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ensuite<br />
Nr. 51 März 2007 | 5. Jahrgang<br />
k u l t u r m a g a z i n<br />
Wenn die letzte<br />
Hoffnung zerbricht Seite 4<br />
Die 3. Kulturstrategie und die Kritik<br />
Festival Ouest-Est Seite 12<br />
Endlich Kultur in der Hauptstadt<br />
Global Jazz City Seite 17<br />
Viktoria Tolstoy und Joe Zawinul in Bern<br />
Auftakt Literaare:<br />
M<strong>art</strong>in Walser Seite 86<br />
Von Gefühlsidioten, lebenslang
Ensemble Paul Klee – Fokus IV «Warhol»<br />
So, 18. März 2007, 14 Uhr Film, 16 Uhr Konzert<br />
Auditorium, Zentrum Paul Klee, Bern.<br />
Mit Dégustation Soupe Campbell.<br />
A) 14 Uhr, Andy Warhol (1928-1987): «Empire» (1965), Stummfilm<br />
B) 16 Uhr, Konzert Teil I: Werke von Steve Reich, Lou Reed, John Cale<br />
C) 17.15 Uhr, Pause mit Dégustation «What’s for dinner tonight?»<br />
D) 18 Uhr, Konzert Teil II: «Westen» Werke von<br />
Mauricio Kagel<br />
<br />
<br />
www.zpk.org<br />
Oscar Wiggli<br />
Körper – Raum – Klang<br />
Eine Werkübersicht<br />
Im Kunstmuseum Bern und im Zentrum Paul Klee<br />
bis 13. Mai 2007<br />
Chinafenster<br />
Ji Dachun, Liu Ye<br />
bis 1. April 2007<br />
Im Graphischen Kabinett<br />
Louise Bourgeois – Fugue<br />
bis 8. April 2007<br />
Kunstmuseum Bern<br />
Hodlerstrasse 8–12 | 3000 Bern 7 | T 031 328 09 44<br />
www.kunstmuseumbern.ch | info@kunstmuseumbern.ch<br />
Öffnungszeiten: Di 10-21h | Mi-So 10-17h<br />
Spitalgasse 4 / 3. UG / CH-3011 Bern<br />
Vorverkauf 031 311 61 00<br />
Mo.- Fr. 16.00 -19.30 Sa . 14.30 - 16.30 Uhr<br />
www.theater-am-kaefi gturm.ch<br />
«SEXSWISSWELL»<br />
1. Schweizer Doppelbettkongress<br />
Lachen kann Ihre Gesundheit fördern. «Sexswisswell» ist<br />
für Singles und Longplayers, Entfesselte, Verletzte,<br />
Aphrodisierte und Aufschnaubende. Sinnlich, verrückt,<br />
erotisch, entrückt. Soloprogramm mit Rosetta Lopardo,<br />
bekannt aus dem Komikerduo Fatal Dö.<br />
1. bis 3. März, jeweils 20 Uhr<br />
«WÄR RASCHTET – ROSCHTET»<br />
Lustspiel in drei Akten von Elsa Bergmann.<br />
Theater (nicht nur) für Senioren von 25 - 99.<br />
«WILLKOMMEN AN BORD»<br />
Ein weiteres Mund<strong>art</strong>stück derselben Schweizer Autorin<br />
Elsa Bergamann.<br />
7. und 10. März um 14.30 und 16.00 Uhr /<br />
Doppelvorstellungen<br />
«CABARET DUO – DIVERTIMENTO»<br />
Wegen grosser Nachfrage Zusatzvorstellungen<br />
Inzwischen ist das Schweizer Trend-Cabaretduo nominiert<br />
für den Prix Walo 2007. Erfrsichend - witzig - schräg und<br />
Jung! Ein Cabaret mit grosser Zukunft.<br />
13. bis 15. März, jeweils 20 Uhr<br />
«SWISS TENORS»<br />
Mit dem neuen Erfolgsprogramm «Granata»<br />
Ein prickelndes Feuerwerk zwischen Arie, Schlager und<br />
Musical. Die drei von der Gesangsstelle sind Tenöre der<br />
Spitzenklasse, welche keinen Humor haben wollen und wohl<br />
gerade deshalb so unterhaltend sind.<br />
16. und 17. März, jeweils 20 Uhr
impressum<br />
Herausgeber: Verein WE ARE, Bern Redaktion: Lukas Vogelsang<br />
(vl); Stephan Fuchs (sf); Anna Vershinova (av) // Claudia Badertscher<br />
(cb), Andrea Baumann (ab), Peter J. Betts (pjb), Jean-Luc<br />
Froidevaux (jlf), Till Hillbrecht (th), Michael Imoberdorf (mi), Sonja<br />
Koller (sk), Andy Limacher (al), Belinda Meier (bm), Monique<br />
Meyer (mm), Eva Mollet (ev), Magdalena Nadolska (man), M<strong>art</strong>a<br />
Nawrocka (mn), Eva Pfi rter (ep), Nicolas Richard (nr), Caroline<br />
Ritz (cr), Benedikt S<strong>art</strong>orius (bs), Monika Schäfer (ms), Anne-<br />
Sophie Scholl (ass), Karl Schüpbach (ks), Sarah Stähli (ss), Tabea<br />
Steiner (ts), Kathrina von W<strong>art</strong>burg (kvw), Simone Wahli (sw),<br />
Sonja Wenger (sjw) C<strong>art</strong>oon: Bruno Fauser, Bern; Telefon 031 312<br />
64 76 Kulturagenda: kulturagenda.ch; ensuite - kulturmagazin,<br />
Bewegungsmelder AG, allevents, Biel; Abteilung für Kulturelles<br />
Biel, Abteilung für Kulturelles Thun, interwerk gmbh. Korrektorat:<br />
Monique Meyer (mm)<br />
Abonnemente: 58 Franken für ein Jahr / 11 Ausgaben. Abodienst:<br />
031 318 60 50<br />
ensuite – kulturmagazin erscheint monatlich. Aufl age: 10‘000<br />
Anzeigenverkauf: anzeigen@ensuite.ch Layout: interwerk gmbh:<br />
Lukas Vogelsang Produktion & Druckvorstufe: interwerk gmbh,<br />
Bern Druck: Fischer AG für Data und Print Vertrieb: Gratisaufl age<br />
an 350 Orten im Kanton Bern; passive attack, Telefon 031 398<br />
38 66 Web: interwerk gmbh<br />
Hinweise für redaktionelle Themen (nicht Agendaeinträge!)<br />
erwünscht bis zum 11. des Vormonates. Über die Publikation<br />
entscheidet die Redaktion. Bildmaterial digital oder im Original<br />
beilegen.<br />
Agendahinweise bis spätestens am 18. des Vormonates. Redaktionsschluss<br />
der Ausgabe ist jeweils am 18. des Vormonates.<br />
(siehe auch www.ensuite.ch - menü: veranstalter)<br />
Die Redaktion ensuite - kulturmagazin ist politisch, wirtschaftlich<br />
und ethisch unabhängig und selbständig. Die Texte repräsentieren<br />
die Meinungen der Autoren/innen, nicht jene der Redaktion.<br />
Copyrights für alle Informationen und Bilder liegen beim Verein<br />
WE ARE in Bern und der edition ■ ensuite.<br />
Redaktionsadresse:<br />
Bild Titelseite und rechts:<br />
Jazz Classics Bern: Viktoria Tolstoy<br />
Freitag, 23. März 2007 im<br />
Theater National Bern<br />
Fotos: zVg.<br />
ensuite – kulturmagazin<br />
Sandrainstrasse 3<br />
3007 Bern<br />
Telefon 031 318 6050<br />
mail: redaktion@ensuite.ch<br />
www.ensuite.ch<br />
Eigentlich, eigentlich...<br />
■ Das dritte Kulturkonzept liegt vor. In drei Jahren<br />
wurden drei Konzepte geschrieben für die<br />
Jahre 2008 – 2011, also für nur vier Jahre Berner<br />
Kultur. Welch ein Aufwand. Schlussendlich hat dieses<br />
Konzept nur den einen Nutzen: Den Politikern<br />
zu erklären, wo das Geld hinfl iessen soll. Mit Kunst<br />
oder Kultur hat das alles nichts zu tun, denn darüber<br />
wird nicht debattiert. Für das Publikum und<br />
die KünstlerInnen ändert sich mit einem neuen<br />
Konzept also wenig. Denn wenn kein Geld vorhanden<br />
ist, so wird eine Institution oder KünstlerIn ein<br />
Projekt nicht durchführen oder man sucht sich seine<br />
eigene Finanzierungsmöglichkeit. Die Besucher<br />
werden, wenn eine Veranstaltung nicht stattfi ndet,<br />
eine andere Stadt oder einfach eine andere Veranstaltung<br />
besuchen. Das ist wie das Schaf auf der<br />
Weide, wenn’s kein Gras mehr hat, sucht es sich<br />
einen anderen Ort. Politisch kann ein Konzept nur<br />
Türen öffnen oder schliessen – nicht aber zusperren.<br />
Der kulturelle Inhalt ist weit weg davon. Und<br />
somit geht’s in der Kulturstrategie um Steuergeld<br />
und um die Verteilung davon. Und es ist verständlich,<br />
dass wenn es «gratis» Geld gibt, ein Gerangel<br />
herrscht. Von der politischen, wie von der kulturellen<br />
Seite. Mehr zum neuen Kulturkonzept, mit einigen<br />
interessanten Beobachtungen, gibt’s in dieser<br />
Ausgabe.<br />
Trotzdem, es klingt für mich alles wie die Service-Public–Diskussion<br />
der Fernsehstationen vor<br />
ein paar Jahren. Was an Kultur und an Kunst wirklich<br />
wertvoll ist, das haben wir schon längst vergessen<br />
oder winken gelangweilt ab. Bern ist wieder<br />
eine riesige kulturelle Baustelle geworden. Und mit<br />
dem Frühling erwachen in den Menschen die Neandertalerhormone<br />
und das Schneeglöckchen steckt<br />
sein Köpfchen wegen eines Lastwagenpneus japsend<br />
in den Boden zurück.<br />
Lukas Vogelsang<br />
INHALT<br />
KULTUR & GESELLSCHAFT<br />
wenn das joch die zukunft prägt 4 | das kornhausforum<br />
stellt sich selber vor 5 | 10. märz - tag der<br />
chinesischen schande 11 | «es geht nicht darum,<br />
wer in der schweiz ja stimmt und wer nein.» 12<br />
| die ceos blicken alle 29<br />
LITERATUR<br />
urs augstburger, thomas lang, rory stew<strong>art</strong> 9 | literaturfestival<br />
literaare: gefühlsidioten, lebenslang<br />
86<br />
BÜHNE<br />
kabarett lebt 7 | ausblick bühne 7 | filosofenecke 8 |<br />
zwei fäuste für eine inszenierung 8<br />
KINO / FILM<br />
wir basteln uns eine komödie 23 | «sind filme<br />
wichtiger als das leben?» 23 | fi lmkritik 24 | la<br />
môme - la vie en rose 24 | notes on a scandal 25 |<br />
das andere kino 26<br />
MUSIK<br />
vom staunen 14 | der füssli-zyklus 15 | jazz mit<br />
heissem atem 17 | jazz in bern 17 | zwei feen auf<br />
besuch in bern 18 | verfrühtes frühlingserwachen<br />
mit cibelle 19 | spotlight 19 | «coca-cola schmeckt<br />
nun mal besser als rivella» 20 | «am anfang war<br />
das wort, aber davor wurde gehustet» 21 | das<br />
spiel mit den etiketten 22<br />
LIFESTYLE<br />
insomnia 21 | clubbing: phönix aus dem wasser 33<br />
| stadt und land: «wohl um den glauben sein / da<br />
hat man ihn gefangen h<strong>art</strong>...» 34 | reiseziel hotel:<br />
einfach ins easyhotel basel 35<br />
DIVERSES<br />
stadtläufer 15 | digitalkultur 22 | tratschundlaber<br />
25 | leserbriefe 30 | von menschen und medien /<br />
fauser c<strong>art</strong>oon 31 | berner kulturmenschen: kreativ<br />
in berlin und anderswo 32<br />
KULTUR-PUBLIREPORTAGE<br />
indian music festival 57 | museumsnacht 07 63 |<br />
selbst die traurigsten geschichten machen nicht<br />
traurig, sondern tun einfach angenehm weh 66 |<br />
18.3.2007: hommage à warhol - konzert, film und<br />
campell soup 69<br />
KULTURAGENDA<br />
kulturagenda bern 53 | biel 82 | thun 87<br />
Kunstbeilage:<br />
Neu mit mehr inhaltlichen Seiten:<br />
<strong>art</strong>ensuite ab Seite 37<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 51 | März 07 3
fokus<br />
KULTUR & GESELLSCHAFT<br />
wenn das joch die zukunft prägt<br />
Von Lukas Vogelsang – Die obligate, polemische Kritik zum dritten Kulturkonzept der Stadt Bern<br />
■ In einem Interview in der «Weltwoche» (Ausgabe<br />
Nummer 6 / 2007) mit Michael Schindhelm, ehemaliger<br />
Intendant des Theaters Basel, äusserte sich<br />
dieser mit der Aussage: «Wir haben viel Kultur, weil<br />
wir dafür viel Geld ausgeben, in Form von Steuern.<br />
Das ist nicht nur gut, sondern auch bedenklich. Man<br />
kann sich fragen, ob man das Geld der Kultur gibt,<br />
weil man ein schlechtes Gewissen oder weil man<br />
ein Interesse daran hat. Man ärgert sich zwar über<br />
diese Subventionsempfänger, aber gleichzeitig will<br />
ja auch niemand fordern, die Subventionen ganz zu<br />
streichen.» Ein denkwürdiges Statement. Die neuste<br />
Kulturstrategie aus der Abteilung Kulturelles bietet<br />
diesbezüglich viel Diskussionsfl äche. Mutig, so wie<br />
sie Alexander Tschäppät an der Pressekonferenz<br />
vom 20. Februar dargestellt hatte, ist sie allerdings<br />
nicht. Am auffallendsten ist sicher, dass das Kornhausforum<br />
kein Geld mehr erhalten und ab 2008<br />
deswegen leer stehen soll (sprich, die Miet-Forderungen<br />
würden sich einfach in ein anderes Kässeli<br />
verlagern…). Die Stadtgalerie, welche auch nicht<br />
mehr fi nanziert würde, ist jetzt zumindest dem<br />
PROGR angeschlossen und kann sich über andere<br />
Gelder und ein neues Konzept (Artists in residence)<br />
fi nanzieren. Doch eine Institution wie das Kornhaus<br />
zu schliessen, ist kurzsichtig – schon nur wenn man<br />
bedenkt, dass es nicht klar ist, was ab 2009 mit dem<br />
PROGR und seinen Bühnen geschehen wird.<br />
Nach den utopischen Forderungen von fast neun<br />
Millionen Franken mehr Kulturgeld kam es innerhalb<br />
von fünf Monaten zum Verlust einer ganzen Million<br />
für die Berner Kulturszene. Dabei war bereits vor<br />
letztem Sommer klar, dass die Stadt nicht mehr Geld<br />
für die Kultur zur Verfügung stellen kann, ausser<br />
den vertraglich gesicherten 3,35 Millionen für die<br />
fünf grossen Kulturinstitutionen (1,35 Millionen) und<br />
den zwei Millionen für die kulturellen Institutionen<br />
und Organisationen. An einem BeKult-Gespräch mit<br />
Alexander Tschäppät und Christoph Reichenau im<br />
ONO-Keller erörterte dies Tschäppät bereits. Doch<br />
es blieb anscheinend ungehört.<br />
Es ist nichts entschieden Bis zum 12. März<br />
ist noch nichts entschieden, denn weder der Gemeinderat<br />
noch der Stadtrat haben eine offi zielle<br />
Entscheidung getroffen, ob das Kornhaus geschlossen<br />
werden soll. Es ist erst ein Vorschlag, und der<br />
kommt aus dem ersten und zweiten ‹Runden Tisch›<br />
der Vertretungen der Stadtratsfraktionen und dem<br />
Gemeinderat, welche ein Sparpaket «zur Diskussion»<br />
vorgestellt hatten – ein kleines, aber brisantes<br />
Detail. Eine Verabschiedung des Geschäftes<br />
hat also noch nicht stattgefunden. Und noch vor<br />
4<br />
Weihnachten versprach die Abteilung Kulturelles,<br />
für das Kornhaus Lösungen zu suchen, doch nach<br />
dem zweiten ‹Runden Tisch› vom 17. Januar und in<br />
einem Artikel vom «Bund» (vom 17. Januar!) war<br />
plötzlich die Rede davon, dass Christoph Reichenau<br />
und Alexander Tschäppät diejenigen waren, welche<br />
das Kornhaus über die Klippe stossen. Komisch.<br />
Im Gespräch mit Stadtrat Simon Glauser (SVP)<br />
und Stadtrat Christoph Berger (SP) wurde es deutlicher:<br />
Beide Stadträte haben in der Stadtratskommission<br />
für Soziales, Bildung und Kultur am 19. Februar<br />
die neuste Kulturstrategie zurückgewiesen<br />
und eine zweite, vorabklärende Sitzung verlangt.<br />
Die SVP ist dabei genauso gegen eine Schliessung<br />
des Kornhauses, wie die SP – ein klares Signal. Was<br />
aber für beide Fraktionen gilt, ist der Fakt, dass die<br />
Stadt für das Kornhaus nicht Extra-Geld aufwerfen<br />
kann, dieses also durch eine Umverteilung Gelder zu<br />
retten sei. Der Vorschlag allerdings, dass das Kornhausforum<br />
mit weniger Subvention auskommen<br />
soll, stösst im Kornhausforum selber vorerst auf<br />
wenig Gegenliebe. Störend ist auch, dass die Abteilung<br />
Kulturelles keine Alternative für die bisherige<br />
Forumplattform aufgezeigt hat. Das ist strategisch<br />
sehr ungeschickt. Erstaunt ist man erst recht über<br />
die Taktik, wenn man sich kurz an den Vorfall des<br />
museums franz gertsch erinnert. Nach dem Eklat<br />
dort im letzten November wurden grosse Worte in<br />
Diskussionsrunden gesprochen - doch gelernt hat<br />
man anscheinend nichts.<br />
Spätestens jetzt stellt sich die Frage, ob eine<br />
mögliche Finanzspritze von den fünf Grossen helfen<br />
könnte: Kunstmuseum, Zentrum Paul Klee, Bernisches<br />
Historisches Museum, Berner Symphonie-Orchester<br />
und Stadttheater - bei diesen Institutionen<br />
könnte man irgendwo sparen, schliesslich baut fast<br />
jede dieser Institutionen irgendwo einen Anbau -<br />
ob alles gleichzeitig umgesetzt werden muss? Hier<br />
muss man allerdings die Funktion der RKK (Regionale<br />
Kulturkonferenz) in der Städtischen Kulturförderung<br />
sehen und verstehen. Es ist nicht leicht,<br />
Geld von den grossen Institutionen zur Rettung<br />
des Kornhauses abzuzweigen, denn die Agglomerationsgemeinden<br />
haben vertraglich ein Budget<br />
gesprochen, zu vorgegebenen Budgetzahlen dieser<br />
Häuser – diese Verträge wieder aufzubrechen,<br />
wäre ein Alptraum für die gesamte Stadt, Region<br />
und Kanton. Doch das ist keine Entschuldigung und<br />
zeigt höchstens Planungs- und Konzeptfehler auf.<br />
Klar ist, dass diese Kulturstrategie von der Abteilung<br />
Kulturelles viel zu spät erfasst und verstanden<br />
wurde. Entstanden ist ein Flickwerk und das Opfer<br />
in Form des Kornhausforums ist zu gross. Das Kornhausforum<br />
hat immerhin eine nationale Ausstrahlung,<br />
was die wenigsten mittleren Institutionen<br />
von sich behaupten können - und die Eliminierung<br />
davon als mutig zu bezeichnen, ist ein schlechtes<br />
Verkaufsargument.<br />
Zum dritten Mal Bei der dritten Fassung der<br />
Kulturstrategie 2008 – 2011, welche in vielen Bereichen<br />
wieder frisch geschrieben wurde, erstaunt<br />
deshalb, dass ein neues Kapitel «7.4 Weshalb keine<br />
Finanzierung des Kornhausforums ab 2008?» bereits<br />
eingefügt ist. Übel wird es dann mit der Erklärung:<br />
«Ein Einschnitt dieser Art tut weh. Er trifft die<br />
Angestellten h<strong>art</strong>. Und er bedeutet einen Verlust<br />
für die Berner Kulturlandschaft, da jede Institution<br />
mit ihrem Angebot zur hohen Lebensqualität in der<br />
Stadt beiträgt. Der Gemeinderat trifft diese schwierige<br />
Entscheidung, um grösseren Schaden für eine<br />
Vielzahl kultureller Einrichtungen zu verhindern<br />
(…).» Hier wird wieder klar eine Entscheidung des<br />
Gemeinderates vorgezogen, die noch gar nicht gefällt<br />
ist.<br />
Bundesgeld Der Bundesbeitrag von 960‘000<br />
Franken wird zu 75 Prozent für die fünf grössten<br />
Institutionen eingesetzt, die ihrerseits 75 Prozent<br />
des städtischen Kulturbudgets beanspruchen. Eine<br />
öffentliche Rettung von aussen ist also nicht möglich<br />
– solange die Abteilung Kulturelles nicht den<br />
wirklich mutigen Schritt unternimmt, diese fantastischen<br />
fünf Grossen ein wenig zu beuteln. Das Stadttheater<br />
zum Beispiel muss bis Ende 2007 ein neues<br />
Konzept vorlegen. Die Finanzierung dieses Konzeptes<br />
wurde aber mit 40‘000 Franken dem Budget<br />
2006 der Abteilung Kulturelles angerechnet – anzunehmen,<br />
dass 2007 noch mehr Geld fl iesst. Es ist<br />
eine merkwürdige Praxis.<br />
Fragwürdiger Kurs Die Idee und der Slogan<br />
der Stadt «Mit den erhöhten Kulturmitteln den<br />
fünf grossen und den kleineren Institutionen eine<br />
sichere Grundfi nanzierung bieten und Entwicklung<br />
ermöglichen» scheinen sich zu einseitig für die<br />
Grossen entschieden zu haben. Es riecht förmlich<br />
nach Denkmalpfl ege - schon nur, wenn Tschäppät<br />
über das Buskers-Festival schwärmt (dieses erhält<br />
neu 100‘000 Franken). Viele weitere Vorschläge zur<br />
Förderung der Kultur sind fraglich, so zum Beispiel<br />
das «Tanzbüro» welches mit 200‘000 Franken jeden<br />
Rekord bricht. Wir haben in Bern und im Kanton<br />
gleich mehrere Tanzorganisationen, die sich sehr<br />
gut selbst organisiert haben. Ebenfalls unschön ist<br />
die Finanzierungslösung der Jazzveranstalter in<br />
Bern, die sich nach eifrigen Diskussionen nicht eini-<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 51 | März 07
gen konnten (BeJazz und bee-fl at). Schlussendlich<br />
hat’s eine unfaire Verteilung gegeben und gestraft<br />
werden vor allem die lokalen und regionalen Jazzmusiker.<br />
Dass aber die Pop-/Rockmusik neu mit<br />
100‘000 Franken gefördert werden soll, ist zwar<br />
toll, aber im Konzept fehlt jegliche Grundlage oder<br />
Erklärung, wohin dieses Geld fl iessen wird. Denn<br />
hier gibt es im Gegensatz zu anderen Sp<strong>art</strong>en keine<br />
wirklich aktive Organisationsstruktur. Und die Musikkommission<br />
wird mit drei Musiksp<strong>art</strong>en überfordert<br />
sein.<br />
Und jetzt? Die neue Kulturstrategie ist zu sehr<br />
auf Institutionen fokussiert. Kunst und Kultur werden<br />
politisch nur als Ereignis, als Event gesehen - es<br />
gibt den einzelnen Künstler nicht mehr. Der erste<br />
Schritt zu einer kulturellen Bratwurststadt ist damit<br />
gelegt. Das künstlerische Schaffen in Bern ist aber<br />
um vieles wichtiger als die Institutionalisierung davon.<br />
Durch die Zusammenarbeitklausel, zu welchen<br />
sich die Institutionen verpfl ichten müssen, wird zudem<br />
der Kultur ein Joch hingestellt – von Freiheit ist<br />
hier keine Rede mehr, das ist pure Beamtenkultur.<br />
Entscheidungen werden über Geld und die Politik,<br />
nicht aber durch die Kulturverantwortlichen und<br />
-schaffenden gefällt. Das zeigt schön das Beispiel<br />
mit BeJazz: Sie erhalten ab 2008 keine Geld mehr<br />
für die Konzerte (ausser Festivals), organisieren<br />
aber die SwissJazzSchool und die Berner Szene,<br />
während bee-fl at für ihre Konzerte mit allen nationalen<br />
und ausländischen Musikern subventioniert<br />
wird. Da lohnt es sich als Berner Musiker mit Tanzen<br />
zu beginnen und über den überdimensionalen<br />
Förderbeitrag des Berner Tanzes die Gage abzuholen...<br />
Was Bern schon lange bräuchte und was uns<br />
andere Städte weit voraus sind, ist eine Organisation<br />
für kulturelle Institutionen, welche genau die<br />
fehlende Kommunikationsbrücke zur öffentlichen<br />
Hand bilden würde. Der einzige Versuch in diese<br />
Richtung war «Bekult» - und genau dieser wurde<br />
jetzt mit dem Kornhausforum abgewürgt. Ein<br />
schlechtes Spiel.<br />
Zum Schluss hinterlässt die Tatsache, dass der<br />
verantwortliche Kultursekretär, Christoph Reichenau,<br />
die Umsetzung dieser Kulturstrategie nur noch<br />
am Rande mitbekommen wird, einen fahlen Nachgeschmack.<br />
2008 will er sich frühzeitig pensionieren<br />
lassen und seine Nachfolge, die Kulturschaffenden<br />
und die Institutionen müssen sich bis 2011 mit dieser<br />
Strategie herumschlagen. Manchmal holt einen die<br />
Vergangenheit wieder ein. Wir sollten schon jetzt<br />
mit der übernächsten Strategie beginnen.<br />
das kornhausforum<br />
stellt sich selber vor<br />
■ Das Kornhausforum wurde im November 1998<br />
eröffnet. Auf diesen Zeitpunkt wurde das alte Kornhaus,<br />
einstiges Lager- und Handelshaus, für<br />
knapp 15 Millionen Franken saniert und umgebaut.<br />
Die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger hatten die<br />
vielfältige, öffentliche Nutzung gutgeheissen und<br />
die Stadt schuf mit dem Einzug der Bibliotheken,<br />
Restaurant und Café und der Gründung des Kornhausforums<br />
ein Haus für Medien und Gestaltung, das<br />
schnell zu einem lebendigen Treffpunkt im Herzen<br />
der Stadt geworden ist. Viele hundert Menschen gehen<br />
hier jeden Tag ein und aus. Das Kornhausforum<br />
erreicht mit seiner Präsenz und seinem Programm<br />
neben den an spezifi schen Themen interessierten<br />
Leuten ein vielschichtiges Publikum – Passantinnen<br />
und Passanten, Bibliotheksbesucherinnen und<br />
Besucher, Familien mit Kindern, Jugendliche ebenso<br />
wie Geschäftleute fi nden den Weg ins Forum. Nun will<br />
der Gemeinderat in seiner Kulturstrategie neue Prioritäten<br />
setzen und das Kornhausforum schliessen.<br />
In den acht Jahren seiner Existenz hat sich das<br />
Kornhausforum ein Profi l in den Bereichen Gestaltung<br />
und Gesellschaftspolitik geschaffen. Es präsentiert<br />
Ausstellungen und Projekte aus den Sp<strong>art</strong>en<br />
Architektur, Design, angewandte Kunst, Fotografi e,<br />
Video und Neue Medien und ergänzt diese durch<br />
Rahmenveranstaltungen, Programmreihen, Führungen,<br />
Vorträge, Diskussionen und Angebote für Schulen.<br />
Das Kornhausforum greift mit Ausstellungen, in<br />
fokus<br />
Vorträgen, Diskussionen und Podiumsgesprächen<br />
gesellschaftspolitische Fragen auf, die für Bern als<br />
politisches Zentrum der Schweiz und der Region relevant<br />
sind und sich an ein breites Publikum richten.<br />
Die meisten Ausstellungen und Projekte werden<br />
im Sinne des Forumscharakters mit P<strong>art</strong>nerinstitutionen<br />
und Dritten in Form von Koproduktionen<br />
oder Übernahmen von bereits konzipierten Projekten<br />
realisiert. Nur so kann das Kornhausforum mit<br />
vergleichsweise bescheidenen Mitteln eine Vielzahl<br />
an Ausstellungen und Projekten präsentieren. Es<br />
fl iessen also diverse externe Budgets bereits in den<br />
laufenden Betrieb. P<strong>art</strong>nerinstitutionen wie das Architekturforum<br />
Bern leisten zudem viele Stunden<br />
Freiwilligenarbeit. Mit den 320 Stellenprozenten<br />
und rund 250‘000 Franken Betriebsmitteln werden<br />
sozusagen eine Basisinfrastruktur, eine Betreuung<br />
der Veranstaltungen und eine gemeinsame Werbung<br />
geboten. Den Luxus, ein eigenes Konzept umzusetzen,<br />
hat sich das Kornhausforum letztes Jahr<br />
mit der national vielbeachteten Ausstellung «Spielwitz<br />
und Klarheit – Schweizer Architektur, Grafi k<br />
und Design 1950 – 2006» aufgrund von Rückstellungen<br />
erstmals leisten können. Das jährliche Budget<br />
beträgt seit 2003 ca. 1,25 Millionen Franken. Davon<br />
erwirtschaftet das Forum jedes Jahr 250‘000<br />
Franken durch Vermietungen, Mitglieder- und Sponsoringbeiträge.<br />
Die Stadt Bern unterstützt das Kornhausforum<br />
mit jährlich 980‘000 Franken, wovon<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 51 | März 07 5
fokus<br />
jedoch 410‘000 Franken an Miete wieder zurück in<br />
die Stadtkasse fl iessen.<br />
Bis Ende 2006 fanden im grossen Saal 47<br />
Ausstellungen wie ATU Prix 00, 03, 06, Adrian Frutigers<br />
«Read me», «Plakate» von Stephan Bundi<br />
und Claude Kuhn über «Food Design», «Globi»,<br />
«Design Preis Schweiz 05», «Helvetia hält Hof»,<br />
«L’Historie c’est moi», bis hin zu den Fotoausstellungen<br />
von Michael von Graffenried und Sebastião<br />
Salgados «Workers» und «Migration» statt. Auf<br />
der Galerie waren es 71 Projekte, zumeist kleinere<br />
Wanderaustellungen. Über 700 öffentliche und über<br />
1300 geschlossene Veranstaltungen ergänzen bis<br />
Ende 2006 das dichte Programm. Rund 45‘000<br />
Besucherinnen und Besucher zählt das Kornhausforum<br />
jährlich.<br />
6<br />
Auf die drohende Schliessung haben viele unserer<br />
P<strong>art</strong>nerinnen und P<strong>art</strong>ner mit Briefen an<br />
den Gemeinde- und Stadtrat reagiert. Das ideelle,<br />
fi nanzielle und oft persönliche Engagement unserer<br />
P<strong>art</strong>nerinnen und P<strong>art</strong>ner und vieler externer<br />
Veranstalterinnen und Veranstalter ist für das Kornhausforum<br />
zentral. Diese vielen Reaktionen sowie<br />
die Leserbriefe in «Bund» und «Berner Zeitung»<br />
fassen wir als deutliches Zeichen auf, dass das Kornhausforum<br />
einen wichtigen Platz auf dem kulturellen<br />
Stadtplan einnimmt. DANKE.<br />
Sollte das Kornhausforum geschlossen werden,<br />
hätte im Veranstaltungskalender der Bundesstadt<br />
der Programmbereich Gestaltung, insbesondere<br />
die Architektur und die Refl exion über das Bauen<br />
mit dem P<strong>art</strong>ner Architekturforum Bern, keinen ei-<br />
genen Ort mehr. Im Bereich der Gestaltung stünden<br />
beispielsweise der Bernischen Stiftung für angewandte<br />
Kunst und Gestaltung, der HKB, BFF, AHB<br />
und GIBB kein Ausstellungs- und Veranstaltungsort<br />
im Zentrum der Stadt zur Verfügung. Wanderausstellungen<br />
auf der Galerie – viele davon national<br />
wichtige Projekte – fehlte vor der Eröffnung des<br />
Kornhausforums ein geeigneter Ort. Die Bundesstadt<br />
würde wieder in diesen alten Zustand zurück-<br />
versetzt. Im Kornhausforum fi nden regelmässig<br />
wiederkehrende Veranstaltungen wie das Altersforum<br />
der Stadt Bern, das Forum für Migrantinnen<br />
und Migranten, die Lehrmittelausstellung, das WiSo-<br />
Fest oder das Scambio-Fest statt.<br />
Auch für Veranstaltungen und Feste mit experimentellem<br />
und sp<strong>art</strong>enübergreifendem Charakter<br />
eignet sich der wandelbare Stadtsaal. Die Räume<br />
mit variablen Grössen von 390 qm, 510 qm oder<br />
630 qm sind eine ideale zentrale Ergänzung zu<br />
den anderen Orten im Zentrum der Stadt wie Kulturcasino<br />
oder Kursaal. Schliesslich würde dem gesamten<br />
Kornhaus, das als offenes Haus, als «Bildungs-<br />
und Kulturhaus» (Vortrag GR an SR 1995),<br />
für die Berner Bevölkerung gegründet wurde und<br />
heute zu einem Anziehungspunkt geworden ist,<br />
das «Herz des Kornhauses» (Abstimmungsvorlage<br />
1996) mit den kulturellen Veranstaltungen fehlen.<br />
Wir erw<strong>art</strong>en gespannt den Entscheid des<br />
Stadtrats vom 22. März. Natürlich werden wir in<br />
diesem alles entscheidenden Moment auf den<br />
Tribünen des Rathauses die Daumen drücken und<br />
freuen uns über alle Mitmenschen, die uns dabei<br />
Gesellschaft leisten. Bis dahin setzen wir alle Hebel<br />
in Gang, um das Damoklesschwert über unserem<br />
Kopf abzuwenden und das Kornhausforum den<br />
Bürgerinnen und Bürgern dieser Stadt zu erhalten.<br />
Leserbriefe und weitere Statements an den Gemeinde-<br />
und Stadtrat von Bern bestärken uns im<br />
Durchhaltewillen. Denn 2007 stehen einige Highlights<br />
auf dem Programm und auch für 2008 hätten<br />
wir schon das eine oder andere Bijoux im Köcher.<br />
Wir hoffen und freuen uns auf Frühlingsgefühle<br />
– wie Schmetterlinge im Bauch.<br />
Ihr Team vom Kornhausforum<br />
Programm<br />
2. – 25. März 2007<br />
BESTFORM 07<br />
Das «Beste» im Bereich Design und Gestaltung<br />
aus dem Kanton Bern<br />
1. Juni – 1. August 2007<br />
Sexarbeit (Bild Seite 5)<br />
Eine Ausstellung zum Thema Prostitution<br />
17. August – 16. September 2007<br />
PONG.mythos<br />
Ein Spiel und seine Folgen<br />
30. November 2007 – 13. Januar 2008<br />
Michael von Graffenried<br />
Fotoausstellung<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 51 | März 07
BÜHNE<br />
kabarett lebt<br />
Von Michael Imoberdorf - Der schweizerische Kleinkunstpreisträger 2007,<br />
Joachim Rittmeyer, tritt im La Cappella auf. (Bild: zVg.)<br />
■ Gestern setzte ich mich vor den Fernsehapparat<br />
– Chips und Bier griffbereit – und begann gemütlich<br />
vor mich hinzuzappen. Irgendwann blieb<br />
ich hängen: Comedy. Nicht weiter verwunderlich.<br />
Denn Comedy hat TV-Hochkonjunktur. Die Sendung<br />
erinnert irgendwie an das Jüngste Gericht<br />
für Witze: Anhäufungen totgelachter Pointen, aus<br />
der Versenkung ausgegraben, wiederbelebt und<br />
geistlos aneinandergereiht. Das Saalpublikum, das<br />
sowohl optisch als geistig auch Talkshow-tauglich<br />
wäre, klatschte und lachte als hätte der Witzbold<br />
auf der Bühne gleichsam die platonische Idee jeglicher<br />
Komik überhaupt aus dem Reich der Ideen<br />
entführt und würde nun deren wahres Wesen enthüllen.<br />
Zwischen zwei kräftigen Schlucken Bier<br />
seufzte ich leise «ach früher».<br />
Die unoriginellen und konformistischen Comedyformate<br />
der Fernsehstationen lassen Zuschauer<br />
oft vergessen, dass es auch im «post-emilschen»<br />
Zeitalter herausragende Komiker gibt. Auch in der<br />
Schweiz bietet die Szene weit mehr als «Edelmais<br />
& Co.», «Punkt CH» usw. vermuten lässt. Joachim<br />
Rittmeyer, einer der bedeutendsten Schweizer<br />
Kabarettisten der Gegenw<strong>art</strong>, zeigt im La Cappella<br />
in Bern sein aktuelles Bühnenprogramm «Orientierungsabend».<br />
Dies ist für «Kabarettmuffel»<br />
eine gute Gelegenheit, eines der schönsten Theatergenres<br />
überhaupt, das Kabarett, wiederzuentdecken.<br />
Und Liebhaber der zehnten Muse dürften<br />
sich den Termin von Rittmeyers Gastspiel ohnehin<br />
schon lange vorgemerkt haben.<br />
Orientierungsabend Restriktiver Umgang mit<br />
Requisiten und eine (relativ) leere Bühne bilden<br />
den Rahmen für den «Orientierungsabend». Die<br />
Schlichtheit der Produktion lenkt die Konzentration<br />
der Zuschauer auf die handelnden Figuren.<br />
Die Zuschauer sind nicht abgelenkt und die Büh-<br />
nenfi guren müssen also nicht von Pointe zu Pointe<br />
springen, um die Aufmerksamkeit aufrecht zu<br />
erhalten, sondern können die Pointen kunstvoll<br />
entwickeln. Denn bei Rittmeyer ist der Weg (zur<br />
Pointe) das Ziel. Das Spiel ist mehr als Mittel zum<br />
Zweck. Und aufs Spielen versteht sich Rittmeyer.<br />
Geistreich und feinfühlig entwickelt und verwickelt<br />
er seine Figuren, spielt mit der Sprache, singt,<br />
«verzaubert».<br />
Alle vier Bühnenfi guren werden von Rittmeyer<br />
dargestellt. Dank seinem schauspielerischen Talent<br />
gelingt es ihm, jeder Figuren eine eigene Identität<br />
zu geben. Rittmeyer «destillierte» aus verschiedenen<br />
spezifi sch-schweizerischen Charakterzügen<br />
archetypische Verhaltensmuster, die er auf seine<br />
Bühnenfi guren überträgt. Die Figuren wirken so<br />
einerseits wie unnatürlich-<strong>art</strong>ifi zielle Karikaturen,<br />
andererseits aber menschlicher und natürlicher<br />
als «konventionelle» Bühnenfi guren. Während<br />
des gesamten Programms schweben die Figuren<br />
zwischen künstlich-ideeller und alltäglich-realer<br />
Welt, lassen sich aber weder in der einen noch der<br />
anderen festmachen. Die «Heimatlosigkeit» der<br />
Figuren und das Driften zwischen theatraler und<br />
natürlicher Welt lädt die Zuschauer ein, Personen<br />
aus dem eigenen Umfeld in die Bühnenfi guren<br />
«hineinzulesen». Die Evokation des Alltäglichen<br />
