Begleitmaterial Franziska Jägerstätter erzählt - Dschungel Wien
Begleitmaterial Franziska Jägerstätter erzählt - Dschungel Wien
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<strong>Begleitmaterial</strong> zur Vorstellung
Uraufführung von Alexander Kratzer<br />
im Haus der Geschichten am Pfarrplatz 18<br />
Regie: Andreas Baumgartner<br />
Ausstattung: Roland Ploner<br />
Spiel: Eike Baum<br />
<strong>Franziska</strong> <strong>Jägerstätter</strong> sitzt in ihrer Wohnung und schreibt gerade einen Brief, da kommt<br />
Besuch. Das freut sie, denn <strong>Franziska</strong> <strong>Jägerstätter</strong> mag die Menschen und sie spricht<br />
gerne mit ihnen. Sie kennt viele berühmte Persönlichkeiten. Mit allen hat sie schon<br />
gesprochen. Aber jetzt redet sie mit Kindern, denn die mag sie besonders gern. Sie<br />
<strong>erzählt</strong> aus ihrem Leben, ihrem langen Leben. Sie erinnert sich an die glücklichen Jahre<br />
mit Franz, die schlimmen Jahre des Krieges und des Abschiednehmens und an ihr langes<br />
Leben als Witwe.<br />
Das alles klingt manchmal traurig, ist aber auch lustig. Denn <strong>Franziska</strong> liebt das Leben<br />
und ist eine humorvolle Frau. Und am Ende schenkt sie den Kindern noch was! Ein<br />
Geschenk, das auch Franz gefreut hätte.<br />
Uraufführung: 26. Jun. 2009 10:00<br />
Dauer: 45 Minuten<br />
In Kooperation mit<br />
Linz 2009 Kulturhauptstadt Europas und Theaterfestival Schäxpir/Land OÖ<br />
im Haus der Geschichten am Pfarrplatz 18<br />
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Familienfotos<br />
<strong>Franziska</strong> <strong>Jägerstätter</strong><br />
Die Töchter Rosalia, Maria, Aloisia<br />
mit Transparent.<br />
Ostern 1943, für Franz <strong>Jägerstätter</strong> ins Berliner Gefängnis geschickt.<br />
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Biographie Franz <strong>Jägerstätter</strong> 1907 – 1943 Märtyrer<br />
Franz <strong>Jägerstätter</strong> wird am 20. Mai 1907 in St. Radegund, Oberösterreich (Diözese Linz),<br />
als Kind der ledigen Bauernmagd Rosalia Huber geboren. Sie und der Vater, Franz<br />
Bachmeier, können als Magd bzw. Knecht nicht heiraten. Die Erziehung des Kindes<br />
übernimmt die Großmutter, Elisabeth Huber, eine liebevolle, fromme und vielseitig<br />
interessierte Frau. Die materielle Not während des 1. Weltkrieges ist in der Region groß.<br />
In der Schule fühlt sich das Kind Franz wegen seiner Armut benachteiligt. Die Mutter<br />
heiratet 1917 den Bauern Heinrich <strong>Jägerstätter</strong>, der bei der Hochzeit das Kind seiner<br />
Frau adoptiert. Inspiriert durch den (Adoptiv-)Großvater interessiert sich Franz als<br />
Jugendlicher für Literatur, darunter auch für religiöse Texte. Von seinem Adoptivvater<br />
erbt er den Bauernhof.<br />
Von 1927 bis 1930 arbeitet Franz <strong>Jägerstätter</strong> im Erzabbau in Eisenerz (Steiermark). Dort<br />
fühlt er sich geistig und religiös entwurzelt und macht eine Glaubens- und Sinnkrise<br />
durch. Er kommt als zutiefst Gläubiger 1930 in seine Heimat zurück.<br />
1933 wird er Vater einer unehelichen Tochter Hildegard. Die Mutter des Kindes ist<br />
Theresia Auer, Magd auf einem Hof in der Nachbarschaft; sie sagt später: „Wir sind im<br />
Frieden auseinander gegangen, er hat mich um Verzeihung gebeten.“ Zwischen Vater<br />
und Tochter bestand eine gute Beziehung.<br />
