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Der Weg zur erfolgreichen Tannenwirtschaft - Deutscher Forstverein

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Ein Zeitzeuge berichtet:<br />

<strong>Der</strong> <strong>Weg</strong> <strong>zur</strong> <strong>erfolgreichen</strong> <strong>Tannenwirtschaft</strong> –<br />

Analysen, Strategien und Maßnahmen.<br />

I. Die Pforzheimer Tagung des <strong>Forstverein</strong>s 1979<br />

Vor 30 Jahren behandelte der baden-württembergische <strong>Forstverein</strong> auf seiner Jahrestagung in<br />

Pforzheim das Thema: "Die Tanne eine verlorene Baumart?" (1)<br />

Hintergrund der Fragestellung - manche hielten das Fragezeichen für überflüssig - waren der stetige<br />

Rückgang des Tannenanteils in den Wäldern des Landes, die geringen Erfolge der<br />

Tannenverjüngung trotz vieler Zäune und das heraufziehende Problem der Tannenerkrankung.<br />

Entsprechend war das Tagungsprogramm gestaltet:<br />

Prof. Dr. H. Mayer, Waldbauprofessor der Universität Wien, sprach "Zur waldbaulichen<br />

Bedeutung der Weißtanne im mitteleuropäischen Bergwald" und nannte die Entwicklung des<br />

Tannenanteils ist in vielen Regionen ihres natürlichen Verbreitungsgebiets besorgniserregend: "Bei<br />

gleichbleibender Entwicklung ist, von lokalen Ausnahmen abgesehen, die Tanne eine verlorenen<br />

Baumart".<br />

Als Ursachen des Tannenrückgangs bezeichnete Prof. H. Mayer vor allem<br />

- die unzweckmäßige waldbauliche Behandlung und<br />

- jagdwirtschaftliche Schalenwilddichten. "Heute ist das Wild des Übels größtes<br />

beim Tannenrückgang". Ohne die nachhaltige und eindeutige Lösung der Wildfrage stirbt im<br />

alpinen Bergwald die Tanne weitgehend aus.<br />

Die Tanne muss aus dem Kreis der standortsheimischen Baumarten jedoch nicht abgeschrieben<br />

werden, wenn standorts- und bestandesangepasste Verjüngungs- und Bestandespflege-Maßnahmen<br />

ergriffen werden und die Wildfrage gelöst wird.<br />

Eine intensive, der Tanne angepasste Waldpflege ist auch die beste Prophylaxe gegen das<br />

Tannensterben.<br />

Dr. F. Kälble, Leiter der Forstdirektion Karlsruhe, referierte über<br />

"Die <strong>Tannenwirtschaft</strong> auf standörtlicher Grundlage in Baden-Württemberg".<br />

Er bezeichnete die Tanne als prädestinierte Nadelbaumart auf Pseudogleyen bei geeignetem<br />

Regionalklima, als ideale Mischbaumart mit stabilisierender und bodenmeliorierender Wirkung.<br />

Mischbestände aus Tanne, Fichte und Buche erbringen hohe Erträge und erfüllen Schutz- und<br />

Erholungsfunktionen optimal.<br />

Als entscheidende Faktoren beim Rückgang der Tannen werden Fehler bei der waldbaulichen<br />

Behandlung (viel zu schwache Eingriffe und Niederdurchforstung) sowie überhöhte<br />

Schalenwildbestände angesehen.<br />

Kälble schlägt vor, die waldbauliche Behandlung der Tanne am Plenterprinzip aus<strong>zur</strong>ichten. Ohne<br />

großflächige Naturverjüngung geht die Tanne verloren.<br />

Dr. G. Petri, Waldbau- und Jagdreferent der Forstdirektion Karlsruhe, vertiefte das<br />

Schalenwildproblem in seinem Vortrag "<strong>Der</strong> Einfluss des Schalenwilds auf die Tannennachzucht<br />

im Schwarzwald". Er verglich die Entwicklung der Schalenwildbestände und der Tannenanteile im<br />

Schwarzwald und kommt zum Schluss, dass das Wild heute Hauptursache des Tannenverlustes ist.<br />

Hohe Abschüsse und umfangreiche Zäunungen in einzelnen Forstämtern zu Beginn der 1960er<br />

Jahre haben gezeigt, dass der Teufelskreis von überhöhtem Wildbestand, starkem Verbiss und<br />

1<br />

1


mangelnder Äsung durchbrochen werden kann. Dann ist es möglich, nach Öffnung der Zäune die<br />

Tanne auf der Großfläche ohne Zaunschutz wieder natürlich zu verjüngen.<br />

Tannenverluste im fortgeschrittenen Bestandesalter sind auf die unterschiedliche Wuchsdynamik<br />

und falsche Behandlung der Tanne im Mischbestand <strong>zur</strong>ückzuführen. Biotische Schäden und<br />

Umwelteinflüsse können zudem mitwirken.<br />

Dr. E. König und Dr. F-H. Evers, beide Abteilungsleiter der FVA, berichteten über die noch<br />

jungen und vorläufigen Erkenntnisse <strong>zur</strong> Tannenerkrankung (1) und wiesen auf einen<br />

wahrscheinlichen Ursachenkomplex biotischer und abiotischer Natur hin, eine Hypothese, die von<br />

der FVA in der Folge nie verlassen wurde.<br />

Die Referenten der Pforzheimer Tagung 1979 waren sich also weitgehend einig:<br />

Die unzweckmäßige waldbauliche Behandlung der Tanne und überhöhte Schalenwildbestände sind<br />

die wesentlichen Ursachen des Rückgangs der Tannen.<br />

<strong>Der</strong> Einfluss der Luftschadstoffe bedarf noch der Klärung.<br />

II. Analyse<br />

Wenn wir in der Waldbauliteratur etwas weiter <strong>zur</strong>ückblättern, dann finden wir ähnliche<br />