gepa<strong>art</strong> mit <strong>art</strong>ifi ziellen Übertreibungen gibt dem<br />
Theaterabend eine ironischen Grundstimmung.<br />
Übrigens Anfangs dieses Jahres wurde Joachim<br />
Rittmeyer von einer Fachjury mit dem Schweizer<br />
KleinKunstPreis 2007 (Goldener Thunfi sch)<br />
ausgezeichnet.<br />
Spieldaten und Informationen zum Stück: Ausblick<br />
Bühne in dieser Ausgabe von ensuite - kulturmagazin<br />
oder www.joachimrittmeyer.ch.<br />
veranstaltungen<br />
AUSBLICK BÜHNE<br />
La Cappella Theater in Bern<br />
Orientierungsabend<br />
Joachim Rittmeyer<br />
■ Die Interessegemeinschaft «Freunde des<br />
müssigen Experiments» kommt nach Bern. Theo<br />
Metzler, geistiger Vater und treibende Kraft des<br />
Vereins verspricht eine zeitechte Schlafwandlung<br />
auf die Bühne zu bringen. Wird das Experiment<br />
gelingen? Böse Zungen behaupten, der<br />
introvertierte Proband Bauchle werde auf der<br />
Bühne keinen Schlaf fi nden. Metzler zweifelt<br />
aber nicht an den Fähigkeiten seines Probanden<br />
- hat aber sicherheitshalber schon mal Baldriantee<br />
eingekauft. (mi)<br />
Text und Schauspiel: Joachim Rittmeyer<br />
Coaching und Supervision: Felix Kündig<br />
Endregie: Christoph Haering<br />
Spieldaten: Mittwoch, 28. März bis Samstag, 31.<br />
März täglich um 19:30h.<br />
Schlachthaus Theater Bern<br />
Gasthof zum erweiterten Suizid<br />
Von Sandra Forrer, Matto Kämpf, Nicolette Kretz<br />
und Ariane von Graffenried<br />
■ Das Schlachthaustheater hat keine Leichen<br />
im Keller vergraben. Noch nicht. Dies könnte sich<br />
aber bald ändern; der Gasthof zum erweiterten<br />
Suizid ist dort eingezogen. Im Februar wurde noch<br />
nicht gemordet; man hat sich mit einem Lotto an<br />
die Kellerluft akklimatisiert. Jetzt konzentrieren<br />
sich die «Suizidler» aber wieder auf ihre Kernkompetenzen:<br />
Suizid (im erweiterten Sinne) und<br />
Theater. Eine einzigen Maxime gilt: «Keine Texte<br />
die älter sind als dreissig Tage auf die Bühne!»<br />
Regie: Caroline Schenk und Dirk Vittinghoff<br />
Musik: Sandra Künzi<br />
Mit: Sandra Utzinger, Dominique Müller, N.N.<br />
Aufführungsdatum: 16. März, 22:30 h<br />
Sie wissen<br />
nicht wohin?<br />
abo@ensuite.ch<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 51 | März 07 7
veranstaltungen<br />
FILOSOFENECKE<br />
Von Alther&Zingg<br />
«ES IST UNMÖGLICH,<br />
EINEN MIT NICHTS<br />
ZUSAMMENHÄNGENDEN<br />
GEDANKEN ZU<br />
DENKEN.» Ted Honderich (1993)<br />
■ Wer Darüber nachdenkt, ist verloren. Wer Darüber<br />
nachdenkt, braucht mehr Zeit als andere,<br />
entscheidet langsamer, kommt später ans Ziel<br />
oder realistischerweise gar nicht. Wer Darüber<br />
nachdenkt, bringt die Welt nie aufs Taschenformat,<br />
kann sie nicht handlich einstecken, richtig<br />
in diese Ecke, falsch in jene stellen. Wer Darüber<br />
nachdenkt, kommt zu kurz, verpasst das Leben,<br />
zumindest als Dasein in der wohligen Illusion<br />
von «Alles klar Leute!». Wer Darüber nachdenkt,<br />
steht nie abgehoben und der Erkenntnis gewiss<br />
auf dem höchsten Berg; sieht bestenfalls nach<br />
dem Aufstieg in hügeligem Gelände den Horizont<br />
tatsächlich zurückweichen. Wer Darüber nachdenkt,<br />
kommt ins Zweifeln. Greift an der Lösung<br />
vorbei. Wird sich bewusst: Ein einziger verstohlener<br />
Apfelbiss vom Baum der Erkenntnis ist wenig<br />
Grundlage und Wissen auf dünnem Eis. Ein ungemütlicher<br />
Zustand. Wer Darüber nachdenkt und<br />
sagt, was er denkt, macht sich zum Störenfried,<br />
ist Sand im Getriebe welcher Effi zienz auch immer.<br />
Macht scheut den Zweifel wie der Teufel die<br />
PUK. Was sonst bringt ihn an seine Grenzen – die<br />
im Übrigen auch die Machtlosen nicht wahrhaben<br />
mögen, wollen sie doch eines Tages selber... Nur<br />
den Resignierten ist alles bedeutungslos.<br />
Wenig spricht dafür, Darüber nachzudenken.<br />
Warum sollen wir es nicht einfach schön haben.<br />
Und sicher. Auf festem Boden stehen, uns fraglos<br />
mit den alltäglichen Erfolgen im Wettbewerb des<br />
Zeitdiktats befrieden? Verlierer gibt es immer und<br />
Fluchtwege aus der zunehmend rascher vergänglichen<br />
Enge des negativen Gewinns sowieso.<br />
Alther&Zingg haben keine Antwort(en) darauf.<br />
Unerklärlicherweise eine ungezähmte Lust, Darüber<br />
nachzudenken. Will man sie für ihr Tun behaften,<br />
behaupten sie, Denken sei Zweifeln ohne zu<br />
resignieren. Deshalb machen wir (Alther, Jungökonom<br />
auf die Dreissig / Zingg, Altethiker einer<br />
Hochschule) einmal im Monat (Tonus Labor, Kramgasse<br />
10, 28. März 2007, 19:00 h) den zweifelhaften<br />
Versuch, das Denken im offenen Gespräch<br />
eine gute Stunde lang zu wagen. Dies jeweils zu<br />
einem vorgegebenen Zitat (vgl. oben). Spielen Sie<br />
ein Instrument? Bringen Sie es ohne Bange mit<br />
– in der verfehlten musischen Harmonie wird der<br />
Widerspruch im Denken verständlich.<br />
8<br />
BÜHNE<br />
zwei fäuste für eine inszenierung<br />
Von Magdalena Nadolska – Über «Goethes Urfaust – Lenaus Traum», Eindrücke<br />
von einem Gespräch mit dem Regisseur und einem Probenbesuch (Bild: zVg.)<br />
■ Die Bühne weiss in weiss. Ein Musiker mit Akkordeon.<br />
Kerzen an der Rampe. In dieses Ambiente<br />
stellt der Regisseur Norbert Klassen seinen Faust<br />
– einen Gelehrten, der einem Gemälde von Jan Vermeer<br />
entspringen könnte. «Hab nun, ach! die Philosophey,<br />
/ Medizin und Juristerey / Und leider auch<br />
die Theologie / Durchaus studirt mit heisser Müh. /<br />
Da steh ich nun, ich armer Thor, / Und binn so klug<br />
als wie zuvor», so die berühmten Worte des unzufriedenen<br />
Wissenschaftlers, der an seine Grenzen<br />
gerät. Er möchte jedoch weiterkommen und lässt<br />
sich deshalb auf den Pakt mit dem Teufel ein. Klassen<br />
liest Mephisto am Anfang des Stücks als Fausts<br />
Unterleib, als die andere, triebgesteuerte Seite, die<br />
ein Mensch auch braucht. In der Reibung der zwei<br />
Seiten entsteht der erste Konfl ikt. Doch der Fauststoff<br />
birgt noch weitere Themen in sich. So unter<br />
anderem die Existenzkrise, die Liebe, den Kindesmord,<br />
das Streben nach Erkenntnis. Norbert Klassen<br />
nimmt all diese Themen in seiner Inszenierung<br />
auf und fügt noch weitere ein. Doch alles dezent.<br />
«Mir ist es wichtig, Leerstellen zu schaffen, damit<br />
die Zuschauer mit ihrer Phantasie mitarbeiten können.<br />
Ich sehe das Publikum nicht als einen passiven<br />
Konsumenten, sondern als einen aktiven créateur»,<br />
sagt der in Bern wohnhafte Regisseur, wenn er seine<br />
Arbeitsweise beschreibt.<br />
Die Stückfassung dieses Projektes an der Effi ngerstrasse<br />
stammt von Norbert Klassen. «Es sind<br />
Elemente des Lenaus Faust in den Urfaust hineinmontiert<br />
worden, um das Geschehen ein bisschen<br />
geschlungener, nicht so direkt zu lassen. Im Gegensatz<br />
zu Goethes Faust I ist der Urfaust fragmentarisch<br />
und weist Lücken auf. Zum Beispiel fehlt das<br />
Erscheinen des Mephisto und Fausts Verjüngung.»<br />
Diese wird in Klassens Inszenierung mit einer Tanzchoreographie<br />
dargestellt – Faust und Mephisto<br />
streifen in einem feurigen Tango über die Bühne.<br />
Passender für das Faustsche Thema könnte die Musik<br />
nicht gewählt sein, vereint sie doch Melancholie<br />
und Weichheit mit einer gewissen Aggressivität.<br />
Passend ebenfalls zu Mephisto, der auch neben<br />
dem Tanz sehr körperbetont agiert. Ausserdem ist<br />
dieser Teufel witzig und ironisch. Mephistos Auftauchen<br />
auf der Bühne wird das Theaterpublikum nicht<br />
so schnell vergessen. Doch es soll an dieser Stelle<br />
nicht zu viel verraten werden. Zurück zum Regisseur.<br />
Klassens Augen leuchten, wenn er von seinem<br />
Ensemble spricht: «Ich habe tolle Leute, da bin ich<br />
sehr stolz drauf.» Mit den meisten Schauspielern<br />
und Schauspielerinnen aus dem Ensemble hat er<br />
bereits zusammengearbeitet. «Ich versuche nicht,<br />
mich als Regisseur mit meinen Ideen in den Vordergrund<br />
zu drängen. An sich komme ich vom experimentellen<br />
Theater und mache viele Performances.<br />
Als Regisseur lasse ich mich jedoch nicht mit originellen<br />
Ideen aus – also, dass plötzlich das Gretchen<br />
einen Kopfstand steht oder so. Das Ensemble<br />
verwirklicht nicht meine Konzepte. Wir sind eine<br />
Gruppe. Das Konzept ist auch aus der Gruppe gewachsen.<br />
Ich komme nicht mit einer Idee und pfropf<br />
sie auf die Leute auf, ich entwickle sie mit ihnen.»<br />
Dem fügt er bescheiden hinzu: «Es steht da mein<br />
Name unter Inszenierung. Nun, irgendwo muss er ja<br />
stehen. Ich könnte mich aber auch unter Ensemble<br />
schreiben. Ich betrachte mich als den Primus inter<br />
Pares und bin nicht der, der alles weiss. Natürlich<br />
mache ich trotzdem meinen Job.» Sechs Tage vor<br />
der Premiere bedeutet dies noch den Feinschliff in<br />
Rhythmus und Diktion und in den Übergängen der<br />
Szenen, welche oft von der Musik geleitet werden.<br />
Der Rest steht. Zum Beispiel ein märchenhafter Moment,<br />
in dem der Geist aus dem Off als Fausts Vision<br />
hörbar gemacht und mit Akkordeongeräuschen<br />
begleitet wird. Ein solches Arrangement passt zu<br />
Norbert Klassen, der über seine künstlerische Sprache<br />
Folgendes sagt: «Im Endeffekt geht es um das,<br />
was man nicht sagen kann. Das ist überall so in der<br />
Kunst. Sei es in der Musik oder Malerei – es geht um<br />
das nicht Sagbare, das Unerklärliche.»<br />
«Goethes Urfraust – Lenaus Traum»<br />
im Theater an der Effi ngerstrasse<br />
Ein Projekt von Norbert Klassen<br />
Mit: Mario Batkovic, Brigitte Bissegger, David Imhoof,<br />
Yeliz K<strong>art</strong>al, Christina Kraft, Oliver Stein, Peter<br />
Zumstein<br />
Aufführungen:<br />
1.-3. / 5.-17. / 19.-24. März, jeweils um 20:00 h<br />
Weitere Informationen und Reservationen:<br />
www.dastheater-effi ngerstr.ch oder 031 382 72 72<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 51 | März 07
Von Quatemberkindern und anderen Booze (Geistern)<br />
Urs Augstburger: Graatzug. Ein Bergroman.<br />
■ Urs Augstburger, der bislang als Autor vor allem<br />
mit seinem Bergdrama «Schattwand» (2001,<br />
erschienen im Bilgerverlag) von sich reden machte,<br />
legt mit «Graatzug. Ein Bergroman» nun den zweiten<br />
Teil seiner «Bergler»-Triologie vor.<br />
Ähnlich wie dem Dokumentarfi lmer Erich Langjahr<br />
– dessen neustes Werk «Das Erbe der Bergler»<br />
(2006), ein Wildheuerfi lm, einer der Publikumsmagnete<br />
an den diesjährigen Solothurner Filmtagen<br />
war – ist es ihm ein Anliegen, den Paradigmenwechsel,<br />
welcher sich durch die Technisierung des bäuerlichen<br />
Lebens in den Bergen vollzieht, zu dokumentieren.<br />
Hierbei scheint zwar nicht alles in der<br />
Vergangenheit besser gewesen zu sein, den Bedürfnissen<br />
der Natur wurde jedoch zumindest besser<br />
Rechnung getragen.<br />
So bedeutet die Stauung des Plonersees und<br />
damit die Flutung des Bauerngutes Seegut der<br />
alteingessenen Familie Rothen im Wallis der 60er<br />
Jahre des 20. Jahrhunderts auch nur einen vordergründigen<br />
Fortschritt. Als vierzig Jahre später ein<br />
Taucher durch den versunkenen Hof schwimmt und<br />
das sich dort befi ndliche Kruzifi x in Stücke bricht,<br />
scheinen die Geister der Vergangenheit endgültig<br />
zurückgekehrt und die Frage, was es mit dem geheimnisvollen<br />
Merkhammer und der Mazza auf sich<br />
hat, beschäftigt nicht nur den Erben des Dorfkönigs,<br />
Silvan Bohrer, sondern auch die Umweltaktivistin<br />
Lena Amherd. Beinahe zu spät werden die Zeichen,<br />
insbesondere durch Hilfe der weisen Selma Bohrer,<br />
richtig gedeutet und die Ausmasse des Unglücks<br />
können wenigstens abgeschwächt werden.<br />
Augstburger schafft den Spagat zwischen Jetztzeit<br />
und Vergangenheit ausnehmend gut, auch<br />
wenn sich seine Beschreibungen des bäuerlichen<br />
Lebens im Wallis der 60er Jahre zuweilen wie<br />
Darstellungen aus längst vergangener Zeit ausnehmen.<br />
Die Bergwelt von einst wird zum Ort der<br />
Sehnsucht, dessen Faszination nicht einmal durch<br />
die geschilderten Entbehrungen des täglichen Lebens<br />
durchbrochen wird. Trotz dieser an manchen<br />
Stellen etwas einseitigen Sichtweise ist «Graatzug»<br />
ein echter Alpkrimi, von dem man sich kaum mehr<br />
loszureissen vermag. (sw)<br />
Augstburger, Urs: Graatzug. Ein Bergroman. Bilgerverlag.<br />
Zürich 2007. ISBN 978-3-908010-84-5.<br />
Die Enge des ewig Unverbindlichen<br />
Thomas Lang: Unter Paaren. Roman.<br />
■ Der Autor Thomas Lang, welcher 2005 für<br />
seinen Roman «Am Seil» mit dem Ingeborg-Bachmann-Preis<br />
ausgezeichnet wurde, schildert in seinem<br />
neusten Roman «Unter Paaren» keinen Vater-Sohn-Konfl<br />
ikt, sondern ein Beziehungsdrama,<br />
welches sich letztendlich als Kritik an der Generation<br />
der Ewig-Adolszenten entpuppt.<br />
Per empfängt in seinem neu renovierten Landhaus<br />
mit seiner langjährigen Freundin Rafa ihren<br />
gemeinsamen Jugendfreund Pascal. Dieser erscheint<br />
in Begleitung der deutlich jüngeren Spanierin<br />
Reginita, welche er als seine Bekannte vorstellt,<br />
wenn auch für alle Beteiligten deutlich ist, dass die<br />
beiden ein Verhältnis haben.<br />
Das Spinnennetz an Beziehungen bekommt<br />
durch die Tatsache, dass die einstige Anziehung<br />
zwischen Rafa und Pascal sich nicht gänzlich gelegt<br />
hat, zusätzlichen Auftrieb. Zwischen ihnen kumuliert<br />
sich das Ungesagte von damals. Und auch Per<br />
kann sich dem spröden Reiz und den geistreichen<br />
Bemerkungen der für einmal nicht «feurigen» Spanierin<br />
kaum entziehen.<br />
Die erzählte Zeit beschränkt sich lediglich auf<br />
ein Wochenende, eines jedoch, das die fünfzehn<br />
Jahre Zusammenleben von Per und Rafa mehr als<br />
in Frage stellt und den Zufall als Mittler ihrer Beziehung<br />
darstellt.<br />
Die Lebenswelt, die Reginita personifi ziert, ist<br />
eine andere. Sie, die bereits mit sechsundzwanzig<br />
Jahren kurz vor Abschluss ihrer Doktorarbeit steht,<br />
kritisiert den Hedonismus ihrer Gastgeber sowie<br />
Pascals. Die Spanierin verschwindet jedoch von<br />
Freitag- auf Samstagnacht und auch ein Junge von<br />
einem Nachbarhof wird noch eine Rolle spielen.<br />
«Unter Paaren» wurde von verschiedenen Seiten<br />
als das Werk eines Dramaturgen bezeichnet, da<br />
Lang die Einheit des Ortes wie der Zeit wahrt und<br />
viele seiner Beschreibungen wie Regieanweisungen<br />
zu lesen sind. Und tatsächlich erinnert der Wechsel<br />
zwischen Erzählung und Selbstrefl exion der einzelnen<br />
Charaktere stellenweise an die Welt des Theaters,<br />
häufi ger jedoch noch an die Couch des Psychiaters.<br />
(sw)<br />
Lang, Thomas: Unter Paaren. Roman. C.H. Beck Verlag.<br />
München 2007. ISBN 978 3 406 55610 4.<br />
literatur<br />
Fernab der üblichen Wanderwege<br />
Rory Stew<strong>art</strong>: The places in between. Englisch.<br />
■ Rory Stew<strong>art</strong> hat schon in jungen Jahren viel<br />
von der Welt gesehen. Knapp Mitte dreissig, in Hong<br />
Kong geboren und in Malaysia aufgewachsen, prädestinierte<br />
ihn den Besuch des Elitecolleges Eton<br />
sowie sein späteres Studium der Geschichte und<br />
Philosophie in Oxford geradezu für eine spätere<br />
Laufbahn beim Foreign Offi ce.<br />
Nebst Stellen in Indonesien und Montenegro bekleidete<br />
er von 2003 bis 2004 das Amt eines Senior<br />
Advisors in Nasiyriah im Irak.<br />
Von 2000 bis 2002 durchwanderte er Teile Pakistans,<br />
Irans, Afghanistans, Indiens sowie Nepals.<br />
Das vorliegende Buch beschreibt seine Wanderung<br />
durch Zentral- und Nordafghanistan im Jahr 2002.<br />
Hier folgt er der Route Baburs, eines usbekischen<br />
Prinzen des 15. Jahrhunderts, von Herat nach Kabul,<br />
und lässt sich weder von den Ereignissen nach<br />
9/11 noch von den unwirtlichen Wintern in der Bergregion<br />
Ghor von seinem Vorhaben abhalten. Ursprünglich<br />
wollte er allein in Herat st<strong>art</strong>en, dies wird<br />
jedoch von seinem Begleit-Service, bestehend aus<br />
Sicherheitsleuten von Ismail Khan, verhindert. Obwohl<br />
Stew<strong>art</strong> sie auf der Wanderung immer wieder<br />
mit Geld zu bestechen versucht, damit sie ihn alleine<br />
ziehen lassen, gewinnen seine Schilderungen<br />
der Reise insbesondere durch die Charakterisierung<br />
seiner «Mitstreiter» an Tiefe. Immer wieder zitiert<br />
er auch aus dem Tagebuch Baburs und verknüpft so<br />
die Vergangenheit mit der Gegenw<strong>art</strong>. Hierbei wird<br />
der Kontrast der einst blühenden Landschaft wie<br />
auch der von Handel geprägten Städte besonders<br />
krass, insofern als sich das heutige Afghanistan von<br />
einer ganz anderen Seite zeigt.<br />
Auf halber Wegstrecke fi ndet er in einem zahnlosen<br />
Hund, dessen Futter aus Nan besteht, einen<br />
Wandergefährten ganz nach seinen Wünschen,<br />
auch wenn die Afghanen die herzliche Zuwendung<br />
Stew<strong>art</strong>s, die dieser einem unreinen Tier zukommen<br />
lässt, mit Skepsis betrachten.<br />
Rory Stew<strong>art</strong> ist ein exzellenter Beobachter, der<br />
versucht, in seinen Beschreibungen nicht zu werten.<br />
Dieses Talent macht «The places in between»<br />
so wertvoll. (sw)<br />
Stew<strong>art</strong>, Rory: The places in between. Englisch. A<br />
Harvest Original. Orlando u.a. 2006. ISBN-13: 978-<br />
0-15-603156-1.<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 51 | März 07 9
Viktoria<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
TOLSTOY<br />
<br />
<br />
<br />
VORVERKAUF: www.allblues.ch • Tel. 0900 800 800 (CHF 1.19/min.),<br />
alle Ticketcorner, Manor, SBB, Die Post • BERN: Olmo Ticket, Chop Records, Der Bund,<br />
Thalia, Globus • FRIBOURG: Office du Tourisme<br />
VERANSTALTER: Groovesound GmbH und All Blues Konzert GmbH in Zusammenarbeit mit BeJazz<br />
lorenz jaggi, www.consign.ch<br />
DENN BERN<br />
IST ÜBERALL!<br />
www.ensuite.ch<br />
Musik in Interaktion mit<br />
Videokunst<br />
Film<br />
Performance<br />
Malerei<br />
Lichtinstallationen<br />
Programm: www.wimbern.ch
veranstaltungen<br />
POLITISCHE KULTUR<br />
10. märz - tag der chinesischen schande<br />
Von Urs Haller – Zum 48. Jahrestag des tibetischen Volksaufstands in Lhasa (Bild: zVg.)<br />
■ Jedes Jahr am 10. März gedenken die weltweit<br />
im Exil lebenden Tibeterinnen und Tibeter<br />
des Volksaufstands von Lhasa. Am 10. März 1959<br />
und in den folgenden Tagen ermöglichten 30‘000<br />
Protestierende in Tibets Hauptstadt die Flucht des<br />
Dalai Lama nach Indien und damit die Entstehung<br />
von Exiltibet. Die Niederschlagung des Aufstands<br />
durch die chinesische Armee bezahlten danach<br />
rund 87’000 Tibeterinnen und Tibeter mit dem<br />
Leben. Man schätzt, dass ein Fünftel aller sechs<br />
Millionen Tibeter in den folgenden Jahrzehnten<br />
zu Tode gekommen sind: durch Exekutionen, in<br />
Gefängnissen, Arbeitslagern, durch Kämpfe und<br />
durch Hungersnot. Fast alle der 6000 Klöster sind<br />
durch die Kulturrevolution zerstört worden. Heute<br />
leben über 130’000 Tibeter/-innen ausserhalb ihres<br />
Landes, die meisten in Indien und rund 2500<br />
in der Schweiz. Für sie alle ist der 10. März ein Tag<br />
der Trauer, des Widerstands und der Hoffnung; der<br />
Hoffnung darauf, dass Tibet wieder die Selbstbestimmung<br />
erhält, sei es als unabhängiges Land<br />
oder als autonomer Teil Chinas. Für China ist der<br />
10. März ein Tag der Schande, wie der Gedenktag<br />
des Massakers am Tienanmen-Platz in Peking (4.<br />
Juni 1989).<br />
Zu Hoffnung besteht derzeit nur wenig Anlass.<br />
Ihre wichtigste Stütze ist der feste und selbst<br />
durch Folterungen nicht zu brechende Wille vieler<br />
Tibeterinnen und Tibeter, sich zum Dalai Lama als<br />
Oberhaupt zu bekennen, ihre Religion, Sprache<br />
und Kultur zu erhalten und sie in ihrer Heimat zu<br />
leben. Es gibt zwar seit fünf Jahren Gespräche<br />
zwischen Vertretern des Dalai Lama und chinesischen<br />
Unterhändlern. Greifbare Resultate sind<br />
jedoch ausgeblieben. Mehr und mehr wird vermutet,<br />
dass China mit den folgenlosen Gesprächen<br />
die Tibeter ruhig stellen und die Weltöffentlichkeit<br />
glauben machen will, es bewege sich etwas. Nichts<br />
bewegt sich, ausser dass der Dalai Lama von den<br />
chinesischen Behörden noch systematischer verunglimpft<br />
wird. Auch hat die Repression in Tibet<br />
in den letzten Jahren zugenommen. Trotz grosser<br />
Risiken fl iehen jedes Jahr rund 2500 Menschen<br />
über den Himalaya nach Nepal und Indien. Die<br />
Zahl der tibetischen Asylsuchenden in der Schweiz<br />
ist 2006 massiv gestiegen. Diese Zahlen sind ein<br />
Spiegel dessen, was sich in Tibet tatsächlich ereignet.<br />
Besonders schwerwiegend ist die stetig zunehmende<br />
chinesische Zuwanderung und Zivilisation,<br />
die den tibetischen Charakter des Landes platt<br />
zu walzen droht. Für diese Entwicklung steht u.<br />
a. die Eisenbahn nach Lhasa, die letzten Sommer<br />
in Betrieb ging. Offi ziell dient sie zum Nutzen der<br />
«westlichen Schatzkammer» (Übersetzung des<br />
chinesischen Namens für Tibet), in Tat und Wahrheit<br />
verfolgt sie strategische und ökonomische<br />
Zwecke: Sie transportiert tibetische Bodenschätze<br />
nach China sowie chinesisches Militär, Han-Siedler<br />
und Touristen. Kommerzieller Nutzen kommt<br />
praktisch ausschliesslich Chinesen in China oder<br />
in Tibet zugute. Eine verarmende tibetische Bevölkerung<br />
steht einem durch Zuwanderung wachsenden,<br />
ökonomisch besser gestellten chinesischen<br />
Bevölkerungsteil gegenüber.<br />
Viele Tibeterinnen und Tibeter haben unter der<br />
chinesischen Diktatur eine unbeugsame Widerstandskraft<br />
und tief verwurzelte Treue zu Religion<br />
und Kultur bewiesen. Dies nötigt uns Anerkennung<br />
und Respekt ab. Und Solidarität! Jeder 10.<br />
März schafft Gelegenheit, diese Solidarität öffentlich<br />
zu zeigen und das Unrecht klar zu benennen,<br />
welches die Kolonialmacht China Tibet angetan<br />
hat und täglich antut.<br />
Musik der Welt in Bern präsentiert<br />
Tibetabend zum Gedenktag des 10. März. In<br />
Zusammenarbeit mit der GSTF (Gesellschaft<br />
Schweizerisch-Tibetische Freundschaft):<br />
Samstag, 10. März 2007<br />
La Cappella, Allmendstr. 24, Bern<br />
16:00 Film: Widerstand des Geistes von Clemens<br />
Kuby<br />
18:00 tibetisches Essen<br />
18:30 Konzert:<br />
Loten Namling (dranyen, vocal)<br />
Gilbert Päffgen (perc., santoor)<br />
20:00 Podiumsgespräch: Mit Dr. Bernhard Müller,<br />
alt Nationalrat, Projektleiter in Asien;<br />
Wangpo Tethong, ehem. Präsident GSTF;<br />
Urs Haller, Redaktor. Gesprächsleitung:<br />
Thomas Künzi, Radiojournalist.<br />
21:00 Konzert:<br />
Ani Choying Drolma (voc). Die bekannte<br />
Sängerin aus Nepal / Tibet. Buddhistische<br />
Lieder der tibetischen Chö-Tradition.<br />
Vorverkauf<br />
Transa Travel & Outdoor, Aarbergergasse 21 und<br />
Kalisha, Rathausgasse 47, Bern<br />
Abendkasse 16:00 h / 18:00 h<br />
Abendk<strong>art</strong>en nach Kategorie: 28.-, erm. 18.- /<br />
35.-, 25.- / 50.-, 35.-<br />
Reservation und Info: www.musikderwelt.info<br />
Zusatzkonzerte Ani Choying<br />
Sonntag, 11. März, Kirche Erlach BE, 19:30 h (in<br />
Zusammenarbeit mit der Kirchgemeinde Erlach-<br />
Tschugg). www.musikderwelt.info<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 51 | März 07 11
veranstaltungen<br />
KULTUR & GESELLSCHAFT<br />
«es geht nicht darum, wer in der<br />
schweiz ja stimmt und wer nein.»<br />
Interview von Till Hillbrecht - Ouest-Est 07: Theater, Tanz, Performance / Konfrontation, Verbund, Gegensatz.<br />
■ Frischer Westwind aus der Romandie weht im<br />
März durch die Dampfzentrale und das Schlachthaus.<br />
Nicht, dass er dort wie bisher am Festival<br />
Ouest-Est alles alleine umfegen würde. Die frühe<br />
Wetterprognose wird sich für einmal mit Garantie<br />
bewahrheiten: Ein guter Teil des Kulturgewitters<br />
zieht dieses Jahr nämlich auch aus der Deutschschweiz<br />
auf. Was sich vom 21. bis 25. März am Festival<br />
für Theater, Tanz, Performance und Musik zusammenbraut,<br />
ist eine Mischung zweier Kulturen.<br />
Oder besser gesagt, zweier Kulturen, die je eine<br />
Vielzahl an Kulturen mitbringen. Weite Kreise werden<br />
gezogen, Schnittfl ächen gebildet, gemeinsame<br />
Nenner gefunden oder aber verworfen.<br />
Wer glaubt, es drehe sich dabei nur um die Gegenüberstellung<br />
des frankophonischen Landesteils<br />
mit der deutschsprachigen Schweiz hat weit gefehlt.<br />
Es geht um vieles mehr, wie das Gespräch<br />
mit Roger Merguin, Co-Leiter des Festivals, zeigt.<br />
Der Leiter der Bereiche Tanz und Performance der<br />
Dampfzentrale erklärt das ambitionierte Projekt<br />
und dessen organisches Wachstum. Und weshalb<br />
an einem der Festivalabende auch die Ouest-Est-<br />
Leitung nur zuschauen kann und keine Ahnung hat,<br />
was auf der Bühne geschehen wird.<br />
Roger Merguin, wird in 100 Jahren in den<br />
Geschichtsbüchern stehen: «Und dann kam das<br />
Festival Ouest-Est und der Röschtigraben wurde<br />
für immer übersprungen»?<br />
Roger Merguin: Der Röschtigraben ist ganz<br />
klar ein Thema. Aber den Graben zu überwinden,<br />
ist nicht unser einziges Ziel. Und es ist eigentlich<br />
auch nicht klar, ob man ihn grundsätzlich überwinden<br />
soll oder den Graben vielleicht sogar noch ein<br />
wenig vertiefen will. Denn in dieser Unterschiedlichkeit<br />
liegt ja eventuell Qualität verborgen. Differenzen<br />
und Übereinstimmungen herauszufi nden,<br />
das ist das spannende am Ganzen. Darüber hinaus<br />
sind die Unterschiede nicht generell gleich in den<br />
verschiedenen Kunstsp<strong>art</strong>en; Musik, Theater, Performance,<br />
Tanz... es ist möglich, zu differenzieren<br />
zwischen Romandie und Deutschschweiz, die Grenzen<br />
können aber auch verwischt werden.<br />
Wir springen mit dem Festival ganz klar über<br />
den Röschtigraben, wir benutzen ihn. Den Graben<br />
zu schliessen, soll jedoch nicht die Aufgabe des<br />
Festivals sein.<br />
Man kann also die geografi schen Wurzeln von<br />
Produktionen herauslesen, vielleicht aber auch<br />
darüber staunen, dass es gar keine Unterschiede<br />
gibt.<br />
Sicherlich. Ich denke, es läuft gewissermassen<br />
auch auf die individuelle Wahrnehmung hinaus: Ob<br />
ein Unterschied gross ist, ob man stolz auf diesen<br />
12<br />
Unterschied sein soll... Das Festival ist ein Beitrag<br />
zur Diskussion über Kulturen und Unterschiede<br />
zwischen Romandie und Deutschschweiz – alleine<br />
in Bern aber gibt es so viele verschiedene Kulturen.<br />
Und diese Unterschiede zwischen der französischen<br />
und der deutschen Schweiz sind nur die<br />
Spitze des Eisberges.<br />
Man könnte auch dies Diskussion «Romandie /<br />
Deutschschweiz» vertiefen und die Herkunft der<br />
Künstler noch genauer betrachten, denn diese<br />
defi niert sich ja nicht nur über «Romandie» oder<br />
«Deutschschweiz». Die Kunstszene ist heute sehr<br />
nomadisch und weltoffen. Die Wurzeln, die Herkunft<br />
und der Arbeitsort der Künstler spiegeln<br />
sich in deren Arbeiten. Wir diskutieren wohl über<br />
eine Ästhetik aus der Romandie und der Deutschschweiz.<br />
Massimo Furlan zum Beispiel ist ein Lausanner<br />
– aber in seiner Arbeit sieht man auch klar<br />
eine «Italianità» – oder wie war das schon wieder<br />
mit der Bernerin Anna Huber, als sie noch in Berlin<br />
arbeitete, bevor sie wieder nach Bern kam, oder der<br />
Züricherin, die eigentlich aus Neuseeland kommt<br />
und mit einer Berlinerin auf der Bühne steht?<br />
Dies steht schlussendlich auch für unsere Kultur:<br />
Sie ist nicht rein fassbar, es geht nicht um eine<br />
reine Kultur der Romands oder eine reine Deutschschweizerkultur.<br />
Genau da wird die Diskussion um<br />
den Röschtigraben ein wenig tiefer, interessant und<br />
zeitgemäss.<br />
Im Gegensatz zu den ersten zwei Ausgaben<br />
des Festivals Ouest-Est – als nur Künstler aus<br />
der französischen Schweiz eingeladen wurden<br />
– sind in der dritten Ausgabe Artisten aus der<br />
gesamten Schweiz im Programm. Eine bilaterale<br />
Angelegenheit.<br />
Diese Konfrontation wird das Spannende sein<br />
am diesjährigen Festival, das heisst wir reden nicht<br />
nur davon, den Röschtigraben zu überwinden,<br />
sondern wir tun es. Mit Anna Huber zum Beispiel<br />
gibt’s einen Abend «Bern – Frankreich». Oder ist<br />
es jetzt «Bern - Berlin – Frankreich»? Man weiss<br />
es nicht genau. Aber kulturelle und künstlerische<br />
Unterschiede sind da. Und die gilt es zu entdecken.<br />
Die Programmation ist aber aufgrund der Qualität<br />
gefällt worden und die Gegenüberstellung soll ein<br />
spannendes zusätzliches Element sein.<br />
Konfrontation wird in der Idee des Ateliers<br />
– Musical 2008 – geübt...<br />
Genau. Wir haben 14 Choreographen, Musiker<br />
und Theaterschaffende aus der Romandie und der<br />
Deutschschweiz angefragt, für welche die ganze<br />
Dampfzentrale ein Wochenende vor Festivalbeginn<br />
zur Verfügung stehen wird. Sie haben den<br />
Auftrag, ein Konzept für ein Musical zu entwickeln.<br />
Drei Tage lang werden diese Künstler zusammen<br />
arbeiten, Ideen präsentieren, Ideen vertiefen und<br />
Synergien nutzen. Das Kennenlernen und das zusammen<br />
Arbeiten im Rahmen dieses Ateliers ist<br />
ein Schritt dazu, dass sich die KünstlerInnen aus<br />
der Deutschschweiz und der Romandie inspirieren<br />
oder im besten Fall zum Teil sogar fusionieren können.<br />
Am Samstagabend des Festivals werden diese<br />
Konzepte präsentiert. Danach wird eines der Konzepte<br />
für das Festival Ouest-Est 2008 ausgewählt<br />
und realisiert.<br />
Das Musical wird eine Produktion für 2008.<br />
Allein die Konzeptpräsentation am diesjährigen<br />
Festival dürfte sich aber schon zur Inszenierung<br />
heraufschaukeln.<br />
Das kann durchaus geschehen. Es wird vielleicht<br />
spielerisch, vielleicht kurz inszeniert mit den<br />
Künstlern, wir lassen den 14 Personen freie Hand<br />
und absolute künstlerische Freiheit. Ich bin selbst<br />
sehr gespannt, was da geschieht. Alle Beteiligten<br />
arbeiten überaus professionell, daher können wir<br />
auf ein hohes Niveau zählen.<br />
Und es ist auch ein Schritt Richtung Publikum:<br />
Jene, die sich an diesen Abend heranwagen, werden<br />
uns auch bei der Konzeptwahl beeinfl ussen,<br />
denn wir werden versuchen die Stimmung des Publikums<br />
aufzufangen.<br />
Dieses Jahr steht uns ein – im Vergleich zum<br />
Vorjahr – überaus transdisziplinäres Festival bevor.<br />
Es gibt viel Musik.<br />
Ich würde sagen, die Musik oder die Konzerte<br />
sind anders verteilt. Letztes Jahr hatten wir eine<br />
grosse Kiste mit den Young Gods, dieses Mal haben<br />
wir mehrere, eher kleinere Acts verteilt über das<br />
Programm. Ansonsten glaube ich, dass die Gewichtung<br />
dem Vorjahr entspricht.<br />
Die Verteilung von Konzerten über mehrere<br />
Tage spricht aber vielleicht auch Leute an, die<br />
mit Tanz und Performance nichts am Hut haben,<br />
in Kombination der Kunstsp<strong>art</strong>en aber an diesem<br />
Festival einmal eine Vorstellung besuchen und Gefallen<br />
fi nden. Damit wollen wir niemand zu Tanz<br />
und Performance zwingen – aber wir können die<br />
Möglichkeit des Kennenlernens anbieten.<br />
Es wird dieses Jahr ein Festival, an dem man<br />
kommen und gehen kann, sogar mal ein bisschen<br />
herumhängen kann. Nicht überdreht, nicht mit der<br />
Einstellung: Achtung Kunst! Dort jene Vorstellung<br />
besuchen, dann ein wenig an die Bar, dann später<br />
noch an jenes Konzert...schau vorbei und such dir<br />
das heraus was dir gefällt!<br />
Eine Neuigkeit dieses Jahr ist auch der Blick<br />
nach Frankreich. Der geografi sche Standort<br />
scheint nicht im Vordergrund zu stehen...<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 51 | März 07
Foto: Till Hillbrecht<br />
Sagen wir es so: Er ist sicher nicht nur auf die<br />
Schweiz bezogen. Er ist ein Indikator von vielen.<br />
Im Vordergrund steht ganz klar die Qualität. Aber<br />
wenn man sich fragt, weshalb Kunst aus der Romandie<br />
anders ist als jene aus der Deutschschweiz,<br />
dann gibt es eine logische Konsequenz: Es ist ein<br />