1935 lernt er <strong>Franziska</strong> Schwaninger, Bauerntochter aus dem benachbarten Hochburg,<br />
kennen. Sie heiraten am Gründonnerstag 1936. Auf seinen Vorschlag hin machen sie eine<br />
Hochzeitsreise nach Rom. Sie bewirtschaften den Leherbauernhof. Die Ehe wird zum<br />
Wendepunkt im Leben Franz <strong>Jägerstätter</strong>s. In der Folge sei er ein anderer geworden, so<br />
die Nachbarn. Franz und <strong>Franziska</strong> beten miteinander und die Bibel wird zum<br />
Lebensbuch des Alltags. <strong>Franziska</strong> über diese Zeit: „Wir haben einer dem anderen weiter<br />
geholfen im Glauben.“ Franz <strong>Jägerstätter</strong> ist ab 1941 auch Mesner in St. Radegund. Aus<br />
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der Ehe gehen drei Töchter hervor, Rosalia (*1937), Maria (*1938) und Aloisia (*1940).<br />
Franz <strong>Jägerstätter</strong> bemerkt einmal: „Ich habe mir nie vorstellen können, dass<br />
Verheiratetsein so schön sein kann.“<br />
Den Nationalsozialisten, die in Österreich 1938 die Macht übernehmen, verweigert<br />
<strong>Jägerstätter</strong> von Anfang an jede Zusammenarbeit oder Unterstützung, denn Christentum<br />
und Nationalsozialismus sind für ihn völlig unvereinbar. Durch einen Traum fühlt sich<br />
Franz <strong>Jägerstätter</strong> vor dem Nationalsozialismus gewarnt: Ein Zug, der unzählige<br />
Menschen ins Verderben führt und der für ihn später die NSDAP mit all ihren Organen<br />
repräsentiert.<br />
1940 wird <strong>Jägerstätter</strong> zum Militärdienst einberufen, auf Betreiben der Heimatgemeinde<br />
aber zweimal unabkömmlich gestellt. Einer weiteren Einberufung will er nicht mehr<br />
Folge leisten, denn mitzukämpfen und zu töten, dass Hitler die ganze Welt beherrschen<br />
könne, sieht er als Sünde an. Die Mutter, Verwandte und auch befreundete Priester<br />
versuchen, ihn umzustimmen. Seine Frau <strong>Franziska</strong> hofft zwar auch auf einen Ausweg,<br />
steht aber zu ihm in seiner Entscheidung: „Wenn ich nicht zu ihm gehalten hätte, hätte<br />
er gar niemanden gehabt.“<br />
In ausführlichen Aufzeichnungen legt Franz <strong>Jägerstätter</strong> die Beweggründe seines<br />
Handelns nieder: Er sieht es als persönliche Schuld, mitzukämpfen und Menschen zu<br />
töten, damit das gottlose NS-Regime siegen und immer mehr Völker unterjochen könne.<br />
Franz betet, fastet und berät sich mit anderen. Er bittet auch den Linzer<br />
Diözesanbischof Joseph Calasanz Fließer um eine Aussprache. Dieser meint unter<br />
anderem, als Familienvater sei es nicht seine Sache zu entscheiden, ob der Krieg gerecht<br />
oder ungerecht sei. <strong>Franziska</strong> <strong>Jägerstätter</strong> begleitet ihren Mann nach Linz, am Gespräch<br />
nimmt sie nicht teil. Sie erinnert sich an den Moment, an dem ihr Mann aus dem<br />
Sprechzimmer des Bischofs kommt: „Er war sehr traurig und sagte zu mir: ‘Sie trauen<br />
sich selber nicht, sonst kommen’s selber dran.’ Der Haupteindruck von Franz war, dass<br />
der Bischof nicht wagte offen zu sprechen, weil er <strong>Jägerstätter</strong> nicht kannte; er hätte ja<br />
auch ein Spion sein können.“<br />
Nach der erneuten Einberufung meldet sich Franz <strong>Jägerstätter</strong> am 1. März 1943 bei<br />
seiner Stammkompanie in Enns, erklärt aber sofort: „dass er auf Grund seiner religiösen<br />
