Unternehmensbewertung und wertorientiertes ... - Franz Hörmann
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Univ.-Prof.Dr. Herbert R.<br />
Haeseler lehrt am Institut für<br />
Revisions-, Treuhand- <strong>und</strong><br />
Rechnungswesen der WU<br />
Wien <strong>und</strong> ist Gutachter sowie<br />
Management Consultant.<br />
Univ.-Prof.Dr. <strong>Franz</strong><br />
<strong>Hörmann</strong> lehrt am Institut<br />
für Revisions-, Treuhand<strong>und</strong><br />
Rechnungswesen der<br />
WU Wien <strong>und</strong> ist Consultant<br />
sowie Aufsichtsratsmitglied.<br />
1. UNTERNEHMENSBEWERTUNG<br />
1.1. Anlässe <strong>und</strong> Zwecke<br />
Für die Bewertung von Unternehmen/Konzernen<br />
sowie Beteiligungen gibt es erwiesenermaßen<br />
eine Vielzahl von Anlässen. Es geht nicht<br />
nur um die F<strong>und</strong>ierung von Kauf- bzw. Verkaufsentscheidungen,<br />
sondern immer häufiger<br />
auch um möglichst gerechte Nachfolgeregelungen<br />
<strong>und</strong> nicht selten auch um die Unterlegung<br />
von Abfindungen.<br />
1.2. DCF-Verfahren<br />
Alfred Rappaport hat mit seinem 1986 erschienenem<br />
Werk „Creating Shareholder-Value“<br />
einiges bewegt. Vor allem hat er damit den<br />
Shareholder-Value-Ansatz gleichsam salonfähig<br />
gemacht <strong>und</strong> maßgeblich zu einer danach ausgebrochenen<br />
Shareholder-Value-„Manie“ beigetragen,<br />
welche zu temporären Kurs-Höhenflügen<br />
nicht nur an der New York Stock Exchange<br />
führte.<br />
2. MEHRDIMENSIONALE PROBLEMATIK<br />
2.1. Zukunft <strong>und</strong> Fortbestandswahrscheinlichkeit<br />
Wer in die Zukunft blickt, ist unweigerlich<br />
mit einer Vielzahl von Fragezeichen konfrontiert.<br />
Wissenschaftlich nennt man diese Ungewissheiten.<br />
Auch die Zukunft von Unternehmen<br />
kann als „Buch mit sieben Siegeln“ etikettiert<br />
4 Aufsichtsrat aktuell 3/2005<br />
<strong>Unternehmensbewertung</strong> <strong>und</strong> <strong>wertorientiertes</strong> Controlling<br />
Herbert R. Haeseler <strong>und</strong> <strong>Franz</strong> <strong>Hörmann</strong><br />
<strong>Unternehmensbewertung</strong> <strong>und</strong><br />
<strong>wertorientiertes</strong> Controlling:<br />
DCF-Methoden auf dem Prüfstand<br />
Auch in Österreich hat im letzten Jahrzehnt die Zahl an <strong>Unternehmensbewertung</strong>en(1) bzw. Gutachten<br />
zur Ermittlung/Rechtfertigung von Unternehmenswerten erheblich zugenommen, was<br />
in der Hauptsache vermutlich auf den beträchtlichen Anstieg an Käufen/Verkäufen von ganzen<br />
Unternehmen sowie Beteiligungen <strong>und</strong> die Notwendigkeit der F<strong>und</strong>ierung von Nachfolgeentscheidungen<br />
zurückzuführen gewesen ist.<br />
Im Gefolge der Verbreitung der US-amerikanischen Shareholder-Value-Philosophie ist auch<br />
hierzulande eine wachsende Akzeptanz der sog. Wertorientierung(2) festzustellen gewesen,<br />
<strong>und</strong> zwar nicht bloß bei börsennotierten Gesellschaften, sondern zunehmend auch bei nichtkapitalmarktorientierten<br />
Familienunternehmen.<br />
werden. Die Zukunftsbewältigungsfähigkeit von<br />
Unternehmen hängt von zahlreichen Einflüssen<br />
ab, von der Volatilität der jeweils gefährlichsten<br />
Umfeldfaktoren, der Professionalität des Managements,<br />
der Qualität der Mitarbeiter <strong>und</strong><br />
letztlich auch von einem Quäntchen Glück.<br />
Gemeinsam ist allen diesen Ungewissheiten<br />
jedenfalls, dass sie in das gängige (DCF-) Bewertungsmodell<br />
keinerlei Eingang finden, d. h.<br />
in diesem in keiner wie auch immer gearteten<br />
Form abgebildet sind.<br />