über die Sprache defi nierter Kulturkreis, der sich<br />
über die Schweizer Grenze nach Frankreich zieht.<br />
Deshalb macht diese Erweiterung durchaus Sinn<br />
und ist legitim. Und: Sie schafft die Möglichkeit,<br />
grösser und weiter zu denken. Es geht nicht darum,<br />
wer in der Schweiz Ja stimmt und wer Nein. Es<br />
geht um Kultur aus einem französischen und einem<br />
deutschen Sprachraum.<br />
Wie wichtig ist der Standort Bern als Schauplatz<br />
für das Festival Ouest-Est? Bern bietet ja<br />
einen gewissen Schnittbereich der beiden Kulturkreise.<br />
Ich denke, er ist wichtig und gut. Bern ist in der<br />
Mitte und als Bundeshauptstadt trifft hier einiges<br />
aufeinander. In Zukunft wollen wir aber unsere<br />
P<strong>art</strong>nerschaft mit dem Théatre Arsenic in Lausanne<br />
ausbauen und egal welche Gräben auch immer<br />
überwinden – sogar ins ferne Ausland...<br />
Die erwähnten Atelier-Konzepte für 2008 beispielsweise<br />
werden co-produziert mit Lausanne.<br />
Das gleiche Projekt würde dann auch dort stattfi nden.<br />
Dann haben wir defi nitiv auch den Austausch<br />
Ouest Est und Est Ouest.<br />
Ouest Est ist inzwischen auch ein wichtiger<br />
Pfeiler des «Tanzhauses» Dampfzentrale....<br />
Es ist dabei, sich weiterhin zu etablieren. Wir<br />
werden durch das Festival und unsere Jahresprogrammation<br />
national wahrgenommen und auch<br />
international. Bern und die Dampfzentrale werden<br />
auf einmal ein Begriff auf der Tanz/Performance-<br />
Landk<strong>art</strong>e. Für mich ist es etwas Normales, dass<br />
diese Künstler und das Publikum das Haus als das<br />
Ihre betrachten, die Dampfzentrale nutzen, die<br />
Räume belegen und somit der Dampfzentrale eine<br />
Berechtigung geben und vor allem, dass hier gedacht<br />
und kreativ gearbeitet wird. Und das Festival<br />
Ouest Est ist ein Teil davon.<br />
Auf welchen Ouest-Est-Abend freut sich Roger<br />
Merguin am meisten?<br />
Natürlich auf alles! Was ich mit grösster Spannung<br />
erw<strong>art</strong>e und wo wir auch das grösste Risiko<br />
tragen, ist diese Atelier-Geschichte. Die Spannung,<br />
das Risiko und die Ungewissheit weckt grosses Interesse<br />
bei mir. Die drei Tage hinter geschlossener<br />
Türe und dann die Präsentation des Resultates<br />
wird ein Nervenkitzel. Auf alles andere freue ich<br />
mich auch. Ich weiss, es wird funktionieren – weil:<br />
wir haben es gesehen und wissen, dass es gut ist.<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 51 | März 07 13
musik<br />
KLASSIK<br />
vom staunen<br />
Von Hanspeter Renggli - Musikfestival Bern – Veress 07 (Bild: zVg.)<br />
Vom Staunen I - Veress’ Präsenz Es war ein einzig<strong>art</strong>iges<br />
Ambiente im grossen Konzertsaal des<br />
Konservatoriums Bern, als am 1. Februar 2007 um<br />
17:30 h das Musikfestival Bern – Veress 07 eröffnet<br />
wurde: Die Stimme des vor hundert Jahren in Kolozsvár<br />
(heute Cluj-Napoca, Rumänien) geborenen<br />
ungarisch-schweizerischen Komponisten und Musikpädagogen,<br />
Ethnologen und Pianisten Sándor<br />
Veress führte das Publikum in zeitlich wie räumlich<br />
weit zurückliegende Sphären. Hier sprach eine Persönlichkeit,<br />
die viele Anwesende gekannt hatten,<br />
persönlich, als Lehrer, als Kollege, als Freund, als<br />
leiser wie aufmerksamer Gesprächsp<strong>art</strong>ner, und<br />
sie sprach von künstlerischer Freiheit. Sie tadelte<br />
eine Sicht der Kunst, die Verbote und Gebote ausspricht,<br />
die Unfreiheit und Begrenzungen schafft:<br />
«Das ist die grosse Sache: dass die Kunst so wunderbar<br />
frei ist» - und manch einer und eine wird<br />
sich gefragt haben, wie weit es heute mit dieser<br />
künstlerischen Freiheit her ist! Das Gespräch zwischen<br />
Veress und dem deutschen Musikredaktor<br />
und Dirigenten Clytus Gottwald beim deutschen<br />
Südwestfunk von 1982, mit dem das Musikfestival<br />
Bern – Veress 07 nun ein Vierteljahrhundert später<br />
eröffnet worden ist, erfasste noch einmal den Kern<br />
all dessen, was Veress in seinem Musikerleben als<br />
Botschaft weitergeben wollte: Veress sprach mit<br />
grossem Ernst und zugleich kaum merklichem Augenzwinkern<br />
von seinen Wanderungen, von schönen<br />
Spaziergängen im Universum der Töne und<br />
Klänge, in dem er sich ohne Krücken, d. h. ohne<br />
irgendwelche Systemgebote völlig frei bewegen<br />
könne.<br />
Die angespannten Zuhörenden, die sassen oder<br />
standen – der 300-Personen-Saal vermochte das<br />
Publikum kaum zu fassen – erlebten einen beinahe<br />
irrealen Moment. Die Präsenz des Menschen und<br />
Komponisten Veress mit dessen hohem moralischen<br />
und künstlerischen Anspruch war spürbar. Er<br />
war spürbar in den höchst authentischen Erinnerungen<br />
des Schülers Roland Moser, er war spürbar<br />
in den Interpretationen des «Memento» für Viola<br />
und Kontrabass und in der Solosonate für Violine,<br />
14<br />
die Gabriella Marffy hinreissend spielte, auf einer<br />
Geige notabene, die der Berner Geigenbauer Olivier<br />
Krieger aus jenem Karpatenholz baute, dessen<br />
Duft der junge Musikethnologe Veress auf seinen<br />
musikalischen Sammelreisen eingeatmet hatte ...<br />
Vom Staunen II - Hohe Qualität der Musik Mit<br />
grosser Genugtuung nehmen die Verantwortlichen<br />
des ersten Musikfestivals Bern nach dem ersten Zyklus<br />
vom 1. bis 4. Februar 2007 wahr, dass das Berner<br />
Publikum die Musik von Veress heute über alle<br />
Entwicklungen der Avantgarde hinweg als unverbraucht<br />
und spannend empfi nden. Seine schönste<br />
und anregendste Erfahrung sei, so Roman Brotbeck,<br />
Fachbereichsleiter Musik der Hochschule der<br />
Künste Bern, welch bemerkenswert hohe Qualität<br />
diese Musik habe. Und er nennt zum Beispiel das<br />
Klarinettenkonzert, das am Samstagabend von<br />
Ernesto Molinari und dem Bieler Symphonieorchester<br />
unter der Leitung von Thomas Rösner zur<br />
Aufführung gelangt ist. «Kaum in einem anderen<br />
Werk», schrieb Victor Ravizza gleichentags in einem<br />
Veress-Portrait in der «NZZ», «verdichtet sich<br />
des Komponisten Personalstil in der<strong>art</strong> charakteristischer<br />
Weise wie im späten Meisterwerk des 1982<br />
uraufgeführten zweisätzigen Klarinettenkonzerts.<br />
Ähnlich wie schon Brahms diente auch ihm der sonore,<br />
etwas eingedunkelte Gesangston der sowohl<br />
in der Kunst- wie in der Volksmusik verwendeten<br />
Klarinette zu gleichsam letzten, in einem späten<br />
Licht nochmals aufglühenden eigenen Klängen.»<br />
Vom Staunen III - Die Schüler und Enkelschüler<br />
«Ich verdanke ihm alles. Er hat mich gelehrt,<br />
dass das Komponieren mit einem moralischen Anspruch<br />
verbunden ist: Es ist eine Sünde, eine Note<br />
aufs Papier zu bringen, die man nicht mit seiner<br />
ganzen Person vertreten kann. Er ist für mich immer<br />
noch ein grosses Vorbild, auch in menschlicher<br />
Hinsicht.» Was Heinz Holliger, 1955 bis 1958<br />
Schüler von Veress und einer der profi liertesten<br />
Schweizer Komponisten und Interpreten, eben in<br />
einem Gespräch mit der Aargauer Zeitung von<br />
seinem ersten Kompositionslehrer sagte, könnten<br />
wohl alle unterstreichen, die ihn gekannt hatten.<br />
Im zweiten Zyklus des Musikfestival Bern<br />
– Veress 07, vom 1. bis 4. März 2007, werden nebst<br />
Veress mit zentralen Orchester-, Chor- und Kammermusikwerken<br />
und seinen Lehrern insbesondere<br />
auch seine Schüler und seine Enkelschüler zu<br />
«Wort», respektive Ton kommen (siehe ensuite<br />
kulturmagazin Nr. 50, Februar 2007, S. 16, 17 und<br />
20). Das Erstaunen über die Aktualität von Veress’<br />
Musik ist vielfältig: Wer es nicht allein den andern<br />
überlassen möchte, erhält eine weitere Chance.<br />
Ein ausserhalb des Festival-Zyklus stehendes<br />
Konzert von Chor und Orchester des Gymnasiums<br />
Neufeld am 27. und 28. März in der Halle<br />
des Gymnasiums stellt in einem ebenfalls weitgefassten<br />
Programmfeld Musik von Veress‘ Lehrern<br />
und Schülern vor. In vier kleinen Uraufführungen<br />
erklingen Stücke von Jürg Wyttenbach, Heinz<br />
Hollger, Heinz M<strong>art</strong>i und Urs Peter Schneider, die<br />
das Gymnasium Neufeld in Auftrag gegeben hat.<br />
Von besonderem Reiz dürfte aber auch ein Stück<br />
sein, das Sándor Veress 1958 zum 100. Geburtstag<br />
des Berner Konservatoriums geschrieben hatte:<br />
«Laudatio Musicae. Ein Ohren-Vergnügendes und<br />
Gemüthergötzendes Tafelconfect» nach Texten<br />
aus einem Liederbuch aus dem Jahre 1733 von Valentin<br />
Rathgeber für Sopran, gemischten Chor und<br />
Kammerorchester.<br />
Staunen IV - BeACHTUNG also! Das Festival<br />
für Jung- und Altgierige, das so viele Sinne öffnet,<br />
geht von Donnerstag, 1. März, bis Sonntag, 4. März,<br />
in seine «zweite Runde»: mit dem Berner Symphonie-Orchester<br />
unter der Leitung seines Chefdirigenten<br />
Andrey Boreyko, mit den Klavierklassen<br />
der Musikschule Konservatorium Bern, mit einer<br />
langen Nacht der Internationalen Gesellschaft<br />
für Neue Musik, dem fantastischen Mondrian Ensemble<br />
und dem SWR Chorensemble Stuttg<strong>art</strong>,<br />
einem der herausragendsten Chöre unserer Zeit,<br />
und mit einer Bescherung der besonderen Art<br />
durch die Geigerin Patricia Kopatchinskaja und das<br />
Berner Kammerorchester.<br />
www.musikfestivalbern.ch<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 51 | März 07
KLASSIK<br />
der füssli-zyklus<br />
Von Katharina von W<strong>art</strong>burg<br />
■ Ein aussergewöhnliches Konzert ist dieser Tage<br />
im Schlachthaus zu hören: Der Füssli-Zyklus - das<br />
sind vier Auftragskompositionen zu Bildern des<br />
Schweizers Johann Heinrich Füssli (1741-1825). In<br />
allen vier Werken geht es um Sprachlosigkeit und<br />
um rasend-verzweifelte, vorsichtig-tastende oder<br />
sinnlos-autistische Berührungsversuche einer<br />
Frauenfi gur mit der Aussenwelt. Geschrieben wurden<br />
die Werke für die Flötistin Barbara «Balba»<br />
Weber, die damit ganz neue Welten in der Querfl ötenmusik<br />
betritt. Die vier Stücke sind:<br />
Helmut Oehring (D, geb. 1961), «FUESSLI-Musik»<br />
Aus mehreren übereinandergelagerten Text-<br />
und Musikschichten entwickelt sich ein grosser<br />
Monolog. Die Perfomerin bedient sich dafür eines<br />
selbstentwickelten Systems von Laptop, Mikrofonen<br />
und Fusspedalen und mischt vorproduzierte<br />
Elemente mit Live-Performance. Als Live-Instrument<br />
wird eine verstärkte, fast spieluntaugliche<br />
Bass-Querfl öte und die eigene Stimme gebraucht.<br />
Michael Wertmüller (CH, geb. 1966), «Lolita»<br />
Die gebrochene Stimme der Solistin versucht, sich<br />
durch kaum unterbrochene, virtuose Klangkaskaden,<br />
rhythmisch hochkomplexe Abläufe und penetrante<br />
Musterwiederholungen der Flöte durchzukämpfen.<br />
Verbunden mit der maschinellen,<br />
ständig im Hintergrund anwesenden bedrohlichen<br />
Geräuschkulisse des Zuspiels entsteht ein düsteres,<br />
bedrängendes Bild menschlicher Unzulänglichkeit.<br />
Natalia Pschenitschnikowa (UdSSR), «Das<br />
Schweigen» Das Stück ist frei nach Texten von<br />
John Milton, Sigmund Freud, Michel Houellebecq<br />
und Eminem geschrieben, wobei Texte ausgewählt<br />
wurden, die auf verschiedene Art den Zustand der<br />
Melancholie berühren. Die Texte selbst kommen<br />
aber nicht zu Gehör, sie sind nur in die Klänge<br />
hineinchiffriert, als Botschaften, die man manchmal<br />
fast zu verstehen glaubt, aber doch nicht richtig<br />
entziffern kann. So kommt der Zustand der Melancholie<br />
in dem Performer selbst zum Klingen<br />
Barbara Balba Weber (CH, geb. 1967), «Turm»<br />
Mit einem einzigen zwölfminütigen Ton wird eine<br />
Flötistin bis an den Rand des psychisch und physisch<br />
Möglichen getrieben. Mittels minimalistischer<br />
Techniken sowohl für die Musik als auch<br />
für die Choreographie formt sich aus diesen allerkleinsten<br />
Bewegungen (klanglich und bewegungsmässig<br />
eine Studie über den Schwalbenfl ug und<br />
den Schwalbengesang) im Verlauf des Werks eine<br />
einzige grosse Geste.<br />
In dem einstündigen Zyklus wird der Flötistin<br />
abgefordert, was weit über die gängigen Vorstellungen<br />
einer «Flöten-Musik» hinausgeht. In jedem<br />
der vier Werke wird mit den Möglichkeiten von<br />
Instrument, Stimme, Bewegung, Elektronik und<br />
Text bis an die Grenzen des bisher für ein einzelnes<br />
Solo-Instrument Gemachten experimentiert.<br />
Einerseits werden damit die beschränkten Möglichkeiten<br />
des Instruments gesprengt und die<br />
Möglichkeiten einer bestimmten Musikerin gezielt<br />
ausgelotet. Andererseits werden mehrere junge<br />
radikale KomponistInnen in einem einzigen Zyklus<br />
vereinigt, die eine neue Generation verkörpern<br />
und die (nebst dem Inhaltlichen) vor allem eines<br />
verbindet: Ablehnung jeglicher Dogmatik, unverkrampfter<br />
Umgang mit Tradition, mit verschiedenen<br />
Musikgenres, mit Sprache und mit Technik.<br />
Füssli-Zyklus:<br />
So, 11. März, 17:00 h, Schlachthaustheater Bern<br />
ARCHITEKTURKULTUR BERN<br />
■ Die Ortsgruppe Bern des Bundes Schweizer Architekten<br />
BSA lädt ein zur festlichen Buchvernissage:<br />
Freitag, 30. März 2007, Kornhaus Bern, ab<br />
19:00 h im Stadtsaal.<br />
Apéritif prolongé, mit künstlerischen Interventionen<br />
von Chantal Michel und Jürg Halter. Eintritt frei,<br />
die Weine werden offeriert – nix wie hin…<br />
STADTLÄUFER<br />
Von Andy Limacher<br />
musik<br />
■ nr. 29 // berauschend. Letztens spazierte ich<br />
dem Uferweg entlang bis zum Kraftwerk Engehalde.<br />
Dort schaute ich eine Weile lang Schwänen<br />
und Enten zu und bewunderte die Wintersonne,<br />
die sich im Wasser spiegelte. Von allen<br />
Geräuschen der Natur ist mir dasjenige des Wassers<br />
am liebsten, vor allem, wenn es über einen<br />
Abgrund hinausschiesst, und sei dieser noch so<br />
klein.<br />
Als ich den Wasservögeln beim Nichtstun<br />
zuschaute, fragte ich mich, wieviel Strom dieses<br />
kleine Flusskraftwerk eigentlich produziert,<br />
und dies wiederum führte zum Entschluss, einen<br />
Stadtläufer über die Berner Stromproduktion zu<br />
schreiben. Das Thema ist ja im Hinblick auf den<br />
neuen IPCC-Bericht brandaktuell.<br />
Auf der Website von Energie Wasser Bern<br />
erfuhr ich, dass nur fünf Prozent der gesamten<br />
Energieerzeugung für die Bundeshauptstadt aus<br />
eigenen Anlagen stammen. Der grösste Anteil<br />
entfällt dabei auf das Flusskraftwerk Felsenau,<br />
das Schlusslicht bilden die Engehalde und das<br />
Solarkraftwerk Neufeld.<br />
Knapp zwei Drittel des Berner Stroms liefern<br />
sogenannte P<strong>art</strong>neranlagen, zu denen auch die<br />
Kernkraftwerke Gösgen und Fessenheim (F) gehören,<br />
die verbleibenden 35 Prozent führt die<br />
EWB unter dem etwas undurchsichtigen Posten<br />
«Drittbezüge» auf. Diese Erkenntnis hat dazu<br />
geführt, dass ich seit dem 1. Januar 2007 das<br />
Stromprodukt ewb.BERNER.kraft beziehe. Da<br />
sind zwar auch Speicherkraftwerke dabei, aber<br />
immerhin keine Kernkraftwerke.<br />
Doch zurück zu den Schwänen und Enten und<br />
unserem Spaziergang. Wenn Sie denjenigen Ort<br />
besuchen möchten, an dem der Löwenanteil des<br />
Berner Stroms produziert wird, folgen Sie der<br />
Aare Richtung Olten bis Gösgen (dabei handelt<br />
es sich um ungefähr drei bis vier Tagesmärsche).<br />
Ansonsten können Sie getrost hier bleiben: Vom<br />
Engekraftwerk kommt zwar nicht der meiste<br />
Strom, aber sicherlich der schönste.<br />
www.ensuite.ch<br />
Ein Abo macht Sinn.<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 51 | März 07 15
Michael Brenner and Freddy Burger in association with Queen Theatrical Productions, Phil McIntyre Entertainments and Tribeca Theatrical Productions present:<br />
AB NACH ZÜRICH:<br />
HAUPTSTADT DER CHAMPIONS!<br />
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WWRY<br />
2
JAZZ<br />
jazz mit heissem atem<br />
Von Benedikt Güntert (Bild: zVg.)<br />
■ Joe Zawinul, geboren in Wien 1932, ist trotz seines<br />
Alters nicht zu einer Legende des Jazz mutiert:<br />
Frisch wie ein Sportsmann führt er noch immer seine<br />
Band wie eine Akademie und treibt sie auf Tour<br />
zu Höchstleistungen.<br />
Seine Herkunft ist schon aussergewöhnlich für<br />
einen europäischen Jazz-Musiker: Zawinul wuchs<br />
auf zwischen Vaters Akkordeonklängen in einem<br />
Wiener Arbeiterviertel und Grossmutters kinderreichem<br />
Kleinbauerngut in Stadtnähe. Die zweite<br />
Grossmutter ist eine Sintiza aus Ungarn. Das Leben<br />
war h<strong>art</strong> und arm, die Musik jedoch das starke Band,<br />
das die Familie verknüpfte. So griff auch Josef früh<br />
zum Akkordeon, stimmte in die Volkslieder ein, und<br />
wurde mit seinem Gefühl für Rhythmen bald zu einem<br />
Leader der Stubenmusik. Am Konservatorium,<br />
kurz nach den Kriegsjahren, hörte er erstmals, was<br />
aus den Vereinigten Staaten kam. Dank den neuen<br />
Tönen von Fats Waller fi ng er Feuer für schwarzen<br />
Jazz, der ja auch im armen Milieu entstand. Er übte<br />
ihnen nach, spielte in europäischen Bands, doch<br />
Ende der fünfziger Jahre zog es ihn nach den USA,<br />
wo er sich bald dem grossen Canonball Adderley anschliessen<br />
sollte.<br />
Eine neue Schule begann für ihn. Bis er eines Tages<br />
- war es im wilden Umbruchjahr 68? – befand,<br />
er wolle nie mehr so tönen wie seine Lehrmeister. Er<br />
schweisste alle seine LPs ein und begann von vorn<br />
mit Spielen und Komponieren. Das war der Beginn<br />
einer gross<strong>art</strong>igen Epoche, die Geburt des Fusion-<br />
Jazz. Er war mitten in der kreativen jungen schwarzen<br />
New Yorker Jazz-Szene, begleitete Dizzy und<br />
Miles Davis. Der befand einmal zu seinen Rhythmen:<br />
«it’s not black, it’s not white, but it grooves harder<br />
than anything», zu seinen Bassläufen meinte er, niemand<br />
schreibe solche wie Zawinul. Der begann nach<br />
einer ersten Solo-LP («Zawinul» 1970) mit Trompeter<br />
Wayne Shorter und Bassist Jaco Pastorius zu<br />
spielen. Kurz darauf entdeckte die Welt hinter psychedelischen<br />
Plattenhüllen der Gruppe «Weather<br />
Report» eine neue Art von impulsivem Jazz. Fusion?<br />
Ja, da war Rock dabei, Psycho, Ethno… und der unbe-<br />
kannte, prägende Klang von Zawinuls elektrischem<br />
Keyboard, welcher den Stücken einen wilden Atem<br />
verlieh. «Weather Report» wurde zur ersten Jazzformation,<br />
die in Pop-Gefi lden Anklang fand, sogar<br />
deren Ch<strong>art</strong>s erklomm, mit Zawinuls Komposition<br />
«Birdland», einer Ode an New Yorks umstrittensten<br />
Club. Fast zwanzig Jahre später sollte er in Wien sein<br />
eigenes, neues Birdland eröffnen. (Ein heisser Tipp<br />
für Wien-Reisende!)<br />
Zawinul, den viele wie die übrigen Weather Reporter<br />
für einen Schwarzen hielten, und die meisten<br />
für den schwärzesten aller weissen Musiker, hatte<br />
den Jazz revolutioniert, hatte mit einem neuen<br />
Instrument, dem Keyboard, neue Phrasen und Energien<br />
eingeführt. Und war einer der wenigen europäischen<br />
Jazzer, die sich in der amerikanischen<br />
Jazzwelt durchsetzen konnten.<br />
Bei alledem pfl egte der starke Kerl noch ein anderes<br />
Leben, sein liebstes Hobby war und ist nämlich<br />
der Boxsport. Was der mit Musik zu tun hätte? «Beides<br />
braucht vollste Konzentration und Intelligenz.»<br />
Zwischen den Welten war er zeitlebens: zwischen<br />
Stadt und Land, zwischen Wien und New York und<br />
heute Kalifornien, zwischen Sport und Musik. Zwischen<br />
seiner Familie und Musikern aller erdenklichen<br />
Herkünfte fühlte er sich am wohlsten. Nach der<br />
Aufl ösung von «Weather Report» begann er denn,<br />
junge Talente aus aller Welt um sich zu scharen. CDs<br />
wie «Mi Gente» oder «Lost Tribes» in den neunziger<br />
Jahren zeigten, welch wundervoll originelle, funkige<br />
Welt-Musik er mit seiner gescheiten, humorvoll<br />
strengen Führung zu verdichten vermochte.<br />
75 wird Zawinul dieser Tage, noch immer ist er<br />
stämmig wie ein Boxer, und diese zweite Natur ist<br />
die Saftwurzel dieses Mannes, der noch lange nicht<br />
seine Legende zelebrieren will. Auf jede Tournee<br />
bringt er neue Jungtalente aus seiner Kaderschmiede<br />
mit, gewissermassen der Zawinul-Akademie. Auf<br />
der Bühne wird er sie zum Äussersten treiben und<br />
den Wahn ihrer Improvisationen geniessen.<br />
Joe Zawinul & The Zawinul Syndicate spielt in<br />
der Mühle Hunziken am 13.3.2007, 21:00 h<br />
JAZZ IN BERN<br />
musik<br />
VIKTORIA TOLSTOY<br />
IM THEATER NATIONAL<br />
■ Jazz-Puristen rümpfen die Nase, sobald eine<br />
nordische Jazzsängerin, dazu noch «blond», auf<br />
die Bühne steigt. Den einen ist es zu poppig, den<br />
anderen zu wenig hitverdächtig, weitere schreien:<br />
«Das ist alles nur Marketing.» Sicher, das Publikum<br />
wurde in den letzten Jahren überfl utet, die<br />
Musikindustrie hatte einen Markt entdeckt. Trotzdem<br />
sind es immer nur wenige, die überleben –<br />
und Viktoria Tolstoy steht erfolgreich mitten drin.<br />
Ihr Urgrossvater war der Sohn des berühmten<br />
Leo Tolstoi im noch russischen Zarenland – doch<br />
das wird sich auf die Musik nicht auswirken. Er<br />
Bild: zVg.<br />
heiratete eine Schwedin und sie blieben seit dem<br />
Ende des 19. Jahrhunderts in Schweden sesshaft.<br />
Viktoria ist also Schwedin und 1974 in Sigtuna, in<br />
der Nähe von Stockholm geboren – vielleicht deswegen<br />
blond. Auch dies hat mit der Musik nicht<br />
viel zu tun.<br />
Ihr Vater, ebenfalls ein schwedischer Jazzmusiker,<br />
führte sie in die Jazzwelt ein und gab ihr die<br />
musikalische Ausbildung gleich selber. Entdeckt<br />
wurde sie Mitte der 90er Jahre in einem Stockholmer<br />
Club und erhielt darauf einen Plattenvertrag.<br />
Der St<strong>art</strong> glückte, zwei Jahre später folgte ein<br />
pop-orientiertes weiteres Album und dies katapultierte<br />
sie an die Spitze der Hitlisten. Weitere Alben<br />
folgten, diesmal produziert und mitgeschrieben<br />
vom Landesmann Esbjörn Svensson. Mit dessen<br />
Formation e.s.t. war sie dann auch gleich auf<br />
Tournee. Von da an war sie mit den grossen auf<br />
der Bühne: Zum Beispiel Ray Brown oder McCoy<br />
Tyner. Und dies zu Recht: Die Frau kann singen<br />
und hat ziemlich Feuer in der Musik. Ihr Jazz ist<br />
poppig, aber nicht «blond». Empfohlen sei hier ihr<br />
letztes Album: «Pictures Of Me».<br />
Die Jazz-Organisation BeJazz bringt Viktoria<br />
Tolstoy am 23. März, im Rahmen der Jazz Classics<br />
Bern, um 20:00 h ins Theater National. (vl)<br />
Infos: www.bejazz.ch / Telefon 031 311 25 94<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 51 | März 07 17
musik<br />
POPMUSIK<br />
zwei feen auf besuch in bern<br />
Von Caroline Ritz - Anna Ternheim aus Stockholm und Eleni Mandell aus Kalifornien kommen ins ISC Bern (Bild:<br />
zVg.)<br />
■ Es waren einmal zwei Feen – die eine aus Los<br />
Angeles, der «Stadt der Engel», stammend, während<br />
die andere in Vila unter dem mystischen<br />
Nordlicht Schwedens geboren wurde. Geografi sch<br />
Welten auseinander, schlägt beider Herz schon in<br />
frühreifer Heftigkeit für die Musik, entdecken sie<br />
doch fast simultan die Liebe zum z<strong>art</strong>en Saiteninstrument<br />
Gitarre, machen Zwischenhalt bei einem<br />
Kunststudium, bevor sie sich endgültig der hohen<br />
Kunst des Songwritings zuwenden und von den<br />
Grössen des Genres entdeckt und gefördert werden.<br />
Die Rede ist von den zwei reizenden Melusinen<br />
Anna Ternheim und Eleni Mandell. So zwillingshaft<br />
die beiden auf den ersten Blick scheinen mögen, so<br />
gegensätzlich und spannend sind doch ihre Ausdruckformen.<br />
Die lieben Nöte mit den Männern,<br />
von durchzechten und durchweinten Nächten und<br />
vermeintlichen Schicksalsbegegnungen mit dem<br />
anderen Geschlecht handeln ihre Texte. Liebevoll<br />
und akribisch erzählen die Damen von skurrilen<br />
Erlebnissen und lamentablen Details ihrer Vergangenheit.<br />
Anna Ternheim mit z<strong>art</strong>er, unterkühlter<br />
Stimme und trockener, barscher Ausdrucksweise,<br />
die zeitweise an eine Suzanne Vega erinnert.<br />
Eleni Mandell in der raffi nierten und verruchten<br />
Variante. Lasziv und «anbieterisch» klingen die bizarren<br />
Wortspiele und Songtexte. Beide wohl vom<br />
Feenreich beauftragt, den Weg der unerträglichen<br />
Leichtigkeit des Seins zu gehen. Stimmungen und<br />
Texte schwanken zwischen schalen Liebesabschieden<br />
und versöhnlichen Zukunftsaussichten. Da<br />
hört man Passagen wie: «Sounds like darkness in<br />
the sky. Death-like, calm comes creeping by. There<br />
are not tears falling from my eyes. Just little birds<br />
singing. Miss me, miss me, miss me» oder «Salt<br />
truck clear my path. All my dreams have frozen<br />
fast. I want roads that I can drive on. I want a love<br />
I can rely on.» In aller Sehnsucht und suchender<br />
Zerrissenheit, bewahren die Musen Witz und eine<br />
naive Berührtheit. Dies setzt wahres Können voraus.<br />
Nur die Nächte sind kalt in Schweden Anna<br />
Ternheim wurde 1978 in Stockholm geboren und<br />
begann mit zehn Jahren das Gitarrenspiel zu erlernen<br />
und erste Stücke zu komponieren. Die eigene<br />
Band liess jedoch auf sich w<strong>art</strong>en. Erst als sie<br />
18<br />
mit siebzehn nach Atlanta ging, gründete sie dort<br />
die Band «Sova». Zurück in Schweden, widmete<br />
sie sich fortan intensiver ihrem Musikschaffen.<br />
Es folgten Studienjahre in Lausanne. «Es scheint,<br />
dass ich viel in der Welt herumkommen bin. Ich<br />
schätze jedoch die Zurückgezogenheit, ungebunden<br />
an einen Ort, besinne mich gerne auf die Musik,<br />
auf meine Texte. Die Stille inspiriert mich», so<br />
Anna über ihre Weltenbummelei. Der Name Anna<br />
Ternheim wurde in der Stockholmer Szene immer<br />
mehr zu einem Begriff. Der unerw<strong>art</strong>ete Erfolg in<br />
ihrer Heimatstadt ermutigte Anna, ein eigenes Album<br />
aufzunehmen. «Somebody Outside» wurde<br />
2004 vorerst nur in Schweden, 2006 dann europaweit<br />
auf den Markt gebracht Aufgenommen<br />
wurde das Album in aller Abgeschiedenheit auf<br />
der schwedischen Insel Gotland, in einer alten Sägemühle.<br />
Der Klang der Aufnahmen ist sehr charakteristisch,<br />
hört man doch zuweilen das Meer<br />
und das Rauschen des Windes durch die Songs<br />
geistern. Im Februar dieses Jahres ist nun ihr zweites<br />
Werk «Separation Road» erschienen, wobei die<br />
limitierte Edition mit den «Naked Versions» absolut<br />
zu empfehlen ist. Die Soundaufnahme ist direkt<br />
und klar, erinnert teils an Filmmusik – darum auch<br />
die aufwendigeren Arrangements. Die Gewinnerin<br />
des schwedischen Grammy als «Newcomerin des<br />
Jahres» wird am 18. März im ISC auftreten. Nicht<br />
vergessen, dies dick in der Agenda einzutragen.<br />
Nur ein bisschen Hollywood Die Liedermelodien<br />
von Eleni Mandell sind unspektakulär und roh,<br />
als ob sie anstelle des musikalischen Glamours die<br />
sprachliche Wucht bevorzuge. Diese trifft umso<br />
heftiger den Zuhörer mitten ins Herz. Vielfältig<br />
sind die Stationen in Mandells Leben. Im Teenageralter<br />
feuriger Fan der legendären L.A.-Punkband<br />
X, lernt sie Jahre später über Chuck E. Weiss ihr<br />
grosses Vorbild Tom Waits kennen. Dieses Treffen<br />
bestärkte sie in ihrem Vorhaben, sich im Songwriting<br />
zu versuchen. Mandell über Tom Waits: «Ich<br />
hatte so eine morbide Neugier, das Leben dieses<br />
selbstzerstörerischen Charakters zu ergründen!<br />
Ich wollte wie Tom Waits sein. Ja, ich bin mir nicht<br />
sicher warum. Ich verehre ihn immer noch, heute<br />
bevorzuge ich aber, ich selbst zu sein. Diese Phase<br />
gehörte zwingend zu meinem Leben.» Dem<br />
Rat Waits’ folgend, bricht sie ihr Kunststudium ab<br />
und widmet sich ausschliesslich ihrer Musikkarriere.<br />
Nach zwei Jahren mühsamer Arbeit gelingt<br />
ihr der erste Wurf «Wishbone», der ihr zu einem<br />
Vertriebsdeal verhilft. Es folgen «Thrill» und 2001<br />
«Snakebite», das sich stark an Bob Dylans Sound<br />
anlehnt. Kaum wollte die Musikpresse Mandell in<br />
eine Sp<strong>art</strong>e pressen, überraschte sie 2003 mit einem<br />
lupenreinen Country-Album namens «Country<br />
for True Lovers». Mandell meint: «Ich liebe<br />
die Country-Musik, wie sie vor dreissig, fünfzig,<br />
ja sogar sechzig Jahren gespielt wurde. Damals<br />
war sie noch absolut soulful, mit wunderschönen<br />
Texten, Melodien, Instrumenten, gespielt von<br />
tollen Musikern. Ich liebe Hank Williams, Tammy<br />
Wynette, Willie Nelson oder eine Merle Haggard.»<br />
2004 erscheint dann ihre nächste und fünfte Platte<br />
«Afternoon». Ein Gemisch aus Country, Blues,<br />
Soul und Rock’n’Roll. Diese Platte zelebriert das<br />
Schrammlige des Blues, trägt die Klarheit des Folk<br />
und die Güte des Countrys in sich. Sechster und<br />
neuster Streich ist das im Februar 2007 erschienene<br />
Album «Miracle of Five». Die zwölf Country/<br />
Songwriter-Songs kommen leichtfüssiger und unbeschwerter<br />
daher. Schmerz und Enttäuschungen,<br />
die auf den früheren Alben büsserhaft verarbeitet<br />
wurden, werden heute sachlich und überlegt in<br />
den Texten abgehandelt. Das Album wirkt ausgeglichen<br />
und animiert zu wohligem Mitschwingen<br />
bei den Songs. Am 15. März wird das ISC für einmal<br />
zum Saloon, Cowboys und -girls sind eingeladen.<br />
Feenwünsche aus der Jukebox Was würden<br />
sich wohl Feen wünschen, wenn sie einen Wunsch<br />
frei hätten? Wer die Antwort sucht, fi ndet sie unverblümt<br />
und wahr auf den neusten Alben der Frauen<br />
oder Live im ISC. Schöner kann ein Schlusswort<br />
wohl kaum mehr sein, Miss Mandell: «Moonglow,<br />
lamp low. All I need is a rainbow. And true love just<br />
like sugar in my coffee. Moonbeam, sleeping. All I<br />
need is a sweet dream. And true love just like honey<br />
in my tea.»<br />
Konzerte:<br />
Anna Ternheim spielt am 18.3.2007, 21:00 h,<br />
Eleni Madell spielt am 15.3.2007, 21:00 h im ISC<br />
Bern.<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 51 | März 07
POPMUSIK<br />
verfrühtes frühlingserwachen<br />
mit cibelle (Bild:<br />
■ Normaleweiser beginnt der astronomische<br />
Frühling ja erst am 21. März – dieses Jahr macht<br />
der Kosmos für einmal eine Ausnahme. Das<br />
kleine Städtchen Bern wird am 18. März Zeuge<br />
von unerklärlichen Rhythmen, Melodien, die<br />
an zärtliches Satellitengefl üster erinnern, und<br />
sphärischen Tonfetzen, die einem erregten<br />
Zusammentreffen der Himmelsgestirne nahe<br />
kommen. Eine Stimme, elektrisierend, spannungsgeladen,<br />
das kosmische Einläuten des Lenz<br />
zelebrierend. Cibelle ist die diesjährige Botschafterin<br />
des Berner Frühlings. Und um nichts<br />
dem Zufall zu überlassen, nimmt sie neben einer<br />
erstklassigen Band Gerätschaften wie Loopgeräte,<br />
Sampler und weitere elektronische Spielzeuge mit.<br />
Ihre Musik einfach mit einem Bossa-Nova-Stempel<br />
zu versehen, wäre bedauerlich und würde ihrem<br />
vielfältigen Talent nicht gerecht. Der Himmel hat<br />
es gut gemeint mit dem Mädchen. Es besitzt das<br />
feine Gespür für den Jazz. Piano- und Gitarrenspiel<br />
werden jovial von Cibelle in ihre elektronischen<br />
Klangteppiche eingefl ochten, um dann zwinkernd<br />
von dannen zu fl iegen. Nicht selten nehmen sie das<br />
Herz eines Zuhörers kurzerhand mit.<br />
Wir alles begann Begonnen hat alles im «Glitter»,<br />
einer Bar in São Paolo. Cibelle w<strong>art</strong>ete dort genervt<br />
auf ihren immer zu spät kommenden Freund. Gereizt<br />
rauchte sie eine Zigarette nach der anderen, wobei<br />
ihr unentwegt ein schwarz gekleideter Mann Feuer<br />
gab. Dieser Herr war Suba, Schöpfer von «Sao Paolo<br />
Confessions», wohl eines der wichtigsten Alben für<br />
die neue, junge lateinamerikanische Musik. Cibelle<br />
über ihren Förderer und Freund Suba: «Als ich<br />
zum ersten Mal seine elektronischen Sounds hörte,<br />
war ich sprachlos. Der Samba veränderte sich,<br />
die Musik begann für Momente stillzustehen, ich<br />
hörte eine ganz andere Klangarchitektur heraus.<br />
Mich durchzuckte es und ich dachte nur: Yeah! Auf<br />
diesen Sound habe ich ein Leben lang gew<strong>art</strong>et. Den<br />
