22.10.2013 Aufrufe

Karl-Peter Wettstein Den wirklichen Ursachen der Finanzkrise in ...

Karl-Peter Wettstein Den wirklichen Ursachen der Finanzkrise in ...

Karl-Peter Wettstein Den wirklichen Ursachen der Finanzkrise in ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

<strong>Karl</strong>-<strong>Peter</strong> <strong>Wettste<strong>in</strong></strong><br />

<strong>Den</strong> <strong>wirklichen</strong> <strong>Ursachen</strong> <strong>der</strong> <strong>F<strong>in</strong>anzkrise</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Euro-Zone begegnen<br />

Die Krise ist ke<strong>in</strong>e Schuldenkrise<br />

Als die US-Rat<strong>in</strong>gagentur Standard & Poor's (S&P) Mitte Januar neun Euro-Staaten,<br />

darunter Frankreich, <strong>in</strong> ihrer Bonität herab stuften, me<strong>in</strong>te Bundesf<strong>in</strong>anz-m<strong>in</strong>ister<br />

Schäuble, dass S&P nicht begriffen habe, „was wir <strong>in</strong> Europa schon auf den Weg<br />

gebracht haben“ 1 . In <strong>der</strong> Tat sche<strong>in</strong>en die Regierungen <strong>in</strong> Europa noch nicht begriffen<br />

zu haben, wo die eigentlichen <strong>Ursachen</strong> <strong>der</strong> Krise <strong>in</strong> <strong>der</strong> Eurozone liegen.<br />

Zunächst wird fälschlicherweise immer noch von e<strong>in</strong>er Schuldenkrise gesprochen.<br />

Die Schulden s<strong>in</strong>d jedoch nicht die eigentliche Ursache <strong>der</strong> Krise 2 . Das trifft selbst<br />

für Griechenland zu. Gustav A. Horn, Fabian L<strong>in</strong>dner u.a. weisen darauf h<strong>in</strong>: „Alle<strong>in</strong><br />

die Verschuldungssituation des griechischen Staates kann … nicht erklären, warum<br />

<strong>der</strong> griechische Staat an den Kapitalmärkten e<strong>in</strong>en so dramatischen Vertrauensverlust<br />

erlebt hat.“ 3 Die von den Rat<strong>in</strong>gagenturen herab gestuften Län<strong>der</strong> Italien und Belgien<br />

hatten bei Gründung <strong>der</strong> Euro-Zone e<strong>in</strong>e genau so große bzw. wesentlich höhere<br />

Gesamtverschuldung als jetzt. Außerdem ist <strong>der</strong> Dollar-Raum höher verschuldet als<br />

<strong>der</strong> Euroraum, ganz zu schweigen von Japan, das nahezu doppelt so hoch verschuldet<br />

ist wie Griechenland. Sicherlich spielt e<strong>in</strong>e Rolle, dass Japan vor allem bei<br />

<strong>in</strong>ländischen Gläubigern verschuldet ist, Griechenland jedoch gegenüber dem<br />

Ausland. Aber die Gläubiger <strong>der</strong> hochverschuldeten USA sitzen auch weitgehend im<br />

Ausland und an <strong>der</strong>en Bonität hat man bisher kaum gekratzt. Die italienischen<br />

Anleihen s<strong>in</strong>d auch zum Großteil im Besitz von Italienern, aber Italien wurde kräftig<br />

herab gestuft. Und weshalb wird bisher Großbritannien, das e<strong>in</strong>e wesentlich höhere<br />

Staatsverschuldung aufweist als Spanien, immer noch mit AAA bewertet, während<br />

Spanien auf A herunter gestuft wurde? Das beweist: Es liegt nicht an <strong>der</strong> Höhe <strong>der</strong><br />

Verschuldung und auch nicht an <strong>der</strong> Art <strong>der</strong> Verschuldung. Deshalb ist die<br />

Bezeichnung „Schuldenkrise“ nicht nur falsch, son<strong>der</strong>n sie hat es den<br />

Rat<strong>in</strong>gagenturen erleichtert, Staaten wie Italien und Frankreich herabzustufen.<br />

Schließlich hat diese Bezeichnung dazu beigetragen, dass auf europäischer Ebene nur<br />

die Schulden bekämpft wurden und nicht die eigentlichen <strong>Ursachen</strong> <strong>der</strong> Krise.<br />

Insofern hat Moritz Kraemer von S&P Deutschland völlig Recht, wenn er bemängelt,<br />

die Politik begreife die Krise immer noch im Kern als Schuldenkrise und ignoriere<br />

die außenwirtschaftlichen Ungleichgewichte im Euroraum 4 .<br />

1 Frankfurter Rundschau vom 17.01. 2012<br />

2 <strong>Karl</strong>-<strong>Peter</strong> <strong>Wettste<strong>in</strong></strong>, Ist <strong>der</strong> Euro wirklich <strong>in</strong> Gefahr? In: Mannheimer Schriften zur Verwaltungs- und Versorgungswirtschaft,<br />

Freiburg 2011, S. 59f.<br />

3 Gustav A. Horn, Fabian L<strong>in</strong>dner und Torsten Niechoj, Schuldenschnitt für Griechenland – e<strong>in</strong> gefährlicher Irrweg<br />

für den Euroraum, Hrsg. Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Düsseldorf, Juni 2011, S.2<br />

4 Frankfurter Rundschau vom 17.01.2012<br />

1


Die rigorose Sparpolitik hat die Krise weiter verschärft<br />

Dass die von den USA mit Unterstützung <strong>der</strong> US-Rat<strong>in</strong>gagenturen ausgehende<br />