Erklärungen des Tannenrückgangs durch frühere Waldbauexperten:<br />

E. Zentgraf (2), ehemaliger Freiburger Waldbauprofessor, nennt vier Faktoren: Wildverbiss,<br />

Krankheiten, Veränderungen des Bodenzustandes und Fehler in der waldbaulichen Behandlung.<br />

Für die Tanne existenzbedrohend sind nach seiner Meinung<br />

- der gleichaltrige Reinbestand<br />

- die rasche Abdeckung der Verjüngung und<br />

- die Durchpflanzung der Verjüngung mit Fichten.<br />

Tannen in älteren Mischbeständen sind meist 2-3 Jahrzehnte älter als Fichten und Buchen. "<strong>Der</strong><br />

Tannenanteil unserer Altbestände (v.a. im Schwarzwald) besteht aus ehemaligen Vorwüchsen".<br />

Von diesen auch heute noch (wieder) gültigen Vorstellungen wich sein Nachfolger im Amt des<br />

Waldbauprofessors in Freiburg, F. W. Bauer (3), deutlich ab. Er schrieb als damaliger Leiter der<br />

Forstdirektion Freiburg in den Waldbaugrundsätzen 1948: "Die Tanne ist und bleibt die<br />

Charakterbaumart des Schwarzwaldes. Sie soll in den oberen Lagen Hauptholzart bleiben. <strong>Der</strong><br />

badische Waldbau strebt grundsätzlich Naturverjüngung an. Eine wesentliche Ausdehnung des<br />

Femelbetriebes wäre unter den in Baden gegebenen Bedingungen weder wirtschaftlich noch<br />

betriebstechnisch zu rechtfertigen“.<br />

M. Scheifele (5) stellte als Waldbaureferent der baden-württembergischen Landesforstverwaltung<br />

bei einer Fortbildungsveranstaltung 1965 seine Grundgedanken und waldbaulichen Ziele vor und<br />

sagte zum Thema "Tanne":<br />

Die LFV betrachtet die Erhaltung und Wiedereinbringung der Tanne als einen Schwerpunkt ihrer<br />

Arbeit. <strong>Der</strong> Rückgang der Tanne ist neben dem Wild v. a. auch der falschen waldbaulichen<br />

Behandlung zuzuschreiben. Statt Verjüngungshetze ist ein Verjüngungszeitraum von 20-30 Jahren<br />

vorzusehen. Das eng begrenzte saumbetonte Vorgehen soll aufgegeben und <strong>zur</strong> frühzeitigen,<br />

großflächigen Verjüngung unter Schirm, meist nach Zäunung übergegangen werden. Die besten<br />

Verhältnisse zu ihrem Gedeihen findet die Tanne bei Ungleichaltrigkeit, Stufigkeit und Mischung,<br />

möglichst mit Buche und Fichte.<br />

Dieser durchaus tannenfreundlichen Haltung steht dann eine für die Tanne gefährliche Aussage<br />

entgegen: "Die Fichte ist weiterhin der Brotbaum. <strong>Der</strong> Fichte ist die standörtlich maximal<br />

mögliche Fläche zuzuweisen. Auf das große Betriebsrisiko ist Rücksicht nehmen, i.d.R. durch<br />

Mischbestände“.<br />

2<br />

2


Wichtige Hinweise zum Tannenrückgang liefert auch die fernere Waldbaugeschichte:<br />

Beachtenswert ist die Tatsache, dass die großflächigen Exploitationshiebe im 18. Jahrhundert,<br />

die damals hohen Rotwildbestände und die intensive Waldweide den Tannenanteil im<br />

Nordschwarzwald nicht <strong>zur</strong>ückwarfen. Bei der ersten systematischen Waldzustandserhebung im<br />

württembergischen Staatswald (dem so genannten Forstetat von 1778) wurde - wohlgemerkt: nach<br />

der säkularen Waldverwüstung - ein Tannenanteil von etwa 40 % ermittelt (6). Das entspricht etwa<br />

den Verhältnissen im Naturwald. <strong>Der</strong> Tannennachwuchs hat demnach unter dem damaligen rüden<br />

Holzeinschlag mit nachfolgender Köhlerei, und unter dem starken Verbiss durch Weidevieh und<br />

Wild offensichtlich wenig gelitten, weil man mit der ankommenden Naturverjüngung noch<br />

allgemein zufrieden war. Die fehlende Konkurrenz durch die Fichte dürfte dafür entscheidend<br />

gewesen sein, eine These, die bisher selten erwähnt und diskutiert wurde.<br />

Seit etwa 1830 erfolgte ein systematischer Aufbau der devastierten Wälder. Die Großkahlschläge<br />

und die ungeregelte Plenterung wurden unter dem Einfluss von Hartig durch den Großschirmschlag<br />

mit Naturverjüngung ersetzt. Die Weiderechte wurden abgelöst, die hohen Wildbestände reduziert<br />

und nach 1848 war das Schalenwild weitgehend ausgerottet. Saat und Pflanzung von Fichten und<br />

Forchen, spielten dann in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts eine zunehmend größere Rolle. Aber<br />

noch immer galt das Ziel, die Tanne im Schwarzwald zu erhalten und zu fördern.<br />

Mit Erfolg: 1900 sind immer noch 40 % der Fläche des württembergischen Staatswaldes im<br />

Schwarzwaldes mit Tannen, 38 % mit Fichten bestockt (7). Einen ähnlich hohen Tannenanteil<br />

ermittelte Petri (8) für das Jahr 1880 im Staatswald des Nordschwarzwalds mit 41 %, und Gerwig<br />

(9) schätzt den Tannenanteil im badischen Schwarzwald 1868 auf 30 %.<br />

Fazit: <strong>Der</strong> Tannenanteil blieb im 19. Jahrhundert trotz zunehmender Fichtenkonkurrenz, aber dank<br />

spürbarer Entlastung vom Verbiss durch Wild- und Weidevieh relativ konstant.<br />

Anders verlief die Entwicklung in Sachsen und Thüringen, wo Kahlschlagsbetrieb und<br />

Fichtenpflanzung (rationelle sächsische Kahlschlagswirtschaft) die Tanne innerhalb einer<br />