Einstellung den Wehrdienst mit der Waffe ablehne, dass er gegen sein religiöses<br />
Gewissen handeln würde, wenn er für den nationalsozialistischen Staat kämpfen würde;<br />
... er könne nicht gleichzeitig Nationalsozialist und Katholik sein; ... es gebe Dinge, wo<br />
man Gott mehr gehorchen müsse als den Menschen; auf Grund des Gebotes ‚Du sollst<br />
Deinen Nächsten lieben wie Dich selbst‘ dürfe er nicht mit der Waffe kämpfen. Er sei<br />
jedoch bereit, als Sanitätssoldat Dienst zu leisten.“ (Aus der Begründung des<br />
Reichskriegsgerichtsurteils vom 6. Juli 1943)<br />
<strong>Jägerstätter</strong> wird daraufhin in das Wehrmachts-Untersuchungsgefängnis im Linzer<br />
Ursulinenhof gebracht. Zwei Monate Haft in Linz mit Folter und Schikanen lösen eine<br />
große Krise bei ihm aus. Der junge Bauer ist in Gefahr den Glauben zu verlieren. Das<br />
Glück, das er mit <strong>Franziska</strong> erlebt hat, ist ihm ein bleibender Hinweis auf die Gegenwart<br />
Gottes.<br />
Anfang Mai wird Franz <strong>Jägerstätter</strong> in das Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis Berlin-<br />
Tegel überstellt. Er bittet, zum Sanitätsdienst zugelassen zu werden, was abgelehnt<br />
wird. Am 6. Juli 1943 wird Franz <strong>Jägerstätter</strong> wegen „Wehrkraftzersetzung sowie zum<br />
Verlust der Wehrwürdigkeit und der bürgerlichen Ehrenrechte“ verurteilt.<br />
Durch Pfarrer Heinrich Kreutzberg erfährt er, dass ein Jahr zuvor der österreichische<br />
Pallottiner-Pater Franz Reinisch aus denselben Gründen den Wehrdienst verweigert hat<br />
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und dafür gestorben ist. Diese Mitteilung gibt ihm in seiner Lage Halt und Trost. Die<br />
Eucharistie, die Bibel und ein Bild seiner Kinder sind ihm in dieser Zeit sehr wichtig.<br />
Franz <strong>Jägerstätter</strong> wird am 9. August 1943 nach Brandenburg/Havel gebracht und<br />
enthauptet.<br />
Die beiden Seelsorger, Pfarrer Kreutzberg in Berlin und Pfarrer Jochmann in<br />
Brandenburg, sehen in ihm einen Heiligen und Märtyrer. Im Jahre 1965 verweist<br />
Erzbischof Thomas D. Roberts SJ (1939 bis 1958 in Bombay, Indien) bei der Arbeit an der<br />
Pastoralkonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils in einer schriftlichen Eingabe auf<br />
die einsame Gewissensentscheidung Franz <strong>Jägerstätter</strong>s: „Märtyrer wie <strong>Jägerstätter</strong><br />
sollen nie das Gefühl haben, dass sie allein sind.“<br />
Am 7. Mai 1997, 54 Jahre nach seiner Hinrichtung, wird vom Landgericht Berlin das<br />
Todesurteil gegen <strong>Jägerstätter</strong> aufgehoben. Die Aufhebung kommt einem Freispruch<br />
gleich und bedeutet moralische und juristische Rechtfertigung seiner Handlung. Das<br />
Landesgericht geht davon aus, dass der Zweite Weltkrieg nicht dem Volk sondern dem<br />
nationalsozialistischen Machtstreben gedient hat. Wer sich wie <strong>Jägerstätter</strong> einem<br />
Verbrechen widersetzt, kann kein Verbrecher sein.<br />
Ab 1989 werden im Auftrag von Bischof Aichern Personen, die Franz <strong>Jägerstätter</strong> gekannt<br />
haben, als Zeugen einvernommen. Nach unterstützenden Voten der Österreichischen<br />
Bischofskonferenz, einer historisch-theologischen Kommission und des Linzer<br />
Domkapitels wird 1997 offiziell der Seligsprechungsprozess für Franz <strong>Jägerstätter</strong><br />
