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Kai Niebert: - Parlamentarische Linke

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<strong>Kai</strong> <strong>Niebert</strong>:<br />

<strong>Parlamentarische</strong> <strong>Linke</strong> der SPD-Bundestagsfraktion (Hrsg.)


Die grüne Zukunft rot gestalten<br />

Perspektiven einer sozialen Umweltpolitik<br />

der <strong>Parlamentarische</strong>n <strong>Linke</strong>n in der SPD Bundestagsfraktion<br />

<strong>Kai</strong> <strong>Niebert</strong><br />

Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut<br />

für Didaktik der Naturwissenschaften der<br />

Leibniz Universität Hannover<br />

Bundesvorsitzender der<br />

Naturfreundejugend Deutschlands<br />

http://niebert.biodidaktik.uni-hannover.de/<br />

<strong>Kai</strong> <strong>Niebert</strong><br />

April 2008


Vorwort<br />

Die vorliegende Arbeit zu Perspektiven einer sozialen Umweltpolitik von <strong>Kai</strong> <strong>Niebert</strong><br />

setzt eine Reihe fort, mit der die <strong>Parlamentarische</strong> <strong>Linke</strong> der SPD-Bundestagsfraktion<br />

aktuelle Diskussionen begleitet und daraus Handlungsoptionen für eine<br />

sozialdemokratische Politik ableitet. Die bisher erschienenen Reader und weitere<br />

Materialien sind hinterlegt auf der Homepage: www.parlamentarische-linke.de<br />

Es genügt heute nicht mehr, sich im Rahmen eines Zweiklangs von Wirtschaftskraft<br />

und Sozialstaatlichkeit zu bewegen, um eine Politik zu formulieren, die das<br />

Markenzeichen der Sozialdemokratie trägt: Gerechtigkeit. Vielmehr brauchen wir hier<br />

den Dreiklang von ökonomischer Wertschöpfung, ökologischer Nachhaltigkeit und<br />

sozialer Gerechtigkeit. Wie lassen sich diese drei Leitziele in eine intelligente<br />

Balance bringen? Das ist heute die Schlüsselfrage, die eine moderne<br />

Sozialdemokratie beantworten muss.<br />

Denn der Klimawandel, die Vernutzung unserer natürlichen Ressourcen und eine<br />

wachsende Umweltverschmutzung führen dazu, dass sich das Verhältnis von<br />

Ökonomie und Ökologie qualitativ verändert, nicht zuletzt weil die soziale Dimension<br />

immer stärker in den Fokus rückt: Nicht nur weil es darum geht, gute Beschäftigung<br />

zu sichern und zu schaffen. Sondern eine saubere Umwelt und der Zugang zu<br />

bezahlbarer Energie werden unter sozialen Gesichtspunkten immer wichtiger. Hohe<br />

Energiekosten beispielsweise treffen jene besonders, die nur über ein geringes<br />

Haushaltseinkommen verfügen. Und die katastrophalen Folgen des Klimawandels<br />

oder die schleichenden Auswirkungen von Feinstaub – um zwei Beispiele zu<br />

nennen°– betreffen Menschen sehr unterschiedlich und korrelieren vielfach mit<br />

sozialstrukturellen Faktoren. Die traurige Regel lautet: Je ärmer, um so negativer die<br />

Auswirkungen und immer höher die Belastungen.<br />

Der Markt allein findet hier einmal mehr nicht zu Lösungen. Wir brauchen einen<br />

Staat, der als Pionier neue Wege zu innovationsorientierter und sozial gerechter<br />

Umwelt- und Wirtschaftspolitik weist. Er kann und muss mit anspruchsvollen<br />

Benchmarks und Grenzwerten Innovationsimpulse geben. Dazu können wir vielfach<br />

die Marktkräfte nutzen, aber eben im Sinne einer Unterstützung, nicht einer<br />

Unterordnung. Der Emissionshandel und die Ökosteuer aus der Zeit rot-grüner<br />

Bundesregierung zeigen, mit welchen Instrumenten dies organisiert werden kann.<br />

Vollständig wird die Diskussion dieser Fragen aber nur, wenn man auch ihre globalen<br />

Auswirkungen berücksichtigt. Die Industrieländer haben die Erderwärmung zwar<br />

verursacht und sind daher auch als Erste in der Pflicht. Um das Problem zu<br />

begrenzen müssen aber auch die Entwicklungs- und Schwellenländer mitziehen.<br />

Dazu werden sie nur bereit sein, wenn die Industrieländer sie dabei unterstützen:<br />

Weniger Erwärmung gibt es nur mit mehr Gerechtigkeit, wie es Fritz Vorholz in der<br />

ZEIT formulierte.<br />

Die vorliegende Arbeit kann zur Diskussion dieser Fragen nur einen ersten Schritt<br />

leisten. Die <strong>Parlamentarische</strong> <strong>Linke</strong> der SPD-Bundestagsfraktion wird die Debatte<br />

weiter fortführen. Aber eines ist gewiß: Die Grüne Frage wird rot.<br />

Ernst Dieter Rossmann<br />

Sprecher der <strong>Parlamentarische</strong>n <strong>Linke</strong>n<br />

April 2008


Inhaltsverzeichnis<br />

1. EINLEITUNG................................................................................................................................... 5<br />

2. HERAUSFORDERUNGEN DES 21. JAHRHUNDERTS................................................................ 7<br />

2.1. Die Folgen des Klimawandels ....................................................................................................... 7<br />

2.2. Das globale Bevölkerungswachstum............................................................................................. 8<br />

2.3. Veränderungen in der Weltwirtschaft ............................................................................................ 9<br />

2.4. Umweltgerechtigkeit und soziale Gerechtigkeit........................................................................... 10<br />

3. WAS MUSS GESCHEHEN?......................................................................................................... 14<br />

3.1. Den Dingen ihren wahren Wert geben ........................................................................................ 15<br />

3.2. Der Emissionshandel................................................................................................................... 17<br />

3.3. Personal Carbon Trading............................................................................................................. 22<br />

3.4. Energieverbrauch im Haushalt .................................................................................................... 24<br />

3.5. Ressourcensteuern...................................................................................................................... 26<br />

3.6. Effizienagenturen......................................................................................................................... 36<br />

3.7. Ordnungspolitische Instrumente: Das Top-Runner-Prinzip......................................................... 37<br />

3.8. Suffizienzstrategien ..................................................................................................................... 38<br />

4. ZUKUNFTSPOLITIK UND IHRE SOZIALEN AUSWIRKUNGEN................................................ 43<br />

4.1. Der Stern Report.......................................................................................................................... 43<br />

4.2. Das Aachener Szenario............................................................................................................... 47<br />

4.3. Beschäftigungswirkungen nachhaltigen Wirtschaftens ............................................................... 55<br />

4.4. Kosten und Nutzen des Meseberger Klimaschutzprogramms .................................................... 58<br />

4.5. Ausstieg aus dem Steinkohlebergbau ......................................................................................... 61<br />

4.6. Soziale Auswirkungen der Ökosteuer ......................................................................................... 63<br />

5. UMWELTGERECHTIGKEIT IN DEUTSCHLAND........................................................................ 69<br />

6. HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN ................................................................................................. 74<br />

7. FAZIT............................................................................................................................................. 80<br />

8. LITERATUR .................................................................................................................................. 82


1. Einleitung<br />

1. Einleitung<br />

„Der Staat schützt auch in<br />

Verantwortung für die künftigen Generationen<br />

die natürlichen Lebensgrundlagen [...]”<br />

Grundgesetz, Artikel 20 a<br />

Die Welt hat sich in den letzten Jahrzehnten rasant verändert: Ressourcenverschwendung,<br />

Klimawandel und Artensterben sind dabei, den Globus zu zerstören.<br />

Das ungebremste Streben nach Profit und mehr materiellem Wohlstand in den industrialisierten<br />

Ländern gefährdet die natürlichen Lebensgrundlagen des Menschen.<br />

Ein Wirtschaftswachstum, das auf hemmungslosen Ressourcenverbrauch ausgerichtet<br />

ist, ist zur Grundlage unseres Wirtschaftens geworden. Mit der Globalisierung<br />

verschmilzt die Welt immer mehr zu einem einzigen Markt. Das Kapital ist grenzenlos<br />

und lässt die Demokratie, die Bürgerinnen und Bürger, sogar große Teile der Wirtschaft<br />

in den Nationalstaaten zurück. Im globalen Kapitalismus haben sich in den<br />

letzten Jahren Rücksichtslosigkeit und Kurzfristigkeit im Handeln ausgebildet. Weltweit<br />

schreitet die Zerstörung der Natur voran, in vielen Gesellschaften nimmt die Ungleichheit<br />

zu.<br />

Die nüchterne Analyse der gravierendsten ökologischen Probleme ist eindeutig: Die<br />

Verbrennung fossiler Energieträger wie Kohle, Öl und Gas haben die Konzentration<br />

von Kohlendioxid und anderen Treibhausgasen in der Atmosphäre so stark erhöht,<br />

dass ein radikaler Klimawandel droht. Spätestens durch den Bericht des Intergovernmental<br />

Panel on Climate Change (IPCC) in 2007 ist auch der Politik deutlich geworden,<br />

dass in einer begrenzten und schnell zusammenwachsenden Welt die ökologische<br />

Modernisierung ins Zentrum der nationalen, europäischen und internationalen<br />

Politik rücken muss. Nur wenn wir den Weg der Nachhaltigkeit zügig und entschlossen<br />

gehen, können wir die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts angehen,<br />

und<br />

(a) den Klimawandel in den nächsten 10 Jahren durch die massive Steigerung<br />

der Energieeffizienz und den Ausbau der Erneuerbaren Energien bremsen;<br />

(b) die Risiken, die sich aus der zunehmenden Knappheit von Ressourcen in allen<br />

Wirtschaftssektoren ergeben und Krisen und Verteilungskonflikte auslösen<br />

werden, bewältigen;<br />

(c) das zunehmende Wachstum der Schwellen- und Entwicklungsländer umweltverträglich<br />

gestalten, um allen Menschen eine gesicherte Existenz zu ermöglichen.<br />

5


1. Einleitung<br />

Aus der ökologischen Krise erwächst nicht nur ein starker Handlungsdruck, es ergeben<br />

sich auch Chancen. Die Doppelstrategie aus einer massiven Steigerung der Effizienz<br />

in Industrie und Privathaushalt und erneuerbare Energien/nachwachsende<br />

Rohstoffe ist der wichtigste Hebel für einen Fortschritt, der den globalen Herausforderungen<br />

gerecht wird. Diese beiden Säulen verringern die Abhängigkeit von den<br />

Rohstoffförderregionen, die oft in Krisengebieten liegen. Sie entschärfen Konflikte,<br />

festigen die Weltwirtschaft und stabilisieren die Rohstoffmärkte. Sie schützen die natürlichen<br />

Lebensgrundlagen und initiieren mehr Beschäftigung, weil sie neue Märkte<br />

erschließen. Energie- und Ressourcenintelligenz ist zugleich Wirtschafts-, Beschäftigungs-<br />

und Friedenspolitik (Müller 2007).<br />

Doch welche Auswirkungen wird ein ökologischer Umbau unserer Gesellschaft haben?<br />

Sind Klimaschutz und Ressourcenschonung Lösungen für die erste Welt oder<br />

auch für Entwicklungs- und Schwellenländer? Welche Auswirkungen hat die nachhaltige<br />

Gestaltung unseres Wirtschaftens, unserer Gesellschaft auf die sozial Schwachen?<br />

Innovationen kosten Geld: Müssen Empfängerinnen und Empfänger von<br />

Transferleistungen von ihrem knapp bemessenen ALG II nun auch einen steigenden<br />

Satz für Ökosteuern, Bioprodukte und effiziente Geräte ausgeben? Diese Fragen<br />

sind in Zeiten eines dringend notwendigen Umbaus unserer Gesellschaft virulent.<br />

In der vorliegenden Metaanalyse verschiedener Studien werden Szenarien zum Umbau<br />

der Gesellschaft und ihre sozialen Folgen diskutiert. In Kapitel 2 werden die Herausforderungen<br />

des 21. Jahrhunderts beschrieben die Klimawandel, Bevölkerungswachstum<br />

und Ressourcenverbrauch mit sich bringen. In Kapitel 3 werden verschiedene<br />

Instrumente vorgestellt, die helfen können, ein zukunftsfähiges, nachhaltiges<br />

Gesellschafts- und Wirtschaftssystem zu schaffen, das auch unseren Enkeln ein Leben<br />

in Wohlstand ermöglicht. Neben marktwirtschaftlichen Strategien wie Ressourcensteuern<br />

und Zertifizikatsvergaben werden auch ordnungspolitische und bildungsorientierte<br />

Maßnahmen diskutiert. Kapitel 4 stellt verschiedene Studien vor, die die<br />

wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen der in Kapitel 3 vorgestellten Instrumente<br />

diskutieren und vergleichen. Neben dem Stern-Report werden das sogenannte Aachener<br />

Szenario der Aachener Stiftung Kathy-Beyes und das Klimaschutzprogramm<br />

der Bundesregierung untersucht. Außer den praktischen – wirtschaftlichen – Analysen<br />

sollen in Kapitel 5 auch die theoretischen Zusammenhänge zwischen einer<br />

Nachhaltigkeitspolitik im Sinne einer gerechten Sozialpolitik und einer sinnvollen<br />

Umweltpolitik beleuchtet werden. Schlussendlich werden in Kapitel 6 Handlungsvorschläge<br />

diskutiert, die sich aus den vorangegangenen Analysen für eine nachhaltige<br />

Politikgestaltung aus linker, sozialdemokratischer Perspektive ergeben.<br />

6


2. Herausforderungen des 21. Jahrhunderts<br />

2. Herausforderungen des 21. Jahrhunderts<br />

Zusammenfassung<br />

Klimawandel und exponentiell steigender Ressourcenverbrauch führen dazu, dass<br />

• knapper werdende natürliche Ressourcen immer teurer werden;<br />

• die hohe Abhängigkeit von Ressourcen die (deutsche) Wirtschaft belastet;<br />

• ein zu spät geleisteter Klima- und Ressourcenschutz hohe Folgekosten nach<br />

sich zieht;<br />

• das Wirtschaftswachstum in den Entwicklungs- und Schwellenländern die<br />

Energie- und Rohstofffrage zuspitzt;<br />

• schwere soziale und auch militärische Konflikte wahrscheinlicher werden.<br />

Wohin steuert die Welt? Diese Frage ist entscheidend für eine Politik, die sich nicht<br />

am Heute orientiert, sondern das langfristige Wohl einer Gesellschaft im Blick hat. Im<br />

Folgenden werden verschiedene Prognosen vorgestellt, die Entwicklungen auf unterschiedlichen<br />

gesellschaftlichen Entwicklungsfeldern beschreiben. Dabei sind Auszüge<br />

und Zusammenfassungen verschiedener Studien dargestellt. Da eine tiefgehende<br />

Vorstellung der Systematik, des theoretischen Vorgehens und der Methodik der dargestellten<br />

Studien an dieser Stelle nicht sinnvoll erscheint, sind entsprechende Quellen<br />

angegeben. Der geneigte Leser ist eingeladen, seine Kenntnisse an entsprechenden<br />

Stellen zu vertiefen.<br />

2.1. Die Folgen des Klimawandels<br />

Derzeitigen Prognosen zufolge steigen die globalen Durchschnittstemperaturen innerhalb<br />

der nächsten fünfzig Jahre um 2 bis 3°C an. Die Erwärmung hat dabei viele<br />

ernsthafte Folgen, die häufig mit dem Wasser zusammenhängen:<br />

• Schmelzende Gletscher bringen zunächst ein höheres Überflutungsrisiko und<br />

dann stark abnehmende Wasservorräte mit sich, die schließlich ein Sechstel<br />

der Weltbevölkerung bedrohen werden.<br />

• Sinkende Ernteerträge werden dazu führen, dass hunderte Millionen Menschen<br />

nicht mehr genügend Lebensmittel produzieren können. In den mittleren<br />

bis hohen Breitengraden werden die Ernteerträge bei moderaten Temperaturanstiegen<br />

(2 bis 3 °C) zunehmen, dann aber mit stärkerer Erwärmung zurückgehen.<br />

Ab 4 °C wird die globale Lebensmittelproduktion wahrscheinlich<br />

ernsthaft beeinträchtigt werden.<br />

7


2. Herausforderungen des 21. Jahrhunderts<br />

• In höheren Breitengraden werden kältebedingte Todesfälle abnehmen. Aber<br />

der Klimawandel wird die Sterblichkeit aufgrund von Mangelernährung und<br />

Hitze weltweit erhöhen. Erkrankungen wie Malaria und Dengue-Fieber breiten<br />

sich weiter aus.<br />

• Steigende Meeresspiegel werden bei einer Erwärmung von 3 oder 4 °C für<br />

dutzende bis hunderte Millionen weiterer Menschen jährliche Überflutungen<br />

bedeuten. Nach Schätzungen werden bis Mitte des Jahrhunderts 200 Millionen<br />

Menschen aufgrund des steigenden Meeresspiegels, stärkerer Überflutungen<br />

und intensiverer Dürren permanent vertrieben werden.<br />

• Ökosysteme sind dem Klimawandel gegenüber besonders empfindlich. Etwa<br />

15 bis 40 % der Arten werden schon bei einer globalen Erwärmung von nur<br />

2 °C vom Aussterben bedroht sein. Außerdem wird die Versauerung der<br />

Ozeane, eine direkte Folge steigender Kohlendioxidkonzentrationen, einschneidende<br />

Folgen für Meeresökosysteme haben, mit großen Konsequenzen<br />

für die Fischbestände.<br />

Infolge der oben genannten Folgen des Klimawandels würde eine weitere Erwärmung<br />

für arme Länder hohe Kosten und wenig Vorteile bringen. Zweitens sind Entwicklungsländer<br />

– besonders die ärmsten – in starkem Maße von der Landwirtschaft<br />

abhängig, dem klimaempfindlichsten aller Wirtschaftssektoren, und leiden an unzureichender<br />

Gesundheitsversorgung und an öffentlichen Diensten von geringer Qualität.<br />

Drittens machen ihre geringen Einkommen und Vulnerabilitäten eine Anpassung<br />

an den Klimawandel besonders schwer. Je stärker die Erwärmung ausfällt, desto<br />

stärker werden dabei auch die Schäden ausfallen (IPCC 2007).<br />

2.2. Das globale Bevölkerungswachstum<br />

Die Vereinten Nationen erwarten bis zur Mitte des 21. Jahrhunderts einen Anstieg<br />

der Weltbevölkerung auf über 9.000.000.000 Menschen. Und dies in ihrer mittleren<br />

Prognosevariante (UN/DESA 2006)! Das Wachstum wird sich dabei besonders stark<br />

in den Entwicklungs- und den Schwellenländern vollziehen, während die Bevölkerungszahlen<br />

in den Industrienationen leicht rückläufig sind. Die Schwellenländer, insbesondere<br />

China und Indien, werden dabei ein sehr dynamisches Wachstum ihres<br />

Bruttoinlandsprodukts zwischen 6 und 10 % zu verzeichnen haben (OECD 2007). Bis<br />

2030 wird das Bruttoinlandsprodukt der Welt um 130 % wachsen. Das bedeutet,<br />

dass selbst bei einer leicht zunehmenden Effizienzsteigerung in der Ressourcennut-<br />

8


2. Herausforderungen des 21. Jahrhunderts<br />

zung der Verbrauch natürlicher Rohstoffe um mindestens 50 % zunehmen wird<br />

(ORCD 2007).<br />

Das Bevölkerungswachstum der Entwicklungs- und Schwellenländer können wir nur<br />

zur Kenntnis nehmen. Es ist auf viele kulturelle und sozioökonomische Ursachen zurückzuführen,<br />

die wir teilweise sogar mitverschuldet haben. Ein starkes Wirtschaftswachstum<br />

in den Entwicklungs- und Schwellenländern ist angesichts der immer noch<br />

dramatischen Armut in den Ländern von uns nicht nur gewünscht, sondern muss<br />

auch unterstützt werden. Nur so können die katastrophalen Verhältnisse in Bezug auf<br />

Armut, Gesundheit, Hygiene und Bildung in diesen Ländern nachhaltig verändert<br />

werden. Eine Unterdrückung des Wachstums würde verständlicherweise nicht toleriert<br />

werden, jedoch wird ein quantitatives Wachstum, wie wir es in den letzten<br />

150 Jahren vorgemacht haben, tödlich für das Ökosystem Erde sein. Nach Schätzungen<br />

des Weltklimarats müssten die globalen CO2-Emissionen auf 20 % des Niveaus<br />

von 1990 reduziert werden, da dies der Kapazität entspricht, die die Erde<br />

kompensieren kann (IPCC 2007).<br />

2.3. Veränderungen in der Weltwirtschaft<br />

Die International Energy Agency hat das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP)<br />

der Welt für die letzten 25 Jahre erfasst und darauf basierend eine Prognose der<br />

Entwicklung bis 2030 vorgelegt: Insbesondere China, Indien und Südostasien haben<br />

in den vergangenen 25 Jahren von der Globalisierung profitiert. China hat sein BIP<br />

von 1980 bis 2004 jährlich um fast 10 % steigern können, während die OECD-<br />

Staaten mit einem Wachstum von 2,5 bis 3 % auskommen mussten. Indien und die<br />

nicht zur OECD gehörenden südostasiatischen Länder liegen mit Zuwachsraten zwischen<br />

6 und 7 % ebenfalls deutlich über den Wachstumsraten der OECD-Staaten.<br />

Für die Zukunft wird eine echte Abschwächung des Wachstums in Asien und eine<br />

Zunahme in Afrika und Lateinamerika erwartet, was für die Entwicklungsländer ein<br />

durchschnittliches Jahreswachstum von 4,7 % bedeuten wird. Die Industrieländer<br />

(OECD) werden mit durchschnittlich 2,2 % pro Jahr wachsen (World Energy Outlook<br />

2007).<br />

Aus ökonomischer und sozialer Sicht ist das starke Wachstum der Entwicklungs- und<br />

Schwellenländer zu begrüßen. Für die Umwelt ist das Wachstum – so es sich an unseren<br />

bisherigen Wachstumsmodellen orientiert – eine Katastrophe: Der Weltenergiebedarf<br />

wird bis 2030 um über 50 % steigen. 37 % des zusätzlichen Energiebedarfs<br />

werden allein von Indien, China und den Entwicklungsländern für ihr Wachstum<br />

benötigt (World Energy Outlook 2007). Dies wird nicht nur in Bezug auf den CO2-<br />

9


2. Herausforderungen des 21. Jahrhunderts<br />

Ausstoß dramatische Folgen nach sich ziehen, auch die Versorgungssicherheit wird<br />

zunehmend weniger gesichert sein.<br />

2.4. Umweltgerechtigkeit und soziale Gerechtigkeit<br />

Neben den ökologischen und ökonomischen Herausforderungen, die Klimawandel<br />

und Ressourcenknappheit nach sich ziehen, stellen sich auch Fragen nach den sozialen<br />

Auswirkungen der fortschreitenden Umweltzerstörung. Sowohl die durch den<br />

globalen Wandel deutlich werdenden Umweltbelastungen als auch die dadurch notwendigen<br />

Maßnahmen zu ihrer Verringerung haben ganz konkrete und unterschiedliche<br />

Auswirkungen auf Gesundheit und Lebensqualität der Menschen. Neben den<br />

häufig diskutierten internationalen (Nord-Süd-Konflikt) und intergenerativen (ökologische<br />

Generationengerechtigkeit) Fragen treten jedoch auch lebensweltlich starke<br />

Folgen für jeden Einzelnen zu Tage. Diese Fragen werden jedoch vor dem wachsenden<br />