Spekulation gegen den Euro bisher Erfolg hatte, hängt damit zusammen, dass z.B.<br />

Volkswirtschaften wie Griechenland, Portugal und Spanien nicht mehr o<strong>der</strong> nur noch<br />

bed<strong>in</strong>gt konkurrenzfähig waren und lei<strong>der</strong> noch s<strong>in</strong>d. Dadurch konnte die Angst<br />

geschürt werden, diese Staaten seien nicht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage, ihre Schulden<br />

zurückzuzahlen. Statt jedoch <strong>der</strong> Wirtschaft <strong>in</strong> diesen Staaten auf die Be<strong>in</strong>e zu helfen<br />

hat die EU unter Führung Deutschlands e<strong>in</strong>e rigorose Sparpolitik durchgesetzt, von<br />

<strong>der</strong> man seit Brün<strong>in</strong>g weiß, dass diese verhängnisvolle Folgen hat 5 . Insbeson<strong>der</strong>e die<br />

Wirtschaft <strong>in</strong> Griechenland wurde hart getroffen: Im Jahre 2010 verzeichnete sie e<strong>in</strong><br />

M<strong>in</strong>uswachstum <strong>in</strong> Höhe von 4,4%, 2011 <strong>in</strong> Höhe von 5%. Auch 2012 ist mit e<strong>in</strong>em<br />

Negativwachstum <strong>in</strong> ähnlicher Höhe zu rechnen 6 . Ebenso haben <strong>in</strong> an<strong>der</strong>en<br />

Problemstaaten die harten Sparmaßnahmen zu höheren und nicht zu niedrigeren<br />

Schuldenstandsquoten geführt. So wurden diese Volkswirtschaften mit europäischer<br />

Hilfe nicht nur nicht wie<strong>der</strong> aufgerichtet, son<strong>der</strong>n <strong>in</strong> die Rezession getrieben mit dem<br />

Ergebnis, dass die Verschuldung weiter zunahm und dadurch die Zweifel daran, ob<br />

diese Staaten die Schulden zurückzahlen können, noch genährt wurden. Entscheidend<br />

ist also nicht die Schuldenhöhe, son<strong>der</strong>n die Wirtschaftskraft des betreffenden<br />

Landes. Das sieht man schon daran, dass die USA auch nach <strong>der</strong> Herabstufung durch<br />

die Rat<strong>in</strong>g-Agenturen ihre Anleihen weiterh<strong>in</strong> z<strong>in</strong>sgünstig platzieren können.<br />

Der vorgesehene Fiskalpakt wird allenfalls mittelfristig s<strong>in</strong>nvoll se<strong>in</strong>, zur<br />

Bewältigung <strong>der</strong> gegenwärtigen Krise trägt er kaum etwas bei. Im Gegenteil: Wenn<br />

die lei<strong>der</strong> im Grundgesetz <strong>der</strong> Bundesrepublik Deutschland verankerte<br />

Schuldenbremse <strong>in</strong> <strong>der</strong> gesamten Euro-Zone kurzfristig e<strong>in</strong>geführt werden sollte,<br />

würde das die Situation <strong>in</strong> den <strong>in</strong> Bedrängnis geratenen Staaten noch verschärfen.<br />

E<strong>in</strong>e gezielte Wirtschaftsför<strong>der</strong>ung <strong>in</strong> den Krisen-Staaten ist notwendig<br />

Wenn wir erreichen wollen, dass die angeschlagenen Volkswirtschaften nicht völlig <strong>in</strong><br />

die Depression verfallen, son<strong>der</strong>n wie<strong>der</strong> wettbewerbsfähig auf dem Weltmarkt<br />

werden, ist e<strong>in</strong>e gezielte Wirtschaftsför<strong>der</strong>ung notwendig. Zu allererst muss erreicht<br />

werden, dass die betroffenen Staaten <strong>in</strong> die Lage versetzt werden, För<strong>der</strong>mittel auch<br />

tatsächlich abzurufen aus Programmen, die bei <strong>der</strong> EU bereits existieren. Außerdem<br />

dürfen die <strong>in</strong> Bedrängnis geratenen Staaten nicht weiterh<strong>in</strong> mit Strafz<strong>in</strong>sen belastet<br />

werden und sich Staaten wie Deutschland nicht noch durch die Krise bereichern. In<br />

5 Fabian L<strong>in</strong>dner, Europa 2011 = Europa 1931, <strong>in</strong> : „Zeit“ Onl<strong>in</strong>e vom 11.11.11 ; vgl. <strong>Wettste<strong>in</strong></strong> a.a.O. S. 63<br />

6 Gustav A. Horn, Fabian L<strong>in</strong>dner, Torsten Niechoj, Achim Truger und Henner Will,Voraussetzungen e<strong>in</strong>er<br />

erfolgreichen Konsolidierung Griechenlands, Hrsg. Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung,<br />

Düsseldorf, Okt. 2011, S.1<br />

2


Deutschland wird <strong>der</strong> E<strong>in</strong>druck erweckt, wir müssten z.B. den Griechen<br />

Milliardengeschenke machen, weil diese über ihre Verhältnisse gelebt hätten. Die<br />

Wirklichkeit sieht jedoch ganz an<strong>der</strong>s aus: Während <strong>der</strong> Internationale Währungsfond<br />

(IWF) etwa 3% Z<strong>in</strong>sen für se<strong>in</strong>e Kredite verlangt, liegt das Z<strong>in</strong>sniveau für Kredite<br />

seitens <strong>der</strong> EU bei 5-6%. Alle<strong>in</strong> aus dem ersten griechischen Hilfspaket erzielte<br />

dadurch Deutschland e<strong>in</strong>en Z<strong>in</strong>sgew<strong>in</strong>n <strong>in</strong> Höhe von 200 Mio. Euro 7 .<br />

