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Erinnerung an eine Utopie<br />

Russenfilme im 90. Jahr des Roten Oktober<br />

Lenin, vor 90 Jahren erster Regierungschef Russlands nach<br />

der Oktoberrevolution, adelte eine Kunstform dadurch, dass<br />

er sie die wichtigste nannte: den Film. Am 27. August 1919<br />

unterzeichnete er das „Dekret über die Übergabe und<br />

Leitung des Filmhandels und der Filmindustrie“ an das<br />

Volkskommissariat für Bildungswesen. So entstand die erste<br />

staatliche Kinematographie der Geschichte.<br />

Von den Ideen der Revolution begeistert, gingen junge<br />

Regisseure voller Enthusiasmus an die Arbeit. Die<br />

Kameraleute jener Jahre experimentierten, um den Atem der<br />

Zeit zu fixieren. Aber Filme sollten nicht nur die neue Epoche<br />

zeigen, sondern sie mitgestalten, vorwärts reißen. „Wenn<br />

mich die Revolution zur Kunst gebracht hat, so führte mich<br />

die Kunst mit Leib und Seele in die Revolution ein.“,<br />

schwärmte Sergej Eisenstein, das Genie dieser Bewegung.<br />

Künftige Filmklassiker wie „Panzerkreuzer Potemkin“ (R:<br />

Sergej Eisenstein; 1925), „Die Mutter“ (R: Wsewolod<br />

Pudowkin; 1926) oder „Ein Sechstel der Erde“ (R: Dsiga<br />

Wertow; 1926) entstanden. Revolutionsfilm wurde<br />

Weltfilmkunst, beachtet und gefürchtet in Deutschland und<br />

in allen Ländern mit eigenen Kinematografien und<br />

Revolutionserfahrungen.<br />

In den Jahren nach der Revolution, auf die ein verheerender<br />

Bürgerkrieg folgte, versuchte sich die junge Sowjetunion am<br />

Aufbau einer industriellen Volkswirtschaft, der Kollektivierung<br />

der Landwirtschaft und der Entwicklung eines<br />

umfassenden Bildungswesens. Gleichzeitig begann sich<br />

bereits in den 1920er Jahren ein paranoider Personenkult<br />

auszubreiten, der sich einen brutalen Unterdrückungsapparat<br />

schuf und Millionen zu Opfern machte – über<br />

Jahrzehnte ein Tabuthema, natürlich erst recht für die staatlich<br />

geförderte und überwachte Filmindustrie. Gewalt.<br />

Aufbau und Zerstörung. 1941 überfiel die deutsche<br />

Wehrmacht das durch Stalins Verfolgungswahn ge–<br />

schwächte Land.<br />

Unschuldige oder Andersdenkende, darunter Tausende<br />

Offiziere und Intellektuelle, waren in den berüchtigten<br />

Gulags verschwunden und zugrundegerichtet worden.<br />

Im Großen Vaterländischen Krieg starben bis 1945<br />

20 Millionen Sowjetbürger, der europäische Teil des<br />

Landes war verwüstet. Stalin ließ sich als Sieger feiern.<br />

Auf den Tod des Diktators 1953 folgte einige Jahre später<br />

eine kurze Periode des Tauwetters. Hoffnung auf eine moralische<br />

Neuordnung der Gesellschaft und schöpferische<br />

Freiheiten breitete sich aus. Aber die verkrusteten<br />

Strukturen des Staatswesens und der Einheitspartei obsiegten.<br />

Die bleierne Zeit der Restauration lähmte und beschnitt<br />

die Kreativen. Dennoch entwickelten sich in dem riesigen<br />

Land kraftvolle Filmbegabungen wie Andrej Tarkowski,<br />

Andrej Kontschalowski, Wassili Schukschin, Gleb Panfilow,<br />

Alexej German oder Kira Muratowa. Regisseure wie Sergej<br />

Paradschanow, Otar Iosseliani oder Bolot Schamschijew aus<br />

Georgien und Kirgisien traten mit überragenden Filmen an<br />

die Öffentlichkeit. Nicht wenige ihrer Arbeiten fielen der<br />

Zensur zum Opfer, wurden verstümmelt oder verschwanden,<br />

bis Glasnost und Perestroika ab Mitte der 80er neue<br />

Hoffnungen weckte. Kurz darauf zerbröckelte die „ruhmreiche<br />

Sowjetunion“. Nach einem politischen und sozialen<br />

Erdrutsch gibt es wiederum eine drastische Neuordnung in<br />

Politik, Gesellschaft, Familie und Beruf.<br />

Was ist von dem Riesenreich geblieben? Welche Werte gelten<br />

beim gnadenlosen Tanz ums goldene Kalb? Worauf<br />

kann man bauen? Was bleibt in den Arsenalen der<br />

Weltfilmkunst an Schätzen übrig?<br />

Wir zeigen eine kleine Auswahl von Filmen aus neun<br />

Jahrzehnten. Dazu ein Gespräch mit Insidern zum Thema:<br />

„Erinnerung an eine Utopie. Russenfilme im 90. Jahr des<br />

Roten Oktober“.<br />

DIE FILME<br />

Oktober Oktjabr 8., 10. u. 14.10.<br />

R: Sergej M. Eisenstein, D: Wassili Nikandrow, Wladimir Popow,<br />

Boris Liwanow, UdSSR 1927, 99’<br />

Zum 10. Jahrestags der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution<br />