eröffnet, am 21. Juni 2001 auf diözesaner Ebene abgeschlossen und die Akten nach Rom<br />
zur Selig- und Heiligsprechungskongregation übergeben.<br />
Der Vatikan bestätigt am 1. Juni 2007 offiziell das Martyrium des österreichischen<br />
Kriegsdienstverweigerers Franz <strong>Jägerstätter</strong> (1907-43). Die Seligsprechung erfolgt am 26.<br />
Oktober 2007 im Linzer Mariendom.<br />
(Aus: Franz <strong>Jägerstätter</strong>_Christ und Märtyrer, Erna Putz; Franz <strong>Jägerstätter</strong>. Gedenken und<br />
Gebet.Novene)<br />
Quelle: www.dioezese-linz.at<br />
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Rosina und Thomas Schlager-Weidinger:<br />
Franz <strong>Jägerstätter</strong> – ein Traum mit Folgen ...<br />
Eine Einstiegshilfe für den Unterricht an Grundschulen und an der Sekundarstufe 1<br />
Nach dem 1. Weltkrieg (1914-1918) herrschte eine große Hungersnot, und viele<br />
Menschen hatten keine Arbeit mehr. Alles was zählte war: Wer gibt uns Arbeit, so dass<br />
wir wieder Geld für Nahrung und das Notwendigste verdienen können?!<br />
Ein Mann, sein Name war Adolf Hitler, nützte diese Situation aus. Um für den nächsten<br />
großen Krieg – den er unbedingt wollte – gut gerüstet zu sein, gab er Kriegsgeräte und<br />
Waffen in Auftrag. Damit seine Armee und das Kriegsmaterial schnell unterwegs sein<br />
konnten, ließ er Autobahnen bauen. Andere Arbeitsplätze wurden frei, weil Hitler<br />
Menschen vertrieben hatte, die ihm nicht passten und seiner Ansicht nach nichts<br />
zählten. All das brachte Arbeit, und die Leute waren begeistert. Hitler und seine<br />
Anhänger, die sich Nationalsozialisten nannten, gaben den Leuten aber nicht nur Arbeit,<br />
sondern auch etwas, worauf sie stolz sein konnten. Dies war wichtig, weil Deutschland<br />
den 1. Weltkrieg verloren und deswegen in der Welt kein Ansehen mehr hatte. Der<br />
Führer – so wurde Hitler genannt – versprach ihnen: "Ihr Deutschen seid die Größten,<br />
Wertvollsten und Besten. Alle anderen sind schwach und minderwertig. Ihr werdet über<br />
andere Völker herrschen. Wenn ihr wollt, dass das gelingt, müsst ihr mir gehorchen,<br />
müssen wir Krieg führen und die vernichten, die anders sind, anders denken und anderes<br />
wollen."<br />
Damit das niemand vergessen konnte, war überall das Hakenkreuz und das Bild des<br />
Führers zu sehen. Zusätzlich lasen die Menschen in den Zeitungen und hörten aus den<br />
Radios und in den Kinos die Parole: "Ein Volk, ein Reich, ein Führer!" Selbst wenn jemand<br />
diese Werbung – damals hieß das "Propaganda" – durchschaute und nicht alles glaubte<br />
oder ganz einfach damit nicht einverstanden war, traute man sich das nicht öffentlich zu<br />
sagen und tat lieber mit. Es herrschte Angst, da viele Gegner Hitlers Nachteile hatten,<br />
ins Gefängnis oder sogar in ein Lager kamen.<br />
Kurz bevor Österreich ein Teil von Hitlerdeutschland wurde, hatte ein einfacher Bauer<br />
aus St. Radegund in Oberösterreich ein eigenartiges Erlebnis.<br />
Franz (weckt seine Frau auf): <strong>Franziska</strong>, entschuldige, dass ich dich wecke, aber ich<br />
hatte einen furchtbaren Traum. Ich bin so erschrocken ...<br />
<strong>Franziska</strong>: Ja, das spüre ich; du bist auch ganz verschwitzt! Also, was bedrückt dich?<br />