Auch müssen die Volkswirtschaften <strong>in</strong> den Problemstaaten gezielt geför<strong>der</strong>t werden.<br />

So dürfte z.B. die Zukunft <strong>der</strong> Wirtschaft <strong>in</strong> Griechenland <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e im Bereich<br />

<strong>der</strong> Solarenergie liegen: <strong>in</strong> <strong>der</strong> Produktion von Solartechnologie und <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Bereitstellung bis h<strong>in</strong> zum Export von Solarenergie. Außerdem müssen<br />

Anstrengungen <strong>in</strong> den Bereichen Bildung, Ausbildung und Forschung geför<strong>der</strong>t<br />

werden. Wir brauchen also e<strong>in</strong>en „Marshallplan für Europa“, wie die SPD dies<br />

anstrebt, und/o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>en europäischen Län<strong>der</strong>f<strong>in</strong>anzausgleich, wie ihn <strong>der</strong> CDU-<br />

Bundestagsabgeordnete Georg Schirmbeck <strong>in</strong> <strong>der</strong> „Neuen Osnabrücker Zeitung“<br />

for<strong>der</strong>te 8 . Dieser wäre nur die ökonomische Konsequenz dessen, dass die Euro-Zone<br />

aus völlig unterschiedlich leistungsfähigen Volkswirtschaften gebildet wurde. Es war<br />

und ist für den E<strong>in</strong>tritt <strong>in</strong> die Euro-Zone ja nur die Erfüllung monetärer, nicht jedoch<br />

wirtschaftlicher Kriterien, wie z.B. Höhe des Brutto<strong>in</strong>landsprodukts pro Kopf,<br />

gefor<strong>der</strong>t.<br />

Dies alles darf nicht weiter mit <strong>der</strong> Merkelschen Parole „Ke<strong>in</strong>e Transferunion“<br />

abgetan werden. „Die Warnung vor <strong>der</strong> Transferunion ist die große Lebenslüge <strong>der</strong>er,<br />

die sie aussprechen“, stellt Ex-BDI-Präsident Rogowski fest 9 . Wir kommen auf<br />

Grund <strong>der</strong> engen Außenhandelsverflechtungen überhaupt nicht umh<strong>in</strong>, den Euro-<br />

Staaten zu helfen. Deutschland hat auch vom Euro am meisten wirtschaftlich<br />

profitiert und mit se<strong>in</strong>er Lohn- und Export-Politik zu den Schwierigkeiten <strong>der</strong> <strong>in</strong><br />

Bedrängnis geratenen Staaten beigetragen.<br />

Die Spekulation gegen den Euro geht nicht zufällig von USA aus<br />

Die Stabilisierung <strong>der</strong> Volkswirtschaften <strong>in</strong> den angeschlagenen Eurolän<strong>der</strong>n ist für<br />

die Lösung <strong>der</strong> Krise und auch für die mittel- und langfristige Stabilität <strong>in</strong> Europa<br />

dr<strong>in</strong>gend notwendig. Aber man darf nicht übersehen, dass die Auslösung <strong>der</strong> Krise<br />

durch e<strong>in</strong>e von USA ausgehende und von den US-Rat<strong>in</strong>g-Agenturen unterstützte<br />

Spekulation erfolgt ist. Diese Spekulation war von Anfang an darauf angelegt, den<br />

Euro zu schwächen, sowohl um damit Geld zu verdienen als auch um den Dollar als<br />

Weltleitwährung zu erhalten. Es wurde und wird deshalb nicht gegen den Dollar<br />

spekuliert, obwohl <strong>der</strong> Dollar-Raum weniger stabil und weit mehr verschuldet ist als<br />

die Euro-Zone, diese liqui<strong>der</strong> ist als die USA.<br />

7 Udo Bullmann, Christ<strong>in</strong> Fröhlichu.a., Hrsg. Die SPD-Abgeordneten im Europäischen Parlament, Dez. 2011, S.3<br />

8 Jens Wolf <strong>in</strong> AFP-Meldung vom 12.07.2011; vgl. <strong>Wettste<strong>in</strong></strong> a.a.O. S.68<br />

9 Interview mit Michael Rogowski <strong>in</strong> <strong>der</strong> Wirtschaftswoche om 20.12. 2010, S.30<br />

3


In den Jahren vor <strong>der</strong> Krise war mehrfach darüber diskutiert worden, ob <strong>der</strong> Euro<br />

nicht mittelfristig <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage ist, den Dollar als Weltleitwährung abzulösen.<br />

Anzeichen dafür gab es, z.B. erfolgte zu Beg<strong>in</strong>n des 2. Irakkrieges erstmals <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

Krise nicht e<strong>in</strong>e Flucht <strong>in</strong> den Dollar, son<strong>der</strong>n e<strong>in</strong>e Flucht aus dem Dollar <strong>in</strong> den<br />

Euro. Auch gab es wie<strong>der</strong>holt schon Überlegungen <strong>der</strong> ch<strong>in</strong>esischen Führung, den<br />

Dollar durch den Euro als Reservewährung abzulösen, was aber dann doch bisher<br />

nicht geschehen ist. Für die USA hätte es allerd<strong>in</strong>gs sehr unangenehme Folgen, wenn<br />

<strong>der</strong> Dollar se<strong>in</strong>e Leitfunktion verlieren würde; denn nur so können sich die USA seit<br />