Waldgeneration nahezu ausrotteten.<br />

Um 1900 war der Wiederaufbau der devastierten Wälder vollzogen. Mit steigendem<br />

Holzvorrat sank rein rechnerisch die Verzinsung des eingesetzten Kapitals. Die Faustmänner und<br />

Bodenreinerträgler, die von Sachsen kommend auch in Süddeutschland ihre Nachfolger fanden,<br />

erreichten mit ihren Rechenmodellen, dass die alten Wälder, die "faulen Gesellen", verschwanden.<br />

Das Renditedenken gewann die Oberhand, die Fichte war zum Brotbaum der Forstwirtschaft<br />

geworden. Immer noch waren Naturverjüngung und Mischbestände hier im Land wichtige Ziele.<br />

Wagner in Württemberg und Philipp in Baden entwickelten Waldbausysteme, mit deren Hilfe<br />

diese Ziele erreicht werden sollten. Es half aber alles nichts. Die Verjüngung am Saum und das<br />

hohe Verjüngungstempo begünstigten die Fichte (im Südschwarzwald auch die Buche). Die Tanne<br />

blieb <strong>zur</strong>ück und verlor im Lauf des Bestandeslebens immer mehr an Boden. Insgesamt hat die<br />

Tanne im Lauf des 20. Jahrhunderts mehr als die Hälfte ihrer Fläche verloren.<br />

Einen wissenschaftlichen Nachweis der Gefährdung der Tanne durch die Fichte erbrachte Hink<br />

1971 (10). Er untersuchte das Wachstum von Fichte und Tanne auf den wichtigsten<br />

Standortseinheiten des EWB´s "Flächenschwarzwald" und fand, dass die Tanne auf keiner der<br />

untersuchten Flächen zu irgendeiner Zeit ihrer Entwicklung die Höhe der (gleichalten) Fichte<br />

erreicht. Die Höhe der Tanne im Alter 100 liegt im Mittel um 4,2 m unter der Fichte. Je schwieriger<br />

der Standort, umso geringer ist zwar die Differenz, aber unter durchschnittlichen Verhältnissen<br />

wurde die Tanne bei den damals herrschenden Verjüngungs- und Pflegeverfahren von der Fichte<br />

überwachsen.<br />

3<br />

3


Auch die FE-Statistiken zeigen diesen Prozess der andauernden Verdrängung der Tannen. Im Lauf<br />

von 20 Jahren gehen beim Vergleich einer Altersklasse mit den Werten der nächsthöheren<br />

Altersklasse erhebliche Tannenflächen verloren.<br />

So sinkt zum Beispiel der Tannenanteil von der II. AK (1961/70) <strong>zur</strong> III. AK (1981/90) von 16 auf<br />

13 % (grün markiert). Dadurch erklären sich der Rückgang der Tanne im AK-Wald um etwa 2<br />

Prozentpunkte pro Jahrzehnt (blau markiert). Die Übersicht zeigt auch (rot markiert) den Zeitraum<br />

des geringsten Tannennachwuchses in den Kriegs- und Nachkriegsjahren.<br />

Übersicht<br />

Tannen und Altersklassen im Staats- und Körperschaftswald ( Wuchsgebiet Schwarzwald in %)<br />

I II III IV V VI VII u. älter AK-Wald PLW<br />

1961/70 15 16 22 25 29 32 30 22 57<br />

1971/80 16 12 17 22 27 28 28 20 55<br />

1981/90 18 11 13 19 23 26 24 18 49<br />

1991/00 21 14 10 16 20 24 23 17 35<br />

Verschärft wurde diese Entwicklung durch die Folgen des Reichsjagdgesetzes 1934. Die Reh- und<br />

Rotwildbestände wuchsen in Zeitkürze auf ein Vielfaches ihres natürlichen und waldverträglichen<br />

Bestandes heran. Sie erreichten bereits in den 1950er Jahren eine Höhe, die den Waldbau hinter<br />

Zäune verbannte und großflächig gute waldbauliche Ergebnisse verhinderte (11).<br />

Mit den Überhieben der Kriegs- und Nachkriegszeit hielt auch der Großkahlschlag wieder Einzug<br />

im Land und das unverzagte Bemühen um Mischwälder auf den Kahlflächen endete trotz großer<br />

Zäune überwiegend beim Fichtenwald. Dies war, wie schon erwähnt, die Zeit der stärksten<br />

Tannenverluste (12).<br />

In den 1980er Jahren verlangte der „kranke Wald“ große Aufmerksamkeit und band viele Kräfte.<br />

Die Unsicherheit über die Ursachen und die weitere Entwicklung der neuartigen Waldschäden, wie<br />

das ursprüngliche Tannensterben später genannt wurde, war groß. Die Intensivierung der<br />

Erforschung der Ursachen stand im Vordergrund. Die Forschungskapazität der FVA wurde<br />

ausgeweitet, in Karlsruhe wurde 1983 das „Europäische Forschungszentrum für Maßnahmen <strong>zur</strong><br />

Luftreinhaltung (PEF)“ gegründet und mit reichlichen Forschungsmitteln von Land und Bund<br />

sowie der Europäischen Gemeinschaft ausgestattet.<br />

Das seit 1977 bestehende Netz von Dauerbeobachtungsflächen wurde erweitert und, nachdem seit<br />

1982 auch Fichten und Laubbäume, Krankheitssymptome zeigten, wurde 1983 eine landesweite<br />

Schadensinventur auf Stichprobenbasis und eine Befliegung mit Infrarot-Farbfilm-Filmen<br />

durchgeführt. Die Auswertung des umfangreichen Datenmaterials durch die FVA führte zu der<br />

Hypothese, dass die Luftverschmutzung ein maßgeblicher Verursacher der Walderkrankung ist.<br />

Schöpfer und Hradetzky haben 1984 über diesen "Indizienbeweis" berichtet (13).<br />

In den Medien fand die Walderkrankung große Beachtung. Horrorszenarien bestimmten das Bild.<br />