zVg.)<br />
Von Caroline Ritz - Warmes Winterende mit Brasiliens spannendster Stimme<br />
Typ muss ich kennenlernen.» Ihr damaliger Freund<br />
drängte sie auf die Bühne und Suba drückte ihr ein<br />
Mikro in die Hand. Das war der Anfang einer der für<br />
Cibelle tiefsten und kreativsten Freundschaften, die<br />
allerdings jäh durch den plötzlichen Tod von Suba zu<br />
Ende ging, bevor sie erst richtig angefangen hatte.<br />
Eine gemeinsame Tournee war schon fi x geplant,<br />
und frische Songs waren in Arbeit. Der Schock und<br />
die Trauer sassen tief. Sie nahm sich eine Auszeit,<br />
um dann passenderweise ein Jobangebot in der Bar<br />
«Grazie a Dio» zu bekommen. Cibelle konnte den<br />
Freitagabend nach freiem «Gusto» gestalten. Sie<br />
organisierte Jam-Sessions, bei denen sie selber aktiv<br />
mitwirkte. Zu Beginn wurde noch planlos gejammt,<br />
mit der Zeit unterlegten Cibelles eigene Gedichte<br />
die Stücke – da fehlte nicht mehr viel zum nächsten<br />
Schritt, diesen Gedichten ein musikalisches Gesicht<br />
zu geben. Sie entwickelte stetig ihren eigenen,<br />
ganz persönlichen Sound. Heute lebt die junge<br />
Frau in London. Ihr aktuelles Album «The Shine of<br />
Dried Electric Leaves» nahm sie in London und São<br />
Paolo auf. An ihrer Seite hatte sie erfolgreiche Co-<br />
Produzenten und Performer – darunter Apollo Nove<br />
(innovativer Produzent und Künstler aus São Paulo,<br />
der einen Grossteil ihres Debütalbums produzierte),<br />
Yann Arnaud aus Paris (Air), und Gäste wie Seu<br />
Jorge (bekannt aus dem Film «City Of God») und<br />
nicht zur vergessen, Cibelles Freunde Devendra<br />
Banh<strong>art</strong> und Spleen.<br />
Energiequelle fürs Auge und Ohr Durch die<br />
erhöhte Sonneneinstrahlung werden im Frühling<br />
vermehrt Serotonin und Dopamin ausgeschüttet.<br />
Das macht glücklich und euphorisch. Wetterunabhängig<br />
wird Cibelle für einen heissen Abend<br />
sorgen. Serotonin fürs Auge und Dopamin fürs Ohr<br />
– die Dosis ist noch unklar.<br />
bee-fl at, Turnhalle PROGR in Bern, 18. März 2007,<br />
21.00 h - www.bee-fl at.ch<br />
SPOTLIGHT<br />
musik<br />
Brazilian Girls<br />
■ Dieses hippe Qu<strong>art</strong>ett stammt weder aus<br />
Brasilien noch besteht es aus Mädchen und vor<br />
allem klingt es nicht nach Latin. Soundtechnisch<br />
schwingt klar New York durch, woher die<br />
Brazilian Girls mit der Sängerin Sabina Sciubba<br />
auch kommen. In nicht weniger als fünf Sprachen<br />
(englisch, deutsch, französisch, italienisch,<br />
spanisch) – zum Teil im gleichen Satz – singt sie<br />
unwiderstehlich erotisierend auf dem aktuellen<br />
Album «Talk to la Bomb». Auf dem renommierten<br />
Jazz-Label «Verve» erschienen, treiben die<br />
Brazilian Girls mit ihrer aktuellen zweiten Platte<br />
in Richtung Neo Wave, Electro-Pop-Punk, Dance-<br />
Rock. Kunst und Zukunftsmusik – Heiss. (cr)<br />
7.3.2007 Bad Bonn, Düdingen<br />
CD-Tipp: Voodoo Galore Vol. 2<br />
■ Jérémie Malisz ist King Automatic und bleibt<br />
auch mit seiner zweiten Platte «I Walk My Murderous<br />
Intentions Home» der wahre König der One-<br />
Man-Bands. Es fi epen die Orgeln, die Mörder-Gitarren<br />
durchqueren den schweren Rock’n’Roll,<br />
die Blues-Harp keucht, während das Schlagzeug<br />
malträtiert wird. Die Mensch-Maschine Malisz variiert<br />
die Tempi, prescht nicht mehr nur stur nach<br />
vorne wie auf dem noch abgefuckter klingenden<br />
Vorgänger «Automatic Ray» und lacht diabolisch<br />
im listigen «Here Comes The Terror», hinkt im<br />
grossen «The Sinner», tönt nach Unterwelt, nach<br />
B-Movies, watet in einem einzigen Sündenpfuhl<br />
und bereitet schlicht wohllüstiges Vergnügen.<br />
Freundlich gestaltet sich das mittlerweile<br />
dritte Album von The Watzloves. Die Lust am Archaischen,<br />
an Zydeco, Cajun und Polka bestimmt<br />
«Catch Me A Possum». Liebenswürdig sind in<br />
erster Linie die Duos zwischen der Sängerin/<br />
Akkordeonistin Silky und ihrem P<strong>art</strong>ner DM Bob<br />
sowie das sehnende «You’re On My Mind» ausgefallen.<br />
Simpel gestrickt enthält «Catch Me A<br />
Possum» vierzig Minuten Musik zum geselligen<br />
Trinken, nicht mehr und nicht weniger. (bs)<br />
Beide Platten erschienen auf Voodoo Rhythm<br />
(im Vertrieb von RecRec).<br />
The Watzloves spielen am 16. März im Café<br />
Kairo.<br />
Festival für Musik und visuelle<br />
Kunst: SEHNSOHR<br />
■ Vom 29. - 31. März fi ndet in der Dampfzentrale<br />
ein äusserst spannendes Festival der WIM<br />
Bern (Werkstatt für improvisierte Musik) statt:<br />
SEHNSOHR. Das Programm verspricht experimentelle<br />
Highlights und konfrontierende Spontanität.<br />
Gleichzeitig feiert die WIM Bern ihr 25jähriges<br />
Jubiläum. Wir gratulieren! (vl)<br />
Infos: www.wimbern.ch<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 51 | März 07 19
musik<br />
«coca-cola schmeckt<br />
nun mal besser als rivella»<br />
Interview von Claudia Badertscher - Die Berner Pistol-Rock Band: The Makagulay Culkins (Bild: zVg.)<br />
■ Derjenige, der das von den Schweizern erfundene<br />
Getränk nicht mag und US-amerikanisches<br />
Kulturgut hochschätzt, heisst Georg Schlunegger<br />
und ist Sänger der Berner Pistol-Rock Band The<br />
Makagulay Culkins. Seine Band trinkt nicht nur<br />
amerikanische Tropfen, sie gewinnt auch ihre Inspiration<br />
aus Übersee: Johnny Cash und Bruce<br />
Springsteen sind die Idole der fünf Musiker. Soeben<br />
haben die Makagulays ihre erste zwar kurze,<br />
aber vielversprechende CD «Uhhh-Ahhh» aufgenommen.<br />
Im Interview erzählen Schlunegger, Gitarrist<br />
Dr. Schlürd, Bassist Matthias Christen und<br />
Drummer Christian «Riis» Rosser von ihrer Band<br />
und ihrer Vorliebe für Amerikanisches.<br />
«The Makagulay Culkins» – ein sehr merkwürdiger<br />
Bandname.<br />
Dr. Schlürd: Der Name ist, wie so vieles in unsrer<br />
Band, eine Spontangeburt. Riis und ich sahen<br />
im Fernsehprogramm, dass «Kevin allein zu Haus»<br />
gezeigt wird. Zwischen uns entbrannte daraufhin<br />
die wohl jedem unserer Generation bekannte Diskussion<br />
über den Namen des Kevin-Darstellers. Ich<br />
pochte auf «Makagulay Culkin». Riis antwortete, er<br />
hiess zwar anders, aber: wir haben einen Bandnamen.<br />
Das «The» fügten wir hinzu, weil es alle guten<br />
Bands im Namen tragen.<br />
Auf Eurer CD wechseln Countrylieder mit rockigen<br />
Songs. Eine klare Linie ist nicht erkennbar.<br />
20<br />
Dr. Schlürd: Die verschiedenen Stile sind musikalisches<br />
Abbild der Anatomie unserer Band. Sie<br />
setzt sich aus fünf Individuen mit ebenso vielen<br />
Musikgeschmäckern zusammen.<br />
Schlunegger: Ich schreibe vor allem romantische<br />
Lieder, Riis Satirisches wie den Song «Electric<br />
Chair». Unsere Skala reicht von Country bis<br />
Rock – «Pistol Rock» eben.<br />
Nicht gerade die Musik, die man sonst von<br />
der jungen Berner Szene hört.<br />
Schlunegger: Uns gefällt die Ehrlichkeit und<br />
Einfachheit des amerikanischen Roots-Rock. Viele<br />
Musiker wollen das Rad neu erfi nden, unsere Songs<br />
hingegen müssen weder innovativ noch fancy sein,<br />
sondern schön. Für einen Song, der berührt, reichen<br />
manchmal zwei Akkorde. Wir machen Musik,<br />
die uns und unserem Publikum gefällt.<br />
Das Schweizer Publikum mag gemäss Verkaufszahlen<br />
von Plüsch und Co. einheimische<br />
Bands mit Mund<strong>art</strong>texten. Ihr singt ausschliesslich<br />
Englisch.<br />
Dr. Schlürd: Zu unserer Musik passen englische<br />
Texte besser. Und wir wollen uns nicht künstlich<br />
gegen den Einfl uss der amerikanischen Kultur auflehnen.<br />
Schlunegger: Stimmt. Schliesslich schmeckt<br />
Coca Cola einfach besser als Rivella.<br />
Christen: Überdies sind unsere Motivation ja<br />
auch nicht Verkaufszahlen, wir müssen nicht in<br />
zwei Jahren das Hallenstadion füllen.<br />
Wünscht sich nicht jeder Musiker insgeheim<br />
grossen Erfolg?<br />
Christen: Wir wollen unser Projekt nicht hochgestochenen<br />
Ambitionen unterordnen.<br />
Schlunegger: Wichtiger ist uns die musikalische<br />
Freiheit, das Ziel der Band sind daher kleinere Konzerte<br />
und CD-Produktionen in Eigenregie.<br />
Riis: Was zudem zählt, ist das Gefühl am Samstagnachmittag<br />
im Bandraum. Musik machen ist<br />
gut für die Seele. Nicht in allen Lebensbereichen<br />
sollen Ehrgeiz und Leistung den Ton angeben.<br />
Welch gutschweizerische Bescheidenheit.<br />
Riis: Nun, wenn uns der Organisator der Superbowl-Pause<br />
anruft, spielen wir, aber nicht unter<br />
500 Franken plus Spesen.<br />
Konzerte<br />
2. März, 21:00 h<br />
Ono, Bern: Plattentaufe<br />
15. März, 22:00 h<br />
Mescalero, Grindelwald: Konzert mit Kandlbauer<br />
Hörproben<br />
http://www.myspace.com/themakagulayculkins<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 51 | März 07
POPMUSIK<br />
«am anfang war das wort,<br />
aber davor wurde gehustet.»<br />
Von Benedikt S<strong>art</strong>orius (Bild: zVg.)<br />
■ «Folgende Versuchsanordnung: Ich kippe eine<br />
Art sprachlichen Müll in die rotierende Trommel,<br />
und wenn ich dann genug einzelne kleine Teile da<br />
hineingegeben habe und die Kraft, die das Ganze<br />
am Rotieren hält, sie so weit an die Wand drückt,<br />
dass diese Teile dann gezwungen sind, miteinander<br />
Händchen zu halten, dann ergibt sich entweder eine<br />
Art alpine Landschaft oder Zuckerwatte.» Mit diesen<br />
Worten beschreibt Blixa Bargeld seine Performance<br />
«Rede/Speech». Der «sprachliche Müll» besteht<br />
aus Worten, Wortfetzen, markerschütternden<br />
Schreien, Sprachsequenzen und Geräuschen aus<br />
dem Brustkorb, die Bargeld mit seiner rotierenden<br />
Trommel – nichts anderes als zwei primitive Loop-<br />
Maschinen – überlagern, wiederholen und verfremden<br />
lässt.<br />
Faustisch Bargeld amtet im schwach ausgeleuchteten<br />
Bühnenraum als Conférencier, als Professor,<br />
der pseudo-wissenschaftlich auf Basis eines<br />
veralteten Konversationslexikons den Aufbau des<br />
Sonnensystems erklärt und in faustischer Manier,<br />
zusammen mit dem mephistophelischen Toningenieur,<br />
den Menschen mit einer Strassentaube kreuzt.<br />
«Was die Welt im Innersten zusammenhält»: Ist es<br />
das formatierte «Sunshine Radio», das Bargeld zur<br />
Techno-Parodie «Hey Cosmic Baby, Do You Wanna<br />
Dance» treibt? Ist es das Husten und Räuspern des<br />
soignierten Publikums, die den wichtigsten Teil des<br />
kosmischen Hintergrunds bilden? Ist das «Staunen»<br />
oder der «Zweifel» die wichtigere Komponente im<br />
Universum, wer behält im philosophischen Begriffs-<br />
Ringkampf die Oberhand? Schliesslich: Ist Bargeld<br />
der Demiurg, der Schöpfer, oder doch nur ein abgetakelter,<br />
komischer Dandy?<br />
Rollenmodelle Jedenfalls beherrscht Blixa Bargeld<br />
die beiden längst nicht mehr antagonistischen<br />
Rollenmodelle Pop und Hochkultur virtuos. Als Totengräber<br />
arbeitete er im alten Berlin, gründete die<br />
Industrial-Blaupause «Einstürzende Neubauten»,<br />
die in den frühen 80er Jahren mit Bohrmaschinen<br />
als Bühnenaccessoires den Krieg in die Städte<br />
brachte und mit ihrem letzten Migrations-Album<br />
«Perpetuum Mobile», unbändig und elegisch zugleich,<br />
zu neuer Stärke aufblühte. Im Nebenamt war<br />
Bargeld bis 2003 als Gitarrist von Nick Caves Bad<br />
Seeds beschäftigt, sorgte mit dem rudernden Auftritt<br />
in Caves Video zu «The Weeping Song» für einen<br />
urkomischen Moment in der Clipgeschichte und<br />
war eigentlich als Lustmörder für Kylie Minogues<br />
P<strong>art</strong> in «Where The Wild Roses Grow» vorgesehen.<br />
Und wenn Zeit fürs Theater sowie zum Bücher<br />
schreiben blieb, nur zu! Dass Bargeld in einer Szene<br />
in der «Rede/Speech»-DVD den Tonmischer einen<br />
«Experimentalfatzke» schimpft, darf so durchaus<br />
selbstironisch verstanden werden.<br />
Seit 2000 führt Blixa Bargeld «Rede/Speech»<br />
immer wieder auf. Ein Programm, das eher für die<br />
Stephen Hawkings als die Screaming Jay Hawkins<br />
gemacht zu sein scheint und das Publikum im Ungewissen<br />
lässt, was es denn eigentlich sein will und<br />
sein soll. Sicher ist, «dass es jedes Mal anders raus<br />
kommt. Das ist so lose alles. Manchmal kommt einfach<br />
irgendwas raus. Schauen wir mal. Manchmal<br />
kommt halt nichts raus.»<br />
Blixa Bargeld führt «Rede/Speech» am 6. März in<br />
der Dampfzentrale auf.<br />
Eine Aufzeichnung der Performance, aufgenommen<br />
am 23. Mai 2003 in Berlin, ist auf DVD erhältlich.<br />
INSOMNIA<br />
BERN, MEIN BERN<br />
Von Eva Pfi rter<br />
musik<br />
■ Man kann an der Stadt, in der man lebt, immer<br />
etwas auszusetzen haben. Manchmal wirkt<br />
das eigene Zuhause eng und klein und langweilig.<br />
Die immer gleichen P<strong>art</strong>ies, die, kaum haben<br />
sie begonnen, wieder enden, können nerven.<br />
Die Strassen und Häuser der eigenen Stadt können<br />
grau und öde wirken. Manchmal aber hat<br />
man Glück und fi ndet eine Heimat, in die man<br />
richtig verliebt ist. Die man auch nach Jahren<br />
noch am allerschönsten fi ndet, in deren Gassen<br />
man Schönheit fi ndet, die für andere scheinbar<br />
unsichtbar ist. Eine Stadt, die unendlich viele<br />
kleine Geheimnisse birgt, Geheimnisse, die noch<br />
entdeckt, Orte, die gefunden werden wollen.<br />
Das macht sie wohl aus, die Schönheit: die Möglichkeit,<br />
irgendwo da draussen etwas zu fi nden,<br />
nach dem man vielleicht gar nicht gesucht hat.<br />
Kann sein, dass einem das mit irgendeiner Stadt<br />
passiert. Aber keine Stadt ist wie Bern - glaubt<br />
mir, die ihr schon immer hier lebt! Keine Stadt ist<br />
wärmer, origineller und liebenswerter als Bern.<br />
Kürzlich war ich am frühen Abend in Zürich.<br />
Welche Hektik, welche Ungemütlichkeit herrschte<br />
rund um die Bahnhofsstrasse! Ich fl üchtete mich<br />
in den nächstbesten Intercitiy, der nach Bern<br />
fuhr und vertiefte mich in Zeitungen, während<br />
der Aargau an mir «verbi gfl oge isch». Kurz vor<br />
Bern legte ich alles lesbare weg und betrachtete<br />
die Stadt: ihre Brücken, die in gräulich-dämmrigen<br />
Abstufungen vor uns lagen; die schönen<br />
roten Trämmli, die wie Spielzeugzüge darüber<br />
hinweg rollten; weit unten die Aare; das stolz<br />
über allem thronende und leuchtende Münster.<br />
Ich kenne keine andere Stadt, die einen so begrüsst.<br />
Keine. Auf jeder Zugfahrt, die zu Hause<br />
endet, überkommt mich ein grosses Glücksgefühl.<br />
Kennt ihr das? Und auf jeder Zugfahrt<br />
kurz vor der Berner Brücke, über die der Zug in<br />
Schiefl age dahinrattert, bin ich die einzige, die<br />
den Kopf nach dem Fenster reckt, die Schönheit<br />
Berns betrachtet und nicht anders kann, als zu<br />
lächeln. Manchmal lassen andere Reisende kurz<br />
ihre Fachmagazine sinken, heben den Kopf und<br />
schauen mich verwundert an. Warscheinlich<br />
denken sie, ich sei Touristin und sähe zum ersten<br />
Mal das Berner Münster. Dann stecken die<br />
Mitfahrenden den Kopf wieder zwischen die mit<br />
Werbung bedruckten Seiten und lesen, bis sie im<br />
betongrauen Bahnhof ankommen - ohne etwas<br />
von der Magie des Moments bemerkt zu haben.<br />
Und ich – ich wundere mich jedes Mal aufs Neue,<br />
dass niemand sieht, was ich sehe. So ist das,<br />
wenn man verliebt ist.<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 51 | März 07 21
musik<br />
DIGITALKULTUR<br />
GESPRÄCH MIT<br />
URS, DEM BÄR<br />
Von Claudia Badertscher<br />
■ Letztlich bin ich der Web 2.0-Gesellschaft beigetreten.<br />
Was das ist, bleibt gemäss TeleBärn weiterhin<br />
unklar, aber es scheint auf alle Fälle wichtig<br />
zu sein, so versicherte mir Urs, der Bärengraben-<br />
Bär, der, obwohl im Graben hockend, oder gerade<br />
deshalb, die Welt besser kennt als ich.<br />
Nun, er erzählte, dass das Geschnatter über<br />
Youtube, Flickr, MySpace und was es sonst noch<br />
gibt kein Ende nehmen wolle: Das Web 2.0 sei das<br />
Ende der Zeitung! Der Beginn einer total neuen<br />
Kommunikation und Vernetzung! Endlich werde<br />
Andy Warhols These, wonach jeder in seinem<br />
Leben 15 Minuten berühmt sein werde, wahr!<br />
Solche Gesprächsfetzen seien in letzter Zeit so<br />
oft über seinen Kopf hinweggedonnert wie die<br />
Flugzeugkolosse über Züri Süd. Ihm, so Urs weiter,<br />
sei diese ganze Aufregung ein Rätsel. Nützten<br />
die Leute das Web 2.0 doch in erster Linie zum<br />
Herunterladen von eindeutigen Filmchen, und in<br />
zweiter zum Austausch von noch eindeutigeren.<br />
Wieso deswegen gleich die herkömmlichen Medien<br />
aussterben sollen, begreife ich nicht, sagte der<br />
Bär und wackelte seinen Kopf hin- und her. Und<br />
sowieso: dass unser Stadtpräsident auf Youtube<br />
mit Mädchen fl irtend zu beobachten sei, das habe<br />
aller Web 2.0- Hysterie zum Trotz erst die konventionelle<br />
Zeitung «Der Bund» bekannt gemacht.<br />
Von selbst wäre ja doch keiner draufgekommen,<br />
auf der Video-Seite nach den Stichworten «Mayor<br />
of the City of Berne» und «Girls» zu suchen<br />
– aber das liege wohl daran, dass niemand ein<br />
eindeutiges Filmchen mit diesen Komponenten<br />
sehen möchte.<br />
Ich unterbrach den geschwätzigen Bären, um<br />
ihm zu erzählen, dass ich nun ebendieser Web<br />
2.0-Community auch beigetreten bin. Das heisst:<br />
Ich habe einen MySpace-Account aufgeschaltet.<br />
In der Rubrik «Persönliches» musste ich eintragen,<br />
wen ich gerne träfe auf MySpace, Freunde<br />
oder Beziehungen. Meine Urgrosseltern würde<br />
ich gerne mal kennenlernen, schrieb ich. Aber ob<br />
die auch auf MySpace sind? Nun, Hauptsache, ich<br />
bin jetzt ein Teil von jener Kraft, die die Zukunft<br />
schafft, schloss ich. Toll, meinte Urs, du würdest<br />
besser mal wieder joggen gehen. Denn, dass das<br />
Web 2.0 die Welt verändern werde, das sei genauso<br />
wahrscheinlich, wie dass er noch einmal heirate.<br />
Er jedenfalls falle da nicht drauf rein. Sagte es,<br />
seufzte und ging ab, um seinen Blog upzudaten.<br />
22<br />
«PUNK / EMO / EXPERIMENTAL»<br />
das spiel mit den etiketten<br />
Von Benedikt S<strong>art</strong>orius (Bild: zVg.)<br />
■ «Punk / Emo / Experimental» lautet die Stilbezeichnung<br />
auf der My-Space-Homepage zu Marc<br />
Ribots neuester Gruppe Ceramic Dog. Beliebiger<br />
geht’s kaum noch, denken sich Freunde von eindeutig<br />
gezogenen Genregrenzen. Und ja, natürlich<br />
verwirren solch allgemeine Etiketten die Erw<strong>art</strong>ungshaltungen<br />
des Publikums und natürlich<br />
dienen sie auch zum Flunkern, genauso wie die<br />
ebenfalls genannten Einfl üsse «Dreck, Schönheit,<br />
Flugzeugessen, Pferderennen». Das Konzept aber<br />
ist klar: Ribot kennzeichnet mit den Sprachgirlanden<br />
den sehr weiten Spielraum, den sich der Gitarrist<br />
für sein Trio wie auch generell für sein Werk<br />
ausbedungen hat und zementiert gleichzeitig sein<br />
Image als Nichteinzuordnender, als Heimatloser in<br />
der Musikwelt, der bisher auf zahllosen, grundverschiedenen<br />
und kaum beliebigen Alben mitgewirkt<br />
hatte.<br />
Variabilität Ribots Arbeiten für Tom Waits stellen<br />
in seinem Œuvre sicherlich seine bekanntesten<br />
dar, doch verkürzen sie ihn – nimmt man den Waits-<br />
Prototyp «Rain Dogs» zum Massstab – zu sehr auf<br />
das windschief und dilettantisch anmutende Spiel.<br />
Kaum verwunderlich, dass er diesen, seinen «klassischen»<br />
Ton, nicht mehr benutzt und nun, auch bei<br />
Waits, variabler spielt. Die Solo-Projekte dokumentieren<br />
die Variabilität des 47-jährigen Amerikaners<br />
mit jüdischen Wurzeln am besten: Die berührende,<br />
mit akustischer Gitarre eingespielte Interpretation<br />
des Werkes von Ribots haitianischem Lehrer Frantz<br />
Casseus steht neben der Aneignung des Freejazz-<br />
Mystikers Albert Ayler, die Tanzband «Los Cubanos<br />
Postizos» war sein saloppes Statement zum Boom<br />
der kubanischen Musik, die Solo-Alben «Don’t Bla-<br />
me Me» und «Saints» enthalten uralte Traditionals<br />
und Beatles-Kompositionen und mit der Amok-<br />
Band Shrek zertrümmerte Ribot in den frühen<br />
90ern die Trommelfelle der Zuhörerschaft.<br />
Power-Trio Ceramic Dog knüpft nun dort an,<br />
wo Shrek aufhörten. Das Trio ist laut Website kein<br />
Projekt, sondern eine richtige Band, die neben Ribot<br />
den Schlagzeuger Ches Smith sowie den Bassisten<br />
und Elektroniker Shazad Ismaily präsentiert.<br />
Ceramic Dog verschränkt – nicht zum ersten Mal<br />
– den nie versiegenden New Yorker Downtown-<br />
Musikerpool mit der freien kalifornischen Rockszene,<br />
die durch Kollektive wie Secret Chiefs 3, Mr.<br />
Bungle oder Sleepytime Gorilla Museum auf sich<br />
aufmerksam machte. Lustvoller Lärm steht im<br />
Vordergrund, wenn die drei im h<strong>art</strong>en Funk von<br />
«P<strong>art</strong>y Intellectuals» Elektronik irrlichtern lassen<br />
oder Ribot «Midost» mit einem tiefschürfenden<br />
und rohen Riff eröffnet. Stille, melancholische<br />
Töne schlägt das Lied «When We Were Young» an:<br />
Marc Ribots gebrochener Sprechgesang begleitet<br />
seine wehmütige Gitarre, feine Elektronik und fragile<br />
Perkussion ergänzen karg und erschaffen ein<br />
berührendes Stimmungsbild. Die drei Titel schüren<br />
die Vorfreude auf das erste Album des Trios, dessen<br />
Veröffentlichungstermin noch in der Schwebe<br />
liegt. Bei der Nennung von Ceramic Dog dürften<br />
sich in Bälde die Assoziationen weg vom ultimativen<br />
Kitsch-Objekt und hin zu Marc Ribots furchtlosem<br />
Power-Trio bewegen. Genauer: hin zu einem<br />
«free/punk/funk/experimental/psychedelic/postelectronica»-Trio.<br />
Konzert: 10. März im Dachstock, Bern<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 51 | März 07
FILM<br />
wir basteln uns eine komödie<br />
Von Sarah Stähli (Bild: zVg.)<br />
■ Lars von Trier hat es wieder einmal geschafft.<br />
Er hat die Erw<strong>art</strong>ungen der Cinéphilen, der Kritiker<br />
und der von-Trier-Gelehrten dieser Welt mit<br />
seinem neuen Film gezielt nicht erfüllt.<br />
«The Boss of it All» beginnt mit der Stimme des<br />
Regisseurs aus dem Off. In ironischem Tonfall teilt<br />
er uns schulmeisterlich mit, es handle sich im Folgenden<br />
um eine harmlose Komödie, über die der<br />
Zuschauer nicht weiter zu refl ektieren brauche. So<br />
bricht er gleich in der ersten Einstellung mit der<br />
Illusion Film, indem er uns mitteilt, was wir von<br />
seinem Werk halten sollen und wir uns so automatisch<br />
von der Geschichte distanzieren.<br />
Dies sei der erste Film, den er vollständig in einem<br />
Genre-Kontext – dem der Komödie – gedreht<br />
habe, meinte der Däne in einem Interview. Dass<br />
ihm die Arbeit Spass gemacht hat, ist offensichtlich.<br />
Entstanden ist ein politisch unkorrekter Befreiungsschlag,<br />
der überdies grandios unterhält.<br />
Selbstverliebte Schauspieler Die Geschichte<br />
ist denkbar einfach und ausgeklügelt zugleich. Sie<br />
spielt in der unendlich öden Bürowelt, die bereits<br />
die britische Komödie «The Offi ce» inspiriert hat.<br />
Ravn (Peter Gantzler) ist der von allen Mitarbeitern<br />
geschätzte Boss einer Informatikfi rma. Um<br />
sich aus schwierigen Situationen herauszuziehen,<br />
hat er einen «Über-Boss» erfunden, der für alles<br />
verantwortlich und an allem Schuld ist: «The Boss<br />
of it All». Dieser hält sich immer, wenn nach ihm<br />
verlangt wird, gerade in den USA auf. Als ein isländischer<br />
Geschäftsmann sich nicht abwimmeln<br />
lässt, heuert Ravn einen Schauspieler an, der<br />
den imaginären Boss spielen soll. Der Schauspieler<br />
Kristoffer (Jens Albinus) stellt sich als selbstverliebter<br />
Egomane heraus, der dauernd seine<br />
«Figur» konsultieren muss, «meine Figur stört<br />
es», sagt er dann jeweils, zum Ärger Ravns. Weder<br />
die Ausdrücke «Transaktionshierarchie» noch<br />
«Human Resources» sind dem verklärten Theatermann<br />
ein Begriff und der Unterschied zwischen<br />
«outsourcing» und «offshoring» schon gar nicht.<br />
Trotzdem muss er Sitzungen leiten, Personalpolitik<br />
betreiben und sich auch mal um sechs Jahre alte<br />
Kundenbeschwerden kümmern. Dies geht so lange<br />
gut, bis ihm jemand ein Glaubwürdigkeitsproblem<br />
unterstellt – was gibt es Schlimmeres für einen<br />
Schauspieler? – oder ihm «Improvisationstheater»<br />
vorwirft. Und er kann sich nicht einmal mit den<br />
schlecht geschriebenen Dialogen entschuldigen.<br />
Einmal meint er zu einem Versöhnungsakt Ravns,<br />
man könne doch nicht einfach direkt von der Hölle<br />
zum Happy End übergehen und kritisiert damit<br />
eigentlich von Triers Drehbuch. Um sein Ansehen<br />
unter den Mitarbeitern zu retten, die alles andere<br />
als umgänglich sind, erfi ndet Kristoffer kurzerhand<br />
«The Boss of the Boss of it All».<br />
Publikumsbeschimpfungen Eine technische<br />
Spielerei konnte sich von Trier, Dogma-Bruder und<br />
Meister der Reduktion fi lmischer Mittel, natürlich<br />
auch hier nicht verkneifen. Der Film ist mit «Automavision»<br />
gedreht. Diese computergesteuerte Kamera<br />
wählt nach dem Zufallsprinzip Einstellungen<br />
aus, die sich innerhalb eines vorprogrammierten<br />
Umfelds befi nden. Von Trier stellte zusätzlich das<br />
Gebot auf, dass die Aufnahmen nicht nachträglich<br />
bearbeitet werden dürfen, etwa wenn Licht oder<br />
Ton nicht ideal waren oder nachträglich Farbkorrekturen<br />
gemacht werden mussten. Merkwürdige<br />
Bildausschnitte und ein unstimmiger Schnitt sind<br />
das Resultat. Das aussergewöhnliche Aufnahmekonzept<br />
erzeugt eine aufregende Filmsprache, die<br />
jedoch nie über die Geschichte dominiert.<br />
Der Film trägt eindeutig von Triers Handschrift.<br />
Die Welt, die er mit «The Boss of it All» kreiert,<br />
erinnert an seine früheren Ausfl üge ins Komödienfach,<br />
an seinen Dogma-Film «Idioterne» und die<br />
grandiose Krankenhaus-Serie «The Kingdom».<br />
Von Triers Filme sind immer in erster Linie Experimente<br />
und ein ewiges Spiel mit dem Publikum.<br />
Die charmant widerspenstige Komödie endet mit<br />
den verschmitzten Worten des Regisseurs: «Bei all<br />
denen, die mehr und denen, die weniger erw<strong>art</strong>et<br />
haben, möchte ich mich entschuldigen. Die, die bekommen<br />
haben, was sie wollten, haben den Film<br />
auch verdient.»<br />
«The Boss of it All» von Lars von Trier st<strong>art</strong>et am<br />
29. März in den Kinos.<br />
cinéma<br />
«SIND FILME WICHTIGER<br />
ALS DAS LEBEN?»<br />
Von Sarah Stähli<br />
■ Die Türkin vermisst ihren Wodka mit Zitrone,<br />
der Ire kann Gratis-Drinks niemals widerstehen.<br />
Der schüchterne Singapurer, dessen Namen immer<br />
noch niemand von uns aussprechen kann,<br />
hat sich in ein Notizbuch seitenweise Informationen<br />
aufgeschrieben und führt uns durchs Gewühl,<br />
als sei Berlin seine Heimatstadt, dabei ist er zum<br />
ersten Mal in Europa. Wir sind die «chosen ones»<br />
der «Berlinale Talent Press», einer Masterclass für<br />
junge Filmjournalisten und Teil des «Talent Campus»,<br />
eines Forums für junge Filmemacher. Eine<br />
gross<strong>art</strong>ige Gelegenheit, um Berufserfahrungen<br />
zu sammeln und Kontakte zu knüpfen.<br />
Es gibt da einen peinlichen Lieblingssport unter<br />
Filmfreaks und der geht so: Es gewinnt der, dessen<br />
Land die besten Regisseure vorzuweisen hat.<br />
Schweizer Filme kennt jeweils niemand. Manchmal<br />
kommt noch jemand mit Godard. Obwohl, ist der<br />
wirklich Schweizer? Punkte sammeln kann auch,<br />
wer bizarre Lieblingsregisseure hat. Apichatpong<br />
Weerasethakul aus Thailand zum Beispiel. À propos<br />
unbekannte Regisseure: Es kann vorkommen,<br />
dass du als «Press-Talent» innerhalb von fünf<br />
Minuten zu einem Interview mit einem indischen<br />
Dokumentarfi lmer geschickt wirst, von dem du<br />
noch nie zuvor gehört hat. Dieser stellt sich als<br />
Extrem-Filmer heraus, der für seine Arbeit sein<br />
Leben riskiert. Seine DVDs verschenkt er, wenn<br />
man verspricht, sie fünf Mal zu kopieren und zu<br />
verschenken. Mir verkauft er sie dann doch lieber<br />
für zwanzig Euro.<br />
Auf diesen Tag haben alle weiblichen «Talents»<br />
gew<strong>art</strong>et: Gael García Bernal, der mexikanische<br />
Frauenschwarm aus «Motorcycle Diaries», besucht<br />
den Campus. Um elf Uhr morgens begrüsst er uns<br />
charmant mit: «Good evening» und auf die Frage,<br />
wo seine Heimat sei, antwortet er verlegen, Heimat<br />
sei für ihn kein Ort, sondern eine Person; dazu<br />
zeichnet er die Rundungen einer Frau in die Luft.<br />
Fünf inspirierende Tage Berlinale und der Festivalkoller<br />
macht sich langsam bemerkbar. Das<br />
erste Anzeichen dafür ist ein seltsames Zucken in<br />
den Augenwinkeln. Ein anderes, dass sogar Kurzfi<br />
lme unendlich lange dauern. Sich den 14-stündigen<br />
Fassbinder-Marathon «Berlin Alexanderplatz»<br />
anzutun, erübrigt sich. Wie überleben also? Der<br />
Brasilianer setzt sich selber die strengste Deadline<br />
und mutiert plötzlich zum Turbo-Schreiber: Bis<br />
zur nächsten P<strong>art</strong>y müssen die Texte geschrieben<br />
sein. Die Polin meint mit todernster Miene: «Einfach<br />
nicht mehr schlafen!» Langsam wird es Zeit,<br />
sich über das Lieblings-Truffaut-Zitat der Türkin<br />
Gedanken zu machen: «Sind Filme wichtiger als<br />
das Leben?»<br />
www.berlinale-talentcampus.de<br />
www.talentpress.org<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 51 | März 07 23
cinéma<br />
FILMKRITIK<br />
CITY WALLS – MY OWN<br />
PRIVATE TEHERAN<br />
Von Sonja Wenger<br />
■ Von Zeit zu Zeit gibt es Dokumentarfi lme, die<br />
gehörig aufräumen mit Klischees und h<strong>art</strong>näckigen<br />
Vorstellungen. Afsar Sonia Shafi es Film<br />
«City Walls – My own private Teheran» gehört<br />
dazu. Ihr Film handelt dann auch nicht von Teheran,<br />
sondern um die Frauen in Shafi es Familie,<br />
die in Teheran leben. Um ihre Grossmutter,<br />
Mutter, Schwester und die Tanten, die nicht nur<br />
Shafi es Leben geprägt haben, sondern auch jede<br />
für sich mit ihren Geschichten und Erfahrungen<br />
eine lebende Anklage gegen die schreiende Ungleichheit<br />
der Geschlechter ist.<br />
Doch geht es hier weder um den Islam noch<br />
die Geschlechterfrage, sondern darum, wie sich<br />
die Wertvorstellungen einer ganzen Gesellschaft<br />
direkt auf das Leben der einzelnen Menschen<br />
auswirken. So ist «City Walls – My own private Teheran»<br />
mehr ein Zusammentragen von persönlichen<br />
Erinnerungen und Familiengeschichten,<br />
die man sich immer wieder erzählt – mit dem einzigen<br />
Unterschied, dass eine Kamera mit dabei<br />
war.<br />
Shafi e, die in Teheran aufgewachsen ist und<br />
dort Philosophie und Film studierte, lebt seit mehreren<br />
Jahren in der Schweiz. Doch nicht nur ihr<br />
gleichzeitiger Blick von innen und aussen macht<br />
den Film zu einem besonderen Erlebnis, sondern<br />
das Teilen von persönlichen und oft schmerzhaften<br />
Erinnerungen, die Shafi e die Frauen ihrer<br />
Familie ungeschminkt und unzensiert sprechen<br />
lässt. Sei es die Grossmutter, die ihrem Mann vor<br />
laufender Kamera seine Verfehlungen vorwirft,<br />
sei es die Mutter, die vom Überlebenskampf mit<br />
zwei Kindern erzählt oder Shafi e selbst, die ihren<br />
langen Weg zu einer emanzipierten und selbstbewussten<br />
Frau noch einmal aufzeigt.<br />
«City Walls – My own private Teheran» ist ein<br />
Film mit hoher technischer Qualität und einer<br />
ruhigen, souveränen Kamera, die ganz nah an<br />
den Menschen ist und doch niemals aufdringlich<br />
wirkt. Durch seinen angenehmen Erzählrhythmus,<br />
der Zeit und Raum zum Verweilen und Verstehen<br />
lässt, regt Shafi es Dokumentarfi lm nicht<br />
nur zum Nachdenken an, sondern relativiert das<br />
limitierte Bild, das durch die täglichen politischen<br />
Machtspiele entsteht. Statt dessen geht man mit<br />
der Regisseurin auf eine Reise zurück nach Hause.<br />
Was bleibt sind Erzählungen der Liebe und die<br />
Aufopferung eigener Bedürfnisse, die Generationen<br />
von Müttern für ihre Kinder auf sich nehmen<br />
und die sich auf der ganzen Welt ähneln.<br />
Der Film dauert 87 Minuten und kommt am 1.<br />
April ins Kino.<br />
24<br />
FILM<br />
la môme – la vie en rose<br />
