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Tat'jana V. Grečušnikova<br />

Eine ungewöhnliche Entstehungsgeschichte für einen Roman: Thomas Brussig hat die<br />

Geschichte einer Clique von Jugendlichen in Ost-Berlin eigentlich als Drehbuch für Lean<strong>der</strong><br />

Hausmanns Film „Sonnenallee“ erarbeitet. Erst später entstand dann <strong>der</strong> nun vorliegende<br />

Roman. Doch wer eines <strong>der</strong> üblichen „Bücher zum Film“ erwartet, <strong>der</strong> wird angenehm enttäuscht.<br />

Der Roman steht durchaus für sich. [...]<br />

„Glückliche Menschen haben ein schlechtes Gedächtnis <strong>und</strong> reiche Erinnerungen“, heißt es<br />

am Ende des Buchs. Nach diesem Motto ist Brussig <strong>nach</strong> seinem bissigen „Helden wie wir“<br />

ein Roman gelungen, <strong>der</strong> nicht verklärt, aber mit unverkennbarem Hang zur Nostalgie, ein<br />

Stück DDR Alltagsgeschichte jenseits <strong>der</strong> großen Politik beschreibt. (Gerhards 1999)<br />

Literarisches Amüsement <strong>und</strong> historische Authentizität? Für Brussig kein Wie<strong>der</strong>spruch.<br />

Das Buch enthält genauso viel Lebenswahrheit wie es die Gesetze <strong>der</strong><br />

Trivialliteratur erlauben. Denn wenn auch <strong>der</strong> Trivialliteratur <strong>im</strong> Allgemeinen<br />

<strong>nach</strong>gesagt wird, Sachverhalte unernst zu schil<strong>der</strong>n, so trifft ein solches Verdikt<br />

<strong>im</strong> Falle Brussig nicht:<br />

Nun werden <strong>im</strong> Lande die Bürgerrechtler aufschreien. Dieses Jugendbuch verharmlose (ihre)<br />

Geschichte. Aber wie, als hier beschrieben, sollte Geschichte damals, in den 70ern, gelebt<br />

<strong>und</strong> ausgehalten werden? – Und den kritischen Geschichtslehrern sei gesagt: Besser könnte<br />

einer Geschichte nicht zum Leben erwecken als dieser Autor. Der Erfolg von Buch (<strong>und</strong><br />

Film) ist <strong>im</strong>merhin ein Indiz. (Eichfeld 1999)<br />

Auch Brussigs nächstes Projekt eines Wen<strong>der</strong>omans bleibt fragwürdig: Wie es<br />

leuchtet (2004), sein erster Versuch einer Großform mit ca. 600 Seiten <strong>und</strong> mehreren<br />

HeldInnen, gerät wie<strong>der</strong>um in die Diskussion.<br />

„Selten trifft man auf einen Schreibstil, <strong>der</strong> Lebensgefühl, Farben, Gefühle<br />

<strong>und</strong> Bil<strong>der</strong> so treffend <strong>und</strong> eindringlich wie<strong>der</strong>gibt. Unbedingt empfehlenswert.“<br />

Einer solchen positiven Besprechung von Langer (2005) steht die Kritik Albaths<br />

(2004) gegenüber. Mit diesem „großen Wen<strong>der</strong>oman“, so Albath, wolle Thomas<br />

Brussig sein Image als Komiker abstreifen <strong>und</strong> eine „<strong>Auf</strong>arbeitung <strong>der</strong> jüngsten<br />

deutschen Geschichte“ liefern, ein „Panorama exemplarischer Schicksale“, das<br />

nicht „satirisch verzerrt“ daherkomme, son<strong>der</strong>n „historische Tiefenschärfe“<br />

besitze. Um nicht einseitig <strong>und</strong> karikierend zu wirken, verstreue Brussig also die<br />

Merkmale von DDR <strong>und</strong> BRD (in <strong>der</strong>en verschiedenen Ausprägungen) unter dem<br />

sehr zahlreichen Romanpersonal. Dies gerate ihm lei<strong>der</strong> trotzdem „allzu parabelhaft“<br />

<strong>und</strong> lasse den Text „überfrachtet“ wirken, bedauert die Rezensentin. Überhaupt<br />

liege in <strong>der</strong> großen Fülle <strong>der</strong> Figuren ein entscheidendes Problem des<br />

Romans. Die rasante Choreografie <strong>der</strong> verschiedenen Biografien erinnere an eine<br />

„Nummernrevue“. Die nötige „Tiefend<strong>im</strong>ension“ seiner Protagonisten zaubere<br />

Brussig durch das Trauma des sexuellen Missbrauchs hervor, was von <strong>der</strong> Rezensentin<br />

mit dem Schlagwort „Zwangstragik“ quittiert wird. „Wie es leuchtet“, so<br />

ihr Fazit, „ist – den Bemühungen des Autors zum Trotz – eben doch kein Epochenroman.“<br />

Ein großes Volumen, dies sei hier abschließend bemerkt, ist wohl für den<br />

„großen Stoff“ nicht das entscheidende Kriterium, denn <strong>im</strong>merhin ist Günter<br />

Grass 1999 die Darstellung eines ganzen Jahrhun<strong>der</strong>ts in 370 Seiten gelungen.<br />

Die Diskussion um Brussig ist hier recht ausführlich vorgetragen worden, da<br />

sie gr<strong>und</strong>sätzlichere Fragen berührt: „Triviale“ Texte haben in letzter Zeit nicht

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