Es war nicht leicht, forstpolitisch und waldbaulich Kurs zu halten.<br />

Die Landesforstverwaltung vertrat, gestützt durch die Beratung der FVA, (die bei Minister Weiser<br />

eine hohe Wertschätzung genoss), die These vom vielfältigen Ursachenkomplex. In der Broschüre<br />

"Walderkrankung und Immissionseinflüsse" des MLR wurde 1983 die forstliche Praxis und die<br />

Öffentlichkeit über mögliche Kausalketten beim "Waldsterben" informiert.<br />

4<br />

4


Moosmayer wies frühzeitig und andauernd auf das vielfältige Wirkungsgefüge hin:<br />

"Verantwortlich ist ein Ursachenkomplex aus abiotischen und biotischen Faktoren, unter denen die<br />

Luftschadstoffe eine entscheidende Rolle spielen (14).<br />

In der Konsequenz hat die Landesregierung eine schnelle und wesentliche Reduktion der<br />

Luftschadstoffe gefordert und partiell auch erreicht.<br />

Fassen wir das Ergebnis der Analyse zusammen,<br />

so ergibt sich, dass der Rückgang der Tanne sich im 20. Jahrhundert ereignete.<br />

Sie hat in diesem Zeitraum über die Hälfte ihrer Fläche verloren.<br />

Die treibenden Kräfte waren:<br />

- Ein nicht tannengemäßer Waldbau, insbes. durch kurzfristige Verjüngungen,<br />

wie sie für Saumhiebe aller Art typisch sind und im 20. Jahrhundert üblich waren. Dadurch<br />

wurden v. a. die Fichten begünstigt und die Tannen im Mischbestand <strong>zur</strong>ückgedrängt.<br />

Verschlimmert wurde die Lage durch großflächige Kahlhiebe (Forstreservefondhiebe,<br />

kriegsbedingte Überhiebe, F- und E-Hiebe) und schließlich gegen Ende des Jahrhunderts<br />

durch die Jahrhundertstürme. Mitverantwortlich war auch eine un<strong>zur</strong>eichende<br />

Bestandespflege.<br />

- Über ein halbes Jahrhundert lang haben zudem überhöhte Rehwildbestände die<br />

Tannenverjüngung weitgehend verhindert oder den Waldbau hinter Zäune verbannt und<br />

insofern nur kleinkarierte Erfolge zugelassen.<br />

- Die Walderkrankung hat nicht zu den befürchteten großflächigen Waldverlusten<br />

in den Hochlagen geführt. <strong>Der</strong> beschleunigte Abbau erkrankter älterer<br />

Tannenbestände konnte aber durch den Tannennachwuchs nicht kompensiert<br />

werden. Insofern gingen auch dadurch Tannenflächen verloren.<br />

III. Strategie<br />

Auf diesen Erfahrungen konnte, ganz im Sinne der bei der Pforzheimer Tagung von 1979<br />

vorgeschlagenen Maßnahmen, ein <strong>Weg</strong> zu einer erfolgreicheren <strong>Tannenwirtschaft</strong> eingeschlagen<br />

werden. Ich darf jedoch betonen, dass es eine eigenständige Strategie für die <strong>Tannenwirtschaft</strong> -<br />

wie das Thema vorgibt - jedoch nicht gab. Die Bewirtschaftung der Tannenwälder war<br />

eingebunden in das Konzept „Naturnahe Waldwirtschaft“, das in Anlehnung an die vielen<br />

Veröffentlichungen, vor allem von Prof. Leibundgut/Zürich, entwickelt und Schritt für Schritt<br />

umgesetzt wurde. <strong>Der</strong> im Vergleich <strong>zur</strong> gängigen Praxis der Nachkriegszeit wesentlich veränderte<br />

Waldbau wurde weder aus einem Guss entwickelt, noch wurde er der Praxis per Dekret<br />

übergestülpt. Schlechte Beispiele mit verordneten Betriebssystemen zu Anfang des 20.<br />

Jahrhunderts verboten ein solches Vorgehen. Vielmehr wurde seit Ende der 1970er Jahre ein breit<br />

angelegter Diskurs über das veränderte waldbauliche Vorgehen eröffnet, mit der Praxis und der<br />

Wissenschaft diskutiert, in Aus- und Fortbildungsveranstaltungen v. a. an die jüngeren Jahrgänge<br />

vermittelt und in der Regel durch die Forsteinrichtung in die Betriebes übertragen.<br />

Wir alle zusammen waren eine lernende Institution.<br />

In diesem Rahmen galt es, einen tannengemäßen Waldbau nicht nur zu propagieren, was in der<br />

Vergangenheit selten versäumt wurde, sondern ihn endlich mit den nötigen Konsequenzen<br />

umzusetzen und die Haupthindernisse zu beseitigen.<br />

5<br />

5


Die Tanne wurde aus dem Prokrustesbett der strengen räumlichen Ordnung mit festgelegten<br />

Hiebszügen und Schlagreihen entlassen. Kahl- und Saumhiebe in Tannen-Mischbeständen, der<br />

sogenannte „Wursträdlesbetrieb“ (häufig mit nachfolgender Fichten- oder Douglasienpflanzung),<br />

wurde aufgegeben und dafür vorsichtige Schirmhiebe auf der Bestandesfläche geführt. Die<br />

Endnutzung wurde deutlich <strong>zur</strong>ückgefahren und damit de facto die Umtriebszeit erhöht. Dafür<br />

wurden Pflege und Durchforstung intensiviert. Aus der Vorratspflege heraus sollten sich<br />

Verjüngungsvorräte der Schattbaumarten unter Schirm bilden. Wo nötig wurden Tannen und<br />

Buchen vorgebaut. Räumungshiebe über fertigen Verjüngungen sollten sich am langfristigen<br />

Femelschlag orientieren, soweit nicht Dauerwald in Frage kam.<br />

Und: <strong>Der</strong> regelmäßige Zaunbau sollte auf Ausnahmefälle reduziert werden.<br />

Von zentraler Bedeutung war also die schnelle Reduktion der maßlos überhöhten Reh- und<br />