Von Sonja Wenger (Bild: zVg.)<br />
■ Edith Piaf, der Spatz von Paris, mauserte sich<br />
in nur wenigen Jahren vom rotzfrechen Mädchen<br />
mit einer grossen Klappe und einer noch grösseren<br />
Stimme von den Strassen von Paris zu einem<br />
internationalen Star, dessen Lieder bis heute eine<br />
Gänsehaut verursachen. Doch ihr Leben war auch<br />
geprägt von Extremen und einem Übermass an Tragik.<br />
Ihr Ruhm konkurrierte stets mit ihrem von Verlusten<br />
und Krankheit überschatteten Privatleben,<br />
und ihre zierliche Gestalt stand in einem paradoxen<br />
Gegensatz zu der Kraft ihrer Stimme, zu ihrer charismatischen<br />
Präsenz auf der Bühne.<br />
Bunt zusammengewürfelt und scheinbar ohne<br />
grosse Chronologie erzählt «La Vie en Rose» das<br />
Leben von Edith Piaf, 1915 als Tochter einer Strassensängerin<br />
und eines Zirkusakrobaten geboren.<br />
Die Mutter vernachlässigt sie und der Vater bringt<br />
das kleine Mädchen im Bordell der Grossmutter<br />
unter. Dort wird sie von den Prostituierten (unter<br />
anderen Emmanuelle Seigner) als Kindersatz angenommen<br />
und umsorgt. Das Milieu, die Gewalt und<br />
der Alkohol prägen Edith für den Rest ihres Lebens,<br />
sie wird den rauen Umgangston nie ganz ablegen.<br />
Als sie mit fünfzehn nach Paris geht, wird sie beim<br />
Singen auf der Strasse vom Nachtclubbesitzer Louis<br />
Leplée (Gérard Depardieu) entdeckt, der ihr auch<br />
den Künstlernamen «La Môme Piaf», der kleine<br />
Spatz, verleiht. Ihr unaufhaltsamer Siegszug durch<br />
die Konzertsäle beginnt. Ein Siegeszug, von dem<br />
man gerne mehr gesehen hätte, denn leider sind im<br />
Film immer wieder gewissen Längen spürbar.<br />
Doch es ist der wunderbaren Interpretation von<br />
Marion Cotillard («A Good Year») zu verdanken,<br />
die jene ruppige, und gleichzeitig hochsensible<br />
Frau wieder zum Leben erweckt, dass diese kurzen<br />
Momente mehr als kompensiert werden. Cotillard<br />
vollbringt eine wahre Parforceleistung. Obwohl sie<br />
die Lieder nicht selbst singt, hat sie die Mimik, die<br />
Sprechweise und die typische Bühnensprache der<br />
Piaf perfekt übernommen. Es ist ein grosser Verdienst<br />
des Films, dass er den Eindruck zu vermitteln<br />
vermag, wie es wohl gewesen sein muss, die Piaf<br />
live gehört zu haben.<br />
Piafs Bekanntschaften mit den Berühmtheiten<br />
ihrer Zeit, dass Jean Cocteau ihr ein eigenes Theaterstück<br />
widmete oder sie selbst zeit ihres Lebens<br />
immer wieder junge Künstler wie Charles Aznavour<br />
und Yves Montand förderte, bleiben Randgeschichten.<br />
Der Film konzentriert sich stark auf die privaten<br />
Aspekte von Piafs Leben und ihrer grossen Liebe<br />
zum Boxweltmeisters Marcel Cerdan. Sein Unfalltod<br />
1949 stürzt sie in einen depressiven Abgrund. Doch<br />
sind es gerade jene Szenen, die einen bewusst werden<br />
lassen, woher jener melancholische Schmerz<br />
in ihrer Stimme herrührt, mit dem sie so viele ihrer<br />
Lieder und Balladen erfüllte.<br />
Achtzehn Chansons von Piaf - davon elf neu bearbeitet<br />
und acht von Jil Aigrot interpretiert – werden<br />
in «La Vie en Rose» eingespielt. Regisseur Olivier<br />
Dahan («Rivières pourpres II») sp<strong>art</strong> das Lied<br />
«Je ne regrette rien» bewusst bis zum Ende auf und<br />
stilisiert es gezielt als ein letztes Aufbäumen der<br />
Piaf, als das Ende ihrer Kraft und ihrer Karriere.<br />
Und was für ein Ende uns Dahan und Cotillard<br />
bieten. Die Schauspielerin hat diese durch Krebs,<br />
Alkohol und Drogen vorzeitig gealterte Frau vollständig<br />
verinnerlicht. Und herzzerreissend jener<br />
Moment, als eine zusammengesunkene und völlig<br />
erschöpfte Piaf in ihrer Wohnung die ersten Takte<br />
jenes Liedes hört – und noch einmal aus ihrem<br />
Dämmerzustand erwacht. Ohne den Hauch von<br />
Selbstmitleid sagt sie zu dem jungen Komponisten:<br />
«Das bin ich, das beschreibt mein Leben», und jeder<br />
Mensch, der schon einmal die Nähe von Glück und<br />
Leid erlebt hat versteht, was sie damit meint.<br />
Der Film dauert 140 Minuten und ist seit dem 22.<br />
Februar im Kino.<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 51 | März 07
FILM<br />
notes on a scandal<br />
Von Sonja Wenger (Bild: zVg.)<br />
■ Zwei der besten Schauspielerinnen der Welt,<br />
Judi Dench («Casino Royale») und Cate Blanchett<br />
(«Babel»), stehen sich in «Notes on a Scandal»,<br />
einer düsteren und verzwickten Erzählung um verdrängte<br />
Bedürfnisse, Lebenslügen und weibliche<br />
Intimität, gegenüber. «Der Fehler der einen ist der<br />
Vorteil der anderen», heisst es in diesem Thriller,<br />
der einen nicht nur amüsiert, sondern immer auch<br />
mit jener kribbelnden Vorahnung in Atem hält, die<br />
das Markenzeichen intelligenter Geschichten ist.<br />
Dench ist Barbara Covett, eine verbitterte alte<br />
Jungfer, die ihr Wissen über andere zu ihren eigenen<br />
Vorteilen anwendet. Barbara ist auch die<br />
konservative Lehrerin einer leicht heruntergekommenen<br />
Londoner Mittelschule. Ihre Haltung<br />
gegenüber der Gesellschaft lässt sich bestenfalls<br />
als desillusioniert bezeichnen. Die Welt ist ihr persönliches<br />
Beobachtungsfeld, und akribisch notiert<br />
sie ihre Gedanken in einem Tagebuch. Die ätzende<br />
Präzision, mit der Barbara das Verhalten der Menschen<br />
zu defi nieren vermag, kann nur einer rasiermesserscharfen<br />
Beobachtungsgabe und einer<br />
hochstehenden Intelligenz entspringen.<br />
Als eines Tages die neue Kunstlehrerin Sheba<br />
H<strong>art</strong> (Blanchett) in der Schule auftaucht, entsteht<br />
zwischen den Frauen schnell eine Freundschaft.<br />
Sheba ist das pure Gegenteil der abweisenden<br />
und verhärteten Barbara und strahlt eine attraktive,<br />
naive Jugendlichkeit aus. Mit ihren blonden<br />
Locken wirkt sie wie ein transparentes Feenwesen<br />
und Barbara notiert sich amüsiert und spöttisch<br />
überrascht, dass ihr Sheba offenbar ihr ganzes<br />
Herz ausschütten will. Shebas Erscheinung und<br />
Charakter nimmt mit Wucht von Barbaras einsamer<br />
Seele Besitz - so sehr, dass schon die leichte<br />
Berührung von Shebas Haar sie in verbales Entzücken<br />
versetzt.<br />
Auch nach aussen hin scheint Shebas Leben<br />
perfekt. Ihr liebevoller, viel älterer Ehemann<br />
Richard (Bill Nighy) umsorgt sie und die beiden<br />
Kinder – und doch empfi ndet sie ein überwältigendes<br />
Bedürfnis, ihre verloren geglaubte Jugend<br />
nachholen zu wollen. Als Sheba ihrer neuen besten<br />
Freundin gesteht, sich verliebt und eine Affäre mit<br />
einem der Schüler begonnen zu haben, gibt sie damit<br />
unwissentlich die Kontrolle über ihr Leben in<br />
die Hand einer Frau, die mehr als nur eine Leiche<br />
im Keller hat. Denn Barbara entpuppt sich mehr<br />
und mehr als ein zerstörerisches Element für Sheba,<br />
und schreckt auch nicht davor zurück, sie aus<br />
Eifersucht mit ihrem Wissen zu erpressen. Nach<br />
und nach isoliert Barbara die junge Frau erfolgreich<br />
von allen, bis sie glaubt, zum letzten Schlag<br />
ausholen zu können.<br />
«Beide Frauen haben die Kontrolle verloren<br />
– wie wir alle, wenn wir uns verlieben», sagt der<br />
Regisseur. So wollte Eyre keinen reinen Psychothriller<br />
drehen, sondern einen Film, der sowohl<br />
lustig ist, wie auch «furchteinfl össend, schockierend<br />
und traurig», denn «Barbaras Einbildung,<br />
eine leidenschaftliche Freundschaft mit Sheba zu<br />
haben, ist komisch, abstossend und doch zutiefst<br />
menschlich zugleich». Es ist ihm mit einer subtilen<br />
Regieführung gelungen, das Auseinanderbrechen<br />
der Lebenslügen der Charaktere von allen Seiten<br />
zu betrachten, ohne jemals wertend zu sein. Weder<br />
Barbara noch Sheba bleiben als schlecht oder<br />
gut in Erinnerung. Vielmehr entwickeln alle Charaktere,<br />
auch die Nebenfi guren, in überraschenden<br />
Wendungen ihre ganz eigene Sicht der Dinge. So<br />
wie auch das Leben nicht nur aus schwarz oder<br />
weiss besteht, werden hier sämtliche Graustufen<br />
ausgeleuchtet - ein Umstand, der «Notes on a<br />
Scandal» zu einem wahren Meisterwerk macht.<br />
Der Film dauert 92 Minuten und ist seit dem 22.<br />
Februar in den Kinos.<br />
cinéma<br />
TRATSCHUNDLABER<br />
Von Sonja Wenger<br />
■ Da war doch gerade erst der Opernball! Wir<br />
schreiben 2007 und noch immer rennen Weiber<br />
rum, die es toll fi nden, sich ein Krönchen auf das<br />
Köpfchen zu pappen. Souverän war da in Wien<br />
nur Paris – nämlich professionell gelangweilt –,<br />
auf der Strasse dagegen die Fans – professionell<br />
verdummt - mit selbstgebastelten «We love you<br />
Paris»-Schildern. Aber glücklicherweise dürfte<br />
bald nichts mehr übrigbleiben von der globalen<br />
Hohlheit, denn die Paris ist ja so dürr.<br />
Apropos dürr: Nach Keira Knightley will nun<br />
auch Kate Winslet klagen, weil ihr eine Zeitung<br />
unterstellte, sie habe einen Diätdoktor besucht.<br />
Und dabei konnte man sich mit ihr immer so<br />
schön identifi zieren. Dafür ist der ehemalige<br />
Chefredaktor der «Schweizer Illustrierten», Marc<br />
Walder, nun endlich, wo er sich so richtig wird<br />
austoben können, nämlich beim «Sonntagsblick».<br />
Noch mehr kritische Fragen zu Ausländern und<br />
der Schweizer Jugend, noch bunter, noch blöder,<br />
noch mehr Pseudopromis – ja Marc, gib es uns!<br />
Hoffentlich schicken die Ägypter nicht mehr so<br />
schnell ein Fax.<br />
Doch wo lachende, da auch weinende Gesichter,<br />
denn nun bleibt die «SI» in ihrer Hilfl osigkeit<br />
zurück. Bestes Beispiel: «2007 wird das Jahr der<br />
starken Frauen». Oho! Erst jetzt! Aber stimmt,<br />
man muss schon stark sein, um solchen Stuss immer<br />
wieder zu lesen. Als Beweis gab es 50 Porträts<br />
aus der Liste von Forbes «World’s 100 most<br />
Powerful Women”, unter anderen Hilary Clinton.<br />
Da wird ihre Kandidatur fürs US-Präsidentenamt<br />
einfach mal so gutgeheissen, weil sie ne Frau ist<br />
– ok, alles ist besser als GeorgiePorgie, trotzdem<br />
– die grösste Leistung der genannten Frauen<br />
– von Politikerinnen wie Sonia Gandhi, über die<br />
CEOs einiger globalen Konzerne bis hin zur britischen<br />
Queen – ist: dass «fast (fast!) alle Job und<br />
Familie unter einen Hut bringen». Toll! Das könnt<br />
ich auch mit soviel Schmutz an den Händen.<br />
Aber unsereins will ja sauber bleiben und<br />
schaut sich lieber die Saubermänner für die<br />
nächste Mister-Schweiz-Wahl am 14. April an -<br />
natürlich in der «SI». Da sind also die üblichen<br />
Clowns, pardon, Klons des Vorjahrgewinners, einer<br />
des Vorvorvorjahrgewinners, und sonst nur<br />
Pepsodent. Und bevor sie abgeht und wir hier<br />
die amtierende Miss Schweiz fast erfolgreich mit<br />
Nichtbeachtung belohnt haben, nun doch noch:<br />
Der «Coop-Zeitung» erzählt Christa Rigozzi (23):<br />
«Ich koche zur Entspannung», und: «Ich liebe<br />
beides, Gemüse und Früchte. Mir schmecken vor<br />
allem Erdbeeren, Aprikosen, Kirschen und Mandarinen.»<br />
Wow!<br />
www.ensuite.ch<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 51 | März 07 25
das andere kino<br />
26<br />
www.cinematte.ch / Telefon 031 312 4546 www.kellerkino.ch / Telefon 031 311 38 05 www.kinokunstmuseum.ch / Telefon 031 328 09 99<br />
■ Haarsträubend - Tierische Filmreihe Knurren,<br />
muhen, wiehern, zwitschern - Tiere verständigen<br />
sich auf unterschiedliche Arten miteinander. Wenn<br />
Hyänen ihre Nackenhaare sträuben, Wölfe ihre<br />
Ohren anlegen, Wale singen und Glühwürmchen<br />
leuchten, dann werden eindeutige und lebenswichtige<br />
Botschaften gesendet, manchmal auch von<br />
Tier zu Mensch. Die Ausstellung «haarsträubend»<br />
im Museum für Kommunikation und im Naturhistorischen<br />
Museum Bern geht der Kommunikation<br />
von Tier und Mensch auf den Grund (www.mfk.ch).<br />
Im Filmzyklus zur Ausstellung sind Animations-,<br />
Spiel- und Dokumentarfi lme versammelt, in denen<br />
Tiere die Hauptrolle spielen, sei es der putzige<br />
Fisch in Finding Nemo, seien es die Berggorillas in<br />
Gorillas in the Mist oder die Wildgänse in Das Geheimnis<br />
der Zugvögel. Manchmal steht auch der<br />
Mensch im Mittelpunkt und sein Versuch, mit Tieren<br />
zu sprechen wie etwa im Spielfi lm The Horse<br />
Whisperer, dessen Hauptfi gur von einem realen<br />
Pferdefl üsterer inspiriert ist.<br />
Lubitsch Touch Es gibt den Ausdruck «Lubitsch<br />
Touch» - damit wurde das Markenzeichen<br />
von Ernst Lubitschs Gesellschaftskomödien beschrieben,<br />
nicht alle Details der Handlung zu zeigen,<br />
sondern es dem Zuschauer zu überlassen, die<br />
Handlung zu vervollständigen, etwa in Bluebeard’s<br />
Eighth Wife von 1938. Damit reagierte der Regisseur<br />
auf die Zensur im damals noch sittenstrengen<br />
Amerika. Ausserdem im Programm: die Zeit- und<br />
Charakterkomödie Ninotchka mit Greta Garbo in<br />
ihrer einzigen gelungenen komischen Rolle und die<br />
herrliche Anti-Nazi-Komödie To Be or Not To Be.<br />
Der Musikfi lmzyklus Song & Dance Men präsentiert<br />
sechs Filme, die die Vielfalt einer zersplitterten,<br />
undefi nierbaren Popkultur aufzeigen. Namhafte<br />
Musikjournalisten führen die in der Schweiz<br />
kaum je gezeigten Filme ein. Im März zeigen wir<br />
The Devil & Daniel Johnston von Jeff Feuerzeig mit<br />
einer Einführung von Albert Kuhn (Weltwoche).<br />
■ SHOOTING DOGS (Von Michael Caton-Jones,<br />
GB 2006, 114’, Englisch/d/f, Spielfi lm) Für Pater Michael<br />
Thomas und seinen jungen Lehrerkollegen<br />
Joe Connor scheint die Ermordung des Präsidenten<br />
von Ruanda am 6. April 1994 nur ein weiterer<br />
kleiner Aufruhr im turbulenten Afrika zu sein. Aber<br />
innerhalb nur weniger Stunden überschlagen sich<br />
die Ereignisse, in deren Folge unzählige Tutsi von<br />
den Hutus brutal abgeschlachtet werden. Mittendrin<br />
befi ndet sich eine kleine Missionsschule, in<br />
der die Blauhelmsoldaten der UN untergebracht<br />
sind. Sie wird zum letzten Zufl uchtsort für Flüchtlinge,<br />
die verzweifelt versuchen dem Massaker zu<br />
entkommen.<br />
ZEIT DES ABSCHIEDS (Von Mehdi Sahebi, CH<br />
2006, 63’, Dialekt, Dokumentarfi lm) Der dokumentarische<br />
Porträtfi lm schildert dramaturgisch sensibel<br />
die letzte Lebensphase des 2003 im Zürcher<br />
Lighthouse-Hospiz verstorbenen, damals 44-jährigen,<br />
HIV-infi zierten Krebskranken Giuseppe Tommasi.<br />
In einem vom Autor feinfühlig angeregten<br />
Gespräch fi ndet der Todkranke zu einer erstaunlich<br />
differenzierten Selbstrefl exion. Der Protagonist<br />
lässt seine von schweren Schicksalsschlägen<br />
geprägte Lebensgeschichte Revue passieren, berichtet<br />
von seinen Krankheitsleiden und nimmt<br />
Stellung zu seiner emotionalen, seelischen und<br />
körperlichen Befi ndlichkeit.<br />
MITTENDRIN (Von Salomé Pitschen, CH 2006,<br />
89‘, Dokumentarfi lm) MITTENDRIN ist eine poetische<br />
Studie über das Lebensgefühl von fünf Frauen<br />
aus dem Raum Zürich. Alle sind zwischen dreissig<br />
und vierzig und gehören zur ersten Generation, die<br />
von den Errungenschaften der Frauenbewegung<br />
der 70er Jahre kampfl os profi tieren kann.<br />
FAUSTRECHT (Von Bernard Weber und Robi<br />
Müller, CH 2006, 84‘, Dialekt, Dokumentarfi lm)<br />
FAUSTRECHT ist eine Langzeitbeobachtung von<br />
zwei gewalttätigen Jugendlichen. Tim ist ein introvertierter<br />
Jugendlicher, der zu unkontrollierten<br />
Gewaltausbrüchen neigt. Gibran hingegen ist ein<br />
extrovertierter Charmeur, der Gewalt einsetzt, um<br />
seine Ziele zu erreichen.<br />
Die Spieldaten entnehmen Sie bitte unserer Homepage<br />
www.kellerkino.ch.<br />
■ Ingmar Bergman - Operationen am offenen<br />
Herzen Fast vierzig Jahre, von 1944 bis 1982, hat<br />
die Filmkarriere des Schwedischen Regisseurs Ingmar<br />
Bergman gedauert. 1952 erregte er grosses<br />
Aufsehen mit der Freizügigkeit seiner Liebesgeschichte<br />
Ein Sommer mit Monika, in der Mitte jenes<br />
Jahrzehnts wurde er u.a. mit Wilde Erdbeeren<br />
zum neuen Fixstern am internationalen Kunstkinohimmel.<br />
In den 60er Jahren legte Bergman mit seiner<br />
Glaubens- und seiner Fårö-Trilogie sowie mit<br />
dem Meisterwerk Persona einige seiner kühnsten<br />
Arbeiten vor. In den frühen 70er Jahren sorgte<br />
Bergman mit der Fernsehserie Szenen einer Ehe<br />
für einen Strassenfeger. Der Abschied vom Kino<br />
mit der vierfach Oscar-gekrönten Familiensaga<br />
Fanny und Alexander (1982) fi el triumphal aus. 3.<br />
März bis 1. Mai.<br />
Kunst und Film 1: Touching Politics Kuratiert<br />
vom Künstler Florian Wüst. Die fünfteilige Filmreihe<br />
präsentiert eine Auswahl von internationalen<br />
Kurzfi lmen aus dem Archiv der Freunde der Deutschen<br />
Kinemathek: politisch und experimentell.<br />
Programm 1 und 2, Abbildungsverhältnisse und<br />
Radikale Körper, am 10., Programm 3, Aufklärung<br />
und Widerstand, am 11., Programm 4, Jenseits<br />
der Worte, am 12. und der letzte Teil, Ökonomie<br />
der Moderne, am 13. März.<br />
Kunst und Film 2: Knut Åsdam Im Rahmen<br />
der Jubiläumsausstellung «Critical Mass - Kritische<br />
Masse» in der Kunsthalle Bern präsentiert Philippe<br />
Pirotte zwei Filme des dänischen Künstlers, beide<br />
Bestandteile der Stiftungssammlung: Filter City<br />
und Blissed am 31. März.<br />
Teenage-Eltern in Filmproduktionen der letzten<br />
zwei Jahre In den letzten zwei Jahren haben<br />
gleich mehrere RegisseurInnen Spiel- und Dokumentarfi<br />
lme über Teenager, die Eltern werden,<br />
realisiert. Dabei sind die unterschiedlichsten Werke<br />
entstanden, von denen wir vier Beispiele - zwei<br />
Schweizer Premieren und zwei Wiederaufnahmen<br />
- zeigen: Meninas (Minderjährige Mütter), Lucy,<br />
L’enfant und Palindromes. 17. März bis 3. April.<br />
Wir zeigen die Neufassung von Portrait eines Planeten:<br />
Friedrich Dürrenmatt (Schweiz 1984) von<br />
Charlotte Kerr. 4. und 25. März.<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 51 | März 07
KI O<br />
i n d e r R e i t s c h u l e<br />
N<br />
Für das Tagesprogramm die Tageszeitung oder das Internet www.bernerkino.ch<br />
LICHTSPIEL<br />
www.reitschule.ch / Telefon 031 306 69 69 www.lichtspiel.ch / Telefon 031 381 15 05 www.pasqu<strong>art</strong>.ch / Telefon 032 322 71 01<br />
■ Erwin Wagenhofer Erwin Wagenhofer ist in der<br />
Schweiz durch seinen Film We Feed the World bekannt<br />
geworden. Im März sind neben diesem globalisierungskritischen<br />
Film auch zwei Berner Filmpremieren<br />
von Wagenhofer zu entdecken: Limes zeigt<br />
die Absurdität der europaweiten Einwanderungs-<br />
und Abschottungspolitik auf und Der Gebrauch des<br />
Menschen ist eine Hommage an den serbischen Romancier<br />
Aleksander Tisma. Wagenhofer setzt sich<br />
in diesem Film, der den gleichen Namen trägt, wie<br />
Tismas 1994 erschienener Roman, mit den Themen<br />
auseinander, die Tisma in allen seinen Romanen<br />
(u.a. Treue und Verrat, Die wir lieben) bewegen:<br />
Faschismus, Gewalt, Holocaust, Krieg und Vertreibung.<br />
Daten: We Feed the World / Limes: 1./3./9.3; Der Gebrauch<br />
des Menschen: 2./10.3.<br />
Hommage an die Frauenfi lmtage Am 14. März<br />
erscheint das Buch KINO FRAUEN EXPERIMEN-<br />
TE, herausgegeben von Esther Quetting, einer ehemaligen<br />
FrauenFilmTage-Frau. Ausgehend von der<br />
Rekonstruktion der Geschichte des Kinoprojekts<br />
FrauenFilmTage Schweiz werden darin die Bedeutung<br />
geschlechterbewusster Kinoarbeit und der<br />
Stellenwert von Frauenkinoprojekten diskutiert.<br />
Esther Quetting hat in diesem Buch Autorinnen<br />
zu Wort kommen lassen, die aus ihrer jeweiligen<br />
Perspektive als Filmkritikerin, Filmkuratorin, Historikerin,<br />
Filmemacherin oder Kinogängerin, ihre<br />
persönliche Auseinandersetzung mit Kino und feministischen<br />
Positionen darlegen.<br />
Aus Anlass dieser Buchtaufe zeigt das Kino in<br />
der Reitschule, Filme, die in der weiblichen Filmgeschichte<br />
Spuren hinterlassen haben: Anna Göldin<br />
von Gertrud Pinkus (15./16.3.), Orlando von Sally<br />
Potter (17.3.), Katzenball von Veronika Minder<br />
(23./24.3.) Ein Wiedersehen gibt es am 29./30./31.3.<br />
mit der rotzfrechen tschechischen Filmsatire Sedmikrasky<br />
- Tausendschönchen – Ein Märchen oder<br />
auch Die kleinen Margariten genannt von Vera Chytilová.<br />
Esther Quetting wird am Freitag, den 16. März<br />
ihr Buch im Kino in der Reitschule präsentieren und<br />
am 23. März ist Veronika Minder, eine der Gründerinnen<br />
der FrauenFilmTage, im Kino anwesend.<br />
8. und 22.3.: UNCUT mit Gazon maudit und<br />
Beautiful Boxer<br />
■ In Crustacés et coquillages (F 2005) zerbröckelt<br />
das traute Ferienglück einer Pariser Familie,<br />
weil es unter der heilen Fassade gehörig brodelt.<br />
(Mo 5.3., 20:00 h)<br />
Elektrifi kation der Schweizerischen Eisenbahnen<br />
(CH, 1921-26) zeigt in einer Fülle von<br />
visuellen Details, unter welchen Bedingungen<br />
Staumauer und Druckleitung im Tal der Barberine<br />
gebaut wurden, wie ArbeiterInnen in den Lokomotivfabriken<br />
Akkordarbeit leisteten und wie bereits<br />
in den 20er-Jahren Reisende aus aller Welt mit<br />
elektrischen Zügen durch die Schweizer Bilderbuchlandschaft<br />
fahren. Stumm mit Livebegleitung<br />
von W. Pipczynski. (Mo 12.3., 20:00 h)<br />
Eisensteins Strike (Russl., 1924) bildet den<br />
Auftakt zum Propagandafi lmzyklus des Filmclubs<br />
der Uni Bern. Unter Streikandrohung versuchen<br />
Fabrikarbeiter ihre Rechte geltend zu machen.<br />
Ihre Wut wird durch den Selbstmord eines von der<br />
Direktion des Diebstahls beschuldigten Arbeiters<br />
entfesselt (Mi 21.3., 20:00 h). Okraina von Piotr<br />
Luzik (Russl., 1998) ist eine Parabel über das Verhältnis<br />
von Macht, Gehorsam und Totalitarismus:<br />
In Sachen Ausbeutung hat sich weder unter dem<br />
Zaren, noch im Kommunismus, noch in der Zeit<br />
von Glasnost viel verändert. (Mi 28.3., 20:00 h)<br />
Das Lichtspiel hat das fi lmische Werk des vor<br />
rund einem Jahr verstorbenen Fotografen und Filmemachers<br />
Kurt Blum aufgearbeitet und von vier<br />
bedrohten Filmen neue Kopien hergestellt. Diese<br />
Werke werden nun in einer Hommage vorgeführt<br />
und zusammen mit einem Gespräch, welches David<br />
Landolf und Kurt Blum in den letzten Wochen<br />
vor dem Tod des Künstlers geführt haben, auf einer<br />
DVD veröffentlicht. (Mo 26.3., 20:00 h)<br />
In CinemAnalyse moderiert Prof. Dr. A. Wildbolz<br />
vom Sigmund-Freud-Zentrum Bern Werke aus<br />
der Filmgeschichte. Die Reihe st<strong>art</strong>et mit G.-W.<br />
Pabsts Geheimnisse einer Seele (D 1926): Ein von<br />
Eifersucht geplagter Chemiker wird von grotesken<br />
Träumen heimgesucht, die ihn beinahe dazu bringen,<br />
seine Frau zu erstechen. Entsetzt über sein<br />
Verhalten konsultiert er einen Psychoanalytiker.<br />
Wie ein Puzzle fügen sich Erinnerungen und Ängste<br />
zusammen, bis es gelingt, zum Kern der Probleme<br />
vorzudringen. (Do 29.3., 20:00 h)<br />
■ Neue Filme von Frauen: Sehnsucht (2.3.-5.3):<br />
Der Spielfi lm von Valeska Grisebach erzählt eine<br />
ungewöhnliche Liebesgeschichte in einer realistischen,<br />
manchmal dokumentarisch anmutenden<br />
Weise. Grbavica (9.3.-12.3.): Der systematische<br />
sexuelle Missbrauch während des Bosnienkrieges<br />
steht im Mittelpunkt des Films von Jasmila Zbaniè.<br />
Ihr ist ein beeindruckender, feinfühliger Film über<br />
das Lieben und Leben von leidgeprüften Familien<br />
Jahre nach dem Krieg gelungen. Den internationalen<br />
Tag der Frau am 8. März feiert das Filmpodium<br />
zusammen mit dem Frauenplatz Biel: Ousmane<br />
Sembenes Film Moolaadé über eine mutige Frau,<br />
die sich gegen die Beschneidung zur Wehr setzt,<br />
wird umrahmt mit afrikanischer Musik und einer<br />
kulinarischen Überraschung!<br />
transformer 2 vom 16.3. - 2.4.: Mit Ausstellungen,<br />
Performances und Filmen begeben sich<br />
die OrganisatorInnen von transformer 2 auf eine<br />
neue Reise in das Reich der sich aufl ösenden Geschlechtergrenzen.<br />
Travestie, Metamorphose und<br />
Transformation: Seit es das Kino gibt haben sich<br />
Filmschaffende mit diesen Themen auseinandergesetzt.<br />
Allen voran Pasolini, dessen wunderbarverstörender<br />
Film Teorema den Auftakt zum diesjährigen<br />
Festival im Filmpodium macht. Auch Sally<br />
Potters sinnlich-leichtfüssiger Transgender Orlando,<br />
der mal als Frau mal als Mann durch die Jahrhunderte<br />
wandelt, ist wieder einmal zu sehen.<br />
Neue Werke im transformer 2 sind u.a. Beautiful<br />
Boxer des Thailänders Ekachai Uekrongtham<br />
und Thomas W<strong>art</strong>manns Between the Lines - Indiens<br />
drittes Geschlecht. Beautiful Boxer erzählt<br />
neben dem Aufstieg im Kickbox-Ring auch die Geschichte<br />
eines anderen Kampfes - nämlich jene<br />
von einem Mann, der davon träumt eine Frau zu<br />
sein. In Between the Lines begibt sich der Regisseur<br />
in das Reich des Dritten Geschlechts. Thomas<br />
W<strong>art</strong>manns Dokumentarfi lm ist eine scharfe Beobachtung<br />
über ein in unseren Gesellschaften immer<br />
noch tabuisiertes Phänomen. Sein Film über die<br />
Hijras, die Eunuchen Indiens, ist einfühlsam, nie<br />
moralisierend und frei von falscher Betroffenheit.<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 51 | März 07 27
werbung<br />
28<br />
Wir machen<br />
aus Gedanken<br />
SONG & DANCE MEN Musikfilme in der Cinématte 1<br />
Musikfilme in der Cinématte 1<br />
telefon 031 720 51 11<br />
www.fischerprint.ch<br />
Alther&Zingg<br />
Ein filosofisches Gespräch:<br />
Druck(kult)sachen. «ES IST UNMÖGLICH,<br />
EINEN MIT NICHTS<br />
ZUSAMMENHÄNGENDEN<br />
GEDANKEN ZU DENKEN.»<br />
Ted Honderich (1993)<br />
Mittwoch, 28. März 2007 // 19:00 Uhr<br />
tonus-labor, Kramgasse 10<br />
Der Musikfilmzyklus «Song&Dance Men» präsentiert Filme, die die Vielfalt<br />
einer zersplitterten, undefinierbaren Popkultur aufzeigen. Die Filmauswahl<br />
versucht, verschiedene Anknüpfungspunkte innerhalb der popmusikalischen<br />
Genres und über diese Grenzen hinweg aufzuzeigen. Namhafte Musikjournalisten<br />
führen die in der Schweiz kaum je gezeigten Filme ein.<br />
Mittwoch, 28. März 2007, 20.00h<br />
The Devil & Daniel Johnston<br />
Regie: Jeff Feuerzeig; Dokumentarfilm;<br />
USA/2005, DVD, OV ohne UT, 110 Min.<br />
Der Film porträtiert den manisch-depressiven<br />
Singer/Songwriter Daniel Johnston. Von zahlreichen<br />
Musikerkollegen (u.a. Kurt Cobain,<br />
David Bowie) als einer der begabtesten Songschreiber<br />
bezeichnet, bestechen Johnstons<br />
rudimentär aufgenommene Lieder durch eine<br />
schmerzliche Nähe. Der Film beschreibt das<br />
Phänomen Daniel Johnston, für den Musik, fern<br />
von jeglichen kommerziellen Hintergedanken,<br />
den einzigen Fluchtpunkt aus seinem von der<br />
Krankheit bestimmten Alltag darstellt.<br />
Einführung: Albert Kuhn (Weltwoche)<br />
Vorschau<br />
18. April: The Fearless Freaks – The Wondrously, Highly Improbable Story of the Flaming Lips<br />
Einführung: Christian Gasser<br />
30. Mai: Hardcore Chambermusic – Koch Schütz Studer<br />
27. Juni: Wattstax Einführung: Bänz Friedli<br />
Konzept, Programmation: Benedikt S<strong>art</strong>orius, Sarah Stähli<br />
wasserwerkgasse 7, bern Reservationen: Tel. 031 312 45 46 oder www.cinematte.ch<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 51 | März 07
KULTUR & GESELLSCHAFT<br />
die CEOs blicken alle<br />
Von Peter J. Betts<br />
■ «Die CEOs blicken alle optimistisch in die Zukunft:<br />
der Gewinnoptimierung seien auch künftig<br />
keine Grenzen gesetzt» - dies eine Aussage aus<br />
einer Nachrichtenmeldung zur Eröffnung des WEF,<br />
des sogenannten Welt-Wirtschafts-Forums. Heute,<br />
wo es hier endlich (mit Ausnahme des Industrieschnees,<br />
natürlich) zu schneien begonnen hat:<br />
gegen Ende Januar. Im Flachland. Der Bericht des<br />
«Club of Rome» ist allerhöchstens noch Makulatur?<br />
Etwas wehmütig blicke ich zwei Postk<strong>art</strong>en in meiner<br />
Hand an: mir sehr liebe Erinnerungen an eines<br />
der kulturellen Projekte (ohne städtische Subvention)<br />
einer freien Gruppe in Bern (Perspektiven nach<br />
Davos): Eine hervorragende Performance, die viel<br />
zu reden und – vielleicht – zu denken gegeben hat.<br />
Zwei hochprofessionelle Fotos scheinbar – also für<br />
nicht Lesegewohnte (die Mehrzahl? immer mehr<br />
die Mehrzahl?) – vorerst völlig harmlosen Inhaltes<br />
(So hatten es erst auch die Verantwortlichen<br />
der Allgemeinen Plakat Gesellschaft gesehen:<br />
Wer LIEST schon, was auf Plakaten geschrieben<br />
steht???) Und dann kam sehr bald der Ruf aller<br />
rechten Leute nach Law and Order. Aber das hat ja<br />
Naegeli (nein, ich meine nicht den mit «ä», mit der<br />
Gasse oder der Eroberung der Waadt) mit seinen<br />
KiöR-Projekten in Zürich auch erleben müssen. In<br />
beiden Fotos sind Welt(!)formatplakate auf ordnungsgemässen<br />
Plakatständern in ordnungsgemässer<br />
Bernerplakatlandschaft abgelichtet. Beim<br />
ersten Foto, vor einem übervollen Berner Abfallkübel,<br />
mit umgestülptem McDonalds Pappbecher<br />
(auch rot – gelb, aber anstatt mit schwarz eben mit<br />
weiss, was jede Farbe spiegelt, statt alle zu schlucken)<br />
zuoberst, prangt auf dem Plakat gross der<br />
Satz: «Freiheit für Investoren!» Das zweite Foto<br />
vor neutralerem Hintergrund: «Zuviel Demokratie<br />
ist schlecht für das Geschäft.» Unten rechts auf<br />
beiden Plakaten, als tête carrée gewissermassen,<br />
das offi zielle quadratische blau-weisse Logo von<br />
«World Economic Forum» und unten links Tatort<br />
und Tatzeit: «WEF Annual Meeting 21 –25 January<br />
2004 Davos Switzerland». Heute hat es im Flach-<br />
land erstmals geschneit, heute habe ich erfahren,<br />
dass die Führer in Davos überzeugt sind, der Gewinnoptimierung<br />
seien keine Grenzen gesetzt, und<br />
dann auch noch, dass Herr Bush in seiner Rede zur<br />
Nation erstmals über Klimaerwärmung geschwafelt<br />
haben soll, und darüber, dass die Entwicklung<br />
von Maschinen mit «anderen» Energiequellen gefördert<br />
werden solle - damit die USA nicht mehr<br />
von ausländischen Erdöllieferanten und deren Terroristen<br />
abhängig sein müssten (der Querbezug<br />
zur Umweltproblematik eine unverbindlich beiläufi<br />
ge Garnitur am Schluss)... Während die Schneefl<br />
ocken trieben, las ich, wie der «Bund» sich im<br />
Titel zu Bushs Worten geäussert hat: «Rede eines<br />
Verlierers». CEOs sind keine Verlierer. Nie. CEOs<br />
setzen die Erhaltungssätze der Physik ausser<br />
Kraft? Einfach so? Obwohl die Thermodynamik<br />
lehrt, dass, wenn sich die Gesamtentropie eines<br />
geschlossenen Systems bei einem Prozess erhöht,<br />
dieser nicht umkehrbar, also irreversibel ist?<br />
Auch in der «Welt» (als abgeschlossenem System)<br />
wächst die Entropie. Der Endwert dieses Wachstums<br />
wäre beispielsweise dann erreicht, wenn sich<br />
sämtliche Temperaturunterschiede ausgeglichen<br />
hätten: Wärmetod. Anders ausgedrückt: wenn der<br />
Gewinnoptimierung keine Grenzen gesetzt sind:<br />
Wo müssen Prozesse begrenzt werden, damit in<br />
unserem geschlossenen System der Endwert des<br />
Entropiewachstums, der Zustand grösstmöglicher<br />
Unordnung, nicht erreicht wird? Ich blättere<br />
im Schlusstext von «Grenzen des Wachstums»,<br />
wo die Initianten ihren Bericht, im Lichte der Reaktionen<br />
darauf, kritisch würdigen (S. 165-176):<br />
«... sind wir davon überzeugt, dass eine rasche<br />
und grundlegende Besserung der gegenwärtigen<br />
gefährlich unausgewogenen und sich verschlechternden<br />
Weltlage die Hauptaufgabe ist, vor der die<br />
Menschheit steht... ... Dies setzt ein gemeinsames<br />
Bemühen ohne Rücksicht auf ihre Kultur, ihr Wirtschaftssystem<br />
oder ihren Entwicklungsstand voraus.<br />
Die Hauptverantwortung liegt dabei bei den<br />
industriell entwickelten Nationen, nicht weil diese<br />
magazin<br />
ein besseres Verständnis für die Erfordernisse<br />
eines wahrhaft humanen Lebens haben, sondern<br />
weil sie das Wachstumssyndrom erzeugt haben<br />
und noch immer auf der Spitze des Fortschrittes<br />
stehen, auf dem das Wachstum beruht... ... Wir sind<br />
schliesslich überzeugt, dass jeder vernünftige Versuch,<br />