2.2. F<strong>und</strong>amentale Denkfehler<br />
Als f<strong>und</strong>amentale Denkfehler sollen nachfolgend<br />
all jene Defizite der gängigen (DCF-)<br />
Bewertungsmodelle etikettiert werden, welche<br />
ihre Existenz der primitiven Gr<strong>und</strong>struktur<br />
dieses Rechenansatzes „verdanken“.<br />
2.2.1. Fehlende Kausalketten für FCF<br />
Ein erster offensichtlicher Mangel zeigt sich<br />
gleich darin, dass es für die Herkunft der Free<br />
Cash Flows (FCF) im Modell selbst keine Darstellungsmöglichkeit<br />
gibt. Bestenfalls können<br />
Annotationen (Randnotizen, ergänzende Erläuterungen<br />
etc.) mehr oder weniger transparent<br />
bzw. nachvollziehbar das Entstehen der Zahlungsströme<br />
plausibel machen. Wenn die Ursachen<br />
der FCF im Modell selbst aber nicht abbildbar<br />
sind, dann ist auch ein mögliches Optimierungspotential<br />
nicht ersichtlich bzw. können<br />
mögliche Risikosignale nicht dargestellt<br />
werden, wodurch dieser Modelltyp sich aus<br />
(1) <strong>Unternehmensbewertung</strong>s-Literatur (für viele): Mandl/Rabel,<strong>Unternehmensbewertung</strong>, Wien/Frankfurt 1997;<br />
Casey,<strong>Unternehmensbewertung</strong> <strong>und</strong> Marktpreisfindung, Wiesbaden 2000; Haeseler/Kros,<strong>Unternehmensbewertung</strong>,<br />
Wien 2002.<br />
(2) Haeseler, Wertorientierung versus Wertemanagement?, in: Aufsichtsrat aktuell 2/2005, 4.<br />
(3) Bertl/Schiebel,Rechtsgeprägte <strong>Unternehmensbewertung</strong>: Ordentlicher Wert gem. ABGB als Verkehrswert –<br />
Außerordentlicher Wert gem. ABGB als subjektorientierter Entscheidungswert, in Österreichische Zeitschrift<br />
für Recht <strong>und</strong> Rechnungswesen (RWZ) 9/2004, 268
<strong>Unternehmensbewertung</strong> <strong>und</strong> <strong>wertorientiertes</strong> Controlling<br />
Steuerungssicht strikt verbietet, aus Bewertungssicht<br />
hingegen zu einem „numerischen<br />
Glaubensbekenntnis“ degeneriert.<br />
2.2.2. Innerer Wert oder<br />
Entscheidungswert ?<br />
Ein weiteres Problem stellt die Interpretation<br />
dieser Barwertgröße dar. Wie bei jeder<br />
Form der Barwertberechnung ergibt sich auch<br />
hier als Endgröße nämlich nicht der „innere“<br />
Wert einer Investition, sondern lediglich der<br />
Entscheidungswert, d. h. der relative Wert im<br />
Vergleich zur Hintergr<strong>und</strong>investition, in diesem<br />
Falle dem WACC-Zinssatz (Weighted Average<br />
Cost of Capital). Ein positiver Wert signalisiert<br />
also einen, um eben diesen Betrag, höheren<br />
Barwertnutzen im Vergleich mit der Alternativanlage.<br />
Daraus folgt eindeutig, dass sich der<br />
Wert automatisch mit der „Meßlatte“ des<br />
WACC auch verändert. Eine neue Information<br />
betreffend die Alternativanlage führt somit sofort<br />
auch zu einem geänderten Unternehmenswert.<br />
Der Unternehmenswert ist untrennbar<br />
mit dem Informationsstand über die jeweils<br />
günstigste Alternativrendite/die aktuellen Kapitalkosten<br />
verb<strong>und</strong>en.<br />
Aus entscheidungstheoretischer Sicht könnte<br />
man diesen, dem Opportunitätsdenken entspringenden,<br />
Umstand auch so beschreiben:<br />
man kann den Wert des Unternehmens ganz<br />
einfach erhöhen, indem man die Eigenkapitalkosten<br />
senkt. Die Kosten des Eigenkapitals<br />
allerdings bestehen aus der günstigsten Alternativanlage,<br />
d. h. die Minimierung des Informationsstandes<br />
über (potentielle) Alternativanlagen<br />
maximiert zugleich den Wert des konkreten<br />
Unternehmens.<br />
2.2.3. Das „Risiko“ „steckt im Zinssatz“<br />
Da es sich bei Barwertmodellen stets um einen<br />