drehte Sergej Eisenstein dieses Auftragswerk: Er<br />

zeigt die Oktoberrevolution und ihre Vorbereitung zwischen<br />

Februar und Oktober 1917 in Petrograd.<br />

In diesem grandiosen Film werden die bekannten Ereignisse<br />

weniger wiedergegeben als kommentiert und emotionalisiert.<br />

„Oktober“ wurde zum Schulbeispiel für den Aufbau<br />

von Massenszenen, die Gesetze der Bildkomposition und<br />

die Montage.<br />

Die Kommissarin Kommissar 9., 13. u. 14.10.<br />

R: Aleksandr Askoldow, D: Nonna Mordjukowa,Rolan Bykow,<br />

UdSSR 1967/1988, 109’<br />

Der Vater des Regisseurs, Kommissar im Bürgerkrieg, wurde<br />

1937 beschuldigt, Spion zu sein und erschossen. Die<br />

Mutter kam ins Lager, ihr fünfjähriger Sohn Aleksandr wurde<br />

von jüdischen Freunden versteckt und vor dem Heim<br />

bewahrt.<br />

Über diese Zeit drehte Askoldow einen monolithischen Film:<br />

Eine Kommissarin, fanatische Kämpferin für die Revolution –<br />

großartig gespielt von Nonna Mordjukowa – verändert sich<br />

durch Schwangerschaft, Geburt und Muttersein. Das einfühlsame<br />

Porträt der Kommissarin, die erst im Kontakt mit<br />

einer kinderreichen jüdischen Familie das eigentliche Leben<br />

kennenlernt, wird zu einer tiefgreifenden Auseinandersetzung<br />

mit lebensspendenden und lebensvernichtenden<br />

Kräften – mit Alltag, Krieg und Tod.<br />

Der Film erreicht eine Emotionalisierung, die frei vom Pathos<br />

des sowjetischen Revolutionsfilms und doch an dessen<br />

Bildsprache geschult ist. Das bildgewaltige Spielfilmdebüt<br />

wurde verboten, weil es an das heikle Thema der Judenpogrome<br />

in der frühen Sowjetunion rührt. Der Film kam erst<br />

1988 in die Kinos; er blieb sein einziger.<br />

Leuchte, mein Stern leuchte 8., 10. u. 13.10.<br />

Gori, Gori, Moja Sewesda<br />

R: Alexander Mitta, D: Oleg Tabakow, Oleg Jefremow,<br />

Jewgeni Leonow, UdSSR 1969, 93’<br />

Iskremas, ein junger, naiver Künstler, voller Leidenschaft für<br />

seine Ideale, zieht mit Pferd und Wagen über Land und<br />

macht in einer kleinen südrussischen Stadt Halt. In stetem<br />

Wechsel zwischen belustigenden und zutiefst erschütternden<br />

Szenen, als Spielball zwischen Weißen und Roten, folgt<br />

Iskremas – grandios gespielt von Oleg Tabakow – seiner<br />

Mission, den Massen die Kunst der Revolution nahe zu bringen.<br />

Auch wenn ihm der wendige Kinovorführer sein<br />

Publikum stiehlt, bei seiner Theater-Aufführung beinahe das<br />

Haus abbrennt und sein Freund, der Maler, einen sinnlosen<br />

Tod stirbt, glaubt er weiter an die Botschaft seiner Jeanne<br />

d’Arc: „Menschen, ich hatte euch lieb!“ Die stilisierte<br />

Parabel über ein Künstlerschicksal zu Beginn der 1920er<br />

Jahre des vorigen Jahrhunderts thematisiert die Spannung<br />

zwischen Künstler und Macht, Freiheit und Dogma – nicht<br />

als Drama, sondern als Komödie.<br />

Der erste Lehrer Perwyi utschitjel 15., 18. – 20.10.<br />

R: Andrej Kontschalowski, D: Bolot Bejschenalijew,<br />

Darkul Kujukowa, UdSSR 1966/1976, 76’<br />

Entstanden nach einer Erzählung des kirgisischen Schriftstellers<br />

Tschingis Aitmatow, erzählt der Film die Konfrontation<br />

eines jungen Komsomolzen mit den Feudalstrukturen<br />

einer dörflichen Gemeinschaft. Er gründet in einem entlegenen<br />

Gebirgsdorf die erste Schule und bewahrt ein<br />

Mädchen davor, das traurige Los der unterdrückten Frauen<br />

des Orients zu teilen.<br />

Schwarz-Weiß, Normalformat und der Verzicht auf optische<br />

Effekte lässt den Film betont asketisch wirken. In seinem<br />

Debüt vermied Kontschalowski das übliche monumentale<br />

Befreiungspathos und verzichtete auf folkloristisch-exotische<br />

Milieuschilderungen, was ihm internationales Ansehen<br />

eintrug.<br />

Der erste Lehrer Oktober Die Kommissarin Leuchte, mein Stern leuchte


Die Reue 15., u. 21.10.<br />

Pokajanie<br />

R: Tengis Abuladse, D: Awtandil Macharadse, Ija Ninidse,<br />

Merad Ninidse, UdSSR/Georgien 1984, OFmÜb, 146’<br />

Im letzten Film der Stagnationszeit wird die Geschichte<br />

eines Diktators und seines Volkes erzählt. Warlam Arawidse<br />

liquidiert nach und nach die Bevölkerung, löscht die alte<br />

Kultur und das historische Gedächtnis aus, lässt die<br />

Kathedrale sprengen, hofiert und korrumpiert einen Künstler<br />

und vernichtet ihn schließlich. Nach dem Tod des Diktators<br />

wird seine Leiche immer wieder ausgegraben. Die Täterin,<br />

die Tochter des hingerichteten Malers, wird für verrückt<br />