Franz: Stell dir vor, ich sah einen wunderschönen Eisenbahnzug, der um einen Berg<br />
herumfuhr. Auch konnte ich viele, viele Erwachsene sehen, die zum Zug hineilten und<br />
... ich traute meinen Augen nicht: Auch zahlreiche Kinder strömten zum Zug. Was mich<br />
aber genauso verwirrt ist, dass nur ganz wenige NICHT eingestiegen und mitgefahren<br />
sind! (Schweigt einen Augenblick lang) Auf einmal sagte mir eine Stimme: Dieser Zug<br />
fährt in die Hölle! Dann hörte ich noch ein Sausen, sah ein Licht und alles war wieder<br />
weg!<br />
<strong>Franziska</strong>: Was hat das bloß zu bedeuten? Kannst du mit diesem Traum etwas anfangen?<br />
Franz und <strong>Franziska</strong> unterhielten sich noch lange über diesen Traum, bevor sie endlich<br />
wieder einschlafen konnten. Zu diesem Zeitpunkt war Franz <strong>Jägerstätter</strong> 31 Jahre alt<br />
und bereits zwei Jahre mit <strong>Franziska</strong> verheiratet. Das Ehepaar entdeckte, dass ihm die<br />
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Religion viel für sein Leben bringen konnte und sie beide so glücklicher und zufriedener<br />
waren. Sie lasen in der Bibel und in vielen anderen Büchern, beteten, halfen Armen und<br />
Schwachen, gingen in die Kirche und mit offenen Augen und Ohren durch die Welt. Gott<br />
stand bei ihnen ganz oben – und so war es nicht verwunderlich, dass sie stutzig wurden,<br />
als sich ein anderer – nämlich Hitler – wie ein Gott aufspielte und sich auch so verehren<br />
ließ. Immer wieder vernahm <strong>Jägerstätter</strong> eine innere Stimme – sein Gewissen - , die ihn<br />
davor warnte, bei diesen Verbrechen mitzutun. Je mehr Zeit verging und je länger Hitler<br />
regierte, umso klarer wurde ihm die Bedeutung dieses seltsamen Traumes, den er<br />
schließlich vier Jahre später – also 1942 – auch aufgeschrieben hat.<br />
Als er wieder einmal wach in seinem Bett lag und keine Ruhe finden konnte, weil ihn<br />
diese Zeit so stark bewegte, kam ihm sein Traum wieder in den Sinn. Da er bemerkte,<br />
dass auch seine Frau noch nicht schlafen konnte, begann er zu sprechen:<br />
Franz: <strong>Franziska</strong>, wenn ich die Welt um mich herum beobachte, dann kommt vieles<br />
davon in meinem Traum vor. Vieles verstehe ich erst jetzt so richtig: Der wunderschöne<br />
Eisenbahnzug steht für die Hitlerbewegung – den Nationalsozialismus. Überall sind<br />
Häuser, Straßen und sogar Schulen mit Hakenkreuzfahnen geschmückt. Außerdem hört<br />
man überall nur schöne Versprechungen.<br />
<strong>Franziska</strong>: Du hast recht, von außen gesehen schaut das so schön aus wie der schöne Zug<br />
in deinem Traum, auch der hat sicher eine große Wirkung auf die Menschen, die deshalb<br />
unbedingt dabei sein und einsteigen wollen. Aber glaubst du nicht, dass die Leute das<br />
durchschauen?<br />
Franz: Ich fürchte, nein! Schau dir doch die vielen Menschen an, die – wie im Traum –<br />
mitlaufen und der Hitlerpartei beitreten wollen ... und sogar Kinder sind dabei ...<br />
<strong>Franziska</strong>: Ja, die Uniformen der Hiltlerjugend wirken schon viel attraktiver als die<br />
normale Kleidung, und außerdem erleben sie dabei sehr viel.<br />
Franz: Genau, <strong>Franziska</strong>! Und genau das ist es, warum die Menschen – wie im Traum –<br />
auf den Zug aufspringen. Aber wenn sie nur ein bisschen die Augen und Ohren<br />
aufmachen würden ...<br />