ökologischen Problemdruck vor allem beim Klimawandel sichtbar und vor dem<br />

Hintergrund der zunehmenden sozialen Polarisierung immer größer. In den USA wird<br />

bereits seit drei Jahrzehnten eine Debatte unter dem Begriff »environmental justice«<br />

geführt. Die Hauptschwerpunkte der Debatte liegen dabei besonders im Bereich<br />

Umwelt und Gesundheit sowie der gerechten Verteilung von Umweltrisiken (ecological<br />

justice).<br />

Auch in der Bundesrepublik Deutschland haben Umweltbelastungen und -<br />

schutzmaßnahmen vielfach ungleiche soziale Auswirkungen. In diesem Kapitel werden<br />

die Auswirkungen von globalen Umweltveränderungen auf Bürgerinnen und<br />

Bürger und ihre privaten Haushalte betrachtet. Es werden Ungleichheiten sowohl im<br />

Hinblick auf die unmittelbare Gesundheit als auch auf rein materielle und immaterielle<br />

Schäden deutlich.<br />

Im Gegensatz zu den diffusen globalen Umweltrisiken, wie dem Klimawandel oder<br />

dem wachsen Ressourcenverbrauch sind lokale Umweltprobleme, wie Verschmutzungen,<br />

Chemieunfälle, Feinstaubbelastungen etc., in ihrer räumlichen und zeitlichen<br />

Reichweite begrenzt und dabei in ihren Wirkungen deutlich wahrnehmbar. Mit Veröffentlichung<br />

des Weltklimareports (IPCC 2007) sind auch abstraktere Umweltgefahren<br />

realer und im Alltag erlebbar geworden, da hier auch die Folgen für Mitteleuropa beschrieben<br />

werden und der Klimawandel in der öffentlichen Wahrnehmung nicht mehr<br />

nur in der Dritten Welt und kleinen Inselstaaten stattfindet.<br />

Aus der Sicht umweltbezogener Gerechtigkeit drängt sich bei globalen Umweltrisiken<br />

besonders die Herausforderung auf, dass sie sich in ihrer Wirkungsbreite zwischen<br />

Verursacher und Betroffenen schwerer zuordnen lassen.<br />

10


2. Herausforderungen des 21. Jahrhunderts<br />

Die These Ulrich Becks, nach der Umweltbelastungen eher gleichmäßig über die<br />

verschiedenen gesellschaftlichen Schichten verteilt werden (Beck 1986), kann nicht<br />

mehr vorbehaltlos bestätigt werden. Es zeigt sich nämlich mehr und mehr, dass<br />

wohlhabende Schichten größere Möglichkeiten haben, sich den Umweltbelastungen<br />

zu entziehen: So sind z.B. umweltbeeinflusste Erkrankungen in Deutschland ungleich<br />

verteilt. Einerseits werden Menschen häufig durch negative Umwelteinflüsse (Feinstaub,<br />

Lärm, Chemikalien, Strahlung) gesundheitlich unterschiedlich belastet, andererseits<br />

verfügen sie oft nicht über die gleichen Mittel und Möglichkeiten, solche Belastungen<br />

(Reisekosten etc.) zu bewältigen, etwa durch Erholung in Naturparks etc.<br />

Während die Zahl der im Umlauf befindlichen toxischen Substanzen reduziert worden<br />

ist, besteht eine diffuse Hintergrundbelastung fort, die sich in medizinisch häufig uneindeutigen<br />

Symptomen niederschlägt. Das Spektrum an Erkrankungen, bei denen<br />

Umwelteinflüsse eine Rolle spielen können, reicht von psychischen Belastungen über<br />

Allergien bis hin zu Herz-Kreislauf- und Krebserkrankungen (Rat von Sachverständigen<br />

für Umweltfragen 1999).<br />

Oft hängen Ungleichverteilungen mit Merkmalen der sozialen Schicht, d. h. mit Ausbildung,<br />

Berufsstatus und/oder Einkommen zusammen. Angehörige sozialer Schichten<br />

mit niedrigen Einkommensverhältnissen weisen meist eine höhere Krankheitswahrscheinlichkeit<br />

und Sterblichkeit auf, was vielfach auch mit Umwelteinflüssen zusammenhängt<br />

(Robert-Koch-Institut 2006). So wohnen sozial Schwache aufgrund<br />

des billigeren Wohnraums häufiger an verkehrsreichen Straßen oder in der Nähe von<br />

Industrieanlagen und sind damit Luftschadstoffen (z. B. Feinstaub) und Lärm stärker<br />

ausgesetzt (Statistisches Bundesamt 1998). Dies ist nicht selten auch damit verbunden,<br />

dass sie in ihrem unmittelbaren Wohnumfeld weniger Zugang zu Grünflächen<br />

haben oder auch an ihrem Arbeitsplatz trotz zahlreicher Schutzbestimmungen oft<br />

stärker von negativen Umwelteinflüssen belastet sind (Heinrich 2006).<br />

Doch häufig hängen ungleiche Betroffenheiten nicht nur mit der sozialen Schicht<br />

(vertikale Differenzierung), sondern auch mit Lebenslage und Lebensstil (horizontale<br />

Differenzierung) zusammen (Mielck 2001). Vor dem Hintergrund, dass sich die Gesellschaft<br />

zunehmend in Kategorien jenseits der klassischen vertikalen Sozialschicht<br />

ausdifferenziert (Pluralisierung von Lebensweisen), gewinnen neben Ausbildung, Berufsstatus<br />

und Einkommen auch Merkmale wie Alter, Geschlecht, Nationalität, Partnerschaftsstatus,<br />

Wertorientierung und Lebensweisen immer mehr an Bedeutung,<br />

was sich als »neue Ungleichheiten« in das gesellschaftliche Bewusstsein eingeprägt<br />

hat (Schlüns 2007).<br />

11


2. Herausforderungen des 21. Jahrhunderts<br />

Die negativen Auswirkungen der globalen Veränderungen und die damit verbundenen<br />

Ungleichheiten sind nicht nur am Gesundheitszustand abzulesen, sondern auch<br />

an rein materiellen oder immateriellen Schäden. Ebenso wie im Gesundheitsbereich<br />

sind auch hier zunächst die Menschen unterer sozialer Schichten besonders benachteiligt.<br />

Aufgrund ihrer geringeren Kaufkraft trifft sie der – angesichts der Verknappung<br />

– zunehmende Preisdruck für Naturressourcen besonders stark (Institut für<br />

Energie und Umweltforschung, 2006). Sie haben andererseits auch die schlechteren<br />

Möglichkeiten, die durch sie verursachte Umweltbelastung durch Anpassungsleistungen<br />

zu reduzieren. Beispielsweise können sie es sich weniger als andere leisten, ihre<br />

Autos entsprechend der aktuellen Gesetzesinitiativen zur Reduzierung der Luftbelastung<br />

(Umweltplakette, Umweltzonen) in Großstädten und Ballungsräumen auf umweltfreundliche<br />

Standards nachzurüsten oder ihren Kindern ein Leben in einer gesunden<br />

Umwelt zu ermöglichen.<br />

Die Benachteiligungen sozial schwacher Schichten können aus zwei Gründen durchaus<br />

gerechtigkeitsrelevante Brisanz gewinnen:<br />

• Einerseits erscheinen sie besonders dann als problematisch, wenn Verteuerungen<br />

von Umweltgütern aufgrund von Ressourcensteuern o. ä. umweltpolitisch<br />

verursacht sind. Umweltgüter sind öffentliche Güter, deren Nutzung sich<br />

nicht am Leistungsprinzip, sondern am Gleichheitsprinzip orientiert. Zwar gibt<br />

es bei derartigen Gütern im Prinzip keinen Nutzungsausschluss, faktisch aber<br />

ist der Zugang zu ihnen mit unterschiedlichen Kosten verbunden. Wenn der<br />

Preis aus Umweltschutzgründen verteuert wird, können Ungleichheiten ungerecht<br />

erscheinen.<br />

• Das zweite Problem ergibt sich aus der Bedeutung des Umweltkonsums in<br />

unserer Gesellschaft: Der Zugang zu Konsumgütern steht häufig wesentlich<br />

für Teilhabe- und Selbstverwirklichungschancen. Jemand, der sich z. B. ein<br />

umweltschonendes Fahrzeug nicht leisten kann und folglich gezwungen ist,<br />

zur Fahrt in die Innenstädte öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen, weil er die<br />

Umweltzone nicht mehr mit seinem Fahrzeug durchfahren darf, fühlt sich vielleicht<br />

in seinen Lebenspraktiken stärker eingeschränkt als jemand mit mehr<br />

Kaufkraft, der sein Fahrzeug nachrüsten lässt. Es kann so zu einem sozialen<br />

Ausschluss wachsender Bevölkerungsteile aus den Standards kommen, die<br />

sich für das Leben hierzulande herausgebildet haben, wie z. B. die räumliche<br />

Mobilität.<br />

12


2. Herausforderungen des 21. Jahrhunderts<br />

Andererseits können jedoch auch rein materielle oder immaterielle Ungleichheiten<br />

nicht immer allein am sozialen Status festgemacht werden. So können sich zwar<br />

Menschen, die über entsprechende Mittel verfügen, ein großes Auto leisten, jedoch<br />

leistet sich nicht jeder, der das Geld hat, ein großes Auto. Die Benachteiligungslinien<br />

gehen somit häufig quer durch die Gesellschaftsschichten: Denn jeder – auch der<br />

umweltbewusste Niedrigverbraucher – wird benachteiligt, wenn auch er die Folgen<br />

tragen muss, die durch den hohen Umweltkonsum anderer bzw. der Allgemeinheit<br />

entstehen.<br />

Neben dem messbaren Ausmaß von Umwelteinflüssen spielen besonders subjektive<br />

Bewertungen eine große Rolle. Identische Situationen werden aufgrund unterschiedlicher<br />

Sozialisationen, Vorerfahrungen und Voraussetzungen selten einheitlich bewertet.<br />

In der Regel ist die Unzufriedenheit mit dem Umweltzustand oder -schutz bei<br />

den Personen höher, die von negativen Umwelteinflüssen beeinträchtigt sind, wie<br />

beispielsweise Großstädten (Statistisches Bundesamt 2006). Bestimmte soziale<br />

Merkmale, wie Elternschaft oder Umweltbewusstsein, tragen dazu bei, dass sie sich<br />

stärker belastet fühlen oder stärker unzufrieden mit Umweltmaßnahmen sind (BMU<br />

2006). Andererseits hat auch die Art und Weise, wie Umweltprobleme und -<br />

maßnahmen kommuniziert werden, einen Einfluss. Deutlich wird dies bei der Ökologischen<br />

Steuerreform: Von 1999 bis 2003 wurde in fünf Schritten der Faktor Energie<br />

verteuert und der Faktor Arbeit verbilligt. Obgleich bislang keine weitreichenden, sozial<br />

ungerechten Folgen nachgewiesen wurden (Bach 2001, Knigge & Görlach 2005),<br />

hält sich in großen Teilen der Bevölkerung nach wie vor der Eindruck, dass untere<br />

Einkommensgruppen, die meist am stärksten von Umweltschäden betroffen sind,<br />

auch steuerlich im Vergleich stärker belastet werden. Umgekehrt wurde die Abschaffung<br />

der Eigenheimzulage, die die gut verdienenden Schichten begünstigte, weniger<br />

kontrovers diskutiert als die Ökosteuer.<br />

13


3. Was muss geschehen?<br />

3. Was muss geschehen?<br />

Zusammenfassung<br />

Veränderungen für eine nachhaltige Zukunft müssen auf verschiedenen Ebenen ein-<br />

geleitet werden: In der Politik und der Wirtschaft genauso wie im persönlichen Ver-<br />

halten. Dabei wird eine dreiteilige Strategie aus (1) Effizienzsteigerungen in der<br />

Energie- und Materialnutzung (Faktor X), (2) einer raschen flächendeckenden Ener-<br />

gieversorgung basierend auf erneuerbaren Energien und (3) einer sinnvollen Einspa-<br />

rung unnötiger Energie- und Materialverschwendungen Grundlage unseres Wirt-<br />

schaftens werden müssen. Zur Umsetzung werden verschiedene Instrumente wie<br />

marktwirtschaftliche Mechanismen (Emissionshandel, Personal Carbon Trading,<br />

Ressourcensteuern), ordnungspolitische Instrumente (Top-Runner-Prinzip) und auch<br />

bildungsorientierte Strategien (Suffizienz) diskutiert.<br />

Nachdem im letzten Kapitel beschrieben wurde, in welche Richtung sich die Welt in<br />

den nächsten Jahrzehnten entwickeln wird und welche Problemfelder sich daraus<br />

ergeben, sollen in diesem Kapitel verschiedene Instrumente zur Entwicklung einer<br />

nachhaltigen Politik vorgestellt werden. Aktuelle Diskussionen zeigen, dass eine Politik,<br />

die die Ziele<br />

(a) einer gerechten Ressourcenverteilung unter allen Menschen auf diesem Planeten,<br />

(b) eines Wirtschaftens, das auch morgen noch ein gesundes Leben ermöglicht<br />

und<br />

(c) eines qualitativen Wirtschaftswachstums, das nicht seinem eigenen Ende entgegenarbeitet<br />

sondern langfristigen Wohlstand für eine Gesellschaft sichert,<br />

als einzige Option eine drastische Steigerung der Ressourcenproduktivität hat. Das<br />

bedeutet, dass pro Einheit verbrauchtem Rohstoff mehr produziert werden muss oder<br />

aber, dass pro Produkt wesentlich weniger Rohstoff investiert werden darf. Dazu sind<br />

zwei Strategien erforderlich: Eine massive Steigerung der Ressourcenproduktivität<br />

(Effizienz) durch technischen Fortschritt und eine Änderung in unserem Konsumverhalten<br />

(Suffizienz). Es geht somit darum a) weniger Güter und b) die richtigen Güter<br />

nachzufragen. Dies bedeutet einen starken Wandel in unserem Leben und Wirtschaften.<br />

Die Verantwortung liegt somit nämlich nicht nur bei den Unternehmen sondern<br />

auch bei den Konsumenten.<br />

14


3. Was muss geschehen?<br />

Gesamtwirtschaftlich wird der gewaltige Umbau nur durch Innovationen zu schaffen<br />

sein, die neue Konsumgüter und Produktionsverfahren mit sich bringen. Die dabei<br />

anstehenden erheblichen Investitionen können durch ein gesamtwirtschaftliches<br />

Wachstum ausgeglichen werden. Privat werden wir uns auch mit einer Änderung unserer<br />

Konsumgewohnheiten zu mehr Suffizienz auseinander setzen müssen.<br />

Die westlichen Industriegesellschaften sind inzwischen auch auf eine dynamische<br />

wirtschaftliche Entwicklung angewiesen, denn sie stehen mittlerweile in Wettbewerb<br />

mit Schwellenländern, die längst wesentliche Elemente der westlichen Wirtschaftsverfassung<br />

adaptiert haben (Meyer 2007). Wirtschaftliche Nachhaltigkeit bedeutet für<br />

die westlichen Industrieländer, also auch Europa und Deutschland, dass sie in diesem<br />

Wettbewerb bestehen können. Zur Berücksichtigung der sozialen Dimension der<br />

Nachhaltigkeit sind die Ziele einer ausreichenden Beschäftigung – eigentlich sogar<br />

einer Vollbeschäftigung – und eine gerechte Einkommensverteilung unabdingbar.<br />

Ziel eines ökologischen und sozialen Umbaus der Gesellschaft muss es also sein,<br />

Politik so zu gestalten, dass sie sowohl eine Steigerung der Ressourcenproduktivität<br />

als auch die Sicherung und den Ausbau der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen<br />

Wirtschaft im Auge behält. Insofern ist bei der Gestaltung einer modernen Umweltpolitik<br />

auch die Wirtschafts- und Sozialpolitik auf dem Prüfstand. Ein Umbau der Wirtschaft<br />

zur Steigerung der Ressourcenproduktivität wird nur in einem dynamischen<br />

und innovativen wirtschaftlichen Umfeld möglich sein, das soziale Ungleichheiten der<br />

zu tragenden Lasten egalisiert.<br />

3.1. Den Dingen ihren wahren Wert geben<br />

Nach Ansicht vieler Ökonomen besteht die Ursache vieler unserer heutigen Umweltprobleme<br />

darin, dass wir die Natur kostenlos nutzen können und sie deshalb in einem<br />

Maße verbrauchen, das weder für heutige noch für zukünftige Generationen<br />

tragbar ist. Wir behandeln die Natur fälschlicherweise als ein Bündel an Rohstoffen,<br />

das unbegrenzt verfügbar ist und deshalb den Preis null hat. Zurzeit fließen ausschließlich<br />

die Kosten der Rohstoffgewinnung (Abbau, Aufreinigung, Transport) in<br />

den Preis der Güter mit ein. Tatsächlich aber ist die Natur ein knappes Gut. Jede<br />

nicht – in menschlichen Zeitdimensionen – nachwachsende Ressource ist endlich.<br />

Die Vorräte an Erzen, Seltenen Erden, Landfläche etc. werden irgendwann genau so<br />

erschöpft sein, wie die Kohle- und Ölreserven. Da jedoch alle Ressourcen als Rohstoffe<br />

und Energie in den von uns produzierten und konsumierten Waren enthalten<br />

sind, müssen die Preise auch ihre Knappheit widerspiegeln. Das ist im Moment nicht<br />

der Fall, die Güter sind somit falsch kalkuliert. Die ökonomischen Entscheidungen,<br />

15


3. Was muss geschehen?<br />

die wir als Verbraucher und Produzenten auf der Basis dieser Preise treffen, sind<br />

somit auch fehlerhaft und führen uns immer weiter in das Elend der ökologischen Katastrophen<br />

(Meyer 2007). Im Gegensatz zu vielen anderen Problemen ist dieses jedoch<br />

recht einfach anzugehen: Man muss den Ressourcenverbrauch nur mit denjenigen<br />

Preisen bewerten, die seiner Knappheit entsprechen. Der Staat könnte zu diesem<br />

Zweck Märkte etablieren, auf denen die Umweltgüter gehandelt werden, und<br />

dabei das Angebot an Naturgütern so weit begrenzen, dass ein nachhaltiges Wirtschaften<br />

erreicht werden kann. Das bedeutet nichts anderes, als dass wir nicht mehr<br />

CO2 ausstoßen, als die Natur mittels natürlicher Prozesse wieder binden kann. In<br />

Bezug auf die restlichen Rohstoffe bedeutet dies, dass wir die Recyclingquote entscheidend<br />

verbessern müssen, sodass die aus ihr rückgewonnenen Rohstoffe<br />

Grundlage unseres Wirtschaftens werden. Der Abbau weiterer Ressourcen dient<br />

ausschließlich dazu, die recyclingbedingten Verluste aufgrund einer nicht möglichen<br />

vollständigen Wiederverwertung auszugleichen. Ein Beispiel für die Schaffung eines<br />

Marktes für Naturgüter ist der Handel mit CO2-Emissionsrechten im Bereich des produzierenden<br />

Gewerbes in Europa.<br />

Eine Alternative besteht darin, dass der Staat solche Märkte nicht einrichtet, sondern<br />

das bestehende Preissystem durch eine Besteuerung des Ressourcenverbrauchs<br />

oder eine Subventionierung von ressourcensparenden Technologien korrigiert. Hierbei<br />

würde der Staat die Möglichkeiten einer gezielten Steuerung des Ressourcenverbauchs<br />

über ordnungs- und finanzpolitische Maßnahmen zum Preis einer steigenden<br />

Bürokratie etablieren.<br />

Die Märkte sind jedoch nicht immer voll funktionsfähig, das heißt, dass die Produzenten<br />

und Konsumenten nicht immer ihre Entscheidungen an den Preissignalen ausrichten.<br />

Dies liegt unter anderem daran, dass die Marktteilnehmer eben nicht »mit<br />

perfekter Information« ausgestattet sind, die von der ökonomischen Theorie unterstellt<br />

wird. So wissen wir oft nicht, welche Ressourcenmenge in einem Produkt enthalten<br />

ist oder welches das energieeffizienteste und bestenfalls gleichzeitig auch<br />

langlebigste Produkt ist.<br />

Zur Verhinderung einer überbordenden Bürokratie bietet es sich an, ökonomische<br />

Instrumente in den Vordergrund zu stellen. Ohne eine angemessene Ordnungspolitik<br />

und eine entsprechende Qualifizierung von Konsumenten zu nachhaltigem Konsum<br />

werden effiziente Maßnahmen jedoch nicht möglich sein.<br />

16


3. Was muss geschehen?<br />

3.2. Der Emissionshandel<br />

Vor dem Hintergrund der im Kyoto-Protokoll eingegangenen Verpflichtungen zur Reduktion<br />

der Treibhausgasemissionen hat die Europäische Union am 13. Oktober<br />

2003 die Einrichtung eines Systems zum Handel mit Treibhausgasemissionen<br />

(Emissionshandelsrichtlinie) beschlossen. Die Mitgliedstaaten stellen für einen bestimmten<br />

Zeitraum einen sogenannten Nationalen Allokationsplan (NAP) auf, der<br />

festlegt, wie viele Zertifikate sie insgesamt für diesen Zeitraum zuteilen und wie die<br />

Zertifikate auf die Unternehmen zu verteilen sind.<br />

Der Emissionshandel ist auf Grundstoffindustrien beschränkt, wie Stromerzeugung,<br />

Eisen- und Stahlerzeugung, Papier- und Pappeerzeugung, Steine und Erden, Glas<br />

und Keramik sowie Mineralölverabeitung und Kokereien. Die Zuteilung orientiert sich<br />

an den aktuellen Emissionen der Anlagen zur Herstellung dieser Grundstoffe. Dabei<br />

muss sich die Gesamtmenge der von einem Land verteilten Berechtigungen daran<br />

orientieren, dass das Land die im Kyoto-Protokoll eingegangenen Verpflichtungen für<br />

den Zeitraum 2008 bis 2012 erreichen kann.<br />

Wirkungen des NAP I (2005-2007)<br />

Nach dem Beginn des Handels erreichte der Preis der Zertifikate aufgrund von Unsicherheiten<br />

über die Einschätzung dieser neuen Institution Spitzenwerte von 30 Euro<br />

pro Tonne CO2, fiel dann aber bis 2007 auf einen Wert unter einem Euro. Der Markt<br />

ist also zusammengebrochen, was auf eine zu großzügige Zuteilung schließen lässt.<br />

Die Idee des Marktes ist, dass diejenigen Unternehmen, die mehr Zertifikate benötigen<br />

als ihnen zugeteilt wurden, als Nachfrager auftreten, während andere, die Emissionen<br />

einsparen, entsprechende Zertifikatsmengen anbieten. Je nach Knappheit der<br />

Zertifikate bildet sich ein Preis heraus, der Anreiz zur Vermeidung von CO2-<br />

Emissionen bieten sollte. Aufgrund der zu großzügigen und (größtenteils) kostenlosen<br />

Zuteilung der Zertifikate lässt sich die erste Emissionshandelsperiode als Fehlschlag,<br />

oder anders ausgedrückt: als Marktversagen deuten.<br />

Gestaltung des Nationalen Allokationsplans II (2008-2012)<br />

Mit dem NAP II werden die Emissionsziele für alle Sektoren (Energie und Industrie,<br />

Verkehr, Haushalte, Gewerbe/Handel/Dienstleistungen) festgelegt. Die Sektoren<br />

Energie und Industrie müssen dazu einen Minderungsbeitrag von insgesamt 15 Mio.<br />

t CO2 pro Jahr im Vergleich zum Durchschnitt der Jahre 2000 bis 2002 erbringen<br />

(-3 %). Während in der ersten Emissionshandelsphase 2005 bis 2007 die Emissions-<br />

Höchstgrenze (Cap) 499 Millionen Tonnen CO2 betrug, wird im NAP II diese Grenze<br />

auf 465 Millionen Tonnen (ursprüngliche Planung 482 Mio. Tonnen, s. u.) reduziert.<br />