Rotwildbestände, die gezielt angegangen wurde. Die Bedingungen im Land waren günstig, weil<br />

kein maßgeblicher Politiker des Landes Jäger war und die Führungsmannschaft der LFV<br />

geschlossen und eindeutig das Ziel „Wald vor Wild“ vertrat. Scheifele informierte anlässlich der<br />

Herbstdienstbesprechungen 1975 die Forstamtsleiter, dass Wildschäden, insbesondere in staatlichen<br />

Jagden, künftig nicht mehr als Kavaliersdelikt angesehen, sondern als dienstliche Verfehlung<br />

geahndet werden.<br />

IV. Maßnahmen und Programme<br />

Die mir <strong>zur</strong> Verfügung stehende Zeit verbietet es, auf personelle und lokale Besonderheiten<br />

einzugehen. <strong>Der</strong> Schwerpunkt meiner Ausführungen liegt auf den Aktivitäten, die vom<br />

Ministerium ausgingen, die aber in enger Verbindung mit der FVA und den Forstdirektionen<br />

entwickelt und umgesetzt wurden. Daneben dürfen auch die wertvollen Initiativen von Kollegen<br />

auf den Forstämtern nicht vergessen werden. So wurden z. B. im Nordschwarzwald auf großen<br />

Flächen Fichten aus Naturverjüngungen entfernt und dadurch der Tannennachwuchs entscheidend<br />

gefördert. (Etwas umständlich habe ich damit den brutalen, aber gängigen Begriff der Entfichtung<br />

umschrieben). Die Aktion hat Geld gekostet, aber sie hat sich als höchst wirkungsvoll erwiesen.<br />

1979 erging, in Anlehnung an Vorarbeiten der Forstdirektion Nordwürttemberg, ein Erlass <strong>zur</strong><br />

Begründung der wichtigsten Betriebzieltypen (15). In den einleitenden Grundsätzen steht an<br />

erster Stelle: "Die Möglichkeit der Naturverjüngung ist in verstärktem Maße sinnvoll auszunutzen"<br />

und: "<strong>Der</strong> Regulierung des Wildbestandes auf ein tragbares Maß ist vorrangig Aufmerksamkeit zu<br />

schenken. Die Hauptbaumarten müssen sich in der Regel ohne Zaunschutz verjüngen lassen".<br />

1980 wurden Möglichkeiten <strong>zur</strong> Steigerung der Naturverjüngung untersucht, wuchsgebietsweise<br />

kommentiert und die Verdoppelung des (erbärmlich niedrigen) Naturverjüngungsanteils von etwa<br />

20 % im Staatswald eingefordert.<br />

Bei der Forstlichen Fakultät der Uni Freiburg wurde angeregt, die ertragskundliche Forschung auf<br />

Mischbestände und Naturverjüngung auszudehnen.<br />

Die FVA wurde angewiesen, dazu Versuchsflächen anzulegen, um der Praxis wissenschaftlich<br />

abgesicherte Daten <strong>zur</strong> Verfügung zu stellen.<br />

In diese Zeit 1979/80 fällt auch die Intensivierung des Tannen- und Buchen- Vorbaus <strong>zur</strong><br />

Umwandlung reiner Fichtenbestände in Mischbestände und die Aufnahme des Vorbaus in das<br />

Förderprogramm des Landes (16, 17).<br />

Damit waren erste Pflöcke auf dem <strong>Weg</strong> zum naturnahen Waldbau eingeschlagen.<br />

Waldbaulich beste Absichten bleiben Makulatur, wenn Reh- und Rotwildbestände nicht den<br />

natürlichen Bedingungen angepasst sind sind. Daran ist die Nachkriegs-Generation gescheitert.<br />

Deshalb wurden 1979 "Richtlinien für die Hege und Abschussregelung des Rehwildes für die<br />

staatseigenen Jagden" erlassen (18). Sie basieren ebenfalls auf einem Vorentwurf der<br />

6<br />

6


Forstdirektion Nordwürttemberg unter Federführung des Ltd. FDir. F. Rau (19). Zentral war<br />

wiederum das Ziel, dass die in einem bestimmten Gebiet vorkommenden Hauptbaumarten sich<br />

ohne Schutzmaßnahmen verjüngen lassen. Die Höhe des Abschusses soll sich zukünftig nicht mehr<br />

an fragwürdigen Schätzungen des Wildbestandes, sondern am Zustand der Vegetation und der<br />

Kondition des Wildes orientieren. Solange diese Ziele nicht erreicht sind, ist der Abschuss zu<br />

erhöhen.<br />

In Fortbildungsveranstaltungen mit dem Thema "Wildbewirtschaftung nach ökologischen<br />

Gesichtspunkten" (20) wurden 1979 die forstlichen Beisitzer in den Kreisjagdämtern sowie die<br />

Leiter größerer Staatsjagdreviere mit den neuen Vorstellungen vertraut gemacht. Wesentliche<br />

Ideengeber waren die Wildbiologen Eisfeld und Ellenberg, die <strong>zur</strong> Nahrungsphysiologie und zu<br />

den Regulierungsmechanismen des Rehwildes referierten. Schonungslos wurden die Wildschäden,<br />

ihre Ursachen und Folgen angesprochen und auf dienstrechtliche Konsequenzen hingewiesen. Die<br />

Forsteinrichter hatten den Auftrag, den Einfluss des Schalenwildes auf die Naturverjüngung<br />

sorgfältig zu begutachten. Bei Örtlichen Prüfungen <strong>zur</strong> Forsteinrichtung wurde bilanziert und<br />

abgerechnet.<br />

1981 folgte eine Rotwild-Richtlinie. Mit dem LJV wurde Übereinstimmung erzielt, dass eine<br />

weitere Reduktion des Rotwildbestands durchgeführt werden muss, bis die Schälschäden auf ein<br />

tragbares Maß <strong>zur</strong>ückgegangen sind (21).<br />

Die Verwendung der Vegetationsweiser <strong>zur</strong> Beurteilung der relativen Höhe des<br />

