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Artikel als PDF-Datei - Franz Hörmann

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Unternehmensbewertung<br />

Irrationale Unternehmenswerte wegen DCF-Methodik!<br />

Die an langfristige Basiszinssätze gebundenen Barwertmethoden verlieren in<br />

Zeiten irrationaler Zinssatzentwicklungen ihre Aussagekraft völlig<br />

VON DR. HERBERT R. HAESELER UND DR. FRANZ HÖRMANN*)<br />

Die beiden Fachgutachten zur Unternehmensbewertung KFS BW1 2006 sowie IDW S1 2005 bestimmen<br />

jeweils „die“ DCF-Methode <strong>als</strong> einziges „zeitgemäßes“ Verfahren der Unternehmensbewertung.<br />

Den dafür verantwortlichen Experten ist offenbar entgangen, dass kein Unternehmensbewerter<br />

im anglo-amerikanischen Sprachraum seine Bewertung unter Abstützung auf<br />

bloß eine einzige Methode durchführt. International werden üblicherweise mehrere Verfahren<br />

im Gutachten verwendet, um einerseits eine Plausibilitätsprüfung vorzunehmen und andererseits<br />

die Orientierung für den Adressaten zu verbessern. Außerdem werden Wertbandbreiten<br />

ermittelt und niedergeschrieben, während hierzulande nach wie vor extrem fragwürdige Einzelwerte<br />

<strong>als</strong> Bewertungsergebnis präsentiert werden. Welche Konsequenzen diese Fehlentwicklung<br />

für die Entscheidungsträger nach sich zieht, soll im nachfolgenden Beitrag beleuchtet<br />

werden.<br />

1. Grundsätzliche Mängel der DCF-Methode<br />

Die DCF-Verfahren leiden grundsätzlich daran, dass historisch ein Partialmodell (in diesem<br />

Fall ein Entscheidungsmodell für einzelne Investitionsobjekte wie etwa Maschinen,<br />

Fahrzeuge etc.) <strong>als</strong> Totalmodell pauschal auf ein komplexes soziales Konstrukt, welches<br />

<strong>als</strong> solches permanenten Änderungen unterliegt, übertragen wurde. Da, im Unterschied<br />

zu einzelnen Investitionsobjekten, für Unternehmen die Lebensdauer prinzipiell<br />

unbekannt ist (auch nicht annähernd geschätzt werden kann), verfielen die Entwickler<br />

dieser Methode auf die unglückliche Idee, mit ewigen Renten zu operieren.<br />

Hier wurde dann prompt ein Erklärungsmodell mit einem Entscheidungsmodell verwechselt,<br />

1 ) und daher können nun, im so genannten Zweiphasenmodell, die Barwerte<br />

der ewigen Rente am Ende des Detailplanungszeitraums die Abzinsungslogik der Barwertberechnung<br />

pervertieren. Der völlig unbekannte Zahlungsstrom des letzten Jahres<br />

des Detailplanungszeitraumes beträgt nach Transformation in eine ewige Rente<br />

regelmäßig 70 %, 80 % oder in Gründungsplanungen sogar mehr <strong>als</strong> 100 % des gesamten<br />

Unternehmenswertes, wodurch dieser seine Aussagekraft vollkommen einbüßt!<br />

Diese und etliche weitere Mängel wurden bereits ausführlich an anderer Stelle hervorgehoben<br />

und kritisiert. 2 ) Die dort gestellten wissenschaftlichen Fragen sind von den Befürwortern<br />

dieser Methoden nach wie vor unbeantwortet geblieben.<br />

2. Die Irrationalität der Kapitalmärkte<br />

Hier sollen jedoch die konkreten Konsequenzen der Anwendung dieser Methoden für<br />

einzelne Entscheidungsträger in Zeiten irrationaler Zinssatzänderungen demonstriert<br />

*) Ao. Univ.-Prof. Dr. Herbert R. Haeseler und ao. Univ.-Prof. Dr. <strong>Franz</strong> <strong>Hörmann</strong> lehren am Institut für Revisions-,<br />