<strong>Franziska</strong>: ...dann könnten sie das Böse entdecken, das hinter den Worten Hitlers<br />
steckt!<br />
Franz: Ja, der will und liebt diesen Krieg, und die Leute unterstützen ihn hierbei und<br />
glauben ihm selbst die größte Lüge! Er hält uns für blöd, wenn er sagt, dass wir die<br />
Russen befreien wollen, dabei will er doch nur ihre Ölquellen, ihre Bodenschätze, ihr<br />
Getreide und das viele Land.<br />
<strong>Franziska</strong>: ... und jeder Krieg bringt doch so viel Tränen und Blut. Aber warum<br />
bemerken das die Leute nicht und tun etwas dagegen?<br />
Franz: Eine schwierige Frage! Mich erinnern die Menschen an unsere Kühe – kaum rennt<br />
die erste, laufen die anderen nach. Irgendeinen Grund wird's schon geben, warum man<br />
mitlaufen soll.<br />
<strong>Franziska</strong>: Franz, du weißt aber, dass eine Kuh dann zu galoppieren beginnt, wenn sie<br />
erschrickt, oder wenn sie was zum Fressen findet.<br />
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Franz: Ja, das seh' ich jeden Tag hinter unserem Hof ... und in vielen österreichischen<br />
und deutschen Städten! Zum Essen haben wirklich wieder viele etwas. Außerdem wird<br />
den Leuten so viel versprochen, dass sie keine Angst mehr vor der Zukunft haben<br />
müssen. "Endlich sind wir wieder wer!" kann man von vielen Seiten her hören und:<br />
"Deutschland ist wieder groß und stark!" Den Menschen wird aber auch Angst gemacht,<br />
dass dieses Große und Starke verhindert werden kann!<br />
<strong>Franziska</strong> (wütend): Ich halt's kaum aus, was mit Menschen gemacht wird, die gegen<br />
Hitler sind und als Verräter hingestellt werden. Unseren Pfarrer haben sie verhaftet<br />
und viele Priester, die wir gut kennen, sind ebenfalls eingesperrt; - was die alles<br />
mitmachen müssen! Auch Leute aus anderen Parteien oder die einfach nur anders<br />
denken als die Nazis, werden ins Gefängnis oder in ein Lager gesteckt.<br />
Franz: Ganz schlimm finde ich auch, was mit Behinderten gemacht wird. Die passen<br />
nämlich auch nicht in das Bild vom starken Deutschen. Ein Bauer hat mir verraten, dass<br />
viele von denen einfach umgebracht werden!<br />
<strong>Franziska</strong>: ... und was man so über das Schicksal von Juden hört – das möchte ich jetzt<br />
gar nicht weiter ausmalen. Ob das die Stimme in deinem Traum gemeint hat, als sie die<br />
Hölle erwähnt hat?<br />
Franz (überlegt kurz): Ja, ganz bestimmt.<br />
<strong>Franziska</strong>: Der Pfarrer hat doch erst vor kurzem etwas über die Hölle gepredigt. Kannst<br />
du dich daran noch erinnern – und passt das zu deinem Traum?<br />
Franz: Ja, da bin ich mir ganz sicher! Hölle – das ist nicht nur der Ort des Bösen,<br />
sondern vielmehr – wie hat das der Pfarrer gesagt – ein Zustand, also wie Leute<br />
miteinander umgehen. Wir bereiten uns sozusagen selbst die Hölle, wenn wir den<br />
anderen Ungerechtes und Böses antun. Hitler verspricht den Himmel – und in<br />
Wirklichkeit bringt er die Hölle!<br />
<strong>Franziska</strong>: Jetzt kann ich verstehen, dass du erschrocken bist! (Nach einer kurzen Pause)<br />
Du, Franz, ich hab' da einen Verdacht: in deinem Traum hast du auch ganz wenige<br />
gesehen, die nicht auf den Zug aufgesprungen sind – und einer von denen bist doch du?!<br />
Franz (nachdenklich): Wenn mir Gott die Einsicht und die Kraft dazu gibt und wenn du<br />