erklärt und in eine Anstalt gesperrt. Doch auch in Warlams<br />

Haus gibt es keinen Frieden. Sein Enkel begeht Selbstmord,<br />

weil er mit den Lügen nicht mehr leben kann. Nicht nur bei<br />

den Traumsequenzen, die dem Film eine zusätzliche Ebene<br />

geben, ließ sich Abuladse von den apokalyptischen<br />

Visionen Boschs und den surrealistischen Bildern Buñuels,<br />

inspirieren. Der materialistisch geprägten Diktatur setzt er<br />

die spirituelle Utopie der Kunst und des Christentums entgegen.<br />

Mein Freund Iwan Lapschin 16., 17. – 21.10.<br />

Moi drug Iwan Lapschin<br />

R: Alexej German, D: Andrej Boltnew, Nina Ruslanowa,<br />

UdSSR 1984, 102’<br />

Namenlose Provinz in den 1930er Jahren. Die Miliz im<br />

Kampf gegen kriminelle Banden, Diebe, Huren, Mörder.<br />

Das Stadttheater probt ein Stück über die Umerziehung von<br />

Verbrechern und Volksfeinden, die beim Kanalbau zu<br />

Aktivisten reifen. Realität und Utopie, Kunst und Leben. Ein<br />

Journalist aus der Hauptstadt verbindet sein Schicksal mit<br />

dem des Milizchefs Lapschin und der Schauspielerin<br />

Natascha zu einem zeitweiligen Dreieck. Bei seiner schmutzigen<br />

Arbeit träumt Lapschin von einem blühenden Garten,<br />

in den sich das Leben einst verwandelt. Die Helden haben<br />

eine Utopie, aber ihr Gefühl für die Realitäten der<br />

Gegenwart ist unterentwickelt. Historisch genau blättert der<br />

Regisseur verschiedene Erinnerungsschichten auf und<br />

ermöglicht einen differenzierten Blick auf die 1930er Jahre,<br />

frei von der ideologischen Verklärung der Stalinzeit.<br />

DIE FILME<br />

Iwans Kindheit Iwanowo Detstwo 16., 17., 19. – 21.10.<br />

R: Andrej Tarkowski, D: Kolja Burljajew, Walentin Subkow,<br />

Jewgeni Sharikow, UdSSR 1962, 95’<br />

Als „eine entzweigebrochene Welt“ bezeichneten Kritiker<br />

Iwans Kindheit in Tarkowskis gleichnamigen Erstling. Ein<br />

Jugendlicher, fast noch ein Kind mit seiner ungeschützten<br />

Seele wird mit Krieg und Gewalt konfrontiert und nimmt selber<br />

teil am harten Kampf. Was geht in seinem Innern vor, wie<br />

verformt sich für ihn der Sinn von Worten wie „Zuhause“,<br />

„Kindheit“, „mütterliche Liebe“? Tarkowski bricht in seinem<br />

Film mit der Tradition sowjetischer Kriegsfilme. Er erzählt nicht<br />

die Abenteuer eines kleinen Aufklärers, sondern eines<br />

Charakters, der vom Krieg verschlungen wird. Kolja Burlajew<br />

stellt diesen Elfjährigen als einen Jungen mit zerstörter Psyche<br />

dar. Dieser Eindruck wird durch die eckigen Bewegungen seines<br />

magereren Körpers, durch sein Stottern, seine Nervosität<br />

und Härte vermittelt, mehr aber noch durch den expressiven<br />

visuellen Stil, die kontrapunktische Ton-Bild-Montagen und<br />

die Überlagerung von Traum- und Realitätsebenen.<br />

Kalina Krasnaja 22., 23., 25., 28. u. 29.10.<br />

Roter Schneeballstrauch<br />

R: Wassili Schukschin, D: Wassili Schukschin, Lydia Fedossejewa-<br />

Schukschina, UdSSR 1974, 106’<br />

Der erst 45-jährige Regisseur starb kurz nach der Premiere<br />

1973. Schukschin selbst spielt den Dieb Jegor, gibt ihm seine<br />

Energie, seine Sehnsucht, seine Frechheit und seinen Humor.<br />

Jegors rotes Hemd erinnert an die Helden russischer<br />

Volksmärchen, sein Spitzname, „Gore“, bedeutet Leid – ein<br />

immer wieder variierter russischer Topos. Schukschins eigene<br />

Frau (Lidija Fedossejewa) spielt die Kolchosbäuerin Ljuba,<br />

die den Dieb nach seiner Haft aufnimmt und ihm helfen will,<br />

ein neues Leben als Traktorist anzufangen, aber innere und<br />

äußere Kräfte zerren an Jegor... . Gemeinsam verkörpern<br />

Ljuba und Jegor das, was man einst „russische Seele“ nannte:<br />

Gefühlsentladungen und pragmatischer Bauernverstand,<br />

kindliches Liebesbedürfnis und Zynismus, Schwäche, uneigennützige<br />

Güte und abgründige Bosheit ... Sie ragen unter<br />

den oft allzu schablonenhaften Helden des sowjetischen<br />

Kinos als originäre Figuren hervor, und so avancierte das tragische<br />

Märchen zum Lieblingsfilm sowjetischer Zuschauer<br />

und wurde auch in der DDR von Hunderttausenden geliebt.<br />

Bahnhof für Zwei 22., 24., 25., 27. u. 28.10.<br />

Woksal dlja Dwoich<br />

R: Eldar Rjasanow, D: Ljudmila Gurtschenko, Oleg Basilaschwili,<br />

Nikita Michalkow, UdSSR 1982, 138’<br />

Ein Gegenwartsmärchen über die verspätete Liebe einer<br />

Bahnhofskellnerin und eines durchreisenden Musikers: Er<br />

reist gezwungenermaßen, weil er eine Lagerhaft antreten<br />

