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Altenholzer Thesen (1) Folter – Heiligt der Zweck die Mittel?

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PKA`in Ann-Kathrin Hentschel, Altenholz 1<br />

<strong>Altenholzer</strong> <strong>Thesen</strong> (1)<br />

<strong>Folter</strong> <strong>–</strong> <strong>Heiligt</strong> <strong>der</strong> <strong>Zweck</strong> <strong>die</strong> <strong>Mittel</strong>?<br />

Am 3.9.2009 wurde durch den Fachbereich Polizei <strong>der</strong> FHVD Schleswig-Holstein im<br />

Rahmen <strong>der</strong> Ringvorlesung „60 Jahre Grundgesetz“ <strong>die</strong> Son<strong>der</strong>lehrveranstaltung „<strong>Folter</strong> <strong>–</strong><br />

<strong>Heiligt</strong> <strong>der</strong> <strong>Zweck</strong> <strong>die</strong> <strong>Mittel</strong>?“ durchgeführt. Nach <strong>der</strong> Begrüßung durch den Präsidenten <strong>der</strong><br />

Hochschule, Karl Wagner, den Dekan des Fachbereichs Polizei, Hartmut Brenneisen, und<br />

den Innenstaatssekretär des Landes Schleswig-Holstein, Klaus Schlie, referierten zunächst<br />

Prof. Dr. Heribert Ostendorf, Leiter <strong>der</strong> Forschungsstelle für Jugendstrafrecht und<br />

Kriminalprävention an <strong>der</strong> Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, und Prof. Dr. Volker Erb<br />

vom Juristischen Seminar <strong>der</strong> Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, fachlich fun<strong>die</strong>rt zu<br />

unterschiedlichen Rechtsauffassungen hinsichtlich <strong>der</strong> so genannten Rettungsfolter und<br />

stellten sich anschließend <strong>der</strong> Diskussion mit den etwa 200 Veranstaltungsteilnehmerinnen<br />

und -teilnehmern. Nach einer Pause kamen <strong>der</strong> Strafverteidiger von Magnus Gäfgen 2 , Dr.<br />

Michael Heuchemer, sowie <strong>der</strong> Justizminister des Landes Nie<strong>der</strong>sachsen a.D., Dr. Rolf<br />

Weber, zu Wort, bevor Dekan Hartmut Brenneisen gemeinsam mit PK’in Anja Wenisch,<br />

Polizeidirektion Ratzeburg, und PK Marc Bury, Polizeidirektion Flensburg, abschließend über<br />

das Projekt „<strong>Folter</strong> versus Menschenwürde“ des Fachbereichs Polizei berichteten.<br />

Auf <strong>die</strong>ser Grundlage wurden <strong>die</strong> nachfolgenden <strong>Thesen</strong> erstellt, <strong>die</strong> <strong>die</strong> rechtliche und<br />

ethische Brisanz und Wi<strong>der</strong>sprüchlichkeit des Themas deutlich machen sollen: 3<br />

1. Das <strong>Folter</strong>verbot ist fester Bestandteil des internationalen und nationalen Rechts. Es<br />

gilt ohne Einschränkungen.<br />

2. Das <strong>Folter</strong>verbot ist eine Errungenschaft <strong>der</strong> zivilisierten Welt, eine Grenzmarke: Bis<br />

hierher und nicht weiter. Wenn <strong>der</strong> Staat foltert, gefährdet er das, was auch Terroristen<br />

bekämpfen, <strong>die</strong> Grundsätze unserer freiheitlichen Demokratie.<br />

3. Der Beschuldigte darf in einer Vernehmung niemals zum bloßen Objekt staatlichen<br />

Handelns gemacht werden.<br />

4. Es darf in keinem Fall eine Relativierung <strong>der</strong> Menschenwürde geben, da sie als<br />

höchstes Gut das Fundament <strong>der</strong> Rechtsstaatlichkeit bildet.<br />

5. Notwehr- und Notstandsrechte können polizeiliches Handeln niemals in Form einer<br />

Eingriffsermächtigung legitimieren.<br />

6. Der Staat ist um des Menschen willen da, und nicht <strong>der</strong> Mensch um des Staates willen.<br />

7. § 136a StPO enthält als beson<strong>der</strong>e Ausprägung des Art. 1 Abs. 1 GG <strong>die</strong> verbotenen<br />

Vernehmungsmethoden. Der Bestimmung ist <strong>der</strong> Grundsatz zu entnehmen, dass <strong>die</strong>


Wahrheit im Strafverfahren nicht um jeden Preis, son<strong>der</strong>n nur in justizförmiger Weise,<br />

d.h. in einem rechtsstaatlich geordneten Verfahren erforscht werden darf.<br />

8. Das <strong>Folter</strong>verbot ist in vielen Staaten ethisch nicht verankert. Nicht selten wird mit dem<br />

Erfolg <strong>der</strong> Ermittlungen auch <strong>die</strong> Ermittlungsmethode legitimiert.<br />

9. Wer foltert nimmt nicht nur dem Straftäter <strong>die</strong> Menschenwürde, <strong>der</strong> <strong>Folter</strong>er entwürdigt<br />

sich auch selbst.<br />

10. Mit möglichen Ausnahmen vom <strong>Folter</strong>verbot verstößt <strong>der</strong> Staat gegen moralische<br />

Grundsätze und erhöht <strong>die</strong> Missbrauchsgefahr. Dies gilt sowohl für präventive als auch<br />

für repressive Zielstellungen.<br />

1 PKA`in Ann-Kathrin Hentschel stu<strong>die</strong>rt zurzeit im 5. Semester des Stu<strong>die</strong>nganges<br />

„Polizeivollzugs<strong>die</strong>nst (B.A.)“ im Fachbereich Polizei <strong>der</strong> FHVD Schleswig-Holstein. Die<br />

„<strong>Altenholzer</strong> <strong>Thesen</strong>“ wurden von Frau Hentschel und <strong>der</strong> Stu<strong>die</strong>ngruppe P 2 <strong>–</strong> 2007/08<br />

formuliert und zusammengestellt. Die Betreuung erfolgte durch Frau Dr. Susanne Kischewski.<br />

2 Entführungs- und Mordfall zum Nachteil des Bankiersohnes Jakob von Metzler im Jahre 2002.<br />

3 Zur Vertiefung vgl. Lorenz, 2008, Verteidigung <strong>der</strong> Menschenrechte für eine folterfreie Welt,<br />

NordÖR, S. 209; Ostendorf, 2005, <strong>Folter</strong>; Erb, 2005, Nothilfe durch <strong>Folter</strong>, JURA, S. 24;<br />

Brenneisen, 2004, <strong>Heiligt</strong> <strong>der</strong> <strong>Zweck</strong> <strong>die</strong> <strong>Mittel</strong>? <strong>–</strong> Beson<strong>der</strong>e Ermittlungsmethoden <strong>der</strong> Polizei,<br />

DuD, S. 711; Gebauer, 2004, Zur Grundlage des absoluten <strong>Folter</strong>verbots, NVwZ, S. 1405;<br />

Jerouschek/Kölbel, 2003, <strong>Folter</strong> von Amts wegen?, JZ, S. 613; Brugger, 2003, Absolut o<strong>der</strong> mit<br />

Ausnahmeregelung?, Polizei-heute, S. 137; Haurand/Vahle, 2003, Rechtliche Aspekte <strong>der</strong><br />

Gefahrenabwehr in Entführungsfällen, NVwZ, S. 513.

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