impliziten Alternativenvergleich handelt,<br />
bedeutet dies allerdings auch, dass jeder strukturelle<br />
Unterschied zwischen Investition <strong>und</strong><br />
Kalkulationszinssatz zwangsläufig zu einer Verzerrung<br />
der Entscheidungsgröße führt. Kann<br />
man z. B. Steuerwirkungen oftmals noch in<br />
Zinssätzen (einigermaßen) ähnlich wie in den<br />
Zahlungsströmen berücksichtigen, so gelingt<br />
dies mit Abschreibungen schon nicht mehr<br />
bzw. wird regelmäßig nicht einmal versucht<br />
(der Kalkulationszinssatz repräsentiert regelmäßig<br />
eine Finanzinvestition, auch bei abschreibbaren<br />
Invesitionsprojekten mit Abschreibungssteuerersparnissen<br />
in den Zahlungsströmen).<br />
2.3. Methodische Mängel<br />
Nachfolgend sollen nun die rein methodischen<br />
Mängel näher untersucht werden. Dabei<br />
wird im Unterschied zur bisherigen Kritik die<br />
Gr<strong>und</strong>struktur des Modellansatzes nicht weiter<br />
hinterfragt, sondern es werden lediglich jene Effekte<br />
aufgezeigt, welche durch eine (gezielte)<br />
Parameterwahl zu Tage treten.<br />
2.3.1. Realisationszeitpunkt Ewigkeit<br />
Zumeist befindet sich der Großteil des rechnerischen<br />
Unternehmenswerts bei der DCF-<br />
Methode im sogenannten Residualwert, d. h.<br />
dem Barwert einer ewigen Rente, welche sich<br />
bei Fortführung der Modellannahmen für die<br />
letzte Planperiode bis zur Ewigkeit ergibt. Dies<br />
ist zunächst schon rein logisch unsinnig, da<br />
kaum ein Unternehmen wirklich „ewig“ existieren<br />
wird. Mathematisch betrachtet „mogelt“<br />
man sich so um die unangenehme (weil unbeantwortbare)<br />
Frage des Liquidationszeitpunkts<br />
herum, da ja die Investitionstheorie (als Rechnung<br />
„von Geld zu Geld“) die Berechnung über<br />
die gesamte Dauer des Investitionsprojekts<br />
(hier des Unternehmens) verlangen würde. Als<br />
völlig absurd hingegen müssen rechnerische<br />
Unternehmenswerte bezeichnet werden, bei denen<br />
der Großteil des Werts dem Residualwert<br />
entstammt; verdeutlichendes Beispiel:<br />
Kalkulationszinssatz (i): 8%<br />
Periode (t): 1 2 3 4 5<br />
Free Cash Flows (FCF): 100,00 120,00 140,00 160,00 180,00<br />
Residualwert (RW): 2.250,00<br />
Barwerte der FCF:<br />
Barwertsumme<br />
92,59 102,88 111,14 117,60 122,50<br />
der FCF (Bw FCF):<br />
Barwert des Residualwerts<br />
546,72 26%<br />
(Bw RW): 1.531,31 74%<br />
Unternehmenswert: 2.078,03 100%<br />
Abbildung 1: DCF-Bewertung mit dominantem Residualwert<br />
In Businessplänen neu zu gründender<br />
Unternehmen kann sich dieser Irrwitz sogar<br />
noch potenzieren. Hier sind Fälle möglich, in<br />
denen der Residualwert mehr als 100% des<br />
Unternehmenswerts betragen kann, wenn in<br />
den Anfangsjahren Cash Outflows, d.h. negative<br />
Free Cash Flows, vorliegen (vgl. dazu Abbildung<br />
2).<br />
Kalkulationszinssatz (i): 8%<br />
Periode (t): 1 2 3 4 5<br />
Free Cash Flows (FCF): -100,00 -120,00 -50,00 0,00 50,00<br />
Residualwert (RW): 625,00<br />
Barwerte der FCF:<br />
Barwertsumme<br />
-92,59 -85,73 -39,69 0,00 34,03<br />
der FCF (Bw FCF):<br />
Barwert des Residualwerts<br />
-183,99 -76%<br />
(Bw RW): 425,36 176%<br />
Unternehmenswert: 241,38 100%<br />
Abbildung 2: DCF-Bewertung mit Residualwert > 100% des Unternehmenswerts<br />
Wie unschwer zu erkennen ist, liegt die<br />
„Kunst“ hier lediglich darin, im Businessplan<br />
den Turn Aro<strong>und</strong> noch in der Detailplanungsphase<br />
zu schaffen, d. h. spätestens im letzten<br />
3/2005 Aufsichtsrat aktuell<br />
Wie bei jeder form der<br />
Barwertberechnung<br />