muss. Die einsame, hart gewordene Frau regiert im heruntergekommenen<br />

Bahnhofsrestaurant, ihrem Reich, in dem sie<br />

nach Gutdünken schaltet und waltet. So demütigt und verhöhnt<br />

sie den unbeholfenen Gast, dem auch noch Geld und<br />

Papiere geklaut wurden. Aber irgendwann glimmt ein Funke<br />

und aus Sympathie wird allmählich Liebe, die sich diesen so<br />

ungleichen Menschen wie ein kostbares Geschenk offenbart.<br />

Rjasanows satirische Gabe schützt die warmherzige<br />

Komödie vor falschen Idealisierungen. Mit Ljudmila<br />

Gurtschenko und Oleg Basilaschwili hat er sie glänzend<br />

besetzt. Als charmanter, zynischer Schlafwagenschaffner<br />

und Schieber agiert Regisseur Nikita Michalkow höchstpersönlich.<br />

„Bahnhof für Zwei“ war bei Zuschauern und Kritikern<br />

der beliebteste Film seiner Zeit.<br />

Vogelscheuche Tschutschelo 23., 24., 27.,28. u. 31.10.<br />

R: Rolan Bykow, D: Kristina Orbakaite, Juri Nikulin,<br />

Jelena Sanajewa, UdSSR 1983, 125’<br />

Rolan Bykows Gruppenporträt aggressiver Jugendlicher ist<br />

anders als die verklärten Bilder von Teenagern aus Filmen<br />

der 1970er Jahre. Das eingespielte Gleichgewicht der<br />

Kräfte in einer Schulklasse wird durch die Einschulung einer<br />

Neuen, die als Außenseiterin empfunden wird, gestört. Ihre<br />

Andersartigkeit soll mit einem brutalen Boykott gebrochen<br />

werden. Die Jungen haben im Elternhaus Pragmatismus,<br />

Zynismus und Intoleranz gelernt. Der Film schildert minutiös<br />

die bedrohlichen Ausmaße eines Terrors, dem jeder ausgeliefert<br />

ist, der irgendwie aus der Norm fällt.<br />

Lena (gespielt von Kristina Orbakaite, der Tochter des Pop-<br />

Stars Alla Pugatschewa) und ihr Großvater, ein städtischer<br />

Kauz (gespielt von Clown Juri Nikulin) müssen am Ende die<br />

Stadt verlassen. Die schonungslose Kritik löste in der damaligen<br />

Sowjetunion eine heftige Diskussion aus und wurde im<br />

Nachhinein als Vorbote der von Gorbatschow eingeleiteten<br />

Reformen gewertet.<br />

Die Reue Iwans Kindheit Die Belovs<br />

Wächter des Tages 30. u. 31.10<br />

Dnevnoi Dozor<br />

R: Timur Bekmambetow, D: Konstantin Chabenski,<br />

Wladimir Menschow, Russland 2006, 131’<br />

Mix aus Geschichte und neuem Gewand, ein Kassenhit aus<br />

dem neuen Russland: Nachdem sich die Armeen des Hellen<br />

und des Dunklen Tausende von Jahren bekriegt haben, wird<br />

ein Waffenstillstand geschlossen. Wachen des Tages und<br />

der Nacht überprüfen dessen Einhaltung, eine neutrale<br />

Richterinstanz schlichtet Streitfälle. Aber alles wird unüberschaubar,<br />

denn es gibt Vampire, Zauberer und Hexen, die<br />

manchmal Ermittler- oder Ärzteteams aus US-Serien oder<br />

auch Mafia-Trupps ähneln und nicht immer ist klar, wer zu<br />

welcher Fraktion gehört. Die Fantasy-Handlung spielt nicht<br />

irgendwo in Mittelerde, sondern im heutigen Moskau mit<br />

seinen Licht- und Schattenseiten. Noch aufwändiger produziert<br />

als sein Vorläufer („Wächter der Nacht“), bietet das<br />

russische Fantasy-Spektakel alles, was das Genre braucht.<br />

Gespickt mit russischen Besonderheiten, besticht der Film<br />

trotz Unübersichtlichkeit durch rigoroses Unterlaufen der<br />

bedeutungsschwangeren Handlung.<br />

Ein Sechstel der Erde 1.11.<br />

Schestaja Tschast Mira<br />

R: Dsiga Wertow, UdSSR 1926, Dok., 78’<br />

Dieses bewegende, dokumentarische Poem besingt Weite<br />

und Reichtum der Sowjetunion, ihrer Völker und deren<br />

Anstrengungen bei der Schaffung einer neuen Welt.<br />

Erstmals in der Geschichte der jungen Sowjet-<br />

Kinematographie drehten zehn Teams in den verschiedensten<br />

Gegenden des Landes. Zusätzlich verwendete Wertow<br />

ausländisches Dokumentarmaterial und ethnographische<br />

Filme. Kompositorisch und stilistisch wurde der Film durch<br />

die Dichtung Wladimir Majakowskis beeinflusst. Wie in dessen<br />

Poemen besaß jeder der sechs Abschnitte des Films sein<br />

präzis heraus gearbeitetes Thema, aus dem sich die<br />

Hauptidee des Films speist.<br />

Die Belovs 1. November 2007<br />

R: Viktor Kossakovsky, UdSSR 1992, Dok., 60’<br />

Eine Frau tanzt. Sie ist alt, dick und tanzt ihren Zorn weg. Ihr<br />

Bruder liegt besoffen auf dem Fußboden, der Sohn faulenzt<br />

im Bett. Sie macht die Arbeit: Tag für Tag, ein Leben lang.<br />

Irgendwo in einem kleinen russischen Bauernhaus tanzt eine<br />

Frau, die nackten Sohlen stampfen zornig auf, die Hand<br />

wischt die Tränen fort ...