17


3. Was muss geschehen?<br />

Darüber hinaus differenziert der NAP II erstmals die Reduktionsvorgaben für Anlagen:<br />

Während beim NAP I alle Anlagen ihren CO2-Ausstoß einheitlich um 2,91 %<br />

senken mussten, gelten jetzt branchenbezogene Reduktionsvorgaben: Industrieanlagen,<br />

die internationalem Wettbewerb ausgesetzt sind, müssen ihren Ausstoß um<br />

1,25% senken, ebenso Anlagen der Kraft-Wärme-Kopplung. Energiekonzerne müssen<br />

dagegen ihre CO2-Emissionen um 15 %, besonders ineffiziente Braun- und Kohlekraftwerke<br />

ab 2008 um 30% reduzieren. Kleine Anlagen mit maximal 25.000 t CO2-<br />

Ausstoß werden dagegen von Reduktionspflichten ganz befreit.<br />

Zukunft des Emissionshandels<br />

Problematisch ist der NAP II, weil Emissionsrechte an Betreiber von Kraftwerken kostenlos<br />

herausgegeben werden. Da Kohlekraftwerke sehr hohe Emissionswerte haben,<br />

erhalten die Betreiber von Kohlekraftwerken die meisten Zertifikate, was zum<br />

vermehrten Bau von Kohlekraftwerken führen könnte.<br />

Eine Weiterentwicklung des Emissionshandels ist in mehreren Dimensionen denkbar.<br />

So stellt sich die Frage, ob<br />

(a) weitere Wirtschaftszweige dem Zertifikatshandel unterliegen sollten,<br />

(b) die Art und Weise der Zuteilung beibehalten werden sollte,<br />

(c) Verbraucher auch mit in den Handel einbezogen werden sollten und<br />

(d) ein größerer Anteil der Zertifikate oder gar alle in ihrer Gesamtheit versteigert<br />

werden sollten.<br />

Betrachten wir die verschiedenen Möglichkeiten der Weiterentwicklung des Emissionshandels<br />

einmal genauer:<br />

Freie Zuteilung der Zertifikate<br />

Bei freier Zuteilung der Emissionsrechte (»grandfathering«) entstehen einem Unternehmen<br />

lediglich dann tatsächliche Kosten, wenn es Zertifikate zukaufen muss.<br />

Bleibt das Unternehmen mit seinen Emissionen unterhalb der Schwelle, die den Zukauf<br />

von Zertifikaten notwendig macht, so entstehen keine tatsächlichen Kosten. Für<br />

die Angebotsentscheidung der Unternehmen spielen die Zertifikate aber dennoch eine<br />

wichtige Rolle. Wer produziert, nutzt die vorhandenen Zertifikate und verzichtet<br />

auf die Alternative ihres Verkaufs. Dem Unternehmen entgeht somit ein Gewinn, was<br />

als Opportunitätskosten zu Buche schlägt. In welchem Umfang Opportunitätskosten<br />

bei der Preiskalkulation berücksichtigt werden, hängt von der Intensität des Wettbewerbs<br />

und der Preiselastizität ab. In Deutschland haben die vier großen Produzenten<br />

von elektrischem Strom ihre deutlichen Anhebungen des Strompreises in den Jahren<br />

2005 und 2006 unter anderem mit den Opportunitätskosten des Zertifikatsmarktes<br />

18


3. Was muss geschehen?<br />

begründet. Die entstandenen »windfall profits« wurden auf die Verbraucher umgelegt:<br />

Es trat eine Situation ein, in der der Staat den Unternehmen Zertifikate schenkte,<br />

diese jedoch die fiktiven Preise der Zertifikate an den Endverbraucher weitergaben.<br />

Solche Preissteigerungen führen zu außerordentlichen Gewinnen bei denjenigen<br />

Unternehmen, die in der Lage sind, die Opportunitätskosten weiterzugeben. Die<br />

Erfahrungen über das Ausmaß der Preiswirkungen auf den folgenden Produktionsstufen<br />

sind noch keineswegs abgeschlossen, weil der Zertifikatsmarkt zurzeit selbst<br />

noch nicht voll funktionsfähig ist (Meyer 2007).<br />

Betrachten wir zunächst den Fall, in dem alle am Zertifikationsmarkt beteiligten Unternehmen<br />

ihre Opportunitätskosten vollständig einpreisen. Im Falle des EU-<br />

Emissionshandels würde dies bedeuten, dass wir in Europa beträchtliche Preissteigerungen<br />

für Grundstoffe wie elektrischen Strom, Stahl, Keramik usw. erhielten. Für<br />

die Unternehmen, die diese Stoffe als Vorprodukte einsetzen, ergäben sich erhebliche<br />

Kostensteigerungen, die sie je nach Marktlage im internationalen Wettbewerb<br />

nicht vollständig weitergeben könnten, was zu entsprechenden Gewinneinbußen<br />

führt. Lässt der internationale Wettbewerb eine Weitergabe dieser Kosten zu, tragen<br />

schließlich die Verbraucher die Last. Aus ökonomischer Sicht würde dies zu Problemen<br />

im internationalen Wettbewerb führen. Aus ökologischer Sicht wäre das Ergebnis<br />

auf den ersten Blick wünschenswert, denn diejenigen Güter, die direkt oder indirekt<br />

in besonderer Weise Energieinputs und Grundstoffe wie Stahl, Keramik usw.<br />

enthalten, würden in Europa erheblich teurer und entsprechend weniger nachgefragt<br />

werden. Dies würde jedoch zu einer steigenden Produktion dieser Waren außerhalb<br />

der Europäischen Union führen, die schließlich von Europa importiert würden, sodass<br />

sich die globale ökologische Bilanz keineswegs verbessern würde. Was bliebe, wäre<br />

ein Wettbewerbsnachteil für die europäische Wirtschaft.<br />

Können die am Emissionshandel beteiligten Unternehmen hingegen nur ihre tatsächlichen,<br />

durch den Zukauf von Emissionszertifikaten entstandenen Kosten, berücksichtigen,<br />

sind die Preiswirkungen erheblich schwächer. Der in der Wertschöpfungskette<br />

entstehende Kostendruck ist – so zeigen die bisherigen Erfahrungen – sehr<br />

schwach; Probleme der internationalen Wettbewerbsfähigkeit dürfte es kaum geben.<br />

Die ökonomische Minderbelastung führt hingegen bei einer freien Zuteilung und<br />

Handelsbeschränkungen zum Wegfall des ökologischen Effekts, da die Nachfrage<br />

nach rohstoffintensiven Produkten nicht sinken wird.<br />

19


3. Was muss geschehen?<br />

Versteigerung aller Zertifikate<br />

Bei einer vollständigen Versteigerung der Zertifikate durch den Staat müssen die Unternehmen<br />

für den Erwerb der Zertifikate einen bestimmten Betrag bezahlen. Insofern<br />

ist derselbe Preisanstieg für die Grundstoffe zu erwarten wie im Fall der vollen<br />

Überwälzung der Opportunitätskosten bei der kostenlosen Vergabe der Zertifikate.<br />

Auch alle anderen Effekte auf die nachfolgenden Produktionsstufen und die Verbraucher<br />

sind identisch. Entsprechend wird sich auch der gewünschte ökologische Effekt<br />

einstellen. Der Unterschied liegt einzig darin, dass nun nicht die Unternehmen an den<br />

Zertifikaten verdienen, sondern der Staat.<br />

In der Literatur (z. B. Meyer 2007, Wagener 2006) werden Senkungen der Einkommensteuer<br />

oder der Sozialversicherungsbeiträge zum Ausgleich der dadurch entstandenen<br />

Kosten diskutiert. Dies hilft der Wirtschaft allgemein, aber die Grundstoffindustrien<br />

würden nur sehr indirekt daran teilhaben. Durch die gleichmäßige Senkung<br />

der Einkommenssteuern und Sozialversicherungsbeiträge ergäbe sich eine gleichmäßige<br />

Umverteilung der Entlastungen auf alle Produktionsbereiche und die privaten<br />

Haushalte, was schließlich langfristig zu Standortverlagerungen dieser Industrien in<br />

Schwellen- und Entwicklungsländer führen kann.<br />

Ökologisch wäre damit regional ein Schritt in die richtige Richtung getan, da in<br />

Deutschland der Ressourcenverbrauch nachhaltig sinken würde. Jedoch besteht zu<br />

befürchten, dass die Grundstoffindustrien ihre Produktion ins Ausland verlagern, sodass<br />

die globale ökologische Bilanz aufgrund einer schlechteren Ressourcenproduktivität<br />

in den Schwellenländern insgesamt eher negativ ausfallen würde. Auf Seiten<br />

der ökonomischen Bilanz entstünde in Deutschland ebenfalls eine negative Bilanz,<br />

da ein Teil der Wertschöpfung verloren ginge. Für ein Land, dass seinen Schwerpunkt<br />

weniger in den Grundstoffindustrien, sondern vielmehr in der Veredelung und<br />

technologischen Weiterentwicklung von Produkten sieht, scheint dies auf den ersten<br />

Blick kein Problem zu sein, jedoch zeigt sich immer wieder, dass es wichtig ist, für<br />

eine technologische Weiterentwicklung nicht nur den Wertschöpfungsprozess, sondern<br />

besonders auch den ganzen Produktionsprozess an einem Ort konzentrieren zu<br />

können.<br />

Verschiedene Ökonomen schlagen deshalb vor, das durch die Versteigerung der<br />

Zertifikate ersteigerte Aufkommen wieder direkt an die Unternehmen zurückzuführen.<br />

Dies könne durch verschiedene Umlageverfahren innerhalb des jeweiligen Produktionsbereiches<br />

geschehen. So würde nicht ein ganzer Industriezweig benachteiligt,<br />

sondern nur die ressourcenintensiven Unternehmen in dem jeweiligen Zweig müss-<br />

20


3. Was muss geschehen?<br />

ten zu Gunsten der rohstoffproduktiven Unternehmen mehr Zertifikate kaufen. Der<br />

Lenkungseffekt auf die CO2-Emissionen bliebe aber erhalten, denn es lohnt sich für<br />

die Unternehmen, ihre Technologie zu verbessern. Die Industrie insgesamt würde<br />

aber nicht belastet. Auf jeder Produktionsstufe bliebe somit der Anreiz zum technischen<br />

Fortschritt und zur Energieträgersubstitution erhalten, ohne dass Nachteile im<br />

internationalen Wettbewerb zu erwarten wären. Konsequenterweise müssten bei der<br />

Rückvergütung des Auktionsaufkommens für die Energieversorger die Anbieter erneuerbarer<br />

Energien mit in den Handel einbezogen werden. Sie würden auf dem<br />

Markt entsprechend begünstigt werden, da sie keine – oder wenige – Zertifikate kaufen<br />

müssten, von der entsprechenden Rückvergütung aber um so mehr profitieren<br />

würden. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) könnte dadurch abgeschafft werden.<br />

Eine Weiterentwicklung des Emissionshandels sollte also darin bestehen, möglichst<br />

schnell zu einer Auktion aller Zertifikate überzugehen und auch andere Wirtschaftszweige<br />

in den Handel mit einzubeziehen.<br />

Allerdings stellt sich dann die Frage, ob die Überlagerung verschiedener ökonomischer<br />

Instrumente sinnvoll ist. Die sogenannte Ökosteuer auf Benzin, Diesel, Heizöl,<br />

Strom und Gas, die 1999 eingeführt wurde, betrifft mit einigen Ausnahmen alle Unternehmen<br />

und die privaten Haushalte. Die Ausnahmen sind im Große und Ganzen<br />

diejenigen Wirtschaftszweige, die im Emissionshandel erfasst sind. Dies betrifft im<br />

Großen und Ganzen die energieintensiven Wirtschaftszweige, die deutlich geringere<br />

effektive Steuersätze zu zahlen haben. Gänzlich befreit von der Ökosteuer ist bisher<br />

das für den Flugverkehr notwendige Kerosin. Ein überfälliger Schritt der Weiterentwicklung<br />

von Ressourcensteuern oder aber des Emissionshandels wäre somit die<br />

Einbeziehung der Fluggesellschaften in die jeweiligen Steuerungsinstrumente.<br />

Kann der Markt das Klima retten?<br />

Mit dem Zertifikatehandel wird das Recht auf Verschmutzung privatisiert und weltweit<br />

handelbar gemacht. Das dahinter steckende Prinzip ist, dass Verschmutzung etwas<br />

kosten muss. Egal, wer sie wo verursacht. Dies ist der Versuch, dem Problem »Verschmutzung<br />

des Himmels«, mit den Mitteln des kapitalistischen Marktes beizukommen.<br />

Das langfristige Umweltproblem Klimawandel ist für Staat und Industrie somit<br />

zu einer Chance geworden, Profite zu machen, ohne substantiell an der eigenen<br />

Produktionsweise etwas zu ändern. Als Beispiel für das an dieser Stelle auftretende<br />

Marktversagen sind die sogenannten »windfall profits«: Während die Windkraft, gefördert<br />

durch das Energie-Einspeise-Gesetz, allein in 2006 mehr als 26 Millionen<br />

Tonnen CO2 einsparte, machte die konventionelle Energiewirtschaft Profite ohne<br />

CO2-Einsparungen: Um zu starke Belastungen der vom Emissionshandel erfassten<br />

21


3. Was muss geschehen?<br />

Unternehmen zu vermeiden, entschied sich die Bundesregierung, nur einen kleinen<br />

Teil der Zertifikate zu versteigern und die restlichen kostenlos an die Unternehmen<br />

zu verteilen. Im »sich selbst regulierenden, freien Markt« haben die Unternehmen die<br />

kostenfrei zugeteilten Zertifikate als fiktive Kosten geltend gemacht. Dies geschah,<br />

da sie aufgrund häufig ineffizienter Technologien die Emissionszertifikate geltend<br />

machen mussten und sie nicht weiterverkaufen konnten. Diese fiktiven Kosten für die<br />

Zertifikate, die sie vom Staat geschenkt bekommen haben, wurden den Verbrauchern<br />

gegenüber geltend gemacht, was zu Mehreinnahmen bei den vier großen<br />

Energieversorgern (E.ON, RWE, Vattenfall, EnBW) zwischen fünf und acht Milliarden<br />

Euro pro Jahr führt (BWE 2007). In der ersten Periode des Emissionshandels ist keine<br />

einzige Tonne CO2 eingespart worden, da zu viele Zertifikate vergeben wurden,<br />

während der Verbraucher die Preise für die verschenkten Zertifikate zahlen musste.<br />

Auch international gibt es große Probleme in der Wirksamkeit des Zertifikatehandels:<br />

Nach den im Kyoto-Protokoll festgelegten Richtlinien ist Russland das ökologisch am<br />

weitesten entwickelte Land mit den geringsten Schadstoffemissionen. Das liegt daran,<br />

dass als Grundlage von Kyoto das Schadstoffniveau aus dem Jahr 1990 ausgewählt<br />

wurde. Anfang der 1990er Jahre ist jedoch die UdSSR zusammengebrochen,<br />

viele Industrien produzierten gar nicht mehr und der Schadstoffausstoß lag um 40 %<br />

unter dem weltweiten Durchschnittsniveau (dies ist die ähnliche Situation, die auch<br />

Deutschland zu einer Senkung der CO2-Emissionen in den 1990er Jahren durch den<br />

Zusammenbruch der Wirtschaft in den Gebieten der ehemaligen DDR verhalf.).<br />

Durch diesen historischen „Glücksfall“ besitzt Russland, das Kyoto 2004 unterzeichnete,<br />

einen riesigen Überschuss an Emissionsberechtigungen, das es zum Verkauf<br />

anbieten kann, wenn der weltweite Markt 2008 eröffnet wird. Dieser Zertifikatsüberschuss<br />

Russlands wird häufig süffisant als „heiße Luft“ bezeichnet. Zu Recht, denn<br />

Kriterien, die ein Land als ökologischen Vorreiter bewerten, weil es in Bezug zu seiner<br />

Fläche und seinen Einwohnern noch nicht genug CO2 emittiert, sind keine sinnvollen<br />

Kriterien.<br />

3.3. Personal Carbon Trading<br />

David Fleming und andere haben in den 1990er Jahren mit dem Prinzip der Personal<br />

Carbon Allowances (Emissionshandelsrechte für Privathaushalte) ein Prinzip entwikkelt,<br />

um Privathaushalte am Treibhausgasemissionshandel teilnehmen zu lassen.<br />

Dazu sollen zur Reduktion der Kohlendioxidemissionen der Bevölkerung Freibeträge<br />

zur Emission von CO2 (also über Heizen, Benzinverbrauch, etc.) an Privatpersonen<br />

vergeben werden. Nach Festlegung von kurz-, mittel- und langfristigen Emissions-<br />

22


3. Was muss geschehen?<br />

minderungszielen werden die Emissionsrechte aufgeteilt: Ein Teil wird Privatpersonen<br />

kostenlos zur Verfügung gestellt. Personen, die mehr als die ihnen zugeteilten<br />

Mengen emittieren, können von anderen nicht verbrauchte Emissionsrechte kaufen,<br />

z. B. an einer eigens dafür eingerichteten Börse. Die Freibeträge sollen negative Effekte<br />

besonders für finanzschwache Privathaushalte verhindern, die bei einer Besteuerung<br />

von Emissionen ohne Freibeträge auftreten könnten. Letztendlich würden<br />

emissionssparsame Privathaushalte bei entsprechender Nachfrage durch den Verkauf<br />

nicht verbrauchter Emissionsrechte verdienen können.<br />

Zur Unterscheidung industrieller und privater CO2-Emissionen wird vorgeschlagen,<br />

die verfügbaren Emissionsrechte nur an Individuen zu vergeben. Die restlichen<br />

Emissionszertifikate (Studien in Großbritannien gehen von 40 % für Privatpersonen<br />

und 60 % für den Markt aus) würden an Wirtschaft, Behörden und sonstige Institutionen<br />

versteigert. Beim Kauf von Energie für Wärme, Elektrizität und Mobilität wird die<br />

mit der jeweiligen Energiemenge verbundene CO2-Emission vom jeweiligen CO2-<br />

Konto abgebucht. Dies kann gleich beim Kauf bzw. mit den Abrechnungen der Energieversorger<br />

geschehen. Beim Kauf von Produkten wie Nahrungsmitteln oder Dienstleistungen<br />

werden keine zusätzlichen CO2-Abgaben notwendig, da diese bereits von<br />

den jeweiligen Produzenten beglichen sind. Nicht verbrauchte CO2-Mengen werden<br />

wieder in den Markt eingespeist und der entsprechende Gegenwert wird gut geschrieben.<br />

Das Department for Environment, Food and Rural Affairs (DEFRA) gab 2006 beim<br />

Centre for Sustainable Energy eine Machbarkeitsstudie zu individualisierten Emissionshandelsrechten<br />

in Auftrag, die im November 2006 veröffentlicht wurde: „This ‘capand-trade’<br />

system thereby has the potential to constrain in an economically efficient,<br />

fiscally progressive, and morally egalitarian manner the 40-50% of UK carbon dioxide<br />

emissions caused directly by individuals. This is, of course, assuming both that the<br />

political system managing it can maintain and tighten the cap on total emissions and<br />

that the population has access to opportunities to curb their own emissions.“<br />

Im Emsland wurde auf Initiative des ZukunftsForums Emsland in einem Modellprojekt<br />

mit 150 Privathaushalten der „Handel“ mit Kohlendioxid-Zertifikaten begonnen. Ergebnisse<br />

der Evaluationsstudien stehen aus. Die für eine bestimmte Periode zugeteilte<br />

Berechtigung wird auf einer Karte gespeichert und von dort beim Kauf von<br />

Kraftstoff, Fahrscheinen für öffentliche Verkehrsmittel sowie Gas, Heizöl und Strom<br />

abgebucht. Die technischen Voraussetzungen für ein solches System sind bei den<br />

Kraftstoffen im Prinzip vorhanden, weil die Tankstellen bereits elektronische Buchungssysteme<br />

für den Verkauf von Treibstoff mit Kreditkarten besitzen. Die noch<br />

23


3. Was muss geschehen?<br />

notwendigen Ergänzungen sind problemlos möglich. Derartige Instrumente haben<br />

eine direkte Auswirkung auf das Konsumentenverhalten, indem sie unmittelbare<br />

Konsequenzen für den Verbraucher nach sich ziehen.<br />

Die zusätzlichen staatlichen Einnahmen aus dem Zertifikatsverkauf können zum<br />

Ausgleich der Mindereinnahmen aus Mineralölsteuer, Ökosteuer und auch Umsatzsteuer<br />

genutzt werden, die aus einem effizienteren Umgang mit Ressourcen folgen.<br />

Darüber hinaus können ressourcenschonende Technologien gefördert und besondere<br />

Härten für trotz Optimierungsprozessen ressourcenintensive Branchen ausgeglichen<br />

werden.<br />

Entscheidend ist dabei, dass eine wichtige Komponente der Energienachfrage durch<br />

die Gesamtzahl der Emissionsberechtigungen gesteuert werden kann, ohne dass<br />

sich negative wirtschaftliche Konsequenzen ergeben. Außerdem wäre das Private<br />

Carbon Trading einer Energiesteuer für Haushalte überlegen, weil eine gerechte Zuteilung<br />

pro Kopf gewährleistet wäre. So könnte jeder Energie ohne Zusatzkosten<br />

nachfragen, wenn er innerhalb seiner Pro-Kopf-Zuteilung bleibt.<br />

Man kann sich sogar gegenüber dem Status quo besser stellen, wenn man weniger<br />

verbraucht und die Berechtigungen verkauft. Nur wer übermäßig Energie konsumiert,<br />

muss draufzahlen. Im Hinblick auf die soziale Nachhaltigkeit ist also ein CO2 Emissionshandel<br />

der Haushalte einer Besteuerung vorzuziehen, weil die vom Ansatz her<br />

regressive Besteuerung die unteren Einkommensklassen stärker trifft als die reichen<br />

Haushalte.<br />

Auch die ökologische Wirkung eines CO2-Emissionshandels für die privaten Haushalte<br />

dürfte denen einer Energiebesteuerung überlegen sein. Die Haushalte reagieren<br />

relativ schwach auf Änderungen der Preise, die sie für die Energie zu zahlen haben,<br />

sodass die Energienachfrage und damit die CO2-Emissionen der Haushalte sich nur<br />

wenig vermindern. Dagegen kann man durch die Höhe der Gesamtzuteilung die von<br />

den Haushalten verursachten CO2-Emissionen relativ zielgenau steuern. Sollte Personal<br />

Carbon Trading nicht durchsetzbar sein, müssten alternativ die Steuersätze der<br />

Haushalte für Strom, Gas, Heizöl und Kraftstoffe heraufgesetzt werden.<br />

3.4. Energieverbrauch im Haushalt<br />

Heizung und Warmwasser verursachen fast 90 Prozent des Energieverbrauchs eines<br />

privaten Haushalts in Deutschland. Davon entfallen 75 Prozent auf die Raumwärme,<br />

von der ein Großteil durch Wände, Fenster, Dach, Türen oder den Fußboden entweicht.<br />

Durch effiziente Dämmung kann man hier viel Geld sparen. Das betrifft nicht<br />

24


3. Was muss geschehen?<br />

zuletzt Rohrleitungen, die bei schlechter Isolierung viel Wärme an der falschen Stelle<br />

abgeben. In Einzelfällen lässt sich der Energiebedarf um bis zu 90 Prozent verringern,<br />

im Durchschnitt immerhin um 50 Prozent.<br />

Das Einsparpotential beim Wohnen ist besonders hoch. Dabei lassen sich strikte Auflagen<br />

für Neubauten leicht durchsetzen, dort ist seit 2002 bereits der Niedrigenergiestandard<br />

Pflicht. Problematisch hingegen sind ältere Häuser, die aufwendig saniert<br />

werden müssen. Nach Schätzung des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und<br />