über e<strong>in</strong>em Jahrzehnt e<strong>in</strong>e negative Leistungsbilanz erlauben. Nur so darf im<br />

Unterschied zur Europäischen Zentralbank die US-Notenbank unbegrenzt Geld<br />

drucken. Auch im letzten Jahr wurden 600 Mrd. Dollar gedruckt, ohne dass es e<strong>in</strong>e<br />

handfeste Inflation zur Folge gehabt hat. Würde <strong>der</strong> Dollar als Weltleitwährung<br />

abgelöst, würde schließlich auch <strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzplatz New York se<strong>in</strong>e überragende<br />

Bedeutung verlieren, was natürlich nicht im Interesse <strong>der</strong> US-Hedge-Fonds-Manager<br />

und <strong>der</strong> US-Rat<strong>in</strong>g-Agenturen ist 10<br />

Im vergangenen Jahr wurden solche Argumente noch als „Verschwörungstheorie“<br />

abgetan. SPD-Chef Sigmar Gabriel hat kürzlich erneut betont: „Ich glaube nicht an<br />

die Verschwörungstheorie, dass die bösen USA Europa ru<strong>in</strong>ieren wollen“ 11 . Viele<br />

haben jedoch mittlerweile erkannt, dass zwar Kreise <strong>in</strong> den USA nicht Europa, aber<br />

den Euro ru<strong>in</strong>ieren wollen. Spätestens als S&P nahezu die gesamte Euro-Zone, sogar<br />

das Leistungsüberschussland Österreich, herunter stufte, aber z.B. Groß-britannien<br />

unangetastet bei AAA ließ, ist deutlich geworden, dass die US-Rat<strong>in</strong>g-Agenturen<br />

auch politische Ziele verfolgen. Dies ist nicht verwun<strong>der</strong>lich, da die großen Drei,<br />

S&P, Moody's und Fitch Rat<strong>in</strong>g, ke<strong>in</strong>eswegs unabhängig, son<strong>der</strong>n <strong>in</strong> handfeste<br />

Interessen e<strong>in</strong>gebunden s<strong>in</strong>d. S&P gehört zum McGraw-Hill-Konzern, an dem große<br />

Investmentfonds beteiligt s<strong>in</strong>d. Investmentfonds halten ebenso Anteile an Moody`s.<br />

Mehr als 10% <strong>der</strong> Anteile von Moody`s hält <strong>der</strong> Investor Warren Buffet mit se<strong>in</strong>er<br />

Firma Berkshire Hathaway. Als Moody's im August letzten Jahres die Bonität <strong>der</strong><br />

USA auf AA herunter stufte, kritisierte Buffet dies scharf 12 , obwohl die Herabstufung<br />

längst fällig war. Fitch Rat<strong>in</strong>g schließlich, die kle<strong>in</strong>ste <strong>der</strong> Großen Drei, gehört zu<br />

60% dem französischen F<strong>in</strong>anz<strong>in</strong>vestor Fimalac, 40% <strong>der</strong> Anteile hält <strong>der</strong> US-<br />

Medienkonzern Hearst 13 . Insofern ist es nicht verwun<strong>der</strong>lich, dass Frankreich von<br />

Fitch noch mit AAA bewertet wurde, als die beiden größeren Agenturen Frankreich<br />

längst herab gestuft hatten. Ihre marktbeherrschende Position haben diese Agenturen<br />

vor allem dadurch erreicht, dass sie <strong>in</strong> den USA als staatlich anerkannte<br />

Bonitätsprüfer gelten 14 .<br />

10 Vgl. <strong>Wettste<strong>in</strong></strong> a.a.O. S. 60<br />

11 Mannheimer Morgen vom 18.01.2012<br />

12 dpa-Meldung vom 15.01.2012<br />

13 dpa-Meldung vom 15.01.2012<br />

14 Mechthild Schrooten, Europäische Rat<strong>in</strong>g-Agentur, Zweck und Optionen, Hrsg. Friedrich-Ebert-Stiftung, Nov.<br />

2011, S.1<br />

4


Obwohl die US-Rat<strong>in</strong>gagenturen mit <strong>in</strong>teressenabhängigen Falschbeurteilungen<br />

maßgeblich zur Bankenkrise beigetragen und die „Großen Drei“ den Griechen,<br />

Portugiesen und Spaniern schon übel mitgespielt hatten, gab es kaum Zweifel an <strong>der</strong><br />

Integrität und Neutralität <strong>der</strong> Rat<strong>in</strong>g-Agenturen. Erst <strong>der</strong> Donnerschlag von S&P hat<br />

e<strong>in</strong> Aha-Erlebnis bei vielen <strong>in</strong> Europa hervorgerufen. So kommentierte <strong>der</strong> CDU-<br />

Europaabgeordnete Elmar Brok die Herabstufung <strong>der</strong> neun Eurolän<strong>der</strong>, dies sei „fast<br />

e<strong>in</strong> Währungskrieg“, und Mart<strong>in</strong> Schulz, damals noch sozialdemokratischer<br />

Fraktionschef und mittlerweile Präsident des Europäischen Parlaments,sprach gar von<br />

e<strong>in</strong>em „gezielten Angriff auf die Stabilität des Europäischen Rettungsschirms 15 , <strong>der</strong> ja<br />

auch prompt am Tage darauf abgewertet wurde. Die Frankfurter Rundschau brachte<br />

e<strong>in</strong>e Karikatur, <strong>in</strong> <strong>der</strong> e<strong>in</strong> Spekulant die Rat<strong>in</strong>g-Agenturen ermahnt: „Herrschaften ich<br />

hab auf den Nie<strong>der</strong>gang des Euro spekuliert!!“. Die Antwort <strong>der</strong> Rat<strong>in</strong>g-Agenturen:<br />