DIE REGISSEURE<br />

Sergej Eisenstein (1898 – 1948)<br />

Zwischen 1915 und 1917 Studium an der Petrograder<br />

Hochschule für Zivilingenieure und an der Fähnrichschule<br />

für Heerestechniker. 1917–1920 Dienst in der Roten<br />

Armee. 1920 Mitarbeit am Proletkult-Theater, 1924<br />

Filmdebüt mit „Streik“, im selben Jahr Bruch mit dem<br />

Proletkult. Zum 20. Jahrestag der russischen Revolution von<br />

1905 „Panzerkreuzer Potemkin“ (1925), eines der bedeutendsten<br />

Werke der Weltfilmgeschichte. 1926 Beginn der<br />

Arbeit an „Das Alte und das Neue“, einem Werk über die<br />

Kollektivierung, unterbrochen durch Dreharbeiten zu<br />

„Oktober” (1927). 1930 Reise nach Mexiko, bis 1932<br />

Arbeit an einem Film über die entscheidenden Epochen der<br />

mexikanischen Geschichte („Que viva Mexiko“; unvollendet).<br />

1935 Arbeit an „Die Beshin-Wiese“, 1937 Abbruch.<br />

1938 „Alexander Newski“. 1940 Vorarbeit für die als<br />

Trilogie geplante Tragödie „Iwan der Schreckliche“.<br />

Uraufführung des 1. Teiles 1945, zweiter Teil 1958, der dritte<br />

Teil blieb unvollendet. Eisenstein zählt auch heute zu den<br />

bedeutendsten Theoretikern des Films. Seine Werke über<br />

Montage, Regie, Ton- und Farbdramaturgie sowie szenisches<br />

Arrangement gehören zur Grundlage der Filmtheorie.<br />

Aleksandr Askoldow (geb. 1937)<br />

Sein Geburtsjahr ist das Jahr von Stalins großen Schauprozessen.<br />

Der Vater war Kommissar in der Roten Armee,<br />

wurde der Spionage verdächtigt und erschossen. Die<br />

Mutter kam ins Lager und anschließend als Ärztin an die<br />

Front. Ihn selbst versteckten jüdische Freunde und retteten<br />

ihn vor dem Heim. Askoldow studierte russische Literatur<br />

und promovierte über Michael Bulgakow. Er arbeitete als<br />

Dramaturg am Theater und zeitweilig als Chefredakteur bei<br />

Goskino. Gemeinsam mit Gleb Panfilow und Tolemusch<br />

Okejew studierte er Mitte 1960 an der Moskauer Filmhochschule<br />

(WGIK). Sein Erstling „Die Kommissarin“ entstand<br />

1966. Der Film wurde verboten und dieses Verbot kam<br />

einem Berufsverbot gleich. „Die Kommissarin“ bleibt<br />

Askoldows einziger Spielfilm.<br />

Alexander Mitta (geb. 1933)<br />

Er arbeitete als Karikaturist für Zeitschriften, absolvierte<br />

1961 die Moskauer Filmhochschule (WGIK) und debütierte<br />

mit „Saltykow“ als Spielfilm-Regisseur. Großen Erfolg hatte<br />

er 1970 mit dem poetischen, tragikomischen Film „Leuchte,<br />

mein Stern leuchte“, in dem er auf ungewöhnliche Weise<br />

die Position des revolutionären Künstlers in einer Zeit gesellschaftlicher<br />

Umwälzungen reflektiert. Weitere Filme u.a.<br />

„Tanja sucht Freunde“ (1966), „Punkt, Punkt, Komma“<br />

(1973), „Moskau, meine Liebe“ (1974), „Wie Zar Peter seinen<br />

Mohren verheiratete“ (1976), „Flug durchs Feuer“<br />

(1980). Filme nach 1990: „Gulag 3” (1991), „Graniza.<br />

Taijoschni Roman” (TV, 2001), „Raskalyonnaja Subbota”<br />

(2002).<br />

Andrej Kontschalowski (geb. 1937)<br />

Spross einer Künstlerfamilie, älterer Bruder des Regisseurs<br />

Nikita Michalkow. Zunächst Studium der Musik, anschließend<br />

Regie an der Moskauer Filmhochschule (WGIK),<br />

Schüler von Michail Romm. Bereits sein Diplomfilm „Der<br />

Junge und die Taube“ wird international ausgezeichnet.<br />

Regie-Assistent bei „Iwans Kindheit“, Drehbuch für<br />

Tarkowskis „Andrej Rubljow“ (1966). 1965 realisiert er seinen<br />

Erstling „Der erste Lehrer“. Die unheroische Darstellungsweise<br />

seines Debüts setzte er in seinem<br />

Film „Asjas Glück“ (1967) fort. Der Film wurde unmittelbar<br />