Stadtentwicklung lassen sich durch energetische Sanierungen bis 2020 über<br />

40 Milliarden Euro Heizkosten sparen. Allerdings verzichten 50 % der betroffenen<br />

Hausbesitzer auf die Umsetzung geeigneter Modernisierungsvorschläge, da die primären<br />

Investitionskosten zu hoch sind. Dabei ergibt sich ein großer Unterschied zwischen<br />

Eigenheimbesitzern und den Besitzern von Mietshäusern: Eigenheimbesitzer<br />

wirtschaften durch die Einsparungen aufgrund einer energetischen Sanierung quasi<br />

in die eigene Tasche. Zwar ist die Sanierung von Mietshäusern wirtschaftlicher als<br />

die von Einfamilienhäusern, weil nur eine neue Heizung für viele Wohnungen anfällt<br />

und vergleichsweise weniger Dach-, Keller- und Fassadenfläche zu dämmen ist.<br />

Doch entsteht an der Stelle ein Investoren-Nutzer-Dilemma: Der Vermieter muss<br />

große Summen investieren, während der Mieter mit sinkenden Heizkosten den Nutzen<br />

davon trägt.<br />

Die Kaltmieten, die der Vermieter kassiert, sind seit dem Jahr 2000 kaum gestiegen,<br />

während die Heizkosten um 70 % nach oben geklettert sind. Der Mieter unterscheidet<br />

jedoch meist nicht zwischen beiden und nimmt nur die Gesamtbilanz der gestiegenen<br />

Kosten wahr. Einer Studie der WBG Nürnberg zufolge kommt es bei der Umrüstung<br />

eines Wohnhauses zu einem Niedrigenergiehaus zu einer Steigerung der<br />

Kaltmiete um ca. 1,50 Euro pro Quadratmeter. Obwohl sich diese Kosten langfristig<br />

durch sinkende Heizungskosten amortisieren (bis zu 70 % Einsparung bei einer<br />

energetischen Sanierung von Altbauten), ist die Akzeptanz bei Mietern gering.<br />

Zur Steigerung der Attraktivität von energetischen Sanierungen könnte der Gesetzgeber<br />

als Anreiz – ausschließlich für energetische Investitionen – eine höhere Umlage<br />

als 11 % zulassen. Dabei könnten die Umlagen zum Schutz von Mieterinnen und<br />

Mietern befristet und gestaffelt nach dem Einsparerfolg angelegt sein. Energetische<br />

Sanierungen gewinnen dadurch für Investoren wirtschaftlich an Attraktivität, denn sie<br />

können einen höheren Teil der Kosten auf die Miete umlegen. Wenn die Umlage an<br />

den Einspareffekt gekoppelt ist, profitieren Vermieter und Mieter. Auch erscheint eine<br />

Überschreitung der ortsüblichen Vergleichsmiete vertretbar, sofern sich die Warmmiete<br />

insgesamt nicht erhöht, also eine Warmmieten-Neutralität gewährleistet ist.<br />

25


3. Was muss geschehen?<br />

Darüber hinaus können Investitionsanreize geschaffen werden, wenn die wärmetechnische<br />

Beschaffenheit eines Gebäudes in den Mietspiegel eingeht. Mit diesem<br />

„Energetischen Mietspiegel“ könnten energetische Sanierungen rentabler werden, da<br />

der Vermieter dauerhaft eine höhere Miete für energetisch optimierte Wohnungen<br />

durchsetzen kann. Gleichzeitig würden mehr Transparenz geschaffen und Mieter für<br />

die Kosten des Energieverbrauchs sensibilisiert werden (UBA 2006).<br />

Mit Änderungen des Mietrechts müssten die Rahmenbedingungen so umgestaltet<br />

werden, dass energetisch sinnvolle Investitionen in den Gebäudebestand auch wirtschaftlich<br />

attraktiv sind. Die Energieeinsparverordnung (EnEV) verschärfte im Jahr<br />

2002 die Anforderungen an den zulässigen Energiebedarf für neue Gebäude um circa<br />

30 Prozent gegenüber dem seinerzeitigen Standard. Die EnEV kann das im Gebäudebestand<br />

vorhandene große CO2-Emissionsminderungspotenzial jedoch nicht in<br />

vollem Umfang erschließen, da eine generelle Nachrüstverpflichtung für den Gebäudebestand<br />

aus rechtlichen Gründen – vor allem wegen des Wirtschaftlichkeitsgebots<br />

des Energieeinspargesetzes (§ 5 EnEG) – bisher nicht möglich ist (UBA 2006). Das<br />

Energieeinspargesetz müsste entsprechend nachgebessert werden. Die Anforderungen<br />

der Energiesparverordnung bei Neubauten sollten schrittweise auf Passivhausniveau,<br />

bei Altbauten auf Niedrigenergiehausniveau steigen.<br />

3.5. Ressourcensteuern<br />

Produktionsprozesse und somit auch unser Wohlstand hängen vom Einsatz und der<br />

Verfügbarkeit der Primärproduktionsfaktoren Arbeit und den jeweils eingesetzten<br />

Rohstoffen ab. Angesichts der Tatsache, dass der Produktionsfaktor Arbeit nachwächst<br />

und im Überschuss verfügbar ist und die Bestände der nachwachsenden<br />

Ressourcen (z. B. Wald, Grundwasser) sehr stark zurück gehen, müsste man eigentlich<br />

davon ausgehen, dass die Wirtschaft dies in ihren Planungen berücksichtigt und<br />

weniger den Arbeitseinsatz rationalisiert und dafür mehr den Ressourceneinsatz.<br />

Das tut sie aber aus zwei Gründen nicht:<br />

1. Die Preise spiegeln die langfristige Knappheit der Ressourcen und die ökologischen<br />

Wirkungen ihres Verbrauchs nicht wider; es liegt ein Marktversagen vor.<br />

2. Das Steuer- und Abgabensystem belastet einseitig den Faktor Arbeit. Etwa 78 %<br />

der gesamten Steuerlast entfallen auf den Produktionsfaktor Arbeit, 10 % auf die<br />

natürlichen Ressourcen und 12 % auf das Kapital.<br />

Um diesem Missstand entgegenzuwirken, wurde die Ökosteuer als Energiesteuer in<br />

Deutschland von 1999 bis 2003 stufenweise eingeführt. Der Erlös aus der Ökosteuer<br />

26


3. Was muss geschehen?<br />

beträgt derzeit etwa 21 Milliarden Euro; diese Einnahmen werden überwiegend zur<br />

Senkung der Rentenbeiträge verwendet, was zu einer Senkung des Beitragssatzes<br />

um 1,7 % führte. Zusammen mit der Mineralölsteuer beträgt das Steueraufkommen<br />

für den Energieverbrauch derzeit etwa 61 Milliarden Euro pro Jahr. Dagegen sind die<br />

Steuern und Abgaben auf Löhne und Gehälter etwa 8-mal so hoch.<br />

Die Idee einer ökologischen Steuerreform als Ressourcensteuer, die erstmals von<br />

Binswanger et al. (1979, 1983) formuliert wurde, besteht darin, Aktivitäten, die zu negativen<br />

externen Effekten in Form von Umweltbelastungen führen, durch eine geeignete<br />

Steuer zu belasten. Im Gegenzug sollen gesellschaftlich erwünschte Aktivitäten,<br />

wie Arbeit, die bisher mit hohen Abgaben belegt sind, entlastet werden. Hieran wird<br />

die Erwartung einer sogenannten »doppelten Dividende« in Form einer Umweltentlastung<br />

bei gleichzeitiger Verbesserung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit geknüpft<br />

(Pearce 1991, Kirchgässner 1998).<br />

Die 1999 eingeführte Energiebesteuerung gilt als Einstieg in die ökologische Steuerreform<br />

in Deutschland. Sie besteht aus einer Besteuerung des Energieverbrauchs für<br />

Kraftstoffe, Heizöl, Strom und Gas, deren Aufkommen an die Rentenversicherung<br />

gezahlt wird. In der ersten Stufe wurden eine Stromsteuer von 1 ct je Kilowattstunde<br />

eingeführt und die Mineralölsteuer erhöht (Benzin und Diesel um 3 ct je Liter, Heizöl<br />

um 4 ct je Liter sowie Gas um 0,16 ct je Kilowattstunde). In den folgenden Stufen<br />

wurden nur die Verkehrskraftstoffe Benzin und Diesel um jeweils 3 ct je Liter und<br />

Strom um 0,25 ct je Kilowattstunde verteuert. Für viele Energienutzer gelten jedoch<br />

geringere Steuersätze. Im Gesetz sind Ermäßigungen für das produzierende Gewerbe<br />

sowie die Land- und Forstwirtschaft vorgesehen: Soweit die zusätzliche Steuerbelastung<br />

auf Strom und Heizstoffe jeweils 500 Euro im Jahr übersteigt, gelten ermäßigte<br />

Sätze in Höhe von 20 % des Normalsatzes. Darüber hinaus erhalten Unternehmen<br />

des produzierenden Gewerbes auf Antrag den Teil der Steuerzahlungen zurück,<br />

der die Entlastung beim Arbeitgeberanteil zur Rentenversicherung um mehr als<br />

20 % übersteigt. Die zusätzlichen Steuereinnahmen werden zur Senkung der Sozialversicherungsbeiträge<br />

und damit der Lohnnebenkosten verwendet.<br />

Durch diese Rückführung des Steueraufkommens werden die Beitragszahlungen der<br />

Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber und der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zur<br />

Rentenversicherung entlastet. Problematisch sind jedoch zwei Dinge:<br />

(A) Die Steuersätze orientieren sich am Energieverbrauch und nicht am Ressourcenverbrauch.<br />

27


3. Was muss geschehen?<br />

(B) Es handelt sich im Wesentlichen um eine Belastung der Haushalte, denn diejenigen<br />

Unternehmen, die besonders energieintensiv produzieren, erhielten großzügige<br />

Ausnahmeregelungen.<br />

Energiesteuern im europäischen Vergleich<br />

Um eine bessere Einschätzung von den Möglichkeiten einer Weiterentwicklung von<br />

Ressourcensteuern und insbesondere Energiesteuern zu bekommen, wird ein Vergleich<br />

einiger europäischer Energiesteuermodelle und ihrer Wirkung vorgenommen<br />

(siehe Tabelle X). Aufgrund der unterschiedlichen Motivation dieser Steuern variieren<br />

die Abgabensätze und somit auch die Wirkungen der verschiedenen Steuersysteme<br />

erheblich. Im Folgenden sind die europäischen Energiesteuern dargestellt und anschließend<br />

bewertet:<br />

28


3. Was muss geschehen?<br />

Dänemark<br />

(CO2-Steuer)<br />

Land Auswirkung auf die<br />

CO2-Emission<br />

Deutschland<br />

(Ökologische Steuerreform)<br />

Finnland<br />

(CO2- und Stromsteuer)<br />

Niederlande<br />

(Regulatory Energy Tax)<br />

Norwegen<br />

(CO2-Steuer)<br />

Schweden<br />

(CO2-Steuer)<br />

Großbritannien<br />

(Climate Change Levy)<br />

25 %ige Reduktion der<br />

spezifischen CO2-<br />

Emissionen zwischen<br />

1990 und 2000. 5 % des<br />

nationalen Reduktionsziels<br />

von 20% der CO2-<br />

Reduktion sollten durch<br />

Steuer erzielt werden.<br />

Geschätzter 3 %iger<br />

Rückgang der CO2-<br />

Emissionen bis 2012 (24<br />

Mio. t CO2). Andere Studien<br />

gehen von geringerer<br />

aber deutlich positiver<br />

Wirkung der Steuer aus<br />

(9-13 Mio. t CO2 bis<br />

2010).<br />

7% Reduktion der CO2-<br />

Emissionen zwischen<br />

1990 und 1998 (4 Mio. t<br />

CO2)<br />

Nach Erhöhung der Abgabesätze<br />

wird bis<br />

2010 eine Verringerung<br />

der CO2-Emissionen von<br />

3,8 Mio. t erwartet.<br />

11%ige Reduktion der<br />

spezifischen CO2-<br />

Emissionen zwischen<br />

1990 und 1999<br />

2%ige Reduktion der<br />

CO2- Emissionen zwischen<br />

1990 und 2002.<br />

Niedriges Potential bei<br />

Einführung der Steuer<br />

wegen CO2-freiem Energiemix<br />

und Wirtschaft mit<br />

geringer CO2-Intensität.<br />

2% Reduktion der CO2-<br />

Emissionen<br />

Auswirkung auf die<br />

Beschäftigung<br />

Langfristig positiver Beschäftigungseffekt<br />

durch<br />

Senkung der Lohnnebenkosten<br />

(10 Jahre nach<br />

Einführung der Steuer).<br />

Positiver Beschäftigungseffekt,<br />

bis zu<br />

0,75 % mehr Beschäftigung<br />

Auswirkung auf das BIP<br />

Kurzfristig positiver Effekt<br />

(0,02 % des BIP),<br />

ab 5 Jahre nach Einführung<br />

leicht neg. Effekt (-<br />

0,03 % des BIP) (höhere<br />

Energiekosten können<br />

nicht mehr durch einmaligen<br />

Effekt der geringen<br />

Lohnnebenkosten kompensiert<br />

werden).<br />

Positiver Effekt auf das<br />

BIP: Privater Konsum<br />

liegt 0,5 % höher, Staatskonsum<br />

liegt 0,6-0,8 %<br />

höher.<br />

k.A. Entkopplung von Wirtschaftswachstum<br />

und<br />

CO2- Emissionen zwischen<br />

1990 und 2001,<br />

daher keine schwächende<br />

Wirkung der Steuer.<br />

k.A. Zusätzliche Steuererträge<br />

für den öffentlichen<br />

Haushalt<br />

Leicht positiver Beschäftigungseffekt<br />

Entkopplung von Wirtschaftswachstum<br />

und<br />

CO2-Emissionen, daher<br />

keine schwächende Wirkung<br />

der Steuer.<br />

k.A. Steuer hat nicht zu Verschlechterung<br />

der Produktivität<br />

geführt. Entkopplung<br />

von Wirtschaftswachstum<br />

und<br />

CO2- Emissionen.<br />

Reduktion der Lohnnebenkosten<br />

zu gering um<br />

Beschäftigungseffekt<br />

auszulösen.<br />

Positiver Effekt mit geschätztem<br />

BIP-<br />

Wachstum von 0,06% bis<br />

2010.<br />

Tabelle 1: Überblick über Energiesteuern in Europa und ihre Wirkungen (verändert nach BfE 2007)<br />

29


3. Was muss geschehen?<br />

Aus dem Ländervergleich ergeben sich folgende Schlussfolgerungen:<br />

• In drei (Dänemark, Deutschland, Schweden) von sieben Fällen wirkt das Modell<br />

der doppelten Dividende und die Steuern führten zu positiven Beschäftigungseffekten.<br />

In einem weiteren Fall wird angegeben, dass die Reduktion der<br />

Lohnnebenkosten zu gering war, um einen Beschäftigungseffekt auszulösen.<br />

Es wird jedoch deutlich, dass keine der Steuern zu negativen Beschäftigungswirkungen<br />

geführt hat.<br />

• Die Einführung einer Energie- oder CO2-Steuer konnte zu einer Reduktion der<br />

CO2-Emissionen beitragen. Der Beitrag der Steuern zur Reduktion der CO2-<br />

Emissionen gegenüber dem absoluten Niveau der CO2-Emissionen im Ausgangszustand<br />

lag dabei zwischen 2 % (Schweden, UK) und 7 % (Finnland).<br />

• Auch wenn nicht alle Energieprodukte besteuert werden oder die Steuern auf<br />

eine bestimmte Konsumentengruppe (private Haushalte, Industrie) abzielen,<br />

konnten Abgaben zu einer Reduktion der CO2-Emissionen führen. Die CO2-<br />

Wirkung der Steuer ist zudem vom Reduktionspotenzial zum Zeitpunkt ihrer<br />

Einführung und der CO2-Intensität einer Volkswirtschaft abhängig. In Ländern<br />

mit einem hohen Potential wie Dänemark sind die CO2-Wirkungen in der Regel<br />

ausgeprägter als in Ländern wie Schweden mit einer insgesamt weniger<br />

CO2-intensiven Volkswirtschaft.<br />

• Bei den wirtschaftlichen Wirkungen haben die bestehenden Energie- und CO2-<br />

Steuern in zwei von sieben Fällen zu positiven Effekten geführt (Anstieg des<br />

BIP). In einem Fall wird kurzfristig ein positiver Effekt verbucht, langfristig sind<br />

die BIP-Wirkungen insgesamt leicht negativ. In drei Fällen wird angegeben,<br />

dass die Steuern zu einer Entkopplung von Wirtschaftswachstum und CO2-<br />

Emissionen beigetragen hat, was bedeutet, dass die Steuern keine negativen<br />

Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum hatten. Für die Niederlande liegen<br />

keine konkreten Angaben vor, da sich die Steuer nur auf private Haushalte<br />

bezieht.<br />

Bei allen bestehenden Energie- und CO2-Steuersystemen konnte somit ein Rückgang<br />

der CO2- Emissionen beobachtet werden, ohne dabei das Wirtschaftswachstum<br />

zu gefährden. Befürchtungen, dass eine Energie- oder CO2-Steuer zu Lasten der<br />

wirtschaftlichen Entwicklung geht, werden durch diese Erfahrungen nicht bestätigt.<br />

30


3. Was muss geschehen?<br />

Erfolgsfaktoren für die Wirksamkeit<br />

Aus dem Ländervergleich lassen sich Merkmale identifizieren, die für den Erfolg einer<br />

Ressourcensteuer offensichtlich maßgeblich sind: Die Bemessungsgrundlage sollte<br />

möglichst breit gewählt werden, damit eine Verzerrung des Wettbewerbs zwischen<br />

den Energieträgern vermieden werden kann, d. h. sie sollte sowohl den Energiegehalt<br />

als auch den CO2-Gehalt der Energieträger berücksichtigen. Aus Effizienzsicht<br />

sollte eine Besteuerung auf Basis der Primärenergie vorgesehen werden. Auf diese<br />

Weise können Anreize für eine effiziente Energieumwandlung gesetzt werden. Die<br />

Höhe der Steuern sollte – abhängig von der konkreten Zielsetzung – schrittweise auf<br />

ein Niveau erhöht werden, dass auch tatsächlich spürbare Anreizwirkungen zu entfalten<br />

vermag. Die bisher in Europa eingesetzten Abgabesätze sind zu niedrig, um einen<br />

signifikanten Beitrag zum Wandel von Wirtschaft und Gesellschaft in Richtung<br />

2000-Watt-Gesellschaft 1 erzielen soll. Daraus ergeben sich folgende Erfolgsfaktoren<br />

für die Umsetzung einer effizienten Ressourcenbesteuerung:<br />

• Vorhersehbare schrittweise Einführung mit verkraftbaren Stufen von Abgabeerhöhungen.<br />

• Rückverteilung der Mittel an die von der Besteuerung betroffenen Unternehmen<br />

und gegebenenfalls an die Haushalte.<br />

• Teilzweckbindung eines Teils der Mittel für Förderprogramme im Bereich<br />

Energieeffizienz und erneuerbare Energien.<br />

• Abfederungsmaßnahmen für international exponierte energieintensive Branchen.<br />

• Kompensationsmaßnahmen (z. B. Reduktion der Lohnnebenkosten) zur Abfederung<br />

unerwünschter sozialer Verteilungswirkungen.<br />

Wirkung der Ökosteuer auf Privathaushalte<br />

In einer vom Ecologic-Institut und dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung<br />

(DIW) durchgeführten Studie wurden die Effekte der Ökologischen Steuerreform auf<br />

Privathaushalte untersucht. In einer Umfrage wurden dabei Einschätzungen der Bürgerinnen<br />

und Bürger zur Auswirkung der Ökosteuer auf die Bereiche Strom und Heizen<br />

und Mobilität erhoben. Zusammenfassend lässt sich dabei festhalten, dass sich<br />

ein Großteil der privaten Haushalte bemüht, seinen Energieverbrauch im Alltag zu<br />

verringern. Insbesondere in den Bereichen Strom und Heizen tritt dies deutlich zu tage.<br />

Die Kosten zu senken und die Umwelt zu schützen sind dabei ausschlaggebende<br />

1 Die 2000-Watt-Gesellschaft ist ein energiepolitisches Modell, das an der Eidgenössischen Technischen<br />

Hochschule Zürich entwickelt wurde. Gemäß der Berechnungen sollte der Energiebedarf jedes<br />

Erdbewohners einer durchschnittlichen Leistung von 2.000 Watt nicht überschreiten. Die 2000-Watt-<br />

Gesellschaft wird auch von BMU und UBA als Zielvorgabe diskutiert (BMU 2007).<br />

31


3. Was muss geschehen?<br />

Motive. Die Preisaufschläge durch die Ökosteuer waren für rund die Hälfte der Befragten<br />

eine Motivation, ihr Verhalten umzustellen. Insgesamt zeigen die Ergebnisse<br />

der Umfrage deutlich, dass erhöhte Strom-, Energie- und Kraftstoffpreise zu Änderungen<br />

im Alltagshandeln führen können (Ecologic 2005). Es stellt sich bei der Umfrage<br />

jedoch die Frage, ob die Problematik der sozialen Erwünschtheit bei den Probanden<br />

ausreichend berücksichtigt wurde, da sich das Antwortverhalten nicht in<br />

Wirtschaftsdaten bestätigen lässt.<br />

Wirkung der Ökosteuer auf Unternehmen<br />

Entgegen der öffentlichen Wahrnehmung ist die ökologische Steuerreform keinesfalls<br />

nur eine Belastung für die Unternehmen. Häufig profitieren Unternehmen direkt oder<br />

indirekt von ihr (DIW 2005).<br />

Im Jahr 2002 wurden alle Produktionsbereiche zusammen um 170 Millionen Euro<br />

netto entlastet. Arbeitsintensive Sektoren profitierten hierbei besonders stark; der<br />

Dienstleistungssektor wurde z.B. um 1,2 Milliarden Euro entlastet. Für das produzierende<br />

Gewerbe ergibt sich eine Entlastung um 300 Millionen Euro, während die<br />

Landwirtschaft mit 400 Millionen Euro belastet wurde. Zu den Gewinnern gehört das<br />

verarbeitende Gewerbe, das mit 500 Millionen Euro von der ökologischen Steuerreform<br />

profitiert.<br />

Insgesamt entstand 2003 für alle Produktionsbereiche eine Belastung in Höhe von<br />

1,2 Milliarden Euro. In Relation zum Bruttoproduktionswert stellt das jedoch eine Belastung<br />

von lediglich 0,03 Prozent dar. Selbst bei den stärker betroffenen Branchen<br />

hält sich die Nettobelastung in sehr engen Grenzen: Die höchste relative Belastung<br />

beträgt lediglich ein Prozent des Bruttoproduktionswertes.<br />

Für das produzierende Gewerbe und die Landwirtschaft belaufen sich die Mehrbelastungen<br />

auf 700 Millionen Euro, wovon 400 Millionen zu Lasten der Landwirtschaft<br />

gehen. Damit gehört dieser Sektor zusammen mit Handel und Verkehr zu den<br />

Hauptbetroffenen der ökologischen Steuerreform. Die übrigen Wirtschaftsbereiche<br />

wurden insgesamt um rund 800 Millionen Euro entlastet. Der Dienstleistungssektor<br />

gehörte mit einer Nettoentlastung in Höhe von 1,1 Milliarden Euro zu den Hauptgewinnern.<br />

Bei der Identifikation der Gewinner der Ökologischen Steuerreform kann<br />

man zwei Gruppen ausmachen (Ecologic 2005):<br />

• Die „Tüchtigen“ haben sich durch die Erschließung neuer Märkte und die<br />

Schaffung neuer Produkte an die geänderten Rahmenbedingungen nach Einführung<br />

der Ökologischen Steuerreform angepasst.<br />

32


3. Was muss geschehen?<br />

• Die „Glücklichen“ sind diejenigen Unternehmen, die auch ohne nennenswerte<br />

