Web 2.0 = Kommunikation 2.0? von Stephan Fink ... - ffpress.net
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<strong>Web</strong> <strong>2.0</strong> = <strong>Kommunikation</strong> <strong>2.0</strong>?<br />
<strong>von</strong> <strong>Stephan</strong> <strong>Fink</strong>, Vorstand <strong>Fink</strong> & Fuchs Public Relations<br />
AG<br />
Es war Oktober 2004, als Inter<strong>net</strong>-Pionier Tim O´Reilly eine<br />
Konferenz zum Thema „Netztrends“ in San Francisco „<strong>Web</strong><br />
<strong>2.0</strong>“ taufte. Seitdem ist viel passiert. So oft dieser Begriff<br />
gebraucht wird, so viele Definitionen und Vorstellungen<br />
verbinden sich mit ihm. Kürzlich war auf den Seiten des PR-<br />
Blogs <strong>von</strong> Klaus Eck anlässlich des ersten Word-of-Mouth<br />
Marketing Tags sogar schon <strong>von</strong> „<strong>Kommunikation</strong> <strong>2.0</strong>“ die<br />
Rede. Die Möglichkeiten des Viral Marketings standen dabei<br />
im Mittelpunkt. Doch wofür steht <strong>Web</strong> <strong>2.0</strong> nun wirklich, worin<br />
besteht der Unterschied zur „Vorgängerversion“ und welche<br />
Implikationen ergeben sich für die <strong>Kommunikation</strong>? Kann<br />
man in diesem Zusammenhang bereits <strong>von</strong> der<br />
„<strong>Kommunikation</strong> <strong>2.0</strong>“ sprechen?<br />
<strong>Web</strong> <strong>2.0</strong> – Alter Wein in neuen Schläuchen?<br />
Kürzlich verfolgte ich eine Diskussion der brand eins<br />
community auf openBC, in der es um die Bedeutung des<br />
<strong>Web</strong> <strong>2.0</strong> ging. Ein Teilnehmer unterstrich vehement die<br />
Bedeutungslosigkeit des Begriffs „<strong>Web</strong> <strong>2.0</strong>“ und<br />
proklamierte, dass es sich bei diesem Phänomen lediglich<br />
um ein paar neue Ideen einiger Entwickler handele. Letztlich<br />
wäre es doch nur alter Wein in neuen Schläuchen. Die<br />
Antwort eines anderen Diskutanten darauf war, dass er es<br />
doch amüsant fände, <strong>von</strong> der Bedeutungslosigkeit des <strong>Web</strong><br />
<strong>2.0</strong> auf einer Online-Plattform zu sprechen, die exemplarisch<br />
für genau dieses Phänomen stehe.<br />
Aus diesem kurzen Dialog lässt sich einiges ableiten.<br />
Nahezu alles wird heute mit dem Begriff „<strong>Web</strong> <strong>2.0</strong>“<br />
verbunden, unabhängig da<strong>von</strong>, ob es sich um alte oder neue<br />
Konzepte und Technologien handelt. Dieser inflationäre<br />
Gebrauch macht eine Abgrenzung daher so schwierig.
Dieter Rappold <strong>von</strong> der Agentur Knallgrau, sagte bei einer<br />
Veranstaltung <strong>von</strong> <strong>Fink</strong> & Fuchs PR, dass bei der<br />
Technologie ein Paradigmenwechsel <strong>von</strong> prozess- zu<br />
personenorientierter, zu so genannter Social Software<br />
stattfinde. Wir pflegen heute unser Kontakt<strong>net</strong>z via openBC,<br />
managen und teilen unser Wissen mit Blog-Software,<br />
gestalten unsere Identität aktiv über Einträge in Blogs, Wikis,<br />
etc., suchen freies Bildmaterial auf Flickr.com und „schlagen“<br />
bei Wikipedia unbekannte Fachbegriffe nach.<br />
Wie viel Technologie steckt drin?<br />
Im Ursprung war das Inter<strong>net</strong> ein Verbund ver<strong>net</strong>zter Server<br />
für den Forschungsbereich. Anfang der 90er Jahre<br />
kombinierte Tim Berners-Lee bereits existierende Hypertext-<br />
Systeme mit diesen Servern. Dank der HTML-Syntax und<br />
dem Hyperlink-Prinzip konnte jede beliebige <strong>Web</strong>seite auf<br />
jedem beliebigen Server aufgerufen werden. Zu Beginn des<br />