„Wir tun, was wir können!!“ 16 Auch die CDU-Bundestagsfraktion wurde<br />

aufgeschreckt und Fraktionsvize Meister, unterstützt von Kanzler<strong>in</strong> Merkel, regte<br />

e<strong>in</strong>e Gesetzesän<strong>der</strong>ung an, wonach künftig die Banken und Versicherungen<br />

unabhängig vom Urteil von Agenturen Staatsanleihen kaufen und verkaufen könnten.<br />

Nur von den Bundestagsfraktionen <strong>der</strong> SPD und <strong>der</strong> Grünen erntete S&P Lob, weil<br />

diese die Fixierung <strong>der</strong> Kanzler<strong>in</strong> auf die Sparpolitik kritisiert hatte.<br />

Das Europäische Parlament hatte bereits e<strong>in</strong>e Verordnung zur Regulierung <strong>der</strong><br />

Rat<strong>in</strong>g-Agenturen erlassen. Auch war aus den Reihen <strong>der</strong> Abgeordneten schon<br />

wie<strong>der</strong>holt die Errichtung e<strong>in</strong>er europäischen Rat<strong>in</strong>g-Agentur gefor<strong>der</strong>t worden. Will<br />

man jedoch Interessenskonflikte vermeiden, kommt hierfür ke<strong>in</strong>e Agentur <strong>in</strong> privater<br />

Hand <strong>in</strong> Frage 17 . Die Wirtschaftsprofessor<strong>in</strong> Mechthild Schrooten weist mit Recht<br />

darauf h<strong>in</strong>, dass aber e<strong>in</strong>e neu zu errichtende staatliche Rat<strong>in</strong>g-Agentur den E<strong>in</strong>druck<br />

erwecken könnte, „durch die Vergabe von guten Bonitätsnoten stabilisierend für den<br />

Euro-Raum o<strong>der</strong> gar für die Europäische Union wirken zu wollen“. Sie schlägt<br />

stattdessen vor, die Bundesbank solle die Aufgabe als staatliche und kompetente<br />

Agentur übernehmen. Dies wäre gerade <strong>in</strong> <strong>der</strong> jetzigen Situation sehr s<strong>in</strong>nvoll.<br />

Jedenfalls gilt es möglichst rasch dem „Trio Infernal“ e<strong>in</strong>e Agentur<br />

entgegenzustellen, die we<strong>der</strong> auf Interessen <strong>der</strong> Spekulanten noch auf den Dollar als<br />

Leitwährung Rücksicht nimmt.<br />

Es muss zu Euro-Anleihen kommen, ehe es zu spät ist<br />

Schon vor mehr als e<strong>in</strong>em Jahr wurde zur Lösung <strong>der</strong> <strong>F<strong>in</strong>anzkrise</strong> <strong>in</strong> den<br />

angeschlagenen Län<strong>der</strong>n von Jean-Claude Juncker, dem Vorsitzenden <strong>der</strong> Euro-<br />

Gruppe, geme<strong>in</strong>same Euro-Anleihen („Euro-Bonds“) vorgeschlagen. Die Europäische<br />

Kommission hat dies <strong>in</strong>zwischen schon wie<strong>der</strong>holt gefor<strong>der</strong>t, weil es<br />

15 Detlef Drewes im Mannheimer Morgen vom 16.01.2012<br />

16 Frankfurter Rundschau vom 16.01.2012<br />

17 M. Schrooten a.a.O. S.2f.<br />

5


schwieriger ist, gegen die Euro-Bonds zu spekulieren, h<strong>in</strong>ter denen die gesamte Euro-<br />

Zone steht, als wenn sich die Spekulanten auf e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>zelnes Land stürzen und somit<br />

e<strong>in</strong>en überschuldeten Staat nach dem an<strong>der</strong>en herunter spekulieren können. Die Euro-<br />

Anleihen wären e<strong>in</strong> deutliches Signal an die F<strong>in</strong>anzmärkte: Wir lassen uns die Euro-<br />

Zone nicht kaputt machen 18 . Es entstände e<strong>in</strong> riesiger e<strong>in</strong>heitlicher Kapitalmarkt, <strong>der</strong><br />

auch neue Geldgeber anlocken würde. 19 Die Eurobonds könnten etwa für 3% Z<strong>in</strong>sen<br />

den Investoren angeboten werden. So könnte die Z<strong>in</strong>slast für die angeschlagenen<br />

Län<strong>der</strong> ( das ist ja mittlerweile die Mehrheit <strong>der</strong> Euro-Staaten ) verr<strong>in</strong>gert und auf e<strong>in</strong><br />

niedriges Niveau für alle Län<strong>der</strong> gebracht werden.<br />

Geme<strong>in</strong>same europäische Anleihen wurden jedoch von Bundeskanzler<strong>in</strong> Merkel<br />

bisher konsequent abgelehnt, mit <strong>der</strong> Begründung, dies wäre e<strong>in</strong>e<br />

Vergeme<strong>in</strong>schaftung <strong>der</strong> Schulden <strong>der</strong> Staaten, die hoch verschuldet s<strong>in</strong>d. Dah<strong>in</strong>ter<br />

stecken jedoch kurzfristige Interessen <strong>der</strong> Bundesregierung. Sicherlich müsste<br />

Deutschland dann die im Vergleich zu den Bundesanleihen höheren Z<strong>in</strong>ssätze <strong>der</strong><br />