Änderungen ihrer Produkte oder Produktionsprozesse von der Ökologischen<br />

Steuerreform profitiert haben. Hierzu gehören Unternehmen, die durch die<br />

Senkung der Lohnnebenkosten netto entlastet wurden.<br />

Dies zeigt Lenkungswirkungen, aber auch Ungerechtigkeiten der ökologischen Steuerreform:<br />

Ein energieintensives Unternehmen kann durch Effizienzstrategien versuchen,<br />

seinen Energieverbrauch und damit seine Abgabenlast zu senken. Durch die<br />

Ausschüttung der fiskalischen Einnahmen über eine Senkung der sogenannten<br />

Lohnnebenkosten (hier Rentenversicherungsbeiträge) werden jedoch alle am Markt<br />

tätigen Unternehmen entlastet.<br />

Weiterentwicklung der Ökosteuer<br />

Bei einer Weiterentwicklung der Ökosteuer müsste von einer Besteuerung des Energieverbrauchs<br />

zu einer Besteuerung des Rohstoffverbrauchs übergegangen werden.<br />

Das Konzept der Ressourcensteuer zeigt gegenüber der Ökosteuer grundlegende<br />

Veränderungen:<br />

1. Es sieht die Besteuerungen aller Rohstoffe vor, auch industriell verarbeiteter<br />

nachwachsender Rohstoffe, wie z.B. Holz. Rohprodukte für Lebensmittel dagegen<br />

werden nicht besteuert.<br />

2. Es werden nur die Rohstoffe oder Rohstoffanteile eines Produktes besteuert und<br />

nicht ein Produkt, das bereits den Produktionsfaktor Arbeit beinhaltet.<br />

3. Es ist keine Mengen-, sondern eine Wertsteuer.<br />

Die Besteuerung müsste an dem Einsatz von Metallen in den metallverarbeitenden<br />

Industrien und am Einsatz von Mineralien in der Bauwirtschaft und in der Branche<br />

Glas, Keramik ansetzen. Kohle braucht an dieser Stelle nicht explizit besteuert zu<br />

werden, weil sie ja durch den Emissionshandel der energieintensiven Branchen des<br />

produzierenden Gewerbes bereits erfasst ist.<br />

Die Wirkung von Besteuerung und Kompensation wäre im konkreten Beispiel die folgende:<br />

Durch die Besteuerung von Metallinputs würden im Fahrzeugbau die Produktionskosten<br />

steigen. Durch die Rückvergütung des Steueraufkommens würden Unternehmen,<br />

die den technischen Fortschritt vorantreiben und leichtere Fahrzeuge mit<br />

weniger Material entwickeln, begünstigt und die Hersteller schwerer großer Fahrzeuge<br />

benachteiligt. Es ergäbe sich somit ein Anreiz, den Metallverbrauch zu reduzieren,<br />

ohne dass die Branche im Durchschnitt gegenüber dem außereuropäischen Ausland<br />

benachteiligt ist.<br />

33


3. Was muss geschehen?<br />

Die Rückvergütung des Steueraufkommens an die durch die Zahlung belastete<br />

Branche ist laut Meyer (2007) einer Reduktion der Sozialabgaben vorzuziehen. Zum<br />

einen kann nur bei der direkten Rückvergütung des Steueraufkommens an die zahlende<br />

Branche eine Belastung der Branche insgesamt vermieden werden und gleichzeitig<br />

der Steuerungseffekt auf die CO2-Emissionen erhalten bleiben. Zum anderen<br />

ist mit der Reduktion der Sozialabgaben und der gleichzeitigen Erhöhung der Steuerfinanzierung<br />

der Sozialversicherung ein schleichender Systemwechsel in der Finanzierung<br />

der Sozialversicherung verbunden.<br />

Ziel der Ökosteuer war es, durch die Erhöhung der Energiepreise den gesamten<br />

Rohstoffumsatz zu drosseln. Dies erschien möglich, da bei der gesamten Materialerzeugung,<br />

Verarbeitung und beim Transport Energie nötig ist, und so durch die Besteuerung<br />

der Energie alle Materialien teurer werden und deshalb ein Einsparungseffekt<br />

erwartet wurde. In der Realität hat sich diese Wirkung jedoch kaum merkbar eingestellt.<br />

Wegen des geringen Kostenanteils der Energie am gesamten Materialumsatz<br />

würde sich der gewünschte Effekt erst bei einer sehr hohen Energiebesteuerung<br />

erzielen lassen, hierzu hat aber der politische Durchsetzungswille gefehlt. Dazu<br />

kommt, dass die Ökosteuer seit Januar 2003 wegen der steigenden Rohölpreise<br />

nicht mehr erhöht wurde, und somit keine weitere nennenswerte Senkung der Bruttolohnkosten<br />

möglich war.<br />

Derzeitig zeigen sich in der Erhebung der Ökosteuer drei Nachteile:<br />

(a) Sie hätte bei energieintensiven Branchen zu Wettbewerbsnachteilen geführt.<br />

Deshalb wurde sie gerade dort, wo sie am wirksamsten wäre, nicht eingeführt.<br />

(b) Nur etwa 40 % des Steueraufkommens werden von den Unternehmen aufgebracht;<br />

da nur mit diesem Teil die Wirtschaftsweise der Unternehmen beeinflusst<br />

werden kann, hat die Ökosteuer zu wenig Anreizwirkung für rohstoffsparende<br />

Technologien.<br />

(c) Dadurch, dass nicht die Rohstoffe, sondern das Produkt Strom besteuert wird<br />

(und einige Produkte aus Erdöls und Gas), wird auch der Strom aus Sonnen-,<br />

Wind- und Wasserkraftwerken besteuert, was aber aus ökologischer Sicht unsinnig<br />

ist.<br />

Durch die Besteuerung aller Rohstoffe würde die Besteuerungsbasis um etwa 400 %<br />

verbreitert und es würden schon bei geringen Steuererhöhungen Steuerungseffekte<br />

eintreten. Es würde zu einer weiteren Verschiebung der Produktionskosten von den<br />

Arbeitskosten zu den Materialkosten kommen. In der Folge können und werden die<br />

Betriebe die Produktionskosten weniger durch Arbeitsrationalisierung sondern durch<br />

die Rationalisierung des Ressourcenverbrauchs zu senken versuchen. Das heißt: Sie<br />

34


3. Was muss geschehen?<br />

investieren in neue Verfahren, Materialien und Produkte, um mit immer weniger Ressourcen<br />

auszukommen! Die Konkurrenzsituation wird sie dazu zwingen.<br />

Internationale Konkurrenzfähigkeit und Ressourcensteuern<br />

Eine nachhaltige Umweltpolitik ist ebenso wie eine nachhaltige Wirtschaftspolitik<br />

Aufgabe internationaler Bündnisse, wie der Europäischen Union, der OECD oder der<br />

Vereinten Nationen. Ziel einer wirkungsvollen Politik muss es somit sein, internationale<br />

Absprachen zur Besteuerung von Ressourcenverbräuchen und Emissionszertifizierungen<br />

zu treffen. Jedoch zeigen die Ergebnisse der Verhandlungen auf Bali, wie<br />

gering die Einigungsfähigkeit aufgrund zu unterschiedlicher nationaler Interessen ist.<br />

Um dennoch zeitnah ein nachhaltiges Wirtschaften in Deutschland zu ermöglichen,<br />

müssen wir eine Umgestaltung unserer Gesellschaft anstreben, die die Wettbewerbsfähigkeit<br />

deutscher Unternehmen auf dem internationalen Markt sicherstellt. Dies<br />

würde zwei für eine internationale Nachhaltigkeitspolitik wichtige Signale senden:<br />

(1) Ein anderes Wirtschaften ist möglich.<br />

(2) Es ist nicht nur in der Theorie sondern auch in der Praxis möglich, mit einer<br />

nachhaltige Wirtschaft ein qualitatives Wirtschaftswachstum zu erzeugen.<br />

Zunächst gilt es also zweispurig zu fahren: Internationale Anstrengungen müssen<br />

auch weiterhin unternommen werden. Jedoch muss parallel mit dem ökologischen<br />

Umbau des Wirtschaftssystems begonnen werden. Denkbar für die Beibehaltung der<br />

Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen bei gleichzeitiger Umsetzung einer<br />

Ressourcensteuer wären folgende Modelle:<br />

Die Ressourcensteuer wird bei im Inland geförderten oder produzierten Rohstoffen<br />

bei der Abgabe an den Konsumenten einmal fällig. Sie kann dabei mit der Umsatzsteuer<br />

bzw. Mehrwertsteuer erhoben werden. Die Ressourcensteuern für Rohstoffe<br />

aus dem Ausland werden beim Grenzübertritt mit der Umsatzsteuer erhoben. Waren,<br />

die im Ausland produziert werden, müssen bei der Einfuhr mit einer entsprechenden<br />

Umsatzsteueranteil belegt werden, sonst würden die Betriebe, die im Ausland produzieren,<br />

begünstigt. Diese Steuer wird zusammen mit der Einfuhrumsatzsteuer erhoben<br />

und erfordert daher wenig zusätzlichen Verwaltungsaufwand.<br />

Beim Export von Waren wird diese Steuer ebenfalls zusammen mit der Umsatzsteuer<br />

zurückerstattet. Deutsche Unternehmen werden also mit der Erhebung einer Ressourcensteuer<br />

weder beim Export noch durch den Import benachteiligt. Um diese anteilige<br />

Ressourcensteuer erheben zu können, muss für die verschiedenen Produktgruppen<br />

der durchschnittliche Ressourcenanteil ermittelt werden. Dies kann auf<br />

Grundlage der vom Wuppertal Institut errechneten Ökologischen Rucksäcke<br />

35


3. Was muss geschehen?<br />

(Schmidt-Bleek 2004) geschehen. Wenn ermittelt wurde, dass z. B. ein Computer<br />

15 % Rohstoffkosten beinhaltet, dann wird an der Grenze die Umsatzsteuer plus die<br />

fällige Ressourcensteuer für 15 % des Computer-Wertes erhoben, bzw. beim Export<br />

erstattet.<br />

3.6. Effizienagenturen<br />

Eine Zertifizierungslösung wird jedoch nicht an allen Stellen sinnvoll sein: Stellen wir<br />

uns einen Zertifikatspreis von 50 € pro Tonne CO2 vor. Für die Industrie wäre dieser<br />

Preis durchaus angemessen und würde zu einem Umbau des Wirtschaftens zu CO2armen<br />

Technologien führen. Doch wie sieht es z. B. bei der Mobilität im Privathaushalt<br />

aus? Ein Pkw emittiert im Jahr durchschnittlich 2,5 Tonnen CO2, was zu einer<br />

durchschnittlichen jährlichen Mehrbelastung von 125 € für den Privathaushalt führen<br />

würde und umgerechnet zwei Tankfüllungen ergäbe. Mit anderen Worten: In einem<br />

Durchschnittshaushalt würden die Kosten in der Regel nicht auffallen und wahrscheinlich<br />

nicht zu Verhaltensänderungen führen. Steuern und Umweltzertifikate sind<br />

zweifellos wichtig zur Ausgestaltung einer erfolgreichen Umweltpolitik, aber wir können<br />

nicht davon ausgehen, dass ihr Einsatz allein zu einer ökologischeren Gesellschaft<br />

führt. Sie bedürfen vielmehr der Ergänzung durch andere Instrumente.<br />

Problematisch sind unter anderem eine unvollständige Information der Marktteilnehmer<br />

und auch die beherrschende Wirkung einzelner Unternehmen. Vor allem die<br />

Verbraucher sind bei den Anschaffungen von langlebigen Gebrauchsgütern in einer<br />

Abschätzung der ökologischen und ökonomischen Dimension ihrer Kaufentscheidung<br />

vielfach überfordert. Meist spielen Anschaffungskosten und Markenname eine<br />

größere Rolle bei der Kaufentscheidung als die laufenden Betriebskosten, die vor allem<br />

Energiekosten darstellen. Ein Instrument wie Ressourcensteuern, das diese Betriebskosten<br />

verteuern würde, bliebe dann ohne jede Wirkung. Hier ist Politik mit der<br />

Einführung einer Kennzeichnungspflicht gefordert, die optimalerweise sowohl den<br />

Materialinput während der Produktion als auch die laufenden Betriebskosten des<br />

Produktes darstellt.<br />

Doch auch im Unternehmen müssen Kostenkontrollen anders gestaltet werden: Betriebswirtschaftliches<br />

Controlling und Unternehmensberatungen nehmen in der Regel<br />

die Arbeitseffizienz ins Visier. Der Materialeinsatz ist mit 40 bis 60 % der Produktionskosten<br />

häufig jetzt schon der größere Kostenfaktor als der Arbeitseinsatz (20 %)<br />

(demea 2007). Dass dies oft in der Unternehmensberatung nicht berücksichtigt wird,<br />

liegt nicht selten daran, dass das Controlling von Wirtschaftswissenschaftlern und<br />

nicht von Ingenieuren durchgeführt wird. Die Folge sind insbesondere in kleineren<br />

36


3. Was muss geschehen?<br />

Unternehmen zum Teil schwere Fehlentscheidungen. Der Informationsstand vor allem<br />

kleinerer Betriebe kann durch die flächendeckende Einrichtung von Effizienzagenturen,<br />

die mit Ingenieuren besetzt sind, entscheidend verbessert werden. Als<br />

Beispiel hierfür können die Effizienzagentur Nordrhein-Westfalen oder auch die<br />

Deutsche Materialeffizienzagentur (demea) in Berlin dienen.<br />

3.7. Ordnungspolitische Instrumente: Das Top-Runner-Prinzip<br />

Im Gegensatz zu marktwirtschaftlichen Instrumenten lassen ordnungspolitische Instrumente<br />

dem Individuum kaum Reaktionsspielraum. Ordnungspolitische Instrumente<br />

sind von der Politik in der Regel dort gesetzt, wo ein allgemeines Interesse an einem<br />

zu schützenden Gut besteht. Die Normen sind dabei so zu setzen, dass sie von<br />

den Unternehmen – mit einiger Anstrengung – erreicht werden können.<br />

Um wirksame Instrumente zu entwickeln, muss Politik den voraussichtlichen technischen<br />

Fortschritt abschätzen. Dies passiert häufig zu zaghaft, um das Risiko der<br />

Nichterreichbarkeit zu vermeiden. Ein Beispiel für einen effizienten Einsatz ordnungspolitischer<br />

Maßnahmen bildet Japan, das mit dem »Top-Runner-Konzept« vorschreibt,<br />

dass alle neuen Produkte bei Markteintritt den Effizienz-Standard des<br />

marktbesten Produkts aus dem zugrunde liegenden Basisjahr erreichen müssen. Japan<br />

hat damit 16 % seiner Kyoto-Ziele erreichen können. Wie könnte ein solches<br />

Konzept in Deutschland aussehen?<br />

In einem Benchmark werden jährlich die effizientesten Geräte einer bestimmten Gerätekategorie<br />

erfasst. Geräte, die den Richtwert unterschreiten, bekommen die Bestnote<br />

1. Geräte mit höherem Energieverbrauch die Noten 2 bis 5, wobei die schlechtesten<br />

Klassen 4 und 5 zusätzlich mit einem Warnhinweis versehen werden müssen.<br />

Hersteller effizienter Geräte können so ihre Mitbewerber unter Druck setzen, indem<br />

sie neue effizientere Geräte am Markt platzieren und so den Leistungsschnitt heben.<br />

Weniger effiziente Geräte rutschen dadurch automatisch in eine schlechtere Kategorie,<br />

werden als Energieverschwender gekennzeichnet und so nach und nach vom<br />

Markt verdrängt. Der Richtwert wird jedes Jahr angepasst und orientiert sich dabei an<br />

den aktuell besten Geräten, so dass der Anreiz zu fortwährender Energieoptimierung<br />

bestehen bleibt.<br />

Nimmt man für das Benchmarking beispielsweise die besten 25 % einer Gerätekategorie<br />

in den Blick, erreicht man eine Ausrichtung an der Spitzengruppe, berücksichtigt<br />

dabei aber hauptsächlich Geräte und Maschinen, die bezahlbar sind. Ein von<br />

Greenpeace (2005) entwickeltes Konzept beruht dabei auf drei Säulen:<br />

37


3. Was muss geschehen?<br />

(a) Kennzeichnung: Die Geräte werden entsprechend ihrer Effizienz gekennzeichnet.<br />

Ein Label auf dem Gerät oder der Maschine bzw. auf mitgeliefertem<br />

Informationsmaterial gibt diese Note und gegebenenfalls auch den Mehrverbrauch<br />

gegenüber einem guten Standardgerät an.<br />

(b) Reduktion des Gesamtverbrauchs: Der gute Standard gilt als Richtwert. Der<br />

durchschnittliche Energieverbrauch aller verkauften Geräte eines Herstellers<br />

muss nach fünf Jahren unter diesem Wert liegen.<br />

(c) Technische Vorgaben: Der Gesetzgeber kann eine bestimmte technische<br />

Ausstattung vorschreiben, zum Beispiel, dass ein Gerät über einen Aus-<br />

Schalter verfügen muss.<br />

Ein Problem der Ordnungspolitik ist der bürokratische Aufwand, der geleistet werden<br />

muss. Dies bindet erhebliche Kräfte beim Staat, um z. B. Genehmigungsverfahren<br />

durchzuführen. Versagt der Markt hingegen – was in einem kapitalistischen System<br />

mit zu vielen externen Kosten (z. B. Ressourcen) der Fall ist –, hat eine Politik der<br />

Nachhaltigkeit die Aufgabe, heutige und zukünftige Generationen vor den durch Profitstreben<br />

verursachten Schäden zu schützen.<br />

3.8. Suffizienzstrategien<br />

Suffizienz steht für ein Bemühen um einen möglichst geringen Material- und Energieverbrauch<br />

durch eine geringe Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen mit hohem<br />

Ressourcenverbrauch. Wenn wir etwas kaufen, egal ob das ein Auto, eine elektrische<br />

Saftpresse oder aber ein warmer Wollpullover ist, geht es uns in der Regel<br />

nicht um das Produkt selbst. Was wir wollen, ist von A nach B zu kommen, frischen<br />

Saft zu trinken oder nicht zu frieren. Ziel unseres Konsums ist es somit – in der Regel<br />

– nicht, ein Produkt an sich zu erwerben, sondern die Dienstleistung (Mobilität, gesunde<br />

Ernährung, Wärme), die es uns bietet. Unabhängig davon, wie unsere Ansprüche<br />

an Bedürfnisbefriedigung sein mögen, häufig geht es um den Nutzen der<br />

Dinge, nicht um deren Besitz. Damit können wir aus verschiedenen Produkten dasjenige<br />

auswählen, das unseren Zweck am besten und billigsten erfüllt. Häufig tun wir<br />

dies auch, z. B. wenn wir Lebensmittel einkaufen und den Preis und die Qualität<br />

zweier Produkte vergleichen.<br />

Aus ökologischer Perspektive sollte hier nun noch ein drittes Kriterium hinzukommen:<br />

Wir sollten die Produkte konsumieren, die einen niedrigen Ressourcenverbrauch haben.<br />

Insgesamt ergibt sich, dass es nicht entscheidend ist, ob wir ein Produkt besitzen.<br />

Das Wesentliche ist, das wir seine Funktion nutzen können. Ziel muss es somit<br />

sein, nach den ökologisch und ökonomisch sinnvollen Wegen zur Befriedigung unse-<br />

38


3. Was muss geschehen?<br />

rer Bedürfnisse zu suchen. Dies ist insofern umweltpolitisch von Bedeutung, weil es<br />

aus der fruchtlosen Alternative »kaufen oder verzichten« herausführt und zur Suche<br />

nach Möglichkeiten anregt, die aufzeigen, wie vergleichbare Dienstleistungen mit<br />

weniger Ressourcenverbrauch bereitgestellt werden können (Schmidt-Bleek 2007).<br />

Das kann auf verschiedenen Wegen geschehen: Zum einen können Produkte gekauft<br />

werden, die eine größere Ressourcenproduktivität besitzen. Auf der anderen<br />

Seite können wir aber auch intelligenter konsumieren. Ein Beispiel: Es stellt sich die<br />

Frage, ob wirklich alle 12 Mietparteien eines Wohnhauses eine Bohrmaschine oder<br />

Waschmaschine benötigen. Wäre es nicht für alle Beteiligten, also die Umwelt aber<br />

auch den Geldbeutel des Mieters sinnvoller, wenn bestimmte Produkte infrastrukturell<br />

im Mietshaus vorhanden sind? Nicht nur ökologisch, auch ökonomisch rechnet es<br />

sich sehr schnell, wenn ein Vermieter bestimmte Dienstleistungsmaschinen zur Verfügung<br />

stellt. Da er die entstehenden Kosten natürlich auf die Mieten umlegen würde,<br />

stiegen zwar die Warmmieten, jedoch sänken die Haushaltskosten für die Mieter.<br />

Während unsere heutige Produktionsgesellschaft den Schwerpunkt des Konsums auf<br />

Produkte legt, muss eine Dienstleistungsgesellschaft die Dienstleistung in den Mittelpunkt<br />

stellen. Ökonomisch betrachtet ist es nämlich nicht das Produkt, das im Mittelpunkt<br />

des Begehrens steht, sondern der Nutzen des Produktes. So ist es auch beim<br />

Wert: Nicht der Warenwert ist entscheidend, sondern der Nutzwert. So kann es für<br />

ein Unternehmen durchaus profitabel werden, nicht ein Produkt, sondern seine Nutzung<br />

zu verkaufen. Nicht mehr die Waschmaschine (die 90 % der Zeit unbenutzt in<br />

der Wohnung steht), sondern saubere Wäsche. Voraussetzung für diese Art zu denken<br />

ist natürlich, dass der Verbraucher eine mehr am Ergebnis als am Eigentum orientierte<br />

Beziehung zu einem Produkt aufbaut. Auf der Nachfrageseite haben Politik<br />

und Wirtschaft in den letzten Jahrzehnten eher den Besitz als den Nutzen gefördert<br />

(Kredite, Bausparverträge, Eigenheimzulage). Der eigene Schlagbohrer, die eigene<br />

Waschmaschine, das eigene Auto oder das eigene Haus sind in unserer kapitalistisch<br />

geprägten Gesellschaftsordnung äußerst begehrenswert, auch wenn die Eigentumsrechte<br />

nicht selten bei den Banken liegen… Dabei wird häufig mit der<br />

scheinbaren Notwendigkeit der dauerhaften Verfügbarkeit von Dienstleistungsmaschinen<br />

argumentiert. Außerdem sind Vergleiche von heute käuflichen Dienstleistungen<br />

(z. B. eigenes Auto vs. Nutzung ÖPNV und Carsharing) aufgrund schwieriger<br />

Preisvergleiche nur schwer möglich. Schmidt-Bleek (2004, 2007) rechnet eindrucksvoll<br />

vor, wie schnell sich z. B. die Nicht-Anschaffung eines Autos und die Nutzung<br />

von Carsharing-Optionen gepaart mit Taxifahrten nicht nur ökologisch, sondern auch<br />

ökonomisch für den Dienstleistungsnutzer lohnt. Wir müssen somit die Menschen in<br />

39


3. Was muss geschehen?<br />

die Lage versetzen, nach den ökologisch und ökonomisch wirksamsten Wegen zur<br />

Erfüllung einer bestimmten Funktion zu suchen. Gebote und Verbote werden hier<br />

nicht der richtige Weg sein: Neben den damit verbundenen immensen Administrationskosten<br />

würden – neben fehlender politischer Akzeptanz – auch Einschränkungen<br />

in der Entscheidungsfreiheit eine Umsetzung nahezu unmöglich werden lassen. Gefordert<br />

ist hier eine Strategie aus verschiedenen Elementen: Kennzeichnung von Waren<br />

nach ihrer Ressourceneffizienz (MIPS) 2 und Lebenserwartung, Ermöglichung kritischen<br />