ergibt sich als Endgröße<br />
nicht der innere Wert<br />
einer Investition,<br />
sondern lediglich der<br />
Entscheidungswert,<br />
d. h. der relative Wert<br />
im Vergleich zur Hintergr<strong>und</strong>investition.<br />
5
Die Beteiligung an<br />
einem Unternehmen<br />
kann nicht als einfacher<br />
Kauf dargestellt werden,<br />
da „das Unternehmen“<br />
sich stets in der<br />
Zukunft ereignet <strong>und</strong><br />
der Wert der Gegenleistung<br />
für den Kaufpreis<br />
damit zwangsläufig unbekannt<br />
ist.<br />
Planjahr müssen positive Free Cash Flows erwirtschaftet<br />
(besser: auf Papier bestehen <strong>und</strong><br />
„plausibel begründet“) werden.<br />
2.3.2. Zinssatz-Spielereien<br />
Es liegt in der Natur der Methode, dass<br />
DCF-Modell-gestützte Unternehmenswerte sowohl<br />
über differente zukünftige Zahlungsströme<br />
als auch über andere zukünftige Zinssätze<br />
(„Kapitalkosten“) verändert werden können.<br />
Während die Free Cash Flows, in letzter Konsequenz<br />
zukünftigen Umsatzerlösen entstammend,<br />
für deren verläßliche Prognose weder die<br />
„anerkannte“ Wissenschaft noch alternative<br />
Grenzwissenschaften bis heute praktikable Instrumente<br />
bieten können, einfach entsprechend<br />
„argumentiert“ werden müssen, bieten die<br />
Zinssätze (d. h. die zu erwartenden zukünftigen<br />
Kapitalkosten) einen wesentlich subtileren<br />
Hebel um rechnerische Unternehmenswerte in<br />
die gewünschte Richtung zu lenken (vgl. Abbildung<br />
3).<br />
3. MÖGLICHE AUSWEGE<br />
Tauglichere Modelle zur Unterstützung<br />
unternehmerischer Entscheidungen sind daher<br />
notwendig. Dazu wäre allerdings zunächst weit<br />
selektiver auf den „Bewertungszweck“ (sprich:<br />
die Entscheidungssituation) abzustellen. Es ist<br />
einfach nicht sinnvoll, die Beteiligung an einem<br />
hoch komplexen Organismus wie einem Unternehmen<br />
als einfachen „Kauf“ (nach dem Modell<br />
„hier Ware, da Geld“) darzustellen. Da sich<br />
„das Unternehmen“ stets in der Zukunft ereignet<br />
<strong>und</strong> diese objektiv nicht vorhersehbar ist,<br />
kann sich die Beteiligung an einem Unterneh-<br />
6 Aufsichtsrat aktuell 3/2005<br />
<strong>Unternehmensbewertung</strong> <strong>und</strong> <strong>wertorientiertes</strong> Controlling<br />
Sensitivitätsanalyse:<br />
Unternehmenswert <strong>und</strong> Zinssatz<br />
241,38<br />
1% 4.559,33<br />
2% 2.068,34<br />
3% 1.243,71<br />
4% 835,45<br />
5% 593,57<br />
6% 434,76<br />
7% 323,31<br />
8% 241,38<br />
9% 179,05<br />
10% 130,39<br />
11% 91,61<br />
12% 60,21<br />
13% 34,43<br />
14% 13,04<br />
15% -4,86<br />
16% -19,97<br />
17% -32,78<br />
18% -43,72<br />
19% -53,09<br />
20% -61,15<br />
Abbildung 3: Abhängigkeit des rechnerischen<br />
Unternehmenswerts vom gewählten Zinssatz<br />
men (in Form von Eigenkapital) ökonomisch<br />
sinnvoll auch nie als simpler „Kauf“ modellieren<br />
lassen. Der Wert der Gegenleistung (für den<br />
Kaufpreis) ist nämlich zwangsläufig allen beteiligten<br />
Parteien unbekannt (<strong>und</strong> kann auch<br />
nicht durch „Standardisierung“, „Objektivierung“<br />
oder sonstige Zahlen-Alchimie künstlich<br />
erschaffen werden). Es existieren lediglich Pläne<br />
(unterschiedlicher Qualität, Detaillierung,<br />
Aktualität etc.), die offen kommuniziert <strong>und</strong><br />
abgestimmt werden könnten bzw. sollten. An<br />
methodischen Werkzeugen zur Repräsentation<br />
<strong>und</strong> Kommunikation solcher Pläne in grafischer<br />
wie mathematischer Form arbeiten die<br />
Autoren des gegenständlichen Beitrags zur Zeit.