nach seiner Fertigstellung verboten und kam erst 1987 ins<br />

Kino. Nach dieser frustrierenden Erfahrung verfilmte er<br />

Literatur von Turgenjew („Ein Adelsnest“, 1969) und<br />

Tschechow („Onkel Wanja“, 1971). Mit seinem letzten in der<br />

Sowjetunion gedrehten Film, „Sibiriade“ (1978) gelang ihm<br />

ein bildgewaltiges Epos über die Erschließung Sibiriens.<br />

1980 Übersiedlung in die USA, Arbeit als Drehbuchautor<br />

und Unterricht an der Pepperdine University. Filme in den<br />

USA u.a.: „Maria’s Lovers (1984), „Runaway Train“ (1985),<br />

„Homer and Eddie“ (1989). Filme nach seiner Rückkehr<br />

nach Russland u.a. „Der innere Kreis” (1991), „Rjaba, mein<br />

Hühnchen“ (1994). Weiter: „Die Abenteuer des Odysseus”<br />

(TV, 1997), „Der Löwe im Winter” (TV, 2003)<br />

Tengis Abuladse (1924 – 1994)<br />

Von 1943 bis 1946 Studium am Rustaweli-Theater-Institut in<br />

Tiflis, anschließend bis 1953 bei Sergej Jutkewitsch<br />

Regiestudium an der Moskauer Filmhochschule (WGIK).<br />

Danach Arbeit im Grusiafilm-Studio. Nach dem Porträt<br />

eines Dorfes um die Jahrhundertwende, „Magadans Esel“,<br />

(1955), folgte mit „Ich, meine Großmutter, Iliko und<br />

Illarion” (1963) eine weitere Dorfgeschichte. Die drei nachfolgenden<br />

Filme „Gebet“ (1968), „Eine Halskette für meine<br />

Liebste“ (1973) und „Baum der Wünsche“ (1976) sind<br />

geprägt von einer eigenwilligen Poesie und visuellen Überhöhungen<br />

und in ihrem Lebensgefühl zutiefst georgisch. In<br />

„Baum der Wünsche“ widmet sich Abuladse einmal mehr<br />

dem Dorfleben zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Zum<br />

Kassenschlager der Glasnost-Ära wurde der Film „Die<br />

Reue“ (1986), seine Abrechnung mit Diktaturen. Der Film<br />

entstand als Fernsehproduktion unter dem grusinischen<br />

Kulturminister Eduard Schewardnadse, dem späteren<br />

Außenminister der UdSSR und kam rechtzeitig zur Stalinismusabrechnung<br />

in die Kinos. Der Film erhielt im eigenen<br />

Land hervorragende Kritiken, ernüchternd wenig Zuschauer,<br />

den Leninpreis als höchste Auszeichnung der Sowjetunion<br />

und lief in allen sozialistischen Ländern – außer in der DDR.<br />

Alexej German (geb. 1938)<br />

Sohn des Dichters Juri German, dessen Texte in den Filmen<br />

seines Sohnes eine wichtige Rolle spielen. Er studiert<br />

Theater-Regie und beginnt in den 1960er Jahren für das<br />

Lenfilm-Studio im heutigen Petersburg zu arbeiten, dessen<br />

Nachwuchsabteilung er eine Zeitlang leitet. Er gilt als<br />

Mitbegründer der Leningrader-Schule. Bis zu Beginn der<br />

1990er Jahre drehte German nur drei Filme. In seinem<br />

Debüt „Straßenkontrollen“ (1971) kehrt er das gängige<br />

Heldengetöse vom Großen Vaterländischen Krieg ins<br />

Gegenteil. In großartigen Schwarz-Weiss-Bildern skizziert<br />

der Film die Willkür, der Individuen durch Geschichte ausgesetzt<br />

werden. Der Film wurde verboten und blieb nur<br />

erhalten, weil die Schnittmeisterin ein Negativ aufbewahrte.<br />

Erst 1976 drehte German „Zwanzig Tage ohne Krieg“, und<br />

auch mit dieser Frontberichterstattung stieß er bei der<br />

Bürokratie nicht auf Gegenliebe. „Mein Freund Iwan<br />

Lapschin“ (1984) bezeichnet der Regisseur als seinen wichtigsten<br />

Film. Mit diesen drei Filmen, die sofort nach ihrer<br />

Fertigstellung in den Tresor gingen, zählt German zu den<br />

wichtigsten Regisseuren des zeitgenössischen sowjetischen<br />

Kinos. Sein Drehbuch „Der Untergang von Otar“ verfilmte<br />

Ardak Amirkulow 1989. Als Ko-Produktion mit Frankreich<br />

entstand „Krustalijow, mein Auto!” (1997).<br />

Andrej Tarkowski (1932 – 1986)<br />