Euro-Bonds zahlen. Letztes Jahr gab es Schätzungen, wonach dies bis zu 20 Mrd.<br />

Euro jährlich ausmachen würde. Der Wirtschaftsweise <strong>Peter</strong> Bof<strong>in</strong>ger g<strong>in</strong>g damals<br />

jedoch davon aus, dass die Z<strong>in</strong>ssätze <strong>der</strong> Euro-Anleihen sich ähnlich entwickeln<br />

würden wie diejenigen <strong>der</strong> US-Anleihen. Die hoch verschuldeten USA zahlten<br />

Anfang letzten Jahres für zehnjährige Kredite nur 0,3% mehr als die Bundesrepublik<br />

Deutschland. Inzwischen ist <strong>der</strong> Z<strong>in</strong>ssatz für deutsche Anleihen auf e<strong>in</strong>em<br />

historischen Tief und die deutschen Z<strong>in</strong>szahlungen s<strong>in</strong>d auf den tiefsten Stand seit<br />

1993 gefallen. Die Nachfrage nach deutschen Staatsanleihen ist weiterh<strong>in</strong> groß und<br />

zeitweilig zahlen Anleger sogar Prämien dafür, dass sie Geld <strong>in</strong> deutschen Anleihen<br />

anlegen konnten. 20 Insofern hat Deutschland davon profitiert, dass bisher ke<strong>in</strong>e Euro-<br />

Anleihen aufgelegt wurden, aber an<strong>der</strong>s ausgedrückt: Deutschland hat von <strong>der</strong> Krise<br />

<strong>in</strong> den an<strong>der</strong>en Eurolän<strong>der</strong>n profitiert. Dies kann jedoch bald umschlagen. Weil<br />

Deutschland durch die europäischen Rettungsschirme belastet ist und wenn <strong>in</strong> den<br />

an<strong>der</strong>en Eurostaaten die Situation immer brisanter wird, ist e<strong>in</strong>e Herabstufung<br />

Deutschlands durchaus wahrsche<strong>in</strong>lich. Der liberal-konservative Wirtschaftswissenschaftler<br />

Clemens Fuest schätzt diese Gefahr 50:50 e<strong>in</strong> 21 . Noch wesentlich<br />

dramatischer würde es für Deutschland, wenn die gesamte Euro-Zone<br />

zusammenbrechen würde. Dies hätte nicht nur zur Folge, dass alle gegebenen<br />

Bürgschaften fällig würden, son<strong>der</strong>n hätte auch nicht auszudenkende Auswirkungen<br />

für unsere Wirtschaft und unseren Wohlstand. Deshalb muss <strong>der</strong> Möglichkeit, dass<br />

e<strong>in</strong> Staat nach dem an<strong>der</strong>en <strong>in</strong> <strong>der</strong> Euro-Zone herunter spekuliert wird, endlich<br />

E<strong>in</strong>halt geboten werden. Und das ist nur über Euro-Anleihen möglich. Um dem<br />

Argument entgegenzuwirken, diese würden dazu beitragen, dass die<br />

hochverschuldeten Län<strong>der</strong> sich leichter noch höher verschulden würden, könnte man,<br />

18 Gustav A. Horn, Fabian L<strong>in</strong>dner und Torsten Niechoj, Schuldenschnitt für Griechenland – e<strong>in</strong> gefährlicher Irrweg<br />

für den Euroraum, Hrsg. Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung, Düsseldorf, Juni 2011, S.14<br />

19 <strong>Wettste<strong>in</strong></strong> a.a.O. S.64f.<br />

20 dpa-Meldung vom 15.01.2012<br />

21 Interview mit Clemens Fuest <strong>in</strong> Frankfurter Rundschau vom 17.01.2012<br />

6


wie das die SPD-MdEPs vorschlagen, das Volumen <strong>der</strong> Euroanleihen zum Beispiel<br />

auf 60% <strong>der</strong> nationalen Wirtschaftsleistung begrenzen. Alle darüber h<strong>in</strong>ausgehenden<br />

Schulden müssten die Staaten weiterh<strong>in</strong> selbst ref<strong>in</strong>anzieren 22 . Nur darf man mit <strong>der</strong><br />

E<strong>in</strong>führung von Euro-Anleihen nicht so lange warten, bis alle Euro-Staaten auf<br />

Ramschniveau herabgestuft s<strong>in</strong>d. Es bleibt deshalb zu hoffen, dass die Aktion von<br />

S&P die Bundesregierung zum Umdenken veranlasst.<br />

Die Schulden müssen abgebaut werden<br />

Selbstverständlich muss die Neuverschuldung und letztlich auch die hohe<br />

Gesamtverschuldung abgebaut werden, wenn die Stabilität im Euro-Raum e<strong>in</strong>kehren<br />

und auf Dauer angelegt se<strong>in</strong> soll. Hierbei darf aber nicht nur <strong>der</strong> Blick auf die<br />

Verr<strong>in</strong>gerung <strong>der</strong> Staatsausgaben gerichtet se<strong>in</strong>, son<strong>der</strong>n auch auf die E<strong>in</strong>nahmeseite.<br />

So war es z.B. e<strong>in</strong>e richtige Auflage, dass Griechenland se<strong>in</strong>e Steuerverwaltung auf<br />

Vor<strong>der</strong>mann br<strong>in</strong>gen muss. Es kann doch nicht weiter angehen, dass <strong>der</strong> gesamte<br />