einen dauerhaften Gleichgewichtszustand<br />
durch geplante Massnahmen herbeizuführen,<br />
letztlich grundsätzlicher Änderung der Wert- und<br />
Zielvorstellungen des Einzelnen, der Völker und<br />
auf Weltebene von Erfolg gekrönt sein wird...»<br />
1972. Indikativ. Makulatur? Das Umsetzen des Not-<br />
Wendigen eine Frage des kulturellen Bewusstseinsstandes?<br />
Eine andere wunderbare Performance<br />
geht mir durch den Kopf. Auch KiöR. Noch (!) steht<br />
beim Bollwerk auf der Passarelle «der Rettungsring»,<br />
Betonplastik von Claude Kuhn. Der Künstler<br />
hat hier ein Forum gestaltet, das jeder Passantin,<br />
jedem Passanten bei Bedarf Geistesnahrung geboten<br />
hat. Sie konnten sich beispielsweise fragen:<br />
«Wohin komme ich, wenn ich mir beim Schwimmen<br />
in der Aare, in Not geraten, einen Betonrettungsring<br />
über den Kopf stülpe?» Claude hätte vermutlich<br />
lediglich fein gelächelt; vielleicht hätte er in<br />
besonders kommunikativer Stimmung gesagt:<br />
«Eben.» War am Ende sein Beitrag zum kulturellen<br />
Bewusstseinsstand hier folgende kleine Gedankenkette:<br />
«Bei diesem ständigen Verkehrsfl uss<br />
hier unten wirkt jeder Rettungsring wie in der Aare<br />
ein Betonklotz um den Hals. Wenn wir dieser Art<br />
von Mobilität nicht wirkungsvoll begegnen...» Mit<br />
der neuen Gestaltung des Bahnhofplatzes könnte<br />
formal – und dadurch vielleicht doch ein bisschen<br />
wirkungsvoll? - die Grundproblematik in Gang<br />
kommen. Die Gestaltung der Überlebensaussichten:<br />
eine Frage des kulturellen Bewusstseinsstandes?<br />
Ein Forum für solche Gestaltung überfl üssig?<br />
Draussen inzwischen eine dünne Schneedecke:<br />
Weiss, das alle Farben spiegelt. Und in den kommenden<br />
Tagen ist mit zunehmender Kälte zu rechnen.<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 51 | März 07 29
magazin<br />
LESERBRIEFE / FORUM<br />
leserbrief@ensuite.ch<br />
Berns Kulturförderer<br />
blamieren sich<br />
■ Staatliche Kulturförderung ist ein schwieriges<br />
Thema. Auf welch schiefe Bahnen sie geraten kann,<br />
selbst wenn – oder gerade wenn – dem Buchstabe<br />
des Gesetzes nachgelebt wird, zeigt eine Episode<br />
aus dem Kanton Bern, die der ganzen Schweiz ein<br />
Lehrstück sein sollte.<br />
Berner Musikliebhaber ohne stilistische Scheuklappen<br />
wissen: Die etwas ausserhalb der Stadt<br />
auf dem Gemeindegebiet von Rubigen stehende<br />
Mühle Hunziken ist seit mehr als dreissig Jahren<br />
ein europaweit einzig<strong>art</strong>iges Konzertlokal. Schon<br />
auf manchem Gebiet ist in dem ein wenig an ein<br />
Shakespeare-Theater erinnernden Lokal Geschichte<br />
geschrieben und für Sternstunden gesorgt<br />
worden. Weltstars, die anderswo Fussballstadien<br />
füllen, gaben hier immer mal wieder unvergessliche<br />
Klubkonzerte, und Musikjournalisten auf der<br />
ganzen Welt staunten wohl regelmässig, wenn sie<br />
Tourneepläne angesagter Stars in die Hände bekamen,<br />
in denen die Liste europäischer Gigs London,<br />
Paris, Mailand, Wien, Berlin, Rom ... und «Mühle<br />
Hunziken» listeten.<br />
Das Erstaunlichste am Ganzen: All die Jahrzehnte<br />
wurde die Kulturmühle von ihrem Leiter<br />
Peter Burkh<strong>art</strong> ohne Inanspruchnahme von Steuergeldern<br />
betrieben. Erst nach dreissig (!) Jahren<br />
wandte sich Burkh<strong>art</strong> an seine Standortgemeinde<br />
– mit der Bitte, die Gelder, welche diese gemäss<br />
kantonalem Kulturförderungsgesetz (KFG) für<br />
Kulturleistungen an die Stadt abzuliefern hatte,<br />
doch für einmal in die Mühle umzuleiten. Schliesslich<br />
rekrutierte sich das Publikum der Mühle seit<br />
jeher aus der ganzen Region und mit ihrem urbanen<br />
Programm, das Downtown London alle Ehre<br />
machen würde, weitaus mehr aus der Stadt Bern<br />
als aus Rubigen selber. Auf die Mühle Hunziken<br />
wirkt sich überdies mehr und mehr die Tatsache<br />
aus, dass städtische Konzertlokale im Gegensatz<br />
zu ihr selber aus staatlichen Fördertöpfen gespiesen<br />
werden – im Prinzip auch aus dem Geld, das<br />
von Rubigen via Regionale Kulturkonferenz in die<br />
Stadt fl iesst. Diese konnten in den letzten Jahren<br />
dadurch Burkh<strong>art</strong> immer mehr attraktive Künstler<br />
abwerben – auch solche, die er vor Jahrzehnten<br />
einmal selber aufgebaut hatte.<br />
Die Absage kam zunächst prompt. Leider sei<br />
eine Umleitung der Gelder nicht machbar. Nun<br />
scheint vier Jahre nach der ersten Anfrage plötzlich<br />
doch noch zu gehen, was bislang unmöglich<br />
schien. Es hat sich nämlich herausgestellt, dass die<br />
Berner Landgemeinden und damit auch Rubigen<br />
schon immer die Gelegenheit gehabt hätten, ihre<br />
Kulturbeiträge an die Stadt zu reduzieren, «wenn<br />
sie sich selber wesentlich an der Finanzierung<br />
wichtiger kultureller Institutionen von mindestens<br />
30<br />
regionaler Bedeutung im Sinne von Art. 11 KFG beteiligen,<br />
die auf ihrem Gemeindegebiet domiziliert<br />
sind.»<br />
Ab 2008 soll die Mühle Hunziken nun also einen<br />
Beitrag erhalten – 25‘000 Franken jährlich,<br />
einen Franken pro Besucher, wie Peter Burkh<strong>art</strong><br />
Ende Januar in einem Interview mit der Berner Tageszeitung<br />
«Der Bund» vorrechnete. Das Stattheater<br />
Bern werde demgegenüber mit 240 Franken<br />
pro Besucher unterstützt, kommentierte Burkh<strong>art</strong><br />
nüchtern.<br />
Dass das Geld spät und bloss spärlich fl iesst,<br />
mag der «Mühli-Pesche», wie Peter Burkh<strong>art</strong> von<br />
Publikum und Musikern liebevoll genannt wird, mit<br />
milder Ironie kommentieren. Was ihn auf die Palme<br />
(notabene das Wahrzeichen der Mühle) bringt, ist<br />
hingegen die Begründung eines Vertreters des kantonalen<br />
Amtes für Kultur. Man habe, so der Funktionär,<br />
die gesetzlich mögliche Höchstgrenze des<br />
Beitrages – 33‘500 Franken – nicht ausgeschöpft,<br />
weil die 25’000 Franken «entsprechend der Wichtigkeit<br />
der Kulturmühle angemessen» seien. Das<br />
sei zugegebenermassen ein subjektiver Entscheid,<br />
die Mühle Hunziken sei aber nicht vergleichbar mit<br />
Institutionen wie dem Historischen Museum in der<br />
Stadt.<br />
Den Bildungsbürgern, die zu solch unsinnigen<br />
Vergleichen greifen, kann man nur in einer<br />
Sprache antworten, die sie möglicherweise verstehen:<br />
O, sancta simplicitas!<br />
Die Moral des Ganzen? Mag sein, dass da alles<br />
mit rechten bürokratischen Dingen zugegangen<br />
und allen föderalistischen und regionalen Ansprüchen<br />
formal Recht getan worden ist. Menschlich<br />
und kulturpolitisch ist das Ganze aber eine unwürdige<br />
Schildbürgerei ahnungsloser Funktionäre. In<br />
der Kulturförderung geht es nicht (nur) ums Geld.<br />
Es geht auch – und vor allem – um Wertschätzung,<br />
Stil und einen respektvollen Umgang mit denjenigen,<br />
die verhindern, dass unsere Welt im Mittelmass<br />
versinkt. Auch und gerade mit den Peter<br />
Burkh<strong>art</strong>s unseres Landes darf nicht so umgesprungen<br />
werden.<br />
Wolfgang Böhler, 8808 Pfäffi kon, Musikphilosoph<br />
und Chefredaktor des Codex fl ores Onlinemagazins<br />
www.codexfl ores.ch<br />
Playboy light? (Heft Nr. 50 / Seite 45)<br />
■ Was soll denn das? Playboy light? Mag ja sein,<br />
dass ich prüde bin. Ok! Wenn das «gefragt» ist und<br />
sexy sein soll, auch ok. Wenn dem so ist, so erw<strong>art</strong>e<br />
ich, dass Sie auch Fotos von Männern bringen: so<br />
pfannenfertige, unterwürfi ge Verfügsamkeit (...).<br />
Zu 50 Prozent bitte!<br />
Wenn nun aber dabei die Frage auftaucht, wie<br />
Sie das bewerkstelligen könnten, zeigt das deutlich<br />
an, wie einseitig und verzerrt Ihr Blickwinkel<br />
ist, auf Frauen. Kein Mann will sich als unterwürfi -<br />
gen Gebrauchsgegenstand, der allzeit zur beliebigen<br />
Verfügbarkeit bereit ist, sehen. Zu Recht!<br />
Und wir als Frauen sollen das für uns wünschen?<br />
Ich glaube, Sie machen Witze. Dann kommt<br />
noch diese lächerliche Bekleidung. Ich meine diese<br />
doofen Strümpfe - schwarz!? Zu weissen Pumps?<br />
Total bescheuert.<br />
So ganz allgemein ist mir schon länger aufgefallen<br />
und hat mich gestört: Bei den Bildern unten<br />
in der Agenda überwiegt die Darstellung von Männern.<br />
Wie wär‘s mit halbe halbe?<br />
A. Disqué, 3532 Zäziwil<br />
Anmerkung der Redaktion:<br />
1. Das besagte Bild kommt von Malu Barben, einer<br />
begnadeten Fotokünstlerin, und wurde für eine<br />
Inseratekampagne mit drei verschiedenen Sujets<br />
von ihr selbst angefertigt.<br />
2. Unsere Bildauswahl in der Agenda wird seit<br />
zweieinhalb Jahren von einer Frau - ohne Männerregie<br />
- erstellt.<br />
www.ensuite.ch<br />
Leserbriefe<br />
Wir freuen uns über Ihre Zuschriften. Je kürzer<br />
ein Brief, umso grösser ist die Möglichkeit für<br />
eine Veröffentlichung. Es ist nicht nötig, dass<br />
der Inhalt sich nur auf Artikel bezieht, welche<br />
im ensuite - kulturmagazin erschienen sind -<br />
aber es wird die Veröffentlichung fördern. Die<br />
Redaktion behält sich vor, Artikel zu kürzen. Es<br />
werden nur Zuschriften publiziert, welche mit<br />
Name und Wohnort versehen sind. Einsendungen<br />
an: ensuite - kulturmagazin, Leserdienst,<br />
Sandrainstrasse 3, 3007 Bern oder per Email:<br />
leserbrief@ensuite.ch<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 51 | März 07
CARTOON<br />
www.fauser.ch<br />
magazin<br />
VON MENSCHEN UND MEDIEN<br />
kommunikationsnotstand in der hauptstadt<br />
Von Lukas Vogelsang<br />
■ Wir heben die weisse Flagge für Bern. Der Angriff<br />
der FACTS-Redaktion (Ausgabe vom 15. Februar<br />
07/07) kam unvorhergesehen und zielte heimtückisch,<br />
gemein, minuziös und strategisch korrekt<br />
ziemlich unter die Gürtellinie. Und wäre man nicht<br />
eher friedliebend, so müsste man applaudieren.<br />
Ich spreche von der Attacke gegen die Stadtkanzlei<br />
und deren Stadtschreiberein Irène Maeder –<br />
die mächtigste Frau in Bern. Dagegen ist Tschäppät<br />
ein lustiger und netter Kumpel – ok, so präsentiert<br />
er sich uns ja immer. Immerhin pokerte er im Berner<br />
Casino im StarPoker von TeleBärn. Aber neben der<br />
Maeder hat der Stadtpräsident nichts mehr zu bieten.<br />
Aufgefl ogen ist die Chefbeamtin in der Presse<br />
vor allem, weil die Abteilung Kommunikation in der<br />
Stadt Bern bereits nach einem Jahr wieder einen<br />
Wechsel zu verzeichnen hat. Bei den Recherchen<br />
zu den Gründen, die zu der Trennung von Beatrice<br />
Born und der Stadt geführt haben, fi ndet man<br />
sich unweigerlich in einen Beamtenfi lz verstrickt.<br />
Da quillen Aussagen und Gerüchte, Anschuldigungen<br />
und sabbernde Eifersuchtsdramen nur so über<br />
den Stadtrand hinaus. Ein Beispiel aus dem besagten<br />
FACTS-Artikel und wohl das Treffendste: «Ihre<br />
Maxime, lästern Verwaltungsangestellte, laute in<br />
Anlehnung an Franz Josef Strauss: ‹Mir ist egal,<br />
wer unter mir Stadtpräsident ist.›» Hübsch, nicht?<br />
Ui, Bern hat ein richtiges Kommunikationsproblem<br />
– die Nation lacht über die Patrizierstadt.<br />
Doch das ist nicht der einzige Faux-pas der Berner<br />
Kommunikation. Auch die RKK (Regionale Kulturkonferenz)<br />
liess bei mir selber einen hübschen<br />
PR-Triller über den Bildschirm. Als ich eine Anfrage<br />
an die RKK mailte, erhielt ich von der Geschäftsführerin<br />
Isabelle Meyer folgende Antwort: «Wir haben<br />
über ensuite diskutiert und gehen davon aus, dass<br />
wir die Kulturagenda unterstützen, ... (...) Wir wünschen<br />
ihnen weiterhin viel Erfolg und hoffen, dass<br />
Sie bei Ihrer Berichterstattung auch die journalistischen<br />
Regeln anwenden und jeweils Gelegenheit<br />
geben, dass beide Seiten einer Medaille dargestellt<br />
werden können... ;-).» Dabei meinte sie den offenen<br />
Brief von Peter Burkh<strong>art</strong>, welchen wir in der<br />
Februar-Ausgabe unkommentiert wiedergegeben<br />
haben. Nun, ich habe nach mehrmaligem Klopfen<br />
zum Schluss die gewünschten Informationen erhalten<br />
und wir konnten den Dialog wieder retten.<br />
Jedoch ein Interview wollte sie mir nicht geben, einen<br />
Leserbrief nicht schreiben und sie meinte nur:<br />
«Für uns ist das Thema (RKK und Mühle Hunziken<br />
/ Anmerkung) gegessen, wir werden uns nicht weiter<br />
um Publizität bemühen.» Dass eine öffentliche<br />
Stelle Medienbetriebe bevorzugt und andere deswegen<br />
nicht informieren will, stelle ich hier einfach<br />
mal hin. Aber warum die Rüge an uns, dass wir<br />
journalistisch nicht korrekt waren? Wir waren das<br />
einzige Medium, welches den Brief von Peter Burkh<strong>art</strong><br />
(er hatte uns angefragt) unkommentiert ab-<br />
druckte – damit die LeserInnen eine Ahnung haben,<br />
worum es eigentlich ging. Der Einführungssatz, der<br />
dies erklärte, war das einzige Beigemüse von uns,<br />
sonst haben wir keine Stellung bezogen. Was war<br />
denn falsch daran? Der Pesche wurde schliesslich<br />
im gesamten Februar zum medialen «enfant terrible»<br />
gestempelt - man wollt doch wissen, wieso...<br />
Das dritte Beispiel nur noch ganz unbedeutend:<br />
An der Pressekonferenz über die neue Kulturstrategie<br />
wurde den Journalisten einen Papierberg von<br />
mindestens 5cm vorgelegt. Nach den Referaten von<br />
Tschäppät und Reichenau blieb es verdächtig still.<br />
Wer hätte in der halben Stunde nur einen Bruchteil<br />
der Information so verarbeiten können, dass man<br />
eine einigermassen vernünftige Frage zustande<br />
gebracht hätte? Diese Presseshow hätte dringend<br />
verschoben werden müssen – das grenzte bereits<br />
an Missbrauch der öffentlichen Medien, wenn man<br />
als Journalist nur noch als Sprachrohr gesehen<br />
wird und keine Recherchemöglichkeit mehr hat.<br />
Denn es ist klar, dass am nächsten Tag etwas in der<br />
Zeitung stehen muss und es nicht unbedingt das<br />
Einzige ist, was man im Leben zu tun hat. Und das<br />
Angebot, DANACH für die Journalisten da zu sein,<br />
war nicht befriedigend.<br />
Fazit: In Bern brauchen wir dringend neue KommunikatorInnen.<br />
Sonst werden wir, wenn das so<br />
weitergeht, zum Schluss nur noch über uns selber<br />
lachen...<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 51 | März 07 31
magazin<br />
BERNER KULTURMENSCHEN<br />
kreativ in berlin und anderswo<br />
Von Eva Mollet (Bild: Eva Mollet)<br />
■ Die Bernerin Claudia Rohner arbeitet als freischaffende<br />
Szenografi n und Bühnenbildnerin im<br />
deutschsprachigen Raum. Seit sechs Jahren lebt<br />
sie in Berlin, dem Mekka der europäischen Kulturschaffenden.<br />
Sie arbeitet da gerade am Bühnenbild<br />
für das neue Stück von Lukas Bärfuss «Die Probe».<br />
In Bern inszeniert sie zum zweiten Mal einen Event<br />
im Münster, anlässlich der Museumsnacht 07.<br />
Claudia trägt ihr schulterlanges Haar zu einem<br />
Pferdeschwanz gebunden. Der Jeansjupe wird zu<br />
braunen Stiefeln kombiniert. Sie klappt die Sonnenbrille<br />
zur Stirn hoch, was zwei lebhafte, braune Augen<br />
freilegt.<br />
Wenn sie in die Schweiz kommt, geht sie gerne<br />
in den Supermarkt mit den orangen Ms einkaufen.<br />
Nebst Familie und Freunden, vermisst sie den Mokka-Joghurt.<br />
Von der Requisiteurin zur Szenografi n und<br />
Bühnenbildnerin Nachdem Claudia drei Jahre als<br />
Requisiteurin im Berner Stadttheater gearbeitet<br />
und gleichzeitig das Studium der Theater- und<br />
Medienwissenschaften begonnen hat, besteht sie<br />
überraschend die Aufnahmeprüfung für einen<br />
damals neuen Studiengang an der hgkz. Sie lernt<br />
«Szenisches Gestalten». Wer etwas in Szene setzt,<br />
braucht ein Konzept, zum Beispiel für Licht und Ton.<br />
«Das war ein sehr anstrengendes Jahr. Ich war die<br />
Jüngste, das strampelnde Nesthäkchen. Mein Glück<br />
war, dass der Initiant dieses Studiengangs ehemaliger<br />
Intendant des Neumarkt Theaters war. Dank Peter<br />
Schweiger gab es viele Bezüge zum Theater.»<br />
32<br />
Nach der Ausbildung bekommt Claudia eine Anstellung<br />
als Bühnenbildassistentin am schauspielfrankfurt.<br />
Die Bernerin zieht um. Zur selben Zeit formieren<br />
sich die Diplomierten des oben genannten<br />
Studiengangs zu einer Gruppe namens «aggregat».<br />
Zusammen gewinnen sie eine Ausschreibung der<br />
Expo 02. Sie gestalten den Heiratspavillon «Oui»<br />
in Yverdon. Dieser Erlebnisparcours ermöglicht es<br />
zwei beliebigen Personen, sich für vierundzwanzig<br />
Stunden zu verheiraten. Die Paare lassen sich registrieren,<br />
ziehen eine Nummer und werden durch<br />
den Parcours geleitet. Im Heiratsraum werden die<br />
Verbindungen mit einem ansteckbaren Knicklicht,<br />
das nach vierundzwanzig Stunden erlöscht, sichtbar<br />
gemacht.<br />
Von Frankfurt nach Berlin Nach Berlin führt<br />
Claudia die Anstellung als Bühnenbildassistentin<br />
am Deutschen Theater, wo sie später als Bühnenbildnerin<br />
und Hausdesignerin eingestellt wird. Sie<br />
baut Bühnen-Modelle und zeichnet am Computer<br />
die Pläne, die später in den theaterinternen Werkstätten<br />
umgesetzt werden. Während fünf Jahren<br />
realisiert Claudia dreissig verschiedene Bühnenbilder<br />
und erarbeitet Vorschläge für das Merchandising<br />
des Theaters. «Ich habe ein Höllenpensum<br />
absolviert und bin an die Grenzen des Machbaren<br />
gestossen.» Es fehlt so die Zeit zum Auftanken.<br />
Claudia beschliesst, sich selbstständig zu machen.<br />
Als Freischaffende ist sie viel unterwegs im ganzen<br />
deutschsprachigen Raum, dafür kann sie zwischen<br />
den Projekten Pausen einplanen. «In Berlin lässt<br />
sich im Vergleich zu anderen deutschen Grossstädten<br />
unglaublich günstig leben. Ich geniesse<br />
die spürbaren Freiheiten und Möglichkeiten. Es ist<br />
leicht, etwas Neues auszuprobieren. Galerien und<br />
Lokale werden schnell eröffnet, aber auch schnell<br />
wieder geschlossen, wenn sie sich nicht durchsetzen<br />
können.»<br />
Zwei Münsterprojekte Die Diplomarbeit «Szenisches<br />
Gestalten» von Claudia Rohner und Michael<br />
Hollstein lädt 1999 zu einer inszenierten Begehung<br />
des Berner Münsters ein. «Es ist bis heute eine<br />
meiner Lieblingsarbeiten. Wir haben alles selbst<br />
gemacht: das Konzept, den Aufbau und den Umbau<br />
des Estrichs im Münster.» Dank der Mithilfe vieler<br />
Freunde und Freundinnen konnte das Projekt mit<br />
minimalen fi nanziellen Mitteln realisiert werden.<br />
Das neue Projekt heisst «Rosa Lauschen» und fi ndet<br />
am 23. März 07 während der Museumsnacht<br />
statt. Claudia wird vom Pfarrer des Münsters angefragt,<br />
die bestehende Idee des Münster-Organisten<br />
in Szene zu setzen: Der Organist improvisiert während<br />
acht Stunden zusammen mit acht Musikern<br />
und Musikerinnen. Das bewährte Team, Michael und<br />
Claudia, will eine ruhige Oase schaffen nebst dem<br />
Trubel der Bars und P<strong>art</strong>ys der Museumsnacht. Nur<br />
so viel darf noch verraten werden: Licht und Ton<br />
werden wichtige Funktionen übernehmen.<br />
Museumsnacht: 23.3.07. «Rosa Lauschen» im<br />
Münster von 18:00 bis 02.00 h<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 51 | März 07
CLUBBING<br />
phönix aus dem wasser<br />
Von Jean-Luc Froidevaux - Der Wasserwerk Club, eine Rehabilitation (Bild: Jean-Luc Froidevaux)<br />
■ Freitag Nacht. In der schummrigen Strasse<br />
klatscht der Klang kratzender Schritte an die Backsteinwand.<br />
Neben einem plakatbeklebten Container<br />
posieren drei Türsteher am Absperrgitter, vom<br />
h<strong>art</strong>en Licht des Deckenfl uters in kantige Konturen<br />
zerschnitten. Face Control. Ein stereotypes Bild globalisierter<br />
Clubkultur, wie es auch in Detroit oder<br />
Berlin aufgenommen sein könnte. Vom überdimensionierten<br />
Garderobebereich führt die Treppe am<br />
WW-Logo vorbei nach oben in den langgezogenen<br />
Industrieraum. In dessen vorderen Teil lässt sich<br />
auf quadratischen Sitzkissen herumfl äzend auf favorisierte<br />
Geschlechtsp<strong>art</strong>ner einreden. Noch machen<br />
erst Einzelne davon Gebrauch. «Gegen Mitternacht<br />
wissen wir, ob wir fi nanziell rausgekommen<br />
sind», meint Dave Marshal, der zusammen mit Arci<br />
Friede seit Herbst 2004 den Wasserwerk Club betreibt.<br />
Angefragt wurden sie von Gomi, dem einzigen<br />
der Gründerväter, der noch immer dabei ist.<br />
Ihr Anspruch, Neues nach Bern zu holen und die<br />
Musik ins Zentrum zu stellen, zahle sich selten aus.<br />
Die Berner seien wenig risikofreudig und hielten<br />
sich lieber an Altbewährtes: «Drum’n’Bass etwa<br />
füllt hier noch Säle, international hat es kaum noch<br />
Bedeutung.» - wenn die Leute denn überhaupt der<br />
Musik wegen kommen und nicht bloss sich selbst<br />
feiern wollen.<br />
Es gab einmal eine Zeit, da spielten Faithless,<br />
Moby und Prodigy im «Wasi» , bevor sie jeder kannte.<br />
Mit dem 99er Hochwasser ging das dann alles<br />
den Bach runter – die Betreiber meldeten Konkurs<br />
an und deren Nachfolger setzten auf Kurze mit verlustgefährdetem<br />
Beinkleid, die ihr Taschengeld den<br />
Göttern des HipHop opfern. Ein Image, das Dave,<br />
Arci und Gomi seit zweieinhalb Jahren loszukriegen<br />
versuchen. Trotzdem behielt das Wasserwerk<br />
seinen Namen - ergänzt mit dem Zusatz «Club»<br />
– bei, schliesslich steht der ja auch für die glorreiche<br />
frühe Phase, an die man anknüpfen will. Geld<br />
war ja eh nur für geringe bauliche Veränderungen<br />
da: Ob die Berner durch die neuen schallisolierten<br />
Fenster besser sehen, was hier abgeht? Die lange<br />
neonbeleuchtete Theke führt zur Bühne, wo die<br />
Jungs des DJ-Kollektivs «Round Table Knights» an<br />
den Knöpfen schrauben als gälte es, eine Reaktorkatastrophe<br />
abzuwenden. Die Luft wird vom Floor<br />
getanzt. Über den epileptisch zuckenden Spiegellichtern<br />
fl immern optische Schlieren. Arci und Dave<br />
erprobten schon in anderen Lokalen neue Formate,<br />
Dancep<strong>art</strong>ies etwa, wo zu später Stunde noch<br />
eine Band auftritt. Sie zeichneten auch vorher im<br />
Wasi schon für regelmässige, erfolgreiche Events<br />
verantwortlich, die weitergeführt würden, um das<br />
speziellere Programm querzufi nanzieren.<br />
Schall ohne Grenzen Berner Club-Kultur von<br />
Welt wollen die Wasserwerktätigen bieten; angesagte<br />
Produzenten aus dem Underground der internationalen<br />
Metropolen. Als nicht zu vernachlässigender<br />
Nebeneffekt ermögliche man damit auch<br />
Berner DJs den Sprung über die Grenze. Wenn diese<br />
zusammen mit ausländischen Acts aufl egen und<br />
es gut läuft, folgt schon mal eine Einladung nach<br />
London oder Berlin. So spielten die Resident DJs<br />
Audioporno letzthin im «Le Paris Paris», dem zurzeit<br />
heissesten Club in....na wo wohl. Viele innovative<br />
Musiker seien zudem in die Kunst- und Modeszene<br />
hinein vernetzt, wo sich ebenfalls interessante<br />
Kontakte ergäben. Für die Veranstalter. Für Bern.<br />
Devlin & Darko hüpfen auf die Bühne, um mit wummerndem<br />
US-Baltimore Bass auch die etwas morscheren<br />
Knochen zu bewegen, die sich neuerdings<br />
hier anhäufen. «Ich will nichts machen, was andere<br />
magazin<br />
auch schon gemacht haben», erklärt Dave seine<br />
Ehre als Veranstalter und um so mehr wurmt es<br />
ihn, dass sich andere nicht zu schade dafür seien,<br />
erfolgreiche Acts und Formate zu übernehmen. Vor<br />
allem, wenn es sich um subventionierte Kulturlokale<br />
handle, die auf einen Namen aufspringen, der zuerst<br />
mit hohem Risiko von den selbstfi nanzierten<br />
Lokalen wie dem Wasserwerk Club in Bern eingeführt<br />
wurde. Nicht ganz von der – hohlen – Hand zu<br />
weisen, die Klage dieses Mannes. Dave nennt Beispiele,<br />
wo auch die Medien erst aufmerksam wurden,<br />
als dieselben Acts später im PROGR oder in<br />
der Dampfzentrale spielten. Und wenn im «de:bug»<br />
und «spex» die Künstler, die im doppelten Double-U<br />
an der Aare auftreten, öfters erwähnt werden als<br />
in einheimischen Schriften, dann müssen wir uns<br />
wohl selbst am restlichen Haupthaar nehmen...und<br />
uns daran in Münchhausenscher Manier aus dem<br />
Mainstream ziehen. Weniger stille Wasser gründen<br />
manchmal innovativ.<br />
Das Programm im März:<br />
10.3. Buraka Som Sistema (Lisboa) bringen Kuduro<br />
in die Schweiz, eine Mischung aus der angolanischenTanzmusik<br />
Kizomba und westlicher<br />
Dancemusik<br />
16.3. Goldie Locks (Grime-Pop aus LONDON) &<br />
Kazey (Elektro / Ghettotech aus Paris)<br />
23.3. Museumsnacht Late Night Event mit Poney<br />
Poney (Paris) & Eelectric Guitar DJ-Team<br />
(DJ Coop & DJ Dennis Ratzlaff / Berlin)<br />
24.3. Patchwork mit Dave Ghetto, Hezekiah &<br />
Mystic (USA)<br />
Weitere Infos: www.wasserwerkclub.ch<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 51 | März 07 33
magazin<br />
STADT UND LAND<br />
«wohl um den glauben sein / da hat man<br />
ihn gefangen h<strong>art</strong>...»<br />
Von Anne-Sophie Scholl (Bild: zVg.)<br />
34<br />
«Wohl um den Glauben sein,<br />
Da hat man ihn gefangen h<strong>art</strong>,<br />
Führt ihn gen Bern wohl in die Stadt»<br />
■ In Bern wurde er umgebracht: Hans Haslibacher,<br />
vom Haslibacher Hof bei Summiswald, war der letzte<br />
Täufer, der in Bern am 20. Oktober 1571 für seinen<br />
Glauben das Leben lassen musste. Er war aber nicht<br />
der einzige. Bis zu jenem Datum sind 39 Hinrichtungen<br />
von Angehörigen der neuen Glaubensbewegung<br />
mit Quellenmaterial belegbar, die Dunkelziffer dürfte<br />
viel höher liegen. Auch in der Folge waren die Täufer<br />
nachhaltiger Verfolgung ausgesetzt. Zwar wurden<br />
sie nicht mehr umgebracht, doch sie wurden<br />
zwangskonvertiert, gebüsst, gefoltert, vertrieben<br />
oder in den Untergrund gezwungen und enteignet.<br />
Der Glaube war nicht der Hauptgrund für die<br />
Verfolgungen. Bedrohlich für die Obrigkeit war vor<br />
allem der gesellschaftliche Widerstand der Täufer.<br />
Mit der Wiedertaufe, der Taufe bei Mündigkeit,<br />
wurde das freie Bekenntnis zum Glauben versinnbildlicht:<br />
Die Täufer verweigerten sich der in der<br />
Säuglingstaufe vollzogenen automatisierten religiös-sozialen<br />
Einordnung. Sie entzogen sich dem<br />
Zusammenspannen von weltlicher und geistlicher<br />
Macht in der Auslegung des Christentums. Den Täufern<br />
war einzig die Heilige Schrift Autorität. In dem<br />
von unbekannter Hand nach seinem Tod verfassten<br />
Lied werden Haslibacher die folgenden Worte in<br />
den Mund gelegt:<br />
«Von mein’m Glaub thu ich nicht abstahn,<br />
Das Göttlich Wort ich selber kann,<br />
Mein Sach befehl ich Gott,<br />
Es ist mein’m Herz ein ringe Buss,<br />
Wann ich unschuldig sterben muss.»<br />
Hervorgegangen waren die Täufergemeinschaften<br />
aus den reformatorischen Bewegungen<br />
zu Beginn des 16. Jahrhunderts. Enttäuscht über<br />
die Entwicklung in den reformatorischen Lagern<br />
suchten sie als dynamische gesellschaftliche Erneuerungsbewegung<br />
eine neue Glaubensgemeinschaft<br />
nach selbstgewählten Gesetzmässigkeiten<br />
und Überzeugungen zu leben. Mit den 1527 in den<br />
sogenannten Schleitheimer Artikeln formulierten<br />
Glaubensbekenntnissen konstituierten sich<br />
die Täufer auf schweizerischem Gebiet als erste<br />
Freikirche. Sie bekannten sich zum Prinzip der Gewaltlosigkeit,<br />
waren Pazifi sten und Kriegsdienstverweigerer.<br />
Durch die Repression seitens der<br />
Obrigkeit wurden sie zu Märtyrern. Um der ihnen<br />
entgegengebrachten Sympathie keinen weiteren<br />
Boden zu geben, stellte die Obrigkeit die Hinrichtungen<br />
schliesslich ein:<br />
«Die Herren sprachen imsgemein,<br />
Kein Täufer wir mehr richten wend,<br />
Da sprach ein alter Herr:<br />
Wär es nach meinem Willen gahn,<br />
Den Täufer hätt man leben lahn.»<br />
Unterdrückt und verfolgt wurden die Täufer weiterhin,<br />
teilweise sogar mittels Kopfprämien. Häufi g<br />
fanden sie dennoch Schutz und Unterstützung bei<br />
der Bevölkerung, ein letztes heute noch erhaltenes<br />
Täuferversteck auf dem Hof Hinter Hütten bei<br />
Fankhaus zeugt davon. Viele aber fl ohen vor der<br />
Repression, die im Bernischen besonders rigoros<br />
war, und zogen in abgelegene Täler im Jura, in<br />
die Pfalz oder in die toleranteren Niederlande und<br />
USA. Im 18. Jahrhundert, als sich mit den Neutäufern<br />
jüngere Glaubensgemeinschaften mit anderen<br />
Wurzeln von den Mennoniten, den Alttäufern,<br />
abspalteten, lassen sich von ursprünglich fünfzehn<br />
Emmentaler Gemeinden nur noch in Langnau,<br />
Trub und Trachselwald täuferische Aktivitäten<br />
nachweisen.<br />
Täuferjahr 2007 «Die Wahrheit soll bezüget<br />
werden». Offi zielle Eröffnungsfeier Samstag, 24.<br />
März, Reformierte Kirche Langnau im Emmental.<br />
Kein eigentliches Jubiläum, sondern der<br />
Wunsch, ein dunkles Kapitel der Vergangenheit<br />
ins Licht des öffentlichen Interesses zu rücken, begründet<br />
die Organisation eines Täuferjahres. Ziel<br />
ist insbesondere, den Dialog zwischen einstigen<br />
Verfolgern und Verfolgten zu pfl egen. Nach den<br />
Themenjahren zum Bauernkrieg und zu Gotthelf<br />
begeht das Emmental mit dem Täuferjahr zum<br />
dritten Mal einen Grossanlass.<br />
Getragen wird das Täuferjahr 2007 von Pro<br />
Emmental, der Tourismus- und Wirtschaftsorganisation<br />
für die Region. Das Patronatskomitee<br />
vereint Persönlichkeiten aus Politik, alt- und<br />
neutäuferischen Freikirchen, Landeskirchen, Burgergemeinde<br />
und Kultur sowie Vertretungen der<br />
Niederländischen Botschaft und der Botschaft der<br />
USA.<br />
Das ganze Jahr hindurch fi nden von verschiedenen<br />
Interessensgemeinschaften veranstaltete<br />
Anlässe im Emmental, Seeland, Jura, Berner<br />
Oberland und in Bern statt. Im Vorfeld des offi -<br />
ziellen Eröffnungsfestaktes waren bereits erste<br />
Veranstaltungen zu besuchen. So zum Beispiel<br />
eine Ringvorlesung an der Universität Bern über<br />
Berner Täufer in Geschichte und Gegenw<strong>art</strong>. Die<br />
einzelnen Referate werden diesen Frühling in Form<br />
einer Publikation erscheinen.<br />
Weitere Informationen: www.anabaptism.org<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 51 | März 07
REISEZIEL HOTEL<br />
einfach ins easyhotel basel<br />
Von Andrea Baumann (Bild: zVg.)<br />
■ Die Tage werden länger und wärmer – Zeit die<br />
Höhlen zu verlassen und nach Luftveränderung<br />
Ausschau zu halten. Im Süden Europas, so etwa<br />
in der easyJet-Destination Malaga, kann man sich<br />
bestimmt bereits am Strand bräunen. Oder vielleicht<br />
doch eher ein Kulturwochenende in einer<br />
mitteleuropäischen City verbringen? Die Qual<br />
der Wahl, denn die Flugtarife von easyJet locken<br />
mit Schnäppchenpreisen. Zu schade, dass die<br />
preiswärtesten Flüge öfters um 6:00 Uhr früh abheben,<br />
und so eine Anreise mit der Bahn nach Basel<br />
selten möglich ist. Entweder hat man Glück und<br />
Freunde offerieren eine Übernachtungsmöglichkeiten,<br />
ansonsten wird man um eine Hotelbuchung<br />
nicht drum herum kommen.<br />
Der griechisch-britische Unternehmer Stelios<br />
Haji-Ioannou, der unter dem Easy-Logo schon verschiedene<br />
Dienstleistungen betreibt, dachte sich<br />
wohl: was im Reisesektor klappt, müsste in der Hotellerie<br />
ebenfalls Erfolg haben und eröffnete 2005<br />
das erste easyHotel in London. Nur wenige Monate<br />
folgte die Einweihung des ersten kontinentaleuropäischen<br />
easyHotel im Basler Messequ<strong>art</strong>ier.<br />
Nicht nur der nahe gelegene easyJet-Flughafen<br />
Basel/Mühlhouse/Freiburg war ausschlaggebend<br />
für den Standort, auch die Tatsache, dass Basel die<br />
Schweizer Messestadt schlechthin ist und dadurch<br />
viele Übernachtungen pro Jahr aufzuweisen hat,<br />
begünstigte die Wahl.<br />
Aufgebaut nach dem ähnlichem Konzept wie<br />
der Billigfl ieger easyJet besticht das Motto: Je<br />
früher man bucht, desto billiger; so sind die kleinen<br />
Zimmer bereits ab 45 Franken zu haben. Gebucht<br />
wird ebenfalls über das Internet. Alle 24 Zimmer<br />
verfügen über ein Toilette-Dusche-Modul, einen<br />
Spiegel mit Kleiderhacken und einen Fernseher,<br />
der in der Zimmerecke hängt. Einzelzimmer gibt<br />
es übrigens nicht und die Grösse der Doppelzimmer<br />
weist zwischen 9 und 17 Quadratmetern auf.<br />