Rehwildbestandes verlangte ein einfaches und doch aussagekräftiges Verfahren <strong>zur</strong> Beurteilung der<br />

Wald-Wild-Situation. 1981 wurde ein erster Versuch mit dem "Ökologischen Gutachten zum<br />

Abschussplan" gestartet. Die Forstämter wurden aufgefordert, die jagdliche, waldbauliche und<br />

ökologische Situation in den Jagdbezirken ihres Gebietes zu beurteilen und dem forstlichen<br />

Beisitzer im Kreisjagdamt konkrete Informationen zu liefern.<br />

Versehen mit harten Fakten <strong>zur</strong> Wald-Wild-Situation konnte der forstliche Beisitzer im<br />

Kreisjagdamt kompetent in die Gestaltung der Abschusspläne in den gemeinschaftlichen<br />

Jagdbezirken eingreifen und die Belange des Waldes handfest vertreten. <strong>Der</strong> Landesjagdverband<br />

erkannte schnell die Wirksamkeit des Verfahrens und protestierte sowohl gegen den Alleingang der<br />

Forstverwaltung als auch gegen die gutachterlichen Tätigkeit der Forstämter in den<br />

gemeinschaftlichen Jagdbezirken. <strong>Der</strong> Versuch, das Projekt auf der politischen Schiene zu<br />

verhindern, blieb ohne Erfolg. In zähen Verhandlungen gelang es, 1985 zu dem mit der Jägerschaft<br />

abgestimmten "Forstlichen Gutachten zum Abschussplan" zu kommen.<br />

Es wird seit 1986 in dreijährigem Abstand erhoben (22).<br />

Angesichts der Tatsache, dass die Verwaltungsjagd in Baden-Württemberg nur 8 % der<br />

Landesfläche und 18 % der Waldfläche umfasst, war <strong>zur</strong> Lösung des Wald-Wild-Konflikts eine<br />

enge Kooperation mit der Jägerschaft unabdingbar. Es wurde Wert darauf gelegt, dass diese auf<br />

allen Verwaltungsebenen intensiv praktiziert wird. In regelmäßigen Besprechungen zwischen den<br />

Spitzen der LFV und dem Präsidium des LJV, in den Jagdbeiräten der oberen Jagdbehörden, in den<br />

Kreisjagdämtern und in unzähligen Waldbegehungen der Forstämter mit Hegeringen wurden die<br />

forstlichen Ziele und jagdlichen Konsequenzen erläutert und <strong>Weg</strong>e <strong>zur</strong> Zielfindung besprochen.<br />

Ein nicht zu unterschätzender Druck auf die Jägerschaft ging auch von der öffentlichen Diskussion<br />

um das Waldsterben aus. Mit dem Schlagwort des "Waldsterbens von unten" fanden sich die Jäger<br />

unversehens in der Rolle der Mitverantwortlichen eines massiven Umweltproblems.<br />

Mit der VwV - Rehwild 1985 gelang es, die bisher nur für die staatseigenen Jagden geltende<br />

Rehwildrichtlinie von 1979 in leicht modifizierter Form für alle Jagden verbindlich zu machen.<br />

7<br />

7


Zugleich wurden zwischen dem Ministerium und dem Landesjagdverband Empfehlungen <strong>zur</strong><br />

Bejagung von Reh- und Rotwild vereinbart (23).<br />

Wer heute dieses Operat liest und sich über den Seiltanz wundert, was bei der Rehwildjagd gerade<br />

noch und schon nicht mehr erlaubt ist, muss wissen, dass in jenen Jahren der Bundesjagdverband<br />

ernsthaft versuchte, Treibjagden auf Reh- und Rotwild und das Ankirren von Wild als Verstöße<br />

gegen die "anerkannten Grundsätze der deutschen Waidgerechtigkeit" zu diskretitieren und<br />

gesetzlich verbieten zu lassen. Es war Handlungsbedarf angesagt und inzwischen sind diese von<br />

Baden-Württemberg ausgegangenen Impulse bundesweit unbestrittene Praxis.<br />

Weitere Erleichterungen der Abschusserfüllung konnten damals nicht durchgesetzt werden und<br />

sind bis heute noch nicht erreicht worden, z. B.<br />

- ein Fütterungsverbot für Rehwild,<br />

- die Verlängerung der Bockjagd bis zum 31.Januar, und<br />

- der <strong>Weg</strong>fall des Verbots der Nachtjagd auf Rehwild.<br />

Im Hinblick auf die waldbaulichen Konsequenzen des „Waldsterbens“ wurde zu keiner Zeit ein<br />

genereller Wechsel zu immissionsresistenten Baumarten erwogen, wie er im Erzgebirge vollzogen<br />

wurde. Leitlinie war, dass die Emissionen mit vorhandenen technischen Mitteln so zu reduzieren<br />

sind, dass auch die empfindlichen Tannen überleben und ihre Funktionen voll erfüllen können (25).<br />

Die Hoffnung auf eine Verringerung der Luftschadstoffe ruhte auf den weit reichenden<br />

Beschlüssen der Bundesregierung <strong>zur</strong> Verschärfung der Grenzwerte der Technischen Anleitung <strong>zur</strong><br />

Reinhaltung der Luft (TA-Luft) und der Großfeuerungsanlagen-VO, beide von 1983. Sie haben in<br />

unerwarteter Zeitkürze <strong>zur</strong> Reduktion der SO2-Belastung der Luft geführt, was nicht nur der SO2empfindlichen<br />

Tanne gut bekommen ist.<br />

Die Tanne hat sich in der Tat seit Ende der 1980er Jahre deutlich erholt. Innerhalb der letzten 10<br />

Jahre ist ihr Kronenzustand im Gegensatz zu anderen Hauptbaumarten äußerst konstant geblieben.<br />

Selbst nach der extrem heißen und trockenen Witterung im Jahr 2003 wurden bei der Tanne keine<br />

anhaltenden Schädigungen beobachtet (26). In jüngster Zeit haben Zuwachsuntersuchungen<br />

bekräftigt, dass die verminderte Belastung durch schwefelhaltige Immissionen neben anderen<br />