Treuhand- und Rechnungswesen der Wirtschaftsuniversität Wien.<br />

1 ) Ewige Renten wurden in der Literatur stets nur zur Erklärung prinzipieller Wirkungszusammenhänge,<br />

z. B. zwischen Zahlungsstrom und Zinssatz, herangezogen. Kein kompetenter Betriebswirt wäre je auf<br />

die Idee verfallen, konkrete Entscheidungen aus ewigen Renten abzuleiten!<br />

2 ) Siehe Haeseler/<strong>Hörmann</strong>/Kros, Unternehmensbewertung – Grundlagen der Bewertung von Unternehmen<br />

und Beteiligungen 2 (2007) hier insb. Kapitel 1.6. bis 1.11.<br />

SWK-Heft ?? ??. Jänner 2008 1


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werden. Die internationalen Kapitalmärkte sind nämlich gegenwärtig durch ein zunehmend<br />

irrationales Verhalten ihrer Akteure gekennzeichnet. Eine der Ursachen hierfür<br />

kann konkret darin gesehen werden, dass einzelne Teilnehmer, insbesondere Trader,<br />

durch Ersterfolge spielsüchtig werden und ihre Handlungen dann dieser Sucht gehorchen.<br />

Eine lesenswerte Quelle dazu stellt der ehemalige Trader und nunmehrige Professor<br />

für Philosophie Nassim Nicholas Taleb dar, der genau beschreibt, 3 ) wie seine<br />

Vorgesetzten bei verschiedenen Fonds die Spielsucht der Trader (diese besuchten z. B.<br />

stets Casinos und Rennbahnen in ihrer Freizeit) aktiv unterstützten – mit der Argumentation,<br />

sie entwickelten dadurch ein „Gefühl für den Markt“. Er beschreibt darin auch<br />

sehr anschaulich, weshalb gute Trader (welche kurzfristig große Erfolge mit ihren Investments<br />

erzielen) tatsächlich eben gefährliche Trader sind (sie gewinnen zu viel<br />

Selbstvertrauen und gehen immer größere Risiken ein, werden aber von ihren Vorgesetzten<br />

aufgrund ihres „Erfolges“ gefördert, indem ihnen immer größere Portfolios zur<br />

Verwaltung anvertraut werden). Wegen dieser problematischen Scheinerfolge (in einer<br />

zufälligen Umgebung) kommt es zu einer kontinuierlichen Risikosteigerung, welche unvermeidlich<br />

irgendwann im Crash endet.<br />

Auch die sog. Experimental Economics, eine Forschungsrichtung, in welcher versucht<br />

wird, mittels Experimenten (früher durch Hochhalten von Kartons im Hörsaal, heute mittels<br />

Simulationsprogrammen in Computernetzen) das Entstehen von Gleichgewichtspreisen<br />

zu erkunden, wissen längst, dass nur beim Handel realer Güter ein langfristiger<br />

Gleichgewichtspreis existiert. Sobald hingegen Wertpapiere gehandelt werden, kommt<br />

es stets zum gleichen Phänomen: Blase – Crash – Blase – Crash …!<br />

Die Ursache hierfür liegt darin, dass für Wertpapiere, insb. für Aktien, kein subjektiver<br />

Grenzpreis existiert. Bei jedem realen Gut kann ein Investor stets eine obere Preisgrenze<br />

nennen, die er keinesfalls zu überschreiten gewillt ist. Aus der Summe dieser subjektiven<br />

Grenzpreise ergibt sich dann, nach mehreren Transaktionsrunden, der sog.<br />

Gleichgewichtspreis. Bei Aktien existiert dieser subjektive Grenzpreis hingegen deshalb<br />

nicht, weil hier kein konkreter Nutzen erkennbar ist. Dieser ergibt sich vielmehr daraus,<br />

dass die anderen Marktteilnehmer den Wert dieses Papieres einschätzen. Da diese anderen<br />

Marktteilnehmer sich jedoch – anteilig – wieder am Verhalten des konkreten Investors<br />

selbst orientieren, stellen Aktienmärkte ein rückgekoppeltes Informationsnetzwerk<br />

dar. Rückgekoppelte Systeme sind jedoch durch ein chaotisches Verhalten<br />

gekennzeichnet. 4 )<br />

Auch dies ist schon zumindest seit den 1960er-Jahren bekannt und wurde u. a. vom<br />

Entdecker der fraktalen Geometrie, Benoit B. Mandelbrot, in mehreren Publikationen5 )<br />

ausführlichst und besonders eindrucksvoll dargelegt. Da seine Ansätze sich jedoch<br />

nicht dazu ge-/missbrauchen lassen, zukünftige Kurse zu „prognostizieren“, fanden sie<br />

in der Anlagepraxis leider kaum Beachtung.<br />

Welche geballte Marktmacht diese u. U. spielsüchtigen Trader entfalten können, offenbart<br />

auch der jüngste „Skandal“ bei der Société Générale:<br />

„Der verantwortliche Makler Kerviel hatte nach Angaben eines Beraters von Staatspräsident<br />