Konsums über Bildungsmaßnahmen und Lenkung des Konsums über die<br />

Preisgestaltung (Ressourcensteuern etc.).<br />

Laut einer Studie der Food and Agriculture Organisation der Vereinten Nationen<br />

(FAO) verursacht die Viehwirtschaft 9 % der weltweiten CO2-Emissionen, zudem ist<br />

sie für 65 % der Lachgasemissionen und 37 % der Methanemissionen verantwortlich.<br />

Gemessen in CO2-Äquivalenten entspricht dies 18 % der weltweiten CO2-<br />

Emissionen. Der wachsende Hunger nach Fleisch verursacht somit rund 20 % des<br />

anthropogenen Treibhauseffekts (Steinfeld et al. 2006). Die Herstellung von einem<br />

Kilogramm Rindfleisch beispielsweise belastet das Klima so stark wie 250 Kilometer<br />

Autofahrt. Nicht nur die Tierhaltung an sich, sondern auch die Produktion und der<br />

Transport des Futters sowie die Rinder selbst produzieren Treibhausgase und belasten<br />

die Umwelt (Ogino et al. 2007).<br />

Abb. 1: CO2-Intensität verschiedener Nahrungsmittel (verändert nach Öko-Institut 2005)<br />

2 Die Abkürzung MIPS steht für Materialinput pro Serviceeinheit. MIPS ist ein Maß für den Naturverbrauch<br />

eines Produktes oder einer Dienstleistung entlang des gesamten Lebensweges von der Wiege<br />

bis zur Bahre (Gewinnung, Produktion, Nutzung, Entsorgung/Recycling).<br />

40


3. Was muss geschehen?<br />

Was bedeutet das für die Ernährung? Müssen wir auf den Fleischkonsum verzichten,<br />

um das Klima zu schonen? Müssen wir dann konsequenterweise auch auf Milchprodukte<br />

wie Käse, Joghurt, Milch und Quark verzichten, da sie nur bei einer Milchproduktion<br />

im Rahmen der Rindviehhaltung hergestellt werden können? Naturwissenschaftlich<br />

betrachtet wäre dies ein konsequenter Schritt zum Klimaschutz im Alltag,<br />

der auch gleichzeitig positive Auswirkungen auf die Gesundheit hätte. Jedoch ist der<br />

Konsum von Milchprodukten sehr stark in unserem Alltag verankert und aus medizinischen<br />

Gründen (u. a. Calciumaufnahme) auch wünschenswert. Über die Bedeutung<br />

des Fleischkonsums lässt sich sowohl aus ethischer, medizinischer als auch<br />

ökologischer Sicht streiten. Jedoch muss wohl (vorerst) akzeptiert werden, dass die<br />

kulturelle Verankerung des (maßvollen) Fleischkonsums sehr stark ist und eine staatlich<br />

verordnete Einschränkung an dieser Stelle schnell als Eingriff in die Privatsphäre<br />

und Ökodiktatur gewertet würde.<br />

Doch auch an dieser Stelle gibt es mehr Entscheidungsmöglichkeiten als Konsum<br />

und Nichtkonsum, als schwarz und weiß: In einer Gießener Studie wurden verschiedene<br />

Ernährungsstile hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf den Treibhauseffekt abgeschätzt.<br />

Verglichen wurden dabei eine durchschnittliche Mischkost (mit viel Fleisch)<br />

und die Vollwert-Ernährung (mit wenig oder ohne Fleisch), jeweils mit ökologisch<br />

oder konventionell erzeugten Lebensmitteln (Hoffmann 2002).<br />

Abb. 2: CO2-Emissionen verschiedener Ernährungsstile (verändert nach Hoffmann 2002)<br />

41


3. Was muss geschehen?<br />

Die größte Einsparung ergäbe sich tatsächlich bei einer teilweisen Verminderung<br />

oder vollständigen Vermeidung des Fleischverzehrs; die zweitgrößte bei der Verarbeitung<br />

ökologisch produzierter Lebensmittel. Allein durch diese beiden Maßnahmen<br />

ließen sich klimaschädliche Treibhausgase um 64 Prozent gegenüber einer fleischreichen,<br />

konventionell erzeugten Kost vermindern. Doch auch bei einer fleischarmen,<br />

ökologisch bewussten Ernährung lassen sich schon nahezu 50 % reduzieren. Mit einem<br />

klima- und gesundheitsbewussten Ernährungsstil lässt sich der Treibhausgasausstoß<br />

somit um mehr als die Hälfte ohne hohen Aufwand verringern. Es sind auch<br />

keine speziellen Neuanschaffungen nötig, wie dies in anderen Bereichen der Fall ist<br />

(effiziente Haushaltsgeräte, Wärmedämmung etc.). Notwendig zur Umsetzung sind<br />

an dieser Stelle vor allem Bildungs- und Aufklärungsprogramme zur Vermittlung ökologischer<br />

und (bei Einbeziehung der landwirtschaftlichen Produkte in den Emissionshandel)<br />

ökonomischer Vorteile für den Privathaushalt. Zusätzlich müssen weitere<br />

Förderprogramme zur Stärkung der ökologischen Landwirtschaft aufgelegt werden.<br />

42


4. Zukunftspolitik und ihre sozialen Auswirkungen<br />

4. Zukunftspolitik und ihre sozialen Auswirkungen<br />

Zusammenfassung<br />

Die unterschiedlichen marktwirtschaftlichen und ordnungspolitischen Instrumente ha-<br />

ben verschiedenartige Auswirkungen auf das wirtschaftliche und somit auch soziale<br />

Gefüge unserer Gesellschaft. Verschiedene Studien zeigen, dass intelligent einge-<br />

setzte Maßnahmen eine sehr positive Wirkung auf Deutschlands Wirtschaft haben<br />

werden: Allein durch eine zukunftsorientierte, nachhaltige Wirtschaftspolitik können<br />

1.000.000 zusätzliche Arbeitsplätze entstehen; das Wirtschaftswachstum steigt in al-<br />

len durchgerechneten Szenarien. Beides hat unmittelbare Auswirkungen auf die Ver-<br />

teilungsgerechtigkeit in Deutschland: Mehr qualitatives anstatt quantitatives Wach-<br />

stum und ein Mehr an Arbeitsplätzen können helfen, die soziale Schere wieder etwas<br />

zu schließen.<br />

Im letzten Kapitel wurden verschiedene Instrumente zur Einführung einer nachhaltigen<br />

Umwelt- und Wirtschaftspolitik vorgestellt. Wenn wir das Verhalten von Konsumenten,<br />

Produzenten und Investoren durch umweltpolitische Maßnahmen beeinflussen,<br />

dann hat dies immer auch wirtschaftliche und soziale Wirkungen. So reduzieren<br />

Ökosteuern beispielsweise den Energieverbrauch und die Schadstoffemissionen,<br />

führen jedoch auch dazu, dass das frei verfügbare Einkommen der Konsumenten<br />

sinkt. Für Bezieher niedriger Einkommen ist eine solche regressive Besteuerung immer<br />

schmerzhafter als für die Angehörigen höherer Einkommensschichten. Diese<br />

Feststellungen sind nicht neu, aber im Rahmen eines Konzeptes, das die drei Dimensionen<br />

der Nachhaltigkeit einbezieht, für die Gestaltung von Politik entscheidend.<br />

Im Folgenden werden verschiedene Studien vorgestellt, die die wirtschaftlichen und<br />

sozialen Auswirkungen einer nachhaltigen Politik diskutieren. Dabei werden neben<br />

makroökonomischen Folgen auch die mikroökonomischen Herausforderungen für<br />

den einzelnen Betrieb und Privathaushalt ins Visier genommen.<br />

4.1. Der Stern Report<br />

Der »Stern Review on the Economics of Climate Change« wurde am 30. Oktober<br />

2006 vom ehemaligen Weltbank-Chefökonomen und jetzigen Leiter des volkswirtschaftlichen<br />

Dienstes der britischen Regierung Nicholas Stern veröffentlicht. Der im<br />

Auftrag der britischen Regierung erstellte Bericht untersucht die wirtschaftlichen Folgen<br />

der globalen Erwärmung.<br />

43


4. Zukunftspolitik und ihre sozialen Auswirkungen<br />

Wenn nichts getan wird, um die Emissionen von Treibhausgasen zu reduzieren,<br />

könnte die Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre bereits 2035 das<br />

Doppelte ihres vorindustriellen Niveaus erreichen, was einen Anstieg der Durchschnittstemperatur<br />

von mehr als 2 °C bedeuten würde.<br />

Abb. 3: Entwicklung der CO2-Emissionen unter verschiedenen Szenarien (nach Stern 2006)<br />

Wenn am Ziel der maximalen Erwärmung um 2 °C festgehalten werden soll, erfordert<br />

ein späterer Reduktionsbeginn schärfere Einschnitte in der CO2-Emission als ein sofortiger,<br />

aber dafür sanfter Ausstieg aus der Abhängigkeit vom fossilen Kohlenstoff.<br />

Die Kosten der Auswirkungen der globalen Erwärmung zu berechnen ist nicht einfach:<br />

Ein Ausblick in allzu ferne Zukunft ist in ökonomischen Modellen mit großen<br />

Unsicherheiten verbunden; zudem müssen die Auswirkungen etwa auf die menschliche<br />

Gesundheit oder auf natürliche Ökosysteme monetär bewertet werden, wobei<br />

sich schwierige technische und ethische Fragen ergeben: Wie können Todesfälle bei<br />

den Kosten des Klimawandels angemessen berücksichtigt werden? Welchen Wert<br />

hat ein aufgrund steigender Hitze gestorbener Mensch? Welchen Wert hat die Biodiversität?<br />

Die Ergebnisse sind somit als Prognose zu betrachten und werden umstritten<br />

bleiben, aber die Richtung ist sehr deutlich:<br />

44


4. Zukunftspolitik und ihre sozialen Auswirkungen<br />

• Die rein monetären Kosten werden über die nächsten beiden Jahrhunderte bei<br />

mindestens 5 Prozent des globalen Pro-Kopf-Einkommens liegen;<br />

• Berücksichtigt man darüber hinaus die Auswirkungen auf die Umwelt und die<br />

menschliche Gesundheit, steigen die Kosten auf 11 Prozent des globalen Pro-<br />

Kopf-Einkommens;<br />

• Berücksichtigt man auch noch die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse<br />

über Rückkoppelungen und die Tatsache, dass die Regionen der Welt unterschiedlich<br />

betroffen sind, steigen die Kosten auf 20 Prozent des globalen Pro-<br />

Kopf-Einkommens.<br />

Die Kosten des Klimawandels werden bei Nichthandlung somit dem Verlust von 5 %<br />

bis 20 % des globalen Bruttoinlandsprodukts entsprechen. Nicolas Stern erwartet<br />

dabei, dass sich die Kosten eher am oberen Ende der Kostenspanne ansiedeln werden.<br />

Nicht nur die Industrienationen, sondern auch die Entwicklungs- und Schwellenländer<br />

werden die ökonomischen Folgen des Klimawandels überdurchschnittlich<br />

stark zu spüren bekommen.<br />

Eine Stabilisierung der atmosphärischen CO2-Konzentration erfordert es, die jährlichen<br />

Emissionen auf ein Niveau zu reduzieren, das der natürlichen Kapazität der Erde<br />

zum Beseitigen von Treibhausgasen entspricht. Je länger Emissionen über diesem<br />

Niveau bleiben, desto höher wird das endgültige Stabilisierungsniveau sein.<br />

Langfristig gesehen werden jährliche globale Emissionen auf unter 5 Gt. CO2 reduziert<br />

werden müssen. Dies liegt 80 % unter dem absoluten Niveau für derzeitige jährliche<br />

Emissionen.<br />

Solche tief greifenden Emissionsreduzierungen sind kostspielig. Das Review schätzt<br />

die jährlichen Kosten für eine Stabilisierung bei 500 bis 550 parts per million (ppm)<br />

CO2 mit etwa 1 % des Bruttoinlandsprodukts bis 2050. Kosten entstehen, wenn die<br />

Welt von kohlenstoffreich auf kohlenstoffarm umstellt. Aber es werden sich auch<br />

neue Geschäftsmöglichkeiten ergeben, wenn die Märkte für hoch effiziente kohlenstoffarme<br />

Waren und Dienstleistungen expandieren.<br />

45


4. Zukunftspolitik und ihre sozialen Auswirkungen<br />

Abb. 4: Entwicklung des BIP in zwei Szenarien<br />

Laut Stern ergeben sich vier Möglichkeiten zur Reduktion der Treibhausgasemissionen.<br />

Die Kosten unterscheiden sich dabei durch die Kombination und sektorale Anwendung<br />

der verschiedenen Methoden:<br />

• Reduktion der Nachfrage nach emissionsintensiven Waren und Dienstleistungen<br />

• Erhöhung der Energieeffizienz, die sowohl Geld als auch Emissionen sparen<br />

kann<br />

• Vermeidung sonstiger Treibhausgasemissionen (Abholzung, Landwirtschaft)<br />

• Umstellung auf kohlenstoffärmere Technologien für Leistung, Wärme und Verkehr<br />

Das technische Potential für Effizienzverbesserungen zur Reduktion von Emissionen<br />

und Kosten ist groß: Im Laufe des vergangenen Jahrhunderts hat sich die Effizienz<br />

der Energieversorgung in den entwickelten Ländern um ca. das Zehnfache verbessert<br />

und die Möglichkeiten für weitere Gewinne sind noch lange nicht erschöpft. Studien<br />

der International Energy Agency zeigen, dass die Energieeffizienz bis<br />

2050 potentiell zur größten einzelnen Emissionssenkungsquelle im Energiesektor<br />

werden kann. Dies hätte neben ökologischen auch wirtschaftliche Vorteile.<br />

Ein Handeln zur Vermeidung weiterer Abholzungen wäre im Vergleich zu anderen<br />

Vermeidungsstrategien relativ günstig. Für radikale Emissionsreduzierungen wird<br />

mittel- bis langfristig eine groß angelegte Übernahme einer Reihe von umweltverträglichen<br />

Leistungs-, Wärme- und Verkehrstechnologien benötigt. Tiefgreifende Redu-<br />

46


4. Zukunftspolitik und ihre sozialen Auswirkungen<br />

zierungen im Verkehrssektor werden auf kurze Sicht wahrscheinlich schwieriger werden,<br />

werden aber letztendlich nötig sein.<br />

Viele der Technologien zum Erreichen dieser Reduzierungen existieren zwar bereits,<br />

aber die Priorität besteht jetzt darin, ihre Kosten zu reduzieren, so dass sie mit Alternativen<br />

zu fossilen Brennstoffen unter einem Kohlenstoff-Preisrichtlinienprogramm<br />

wettbewerbsfähig sind. Drei politische Elemente für eine Abmilderung des Klimawandels<br />

sind laut Stern wesentlich:<br />

• Die Festlegung eines Kohlenstoffpreises durch Steuern, Handeln oder Regulierung<br />

ist ein wichtiges Fundament für eine Politik zum Klimawandel.<br />

• Politische Maßnahmen müssen die Entwicklung einer Reihe von kohlenstoffarmen<br />

und hocheffizienten Technologien in einem dringenden Zeitrahmen<br />

unterstützen.<br />

• Die Beseitigung von Hemmnissen für Verhaltensänderungen ist ein drittes wesentliches<br />

Element zur Umsetzung von klimaschützenden Maßnahmen.,<br />

Wenn eines dieser Elemente ausgelassen wird, führt das laut Stern zu einer erheblichen<br />

Erhöhung der Handlungskosten.<br />

Das bedeutet nichts weniger als eine neue industrielle Revolution, da unser bisheriges<br />

Wirtschaftswachstum auf dem Verbrauch von Kohle, Öl und Gas und vielen anderen<br />

Ressourcen beruht.<br />

4.2. Das Aachener Szenario<br />

Eine von der Aachener Stiftung Kathy Beys beauftragte Arbeitsgruppe (Arthur D. Little,<br />

Prognos AG, Institut der Deutschen Wirtschaft Consult GmbH, Gesellschaft für<br />

Wirtschaftliche Strukturforschung GmbH) hat in einer Studie die volkswirtschaftlichen<br />

Auswirkungen der Verbesserung der Ressourcen- und Energieproduktivität im verarbeitenden<br />

Gewerbe und der öffentlichen Verwaltung untersucht.<br />

Auf Grundlage von Prognosemodellen wie INFORGE und PANTA RHEI wurde eine<br />

lineare Absenkung der Material- und Energiekosten um 20 % angenommen, die bis<br />

2015 erreicht wird. Hierfür sind als Einmalaufwand Investitionen und Innovationen<br />

nötig, die zu verringerten Ressourcen- und Energieverbräuchen führen. Annahme<br />

des Aachener Szenarios ist, dass der auf einer Steigerung der Ressourcenproduktivität<br />

zusätzlich eingeworbene Gewinn nicht lohnwirksam ist, d. h. die Lohnforderungen<br />

der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer werden durch die Verbesserungen der<br />

Energie- und Ressourcenproduktivität nicht beeinflusst. Die im Folgenden angegebenen<br />

volkswirtschaftlichen Veränderungen durch die verschiedenen Instrumente<br />

47


4. Zukunftspolitik und ihre sozialen Auswirkungen<br />

ergeben sich jeweils in Bezug zu einer Basisprognose, die mit einem Business-asusual-Szenario<br />

die Fortschreibung heutiger Politik zugrunde legt.<br />

Die Kosten im verarbeitenden Gewerbe, der öffentlichen Verwaltung und der Bauwirtschaft<br />

sinken. Gleichzeitig sinken die Umsätze der Lieferanten der eingesparten<br />

Ressourcen. Die Kostensenkung wirkt sich wegen des Wettbewerbsdrucks preissenkend<br />

aus. Da die Senkung der Preise geringer ausfällt als die Kostensenkung, steigen<br />

die Unternehmensgewinne. Dies wirkt sich wiederum positiv auf die Steuereinnahmen<br />

des Staates und die Einkommen der privaten Haushalte aus und führt somit<br />

zur Belebung der Nachfrage. Dies wirkt sich wiederum positiv auf Umsätze, Produktion<br />

und Beschäftigung aus.<br />

Insgesamt steigt die Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts gegenüber der Basisprognose<br />

um ca. 1 % an. Am Arbeitsmarkt kommt es zu einer deutlichen Entlastung,<br />

die in der Spitze bei etwa 1 Million zusätzlich Beschäftigter liegt. Die Studie<br />

setzt dabei allerdings voraus, das die zusätzlichen Produktivitätsgewinne nicht für<br />

Lohnsteigerungen, sondern zur Schaffung neuer Arbeitsplätze verwendet werden.<br />

Zusammen mit der ohnehin zu erwartenden leichten Verbesserung der Beschäftigungslage<br />

infolge des demographischen Wandels, der im Modell bereits verrechnet<br />

wurde, scheint die rentable Verbesserung der Ressourcenproduktivität ein wesentlicher<br />

Schritt in Richtung Vollbeschäftigung zu sein.<br />

Abb. 5: Beschäftigungsentwicklung bei Steigerung der Ressourceneffizienz<br />

48


4. Zukunftspolitik und ihre sozialen Auswirkungen<br />

Es wird dabei mit einer jährlichen Steigerung der Ressourcenproduktivität von 2,6 %<br />

gerechnet. Am Ende des Prognosehorizonts werden pro kg Materialstrom anstatt<br />

385 € immerhin etwas über 500 € BIP erwirtschaftet. Die Ressourcenproduktivität<br />

verbessert sich dabei gerade soviel, dass die erhöhte Wirtschaftsleistung mit gleichem<br />

absolutem Ressourcenverbrauch erreicht werden kann. Angesichts der volkswirtschaftlichen<br />

Gewinne stellt dies schon eine erhebliche Verbesserung gegenüber<br />

dem Status Quo der Basisprognose dar.<br />

Die Materialinputsteuer (MIT)<br />

Um eine langfristige Steigerung der Ressourcenproduktivität zu erreichen, sind fiskalische<br />

Instrumente wie Materialinputsteuern geeignete Steuerungsmodelle. Das Aachener<br />

Szenario schlägt die Einführung einer Materialinputsteuer ab 2011 vor. Damit<br />

werden die Ressourcenentnahmen aus der Natur einschließlich der ökologischen<br />

Rucksäcke 3 besteuert. Steuergegenstand ist der Materialinput in Tonnen, der auf der<br />

jeweiligen Produktionsstufe neu für den Produktionsprozess aufgewendet wird. Bereits<br />

auf vorhergehenden Produktionsstufen zur Steuer herangezogene Vorprodukte<br />

und Rohstoffe werden nicht nochmals versteuert, um eine Doppelbesteuerung zu<br />

vermeiden. Dabei ist in den Prognosen ein linear ansteigender Steuersatz von 1 Euro<br />

pro Tonne in 2011 auf 10 Euro pro Tonne in 2020 angenommen.<br />

Die Kompensation der Mehrbelastung aufgrund der Materialinputsteuer wird dabei im<br />

Aachener Szenario durch eine Senkung der Einkommensteuer in gleicher Höhe<br />

kompensiert. Eine Besteuerung von Wasser ist dabei nicht vorgesehen. Außerdem<br />

bleiben fossile Energieträger von der Steuer befreit, da diese bereits durch den<br />

Emissionshandel belastet werden. Die Steuer ist nach dem Aachener Szenario europaweit<br />

von ressourcenentnehmenden Unternehmen zu zahlen. Auf Importe von außerhalb<br />

der EU würden Zölle in gleicher Höhe erhoben, um keine Wettbewerbsnachteile<br />

in der Union entstehen zu lassen. Grundlagen für die Modellierung der MIT<br />

sind Tabellen für den Materialinput in 59 unterschiedlichen Sektoren der Volkswirtschaft,<br />

die am Wuppertal Institut errechnet wurden (Moll et al. 2003). Die Ergebnisse<br />

der Modellierung zeigen, dass im Jahr 2020 die Einnahmen des Staates aus der Materialinputsteuer<br />

rund 25 Milliarden Euro betragen. Davon entfallen 16 Mrd. Euro auf<br />

die Besteuerung der Entnahme von Ressourcen aus dem Binnenraum und 9 Milliarden<br />

Euro auf den Importzoll für Materialimporte.<br />

Die Berechnungen zeigen, dass für sich genommen weder nur das Aachener Szenario,<br />

noch die ausschließliche Einführung einer Ressourcensteuer wirksam genug<br />

3 Der ökologische Rucksack eines Produktes ist definiert als die Summe aller Materialinputs (MI), die von seiner<br />

Entstehung an aufgewendet wurden, minus dem Eigengewicht (vgl. Schmidt-Bleek 2006).<br />

49


4. Zukunftspolitik und ihre sozialen Auswirkungen<br />

sind, um a) die Umwelt zu schützen und b) dies sozialverträglich zu tun. Es empfiehlt<br />

sich somit die Kombination beider Maßnahmen.<br />

In dem vorgeschlagenen Kombinationsszenario wirkt sich dies auf die Beschäftigungssituation<br />

mit einer Zunahme von mehr als 960.000 Beschäftigten im Jahr 2015<br />

aus. Bis 2020 reduziert sich die Zunahme auf 850.000 Beschäftigte. Dies liegt daran,<br />

dass in der Modellrechnung angenommen wurde, finanzielle Förderungen zur Verbesserung<br />

der Ressourcenproduktivität im Jahr 2015 auslaufen zu lassen.<br />

Das Bruttoinlandsprodukt steigt bis 2020 gegenüber der Basisprognose um 12 %.<br />

Das Preisniveau sinkt dabei um ca. 6 %. Daher steigt das verfügbare Einkommen der<br />

privaten Haushalte; 2020 nimmt das Modell ein Plus von 103 Milliarden Euro an.<br />