mich unterstützt – dann will ich es versuchen!<br />
Im Jahr 1943 – <strong>Jägerstätter</strong> war inzwischen 36 Jahre alt und Vater von drei kleinen<br />
Mädchen – konnte und wollte er nicht mehr als Soldat dienen. Nachdem er mit seiner<br />
Frau darüber gesprochen hatte, nahm er all seinen Mut und Glauben zusammen und<br />
sagte dies seinen Vorgesetzten, obwohl er wusste, was er zu erwarten hatte. Franz kam<br />
ins Gefängnis, wo er viel leiden musste und schließlich enthauptet wurde.<br />
(aus: Thomas Schlager-Weidinger/ Erna Putz (Hrsg.): Liebe <strong>Franziska</strong>! Lieber Franz! Junge Briefe<br />
an die <strong>Jägerstätter</strong>s, Wagner Verlag, Linz 2008)<br />
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"Junge Briefe an die <strong>Jägerstätter</strong>s"<br />
war 2008 ein Projekt, ins Leben gerufen von Erna Putz und Thomas Schlager-Weidinger.<br />
Sie luden junge Menschen ein, sich mit der Person und der Geschichte von Franz<br />
<strong>Jägerstätter</strong> und seiner Familie auseinanderzusetzen – in Form von Briefen, an die<br />
Töchter Rosalia, Maria und Aloisia, an <strong>Franziska</strong> und an Franz.<br />
Zu "Einsendeschluss" lagen über 400 Einreichungen aus 35 verschiedenen Schulen vor.<br />
Hier einige Beispiele:<br />
Liebe Rosalia <strong>Jägerstätter</strong>!<br />
Zur Zeit des Zweiten Weltkrieges waren Sie noch ein Kind!<br />
Ich habe das Glück, in einer nicht so schwierigen Zeit aufzuwachsen, und bewundere<br />
Ihren Vater Franz <strong>Jägerstätter</strong> sehr für diesen Mut und den Willen, sich gegen den Krieg,<br />
gegen Gewalt und Hass aufzulehnen. Die Mehrheit der Bevölkerung traute sich nicht,<br />
Widerstand zu leisten, oder befand die grausamen Vorgehen an Juden, Behinderten und<br />
politisch Verfolgten sogar für richtig.<br />
Gerade für Sie, Ihre Geschwister und natürlich für Ihre Mutter muss es sehr schwierig<br />
gewesen sein, nach dem Tod Ihres Vaters nicht aufzugeben. Ich weiß nicht, ob ich solch<br />
eine Kraft hätte aufbringen können. Es würde mich sehr interessieren, wie es Ihnen als<br />
Kind damals ergangen ist und wie oder ob Sie schon verstanden haben, was in dieser<br />
grausamen Zeit so alles vor sich ging und warum Ihnen Ihr Vater einfach genommen<br />
wurde!<br />
Es steht für mich fest, dass Sie ganz bestimmt in einer Familie aufwuchsen, die viel<br />
Liebe und Zusammenhalt bewies, denn ohne das wäre es Ihrer Mutter wahrscheinlich<br />
nicht möglich gewesen, nach dem Tod des geliebten Ehemannes für sich und ihre Kinder<br />
zu sorgen. Umgekehrt haben Sie und Ihre Geschwister Ihrer Mutter bestimmt den nötigen<br />
Rückhalt und Lebensmut gegeben, um den Krieg gemeinsam und trotz des traurigen<br />
Ereignisses zu überstehen.<br />
In diesem Sinne möchte ich sagen, dass Sie sehr stolz auf Ihren Vater, aber auch auf sich<br />
selbst und Ihre Familie sein können, weil Sie immer für ihn dagewesen sind.<br />
Hochachtungsvoll<br />
Marlene (17)<br />
Liebe Kinder!<br />
Eure Geschichte interessiert mich sehr. Es war sicher nicht leicht für Euch, ohne Vater<br />
zu leben. Wenn ihr im Bett gelegen seid, konntet Ihr sicher nicht einschlafen, denn ohne<br />
Vater ist es schwer. Ihr habt schwierige Zeiten überwunden. Es wird sicher hart gewesen<br />
sein, als Euer Vater im Gefängnis war. Hattet ihr eigentlich Freunde in der Schule? Wenn<br />