Sohn des Schriftstellers und Übersetzers Arsen Tarkowski.<br />

Regiestudium bei Michail Romm an der Moskauer Filmhochschule<br />

(WGIK). Diplomfilm „Die Walze und die Geige“<br />

(1961). Nach dem Studium als Darsteller in verschiedenen<br />

Filmen und Mitarbeit an diversen Drehbüchern (u.a. „Der<br />

erste Lehrer“). Filmdebüt mit „Iwans Kindheit“ (1962), das<br />

ihm in Venedig auf Anhieb den „Goldenen Löwen“<br />

beschert. Tarkowskis Leidensweg als Künstler ist untrennbar<br />

mit seinem Werk verbunden. Sein epochales Porträt des<br />

Ikonenmalers „Andrej Rubljow“, (1966), rief durch die<br />

Darstellung von Gewalt und Sexualität die Zensoren auf<br />

den Plan. Den Film konnten die sowjetischen Zuschauer erst<br />

1987, ein halbes Jahr nach Tarkowskis Tod, in der ursprünglichen<br />

Fassung sehen. Sein Film „Solaris“ (1972) basiert auf<br />

einer Science-Fiction-Volage des polnischen Schriftstellers<br />

Stanislaw Lem. „Der Spiegel“ (1973) greift auf die eigene<br />

Biografie zurück, kreist um die Mutter und um des Vaters<br />

Gedichte, die auch im nachfolgenden „Stalker“ (1978) verwendet<br />

werden. Der Film, der in einer unbewohnbaren, endzeitlichen<br />

Zone spielt, wurde in der Nähe Tschernobyls<br />

gedreht – ein geradezu prophetisches Werk. Eine Schlüsselszene<br />

seines letzten Filmes „Das Opfer“ (1986), den<br />

Tarkowski wie „Nostalghia“ (1983) im Exil realisiert, spielt<br />

an jener Stelle, an der kurze Zeit nach den Aufnahmen der<br />

schwedische Ministerpräsident Olof Palme ermordet wurde.<br />

Sergej Eisenstein Alexej German Andrej Tarkowski


Wassili Schukschin (1929 – 1974)<br />

Geboren in einer sibirischen Bauernfamilie. Nach der Arbeit<br />

als Bauer und Bauarbeiter von 1954 bis 1960 Studium an<br />

der Moskauer Filmhochschule (WGIK), Schüler von Michail<br />

Romm. 1959 erste literarische Veröffentlichungen, 1964<br />

Regiedebüt mit „Es lebte so ein Junge“ nach Motiven eigener<br />

Erzählungen. 1966 „Euer Sohn und Bruder“, 1970<br />

„Seltsame Leute“, 1974 „Kalina Krassnaja“. Das Multitalent<br />

dichtet, schreibt Drehbücher, auch für Kollegen, und<br />

ist ein charismatischer Charakterdarsteller. Sein letzter<br />

Film macht ihn international bekannt. Schukschin wurde<br />

nur 45 Jahre alt.<br />

Eldar Rjasanow (geb. 1927)<br />

Absolvierte 1950 die Meisterklasse von Grigori Kosinzew<br />

an der Moskauer Filmhochschule (WGIK). Arbeit als<br />

Dokumentarfilmer, Spielfilmdebüt mit der Komödie „Nun<br />

schlägt’s 13!“ (1956), ein vielversprechender Anfang.<br />

Seitdem bleibt Rjasanow dem Genre verbunden und<br />

gehört zu den wenigen sowjetischen Regisseuren, die auf<br />

diesem Gebiet erfolgreich sind. Einen Höhepunkt seines<br />

Schaffens ist die romantische Komödie „Bahnhof für zwei“<br />

(1982). Weitere Filme u.a.: „Husarenballade“ (1962),<br />

„Autoaffären“ (1966), „Schicksalswendungen“ (1967),<br />

„Die unglaubwürdigen Abenteuer der Italiener in Russland“<br />

(1974), „Die Garage“ (1980). Nach dem Zerfall der<br />

Sowjetunion u.a. „Das verheißene Paradies" (1991),<br />

„Liebenswerter Tolpatsch" (1996), „Kljutsch ot Spalnij"<br />

(2000), „Andersen. Shisn bes Ljubwi" (2006).<br />

Rolan Bykow (1929 – 1998)<br />

Theaterarbeit ab 1951, Filmdebüt als Schauspieler 1955.<br />

Sein Credo: „Die einzige Gier, die ich kenne, ist die Gier<br />

nach Arbeit“ drückt sich in einer Vielzahl von Rollen aus. Zu<br />

seinen Filmerfolgen zählen „Der Mantel“ (1960) nach<br />

Gogol, der Musiker Kolpakow in „Tanja sucht Freunde“<br />

(1966) und der Gaukler in „Andrej Rubljow“ (1966). Die<br />

Rolle des jüdischen Kesselflickers Jefim in der „Kommissarin“<br />

