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Die Fernwärme - Verband Fernwärme Schweiz

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Renaissance der nuklearen <strong>Fernwärme</strong>?<br />

Konstantin Foskolos, Paul Scherrer Institut<br />

<strong>Fernwärme</strong> aus Kernkraftwerken war Anfang bis Mitte der 80er Jahre buchstäblich ein heisses Thema in der<br />

<strong>Schweiz</strong> und auch international. Allerdings liegen ihre Anfänge viel weiter zurück: In Schweden fing man an<br />

über die Nutzung von Kernenergie für Heizzwecke Mitte der 50er Jahre, nach der Genferkonferenz zu diskutieren;<br />

daraus entstand das Ågesta Heizkraftwerk südlich von Stockholm. Mit 12 MW (elektrisch) und 68<br />

MW (thermisch) war dieses zwischen l963 und l974 in Betrieb. In der Sowjetunion hat man für die Fernheizung<br />

der sibirischen Städte Gorky und Voronezh grosse Heizreaktoren, die AST-500 entworfen und mit deren<br />

Realisierung begonnen; als das System zusammenbrach, waren diese Anlagen zu 83% bzw. 31% fertig<br />

gestellt. Anfang der 80er Jahre nahm auch die VR China die Entwicklung von Heizreaktoren in Angriff; mit<br />

Europäischer Hilfe (zahlreiche chinesische Wissenschaftler weilten seinerzeit auch im ehemaligen EIR in<br />

Würenlingen) wurde auf dem Campus der Quinhua Universität in Beijing der Heizreaktor NHR-5 gebaut<br />

und 1989 in Betrieb genommen.<br />

In der <strong>Schweiz</strong> fasste man nach bundesrätlicher Empfehlung von Willy Ritschard im Jahr 1979 die Nutzung<br />

der Abwärme aller Kernkraftwerke ins Auge. Wenig später wurden auch Projektstudien für die Entwicklung<br />

kleiner Heizreaktoren für die sog. nukleare Nahwärme initiiert; beteiligt waren neben den ehemaligen EIR<br />

und SIN auch die grossen Industriefirmen (Sulzer, BBC) und Ingenieurbüros (Motor Colombus, Elektrowatt).<br />

Das Ende dieser Projekte kam mit dem Kollaps der Erdölpreise 1986 und dem zeitgleichen Tschernobyl-Unfall.<br />

Von allen <strong>Fernwärme</strong>projekten in der <strong>Schweiz</strong>, welche die Abwärme von Kernkraftwerken nutzen sollten,<br />

wurde einzig Refuna realisiert. Im heutigen Ausbaustadium umfasst das von den KKW Beznau I und II gespeiste<br />

Netz 31 km Hauptleitungen und 99 km Verteilleitungen. Mit einer Anschlussleistung von knapp 77<br />

MW versorgt es 2360 Kunden mit etwa 135 GWh Wärme pro Jahr. Nach anfänglichen finanziellen Schwierigkeiten<br />

und einer radikalen Sanierung im Jahr 2001 arbeitet heute Refuna wirtschaftlich und bietet den<br />

Kunden zuverlässig Wärme zu einem gegenüber Erdöl und Gas (noch ohne CO2-Taxen!) konkurrenzfähigem<br />

Preis. Würde diese Wärmemenge mit Erdöl produziert, entstünden jährlich zusätzliche 44'000 Tonnen CO2.<br />

Zurückgestellt wurden dagegen die Projekte Transwaal (ebenso von Beznau gespeist, geplante Anschlussleistung<br />

750 MW), FOLA (gespeist vom KKW Gösgen, geplante Anschlussleistung 140 MW) und Warheno<br />

(gespeist u.a. vom KKW Leibstadt, geplante Anschlussleistung 795 MW). Läge man für diese nicht realisierte<br />

Netze die gleiche effektive jährliche Betriebszeit wie für Refuna zugrunde, so ergäben sich jährliche<br />

Wärmemengen von insgesamt knapp 3000 GWh oder 10'000 TJ bei geringfügiger Reduktion der Stromproduktion<br />

der KKW. <strong>Die</strong> Nutzung dieser Wärmemenge würde wiederum eine CO2-Reduktion von knapp<br />

1'000'000 Tonnen/Jahr gegenüber Erdöl bedeuten.<br />

Der Endenergieverbrauch an fossilen Energieträgern in der <strong>Schweiz</strong> betrug 2005 617'000 TJ. Mit den 10'000<br />

TJ <strong>Fernwärme</strong> aus Kernkraftwerken könnten etwa 1.7% der fossilen Energieträger substituiert werden. Grob<br />

würde damit auch der jährliche CO2-Ausstoss der <strong>Schweiz</strong> um etwa den gleichen Prozentsatz reduziert.<br />

Es wird empfohlen, die zurückgestellten Projekte hinsichtlich Realisierung nochmals kritisch zu überprüfen.<br />

Jährlich werden in den <strong>Schweiz</strong>er Kernkraftwerken etwa 25'000 GWh Strom erzeugt. Bei einem Wirkungsgrad<br />

von 33% wird etwa die doppelte Energiemenge, etwa 50'000 GWh oder 180'000 TJ als Abwärme in den<br />

Flüssen oder in die Luft abgegeben. <strong>Die</strong> zwei grössten Kernkraftwerke werden noch etwa 35 bis 40 Jahre in<br />

Betrieb sein, so dass längerfristig etwa 120'000 TJ an Abwärme verfügbar sein werden. <strong>Die</strong> aktuellen Prognosen<br />

deuten darauf hin, dass die Preise für fossile Energieträger noch markant steigen werden. <strong>Die</strong> Konkurrenzfähigkeit<br />

mit der <strong>Fernwärme</strong> aus Kernkraftwerken, welche heute einen kostendeckenden Plafond erreicht<br />

hat, scheint also gegeben zu sein.<br />

Ein Wiederbeleben der <strong>Fernwärme</strong>projekte mit Nutzung der KKW-Abwärme schafft keine erhöhte Abhängigkeit<br />

von der Kernenergie. Weil davon ausgegangen werden kann, dass die bestehenden Anlagen mit<br />

thermischen (nuklearen oder fossilen) Kraftwerken der gleichen Leistungsklasse ersetzt werden, wird auch<br />

über die Lebensdauer der heutigen KKW hinaus genügend Abwärme, voraussichtlich an den gleichen Standorten,<br />

vorhanden sein. Zugleich wird ein signifikanter Beitrag an die CO2-Reduktion geleistet (> 1.5%) und<br />

die thermische Belastung der Flüsse bzw. der Atmosphäre markant (um ~5.5%) reduziert.

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