Gäste mit kaustrophobischen Neigungen sollten<br />
sich deshalb vergewissern, ein grösseres Zimmer<br />
mit Fenster zu reservieren. Ja genau, es gibt auch<br />
winzige Zimmer ohne Tageslicht. Nur wenige Fusslängen<br />
Distanz sind zwischen Bett, Nasszone und<br />
Türe auszumachen. Insbesondere Reisende mit<br />
viel Gepäck werden zu mathematischen Aufgaben<br />
gezwungen, wenn es darum geht, die Koffer und<br />
Taschen zu verstauen. Denn einen Schrank, Tisch,<br />
Stuhl, Nachttisch oder Regal sucht man vergebens.<br />
Manch Brillenträger wird sich vor dem Lichterlöschen<br />
fragen, wo lege ich meine Brille hin? Oder<br />
wo positioniere ich den Wecker? Und die Kleider<br />
- einfach auf den Fussboden? Da würden sich die<br />
Geister wohl über die Frage streiten, was eine<br />
Übernachtungsmöglichkeit alles enthalten muss,<br />
um als Hotelzimmer klassifi ziert zu werden. Halb<br />
so schlimm, wird sich der Begründer sagen: denn<br />
die easyHotel-Gäste sind nicht Urlauber im klassischen<br />
Sinn und bleiben in der Regel nicht länger<br />
als ein bis zwei Nächte. Während den grossen Messen<br />
pilgern Tausende von Geschäftsleuten und Besuchern<br />
ans Rheinknie, so dass eine Dürreperiode<br />
in Sachen Schlafgelegenheiten ausgerufen wird.<br />
Dann tut es eine saubere Schlafkoje alleweil.<br />
magazin<br />
Ach ja, die Übernachtungspreise verstehen sich<br />
ohne Frühstück. Tja, irgendwie müssen sich die<br />
günstigen Preise rechnen. So werden die Zimmer<br />
und die Wäsche nur jeden dritten Tag gereinigt.<br />
Nur unter diesen Bedienungen schafft es der Chef<br />
des Basler easyHotels den 24-Stunden-Betrieb mit<br />
minimalem Personalaufwand zu führen. Gegen<br />
Aufpreis sind jedoch verschiedene Dienstleistungen<br />
wie Reinigung, Wäschewechsel, Zimmerservice<br />
oder Benutzung eines Konferenzzimmers<br />
erhältlich. Ausstattung und Leistungen sind dem<br />
Konzept getreu auf das Notwendigste reduziert:<br />
eben einfach easy, funktional, sauber und sicher.<br />
Orange ist übrigens auch bei den easyHotels die<br />
dominante Farbe, wie könnte es anders sein.<br />
Adresse<br />
EasyHotel Basel<br />
Riehenring 109<br />
4058 Basel<br />
info@easyHotelbasel.ch<br />
www.easyHotel.com<br />
Tel: +41 0900 327 927 (CHF 1.50 / min.)<br />
Preise ab CHF 45.00 (je nach Nachfrage und<br />
Zeitpunkt Buchungsdatum)<br />
Ab Bahnhof SBB mit der Tram Nr. 2 Richtung Eglisee<br />
und bei der Station Messeplatz aussteigen.<br />
Von da sind es noch 5 Minuten zu Fuss Richtung<br />
Musical Theater.<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 51 | März 07 35
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36<br />
KLEINANZEIGEN<br />
YOGA<br />
Kundalini Yoga Seit 10 Jahren, jeden Dienstag,<br />
20:00-22:00h. Dieser Kurs ist für Anfänger wie für<br />
Fortgeschrittene. Schnuppern erwünscht und gratis.<br />
Bitte vorher anmelden. Kursort: DAO - Raum<br />
der Zeit; Gesellschaftsstrasse 81a; 3012 Bern. Infos,<br />
Kurs-/ Schnupperstunden: Telefon 031 318<br />
6050 (Büro)<br />
KULTUR / MUSIK<br />
Wechselgesänge: Dienstag Abend in Bern, Perkussion<br />
und Kleinperkussion: Freitag Abend in<br />
Bern - Kontakt: Ruth Krähenbühl Telefon 031<br />
372 64 33<br />
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- und Pianistin Marlis Walter präsentieren im März<br />
rund um Bern GOLDEN GIRLS! Von Janis Joplin<br />
über Edith Piaf bis Tina Turner sind alle grossen<br />
Frauen der letzten 100 Jahre dabei. Freuen Sie<br />
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Infos: www.taichidao.ch oder Beat Hänsli,<br />
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03/07<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 51 | März 07
ar <strong>art</strong>ensuite nsuite<br />
nr. 03 / 2007<br />
Titelseite: Liu Ye<br />
Yellow, 2001, Acryl und Öl auf Leinwand,<br />
100 x 80 cm, Privatbesitz / weiter Seite 38<br />
Grell / pastell 38 | Eine Verführung zum genauen Schauen 40 | Kunst im Buch 41 | Galerienseiten 42/43 | Die Zeichnung<br />
und ihr Weg in die Moderne 45 | Augenschmerz und Grenzerfahrung 46 | Berner Galerien 47 | Augenspiel 50<br />
| Impressum 50 | Berner Museen Bern / Biel / Thun 51
38<br />
<strong>art</strong>ensuite<br />
Chinafenster.<br />
Ji Dachun und<br />
Liu Ye<br />
Kunstmuseum<br />
Bern, Hoderstrasse<br />
8-12. Geöffnet<br />
Dienstag<br />
10:00-21:00 h,<br />
Mittwoch bis<br />
Sonntag 10:00-<br />
17:00 h.<br />
Bis 1. April.<br />
Grell / pastell<br />
■ «Jööö, das ist süss…», entfährt es<br />
einer Besucherin vor Liu Yes «Little<br />
Match Seller», einem in Pastellfarben<br />
gehaltenen, grossformatigen Gemälde.<br />
Es zeigt ein vom Eiswind gebeuteltes<br />
Mädchen, das behutsam inmitten<br />
von puderzuckrigem Schneegestöber<br />
ein Lichtlein zwischen seinen Hän-<br />
Sylvia Mutti<br />
den vor dem Verlöschen schützt. Aus<br />
der gegenüber liegenden Wand wird<br />
das Mädchen mit den Schwefelhölzern<br />
aus einem Portrait seines geistigen<br />
Vaters, Hans Christian Andersen,<br />
beäugt. Wunderschöne Kinderbuchillustrationen,<br />
die mit ihrem gewinnenden<br />
Kindchenschema mit grossen<br />
Kulleraugen und z<strong>art</strong>en Farben jeden<br />
in ihren Bann ziehen. Doch der Kontrapunkt<br />
im gleichen Raum lässt mehr<br />
erahnen als blosse Ästhetik: Vor tiefdunklem<br />
Blau hängt eine z<strong>art</strong>e Figur<br />
mit alabasterfarbener Haut mitten im<br />
Gemälde. Die kindlich wirkende Frau<br />
mit anmutigen langen Gliedmassen<br />
hat nichts an ausser einem weissen<br />
Slip und blutroten High-heels, während<br />
sich ihr Pendant in einem anderen<br />
Gemälde ebenso nackt doch<br />
mit einer Gerte ausgerüstet dem Betrachter<br />
präsentiert. Hier herrschen<br />
zweifellos die Waffen der Frau. Diese<br />
Diskrepanz zwischen niedlich und<br />
verstörend abgründig in den vier Gemälden<br />
des ersten Raumes durchzieht<br />
die gesamte Präsentation von Liu Yes<br />
Arbeiten.<br />
Gemeinsam mit Ji Dachun bildet<br />
er einer der beiden Flügel des<br />
«Chinafensters» im Kunstmuseum<br />
Bern. In der von Bernhard Fibicher<br />
kuratierten Schau zeigen zwei Maler<br />
aus Peking ihre Werke, die auf den<br />
ersten Blick kaum Gemeinsamkeiten<br />
aufweisen. Bindeglied ist jedoch<br />
das mehrschichtig Hintergründige,<br />
das sich nach dem ersten, flüchtigen<br />
Blick offenb<strong>art</strong> und das kunterbunte<br />
Œuvre Liu Yes in die Nähe der zu-<br />
rückhaltend z<strong>art</strong>en Feinmalerei von Ji<br />
Dachun rückt. Zitiert Ye mit Vorliebe<br />
Ikonen der westlichen Kunst wie<br />
beispielsweise die geometrischen Abstraktionen<br />
Mondrians und vermengt<br />
sie mit kitschig greller Farbgebung<br />
und stereotypen, comic<strong>art</strong>igen Figuren,<br />
dann erinnert dies sehr an chinesische<br />
Propaganda-Kunst. Dachun<br />
hingegen interpretiert die traditionelle,<br />
fernöstliche Malerei neu: Vor<br />
einfarbigem, hellem Hintergrund und<br />
vertikaler Signatur in chinesischer<br />
Schrift entfalten sich beispielsweise<br />
Blumen und Vögel. So verletzlich sie<br />
scheinen, so versehrt sind sie tatsächlich.<br />
Rote Farbe entpuppt sich als blutige<br />
Spur. Was zuvor noch z<strong>art</strong>e Verästelungen<br />
einer Pflanze waren, gerät<br />
aus der Nähe zu bizarrer Knochen-<br />
und Organornamentik, während sich<br />
eine grün geschwungene Schnecke<br />
in einen Kothaufen verwandelt. Nicht<br />
alles ist in Wahrheit so wie es scheint.<br />
Ein Credo, das auch Lui Ye befolgt,<br />
dessen Figuren wie Schauspieler auf<br />
einer Bühne der heilen Welt agieren,<br />
übertrieben gute Miene zum bösen<br />
Spiel machen, doch stets vor dem<br />
Hintergrund farbintensiver Malerei,<br />
die dort ins Zentrum rückt, wo sich<br />
das mutige Nichts aufhält.<br />
Vier Fragen an Bernhard Fibicher,<br />
Kurator des «Chinafensters»<br />
im Kunstmuseum Bern<br />
Das «Chinafenster» präsentiert<br />
mit Ji Dachung und Liu Ye zwei<br />
Maler mit hintergründigen, aber<br />
auch humorvollen Arbeiten. Wie<br />
ist es zur Auswahl gerade dieser<br />
beiden Künstler gekommen?<br />
Das «Chinafenster» im KMB ist ja<br />
eine Folgeerscheinung der Ausstellung<br />
«Mahjong» und geht immer von<br />
Beständen der Sammlung Sigg aus.<br />
Im Falle des jetzigen «Chinafensters»<br />
könnte man von einem typisch chinesischen<br />
Kompromiss sprechen: Herr<br />
Sigg hat Liu Ye vorgeschlagen, ich den<br />
anderen Maler. Wir haben uns darauf<br />
geeinigt, dass es sich dieses Jahr<br />
– nach «Guangzhou» mit den Medien<br />
Fotografie, Video und Installation im<br />
Jahr 2006 – um zwei malerische Positionen<br />
handelt. Beide Maler stammen<br />
aus Peking, wo ja die Malerei immer<br />
noch eine sehr grosse Rolle spielt. So<br />
haben wir ein Gegengewicht zu Kanton<br />
(Guangzhou) geschaffen.<br />
Beide Künstler provozieren<br />
und öffnen in ihren Werken teilweise<br />
spielerisch Abgründe. Wie<br />
werden ihre Arbeiten in ihrer Heimat<br />
wahrgenommen? Beide arbeiten<br />
ja noch in Peking. Erleben sie<br />
so etwas wie Zensur?<br />
Beide Künstler arbeiten relativ<br />
frei in China und verkaufen auch an<br />
chinesische Privatsammler. Beide haben<br />
im letzten Jahr an Auktionen in<br />
Hongkong sehr hohe Preise erzielt.<br />
Der liberal orientierte Markt reagiert<br />
allerdings anders als die «Offizialität».<br />
Es kann schon sein, dass gewisse<br />
Gemälde von Liu Ye und Ji Dachun<br />
keine Chance haben, in eine staatliche<br />
Sammlung oder Ausstellung aufgenommen<br />
zu werden.<br />
China erlebt momentan einen<br />
Boom in der Kunstszene. Was<br />
macht Deiner Meinung nach die<br />
Faszination fernöstlicher Kunst<br />
aus? Inwiefern spielen die Interessen<br />
des westlichen Kunstmarktes<br />
eine Rolle?<br />
Chinesische Kunst erlebt heute<br />
einen weltweiten Boom. Das hängt<br />
ganz klar mit der Attraktivität dieses<br />
wachstumsstarken Landes zusammen.<br />
China ist ein Eldorado. Jeder erhofft<br />
sich, dort einen «Coup» zu landen,<br />
nicht nur die westlichen Firmen und<br />
Investoren, sondern auch die Kunsthändler,<br />
Galeristen und Sammler. In<br />
China kann man einen Künstler oder<br />
eine Künstlerin «entdecken», in die<br />
westliche Szene einführen und innert<br />
<strong>art</strong>ensuite März 03 | 07
zwei Jahren die Preise vervielfachen.<br />
Nicht nur der westliche Kunstmarkt<br />
spielt eine Rolle, sondern seit ein paar<br />
Jahren nun auch der chinesische. Es<br />
gibt neue Sammler, die immens reich<br />
sind und dazu bereit, jeden Preis für<br />
ein Bild zu zahlen. Dadurch entsteht<br />
eine künstliche Situation, die fern jeglicher<br />
Realität und Qualitätskriterien<br />
ist.<br />
Wird das «Chinafenster» nach<br />
Deinem Weggang aus dem Kunstmuseum<br />
Bern nun endgültig geschlossen?<br />
Diese Frage kann ich nicht beantworten.<br />
Es müssen zunächst Gespräche<br />
zwischen den Herren Frehner<br />
und Sigg stattfinden. Es ist auch noch<br />
nicht klar, ob das China-Atelier der<br />
Stiftung GegenwART für Schweizer<br />
Künstler/innen nach meinem Weggang<br />
weitergeführt wird.<br />
Das Gespräch führte Sylvia Mutti.<br />
Ji Dachun, He doesn‘t<br />
love me, 2004, Acryl auf<br />
Leinwand, 150 x 110 cm,<br />
Privatbesitz<br />
<strong>art</strong>ensuite März 03 | 07<br />
<strong>art</strong>ensuite 39
40<br />
<strong>art</strong>ensuite<br />
Nadin Maria Rüfenacht,<br />
Werkgruppe «Nature Morte»,<br />
aus der Serie «Helden»,<br />
2005, Lambda-Print auf<br />
Alum gerahmt, 125 x<br />
100,5 cm<br />
Nadin Maria Rüfenacht,<br />
Werkgruppe «Nature<br />
Morte»/«Helden», 2005,<br />
Lambda-Print auf Alum<br />
gerahmt, 154 x 121 cm<br />
Nadin Maria<br />
Rüfenacht<br />
– Arche Noah<br />
– instant. Tafelbilder<br />
Galerie Béatrice<br />
Brunner, Nydeggstalden<br />
26.<br />
Geöffnet Mittwoch<br />
bis Freitag<br />
14:00-18:00 h.<br />
Samstag 11:00-<br />
16:00 h.<br />
Bis 24. März.<br />
Eine Verführung zum genauen Schauen<br />
■ Nein, es sind keine Tafelbilder, die<br />
man in der Galerie Béatrice Brunner<br />
zu sehen bekommt, auch wenn der<br />
Titel der Ausstellung dies nahezulegen<br />
scheint. Nadin Rüfenacht, 1980 in<br />
Burgdorf geboren und aufgewachsen,<br />
ist mit Leib und Seele Fotografin. Ihrem<br />
Interesse folgend hat sie schon<br />
früh die Schweiz in Richtung Leipzig<br />
Sylvia Rüttimann<br />
verlassen, wo sie an der Hochschule<br />
für Grafik und Buchkunst den<br />
Studiengang Fotografie absolvierte.<br />
Seit 2005 ist sie Meisterschülerin<br />
von Tim Rautert am selben Institut<br />
und vervollkommnet bei ihm was einer<br />
Vervollkommnung fast gar nicht<br />
mehr bedarf: Denn, obwohl für viele<br />
junge Künstler heutzutage so gut wie<br />
Schimpfwörter, hat Nadin Rüfenacht<br />
eine auffällige Affinität zu den Qualitäten<br />
Perfektion und Meisterschaft<br />
entwickelt. Man ist überrascht, ein<br />
wenig perplex sogar, und dann hingerissen<br />
von der – man wagt es kaum<br />
zu schreiben – Schönheit und Makellosigkeit<br />
ihrer Bilder.<br />
Verführerisch sind diese, mit ihren<br />
reifen Früchten und Tieren, exotischen<br />
wie Kakadus, Affen und Makaken,<br />
und immer wieder Windhunde,<br />
einzeln und zu zweit, präsentiert auf<br />
einem kunstvoll drapierten blau glänzenden<br />
Tuch vor tiefschwarzem Hintergrund.<br />
Nicht von ungefähr kommt<br />
also die Assoziation mit Tafelbildern,<br />
denn man ist sofort an holländische<br />
Stillleben erinnert, an die Laszivität<br />
und Üppigkeit dieser glänzenden<br />
Oberflächen. Und wie den Holländern<br />
geht es der Künstlerin um die<br />
Vergänglichkeit der Dinge und um<br />
deren Überwindung durch das Festhalten<br />
im Bild. Mit einem kleinen<br />
Unterschied: Wozu die umständliche<br />
Technik der Ölmalerei Tage und Wochen<br />
benötigte, braucht es nur den<br />
Bruchteil der Sekunde, den die Verschlusszeit<br />
der Kamera vorschreibt.<br />
Und schon ist konserviert, was dem<br />
Zahn der Zeit nach und nach anheimfallen<br />
würde.<br />
Ja, das Konservieren, das Festhalten,<br />
das ist in der Tat ein grosses Thema<br />
von Nadin Rüfenacht. Schaut man<br />
ihre Bilder genau an, merkt man nach<br />
und nach, dass gewisse Dinge schon<br />
vor ihrer fotografischen Aufbereitung<br />
haltbar gemacht wurden, denn einige<br />
der Tiere sind ausgestopft. Tatsächlich<br />
spielt Rüfenacht mit uns ein kleines<br />
Spiel, ein Rätselraten was denn<br />
hier zu sehen ist. Echt? Künstlich?<br />
Tot? Lebendig? Sind die Hunde ausgestopft?<br />
Die Eule? Nein, der Hund<br />
sieht uns an, nicht? Wie steht es um<br />
diesen Blumenstrauss auf dem Tisch<br />
– fake? Was bedeutet das ganze eigentlich?<br />
Hat es eine Bedeutung? Es<br />
ist nicht einfach zu entscheiden und<br />
gehört zum Konzept ihrer Arbeiten,<br />
die schön und einfach erscheinen,<br />
aber der Irritation nicht entbehren.<br />
In letzter Instanz geht es der Künstlerin<br />
nicht nur um das Konservieren<br />
von Objekten, sondern vor allem um<br />
die Frage, wie Gesehenes fixiert wird<br />
– um die Frage, was wir überhaupt<br />
sehen, wenn wir blicken.<br />
<strong>art</strong>ensuite März 03 | 07
Kunst im Buch<br />
Nordstern<br />
Eine riesige Welle türmt sich auf, wie<br />
mit Schnee überzogen zeigt sich die<br />
Gischt, darunter drei Ruderboote, die<br />
von der Welle beinahe verschlungen<br />
werden, schliesslich fern im Hintergrund<br />
das Hauptmotiv der ganzen<br />
Szene: der Berg Fuji. Der Holzschnitt<br />
«Die Grosse Welle» wurde zum Inbegriff<br />
der japanischen Kunst. Die Welle<br />
ist Teil der «Sechsunddreissig Ansichten<br />
des Berges Fuji», einem ersten Höhepunkt<br />
im Schaffen von Katsushika<br />
Hokusai (1760 –1849). Was seit je faszinierte,<br />
ist nicht nur die Gewalt der<br />
enormen Welle, sondern die eigen<strong>art</strong>ige<br />
Komposition und Perspektive.<br />
Bereits mit 14 oder 15 Jahren tritt<br />
Hokusai in die Lehre eines Holzschnittmeisters<br />
ein. 1798 gründet Hokusai<br />
sein eigenes Studio, das er «Studio<br />
des Nordsterns» nennt. Er wird<br />
damit zum unabhängigen Künstler.<br />
Seine Bildthemen bleiben sich über<br />
seine lange Schaffenszeit (74 Jahre)<br />
ähnlich: das alltägliche Leben in Japan,<br />
Bauern, Fischer, Kaufleute und<br />
natürlich die Natur. Jedoch ist Hokusai<br />
stets auf der Suche nach neuen<br />
Stilen und Ausdrucksformen. Er war<br />
natürlich der virtuose Holzschneider,<br />
aber auch Maler, Zeichner, verfertigte<br />
Lehrbücher, Erotisches und so genannte<br />
Mangas.<br />
Die Bedeutung der japanischen<br />
Kunst und insbesondere derjenigen<br />
von Hokusai im ausgehenden 19.<br />
Jahrhundert ist allgemein bekannt.<br />
Künstler wie van Gogh, Gauguin<br />
oder Seurat liessen sich inspirieren.<br />
Was oftmals vergessen wird, ist, dass<br />
Hokusai bereits früh Elemente des<br />
westlichen Illusionismus in seine<br />
Holzschnitte aufgenommen hat.<br />
Die Publikation umfasst über 700<br />
hervorragende Abbildungen. In verschiedenen<br />
Essays werden einzelne<br />
Aspekte von Hokusais Schaffen beleuchtet.<br />
Der Hauptteil umfasst sechs<br />
Kapitel, in denen die verschiedenen<br />
Lebens- und Schaffensabschnitte von<br />
Hokusai beschrieben sind, jeweils ergänzt<br />
durch Abbildungen der Werke<br />
aus der entsprechenden Phase. (di)<br />
Gian Carlo Calza, Hokusai, Phaidon,<br />
2006, 518 Seiten, Fr. 152.00.<br />
<strong>art</strong>ensuite März 03 | 07<br />
Reizend<br />
Bereits das Cover der Publikation<br />
«Reiz & Risiko» ist ein Risiko und reizt<br />
gehörig: ein tränenüberströmtes Frauengesicht<br />
in Nahaufnahme, gerötete<br />
Haut, aufgelöster Blick – berührend in<br />
seiner Authentizität und Leidenschaft.<br />
Es gibt kein Ausweichen für den Betrachter/Leser,<br />
die vom Weinen gerötete<br />
Nase wird ihm unmittelbar ins<br />
Angesicht gestreckt. Es ist das ideale<br />
Cover für die Publikation zur gleichnamigen<br />
Ausstellung, die letzten<br />
Sommer/Herbst im Haus der Kunst<br />
Uri gezeigt wurde. Die holländische<br />
Künstlerin Helen Bonajo (1978), Erzeugerin<br />
des Coverbildes, verbindet<br />
darin Reiz und Risiko. Sie zeigt in ihrer<br />
Fotoserie «Pearl in the Pain» (2005)<br />
sich selbst, fotografiert während einer<br />
schwierigen Lebensphase, nutzte sie<br />
ihre damalige Gemütslage, um daraus<br />
Kunst zu machen: Einerseits ein Risiko,<br />
sie könnte sich in ihrer Entblössung<br />
(gleich manch einem «Big Brother»-Kandidaten)<br />
lächerlich machen<br />
und allzu viel von sich Preis geben;<br />
sie könnte verletzt- und verwundbar<br />
werden. Doch gleichzeitig reizt<br />
Bonajo gerade durch diese kaum zu<br />
übertreffende Authentizität, die auch<br />
ohne Kenntnis des Betrachters über<br />
die Befindlichkeit der Künstlerin bzw.<br />
des Modells spürbar bleibt.<br />
Wie die Gegenw<strong>art</strong>skunst mit den<br />
beiden Themen Reiz und Risiko umgeht,<br />
dies verdeutlichen die Autoren<br />
Peter Stohler und Sylvia Rüttimann<br />
in zwei Essays. Die beiden Themen<br />
sind natürlich nicht neu, mit Reizen<br />
versucht die Kunst wohl seit eh und<br />
je den Betrachter zu fesseln. In der<br />
Kunst der Gegenw<strong>art</strong> wurde diese<br />
Strategie aber immer offensichtlicher.<br />
Und als Reaktion auf unsere Risikogesellschaft<br />
aber auch unsere reizüberflutete<br />
Eventgesellschaft sind Reiz<br />
und Risiko auch bei jungen Künstlern<br />
wichtiger Gegenstand wie Publikation<br />
und Ausstellung zeigten. (di)<br />
Reiz & Risiko, hrsg. v. Peter Stohler<br />
und Sylvia Rüttimann, Arnoldsche<br />
Verlagsanstalt, 2006, 160 Seiten, Text<br />
in Deutsch und Englisch, Fr 49.80.<br />
Alchemie<br />
Irgendwo zwischen physikalischem<br />
Experiment und Naturschauspiel,<br />
zwischen Architektur und Design,<br />
zwischen Laboranordnung und künstlerischer<br />
Installation, zwischen Event<br />
und Meditation sind Olafur Eliassons<br />
Arbeiten aufzuspüren. Sein Atelier in<br />
Berlin ist genauso alchemistische Zauberbude<br />
wie auch wissenschaftliches<br />
Labor. Eliasson (1967, Kopenhagen)<br />
fotografiert die isländische Landschaft,<br />
befasst sich aber zeitgleich in komplexen<br />
technischen Installationen mit<br />
Phänomenen der Wahrnehmung und<br />
Physik. Immer wieder sind es grundlegendste<br />
Elemente wie Licht oder Wasser,<br />
die er untersucht. Und in beiden<br />
findet er Wellenlängen, Frequenzen<br />
und Vibrationen, die er wie ein Magier<br />
für sein Publikum aufbereitet.<br />
«Your engagement has consequences»<br />
lautet der Titel des bei Lars<br />
Müller Publishers erschienen Buches.<br />
Drei Ausstellungen von Eliasson in Tokyo,<br />
Rotterdam und Malmö bilden die<br />
Ausgangslage der reich bebilderten<br />
Publikation. In einem längeren Text<br />
führt uns Eliasson sein Schaffen, seine<br />
Kunst- und Welttheorie vor Augen.<br />
Seine Arbeit ist ein intensiver Versuch,<br />
nicht einfach Kunstwerke zu kreieren,<br />
sondern einen Raum, indem Kunstwerk,<br />
Raum und Betrachter aufeinander<br />
wirken. Es ist ein Engagement sich<br />
als Betrachter in einem Ausstellungsraum<br />
aufzuhalten. Eine Engagement<br />
mit Konsequenzen. Und Eliasson ist<br />
davon überzeugt, dass durch Kunst<br />
wichtige Aspekte der Gesellschaft und<br />
des Lebens untersucht, herausgefordert<br />
und neu verhandelt werden.<br />
Neben Eliassons Text, enthält die<br />
Publikationen einen kurzen Essay des<br />
italienischen Schriftstellers Italo Calvino<br />
sowie zwei Gespräche mit Eliasson<br />
über Wahrnehmung und die Farbe<br />
Weiss im Ausstellungsdesign. Damit<br />
ist die Publikation ein nachdrücklicher<br />
und überzeugender Einblick in Eliassons<br />
faszinierendes Schaffen! (di)<br />
Your Engagement has Consequences.<br />
Olafur Eliasson, Lars Müller Publishers,<br />
2006, 304 Seiten, Englisch, Fr.<br />
64.90.<br />
<strong>art</strong>ensuite 41
42<br />
<strong>art</strong>ensuite<br />
<strong>art</strong>ensuite März 03 | 07
Raumahnungen<br />
■ Als ob das Gelb sich nicht so recht<br />
getraute, zum Vorschein zu kommen,<br />
verbirgt es sich hinter dicken Schichten<br />
von Schwarz. Doch es macht sich<br />
bemerkbar und deutet an, dass hinter<br />
dem dunklen Schleier ein erdachter<br />
Farbraum existiert, der sich dem Betrachter<br />
in einem imposanten Gemälde<br />
verschliesst. Und tatsächlich:<br />
Direkt daneben zeigt sich, wie dieser<br />
aussehen könnte. Weiss, Gelb- und<br />
Blautöne flackern über ein weiteres<br />
Bild, auf dem einzelne Spuren des<br />
Schwarz zwar immer noch vorhanden<br />
sind, doch mutet es hier wie beiseite<br />
gewischt an und gibt ein helllichtes<br />
Farbenspiel preis. Nebeneinander an<br />
die grösste Wand der Galerie Halde-<br />
Mysteriöse Zauberwelten<br />
■ Ihr Hund heisst Nikki – zwar nicht<br />
de Saint Phalle, doch wundern würde<br />
es einen angesichts der leuchtenden<br />
Farbenpracht in Esther-Lisette Ganz’<br />
Bildern kaum, wenn die berühmte<br />
Künstlerin Patin für Bellos Namen<br />
gestanden hätte. Ganz’ Gemälde sind<br />
auffällig und vereinnahmend, ohne<br />
allerdings schön sein zu wollen: Zu<br />
linkisch unbeholfen wirken ihre Figuren,<br />
zu naiv und abstrakt die Sujets,<br />
als dass sie einen über ihre Ästhetik<br />
emotional vereinnahmen könnten.<br />
Und doch sprechen sie den Betrachter<br />
in ihrer sonderbaren Art an.<br />
Esther-Lisette Ganz’ Vater war<br />
Flachmaler und hat unter anderem<br />
Tapeten kreiert. Seine Werkzeuge hat<br />
Step by step...<br />
…in die Treppenhausgalerie. Zu Beginn<br />
nicht weniger Ausstellungsbiographien<br />
von Künstlerviten wird sie<br />
genannt – und vielleicht genauso oft<br />
verschwiegen: Die Treppenhausgalerie<br />
des Berner Traditionswarenhauses<br />
Loeb. Viele der heute namhaften Kunstschaffenden<br />
der Region haben einst<br />
dort ihre Werke präsentiert. Doch diesen<br />
Ort der Anfänge zu finden, ist gar<br />
nicht so einfach. Wer naiv die Treppe<br />
neben der Confisérie Beeler erklimmt,<br />
defiliert im dritten Stock an der Poster-<br />
Abteilung vorbei, nicht ohne sich vorher<br />
ob der vermeintlichen Ausstellung<br />
schaudernd zu erschrecken und im<br />
Anschluss erleichtert weiterzukraxeln.<br />
Doch spätestens im vierten Stock lan-<br />
<strong>art</strong>ensuite März 03 | 07<br />
mann gehängt wirken diese beiden<br />
Malereien wie gegensätzliche Pole und<br />
erzeugen eine Spannung, die sich auch<br />
immer wieder innerhalb der einzelnen<br />
Bilder Heinz Eggers aufbaut. «Die Farbe<br />
ist gekommen», bemerkte einer der<br />
Vernissagebesucher und tatsächlich<br />
unterscheiden sich die aktuellen Arbeiten<br />
von den sonst eher düsteren Sujets<br />
in Grau, Schwarz, Blau und Braun.<br />
Ja, die Farbe hat ihn, aber Maler war er<br />
schon lange zuvor: Taktil winden sich<br />
Spuren der Pinselarbeit. Sie teilen die<br />
Leinwände in Horizontale und Vertikale<br />
und lassen das Betrachterauge dem<br />
Farbauftrag folgen. Der Strich genügt,<br />
definiert sowohl Raum wie Oberfläche<br />
und hält den Blick konstant in Bewe-<br />
die ausgebildete Graphikerin jahrelang<br />
aufbewahrt, bis sie begann, mit<br />
Musterrollern und Stempel aus seiner<br />
Werkstätte, ornamental repetitive, teilweise<br />
verschnörkelte Hintergründe zu<br />
gestalten. Diese organischen Strukturen<br />
werden immer übermalt, beispielsweise<br />
mit bunten Hunden, die<br />
rosa gepunktet oder orange bedreieckt<br />
treuherzig wie Comic-Wesen aus<br />
den Bildern blicken. Schablonenhaft,<br />
praktisch ohne Binnengliederung sind<br />
sie umrissen, so wie die seltsame, androgyne<br />
Figur, die immer wieder als<br />
eine der Protagonisten aus Esther-Lisette<br />
Ganz’ Bildvokabular auftaucht.<br />
Puppenhaft schematisch und trotzdem<br />
freundlich strahlend und offen<br />
det der Ahnungslose am Schalter des<br />
Kundendienstes, wo einem kompetent<br />
der richtige Weg gewiesen wird.<br />
Dass sich Kunst und Kommerz<br />
nicht widersprechen, davon zeugen<br />
nicht nur die horrenden Preise auf<br />
dem Kunstmarkt, sondern auch die<br />
Tatsache, dass sich manche Warenauslage<br />
mit musealer Präsentation vergleichen<br />
lässt und dass Kunstschaffende<br />
seit Beginn des 20. Jahrhunderts industriell<br />
produzierte Gegenstände in<br />
ihre Werke integrieren. Kunst verliess<br />
sogar den White Cube und ist längst<br />
nicht mehr als unschuldig zu betrachten,<br />
auch im Museum nicht, wo sich<br />
in die Ausstellungsfläche integrierte<br />
Museumsshops anbieten, die ganzen<br />
gung, führt ihn von links nach rechts,<br />
von oben nach unten und wieder zurück<br />
in die Mitte der Leinwand, so<br />
dass die stets menschenleeren Räume<br />
durch den Betrachtenden zum Leben<br />
erweckt werden. Heinz Eggers Bilder<br />
lassen ahnen, dass sich hinter der<br />
Oberfläche noch viel mehr verbergen<br />
muss. Sie trotzen der verschlossenen<br />
Oberfläche und animieren in ihrer tiefen<br />
Sinnlichkeit dazu, für eine längere<br />
Zeit zu verweilen.<br />
Bis zum 20. Mai sind zudem Papierarbeiten<br />
von Heinz Egger im Kunstmuseum<br />
Solothurn zu sehen. Ausserdem<br />
erschien im richter verlag die reich<br />
bebilderte Monografie «Gehzeiten /<br />
Strange Tidings». (sm)<br />
integriert sie sich immer wieder in<br />
die traumhaften Musterlandschaften,<br />
transzendente Nicht-Orte, deren Tiefenwirkung<br />
sich einzig aus dem Arrangement<br />
der unterschiedlichen Farben<br />
ergibt.<br />
Gemeinsam mit fünf weiteren Bieler<br />
Kulturinstitutionen beteiligt sich die<br />
Galerie gq3 ab der zweiten Monatshälfte<br />
an der Ausstellung «Transformer 2».<br />
Weibliche Fetischbilder der Zürcherin<br />
Ursula Rodel, narrative Zeichnungsfolgen<br />
von Tom de Pekin sowie das<br />
diskrete Aufeinandertreffen von Bourgeoisie<br />
und Exhibitionismus bei José<br />
Cueno umkreisen die Themen Sexualität,<br />
Körperlichkeit und überschreiten<br />
Geschlechtergrenzen. (sm)<br />
visuellen Reize, die man angesichts<br />
der Kunst empfängt – ohne diese aber<br />
berühren zu dürfen – in einen taktilen<br />
Reiz des Kaufens und Besitzens umzuwandeln.<br />
Schon seit mehr als zwanzig Jahren<br />
betreibt Loeb mäzenatisch einen<br />
off space ohne Gewinnabsichten. In<br />
der imposanten Treppenhausschnecke<br />
aus dem Jahre 1957 flaniert der Besucher<br />
derzeit an den impulsiv abstrakten<br />
Kompositionen des Berner Malers<br />
Beat E. Siegenthaler vorbei. Übrigens:<br />
Die Treppenhausgalerie befindet sich<br />
im vierten Stock «diräkt hinger em<br />
Frottée links» oder ist im Erdgeschoss<br />
im Anschluss an die Taschenabteilung<br />
rechts zugänglich. (sm)<br />
Heinz Egger<br />
Galerie Haldemann,Brunngasse<br />
14, Bern.<br />
Geöffnet Mittwoch<br />
bis Freitag<br />
14:00-18:00 h,<br />
Samstag 11:00-<br />
16:00 h. Bis 17.<br />
März.<br />
Esther-Lisette<br />
Ganz<br />
Bis 10. März.<br />
Transformer 2<br />
Vernissage:<br />
Sonntag, 18. März,<br />
16:00 h. Ausstellung:<br />
18. März - 1.<br />
April.<br />
Galerie gq3,<br />
Quellgasse 3, 2502<br />
Biel. Geöffnet Di<br />
bis Fr 14:00-18:00<br />
h, Sa 10:00-16:00<br />
h («Transformer»<br />
auch So 10:00-<br />
16:00h).<br />
Beat E. Siegenthaler,«Ungesehenes»,<br />
Loeb<br />
Bern, Treppenhausgalerie.Geöffnet<br />
während den<br />
Ladenöffnungszeiten.<br />
Bis 31.<br />
März.<br />
<strong>art</strong>ensuite 43
Die Zeichnung und<br />
ihr Weg in die Moderne<br />
■ Es gehört zum Wesen der Zeichnung<br />
in ihrer meist studienbedingten<br />
Funktion, ein besonders sensibles<br />
Messinstrument für Veränderungen<br />
von Kunstströmungen und stilistischen<br />
Nuancen zu sein. Ihr Stellenwert<br />
in der Ausbildung eines Künstlers<br />
wie in der Entwicklung seiner<br />
<strong>art</strong>ensuite März 03 | 07<br />
Nicola Schröder<br />
malerischen Kompetenzen war über<br />
Jahrhunderte unbestritten. Dabei<br />
blieb die Zeichnung ihrer Rolle als<br />
Skizze, Studie oder Entwurf jedoch<br />
stets treu, ohne den Anspruch auf<br />
den Rang eines autonomen Kunstwerks<br />
zu erheben.<br />
Unter diesen Vorzeichen entstanden<br />
Arbeiten wie jene von Kauffmann,<br />
Carstens oder Koch, die das<br />
Kunstmuseum Basel nun als Eingangswerke<br />
einer Ausstellung zur<br />
Position der Zeichnung im 19. Jahrhundert<br />
aufw<strong>art</strong>et. Der<strong>art</strong>ige Studien<br />
dienten zur Aneignung überlieferter<br />
Stilistika anhand von Aktstudien oder<br />
zur Ausarbeitung von Gemälden mit<br />
historischen Inhalten. Neben klassizistischen<br />
Skizzen antikisierten Stils,<br />
finden sich in den neu eröffneten<br />
Räumen des Kupferstichkabinetts insbesondere<br />
Arbeiten der Nazarener,<br />
einer Gruppe deutschstämmiger Maler<br />
in Italien, die einen Schwerpunkt<br />
der ausschliesslich aus Beständen<br />
des Museums bestückten Ausstellung<br />
bilden. Religiös verklärte Szenen in<br />
streng durchkonstruierten Bildräumen<br />
eines Overbeck oder Steinle<br />
sind Beispiele für die eigentümlich<br />
süsslich naive Stilistik dieser Künstler.<br />
Mit Landschaften, die zunächst mit<br />
heroischen Merkmalen wie antiken<br />
Gebäuden und Figuren und später<br />
in Ruinen bestückt sind, setzt sich<br />
der Rundgang fort. Die deutlich veränderte<br />
Landschaftsauffassung des<br />
Romantikers Friedrichs äussert sich<br />
in einem extrem tief liegenden Horizont.<br />
Durch unterlegte Rasterlinien<br />
verweisen seine ausgestellten Arbeiten<br />
auf die Funktion der Zeichnung<br />
als Kompositionsskizze. In Nachbarschaft<br />
zu diesen eher technischen Studien<br />
finden sich erzählerische Blätter<br />
von Schwind, die durch altdeutsche<br />
Detailtreue charakterisiert sind. Mit<br />
seinem «Der Tod und der Holzbauer»<br />
oder «Genoveva in der Wildnis»<br />
schafft Schwind vollständige Kompositionen<br />
zu komplexen Bildmotiven,<br />
die in ihrem Entwurfscharakter<br />
als eigenständige Arbeiten aufgefasst<br />
werden könnten. Doch das autonome<br />
Wesen einer Handzeichnung ist offiziell<br />
nur für eine Porträtzeichnung<br />
Ingres’ von M. Pyrame Thomegeaux<br />
aus dem Jahr 1821 verbrieft, die nicht<br />
