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Rudolf Steiners Dreigliederung des sozialen Organismus aus ...

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Steiner in diesem Punkt überein, auch wenn Steiner über diese Gemeinsamkeit hinweg sieht: beide fordern nicht<br />

ein Gesellschaftssystem, das auf utopischem Wunschdenken beruht, sondern nehmen für sich in Anspruch,<br />

objektiv wirkende Entwicklungstendenzen zu beschreiben, die nach Realisierung durch das menschliche Tun<br />

drängen, und deren Missachtung die gesellschaftlichen Probleme immer weiter verschärfen. Der Marxismus<br />

leitet diese Entwicklungstendenzen materialistisch <strong>aus</strong> den ökonomischen Bewegungsformen her, die ihren<br />

Ursprung in dem Widerspruch zwischen Produktivkräften und Produktionsverhältnissen haben. Steiner leitet<br />

seine <strong>Dreigliederung</strong>sidee idealistisch <strong>aus</strong> seelischen Grundbedürfnissen <strong>des</strong> Menschen her. Ähnlich wie Marx<br />

möchte Steiner Richtungen und Tendenzen aufzeigen und keine fertigen Rezepte formulieren.<br />

In Vorträgen wurde Steiner bisweilen mit marxistischen Positionen konfrontiert, die seine <strong>Dreigliederung</strong>sidee<br />

erst in der Phase <strong>des</strong> Kommunismus (nachdem der sozialistische Staat abgestorben ist) für möglich hielten, ihr<br />

jedoch positiv gegenüber standen. In der Diskussion verneinte er <strong>aus</strong>drücklich diese Möglichkeit und sah den<br />

Sozialismus wiederum nur als starres System. Die Herrschaft von „Thron und Altar“ werde durch „Kontor und<br />

Fabrik“ 75 ersetzt. Einen qualitativen Unterschied einer Herrschaft der Wenigen über die Mehrheit durch die<br />

Herrschaft der Mehrheit wurde in formalistischer Weise einfach übergangen.<br />

Steiner sieht nicht das Entwicklungspotential einer Gesellschaft, die das kapitalistische Herrschaftssystem<br />

überwunden hat und nun erst in der Lage ist, die Gesellschaft bewusst umzugestalten. Das Absterben <strong>des</strong> Staates<br />

ist für ihn ein Versprechen der Zukunft, das sich als lebensfremd erweisen wird. Statt<strong>des</strong>sen prognostiziert er für<br />

den Kommunismus eine „Stellenjägerei, um dasjenige zu erreichen durch Erjagen von bestimmten Stellen, was<br />

man heute durch kapitalistischen Profit erjagt. Da wird es geben anstelle der Schäden von heute ein ungeheures<br />

Spitzeltum, Spionentum“. 76 Damit hat er reale Gefahren benannt, wie sie ja auch eingetreten sind. Die<br />

Möglichkeit, mit der Parteizugehörigkeit Karriere machen zu können und Privilegien zu ergattern muss<br />

<strong>aus</strong>geschlossen werden. Eine Notwendigkeit dieser Entwicklungsrichtung ist damit jedoch keineswegs belegt.<br />

Die Interpretation der Forderung nach Vergesellschaftung der Produktionsmittel und planvoller Produktion als<br />

Ausdehnung staatlicher Funktionen auf alle gesellschaftlichen Bereiche ist kein Wesensmerkmal <strong>des</strong><br />

Sozialismus. Dies wird in der Aufarbeitung der Niederlage <strong>des</strong> Sozialismus von 1989 durch führende<br />

marxistische Theoretiker deutlich und findet sich als Ergebnis <strong>aus</strong>führlicher Diskussion nicht zuletzt im<br />

Parteiprogramm der DKP von 2006 wieder. Dort wird im Abschnitt „Ursachen der Niederlage“ festgestellt: „Der<br />

Prozess der Vergesellschaftung blieb vielfach auf der Stufe der Verstaatlichung stecken. Die Folge war eine<br />

zunehmende Entfremdung vom sozialistischen Eigentum. Durch die staatliche Durchdringung aller Bereiche der<br />

Gesellschaft wurde die Eigeninitiative gehemmt“. Die Formen <strong>des</strong> gesellschaftlichen Eigentums können<br />

vielfältig sein. Ohne genauere Konkretisierung heißt es im Abschnitt „Das sozialistische Ziel“ weiter: „In den<br />

Ländern <strong>des</strong> realen Sozialismus als frühem Entwicklungsstadium <strong>des</strong> Sozialismus hatte das gesellschaftliche<br />

Eigentum an den entscheidenden Produktionsmitteln vor allem die Form <strong>des</strong> Staats- und<br />

Genossenschaftseigentums. Es ist zu erwarten, dass sich im revolutionären Prozess <strong>des</strong> Kampfes um den<br />

Sozialismus und bei seinem Aufbau neben bewährten auch neue Formen der Verfügung über das<br />

gesellschaftliche Eigentum und der gesellschaftlichen Organisation her<strong>aus</strong>bilden werden“. 77<br />

Auch die Einmischung von Partei und Staat in den Wirtschaftsprozess 78 , sowie die Rolle der Partei im<br />

„Geistesleben“ werden für Deformationen verantwortlich gemacht: „Die Parteiführungen wähnten sich im<br />

alleinigen Besitz der Wahrheit, die durch eine ‚Erziehungsdiktatur‘ den Massen vermittelt werden sollten“. 79 Es<br />

könnten noch zahlreiche weitere Beispiele genannt werden die zeigen, dass eine Deformation <strong>des</strong> Sozialismus zu<br />

einer bürokratischen Kommandowirtschaft keineswegs eine Perspektive darstellt, die von Marxisten heute<br />

angestrebt wird. Die Verurteilung vergangener Fehler ist jedoch müßig, wenn dar<strong>aus</strong> nicht Erkenntnisse<br />

gewonnen werden, welche die Ursachen dieser Entwicklung erkennen und in Zukunft Ähnliches vermeiden<br />

75 GA 330, S. 52f<br />

76 GA 330, S. 52f<br />

77 Parteiprogramm der DKP, S. 8<br />

78 Vgl.: Rainer Eckert: Revolution und Konterrevolution in Detuschland – Einige Hypothesen -, in: Wissenschaft<br />

& Sozialismus e.V. Reprint der Hefte 1&2, Frankfurt a.M. Juni 1995, S.64f<br />

79 Willi Gerns: Zu den Ursachen <strong>des</strong> Zusammenbruchs <strong>des</strong> realen Sozialismus in Europa, in: D. Boris / W. Gerns<br />

/ H. Jung (Hg.): Keiner redet vom Sozialismus Aber wir. Die Zukunft marxistisch denken, Bonn 1992, S.14f<br />

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