ABSCHRIFT
ABSCHRIFT
ABSCHRIFT
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
- 2 -<br />
Zugleich aber erfahren wir die Bibel auch als M e n s c h e n w o r t :<br />
Wir haben das Zeugnis von Gottes Reden und Handeln nur in geschichtlicher Gestalt:<br />
a) Die Z e u g e n G o t t e s stehen an einem geschichtlichen Ort und sind den<br />
geschichtlich bedingten Vorstellungen in astronomischer, geographischer,<br />
naturwissenschaftlicher und geschichtlicher Hinsicht unterworfen – ohne darin<br />
gefangen zu sein.<br />
b) Die biblischen Schriften sind in einer geschichtlichen Situation entstanden<br />
und zunächst an geschichtlich bestimmte Empfänger gerichtet (Prophetenbücher,<br />
Briefe ...), ohne sich darin zu erschöpfen.<br />
c) Die Festlegung der zur Bibel gehörenden Bücher (=Kanon) geschah in einem<br />
langen geschichtlichen Prozeß, in dem einzelne Bücher (z. B. 2. Petrusbrief, 2. und<br />
3. Johannesbrief, Hebräerbrief, Offenbarung) lange umstritten waren. Noch heute<br />
gibt es über die Zugehörigkeit einzelner Schriften zur Bibel unterschiedliche<br />
Meinungen (z. B. die Apokryphen im AT der katholischen Kirche).<br />
Dieses und manches andere zeigt, daß die Bibel Gotteswort und Menschenwort in<br />
einem ist, wobei sich Gotteswort und Menschenwort nicht gegeneinander abgrenzen<br />
oder voneinander trennen lassen. Ihr Verhältnis in der Schrift entspricht dem Verhältnis<br />
der zwei Naturen in Jesus Christus: Die Bibel ist g a n z Gotteswort und g a n z<br />
Menschenwort, genauso wie Jesus Christus – das fleischgewordene Wort Gottes –<br />
g a n z Gottessohn und g a n z Menschensohn ist. Wir haben den Schatz des göttlichen<br />
Wortes im irdenen Gefäß des menschlichen Wortes (vgl. 2. Kor. 4,7).<br />
„Schlechte und geringe Windeln sind es, aber teuer ist der Schatz, Christus, der drinnen<br />
liegt.“ (Luther – WA, Deutsche Bibel 8, 13, 7) Zitiert bei M. Kähler „Aufsätze zur<br />
Bibelfrage“ Seite 54, Anmerkung, EVA 1967.<br />
2. Die Ursprünge der historisch-kritischen Forschung<br />
In der geschichtlichen Gestalt (= Knechtsgestalt) des Wortes Gottes ist seine kritische<br />
Betrachtung begründet. So wahr es ist, daß geistliche Dinge nur geistlich beurteilt<br />
werden können (1. Kor. 2), so wahr ist es auch, daß geschichtlich Gewordenes<br />
geschichtlich beurteilt werden muß. Ihre Ansatzpunkte finden kritische Betrachter der<br />
Bibel bereits im Neuen Testament, und zwar in dem „Ich aber sage euch“ Christi in der<br />
Bergpredigt (vlg. auch Luk. 9, 54-55), in dem unterschiedlichen Werten des Paulus im<br />
Blick auf seine eigenen Worte und die Worte des Herrn (1. Kor. 7,25) und in der<br />
wiederholten Aufforderung zur Prüfung der Weissagungsrede in den Briefen des Neuen<br />
Testaments (1. Thess. 5,21; 1. Kor. 14,29).<br />
Schon manche Kirchenväter (Origines, Tertullian und Irenäus) haben kritische<br />
Nachrichten über den Kanon mitgeteilt. Zwar beruhigen sich diese Bedenken in der<br />
alten Kirche mit der Festlegung des Kanons im Jahre 367 (39. Osterschreiben des<br />
Athanasius, bestätigt 397 auf der Synode von Karthago), doch mit dem ernsthaften<br />
Bibelstudium besonders seit der Reformationszeit wurden sie wieder wach. Luther stellt<br />
aus dieser Sicht den Hebräerbrief, Judas- und Jakobusbrief und die Offenbarung ohne<br />
Numerierung an den Schluß seines September-Testaments 1522, weil sie nicht<br />
„Christum treiben“. Auch erkannte er sachliche Widersprüche im Neuen Testament, die<br />
für ihn unausgleichbar waren (Paulus-Jakobus). Das alles stellt ihm die Autorität der