses Bild steht exemplarisch für<br />

Ziele im Sport weil ein genaues Bild eines Ziels wichtig ist um es zu erreichen. Ziele<br />

können natürlich nicht nur Scheiben oder eine Weite beim Kugelstoßen sein. Ein Ziel<br />

kann auch ganz einfach eine gute Trainingseinheit sein oder das Gefühl, dass man<br />

alles im Wettkampf gegeben hat. Als Wintersportler ist im Hochsommer nicht in jeder<br />

Trainingseinheit der Wettkampf im kalten Winter als Bild im Kopf. Vielmehr gibt es<br />

Etappenziele die das Training im ganzen Jahr begleiten. Ein Etappenziel kann<br />

beispielsweise sein, dass beim Berglauf eine bessere Zeit erzielt wird als im Jahr<br />

zuvor.


Motivation für jeden Tag<br />

Um sich selbst, aber auch andere zu motivieren, sind klare Ziele eine wichtige<br />

Voraussetzung. Wer sich sein Ziel vor dem inneren Auge vorstellen kann, der weiß<br />

wofür es sich lohnt die Zähne zusammenzubeißen. Der Radfahrer sieht den Gipfel<br />

den er bezwingen will und hat die Motivation am Gipfelkreuz zu stehen. Im täglichen<br />

Training gibt es jedoch nicht immer ein Gipfelkreuz. Um sich trotzdem zu motivieren<br />

ist das Anfordern und Annehmen von Unterstützung eine wichtige Motivation. Jeder<br />

Sportler hat Trainingseinheiten die nicht so viel Spaß machen, zum Beispiel die<br />

Schinderei im Kraftraum. Hier ist eine Trainingsgruppe die sich gegenseitig motiviert<br />

super um den Spaß an der Arbeit zu erhöhen.<br />

Um als Trainer oder Übungsleiter die Sportler zu motivieren ist Feedback<br />

unersetzbar. Regelmäßige positive Rückmeldung zeigt dem Sportler, dass er<br />

wahrgenommen wird, kritische Rückmeldung zur richtigen Zeit kann eine Chance zur<br />

Veränderung sein.<br />

Die wichtigste Motivation ist natürlich der Spaß am Sport und das Vertrauen in die<br />

Menschen, die für ein Team verantwortlich sind. Damit der Sportler in seine eigenen<br />

Fähigkeiten vertrauen kann muss er vor allem wissen, dass der Trainer immer<br />

wertschätzend mit der Leistung des Einzelnen umgeht. Blindes Vertrauen ist im<br />

wahrsten Sinn des Wortes die Fähigkeit ohne Bedenken gemeinsam<br />

Geschwindigkeit aufzunehmen.<br />

Mit standing ovations wurde <strong>Verena</strong> <strong>Bentele</strong> von den bsj-Übungsleitern<br />

verabschiedet. Noch lange stand sie anschließend für die vielen Fragen der<br />

Teilnehmer aus dem Landkreis Cham zur Verfügung.

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