Mittelstand <strong>in</strong> Griechenland ke<strong>in</strong>e Steuern bezahlt, se<strong>in</strong> Geld <strong>in</strong> die Schweiz schafft<br />

und diejenigen, die bisher brav ihre Steuern gezahlt haben, für die hohen<br />

Staatsschulden bestraft werden. Die angemessene Besteuerung von großen Vermögen<br />

und <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e von hohen E<strong>in</strong>künften ist e<strong>in</strong>e Voraussetzung für die dauerhafte<br />

Konsolidierung <strong>der</strong> Haushalte <strong>in</strong> den Euro-Staaten 23 .<br />

Auch muss e<strong>in</strong>e Steuerharmonisierung <strong>in</strong> Bezug auf die Ertragssteuern im EU-Raum<br />

erfolgen, zum<strong>in</strong>dest müssen M<strong>in</strong>destsätze z.B. bei <strong>der</strong> Körperschaftssteuer vere<strong>in</strong>bart<br />

werden. Wenn es Staaten <strong>in</strong> <strong>der</strong> EU gibt, <strong>in</strong> denen nur 10% Körperschaftssteuer<br />

bezahlt werden muss, ist das nicht nur e<strong>in</strong> Beispiel für Steuerdump<strong>in</strong>g durch<br />

nationale Regierungen, son<strong>der</strong>n auch für legale Steuerschlupflöcher für die Konzerne.<br />

Erst wenn die Wirtschaft <strong>in</strong> den angeschlagenen Staaten saniert ist und die hier<br />

aufgezeigten Maßnahmen zur Verbesserung <strong>der</strong> E<strong>in</strong>nahmeseite erfolgt s<strong>in</strong>d, kann und<br />

muss man weitgehende Sparmaßnahmen ergreifen, aber nicht vorher.<br />

Griechenland bankrott gehen lassen, wäre <strong>der</strong> Anfang vom Ende <strong>der</strong> Euro-Zone<br />

Bundeswirtschaftsm<strong>in</strong>ister Rösler versuchte damit zu punkten, dass er empfahl,<br />

Griechenland <strong>in</strong>solvent gehen zu lassen. Viele s<strong>in</strong>d <strong>der</strong> Auffassung, die offizielle<br />

Pleite Griechenlands lasse sich nur dadurch vermeiden, dass e<strong>in</strong> Schuldenschnitt<br />

vorgenommen werde, was ja im Grunde auf das Gleiche h<strong>in</strong>ausläuft. Die<br />

Regierungschefs <strong>der</strong> Euro-Staaten e<strong>in</strong>igten sich darauf, dass die Banken freiwillig<br />

den Griechen 50% <strong>der</strong> Schulden erlassen sollten. E<strong>in</strong>e von wenig Realitätss<strong>in</strong>n<br />

geprägte Vorstellung.<br />

22 U. Bullmann a.a.O. S.5<br />

23 U. Bullmann a.a.O. S.5<br />

7


Aber die e<strong>in</strong>e wie die an<strong>der</strong>e „Lösung“ <strong>der</strong> <strong>F<strong>in</strong>anzkrise</strong> Griechenlands hätte<br />

verheerende Folgen - für Griechenland und die gesamte Eurozone. Schon die<br />

Diskussionen darüber und die generelle Unsicherheit über die Zukunft Griechenlands<br />

führten zu e<strong>in</strong>er Herabstufung <strong>der</strong> Bonität auf CCC (also knapp vor Zahlungsausfall)<br />

und zu stetig wachsenden Risikozuschlägen, die für die griechische Regierung (und<br />

auch für jede an<strong>der</strong>e Regierung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Euro-Zone) nicht tragbar s<strong>in</strong>d. Der<br />

griechischen Regierung ist dadurch <strong>der</strong> Zugang zum privaten Kapitalmarkt für<br />

langsfristige Anleihen faktisch versperrt 24 . Ohne die Kredite vom Internationalen<br />

Währungsfonds (IWF) und <strong>der</strong> EU wäre Griechenland schon längst zahlungsunfähig.<br />

In <strong>der</strong> Debatte über den Schuldenschnitt wird häufig übersehen, dass e<strong>in</strong> immer<br />

größerer Teil <strong>der</strong> staatlichen Schulden Griechenlands von griechischen Banken<br />

gehalten wird. Der Anteil <strong>der</strong> For<strong>der</strong>ungen des griechischen Bankensystems<br />

gegenüber ihrem Staat liegt weit über dem Eigenkapital und <strong>der</strong> Reserven <strong>der</strong><br />

griechischen Banken. Diese würden deshalb durch e<strong>in</strong>en staatlichen Schuldenschnitt<br />

große Teile ihres Eigenkapitals verlieren, was die Existenz von Banken bedrohen<br />

würde. Die Bankenrettung wie<strong>der</strong>um würde zu hohen fiskalischen Kosten für den<br />

griechischen Staat führen. Außerdem würden <strong>in</strong> dieser Situation die Z<strong>in</strong>sen für die<br />

Banken und ihre Kunden <strong>in</strong> die Höhe getrieben werden, was e<strong>in</strong>e weitere<br />

Schwächung <strong>der</strong> griechischen Wirtschaft mit sich brächte. 25 All dies würde nochmals<br />

verstärkt, wenn, wie manche <strong>in</strong> Erwägung ziehen, gleichzeitig mit dem<br />

Schuldenschnitt e<strong>in</strong> Austritt Griechenlands aus <strong>der</strong> Euro-Zone verbunden würde. 26<br />

Aber nicht nur für Griechenland wären die Folgen e<strong>in</strong>es Schuldenschnitts und Euro-<br />

Austritts schwerwiegend, son<strong>der</strong>n auch für die übrigen Län<strong>der</strong> <strong>der</strong> Euro-Zone und<br />

dadurch für die Euro-Zone <strong>in</strong>sgesamt. Dass die französischen Banken e<strong>in</strong>en Großteil<br />