Inter<strong>net</strong>zeitalters war das <strong>Web</strong> 1.0 also die Gesamtheit <strong>von</strong><br />
unzähligen statischen <strong>Web</strong>seiten, die über Links erreicht<br />
wurden. <strong>Web</strong> <strong>2.0</strong> dagegen ist eine Weiterentwicklung, die<br />
auf neuen, offenen <strong>Web</strong>technologien und Standards basiert.<br />
So genannte Mashups ermöglichen zudem eine<br />
beschleunigte Programmierung <strong>von</strong> <strong>Web</strong>seiten, die<br />
Datenströme aus verschiedenen Quellen in kürzester Zeit<br />
zusammenführen. Diese technologische Ver<strong>net</strong>zung<br />
gekoppelt mit „Social Software“ bildet letztlich die Grundlage<br />
für neue Formen sozialer Ver<strong>net</strong>zung, die ihren Ausdruck in<br />
Plattformen wie Flickr, del.icio.us, Youtube oder openBC<br />
finden.<br />
Was ist eigentlich revolutionär am <strong>Web</strong> <strong>2.0</strong>?<br />
Das eigentlich neue, alles verändernde Kernelement <strong>von</strong><br />
<strong>Web</strong> <strong>2.0</strong> ist der „Austausch und die Interaktion der Nutzer<br />
untereinander“, so Ossi Urchs. Auch wenn dies erst neue<br />
technische Tools und Oberflächen ermöglichten, so reicht<br />
die Bedeutung dieses Phänomens weit über die technische<br />
Dimension hinaus. Verkörperte das <strong>Web</strong> 1.0 noch vor gut
fünf Jahren vorrangig lineare, absatzorientierte<br />
<strong>Kommunikation</strong>, so steht laut Urchs heute die interaktive,<br />
multimediale und personalisierte <strong>Kommunikation</strong> im<br />
Mittelpunkt. The Economist sprach kürzlich sogar vom<br />
„Zeitalter der Partizipation“. Alleine 70 Millionen <strong>Web</strong>logs<br />
weltweit belegen diesen Trend eindrucksvoll. Doch was<br />
bedeutet dieser Wandel nun für die <strong>Kommunikation</strong>?<br />
Das alte <strong>Kommunikation</strong>smodell hat ausgedient<br />
Durch die Interaktionsmöglichkeiten des <strong>Web</strong> <strong>2.0</strong> wird das<br />
klassische <strong>Kommunikation</strong>smodell abgelöst. Gab es früher<br />
den Sender, der seine Botschaft an definierte Empfänger<br />
richtete, ist heute jeder Empfänger gleichzeitig auch Sender.<br />
<strong>Kommunikation</strong>swissenschaftler nennen dieses Prinzip auch<br />
„many-to-many-communication“, sprich: Viele<br />
kommunizieren mit Vielen. Die lineare<br />
Massenkommunikation wird durch die bidirektionale<br />
<strong>Kommunikation</strong> ergänzt oder abgelöst. Auf dieser Grundlage<br />
bauen spezifisch interessierte Communities im Netz ihre<br />
eigenen Themenwelten auf, die an klassischen<br />
Informationswegen vorbei ihre Diskurse führen. Die<br />
„Öffentlichkeit“ dieser Interessensgruppen oder<br />
Themenwelten macht diese jedoch auch erkennbar und<br />
gestattet – bei sensiblem Vorgehen – den Zugang. Medien<br />
und Wirtschaft werden sich hierauf einstellen müssen.<br />
Dass die <strong>Kommunikation</strong> heute nicht mehr hierarchisch zu<br />
„managen“ ist, haben beispielsweise die Macher der<br />
Kampagne „Du bist Deutschland“ sehr nachhaltig erfahren.<br />
Schon relativ schnell gab es mehrere hundert abgewandelte<br />
Kampagnenmotive und hunderttausende Blog-Einträge, die<br />
meist äußerst kritisch mit der Kampagne umgingen. Als<br />
zeitweise das globale Google-Ranking anführende<br />
Wortkombination hat „Du bist Deutschland“ zwar eine riesige<br />
Bekanntheit erfahren und eine auch notwendige Diskussion<br />
ausgelöst. Ob dies jedoch das Ziel der Macher war, bleibt<br />
offen.