als Studie für ein Gemälde diente,<br />
sondern als selbständiges Werk zu<br />
betrachten ist.<br />
Ein beachtenswertes Blatt mit einem<br />
Plädoyer für die Möglichkeiten<br />
der Zeichnung stellt die Nachtszene<br />
«Streit vor einem Freudenhaus in London»<br />
von Doré aus dem Jahr 1872 dar.<br />
Doré gelingt es, mit tonalen Mitteln<br />
eine Szene aus Licht- und Schattenspielen<br />
von grosser Bewegung aus<br />
einem dunklen Untergrund wachsen<br />
zu lassen. Der Gegenstand seiner<br />
Zeichnung vermittelt dabei die Mode<br />
der Zeit, alltägliche Szenen des Strassenlebens<br />
in die Kunst einzubeziehen.<br />
Eine Reihe von Pferdedarstellungen<br />
verschieden bekannter Künstler<br />
wie Delacroix, Géricault, Marées und<br />
Guys zeigt die Annäherungswege<br />
unterschiedlicher Künstlerpersönlichkeiten<br />
an ein gemeinsames Motiv.<br />
Neben der schemenhaft überlegten<br />
Strichführung eines Guy nimmt sich<br />
der kraftvoll zupackende Strich eines<br />
Géricault als suchende Umkreisung<br />
aus. Darin zeigen sich zugleich Nähe<br />
und Ferne des als frühen Romantikers<br />
gehandelten Géricault wie auch seines<br />
jüngeren Landmannes Delacroix<br />
hinsichtlich der umrissverliebten Stilistik<br />
der sogenannten Klassizisten.<br />
Sie vermochten es, die Gegenstände<br />
ohne sentimentale Aura in realistischer<br />
Greifbarkeit wiederzugeben.<br />
Der Wille um die Aneignung des Sujets<br />
stand hier, wie eine weitere Skizze<br />
einer Löwin von Delacroix zeigt,<br />
im Vordergrund. Betrachtet man<br />
demgegenüber die flächenhaften<br />
Zeichnungen von Pissarro, die in ihrem<br />
Verzicht auf Linien den Vorstoss<br />
der Freilichtmalerei markieren, wird<br />
deutlich, welche rapiden Umbrüche<br />
die Kunst im 19. Jahrhundert vollzog.<br />
Werke von Cézanne verdeutlichen<br />
diese Entwicklung in Richtung einer<br />
von Stimmungen und subjektiven<br />
Einflüssen geprägten Darstellungsform,<br />
die im Rahmen der Ausstellung<br />
in frühe Auseinandersetzungen Picassos<br />
mit der menschlichen Figur mündet.<br />
So vermag die Ausstellung mit Werken<br />
von rund 50 Künstlern aus verschiedenen<br />
Ländern einen Eindruck<br />
von der Wandlung der Kunst des 19.<br />
Jahrhunderts auf dem Weg zum modernen<br />
Stilpluralismus und der damit<br />
einhergehenden Funktionsbandbreite<br />
der Zeichnung zu vermitteln.<br />
Klassizismus<br />
bis frühe Moderne.ZeichnerischePositionen<br />
des 19.<br />
Jahrhunderts<br />
Kunstmuseum<br />
Basel, St. Alban-<br />
Graben 8. Geöffnet<br />
Dienstag,<br />
Donnerstag bis<br />
Sonntag 10:00-<br />
17:00 h. Bis 24.<br />
Juni.<br />
<strong>art</strong>ensuite 45
46<br />
<strong>art</strong>ensuite<br />
Rémy Zaugg, Vom<br />
Tod II, 27 Bilder,<br />
1999/2002//8.2004-Nr. 13,<br />
Getreide, 2001/2002<br />
© der Simultation, Michèle<br />
Zaugg-Röthlisberger<br />
Rémy Zaugg<br />
– Nachbar Tod<br />
und die Wahrnehmung<br />
Zentrum Paul<br />
Klee, Monument<br />
im Fruchtland 3.<br />
Geöffnet Dienstag<br />
bis Sonntag<br />
10:00-17:00 h,<br />
Donnerstag<br />
10:00-21:00 h.<br />
Bis 3.Juni.<br />
Augenschmerz und Grenzerfahrung<br />
■ Unbarmherzig grell ist der Ausstellungssaal<br />
für die Werke von Rémy<br />
Zaugg im Untergeschoss des Zentrums<br />
Paul Klee ausgeleuchtet; kalt<br />
und klinisch ist der Empfang: die grosse<br />
Leere, das viele Weiss und wenig<br />
Farbe, die hervorlugt, lässt Schaudern<br />
aufkommen. Hier wird ausgeleuch-<br />
Nathalie Jacqueline Ritter<br />
tet, was in der Kunst verschwindet:<br />
in Rémy Zauggs Auseinandersetzung<br />
mit dem Tod und der Wahrnehmung<br />
wird kein Zentimeter dem Schatten<br />
oder dem Unsichtbaren überlassen.<br />
Die als Theaterstück inszenierte<br />
Ausstellung zeigt die Auseinandersetzung<br />
mit dem Vergänglichen und<br />
Unsichtbar-Werdenden. In ihrer karnevalesken<br />
Grelle und Exzessivität<br />
sind der Tod und die Wahrnehmung<br />
zentral, doch behält die Ausstellung<br />
eine gewisse «Neutralität» und blendet<br />
das Vergehen in der Überbelichtung,<br />
ähnlich zur Tabuisierung in der Gesellschaft,<br />
aus. Sich mit Rémy Zaugg<br />
auseinanderzusetzen, erfordert Entschlusskraft<br />
und Mut zur Begegnung<br />
mit sich selbst. So wie dies auch die<br />
Werke von Paul Klee in subtiler Weise<br />
tun. Doch Paul Klee ist in weiches<br />
Licht gepackt und fordert im Stillen.<br />
Gemeinsam ist beiden der Gebrauch<br />
von Sprache, die Reduktion und der<br />
Ausdruck im Einfachen, die das Nachdenken<br />
beim Betrachter auslösen.<br />
Michèle Zaugg-Röthlisberger hat<br />
zusammen mit der Tochter Pascale<br />
die Werke ihres 2005 verstorbenen<br />
Mannes in zwei Sektoren eingeteilt:<br />
Auf einem Rundgang um eine Art Zelle<br />
sind die Weiss in Weiss und Weiss<br />
in Grau gehaltenen Bildtafeln aufgereiht<br />
– pikant dazwischen zwei Bilder<br />
mit gleissend gelbem Hintergrund,<br />
die sich ins Sehfeld einbrennen: Die<br />
Wahrnehmung und die Augen des<br />
Betrachters werden das erste Mal<br />
strapaziert. Die Bildtafeln, in Form<br />
eines Frieses nebeneinandergehängt,<br />
schlagen mit Worten dem Besucher<br />
entgegen. Mit zusammengekniffenen<br />
Augen müssen die Ton in Ton gehaltenen<br />
Buchstaben entziffert werden<br />
– existenzielle, einfache Dinge und<br />
Fakten geben Rätsel auf: «SCHMILZT<br />
DER SCHNEE, WO BLEIBT DAS<br />
WEISS.» Jetzt sind nicht nur die Augen,<br />
sondern auch der Geist des Betrachters<br />
gefordert.<br />
Rémy Zaugg beschäftigte sich als<br />
Künstler, Kurator und Architekturexperte<br />
mit dem Tod, der das Ende der<br />
Wahrnehmung ist. Eine schwierige<br />
Aufgabe an der Grenze zur Kunst.<br />
Neben dem Verlöschen des Sichtbaren<br />
interessierte ihn die Frage, wie<br />
man das Wahrnehmen wahrnimmt<br />
und wie man wahrnimmt. Die Suche<br />
nach dem Bild, das kein Abbild ist,<br />
beschäftigte bereits Paul Cézanne, der<br />
das malte, was das Auge erkennt.<br />
Pulsierendes Herzstück im Zen-<br />
trum der Ausstellung ist der Zyklus<br />
«Vom Tod II». 27 Bildtafeln in furiosen,<br />
tanzenden Farben stellen eine<br />
kontrastreiche Herausforderung für<br />
den Betrachter und seine Sehfähigkeit<br />
dar. Von der Wahrnehmung<br />
werden Höchstleistungen gefordert.<br />
Die in hellem Blaugrünton gehaltene<br />
und wiederkehrende Sentenz «UND<br />
WENN / DER TOD / ICH WÄRE»<br />
flimmert mal auf komplementärem<br />
roten, ins Orange tendierendem,<br />
schrillem Hintergrund, ergänzt mit<br />
Wortpaaren menschlicher Körperteile<br />
«LIPPEN FINGER». Auf anderen Tafeln<br />
mit h<strong>art</strong>en und weicheren Kontrasten<br />
werden die Entwicklungsetappen<br />
der Erde aufgelistet: Gesteins<strong>art</strong>en,<br />
Bäume, Getreide, Pflanzen- und<br />
Blumennamen. Giftiges Grün schreit<br />
dazwischen. Die opulent-aggressive<br />
Farbigkeit macht klar, dass diese<br />
Kunst nicht leicht konsumierbar ist.<br />
Eine Übersättigung und ein Unbehagen<br />
über den Worten des Vergehens<br />
und Werdens macht sich breit. Die<br />
Bilder drängen und brennen sich mit<br />
ihren Worten in den Kopf. Die von<br />
Rémy Zaugg intendierte Provokation<br />
zieht den Besucher in seinen Bann.<br />
Die Ausstellung, die die Grenzen der<br />
Wahrnehmung und den Tod in seinen<br />
zahlreichen Facetten auf Wort-Tafeln<br />
zeigt, lässt eine Resonanz nachklingen<br />
und irritiert anhaltend.<br />
<strong>art</strong>ensuite März 03 | 07
BERNER<br />
GALERIEN<br />
Galerieneintrag:<br />
Auf den Seiten «Galerien in Bern» werden nur<br />
noch Galerien publiziert, welche unsere jährliche<br />
Publikationsgebühr bezahlt haben. Wer<br />
sich hier eintragen lassen möchte, melde sich<br />
bei der Redaktion: Telefon 031 318 6050 oder<br />
redaktion@ensuite.ch.<br />
Altes Schlachthaus<br />
Metzgergasse 15, Burgdorf<br />
T 034 422 97 86<br />
Sa&So jeweils 11:00-17:00 h<br />
annex14 - Galerie für zeitgenössische<br />
Kunst<br />
Junkerngasse 14, 3011 Bern<br />
T 031 311 97 04 / www.annex14.ch<br />
Mi-Fr 14:00-18:00 h / Sa 11:00-16:00 h, oder<br />
nach Vereinbarung<br />
Lisa Oppenheim<br />
Comoving Observers<br />
3.3. - 14.4.<br />
Vernissage: Fr, 2.3., ab 18:00 h<br />
Am Ostersamstag, 7.4., bleibt die Galerie geschlossen<br />
Art-House<br />
Mittlere Strasse 3A, 3600 Thun<br />
T 033 222 93 74 7 www.<strong>art</strong>-house.ch<br />
Mi&Fr 14:00-17:30 h / Do 16:00-19:30 h / Sa<br />
11:00-16:00 h und nach Vereinbarung<br />
Roland Adatte – Malerei<br />
Vernissage: 3.3., ab 16:00 h, es spricht der<br />
Schriftsteller und Kunstliebhaber Andreas<br />
Urweider, Stadtpfarrer Biel<br />
3. - 31.3.<br />
Art + Vision<br />
Junkerngasse 34, 3011 Bern<br />
T 031 311 31 91<br />
Di-Fr 14:00-19:00 h / Do 14:00-21:00 h /<br />
Sa & So 11:00-16:00 h<br />
Bärtschihus Gümligen<br />
Dorfstrasse 14, 3073 Gümligen<br />
Mary Poppins!<br />
superkalifragilistigexpialigetisch<br />
<strong>art</strong>ensuite März 03 | 07<br />
Kornhausforum Bern, BESTFORM 07,<br />
Sabine Portenier, Cinderella’s Sisters, 2.-25.3.07<br />
ESPACE Indigo<br />
Stauffacher Buchhandlung, 3011 Bern<br />
T 0844 88 00 40<br />
Ladenöffnungszeiten<br />
Fri-Art<br />
22 Petites Rames, 1700 Fribourg<br />
T 026 323 23 51 / www.fri-<strong>art</strong>.ch<br />
Di-Fr 14-18:00 h / Sa&So 14:00-17:00 h<br />
Nocturne Do 18:00-20:00 h<br />
Exposition 1 l‘age critique<br />
Nicolas Savary en collaboration avec :<br />
Christian Bovey, Happypets, Genêt Mayor,<br />
Daniel Ruggiero<br />
bis 11.3.<br />
Exposition 2<br />
Stella Capes<br />
Christina Hemauer & Roman Keller<br />
Vernissage: Fr, 30.3., 18:00 h<br />
bk Galerie Bernhard Bischoff & P<strong>art</strong>ner<br />
Speichergasse 8, 3011 Bern<br />
T 031 312 06 66<br />
www.bernhardbischoff.ch<br />
Mi-Fr 14:00-18:00 h / Sa 11:00-16:00 h oder<br />
nach Absprache<br />
Galerie 25 Regina Larsson<br />
2577 Siselen / T 032 396 20 71<br />
www.galerie25.ch<br />
Fr-So 14:00-19:00 h oder nach<br />
tel. Vereinbarung<br />
Marianne Eigenheer - Neue Arbeiten<br />
bis 25.3.<br />
Finissage: 25.3., ab 14:00 h<br />
Galerie 67<br />
Belpstrasse 67, 3007 Bern / T 031 371 95 71<br />
www.galerie67.ch<br />
Mo 14:00-18:30 h / Di-Fr 9:00-12:00 h &<br />
14:00-18:00 h / Sa 10:00-12:00 h<br />
Hans-Jörg Moning<br />
Öl auf Leinwand<br />
März / April 2007<br />
Vernissage: 2.3., 18:00-20:00 h<br />
Galerie 849 MüM<br />
Gurtenpark im Grünen, 3084 Wabern<br />
Täglich von 9:00-18:00 h<br />
Galerie Artdirekt<br />
Herrengasse 4, 3011 Bern / T 031 312 05 67<br />
www.<strong>art</strong>direkt.ch<br />
Zeige deine Wunden - befreiende Kunst<br />
In Zusammenarbeit mit dem Psychiatrie-Museum<br />
Bern und der Deutschen Bundesregierung<br />
für die Belange behinderter Menschen<br />
bis 3.3.<br />
Rittiner & Gomez & Nick Röllin<br />
Malerei, Skulpturen<br />
17.3. - 14.4.<br />
Galerie Artraktion<br />
Hodlerstrasse 16, 3011 Bern<br />
T 031 311 63 30 / www.<strong>art</strong>raktion.ch<br />
Do&Fr 15:00-18:00 h / Sa 11:00-16:00 h<br />
oder nach Vereinbarung<br />
Denise Felber, Bildobjekte<br />
Gabi Kopp, Bilder und Objekte<br />
Ausstellung verlängert bis 17.3.<br />
Galerie bis Heute<br />
Amtshausgasse 22, 3011 Bern<br />
T 031-311 78 77 / www.galerie-bisheute.ch<br />
Do-Fr 14:00-18:30 h / Sa 11:00-16:00 h &<br />
nach Vereinbarung<br />
Judith Schönenberger<br />
Début<br />
bis auf weiteres verlängert<br />
Galerie Beatrice Brunner<br />
Nydeggstalden 26, 3011 Bern<br />
T 031 312 40 12 / www.beatricebrunner.ch<br />
Mi-Fr 14:00-18:00 h / Sa 11:00-16:00 h<br />
<strong>art</strong>ensuite 47
<strong>art</strong>ensuite 48<br />
Galerie Silvia Steiner - ANDY WILDI (alle Bilder auf dieser Seite)<br />
bis 17.3. Apéro mit dem Künstler: So, 4.3., 11:00-13:00 h<br />
Nadin Maria Rüfenacht<br />
Arche Noah - Instant<br />
Tafelbilder<br />
bis 24.3.<br />
Galerie Duflon & Racz<br />
Gerechtigkeitsgasse 40, 3011 Bern<br />
T 031 311 42 62<br />
Do 14:00-20:00 h, Sa 12:00-17:00 h oder<br />
nach tel. Vereinbarung.<br />
Michel Dave (Belgien) & n.n. (Österreich)<br />
Zeigen Arbeiten mittels Anwendung von<br />
Schrift / Schriftzeichen<br />
Vernissage: 17.3., ab 16:00 h<br />
Galerie Henze & Ketterer<br />
Kirchstrasse 26, 3114 Wichtrach<br />
T 031 781 06 01 / www.henze-ketterer.ch<br />
Di-Fr 10:00-13:00 h & 14:00-18:00 h / Sa<br />
10:00-16:00 h<br />
60 Jahre «Bewegte Bilder» vom Expressionismus<br />
zur Videokunst<br />
bis 17.3.<br />
Galerie I Ebene 3:<br />
Expressionismus, insbesondere Brücke<br />
Galerie I Ebene 2:<br />
Abstraktion nach 1945<br />
Galerie I Ebene 1:<br />
Neue Figuration nach 1960<br />
Galerie II kunst Depot. Videokunst 2002-<br />
2006 <strong>art</strong>_clip.ch performativ<br />
Ariane Andereggen, Erik Dettwiler, Lori<br />
Hersberger, Franticek Klossner, Heinrich<br />
Lüber, Chantal Michel, Victorine Müller, RE-<br />
LAX, Rudolf Steiner.<br />
verlängert bis 30.6.<br />
Galerie im Graben<br />
Waldeckstrasse 12, 3052 Zollikofen<br />
T 031 911 96 06<br />
Fr 17:00-19:00 h / Sa 16:00-19:00 h & So<br />
11:00-17:00 h<br />
Galerie Margit Haldemann<br />
Brunngasse 14, Brunngasshalde 31<br />
T 031 311 56 56 margithaldemann@bluewin.<br />
ch, www.<strong>art</strong>galleries.ch/haldemann<br />
Mi-Fr 14:00-18:00 h / Sa 11:00-16:00 h<br />
Saison 2006/07: 25 Jahr Jubiläum<br />
Ausstellung 4/5<br />
Heinz Egger: «Gehzeiten - Strange Tidings»<br />
bis 17.3.<br />
So, 4.3., 11:00 h: Stefan Suske liest Texte von<br />
Bernhard, Walser u. a.<br />
Galerie M<strong>art</strong>in Krebs<br />
Münstergasse 43, 3011 Bern<br />
T 031 311 73 70 / www.krebs.<strong>art</strong>galleries.ch/<br />
Di-Fr 14:30-18:30 h / Sa 10:00-14:00 h<br />
Urs Dickerhof, Jürg Häusler & Franz<br />
Anatol Wyss<br />
Vernissage: So, 4.3., 11:30-14.00 h<br />
Finissage: Sa, 14.4., 11:30-14:00 h<br />
Galerie Kornfeld<br />
Laupenstrasse 41, 3001 Bern<br />
T 031 381 46 73 / www.kornfeld.ch<br />
Mo-Fr 14:00-17:00 h<br />
Ernst Ludwig Kirchner<br />
Lithographien<br />
Neue Erkenntnisse<br />
bis 10.3.<br />
Galerie Ramseyer & Kaelin<br />
Junkerngasse 1, 3011 Bern<br />
T 031 311 41 72<br />
Mi-Fr 16:00-19:00h / Sa 13:00-16:00h<br />
Marie-Claire Ackermann<br />
Malerei<br />
Rosmarie Reber<br />
Impressionen<br />
6. - 24.3.<br />
Galerie Rigassi<br />
Münstergasse 62, 3011 Bern<br />
T 031 311 69 64 / www.swiss<strong>art</strong>.net/rigassi<br />
Di-Fr 11:30-13:30 h & 15:30-19:00 h / Sa<br />
10:30-16:00 h<br />
Galerie Silvia Steiner<br />
Seevorstadt 57, 2502 Biel / T 032 323 46 56 /<br />
www.silviasteinergalerie.ch<br />
Mi-Fr 14:00-18:00 h / Sa 14:00-17:00 h oder<br />
nach Vereinbarung<br />
ANDY WILDI<br />
bis 17.3.<br />
Apéro mit dem Künstler:<br />
So, 4.3., 11:00-13:00 h<br />
Galerie Tom Bleass<br />
Uferweg 10b 3013 Bern / T 079 222 46 61<br />
Do, Fr, Sa 14:00-18:00 & So 12:00-17:00h<br />
www.tomblaess.ch<br />
Cuba<br />
Zeichnungen von der Cuba-Reise 2006. 2<br />
Mappen mit 16 oder 9 Lithographien<br />
Vernissage: 4.3., 11:00-17:00 h<br />
Finissage: 25.3., 11:00-17:00 h<br />
Kabinett Bern<br />
Gerechtigkeitsgasse 72-74, 3011 Bern<br />
T 031 312 35 01 www.kabinett.ch<br />
Do & Fr 14:00-19:00 h & Sa 11:00-16:00 h<br />
Gabi Hamm & Nikolaus List<br />
bis 10.3.<br />
Kornhausforum -<br />
Forum für Medien und Gestaltung<br />
Kornhausplatz 18, 3011 Bern<br />
T 031 312 91 10 / www.kornhausforum.ch<br />
Di-Fr 10:00-19:00 h / Do 10:00-20:00 h / Sa<br />
10:00-16:00 h<br />
Shaxi Rehabilitation Project<br />
bis 3.3.<br />
BESTFORM 07<br />
<strong>art</strong>ensuite März 03 | 07
Galerie Tom Bleass - Cuba - Zeichnungen von der Cuba-Reise 2006 W<strong>art</strong>saal 3 - Perido: «Artarche» vom 22.03. - 25.03 W<strong>art</strong>saal 3 - Perido: «Artarche» vom 22.03. - 25.03<br />
Vernissage: 1.3., 18:00 h<br />
bis am 25.3.<br />
Mit den Augen des Anderen<br />
Vernissage: 7.3., 19:00 h<br />
bis 17.3.<br />
NEAT – Eine Schweizer Pionierleistung<br />
Vernissage: 21.3., 19:00 h<br />
bis 28.4.<br />
Kunstreich<br />
Gerechtigkeitsgasse 76, 3011 Bern<br />
T 031 311 48 49 / www.kunstreich.ch<br />
Mo-Fr 09:00-18:30 h / Do 09:00-20:00 h / Sa<br />
09:00-16:00 h<br />
M<strong>art</strong>in C. Stucki<br />
8.3. - 9.4.<br />
Kunstraum Oktogon<br />
Aarstrasse 96, 3005 Bern<br />
Fr 16:00-19:00 h / Sa 11:00-15:00 h<br />
KunstQuelle<br />
Brunngasse 14, 3011 Bern<br />
T 079 818 32 82 / www.kunstquelle.ch<br />
Mi 15:30-18:00h Do 16-19:00h, Fr 14:30-<br />
18:00 h & Sa 13:00-16:00h<br />
Überlagerungen<br />
Silvia Bongard<br />
Zeichnungen<br />
bis 15.3.<br />
ONO Bühne Galerie Bar<br />
Kramgasse 6, 3011 Bern<br />
T 031 312 73 10 www.onobern.ch<br />
Nachtgalerie Fr&Sa 22:00-24:00 h oder nach<br />
telefonischer Vereinbarung / bei allen ONO-<br />
Veranstaltungen<br />
Multiethnische Gruppenausstellung aus<br />
Ex-Jugoslawien<br />
19.3. - 30.4.<br />
<strong>art</strong>ensuite März 03 | 07<br />
PROGR Zentrum für Kulturproduktion<br />
Speichergasse 4, 3011 Bern www.progr.ch<br />
Diplomausstellung 2007<br />
HKB-Studiengang Visuelle Kommunikation<br />
bis 10.3.<br />
1. Nationaler Offoff Tag<br />
Ort: Marks Blond Project / loge im PROGR<br />
Fr, 16.3., 18:00 h<br />
Bern - Kairo retour<br />
Video, Fotografie und Musik<br />
aus den Gastateliers in Kairo und Bern<br />
Mo, 5.3., 19.00 h<br />
No place like home<br />
Andrea Dojmi (I)<br />
Vernissage: 16.3., 19:00h<br />
17.3. - 14.4.<br />
Videokunst.ch: Thomas G<br />
«Murder», 2002<br />
17.3. - 14.4.<br />
Präsentation: «Material Matters»<br />
Architekturstudie<br />
Vernissage: Mi, 28.3., 18:30 h<br />
Do, 29. - Sa, 31.3., 14:00-17:00 h<br />
R A U M<br />
Militärstrasse 60, 3014 Bern<br />
www.kulturraum.ch<br />
Mi-Fr 16:00-19:00 h / Sa 12:00-16:00 h<br />
Kathrin Fröhlin<br />
Zeitspuren<br />
Ölbilder, Zeichnungen, Farbkopien<br />
bis 2.3<br />
Weisser als weiss<br />
Fotografien<br />
Francisco Paco Carrascosa, Zürich<br />
Vernissage: Fr, 9.3., 18:00-20:00 h<br />
Finissage: Fr, 30.3., 18:00- 20:00 h<br />
9.3. - 30.3.<br />
Schloss Hünigen<br />
3510 Konolfingen<br />
Täglich von 8:00-21:00 h<br />
www.schlosshuenigen.com<br />
Janeric Johansson<br />
Permanente Bilder-Ausstellung im Neubau<br />
SLM Kunstausstellung<br />
Dorfplatz 5, 3110 Münsingen<br />
T 031 724 11 11<br />
Mo-Do 8:00-12:00 h & 13:30-17:00h / Fr<br />
8:00-12:00 h & 13:30-18:00 h<br />
Stadtgalerie<br />
Speichergasse 4, 3001 Bern<br />
T 031 311 43 35 7 www.stadtgalerie.ch<br />
Di 14:00-20:00 h & Di-Fr 14:00-17:00 h<br />
VALIART KulturRaum<br />
Bundesgasse 26, 3001 Bern<br />
www.vali<strong>art</strong>.ch<br />
Täglich 9:00-18:30 h / Do bis 21:00 h / Sa<br />
bis 16:00 h / So geschlossen<br />
Eva Borner und M<strong>art</strong>in Bircher<br />
Interaktives Dilemma der Einsamkeit<br />
Vernissage: Fr, 2.3., 18:00-21:00 h<br />
W<strong>art</strong>saal 3<br />
Helvetiaplatz 3, 3005 Bern<br />
T 031 351 33 21 www.w<strong>art</strong>saal3.ch<br />
Perido: «Artarche»<br />
Eisenskulpturen, Zeichnungen - Eine Hommage<br />
an die Aerchologie<br />
Vernissage: Do, 22.3., 17:00 - 22:00 h, 19:30<br />
h Lesung,. Performance<br />
22.3. – 25.3. , 12:00 – 19:00 h<br />
Temporäre Austellungsräume<br />
Heiliggeistkirche Bern<br />
Di bis Fr, 11:00-18:30 h<br />
«Heilung von innen nach aussen» Esther<br />
Quarroz<br />
Vernissage: Mi, 7.3., 19:00 h<br />
<strong>art</strong>ensuite 49
<strong>art</strong>ensuite 50<br />
Augenspiel<br />
Von Dominik Imhof<br />
■ Nach etwas mehr als einem Jahr als Leiter<br />
der Abteilung Gegenw<strong>art</strong> am Kunstmuseum<br />
Bern geht Bernhard Fibicher. Überraschend<br />
– selbst für Kunstmuseumsdirektor<br />
Matthias Frehner – wechselt Fibicher nach<br />
Lausanne. Bereits ab Juni wird er dort als<br />
Direktor das Musée des Beaux-Arts übernehmen.<br />
Mit «Mahjong» hat er die chinesische<br />
Gegenw<strong>art</strong>skunst nach Bern gebracht<br />
und diese mit dem «Chinafenster» auch in<br />
Bern behalten. Was aus diesem langfristigen<br />
Projekt wird, werden erst noch anstehende<br />
Gespräche zwischen Frehner und<br />
dem Sammler Sigg zeigen. Die Stelle in<br />
Lausanne macht Fibicher nach seiner Tätigkeit<br />
an der Kunsthalle Bern von 1994-2005<br />
wieder zum Herrn eines Hauses, womit<br />
natürlich weitaus mehr Möglichkeiten und<br />
Verantwortlichkeiten verbunden sind, denn<br />
als Kurator einer Gegenw<strong>art</strong>sabteilung, als<br />
einer unter mehreren Kuratoren. Gemäss<br />
«Bund» vom 15. Februar herrscht am Kunstmuseum<br />
Bern eine strikte hierarchische<br />
Struktur unter Frehner, was Eigenverant-<br />
wortlichkeit und Entscheidungsgewalt stark<br />
einschränkt. Zudem ist in Lausanne einiges<br />
in Planung. In Ouchy soll ein Neubau mit<br />
1000 Quadratmetern Ausstellungsfläche<br />
entstehen. Also wieder ein Museumsbauprojekt<br />
mit dem Fibicher vetraut würde. In<br />
Bern war es der Anbau für die Abteilung<br />
Gegenw<strong>art</strong>skunst, die unter seinen Fittichen<br />
gedieh. Ein Projekt ist ausgewählt, nur entspricht<br />
es nicht den Ideen des Denkmalschutzes<br />
(wusste man so was nicht schon<br />
lange vorher!)!<br />
Und nun zu etwas ganz anderem. Das<br />
Wochenende vom 16. und 17. März wird<br />
zum Wochenende der unabhängigen Kunsträume<br />
der Schweiz – off Räume oder off<br />
space genannt. Mit www.offoff.ch wird am<br />
16. März eine gemeinsame Internetplattform<br />
der<strong>art</strong>iger Kunsträume lanciert. Am Samstag<br />
17. März findet im PROGR ein Symposium<br />
zur Relevanz, Notwendigkeit und den Perspektiven<br />
der unabhängigen Kunsträume<br />
statt. Zwischen und neben Galerien und<br />
Kunstmuseen und -hallen sind die unabhängigen<br />
Räume sicher ein wichtiger Faktor<br />
für eine lebendige Kunstszene.<br />
Impressum<br />
<strong>art</strong>ensuite erscheint monatlich als Beilage<br />
im ensuite - kulturmagazin.<br />
Herausgeber: edition ■ ensuite, Bern<br />
Redaktion: Dominik Imhof (di); Monique<br />
Meyer (mm), Sylvia Mutti (sm), Nicola<br />
Schröder (ns), Sylvia Rüttimann (sr), Monika<br />
Schäfer (ms)<br />
Die Redaktion <strong>art</strong>ensuite ist politisch,<br />
wirtschaftlich und ethisch unabhängig<br />
und selbständig. Die Texte repräsentieren<br />
die Meinungen der Autoren/innen, nicht<br />
jene der Redaktion.<br />
Copyrights für alle Informationen und Bilder<br />
liegen beim Verein WE ARE in Bern<br />
und der edition ■ ensuite.<br />
Redaktionsadresse:<br />
<strong>art</strong>ensuite<br />
Sandrainstrasse 3<br />
3007 Bern<br />
Telefon 031 318 6050<br />
mail: <strong>art</strong>@ensuite.ch<br />
www.<strong>art</strong>ensuite.ch<br />
<strong>art</strong>ensuite März 03 | 07
BERNER MUSEEN<br />
BERN / BIEL / THUN<br />
Abegg-Stiftung<br />
Werner Abegg-Strasse 67, 3132 Riggisberg<br />
täglich 14:00-17:30 h<br />
Winterpause bis April<br />
Antikensammlung Bern<br />
Hallerstrasse 12, 3012 Bern<br />
Mi 18:00-20:00 h<br />
Die Antikensammlung beherbergt nebst<br />
den Abgüssen (rund 230 Exponate antiker<br />
Skulpturen von den Anfängen der griechischen<br />
Archaik bis zur römischen Spätantike)<br />
auch eine kleine Sammlung mit originalen<br />
Fundstücken aus der griechisch-römischen<br />
Antike.<br />
Bernisches Historisches Museum<br />
Helvetiaplatz 5, 3005 Bern<br />
Di-So 10:00-17:00 h<br />
So, 4.3., 11:00 h Die Berner Familie von Mülinen:<br />
Ritter, Magistraten, Diplomaten; mit<br />
Quirinus Reichen<br />
So, 11.3., 11:00 h Seidenstrasse und Gewürzinseln.<br />
Handelswege in Asien, mit Thomas<br />
Psota<br />
So, 18.3., 11:00 h Geld – Preise – Löhne<br />
Einblicke in die Berner Wirtschaftsgeschichte,<br />
mit Daniel Schmutz<br />
So, 25.3., 11:00 h Keltischer Adel in Münsingen.<br />
Das Neueste aus der Erforschung eines<br />
alten Keltenfriedhofs, mit Felix Müller<br />
Centre Dürrenmatt<br />
Chemin du Pertuis-du-Sault 74, 2000<br />
Neuchâtel<br />
Mi-So 11:00-17:00 h<br />
Dürrenmatt und die Mythen Zeichnungen<br />
und Manuskripte<br />
Sammlung Charlotte Kerr Dürrenmatt<br />
bis 30.4<br />
Einstein-Haus<br />
Kramgasse 49, 3011 Bern<br />
1.10.-16.12., Di-Fr 10:00-17:00 h / Sa 10:00-<br />
16:00 h<br />
Führungen jederzeit nach Absprache<br />
Heilsarmeemuseum<br />
Laupenstrasse 5, 3001 Bern<br />
Di-Do 9:00-12:00 h & 14:00-17:00 h<br />
Dokumente, Zeitschriften, Bilder, Fotos,<br />
Grammophonplatten, Kassetten, Musikinstrumente<br />
und andere Sammelobjekte.<br />
<strong>art</strong>ensuite März 03 | 07<br />
Institut für Archäologie der<br />
Universität Bern<br />
Länggassstrasse 10, 3012 Bern<br />
Montag - Freitag, 8 - 17 Uhr<br />
Das Pantheon in Rom<br />
Ergebnisse des Bern Pantheon Digital Projects<br />
bis 31.3.<br />
Kunsthaus Centre Pasqu’<strong>art</strong><br />
Seevorstadt 71-75, 2502 Biel<br />
Mi-Fr 14:00-18:00 h / Sa&So 11:00-18:00 h<br />
Selected by... Ankäufe 2003-2006 der<br />
Kunstsammlung der Stadt Biel<br />
bis 18.3.<br />
Claudia Di Gallo, Trailblazer<br />
bis 18.3.<br />
Photoforum<br />
Christian Vogt<br />
Photographic Essays on Space<br />
bis 4.3.<br />
Transformer II<br />
18.3. - 22.4.<br />
Kunsthalle Bern<br />
Helvetiaplatz 1, 3005 Bern<br />
Mi-So 10:00-17:00 h / Di 10:00-19:00 h<br />
Jutta Koether<br />
bis 11.3.<br />
Critical Mass 20 Jahre Stiftung Kunsthalle<br />
Bern<br />
23.3. - 20.5.<br />
Kunstmuseum Bern<br />
Hodlerstrasse 8-12, 3007 Bern<br />
Di 10:00-21:00 h / Mi-So 10:00-17:00 h<br />
Serge Spitzer – Installation<br />
»Re/Search (Alchemy and/or Question<br />
Marks with Swiss Air)”, 1996-2002<br />
bis Ende 2007<br />
Im Graphischen Kabinett<br />
Louise Bourgeois – Fugue<br />
bis 8.4.<br />
Chinafenster: Ji Dachun, Liu Ye<br />
bis 1.4.<br />
Eine Ausstellung gemeinsam mit dem<br />
Zentrum Paul Klee:<br />
Oscar Wiggli. Körper - Raum - Klang<br />
Eine Werkübersicht<br />
bis 13.5.<br />
MUSEUMSNACHT 2007<br />
«Express!»<br />
Fr, 23.3., 18:00-02:00 h<br />
Kunsthaus Langenthal<br />
Marktgasse 13, 4900 Langenthal<br />
Mi & Do 14:00-17:00, Fr 14:00-19:00 h, Sa&<br />
So 10:00-17:00 h<br />
Il faut cultiver notre jardin<br />
bis 15.4.<br />
Kunstmuseum Thun<br />
Hofstettenstrasse 14, 3602 Thun<br />
Di-So 10:00-17:00 h / Mi 10:00-21:00 h<br />
Projektraum enter: Cristian Andersen<br />
bis 11.3.<br />
Gegenlicht<br />
Werke aus der Sammlung des Kunstmuseums<br />
Thun, erweitert um neue Arbeiten von<br />
Adrian Schiess, Alex Silber und Erik Steinbrecher<br />
bis 9.4.<br />
museum franz gertsch<br />
Platanenstrasse 3, 3401 Burgdorf<br />
Di-Fr 11:00-19:00 h / Sa&So 10:00-17:00 h<br />
Unter Sternen. Aus der Sammlung Willy<br />
Michel. Fotografie<br />
Franz Gertsch - Schottische Aquarelle<br />
bis 24.6.<br />
Museum für Kommunikation<br />
Helvetiastrasse 16, 3000 Bern<br />
Wechselausstellung «haarsträubend».<br />
Tier-Mensch-Kommunikation.<br />
Gemeinsam mit dem Naturhistorischen Museum<br />
Bern (beidseitig zugänglich)<br />
bis 1.7.<br />
Dauerausstellung «Abenteuer Kommunikation»<br />
Di, Do-So 10:00-17:00 h, Mi 10:00-19:00 h<br />
Führungen jeden Sonntag<br />
11:00 h «haarsträubend» Tier-Mensch-Kommunikation<br />
13:00 h «Top Secret - Von Hieroglyphen, Hackern<br />
und Codetalkers»<br />
15:00 h «Abenteuer Kommunikation im<br />
Überblick»<br />
Museum Neuhaus Biel<br />
Schüsselpromenade 26, 2501 Biel<br />
Di-So 11:00-17:00 h / Mi 11:00-19:00 h<br />
Bürgerlicher Lebensstil im 19. Jahrhundert:<br />
Wohnen und Haushalten<br />
Die Stiftung Sammlung Robert präsentiert<br />
eine neu gestaltete permanente Ausstellung<br />
im Museum Neuhaus.<br />
Die Welt der Vögel<br />
<strong>art</strong>ensuite 51
<strong>art</strong>ensuite 52<br />
Werke von Léo-Paul (1851-1923) und Paul-<br />
André Robert (1901-1977)<br />
Museum Schwab / Museum<br />
für Archäologie<br />
Seevorstadt 50, 2502 Biel<br />
Di-Sa 14:00-18:00 h / So 11:00-18:00 h<br />
Permanente Ausstellung<br />
Das archäologische Fenster der Region<br />
Eine Zeitreise zu wichtigen archäologischen<br />
Fundstellen rund um den Bielersee, Berner<br />
Jura und Stadt Biel. Unsere Themen: Geschichte<br />
der Archäologie, Leben und Überleben,<br />
Gräber und Riten<br />
Röstigraben - Unterschiede<br />
zum Auskosten<br />
Der Röstigraben – die Romands nennen ihn<br />
«Rideau de rösti», Röstivorhang - ist nicht nur<br />
eine Sprachgrenze. Dass sich dahinter mehr<br />
verbirgt seit der Zeit der ersten Bauern bis<br />
heute, zeigt diese Ausstellung.<br />
bis 1.4.<br />
Kulturparcours 2. Alle anders - alle einzig<strong>art</strong>ig.<br />
Junge setzen Zeichen<br />
Konzerte, Theater, Ausstellungen, Film, Begegnungen<br />
bis 4.3.<br />
Transformer 2. Verwandlung zwischen<br />
Mann und Frau<br />
16.3 - 2.4.<br />
Naturhistorisches Museum der<br />
Burgergemeinde Bern<br />
Bernastrasse 15, 3005 Bern<br />
Mo 14:00-17:00 h / Di/Do/Fr 9:00-17:00 h<br />
Mi 9:00-18:00 h, Sa&So 10:00-17:00 h<br />
«haarsträubend: Tier – Mensch – Kommunikation»<br />
bis 1.7.<br />
Wasserwelten<br />
Fotografien von Michel Roggo<br />
bis 19.4.<br />
Psychiatrie Museum Bern<br />
Bolligenstrasse 111, 3060 Bern<br />
Mi 14:00-16:00 h<br />
Neben historisch wichtigen Gegenständen<br />
und Dokumenten beherbergt das Museum<br />
auch eine Sammlung bildnerischer Patientenarbeiten,<br />
die mehrheitlich auf jener Morgenthalers<br />
beruht. Sie umfasst über 2500<br />
Bilder (Zeichnungen, Aquarelle, Ölbilder<br />
und Collagen), rund 1500 Textblätter sowie<br />
viele Stoffarbeiten, Objekte aus Holz, Ton,<br />
Keramik und anderen Materialien.<br />
Schloss Landshut<br />
Schweizer Museum für Wild & Jagd<br />
3427 Utzenstorf<br />
Di-Sa 14:00-17:00 h<br />
Das Schloss ist bis und mit 12.5. geschlossen<br />
Schloss Münsingen<br />
Schlossstrasse 13, 3110 Münsingen<br />
jeweils am Sonntag, 14.00 - 17.00 Uhr oder<br />
nach Vereinbarung<br />
Das Schlossgut<br />
Von der Twingherrschaft über den kantonalen<br />
Gutsbetrieb zum Kulturzentrum der Gemeinde<br />
bis 1.4.<br />
Schlossmuseum Thun<br />
Schlossberg 1, 3600 Thun<br />
Im März 13:00-16:00 h<br />
Das historische Museum mit einmaliger<br />
Aussicht auf Stadt, See und Alpen.<br />
Schweizerische Landesbibliothek<br />
Hallwylstrasse 15, 3003 Bern<br />
Mo-Fr 9:00-18:00 h, Mi bis 20:00 h / Sa<br />
9:00-16:00 h / So 12:00-17:00 h<br />
Exzellenzen: Botschafter und Diplomaten in<br />
der Schweiz<br />
Vernissage: 27.3., 18:30 h<br />
28.3. - 5.5.<br />
Schweizerisches Alpines Museum<br />
Helvetiaplatz 4, 3005 Bern<br />
Mo 14:00-17:00 h / Di-So 10:00-17:30 h<br />
«Gletscher im Treibhaus. Ernste Signale<br />
aus der alpinen Eiswelt»<br />
Vom gewaltigen Eisstrom des Rhônegletschers,<br />
der auf der Postk<strong>art</strong>e von 1900 hinter<br />
dem Hotel Belvédère ins Tal gleitet, ist<br />
auf der aktuellen Aufnahme nichts mehr zu<br />
sehen. Stattdessen nackter grauer Fels, ein<br />
Bach und die zurückgezogene Gletscherzunge<br />
weit oberhalb des Hotels.Ein einzig<strong>art</strong>iges<br />
Landschaftsbild droht verloren zu<br />
gehen. Gehören wir zur letzten Generation,<br />
die die gross<strong>art</strong>igen Eisriesen bewundern<br />
kann?<br />
bis 25.3.<br />
Schweizerisches<br />
Schützenmuseum Bern<br />
Bernastrasse 5, 3005 Bern<br />
Di-Sa 14:00-17:00 h / So 10:00-12:00 h &<br />
14:00-17:00 h<br />
Universitätsbibliothek Bern<br />
Münstergasse 61-63, 3011 Bern<br />
Mo-Fr 8:00-19:00 h / Sa 8:00-12:00 h<br />
Stiftung Historisches Erbe SBB<br />
Bollwerk 12, 3000 Bern 65<br />
Mo-Fr 9:00-12:00 h & 13:30-17:00 h<br />
Die Infothek der Schweizer Bahngeschichte<br />
zum Nachlesen und Ansehen.<br />
Unsere öffentlich zugängliche Infothek bietet<br />
Ihnen u. a. folgende Dienstleistungen<br />
an: regelmässige Publikation ausgewählter<br />
Neuerscheinungen. Beratung in Dokumentationsfragen<br />
und bei Recherchen. Leseplätze<br />
mit Internetarbeitsplatz, Lexika usw.<br />
Konsultationsmöglichkeit für aktuelle Zeitschriften,<br />
Wörterbücher, Nachschlagewerke<br />
und aktuelle Fahrpläne ausländischer Bahnunternehmungen.<br />
Zentrum Paul Klee<br />
Monument im Fruchtland 3, 3031 Bern<br />
Di-So 10:00-17:00 h / Do 10:00-21:00 h<br />
Kindermuseum Creaviva 10:00-17:00 h, Do<br />
bis 21:00 h<br />
Rémy Zaugg – Nachbar Tod und die<br />
Wahrnehmung<br />
bis 3.6.<br />
Oscar Wiggli – Körper – Raum – Klang<br />
bis 13.5.<br />
Sämtliche Führungen und Aktivitäten finden<br />
Sie in der ensuite - kulturmagazin-agenda<br />
und unter www.zpk.org<br />
<strong>art</strong>ensuite März 03 | 07