Faktoren maßgeblich den verbesserten Gesundheitszustand der Tanne bewirkt haben (27).<br />

Zur Dämpfung der negativen Folgen der Walderkrankung beschloss die Landesregierung 1986 ein<br />

"Waldbauliche Sonderprogramm" mit der finanziellen Förderung von Vorbau,<br />

Meliorationskalkung und Wiederaufforstung abgestorbener Bestände im Nichtstaatswald. Auch<br />

diese Aktion hat der Tanne geholfen.<br />

Um der flächigen Auflösung der Wälder in den Hochlagen des Schwarzwaldes zu begegnen (der<br />

Schwarzwald bekam zunehmend eine Glatze), wurde 1989 eine "Richtlinie für die waldbauliche<br />

Behandlung schwer geschädigter Bestände und Freiflächenaufforstung in den Hochlagen des<br />

Schwarzwaldes" erlassen.<br />

Vorgesehen waren insbesondere:<br />

- Meliorationsdüngung <strong>zur</strong> Steigerung der Vitalität der Bestände und zum Schutz des Bodens,<br />

- Umwandlung der Fichtenreinbestände in Mischbestände, auf Freiflächen unter dem Vorwald der<br />

natürlich ankommenden Pioniere, und<br />

- scharfe Bejagung des Schalenwildes sowie Fütterungsverbot in den Hochlagen.<br />

Nach Abklingen der hektischen Diskussionen um das Waldsterben und noch vor den Orkanen 1990<br />

wurden 1988 Ziele und Maßnahmen auf dem <strong>Weg</strong> zum naturnahen Waldbau präzisiert:<br />

In der AFZ, die damals auch an alle Revierleiter ausgeliefert wurde, erschien mein Aufsatz mit dem<br />

Titel "Grundsätze künftigen Waldbaus am Beispiel der LFV Baden-Württemberg" (28). Ein Jahr<br />

danach wurden die waldbaulichen Ziele in der Schriftenreihe der LFV (29) nochmals dargestellt<br />

8<br />

8


und mit der waldbaulichen Entwicklung nach Plan und Vollzug verglichen. Dadurch konnte die<br />

bisherige Entwicklung an den künftigen Zielen gemessen, Schwachstellen analysiert und<br />

Kurskorrekturen vorgenommen werden.<br />

Die wesentlichen Ziele und die tragenden Säulen der "Naturnahen Waldwirtschaft" sind Naturnähe,<br />

Vielfalt und Stabilität. Die natürlichen Abläufe sollen als biologische Automation verstärkt genutzt<br />

werden. Wo sinnvoll und möglich, soll Dauerwald angestrebt werden. Ansonsten sollen bei der<br />

Verjüngung der Wälder abrupte Räumungen mit nachfolgender Pflanzung vermieden und fließende<br />

Übergänge von einer Waldgeneration <strong>zur</strong> anderen angestrebt werden (30).<br />

Logische Konsequenz dieser Entwicklung war der Plenterwalderlass von 1993, mit dem die<br />

Forsteinrichter angewiesen wurden, verstärkt Dauerbestockungen auszuweisen. Die hierfür<br />

notwendigen Voraussetzungen waren günstig, weil durch den weitgehenden Verzicht auf<br />

Räumungshiebe im vergangenen Jahrzehnt und die erfolgreiche Regulierung der Rehwildbestände<br />

Verjüngungsvorräte auf großen Flächen entstandenen waren. Im Schutz einer dauernden<br />

Überschirmung ist die Tanne unschlagbar, während sie auf der Kahlfläche von den meisten<br />

Baumarten überwachsen wird. Die einzelstammweise Nutzung bietet v. a. in Tannenwäldern zudem<br />

die Möglichkeit, mit vergleichsweise geringen Aufwendungen hohe Erträge zu erzielen, ohne<br />

andere Waldfunktionen zu beeinträchtigen.<br />

Mit der Richtlinie landesweiter Waldentwicklungstypen von 1999 wurde der Plenterwalderlass<br />

weiterentwickelt (31). Das Entwicklungsziel des WET Tannen-Mischwald wird beschrieben als ein<br />

"in seiner Artenzusammensetzung und Struktur naturnaher, im Regelfall als Plenterwald<br />

bewirtschafteter Dauerwald, der den Bodenschutz dauerhaft gewährleistet, mit wesentlichen<br />

Anteilen von starken Tannen und Fichten hoher Qualität".<br />

Schlussbemerkung<br />

30 Jahre sind seit der Pforzheimer Tagung des baden-württembergischen <strong>Forstverein</strong>s vergangen.<br />

Eine lange Zeit im menschlichen Leben. Die damaligen Teilnehmer befinden sich überwiegend im<br />

Ruhestand oder sind verstorben. Die Mehrzahl der heutigen Zuhörer wird die Pforzheimer Tagung<br />

wahrscheinlich nicht erlebt haben.<br />

30 Jahre sind dagegen eine kurze Zeit für unsere Tannenwälder. Dieser Zeitraum hat sich in der<br />

Vergangenheit als zu kurz erwiesen für eine erfolgreiche Verjüngung von Tannenbeständen.<br />

Die vergangenen 30 Jahre waren eine spannungsgeladene Zeit mit tiefgreifenden Umwälzungen,<br />

mit einem unverkennbaren Bedeutungsverlust der Forstverwaltung, mit heftigen Attacken auf die<br />

Stabilität des Wald durch Klimaveränderung, Walderkrankung, Jahrhundertstürme (wobei der<br />

Orkan Erwin m. E. der schlimmste war), und mit schweren wirtschaftlichen Krisen, die zu<br />

Einsparungen mit Substanzverlust führten und mit Gefahren für die Nachhaltigkeit verbunden sind.<br />

Am deutlichsten wird das Gebot der Nachhaltigkeit (das forstliche Grundgesetz) beim forstlichen<br />

Nachwuchs verletzt. Die personelle Verjüngung - übrigens auch ein Thema der Pforzheimer<br />