Nicolas Sarkozy bei seinen Spekulationen mehr <strong>als</strong> 50 Milliarden Euro aufs Spiel<br />

3 ) Taleb, Narren des Zufalls – Die verborgene Rolle des Glücks an den Finanzmärkten und im Rest des<br />

Lebens (2005).<br />

4 ) Siehe dazu Miller/Smith, Paving Wall Street – Experimental Economics and the Quest for the Perfect<br />

Market, (2002). Ganz ähnlich lautet aber auch das Urteil des bekannten Kritikers der „Idealen Märkte“,<br />

Robert J. Shiller, in Irrational Exuberance 2 (2005).<br />

5 ) Siehe <strong>als</strong> leicht lesbare Einführung Mandelbrot/Hudson, Fraktale und Finanzen – Märkte zwischen Risiko,<br />

Rendite und Ruin (2007). Der mathematische Hintergrund erschließt sich dem methodisch geschulten<br />

Leser hingegen in Mandelbrot, Fract<strong>als</strong> and Scaling in Finance – Discontinuity, Concentration,<br />

Risk (1997).<br />

2 SWK-Heft ?? ??. Jänner 2008


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gesetzt. Der Betrag überstieg den Börsenwert der SG um rund 15 Milliarden Euro. Die<br />

Traditionsbank verlor durch die Spekulationen fast fünf Milliarden Euro.“ 6 )<br />

Wer Taleb, Miller/Smith, Shiller und Mandelbrot gelesen (und verstanden) hat, für den<br />

ist der Vorfall in der Société Générale keine Überraschung, sondern offensichtlich nur<br />

die Spitze des Eisbergs!<br />

3. Von irrationalen Kapitalmärkten zu irrealen Unternehmenswerten!<br />

Um „die Märkte zu beruhigen“, senkte die US-amerikanische FED den Leitzinssatz Mitte<br />

Jänner 2008 zunächst um 0,75 Prozentpunkte, eine weitere Senkung um 0,5 Prozentpunkte<br />

wird erwartet und ist, bei Erscheinen dieses Beitrags, u. U. bereits vollzogen. Finanzexperten<br />

erwarten, dass auch die EZB früher oder später um eine Zinssatzsenkung nicht<br />

herumkommt.<br />

Eine kumulative Zinssatzsenkung um insgesamt 1,25 Prozentpunkte wirkt sich jedoch,<br />

rein rechnerisch, bei einem bereits niedrigen Basiszinssatz von 4,25 % recht drastisch<br />

aus. Es handelt sich konkret bereits um nicht weniger <strong>als</strong> 29 % des Ausgangswerts. Im<br />

Modell der ewigen Rente erhöht aber bekanntlich die Verminderung der Alternativrendite<br />

stets die Rendite des zu bewertenden Investitionsobjekts; 7 ) dies auch, ohne dass<br />

sich am Investitionsobjekt selbst irgendetwas verändert hätte!<br />

Ein einfaches hypothetisches Zahlenbeispiel soll dies belegen:<br />

● Beispiel 1<br />

Unternehmenswert nach der DCF-Methode bei Basiszinssatz = 4,25 %<br />

Basiszinssatz (bz): 4,25 %<br />

Risikozuschlag (rz): 1,50 %<br />

Kalkulationszinssatz (i): 5,75 %<br />

Periode (t): 1 2 3 4 5<br />

Free Cashflows (FCF): 100,00 120,00 140,00 160,00 180,00<br />

Residualwert (RW): 3.130,43 Barwert<br />

e der FCF: 94,56 107,31 118,38 127,94 136,10<br />

Barwertsumme der FCF (Bw FCF): 584,29 20 %<br />

Barwert des Residualwerts (Bw RW): 2.367,02 80 %<br />

Unternehmenswert: 2.951,32 100 %<br />

Dazu wird, ausgehend von einem „risikolosen“ Basiszinssatz von 4,25 %, einem moderaten<br />

Risikozuschlag (1,50 Prozentpunkte) sowie angenommenen Cashflows über<br />

6 ) Siehe http://www.rp-online.de/public/article/aktuelles/wirtschaft/news/525976<br />