(1966/1987) gehört zu den überzeugendsten und anrührendsten<br />

darstellerischen Leistungen Bykows.<br />

Wassili Schukschin<br />

Die Liebe zu Kindern prägt sein Werk. Als er in den 1960er<br />

Jahren beginnt, Filmregie zu führen, dreht er populäre<br />

Kinderfilme, u.a. „Achtung, Schildkröte!“ (1970) und „Auto,<br />

Geige und der Hund Klecks“ (1976). Sein berühmtester<br />

Film, „Die Vogelscheuche“ (1983) stößt in der Sowjetunion<br />

auf harsche Kritik, wird für den Export gesperrt und darf<br />

nicht in Cannes laufen. Mitte der 80er Jahre avancierte er<br />

mit 54 Millionen Zuschauern zu den Schlüsselfilmen der<br />

Perestroika. Weitere Filme u.a. „Menschenrechte und<br />

Kinder“ (1993), „Russische Lokomotive“ (1995).<br />

Timur Bekmambetow (geb.1961)<br />

1990 verdient der kasachische Filmemacher sein Geld als<br />

Werbefilmer. Zusammen mit einem Freund treibt er 60 000<br />

Dollar für seinen ersten Spielfilm auf. „Peshavar Waltz"<br />

(1994) handelt vom sowjetischen Krieg in Afghanistan.<br />

Danach dreht er den billigen Streifen „Arena" (2001). Mit<br />

seinem dritten Spielfilm „Wächter der Nacht" gelang<br />

Bekmambetow der Durchbruch, die Fortsetzung übertraf<br />

den Erfolg des ersten Teils noch, spielte allein in Russland<br />

an der Kinokasse über 30 Millionen Dollar ein und stellte<br />

damit einen Besucherrekord auf.<br />

Dsiga Wertow (1896 – 1954)<br />

In Theorie und Praxis führend an der Herausbildung des<br />

Dokumentarfilms beteiligt. Begründer der künstlerischen<br />

Filmpublizistik. Leitete nach 1917 als Mitarbeiter der<br />

Wochenschauabteilung des Moskauer Filmkomitees<br />

Frontberichterstatter und Mitarbeiter der Agit-Züge an.<br />

Regie der Kompilationsfilme „Der Jahrestag der Revolution“<br />

(1919), und „Geschichte des Bürgerkrieges” (1922). Unter<br />

seiner Leitung schließen sich junge Dokumentarfilmer zur<br />

Gruppe „Kinoki“ (Filmaugen) zusammen. Ihr Credo<br />

beschreibt Wertow in „Wir – Manifest über die Entwaffnung<br />

der theatralischen Kinematographie“ (1922). In seiner<br />

Forderung nach Authentizität lässt er nur den Faktenfilm gelten.<br />

Filme u.a.: „Im Herzen der Bauern lebt Lenin weiter“<br />

(1925), „Ein Sechstel der Erde“ (1926), „Vorwärts Sowjet“<br />

(1926), „Der Mann mit der Kamera“ (1929).<br />

Dsiga Wertow<br />

In diesem schöpferischen<br />

Experiment versucht<br />

er die unbegrenzte<br />

Möglichkeit der Kamera,<br />

des Film-Auges, zu beweisen.<br />

Man bezichtigt ihn des<br />

„Formalismus´“.<br />

In der Reportage „Donbass-<br />

Sinfonie“ (1930) über den<br />

Aufbauenthusiasmus gelingt ihm<br />

die erste Bild-Ton-Montage im<br />

Dokumentarfilm.<br />

Zu seinen Erfolgen zählt der Film<br />

„Drei Lieder über Lenin“ (1934) . Von<br />

1944 bis 1954 dreht Wertow die<br />

Filmjournale „Neues vom Tage“.<br />

Viktor Kossakowski (geb. 1961). Erst<br />

Kamera- und Regieassistent, dann<br />

Ausbildung zum Regisseur. Dreht 1990<br />

„Losev“ und 1991 „The other Day“.<br />

Quellen<br />

Der sowjetische Film. Von den Anfängen bis 1945,<br />

Henschelverlag Kunst und Gesellschaft, Berlin; 1974<br />

Geschichte des sowjetischen und russischen Films,<br />

Verlag J. B. Metzler, Stuttgart. Weimar; 1999<br />

Sowjetischer Film heute,<br />

Verlag Lars Müller, Baden; 1990<br />

Aufblende, Reihe Dialog, Band 1,<br />

OCIC/STYRIA; 1990<br />

Der sowjetische Film,<br />

Verlag der Presseagentur Nowosti, Moskau; 1988<br />

Internationales Leipziger Festival für Dokumentar- und Animationsfilm,<br />

Leipzig 1993, Katalog<br />

DIE REGISSEURE

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