Tagung - ist inzwischen ins Stocken geraten wie vordem die Tannenverjüngung. <strong>Der</strong> Waldbau<br />

treibende Mensch ist wohl bereits aus dem Mittelpunkt der Waldbewirtschaftung verdrängt worden.<br />

Die Zukunft der Tanne mag - dank der reichlichen Vorausverjüngung - für eine absehbare Zeit<br />

noch gesichert sein. Ich befürchte aber, dass eine nachhaltige, tannengemäße Waldbewirtschaftung<br />

unter den derzeitigen und den sich abzeichnenden künftigen Rahmenbedingungen langfristig nicht<br />

durchgehalten wird.<br />

Hoffentlich täusche ich mich.<br />

9<br />

9


Quellenverzeichnis<br />

1 Tagungsberichte der Hauptversammlung des Baden-Württembergischen <strong>Forstverein</strong>s 1979<br />

2 E. Zentgraf: Die Edeltanne; AFJZ 1949/50; S. 7<br />

3 F. W. Bauer: Betriebsgrundsätze; Erlass der FD Südbaden 1948<br />

4 Erlass des Reichsforstamtes vom 15.5.1943 zum Schutz der Weißtanne<br />

5 M. Scheifele: Vortragstext bei einer Fortbildungsveranstaltung 1965; unveröffentlicht<br />

6 Mitteilungen des Vereins für Forstliche Standortskunde... Nr. 44/2006<br />

P. Weidenbach: <strong>Der</strong> Neuenbürger Forstetat 1778; S. 79<br />

A. Ott: <strong>Der</strong> Altensteiger Forstetat von 1778; S.91<br />

G. Schulz: Die Ergebnisse des Forstetats von 1778 für den Kameralwald des Oberforstes<br />

Freudenstadt; S. 95<br />

7 F. Graner: Die Forstverwaltung Württemberg; Kohlhammerverlag Stuttgart; 1910, S. 23<br />

8 G. Petri: <strong>Der</strong> Einfluß des Schalenwildes auf die Tannennachzucht im Schwarzwald; FuH Nr. 16<br />

9 F. Gerwig: Die Weißtanne im Schwarzwald; Berlin 1868<br />

10 V. Hink: Das Wachstum von Fichte und Tanne auf den wichtigsten Standortseinheiten des<br />

Einzelwuchsbezirks "Flächenschwarzwald"; Dissertation 1971<br />

11 P. Weidenbach: Gegenwärtige Rehwildbewirtschaftung in Ba-Wü; AFZ 35/1984; S. 868<br />

12 P. Weidenbach und M. Reger: Zur Lage der Weißtanne im Nordschwarzwald; AFZ 16/1997; S. 852<br />

13 W. Schöpfer und J. Hradetzky: <strong>Der</strong> Indizienbeweis: Luftverschmutzung maßgebliche Ursache der<br />

Walderkrankung; FWiss. Cbl. Heft 4-5/1984.<br />

14 H.-U. Moosmayer: Stand der Forschung über das Waldsterben; AFZ 1988, S. 1365<br />

15 P. Weidenbach: <strong>Der</strong> Betriebzieltypenerlass; AFZ 26/1979; S.693<br />

16 H. Peck: Intensivierung des Vorbaus in baden-württembergischen Wäldern; AFZ 49/1980; S.1380<br />

17 P. Weidenbach: Vorbau von Tanne und Buche - ein <strong>Weg</strong> zu besseren waldbaulichen Ergebnissen;<br />

AFZ 45/1985; S. 1212<br />

18 P. Weidenbach: Neue <strong>Weg</strong>e in der Rehwildhege; AFZ 17/18/1979; S. 462<br />

19 F. Rau: Waldgerechte Rehwildhege im Tannenrevier am Beispiel des Staatswaldes im Forstamt<br />

Lorch/Württ.; AFZ 17/18/1979; S. 459<br />

20 MELUF: Wildbewirtschaftung nach ökologischen Gesichtspunkten; Broschüre EM -22- 80<br />

21 P. Weidenbach: Zur Regulierung des Schalenwildes und Erhaltung bedrohter Wildarten in Baden-<br />

Württemberg; AFZ 7/1982; S. 198<br />

22 P. Weidenbach: Ergebnisse der Auswertung des Forstlichen Gutachtens 1986; AFZ 19/1987; S. 475<br />

23 P. Weidenbach: Fortschritte bei der Schalenwildhege in Ba-Wü; AFZ 11/1986; S. 231<br />

24 P. Weidenbach: Die jagdlichen Ziele der Landesforstverwaltung nach den Stürmen 1990; AFZ<br />

19/1991; S. 992<br />

25 P. Weidenbach: Waldbauliche Konsequenzen des Waldsterbens; <strong>Deutscher</strong> <strong>Forstverein</strong>,<br />

Jahresbericht 1984; S. 145<br />

26 FVA Baden-Württemberg 2007, 2008: Waldzustandsberichte<br />

27 Elling,W., Heber, U., Polle, A., Beese, F.: Schädigung von Waldökosystemen. Auswirkungen<br />

anthropogener Umweltveränderungen und Schutzmaßnahmen. 422 Seiten; Elsevier Spektrum<br />

Akademischer Verlag, München-Heidelberg; 2007<br />

28 Grundsätze künftigen Waldbaus am Beispiel der Landesforstverwaltung Baden-Württemberg; AFZ<br />

51-51/1988 S. 1405<br />

29 P. Weidenbach, J. Schmidt, K.Karius: Waldbauliche Ziele und Forsteinrichtungsergebnisse im<br />

öffentlichen Wald in Baden-Württemberg; Schriftenreihe der LFV Band 69/1989<br />

30 Ministerium für ländlichen Raum Baden-Württemberg: Wald, Ökologie und Naturschutz; Broschüre<br />

MLR - 31/1993<br />

31 Landesforstverwaltung Baden-Württemberg: Richtlinie landesweiter Waldentwicklungstypen;<br />

Januar 1999.<br />

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