7 ) Barwerte selbst sind nämlich immer relative Vergleichswerte (im Vergleich zur impliziten Hintergrundinvestition)<br />

und daher niem<strong>als</strong> konkrete Werte (z. B. eines Unternehmens). In dieser Funktion taugen<br />

sie bloß zum Vergleich unterschiedlicher Objekte (z. B. Maschinen) für ein und denselben eingeschränkten<br />

Investitionszweck (in ähnlichem Gebrauch wie „Kopf“ oder „Zahl“ beim Münzwurf) und niem<strong>als</strong><br />

zur Ermittlung des konkreten Werts z. B. eines Unternehmens. Auch dieser Umstand wurde jedoch<br />

von den Anhängern dieser „Methoden“ niem<strong>als</strong> begriffen oder jedenfalls nicht zur Kenntnis<br />

genommen!<br />

SWK-Heft ?? ??. Jänner 2008 3


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fünf Jahre, ein „Unternehmenswert“ von rund 2.950 errechnet. Man beachte, dass dieser<br />

bereits zu 80 % aus „ewiger Rente“ besteht, geschätzt aus einem Cashflow, der,<br />

ausgehend vom heutigen Informationsstand, in fünf Jahren erwartet wird; mithin mehr<br />

Fiktion <strong>als</strong> realistische Planung!<br />

Wenn in dieser Situation eine Notenbank, um auf das irrationale Verhalten der Kapitalmärkte<br />

zu reagieren, den Leitzinssatz um 1,25 Prozentpunkte senkt, so ergibt sich für<br />

die „Bewertung des Unternehmens“ das folgende Bild:<br />

● Beispiel 2<br />

Unternehmenswert nach der DCF-Methode bei Basiszinssatz = 3,00 %<br />

Basiszinssatz (bz): 3,00 %<br />

Risikozuschlag (rz): 1,50 %<br />

Kalkulationszinssatz (i): 4,50 %<br />

Periode (t): 1 2 3 4 5<br />

Free Cash Flows (FCF): 100,00 120,00 140,00 160,00 180,00<br />

Residualwert (RW): 4.000,00<br />

Barwerte der FCF: 95,69 109,89 122,68 134,17 144,44<br />

Barwertsumme der FCF (Bw FCF): 606,87 16 %<br />

Barwert des Residualwerts (Bw RW): 3.209,80 84 %<br />

Unternehmenswert: 3.816,68 100 %<br />

Der „Wert des Unternehmens“ beträgt nunmehr rund 3.817 und hat sich, alleine aufgrund<br />

der Zinssatzsenkung, gegenüber dem Ausgangswert bereits um 29,32 % erhöht.<br />

Ein hypothetischer Unternehmensverkäufer könnte <strong>als</strong>o bereits innerhalb eines einzigen<br />

Tages (des Tages der Zinssatzsenkung) nahezu ein Drittel des Kaufpreises verlieren,<br />

ein hypothetischer Käufer hingegen gewinnen. Es ist daher einsichtig, dass über<br />

die dogmatische Verkettung der Unternehmenswerte mit dem jeweiligen Zinsniveau in<br />

Zeiten zunehmender Volatilitäten und Irrationalitäten der Kapitalmärkte auch die solcherart<br />

ermittelten Kauf- bzw. Verkaufspreise keinesfalls zur nachhaltigen Zufriedenheit<br />

der involvierten Parteien führen können!<br />

4. Fazit Die Kapitalmärkte wurden und werden von den auf ihnen agierenden „Spielern“ nach<br />

wie vor nicht <strong>als</strong> das erkannt, was sie in Wahrheit sind: ein rückgekoppeltes Informationsnetzwerk,<br />

welches chaotische Kursverläufe generiert (umgangssprachliche Formulierung:<br />

Casino). Jeder Theoretiker, der unter Ausblendung dieser Tatsache dogmatische<br />

Rechenmethoden für Unternehmensbewertungen empfiehlt, handelt in dieser<br />

Funktion daher grob fahrlässig!<br />

Den mit der Unternehmensbewertung befassten Praktikern kann, solange sie von ihrer<br />

Standesvertretung faktisch genötigt werden, sich fragwürdigen, dogmatischen Formalismen<br />

zu unterwerfen, nur empfohlen werden, Unternehmensbewertungen gänzlich zu<br />

unterlassen bzw. jedenfalls ihre Bewertungsgutachten für die Dauer dieses ideologischen<br />

Regimes anders zu benennen!<br />

4 SWK-Heft ?? ??. Jänner 2008

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