Die Menschen werden selbstbewusster und zunehmend<br />
kritischer, wenn es um die Verarbeitung (klassisch)<br />
übermittelter Informationen geht. Sie hinterfragen, tauschen<br />
sich in Online Communities aus, publizieren ihre Meinung in<br />
<strong>Web</strong>logs und bestimmen dank RSS-Technologie ihre<br />
Informationsquellen und –inhalte unabhängig <strong>von</strong> Zeit und<br />
Ort völlig autonom. Wer seine <strong>Kommunikation</strong> mit seinen<br />
Beziehungsgruppen nicht sukzessive rückkanalfähig<br />
ausgestaltet, könnte in absehbarer Zukunft spürbare<br />
Wettbewerbsnachteile bekommen. Und wer Angst vor<br />
kritischen Postings hat, wird die Chancen des <strong>Web</strong> <strong>2.0</strong> wohl<br />
verpassen.<br />
Was heißt das für die Unternehmenskommunikation?<br />
Das sich auf allen Ebenen ändernde <strong>Kommunikation</strong>sverhalten<br />
zwingt Unternehmen bzw. ihre PR- und<br />
Marketingabteilungen die Chancen und Risiken genau<br />
abzuwägen. Es wäre fahrlässig, die aktuellen Ausprägungen<br />
des <strong>Web</strong> <strong>2.0</strong> als vorübergehende Mode einzuordnen. Wie<br />
bereits gezeigt, geht es nicht alleine um technische<br />
Optionen. Diese sind vielmehr als Katalysator für eine längst<br />
vorhandene Denkhaltung zu begreifen. Kunden möchten<br />
heute weniger denn je bevormundet und mit gefilterten<br />
Informationen gefüttert werden. Instrumente wie <strong>Web</strong>logs,<br />
Podcasts oder Wikis geben ihnen jetzt auch die Macht, diese<br />
Denkhaltung zu leben. Dies haben Unternehmen wie Jamba<br />
oder Kryptonite bereits schmerzhaft zu spüren bekommen.<br />
Andere wie BMW, IBM, Microsoft oder Frosta nutzen die<br />
Chancen.<br />
Unter dem Eindruck des ersten Inter<strong>net</strong> Hypes wurden diese<br />
Veränderungen der Märkte bereits 1999 in den 95 Thesen<br />
des weithin bekannten Cluetrain Manifesto vorhergesagt. In<br />
den Thesen heißt es sinngemäß, dass ver<strong>net</strong>zte Gespräche<br />
„kraftvolle neue Formen der sozialen Ordnung“ schaffen.<br />
Menschen in ver<strong>net</strong>zten Märkten könnten sich darüber
hinaus gegenseitig mehr Informationen über die Produkte<br />
bieten als die Unternehmen selbst. Diese Prophezeiung wird<br />
nun mehr und mehr Realität. Insbesondere durch die<br />
Blogosphäre erhalten Konsumenten die Möglichkeit, sich<br />
über Erfahrungen mit Produkten und Services<br />
auszutauschen, was Ihnen letztlich eine gewisse Macht<br />
gegenüber den Unternehmen verleiht.<br />
Chancen und Risiken für PR und Marketing<br />
Aufgrund des hohen Ver<strong>net</strong>zungsgrades können<br />
<strong>Kommunikation</strong>skrisen heute in wenigen Stunden oder gar<br />
Minuten zu Unternehmenskrisen anwachsen und ernsthaften<br />
Schaden anrichten. Durch das Zusammenspiel klassischer<br />
Medien und der Blogosphäre gelangen mittlerweile auch<br />
Nischenthemen an die breitere Öffentlichkeit, die den Weg<br />
dorthin vorher nie geschafft hätten. Alle reden plötzlich mit.<br />
Zudem verlängert sich der Lebenszyklus kritischer Themen<br />
(Issues), die oftmals zuerst in Online-Communities<br />
aufkommen. Ab einer gewissen (Suchmaschinen-) Relevanz<br />
werden sie <strong>von</strong> den Massenmedien aufgegriffen und<br />
großflächig verbreitet, um im Nachgang in den Online-<br />
Communities weiter diskutiert zu werden. Ernsthaft in Gefahr<br />
begibt sich, wer hier durch manipulierte Blog-Einträge<br />
versucht, sein Image zu retten.<br />
Den Unternehmen bieten sich aber auch Chancen. Themen<br />
lassen sich durch Blog-Monitoring (über Technorati,<br />
Blogstats oder auch Google Blogsearch) auf einfache Weise<br />
früh erkennen und können im Vorfeld entschärft oder für die<br />
eigene <strong>Kommunikation</strong>sarbeit nutzbar gemacht und aktiv<br />
gestaltet werden. Über einen Corporate Blog lassen sich<br />
wertvolle Meinungen und Produktanregungen der Kunden<br />
gewinnen, die idealerweise in die Produkt- oder<br />
Serviceentwicklung einfließen. Über Agenda Setting in Blogs<br />
und anderen Communities lassen sich Themen lancieren,<br />
Märkte vorbereiten und Verbündete gewinnen. Auch der<br />
Einsatz des viralen Marketings in Form der
Mundpropaganda bekommt durch die starke Ver<strong>net</strong>zung<br />
ebenfalls eine ganz neue Bedeutung und öff<strong>net</strong><br />
beispielsweise Produkt-Launches vielseitige Möglichkeiten.<br />
Am wichtigsten jedoch: die neuen Tools erweitern die<br />
kommunikative Einflussnahme und zwingen zur aktiven<br />
Gestaltung der Netz-Identität <strong>von</strong> Unternehmen, Marken<br />
oder Persönlichkeiten. Wenn man das Management seiner<br />
Identität nicht selbst in die Hand nimmt, werden es andere<br />
tun. Und in Zeiten, in denen die Gleichung<br />
„Recherchieren=Googlen“ gilt, treten Netzidentitäten immer<br />
stärker in den Vordergrund.<br />
Fazit<br />
Neben den Massenmedien müssen sich auch die<br />
Unternehmen vom klassischen Sender-und-Empfänger<br />
Prinzip verabschieden und ihr Sendungsmonopol aufgeben.<br />
Diese grundlegende Änderung könnte für die<br />
„<strong>Kommunikation</strong> <strong>2.0</strong>“ stehen. Nur wer sich mit den neuen<br />
Möglichkeiten aktiv auseinandersetzt, sich auf die<br />
Veränderung einlässt und auf authentische Weise in die<br />
neue Form des Dialogs eintritt, wird langfristig erfolgreiche<br />
<strong>Kommunikation</strong> betreiben.