Durch eine Materialinputsteuer ist eine Entkoppelung von Wirtschaftswachstum und<br />

Ressourcenverbrauch möglich: Trotz deutlicher Wachstumsgewinne sinkt der Ressourcenverbrauch.<br />

Inwieweit sich diese Gewinne jedoch durch die in Bewegung geratenen<br />

Rohstoffpreise einerseits und eine Verbesserung der Ressourcenproduktivität<br />

andererseits verändern, kann das Modell nur schwer vorhersagen. Es kann jedoch<br />

vermutet werden, dass die Einführung der Materialinputsteuer 6 Jahre nach<br />

dem Beginn einer intensiven Kampagne zur rentablen Verbesserung der Ressourcenproduktivität<br />

auf weit fruchtbareren Boden fällt, als dies in den Modellgleichungen<br />

abgebildet ist. So stellen die Ergebnisse eher eine konservative Abschätzung dar, die<br />

ohne Veränderung in der Einstellung der Gesellschaft zu Ressourcen auskommt.<br />

Abb. 6: Entwicklung des Ressourenbedarfs<br />

50


4. Zukunftspolitik und ihre sozialen Auswirkungen<br />

In der Simulation ist davon ausgegangen worden, dass in allen Sektoren des produzierenden<br />

Gewerbes, der öffentlichen Hand und des Baugewerbes die Material- und<br />

Energiekosten um 20% sinken. Berechnungen des Wuppertal Instituts zeigen jedoch,<br />

dass die größten fünf Bereiche für 80 % des Materialverbrauchs verantwortlich sind.<br />

Es stellt sich somit die Frage, wie hier eine Lenkungswirkung zur Ausnutzung der<br />

Reduktionschancen in diesen Bereichen genutzt werden kann.<br />

Eine ressourcenorientierte Reform der Mehrwertsteuerreform<br />

Eine andere Möglichkeit zur Steuerung des Ressourcenverbrauchs wäre eine Veränderung<br />

des Mehrwertsteuersystems im Sinne einer Entlastung von Arbeit und Dienstleistungen<br />

und einer Belastung von Ressourcen und Material. Zum einen würde sich<br />

daraus eine Verteuerung von Ressourcen und Material ergeben. Zum anderen würden<br />

Dienstleistungen deutlich billiger werden. Dies könnte einen zusätzlichen Anreiz<br />

zur Durchführung von Maßnahmen zur Steigerung der Ressourcenproduktivität bedeuten.<br />

Ein positiver Nebeneffekt ergäbe sich nach Ansicht einiger Experten dadurch, dass<br />

der mittlerweile auf etwa 370 Milliarden Euro gestiegene volkswirtschaftliche Schaden,<br />

der durch Schwarzarbeit entstanden ist, um 25 bis 30 % reduziert werden könnte.<br />

Damit bestünde zumindest die Chance, einen Teil der rein rechnerisch ermittelten<br />

etwa 9 Millionen „Vollzeitschwarzarbeiter“ in den Arbeitsmarkt zu integrieren.<br />

In der Aachener Studie wird vorgeschlagen, den Mehrwertsteuersatz auf Dienstleistungen<br />

in zwei Schritten auf Null zu reduzieren: Im ersten Schritt reduziert er sich<br />

auf 8 %. Um die Aufkommensneutralität zu gewährleisten, wird der Steuersatz für<br />

Waren, Material und Ressourcen auf etwa 19 % 4 festgelegt, der reduzierte Steuersatz<br />

auf 8,25 %. Im zweiten Schritt wird die Mehrwertsteuer auf Dienstleistungen abgeschafft<br />

und gleichzeitig werden die verbleibenden Steuersätze auf 22,25 % bzw.<br />

9,75 % angehoben.<br />

Die Veränderung des Mehrwertsteuersystems wirkt sich naturgemäß auf die Endverbraucherpreise<br />

aus. Die Preise für Dienstleistungen reduzieren sich um bis zu<br />

13,5 %, während die Preise für Waren und Ressourcen um durchschnittlich 4 % ansteigen.<br />

Dies führt zu einer leichten Verschiebung der Nachfrage weg von Waren und<br />

Ressourcen hin zu Dienstleistungen. Insbesondere erfolgt eine Belebung der Nachfrage<br />

in den Dienstleistungssektoren Handel/Reparatur/Instandsetzung, Ver-<br />

4 Das Aachener Szenario wurde vor der Anhebung des Mehrwertssteuersatzes mit Beginn des Jahres<br />

2007 auf 19 % modelliert. Um die im Folgenden getroffenen Berechnungen nicht zu verfälschen, werden<br />

die den Berechnungen zugrunde liegenden Zahlen beibehalten. Bei Umsetzung von Steuerungsmechanismen<br />

über die Mehrwertsteuer müssten die Modellrechnungen an den jetzigen Stand der<br />

Mehrwertsteuern angepasst werden.<br />

51


4. Zukunftspolitik und ihre sozialen Auswirkungen<br />

kehr/Nachrichtenübermittlung, im Gastgewerbe sowie im Kredit- und Versicherungsgewerbe.<br />

Verlierer sind das Baugewerbe und die Energie- und Wasserversorgung<br />

sowie Land-/Forstwirtschaft, Bergbau/Steine/Erden und das Verarbeitende Gewerbe<br />

(Aachener Stiftung 2005).<br />

Trotz der ungleichen Verteilung von Vor- und Nachteilen ergibt sich bis zum Ende<br />

des Prognosezeitraumes (2020) eine Verbesserung der Beschäftigungssituation um<br />

rund 150.000 Arbeitsplätze. Damit wird offensichtlich, dass aufgrund der verstärkten<br />

Nachfrage nach Dienstleistungen der Verlust von Arbeitsplätzen in materialintensiven<br />

Sektoren mehr als wettgemacht wird. Das Bruttoinlandsprodukt verändert sich gegenüber<br />

der Business-as-usual-Referenzprognose nicht wesentlich.<br />

Die Auswirkungen auf den gesamten Ressourcenverbrauch bleiben jedoch ebenfalls<br />

sehr moderat: Es kann ein maximaler Rückgang von 1,5% gegenüber der Referenzprognose<br />

festgestellt werden.<br />

Vergleich der Instrumente<br />

Im direkten Vergleich der Veränderungen des Steuersystems durch Mehrwertsteuer<br />

oder Materialinputsteuer bewirkt die Modifikation der Mehrwertsteuer eine spürbare<br />

positive Beschäftigungswirkung, senkt den Ressourcenverbrauch aber nur um 1,5 %.<br />

Darüber hinaus wird ein Wegfall der Mehrwertsteuer auf Dienstleistungen zu einer<br />

Reduktion der Schattenwirtschaft mit positiven Auswirkungen für den Staatshaushalt<br />

führen. Die Modifikation scheint auch im nationalen Alleingang möglich, so dass sie<br />

nicht in der gesamten EU in gleicher Weise eingeführt werden müsste. Die Materialinputsteuer<br />

schafft im Verbund mit dem Aachener Szenario die absolute Entkoppelung<br />

von Wachstum und Ressourcenverbrauch und erhöht so die Ressourcenproduktivität<br />

deutlich stärker als die Modifikation der Mehrwertsteuer.<br />

Einfluss der privaten Nachfrage auf den Ressourcenverbrauch<br />

Nachdem bisher größtenteils auf Unternehmen wirkende Instrumente diskutiert wurden,<br />

soll im folgenden Abschnitt geklärt werden, welche Auswirkungen eine Nachfragereduktion<br />

beim Endverbraucher auf den Ressourcenverbrauch hätte. Ziel ist es,<br />

Schwerpunktbereiche für aufzulegende Förderprogrammen auszumachen, um knappe<br />

Haushaltsmittel effizient einzusetzen. Dazu wurden Produkte des privaten Konsums<br />

in 43 Clustern zusammengefasst und angenommen, dass in allen 43 Bereichen<br />

der Konsum um 1 % reduziert würde. Die Ergebnisse sind in der nächsten Abbildung<br />

zusammengefasst.<br />

Es zeigt sich dabei: Allein durch die Senkung des Stromverbrauchs um 1 % lassen<br />

sich bereits mehr als 20 % der Reduktion des gesamten Ressourcenverbrauchs er-<br />

52


4. Zukunftspolitik und ihre sozialen Auswirkungen<br />

zielen, die bei der Reduktion aller 43 Verwendungszwecke möglich wäre. Ähnliche<br />

Reduktionen erzielt die Absenkung bei Nahrungsmitteln sowie bei der Verwendung<br />

fester Brennstoffe einschließlich Fernwärme. Auf diese drei Verwendungszwecke<br />

entfallen bereits 50 % der möglichen Reduktion des Ressourcenverbrauchs. Der hohe<br />

Ressourcenverbrauch durch Nahrungsmittel ist sowohl industriell als auch kulturell<br />

bedingt: Die industrielle Landwirtschaft mit ihrem intensiven Düngerverbrauch ist<br />

ebenso ein Problem, wie der hohe Fleischkonsum (Öko-Institut 2005).<br />

Die Reduktion bei den nächstplatzierten sechs Verwendungsarten liefert nur noch<br />

20 % der Gesamtreduktion, weitere 20 % sind durch die nächsten 13 Verwendungsarten<br />

verursacht. Die fehlenden 10 % am Gesamtergebnis erfordern die Reduktion<br />

um 1 % in 21 Verwendungszwecke. Betrachtet man den Ressourcenverbauch noch<br />

einmal nach eingesetztem Rohstoff, fällt auf, dass mit über 60% der Löwenanteil des<br />

Rückgangs des Ressourceninputs auf den Bereich der fossilen Brennstoffe zurückzuführen<br />

ist. Die Biomasse rangiert mit 16 % auf dem zweiten Platz. Der Bereich Metalle<br />

folgt mit etwas über 6% auf Rang vier.<br />

53


4. Zukunftspolitik und ihre sozialen Auswirkungen<br />

Abb. 7: Ressourcenverbrauch im Privathaushalt (Quelle: Aachener Stiftung Kathy Bayes 2005)<br />

Bewertung der Maßnahmen<br />

Eine Steigerung der Ressourcenproduktivität ist zentraler Bestandteil jeder Zukunftsstrategie,<br />

da eine Angleichung der Entwicklungs- und Schwellenländer an das<br />

Wohlstandsniveau der westlichen Industriegesellschaften mit derzeitiger Ressourcenproduktivität<br />

schlichtweg unmöglich ist. Doch auch in Hinblick auf die wirtschaftliche<br />

Entwicklung hat die Steigerung der Ressourcenproduktivität große Bedeutung:<br />

Während die Arbeitsproduktivität seit vielen Jahren um beinahe 4 % jährlich wächst –<br />

und dabei einen starken Anstieg der Arbeitslosigkeit mit sich gebracht hat –, ist bei<br />

54


4. Zukunftspolitik und ihre sozialen Auswirkungen<br />

der Ressourcenproduktivität nur eine Verbesserung um weniger als die Hälfte festzustellen.<br />

Studien zeigen dabei, dass die Produktivitätspotentiale von der Großindustrie<br />

häufig schon erkannt und genutzt werden; in der klein- und mittelständischen Wirtschaft<br />

hingegen herrscht großer Aufklärungsbedarf.<br />

Im Ergebnis der Aachener Studie zeigt sich, dass eine generelle Verbesserung der<br />

Ressourcenproduktivität enorme Vorteile für Wirtschaft, Staat und Gesellschaft bietet.<br />

Die Einführung einer Materialinputsteuer und die gleichzeitige aufkommensneutrale<br />

Senkung der Einkommensteuern bewirkt im Zusammenspiel mit den Maßnahmen<br />

des Aachener Szenarios eine absolute Senkung des Ressourcenverbrauchs um<br />

den Faktor 2 bis 2020, trotz einer deutlichen Steigerung wirtschaftlicher Wachstumsraten:<br />

Am Ende des Betrachtungszeitraumes hat sich das BIP um 12 % gegenüber<br />

der Basisprognose erhöht. Gleichzeitig steigt die Beschäftigung bis 2020 um etwa<br />

eine Million an, der Finanzierungssaldo des Staates erhöht sich deutlich um 103 Mrd.<br />

Euro, die Ertragslage der Unternehmen verbessert sich um 120 Mrd. Euro.<br />

Eine Verlagerung der Mehrwertsteuer weg von der Dienstleistung hin zum Materialverbrauch<br />

hat einen weiteren positiven Beschäftigungseffekt von ca. 150.000 Arbeitsplätze.<br />

Darüber hinaus wäre eine solche Veränderung weitgehend EUkompatibel.<br />

Der Einfluss auf den Ressourcenverbrauch ist mit -1,5 % aber geringer<br />

als der der Materialinputsteuer.<br />

In Bezug auf den privaten Konsum zeigt sich, dass einige wenige Konsumverwendungszwecke<br />

besonders wichtig für den gesamten Ressourcenverbrauch sind. Die<br />

größten Reduktionen des Ressourcenverbrauchs lassen sich durch Einsparungen in<br />

den Verwendungszwecken rund um die Energie erzielen.<br />

Auf der Seite der Wirtschaft zeigen sich ähnliche Ergebnisse: Auch hier fällt auf, dass<br />

nur wenige Faktoren den Ressourcenverbrauch entscheidend bestimmen. Wenn es<br />

gelänge, die zehn wichtigsten Inputkoeffizienten um 1 % zu senken, erschließt sich<br />

bereits die Hälfte des Effizienzsteigerungspotenzials, das sich bei der Reduktion in<br />

allen 3481 möglichen Koeffizienten ergibt. Hier ist also mit relativ geringem Aufwand<br />

eine deutliche Steigerung der gesamten Ressourcenproduktivität möglich.<br />

4.3. Beschäftigungswirkungen nachhaltigen Wirtschaftens<br />

Durch moderne Umweltpolitik ist der Umweltsektor zu einem wachsenden Beschäftigungssektor<br />

geworden. So waren 2004 bereits über 1,5 Millionen Menschen in diesem<br />

Bereich beschäftigt, mit steigender Tendenz. Es stellt sich somit die Frage, ob<br />

notwendige ökologische Umstrukturierungen unseres Wirtschaftens auch weiterhin<br />

55


4. Zukunftspolitik und ihre sozialen Auswirkungen<br />

positive Auswirkungen auf die Arbeitsplatzzahlen haben werden. Im Folgenden ist<br />

eine Studie des Berliner Ökonomen Holger Rogall (2004) vorgestellt, in der die Beschäftigungsauswirkungen<br />

einer systematischen, nachhaltigen Umstrukturierung unseres<br />

Wirtschaftens diskutiert werden.<br />

Energiepolitik<br />

Handlungsziel: Reduktion der Treibhausgase um 40 % bis 2020 und 80 % bis 2050,<br />

bei gleichzeitiger Verminderung des Primärenergieverbrauchs um 50 % und einer<br />

Steigerung der Energieversorgung aus Erneuerbaren Energien bis 2050 auf 50 %.<br />

Technik Instrument Beschäftigungseffekt<br />

Kraft-Wärme-Kopplung Verlängerte und verbesserte<br />

Einspeisevergütung durch<br />

KWK-Gesetz-Novellierung<br />

Energetische Gebäudesanierung<br />

Erhöhung der Wärmeschutzstandards<br />

für Neubauten<br />

Ausbau der Erneuerbaren<br />

Energien<br />

Einführung von Wärme-<br />

Mindeststandards für alle Gebäude<br />

(z. B. 40-60kWh/m 2 /a),<br />

gekoppelt mit Förderprogramm<br />

zunächst Förderung und später<br />

Einführung eines Passivhausstandards<br />

Solare Baupflichten, Ökosteuerreform,<br />

Fortführung EE-<br />

Gesetz, Bonusregelung für solare<br />

Anlagen<br />

k.A.<br />

+ 430.000 Arbeitsplätze<br />

+ 500.000 bis 900.000 Arbeitsplätze<br />

Bau- und Stadtentwicklung<br />

Handlungsziel: Innenentwicklung der Städte vor Außenentwicklung, Senkung des<br />

Flächenverbrauchs von 130ha/Tag auf 30 ha/Tag bis 2020, vollständiges Flächenrecycling<br />

bis 2050.<br />

Technik Instrument Beschäftigungseffekt<br />

Baustandards für Neubauten Wahrnehmung aller Instrumente<br />

des Planungsrechts<br />

Modernisierung der Wohnquartiere<br />

Einführung eines Lizenzsystems<br />

der Flächenversiegelung<br />

Mobilitätspolitik<br />

Handlungsziel: Senkung des Kraftstoffverbrauchs um 40 %, der Schadstoffemissionen<br />

um 99 % und des Lärms um 65 dB bis 2050.<br />

k.A.<br />

k.A.<br />

56


4. Zukunftspolitik und ihre sozialen Auswirkungen<br />

Technik Instrument Beschäftigungseffekt<br />

Senkung des Kraftstoffverbrauchs<br />

Verschiebung des Pkw-, Lkw-<br />

und Luftverkehrs auf die Schiene<br />

Einführung alternativer Antriebstechniken<br />

und Kraftstoffe<br />

Stufenweise Verschärfung der<br />

Grenzwerte auf EU-Ebene, Definition<br />

von schadstoffarmen<br />

Kfz in der Straßenverkehrsordnung,<br />

stufenweise Verschärfung<br />

von Grenzwerten, Fortsetzung<br />

Ökosteuerreform<br />

Internalisierung von Kosten<br />

durch Lkw-Maut<br />

k.A.<br />

k.A.<br />

Umschichtung von Steuergeldern<br />

in den Ausbau des ÖPNV<br />

Emissionsabgaben für den Kerosinverbrauch<br />

insg. + 335.000 Arbeitsplätze<br />

Ecodesign und Abfallpolitik<br />

Handlungsziele: Steigerung der Ressourcenproduktivität um den Faktor 2 bis 2020<br />

und 10 bis 2050.<br />

Technik Instrument Beschäftigungseffekt<br />

Senkung des Energieverbrauchs<br />

elektrisch betriebener<br />

Produkte<br />

Ersatz von Standard-<br />

Werkstoffen durch Sekundärwerkstoffe<br />

Recyclingfreundliche Konstruktionen,<br />

Ausbau der Recyclingwirtschaft<br />

Top-Runner-Programm<br />

Rücknahme- und Verwertungsverpflichtungen<br />

mit Quoten und<br />

Inputauflagen. Ökologisierung<br />

des Finanzsystems<br />

Rücknahmeverpflichtung inkl.<br />

Pfandpflicht für alle Produkte<br />

insg. + 100.000 Arbeitsplätze<br />

Entwicklung des ländlichen Raumes<br />

Handlungsziel: Ausdehnung des Ökolandbaus auf 20 % der Flächen bis 2010.<br />

Technik Instrument Beschäftigungseffekt<br />

Wandel des Landwirts zum<br />

Energiewirt<br />

Entwicklung des ökologischen<br />

Landbaus zum Standard<br />

Erhöhung der Einspeisevergütung<br />

für Strom aus Biomasse<br />

Abgaben auf Pestizide und<br />

Kunstdünger, Reform des europäischen<br />

Prämiensystems<br />

Rogall warnt davor, die Potentiale der Tabellen einfach zu addieren, geht aber davon<br />

aus, dass selbst unter pessimistischen Bedingungen mindestens 1.000.000 bis<br />

k.A.<br />

k.A.<br />

57


4. Zukunftspolitik und ihre sozialen Auswirkungen<br />

2.000.000 Teilzeitarbeitsplätze entstehen werden. Da eine Veränderung der Beschäftigungszahlen<br />

immer einen starken Einfluss auf den wirtschaftlichen und sozialen<br />

Stand des Einzelnen haben, der in Beschäftigung tritt oder aus ihr herausfällt, hat eine<br />

Umstrukturierung des Wirtschaftens nach dem Rogallschen Modell stark positive<br />

Auswirkungen auf die soziale Situation Deutschlands (Rogall 2007).<br />

4.4. Kosten und Nutzen des Meseberger Klimaschutzprogramms<br />

Die Bundesregierung hat auf ihrer Klausurtagung im Spätsommer 2007 in Meseberg<br />

ein detailliertes Energie- und Klimaschutzprogramm beschlossen. Dieses Paket soll<br />

einen Baustein darstellen, um das angestrebte Ziel Deutschlands zu erreichen, die<br />

Treibhausgasemissionen bis 2020 um 40 Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren.<br />

Das Paket enthält 29 Einzelmaßnahmen. Die Schwerpunkte liegen hierbei<br />

• im Ausbau des Anteils erneuerbarer Energien (Ausbauziel zur Stromgewinnung<br />

25 bis 30 % bis 2020, Deckung des Wärmebedarfs aus erneuerbaren Energien<br />

14 % bis 2020) durch die Weiterführung des EEG und die Einführung eines EE-<br />

WärmeG 5 .<br />

• in der Novellierung des KWK-Gesetzes (Verdopplung des Anteils der Kraft-<br />

Wärme-Kopplung an der Stromerzeugung bis 2020 auf 25 %).<br />

• Verbesserung der Energieeffizienz von neuen und sanierten Gebäuden im Jahr<br />

2008 um 30 %, bis 2012 nochmals um die gleiche Größenordnung, finanziell unterstützt<br />

durch das Gebäudesanierungsprogramm.<br />

Für 2008 stehen für die Klimapolitik im Bundeshaushalt insgesamt 2,6 Milliarden Euro<br />

zur Verfügung, da der Klimaschutz nicht unwesentliche Programmkosten nach<br />

sich zieht, zu denen weitere Ausgaben durch Investitionen beim Endverbraucher hinzukommen.<br />

Demgegenüber stehen die deutliche Entlastung des einzelnen Endverbrauchers<br />

durch Verminderung der Energiekosten und damit einhergehend auch der<br />

Energieimporte. Darüber hinaus kommt es zu ökonomischen Chancen für die deutsche<br />

Industrie, welche längerfristig durch die Einführung von innovativen Technologien<br />

deutliche Vorteile besonders im Exportsektor bringen werden.<br />

In einem Forschungsprojekt des Fraunhofer-Instituts zur „Wirtschaftlichen Bewertung<br />

von Maßnahmen des Integrierten Energie- und Klimaprogramms“ wurden die Wirkungen<br />

und Kosten der wichtigsten Maßnahmen des Klimaschutzprogramms der<br />

Bundesregierung berechnet. Um die Frage nach der Nettokostenbelastung des ein-<br />

5 Das Erneuerbare Energien Wärmegesetz legt fest, dass spätestens im Jahr 2020 14 Prozent der<br />

Wärme in Deutschland aus Erneuerbaren Energien stammen muss.<br />

58


4. Zukunftspolitik und ihre sozialen Auswirkungen<br />

zelnen Endnutzers durch die jeweilige Maßnahme zu beantworten, wurden folgende<br />

Kostengruppen unterschieden:<br />

(1) (Differenz)Investitionen im Vergleich zu Standardtechnologien,<br />

(2) eingesparte Energie-Kosten (ohne Betrachtung der eingesparten Umweltkosten)<br />

und<br />

(3) Programmkosten, wobei unter letztere Kategorie auch Umlagen, z. B. bei Erneuerbaren<br />

Energien fallen.<br />

Basierend auf diesen Kosteninformationen sowie den eingesparten Mengen an<br />

Energie und CO2-Emissionen lassen sich die entscheidenden ökonomischen Fragen<br />

beantworten: Wie hoch sind die Minderungskosten pro eingesparter Tonne CO2?<br />