Eure Mutter öfters spazieren oder einkaufen gegangen war, werdet ihr wahrscheinlich<br />
Angst gehabt haben, dass Eurer Mutter auch etwas passieren könnte. Ich fand es richtig,<br />
was Euer Vater getan hat. Er träumte von einem Zug, der in Wirklichkeit von Hitler<br />
handelte, denn der Zug fuhr in die Hölle. Alle Leute stiegen ein, doch er nicht, und das<br />
tat er dann in Wirklichkeit, er ging nicht in den Krieg. Es wird sicher nicht leicht<br />
gewesen sein, wenn Ihr gegessen habt und ein Sessel immer leer geblieben ist.<br />
Liebe Grüße von<br />
Anja (10)<br />
Liebe Frau <strong>Jägerstätter</strong>!<br />
Ich habe die Dokumentation über Ihren Mann gesehen. Er war ein guter, gläubiger<br />
Mensch. Viele fanden es feig, dass er nicht in den Krieg zog, dabei war es mutig, NICHT<br />
in diesen unfairen Krieg zu ziehen. Leider war es schon zu spät für ihn, als er sich zum<br />
Sanitätsdienst gemeldet hätte. Auch wenn viele ihn für einen Spinner hielten, finde ich,<br />
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er war der Einzige, der Recht hatte. Er war ein guter Christ, und ich bin froh, dass er<br />
zumindest jetzt anerkannt wird.<br />
Elias (13)<br />
Liebe <strong>Franziska</strong>!<br />
Hallo, ich heiße Jaqueline. Wir haben uns in Religion mit Ihrem heldenhaften Mann<br />
beschäftigt. Ich bin froh, dass der Krieg vorbei ist und wir in friedlichen Zeiten<br />
aufwachsen können.<br />
Meine Oma hat mir <strong>erzählt</strong>, dass die Russen in Kriegszeiten bei meiner Uroma immer<br />
Brot geholt haben, aber im Austausch brachten sie ihr eine Kleinigkeit mit, zum Beispiel<br />
ein Stück Seife. Meine Oma hatte immer große Angst vor den fremden Männern und<br />
versteckte sich dann hinter dem Tisch, wenn sie ins Haus kamen.<br />
Mein Uropa und drei Brüder von meiner Uroma sind im Krieg umgekommen. Für mich<br />
sind Sie und Franz <strong>Jägerstätter</strong> ein großes Vorbild. Ich hätte mich so etwas nie im Leben<br />
getraut.<br />
Jetzt weiß ich, dass man auf sein Gewissen auf alle Fälle hören sollte.<br />
Herzliche Grüße<br />
Jaqueline (12)<br />
Lieber Franz!<br />
Ich weiß, dass Du sehr gelitten hast für Deinen Glauben. Aber warum hast Du Dich lieber<br />
hinrichten lassen, als für die Deutsche Wehrmacht zu kämpfen?<br />
Einerseits verstehe und respektiere ich Deine Entscheidung, andererseits verstehe ich<br />
nicht, warum Du Deine Kinder im Stich gelassen hast. Wolltest Du, dass die anderen<br />
Menschen Dir folgen und ebenfalls den Wehrdienst verweigern? Wolltest Du einen<br />
Aufstand heraufbeschwören? Wolltest Du darauf aufmerksam machen, dass der<br />
Nationalsozialismus keinen Glauben hat? Je mehr ich über diese Sache nachdenke desto<br />
mehr verstehe ich Deine Entscheidung. Es muss hart für Dich gewesen sein und noch<br />
härter für Deine Frau und Deine Kinder.<br />
Ich danke Dir für all Deine Taten.<br />
Sebastian (13)<br />
(aus: Thomas Schlager-Weidinger/ Erna Putz (Hrsg.): Liebe <strong>Franziska</strong>! Lieber Franz! Junge<br />
Briefe an die <strong>Jägerstätter</strong>s,Wagner Verlag, Linz 2008)<br />
Theater des Kindes<br />
Langgasse 13<br />
4020 Linz<br />
Tel: 0732/605255<br />
Fax: 0732/605255-5<br />
office@theater-des-kindes.at<br />
www.theater-des-kindes.at<br />
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