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pdf-download Teil 2 - Magazin Freiheit für Tiere

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FREIHEIT FÜR TIERE<br />

natur ohne jagd: tiergeschichten<br />

Höhle, meine Lichtung, meinen<br />

Wald, meine Welt - meine<br />

Heimat. Und obwohl ich hungrig<br />

war, wie nur ein Wolf sein<br />

kann, kroch ich ins nächste<br />

Gebüsch, rollte mich zusammen<br />

und schlief ein. Mitten in<br />

der Nacht wurde ich plötzlich<br />

wach. Hellwach! Meine innere<br />

Stimme sagte mir: Du musst<br />

weiter, über das große Wasser<br />

und noch viel weiter, bis du in<br />

eine Gegend kommst, in der<br />

deine Sippe einst zu Hause war.<br />

Sie ist schön und fast menschenleer<br />

und niemand wird<br />

dort den Wald vernichten,<br />

dich verjagen oder dir nach<br />

dem Leben trachten. Die<br />

Zeiten haben sich geändert.<br />

Auch <strong>für</strong> dich. Das wird mir<br />

kein Zweibeiner glauben, aber<br />

es war so. Genau so! Von dem<br />

Moment an wurde ich von<br />

einer großen Unruhe gepackt.<br />

Ich wollte keine Zeit verlieren,<br />

denn ich sah meinen Weg so<br />

deutlich vor mir, als wäre ich<br />

ihn schon einmal gegangen.<br />

Dass ich am Ausgangspunkt<br />

einer langen, gefahrvollen<br />

Wanderung stand, war mir<br />

damals gar nicht bewusst. Wie<br />

im Traum hatte ich nämlich<br />

jenen uralten, fast vergessenen<br />

Wolfswechsel gefunden, auf<br />

dem meine Ahnen jahrhundertelang<br />

nach Westen gezogen<br />

sind.<br />

Zuerst musste ich auf die<br />

andere Seite des großen Wassers<br />

gelangen. Ein bisschen<br />

Angst hatte ich schon, aber an<br />

einer seichten Stelle ging es<br />

einfacher als gedacht. Nachdem<br />

das geschafft war, lief ich<br />

weiter und weiter, immer der<br />

Nase nach, immer westwärts.<br />

Ich überquerte Straßen, wich<br />

Autos aus und schlich um<br />

Menschenhäuser. Meinen<br />

Hunger spürte ich kaum noch.<br />

Erst als mir ein merkwürdiger<br />

großer Vogel über den Weg lief,<br />

der einfach nicht wegfliegen<br />

wollte, packte ich zu. Eine so<br />

leichte Beute war mir noch nie<br />

begegnet. Heute weiß ich<br />

natürlich, dass diese dummen<br />

Vögel den Menschen gehören,<br />

Sie lassen sie in der Gegend<br />

herumlaufen und machen ein<br />

120 <strong>Freiheit</strong> <strong>für</strong> <strong>Tiere</strong> -Natur ohne Jagd<br />

Riesengeschrei, wenn einer<br />

fehlt. Der Fuchs, der Fuchs,<br />

jammern sie dann und rufen<br />

nach dem Jäger. Das ist auch<br />

wieder ein Kapitel <strong>für</strong> sich.<br />

Davon später.<br />

Ich hatte also mein erstes<br />

Huhn erbeutet. Und weil das<br />

so mühelos ging, ist es mir<br />

während meiner Wanderung<br />

zur Gewohnheit geworden.<br />

Hühner geben zwar nicht viel<br />

her und ihre Federn sind ungeheuer<br />

lästig, sie sind jedoch<br />

besser als nichts. Wenn man<br />

hungrig und in Eile ist, darf<br />

man nicht heikel sein, das weiß<br />

doch jedes Kind. Einmal - es<br />

war in der Nähe einer großen<br />

Stadt - hörte ich Krähen<br />

schreien. Ich kannte das. Krähen<br />

machen ein unglaubliches<br />

Theater, wenn sie etwas Nahrhaftes<br />

entdeckt haben. Und<br />

manchmal lohnt es sich, das<br />

schwarze Gesindel von seiner<br />

Beute zu vertreiben. Neugierig<br />

geworden, folgte ich ihnen.<br />

Was sich jedoch dann vor meinen<br />

Augen abspielte, war unerhört.<br />

Hunderte, ja Tausende<br />

dieser schwarzen, kreischenden<br />

Aasvögel ließen sich auf einem<br />

riesigen, stinkenden Berg nieder<br />

und wühlten im Dreck.<br />

Jawohl, Dreck! Dreck, der<br />

nach Menschen stank. Dreck,<br />

der zum Himmel stank. Zwischen<br />

den Krähen mit leuchtenden<br />

Augen meine Vettern,<br />

die Füchse. Auch sie verschlangen<br />

gierig, was noch<br />

genießbar war. Auch ein paar<br />

Hunde waren da. Dürre Gestalten,<br />

die sich mit Krähen<br />

und Füchsen um die besten<br />

Brocken zankten. Widerlich!<br />

Entwürdigend! Nein, dann<br />

halte ich mich doch lieber an<br />

Mäuse und Regenwürmer. Ich<br />

war überzeugt, kein Wolf, und<br />

wäre er noch so hungrig, würde<br />

sich einen solchen Aasfraß<br />

einverleiben. Ich sollte mich<br />

täuschen. Nicht das erste Mal<br />

in meinem Leben.<br />

Unbemerkt wie ich gekommen<br />

war, machte ich mich wieder<br />

davon. Ich brauchte die<br />

ganze Nacht, um die große<br />

Stadt zu umrunden. Mein vorgezeichneter<br />

Weg, den ich wie<br />

eine Landkarte im Kopf hatte, führte zwar mitten durch, aber das<br />

Wagnis war mir zu groß. Also schlich ich durch Gärten, über Felder<br />

und Wiesen, zwängte mich durch Zäune, watete durch Gräben,<br />

immer begleitet vom wütenden Gebell der Hunde. Gefangene an<br />

Ketten. Eingesperrte in Käfigen. Arme Irre, die <strong>für</strong> einen vollen<br />

Magen ihre <strong>Freiheit</strong> verkauft haben. Was beklagen sie sich, sie<br />

haben es nicht anders verdient. So dachte ich damals. Ich wusste<br />

noch nicht, dass auch sie unter den Zweibeinern zu leiden haben<br />

und dass manche von ihnen ärmer als Schweine sind.<br />

Der Morgen graute, die Stadt lag endlich hinter mir, da blieb<br />

ich, kaum hatte ich mich in Trab gesetzt, wie angewurzelt stehen.<br />

Hatte ich mit offenen Augen geträumt? War auch ich verrückt<br />

geworden? Nein, da waren sie wieder, die Stimmen meiner<br />

Artgenossen. Wölfe! In dieser gottverdammten Gegend sangen<br />

Wölfe!<br />

Kein Zweifel, sie sangen das alte Lied, das ich so oft<br />

gehört hatte.<br />

Und sie sangen es hinreißend schön. Strophe <strong>für</strong> Strophe. Alle<br />

Vorsicht vergessend, holte ich tief Luft und antwortete. Ich schämte<br />

mich ein bisschen, weil meine Stimme so rauh und ungeübt<br />

klang. Ich hatte ja, seit ich unterwegs war, keinen Laut von mir<br />

gegeben. Trotzdem wurde ich verstanden. Eine schöne helle Stimme<br />

schickte mir eine Einladung: Komm her, Fremdling, beeil dich, wir

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