<strong>der</strong> griechischen Staatsanleihen <strong>in</strong> ihrem Besitz haben, ist bekannt. Maßgebliche<br />

Banken wurden deshalb ja auch <strong>in</strong> ihrer Bonität herab gestuft. Sicherlich würden<br />

nach e<strong>in</strong>em Schuldenschnitt erneut staatliche Stützmaßnahmen zur Bankenrettung <strong>in</strong><br />

<strong>in</strong> Frankreich notwendig. Für die deutschen Banken, die immerh<strong>in</strong> For<strong>der</strong>ungen<br />

gegenüber dem öffentliche Sektor Griechenlands <strong>in</strong> Höhe von 4,5% ihres<br />

Eigenkapitals haben, wäre e<strong>in</strong>e Abschreibung <strong>in</strong> Höhe von 50% verkraftbar, es sei<br />

denn, es hätten e<strong>in</strong>zelne Banken e<strong>in</strong>en beson<strong>der</strong>s hohen Anteil an For<strong>der</strong>ungen<br />

gegenüber Griechenland. 27 Diese Banken müssten dann unter Umständen wie<strong>der</strong>um<br />

mit hohen Summen von staatlicher Seite gerettet werden. Aber nicht nur die Banken,<br />

son<strong>der</strong>n auch die EZB hat <strong>in</strong> starkem Umfang griechische Anleihen aufgekauft, die<br />

im Falle e<strong>in</strong>er griechischen Staats<strong>in</strong>solvenz abgeschrieben werden müssten. Dies<br />

würde auch die übrigen Staaten <strong>der</strong> Euro-Zone f<strong>in</strong>anziell treffen, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e die<br />

Bundesrepublik Deutschland.<br />

24 Gustav A. Horn, Fabian L<strong>in</strong>dner und Torsten Niechoj, Schuldenschnitt für Griechenland – e<strong>in</strong> gefährlicher Irrweg<br />

für den Euroraum, Hrsg. Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung, Düsseldorf, Juni 2011, S2<br />

25 Horn u.a., Schuldenschnitt... a.a.O., S.7f.<br />

26 Horn u.a., Schuldenschnitt... a.a.O., S.8f.<br />

27 Horn u.a., Schuldenschnitt... a.a.O., S.10f.<br />

8


Noch viel gravieren<strong>der</strong> als die f<strong>in</strong>anziellen Auswirkungen wären die politischen<br />

Auswirkungen e<strong>in</strong>er Insolvenz Griechenlands. Spätestens seit <strong>der</strong> Herabstufung <strong>der</strong><br />

Bonität <strong>der</strong> Staaten <strong>der</strong> nahezu gesamten Euro-Zone, dürfte klar se<strong>in</strong>, dass die<br />

Spekulanten dar<strong>in</strong> geradezu e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>ladung sehen würden, e<strong>in</strong>en Staat <strong>der</strong> Euro-Zone<br />

nach dem an<strong>der</strong>en <strong>in</strong> die Insolvenz zu treiben.<br />

Schlussfolgerungen<br />

Mit dem Zerfall <strong>der</strong> Euro-Zone würde auch die Europäische Union Schaden nehmen.<br />

In diesem Punkt ist Kanzler<strong>in</strong> Merkel beizupflichten. Übrig bliebe allenfalls e<strong>in</strong>e<br />

Freihandelszone. Dies wäre zwar im S<strong>in</strong>ne <strong>der</strong> USA und höchstwahrsche<strong>in</strong>lich auch<br />

von Großbritannien, kann aber nicht im Interesse Europas liegen. Die USA brauchen<br />

wirtschaftlich, monetär und politisch e<strong>in</strong> Gegengewicht durch e<strong>in</strong> starkes vere<strong>in</strong>tes<br />

Europa. Deshalb dürfen die angeschlagenen Staaten <strong>der</strong> Euro-Zone nicht <strong>in</strong>solvent<br />

werden, son<strong>der</strong>n müssen wirksam unterstützt werden. Zunächst muss die<br />

Staatengeme<strong>in</strong>schaft die Rückzahlung aller aktuell anstehenden Schulden garantieren.<br />

Dies würde die endlose Diskussion um weitere Rettungspakete und Schuldenschnitte<br />

sofort beenden und den Märkten signalisieren: „Wir lassen auf ke<strong>in</strong>en Fall den Euro<br />

verkommen“. Außerdem sollten Euro-Anleihen aufgelegt und Maßnahmen ergriffen<br />

werden, die zur nachhaltigen Konkurrenzfähigkeit und Stabilität <strong>der</strong><br />

Volkswirtschaften <strong>in</strong> allen Staaten <strong>der</strong> Euro-Zone führen.<br />

Der Autor:<br />

<strong>Karl</strong>-<strong>Peter</strong> <strong>Wettste<strong>in</strong></strong> studierte Volkswirtschaftslehre, Geschichte und Politik. Er war von 1972 bis<br />

2000 Mitglied des Landtags von Baden-Württemberg und wirtschaftspolitischer Sprecher <strong>der</strong> SPD-<br />

Fraktion. Ferner war er Dozent für Wirtschaftspolitik an <strong>der</strong> Fachhochschule des Bundes und an <strong>der</strong><br />

Berufsakademie <strong>in</strong> Mannheim. Schließlich arbeitet er seit vielen Jahren bei <strong>der</strong> Arbeitsgruppe<br />

Alternative Wirtschaftspolitik mit.<br />

9

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!