Und welche gesamten Kosten sind durch die Nutzer bzw. den Staat zu tragen?<br />

Nr. Titel der Maßnahme Bruttokosten<br />

in Mrd. Euro<br />

Jährlich eingesparte<br />

(fossile)<br />

Energie in<br />

Mrd. Euro<br />

Minderungskosten<br />

in<br />

Euro je Tonne<br />

CO2<br />

1 Kraft-Wärme-Kopplung 0,003 -0,3 12,9<br />

2 Erneuerbare Energien: Strom 5,55 4,2 27<br />

7 Energiemanagementsysteme<br />

gramme Klima/Energie<br />

und Förderpro- 2,3 3,2 -90<br />

8 Energieeffiziente Produkte - Haushalte/Industrie 0,21 4,2 -266<br />

10a Energieeinsparverordnung 8,43 10,3 -47<br />

10b Austausch der Nachtspeicherheizungen 1,05 0,9 23<br />

12 CO2-Gebäudesanierungsprogramm 2,43 3,2 -58<br />

13 Energetische Modernisierung der sozialen Infrastruktur<br />

0,49 0,26 163<br />

14 Erneuerbare Energien: Wärme 4,42 3,5 77<br />

15 Energetische Sanierung der Bundesgebäude 0,06 0,08 -38<br />

16 CO2 aus PKW-Nutzung 6,44 8,7 -128<br />

17 Biokraftstoffe 0 -1,0 bis 2,0 84 bis 168<br />

Summe 21 36,3 -26<br />

Tab. 2: Wirkungen und Kosten des Meseberger Klimaschutzprogramms<br />

In der Studie wurden die wichtigsten Maßnahmen auf der Basis der Eckpunkte im<br />

Hinblick auf ihre Programmkosten, Investitionskosten sowie die eingesparten Energiekosten<br />

analysiert. Die Zwischenergebnisse der Studie sind klar: Die Mehrzahl der<br />

analysierten Maßnahmen spart Kosten. Insgesamt kann Deutschland mit Umsetzung<br />

der Maßnahmen Gewinne in Höhe von 5 Milliarden Euro im Jahr 2020 realisieren.<br />

Die Investitionskosten betragen im Jahr 2020 insgesamt 31 Milliarden Euro. Dem<br />

stehen Energieeinsparungen in Höhe von 36,3 Milliarden Euro gegenüber. Dabei ist<br />

59


4. Zukunftspolitik und ihre sozialen Auswirkungen<br />

zu beachten, dass hierbei von moderaten Gas- und Ölpreisannahmen ausgegangen<br />

wurde (65 $/Barrel), während bereits jetzt deutlich höhere Ölpreise (ca. 90 $/Barrel)<br />

Realität sind.<br />

Bei einer genauen Betrachtung stellen sich die Daten wie folgt dar:<br />

• Effiziente Geräte führen zu 4,2 Milliarden Euro Kosteneinsparungen, die Einsparungen<br />

bei Vermeidung des CO2-Ausstoßes liegen dabei bei 266 Euro je Tonne<br />

CO2 .<br />

• Im Gebäudebereich werden 2020 14 Milliarden Euro gespart. Die Einsparungen<br />

für die Vermeidung des CO2-Ausstoß liegen bei 58 Euro je Tonne CO2.<br />

• Im Verkehrsbereich können 2020 ca. 8 Milliarden Euro eingespart werden, die<br />

Einsparungen für die CO2-Vermeidung liegen bei 128 Euro je Tonne CO2.<br />

Grund hierfür ist, dass viele Energieeffizienzmaßnahmen beim PKW sehr<br />

preiswert sind und sich durch geringeren Spritverbrauch rentieren.<br />

• Die Vermeidungskosten für die Kraft-Wärme-Kopplung liegen bei 13 Euro je<br />

Tonne CO2, für Erneuerbare Energien im Strombereich bei 27 Euro pro Tonne<br />

CO2.<br />

• Die Minderungskosten bei Erneuerbarer Wärme sind mit 77 Euro je Tonne CO2<br />

und bei Biokraftstoffen mit 84 bis 168 Euro je Tonne CO2 deutlich höher (die<br />

Spanne gibt die Unsicherheit über die Entwicklung der Biokraftstoffe Zweiter<br />

Generation wieder). Diese Ausgaben sind jedoch als Zukunftsinvestitionen zu<br />

betrachten: Die Vermeidungskosten bei erneuerbarer Stromproduktion lagen<br />

vor fünf bis zehn Jahren auch erheblich höher; die technische Entwicklung am<br />

Wärme- und Kraftstoffmarkt hinkt hier der durch das EEG ausgelösten Dynamik<br />

am Strommarkt um eben diesen Zeitraum hinterher. Der Ölpreis wurde dabei<br />

sehr konservativ geschätzt (s. o.).<br />

Zusammenfassend zeigt sich, dass die überwiegende Anzahl der analysierten Maßnahmen<br />

Einsparungen nach sich ziehen. Unter Berücksichtigung der eingesparten<br />

Energiekosten ergeben sich an vielen Stellen auch Einsparungen für den Endnutzer.<br />

Dies trifft insbesondere für die Energieeffizienzmaßnahmen zu.<br />

Bei anderen Maßnahmen hingegen, wie der Förderung der Erneuerbaren Energien<br />

und der Kraft-Wärme-Kopplung, werden moderate Kostenerhöhungen auf Verbraucherseite<br />

erwartet. Diese sind vor dem Hintergrund zu sehen, dass in Deutschland<br />

innovative Industrien entstehen, die weltweit zum Klimaschutz beitragen werden. Aus<br />

60


4. Zukunftspolitik und ihre sozialen Auswirkungen<br />

sozialer Perspektive stellt sich hier die Frage, inwiefern die für die Industrie entstehenden<br />

Vorteile durch einen Innovationsschub gesellschaftlich nutzbar werden.<br />

Für einige Maßnahmen fallen hohe Bruttoinvestitionen in der Anfangsphase an, während<br />

Einsparungen über einen längeren Zeitraum erfolgen. Die Barriere der Anfangsinvestitionen<br />

kann durch die staatlichen Förderprogramme gezielt überwunden werden.<br />

Insgesamt zeigt sich, dass Deutschland bezogen auf das Jahr 2020 mit jährlichen<br />

Investitionen von 31 Milliarden in den Klimaschutz Energie-Einsparungen von<br />

36 Milliarden Euro auslöst. Diese Summen werden mit Programmkosten von nur<br />

1 Milliarde Euro ausgelöst. Klimaschutz in Deutschland ist also eine lohnende Investition.<br />

4.5. Ausstieg aus dem Steinkohlebergbau<br />

Die Subventionen des Bundes für den Steinkohlebergbau machen ca. 30% der Subventionen<br />

für die gewerbliche Wirtschaft insgesamt aus. Der größte Teil der Subventionen<br />

dient dabei dazu, die deutsche Steinkohle auf dem internationalen Markt wettbewerbsfähig<br />

zu halten und die Differenz zwischen den hohen Förderkosten für die<br />

deutsche Steinkohle und den um etwa 70% niedrigeren Preis der Importkohle auszugleichen<br />

(UBA 2003). Der Erhalt der Arbeitsplätze im Steinkohlebergbau wird teuer<br />

erkauft: Umgerechnet auf die Zahl der Erwerbstätigen ergeben sich für das Jahr<br />

2001 etwa 82.000 Euro pro Jahr je Arbeitsplatz.<br />

Am 28.12.2007 trat das »Gesetz zur Finanzierung der Beendigung des subventionierten<br />

Steinkohlenbergbaus zum Jahr 2018 (Steinkohlefinanzierungsgesetz)« in<br />

Kraft. Darin sind für die Jahre 2009 bis 2018 weitere Subventionen in Höhe von 13,9<br />

Milliarden Euro vorgesehen.<br />

Das Umweltbundesamt (UBA) hat 2003 eine Studie zur Ermittlung der Folgen einer<br />

mittelfristigen Einstellung der Subventionierung des Steinkohlebergbaus in Deutschland<br />

durchgeführt. Dabei wurde davon ausgegangen, dass die Subventionen bis<br />

2010 zurückgefahren und die freiwerdenden Mittel anderweitig investiert werden. Im<br />

Referenzszenario wurde zugrunde gelegt, dass die Steinkohlesubventionen nach<br />

dem Jahr 2005 eingefroren werden, das heißt bei 2,7 Milliarden Euro verbleiben. Das<br />

Maßnahmenszenario unterstellt dagegen, dass nach dem Jahr 2005 eine weitere<br />

Reduzierung der Subventionen erfolgt und die Subventionen bis zum Jahr 2010 vollständig<br />

zurückgefahren werden. Exemplarisch werden unterschiedliche Varianten für<br />

die Verwendung zur Förderung erneuerbarer Energien oder zur Verwendung für<br />

61


4. Zukunftspolitik und ihre sozialen Auswirkungen<br />

Maßnahmen zur Gebäudesanierung dargestellt. Der Einfachheit halber wird bei den<br />

Simulationen unterstellt, dass jeweils die gesamten eingesparten Subventionen umgeschichtet<br />

werden. Die Ergebnisse zeigen sich wie folgt:<br />

Wirkungen auf die CO2-Emissionen<br />

Abb. 8: Entwicklung der CO2-Emissionen unter verschiedenen Szenarien<br />

Bei einer Verschiebung der Subventionen aus dem Steinkohlebergbau in die Erneuerbaren<br />

Energien zur Wärmegewinnung (Solarenergie, Biomasse) zeigt sich eine<br />

deutliche Reduktion der CO2-Emissionen gegenüber dem Referenzszenario mit minus<br />

50 % (entsprechend 50 Millionen Tonnen CO2). Die Investitionen in die Gebäudesanierung<br />

versprechen eine Verminderung um etwa 6 Millionen Tonnen. Die Ergebnisse<br />

stellen eine konservative Schätzung dar, da angenommen wurde, dass nur<br />

ein Fünftel der geförderten Wohnungsbauinvestitionen zusätzlicher Natur ist. Die<br />

Auswirkungen der CO2-Reduktion für das Gebäudesanierungsprogramm wurden<br />

über 2010 bis 2014 weitergerechnet und zeigen eine fortschreitende Einsparung der<br />

Emissionen.<br />

62


4. Zukunftspolitik und ihre sozialen Auswirkungen<br />

Wirkungen die Beschäftigungsverhältnisse<br />

Abb 9: Entwicklung der Arbeitsplatzsituation unter verschiedenen Szenarien<br />

Die Zahl der Arbeitsplätze steigt in diesem Szenario bis zum Jahr 2010 netto (d. h.<br />

bereinigt um die Arbeitsplatzverluste im Bergbau) um etwa 30.000 Beschäftigte bei<br />

einer Investition in die Gebäudesanierung. Bis 2014 würde sich dieser Effekt weiter<br />

verstärken und für insgesamt 50.000 neue Arbeitsplätze sorgen. Bei einer Investitionsverschiebung<br />

in den Bereich der Erneuerbaren Energien zur Wärmegewinnung<br />

würde sich bis 2010 ein Plus von 9.000 Beschäftigten ergeben.<br />

Fazit<br />

Eine Subventionsumschichtung würde unter Berücksichtigung der negativen Beschäftigungswirkungen<br />

des Abbaus der Kohlesubventionen die Wirtschaft ankurbeln,<br />

Arbeitsplätze schaffen und zudem ökologisch positive Wirkungen erbringen. Die Zahl<br />

der Arbeitsplätze steigt in diesem Szenario bis zum Jahr 2010 netto um etwa 9.000<br />

bis 30.000 Beschäftigte an bei gleichzeitigem Rückgang der CO2-Emissionen um etwa<br />

6 bis 50 Millionen Tonnen.<br />

Auch wenn die Studie von einer Verschiebung der Subventionen ab 2005 ausgeht,<br />

was mittlerweile nicht mehr möglich ist, sind die Effekte auch in die Zukunft übertragbar.<br />

Obwohl durch das Gesetz zur Beendigung des subventionierten Steinkohlebergbaus<br />

mittlerweile Fakten geschaffen wurden, ist dringend an einem schnelleren, sozialverträglichen<br />

Ausstieg zu arbeiten.<br />

4.6. Soziale Auswirkungen der Ökosteuer<br />

Die Diskussion um Ökosteuern war für die deutsche Sozialdemokratie von Beginn an<br />

mit der Frage der sozialen Gerechtigkeit verknüpft. Große Akzeptanzschwierigkeiten<br />

63


4. Zukunftspolitik und ihre sozialen Auswirkungen<br />

ergaben sich dadurch, dass Ökosteuern als ungerecht gelten: Familien mit niedrigen<br />

Einkommen, die auf ihr Auto angewiesen sind, die Wohnung heizen müssen und sich<br />

nicht den neuesten, energieeffizientesten Kühlschrank leisten können, werden durch<br />

Ökosteuern ungleich stärker belastet als der bei einer Bank angestellte Single, dessen<br />

Energieausgaben relativ zu seiner Leistungsfähigkeit geringer sind.<br />

Diese Befunde sind nicht von der Hand zu weisen, sie liegen in der Logik von Umweltsteuern<br />

begründet. Umweltsteuern orientieren sich nicht an Einkommen, Vermögen<br />

oder sonstigen Indikatoren wirtschaftlicher oder sozialer Leistungsfähigkeit. Ihre<br />

Bemessungsgrundlage ist alleine das umweltschädigende Verhalten: Wer viel Ressourcen<br />

verbraucht und die Umwelt stark belastet, der zahlt viel Steuern. Da die<br />

Umweltschädigung beim Autofahren nicht von sozialer Stellung, Alter oder Einkommen<br />

des Autofahrers abhängt, gibt es hier keine Ungleichheit zwischen alleinerziehender<br />

Mutter, Familie ohne Arbeitseinkommen und Bankmanager. Vor dem steuerlichen<br />

Auge der Ökosteuer sind alle gleich (bis auf energieintensive Unternehmen,<br />

die aufgrund der Angst vor Wettbewerbsnachteilen von der Ökosteuer ausgenommen<br />

bzw. weniger belastet sind).<br />

Eine Ressourcensteuer, wie sie in der Literatur diskutiert wird, hat zum Ziel, die Umwelt<br />

und den Arbeitsmarkt zu entlasten. Hierzu stehen auch zwei grundsätzlich taugliche<br />

Instrumente bereit: Die Ökosteuer im Umweltbereich und die Senkung der<br />

Lohnnebenkosten für den Arbeitsmarkt (Wagener 2000). Vom Grundsatz her ist es<br />

natürlich möglich, einen Ökosteuersatz und eine steuerliche Entlastung der Arbeit zu<br />

realisieren, so dass zugleich Umweltschädigung und Arbeitslosigkeit reduziert werden.<br />

Doch bei der ökologischen Steuerreform sollen zusätzlich noch die Staatseinnahmen<br />

unverändert bleiben.<br />

Doch wird in den jeweiligen Rückvergütungsvorschlägen zur Einnahmeneutralität auf<br />

Staatsseite (also die Senkung der Lohnnebenkosten, die Rückvergütung an Unternehmen,<br />

die Schaffung von Freibeträgen etc.) vergessen, dass der ursprüngliche<br />

Ansatz lautete »Den Dingen ihren wahren Wert geben«. Insofern kann eine vernünftige<br />

Ressourcensteuer nicht aufkommensneutral sein: Wer die Umweltkosten bei der<br />

Preisgestaltung berücksichtigen will, muss sie auch bezahlen und entsprechend einsetzen.<br />

Wenn bei der Entnahme von Ressourcen in der Umwelt ein Schaden entsteht,<br />

muss dieser wieder ausgeglichen werden. Diese Kosten müssen in die Preisgestaltung<br />

mit einfließen. Die Lenkung des Wirtschaftens zu mehr Ressourcenproduktivität<br />

ist ein wichtiges Ziel.<br />

Interessant wird die Diskussion über Ressourcensteuern auch dann, wenn besserer<br />

Umweltschutz tatsächlich Arbeitsplätze kosten oder Mehrbeschäftigung zu einem<br />

64


4. Zukunftspolitik und ihre sozialen Auswirkungen<br />

umweltschädlichen Mehrverbrauch an Energie führen würde (was unser bisheriges<br />

Wirtschaften einfach fortschreiben würde). In einer Gesamtabwägung könnte eine<br />

ökologische Steuerreform nämlich auch dann noch vorteilhaft sein, wenn die positiven<br />

die negativen Effekte überwiegen. Eine Entscheidung hierüber aber würde erfordern,<br />

die einzelnen Effekte und letztlich die beiden Politikziele Umweltschutz und<br />

Vollbeschäftigung gegeneinander abzuwägen (Wagener 2003). Dies hat insofern eine<br />

besondere Brisanz, als wir uns dann nicht mehr nur mit monetären Werten, sondern<br />

mit gesellschaftlichen Zielen und ideellen Werten auseinander setzen müssen:<br />

Wie viel saubere Luft ist uns das Risiko eines geringen Wirtschaftswachstums wert?<br />

Ist es legitim, den Abbau von Kohle zu stoppen, weil die CO2-Emissionen durch ihre<br />

Verbrennung langfristig unser Klima und somit unsere Lebensgrundlagen ruinieren?<br />

Dass man es opportun findet, Umweltsteuern über Zusatzargumente mit einer zweiten<br />

Dividende attraktiver zu machen, signalisiert, dass man die Opferbereitschaft für<br />

eine bessere Umwelt für eher gering hält. Diverse Studien (z. B. UBA 2006) belegen<br />

jedoch, dass die Bürgerinnen und Bürger die Dringlichkeit der ökologischen Problemstellungen<br />

erkannt haben und zu Handlungen bereit sind. Jugendliche wünschen<br />

sich gar einen starken Staat, der umweltschädigendes Verhalten konsequent<br />

sanktioniert (<strong>Niebert</strong> 2008).<br />

Die Auswirkungen einer Ressourcensteuer auf die Einkommensverteilung ist ein<br />

grundlegender Faktor für die Akzeptanz derartiger ordnungspolitischer Maßnahmen<br />

(Baranzini 1997). Da Haushalte mit niedrigem Einkommen im Verhältnis entsprechend<br />

mehr Energiekosten zahlen müssen als Haushalte mit hohem Einkommen,<br />

wirken Ressourcen(nutzungs)steuern immer regressiv. Unterschiedliche Studien belegen<br />

die ungleich stärkere Belastung von Haushalten mit niedrigen Einkommen im<br />

Vergleich zu Haushalten mit hohem Einkommen. Je nach Höhe der Ressourcensteuern<br />

– und nach gerechnetem Modell – werden niedrige Einkommen mit ca.,<br />

2,4 % bis 10 % belastet, während hohe Einkommen mit 0,8 % bis 1,5 % belastet<br />

werden (Smith 1992; Poterba 1991). In der tatsächlichen Umsetzung von Ressourcensteuern,<br />

wie z. B. der Ökosteuer, scheinen die Auswirkungen weitaus geringer zu<br />

sein. Speck (1999) und auch Barker und Köhler (1998) konnten zeigen, dass – trotz<br />

der regressiven Wirkung von Ressourcensteuern – die Verteilungswirkungen relativ<br />

schwach sind und sich die Auswirkungen auf niedrige Einkommen nur sehr moderat<br />

auswirken. Die Auswirkungen wurden für die Besteuerung verschiedener Energieträger<br />

(Kohle, Gas, aber auch Benzin und Diesel) im Rahmen einer Energiesteuer errechnet.<br />

Nicht übersehen werden darf an dieser Stelle, dass sich auch ein Gegenwert<br />

zu den geleisteten Abgaben ergibt: Eine sauberere Umwelt, die allen zur Verfü-<br />

65


4. Zukunftspolitik und ihre sozialen Auswirkungen<br />

gung steht und unabhängig vom Einkommen zur Erholung genutzt werden kann.<br />

Barker und Köhler führen dies auf die leicht progressive Wirkung der Besteuerung<br />

von Mineralölen für den Verkehr zurück.<br />

Doch auch wenn die realen Verteilungseffekte relativ gering sind, ist das Verteilungsargument<br />

in der Diskussion um Ressourcensteuern ein gewichtiges. Im internationalen<br />

Maßstab zeigt sich an dieser Stelle der Widerstand der Entwicklungs- und<br />

Schwellenländer, die mit Gerechtigkeitsdebatten kontern, wenn der wohlhabende<br />

Westen eine nachhaltigere Politik einfordert (Poterba 1991).<br />

Umgang mit den Einnahmen aus der Ressourcenssteuer<br />

Die Erhebung einer zusätzlichen Steuer würde eine allgemeine Teuerung hervorrufen.<br />

Da diese Steuer aber nicht zum Ausgleich eines Haushaltsdefizits erfolgt, sondern<br />

um unsere Wirtschaftsweise in die richtige Richtung zu steuern, sollten die Einnahmen<br />

in geeigneter Form wieder zurückerstattet werden. Dazu bieten sich drei Varianten<br />

an, von denen zumindest zwei der Erhaltung bzw. der Wiedergewinnung des<br />

sozialen Gleichgewichts dienen<br />

(a) Freibetragsregelung<br />

Eine Grundidee ist die Festlegung eines Steuerfreibetrages für die lebensnotwendige<br />

Energienutzung. Die Idee dahinter ist die Sicherung eines menschenwürdigen<br />

Lebens bei gleichzeitiger Einschränkung eines verschwenderischen<br />

Energieverbrauchs. In den Niederlanden wurde mit der 1996 eingeführten Energiebesteuerung<br />

ein derartiger Freibetrag eingeführt. Eine Besteuerung findet dort<br />

erst oberhalb eines bestimmten Verbrauchs (800 m 3 Gas und 800 kW Strom),<br />

aber dafür stark progressiv statt (Alblas 1997). Dieses Modell ähnelt der Idee einer<br />

Personal Carbon Allowance, wie sie bei den Emissionszertifikaten diskutiert<br />

wurde.<br />

(b) Steuerliche Rückerstattung<br />

Möglichkeiten zur gerechten Gestaltung moderner Umweltpolitik werden unter<br />

dem Begriff »Eco-Bonus« diskutiert (Tindale & Hewitt 1999): Das durch Ressourcensteuern<br />

erzielte Steueraufkommen würde jährlich komplett an die Bürgerinnen<br />

und Bürger ausgeschüttet und zwar pro Kopf. Der ökonomische Anreiz, weniger<br />

Ressourcen zu verbrauchen, besteht nicht nur darin höhere Energiekosten zu<br />

vermeiden, sondern in der Chance, zusätzliche Einnahmen zu erzielen, sofern es<br />

gelingt, weniger Energie zu verbrauchen als der Durchschnitt der Bevölkerung.<br />

Dabei wirkt die Steuer progressiv, insoweit man erwarten kann, dass einkom-<br />

66


4. Zukunftspolitik und ihre sozialen Auswirkungen<br />

mensschwächere Haushalte einen geringeren Pro-Kopf-Energieverbrauch aufweisen<br />

(z. B. durch kleinere Wohnungen, weniger Haushaltsgeräte, keine bzw.<br />

Kleinere Kraftfahrzeuge, in höherem Maße Haushalte mit Kindern) (Elkins 2005).<br />

Inwieweit man auf eine umweltpolitikbedingte Steigerung der Kosten für einen<br />

ressourcenintensiven Alltag mit der Reorganisation der eigenen Lebenspraxis<br />

reagieren will, bleibt somit jedem selbst überlassen. Der Ansatz ist in dieser Hinsicht<br />

nicht nur gerechtigkeitsneutral, sondern auch in leicht nachvollziehbarer<br />

Form zu kommunizieren. Und dies ist angesichts der Diskussionen um Gerechtigkeitsprobleme<br />

bei der Ökosteuer nicht zu vernachlässigen. Große-Ruse (2002)<br />

konnte zeigen, dass die Rückerstattung der Einnahmen aus der Ökosteuer über<br />

die Senkung der Rentenversicherungsbeiträge häufig von den Steuerzahlerinnen<br />

und Steuerzahlern nicht nachvollzogen wird, was zu einer negativen Einschätzung<br />

von Umweltsteuern führt.<br />

Weitere Möglichkeiten eines sozialen Ausgleichs der Ressourcenbesteuerung ergeben<br />

sich aus einer Rückerstattung der eingenommenen Mittel an Unternehmen.<br />

Dies wird im Kanton Basel bereits mit der Rückerstattung der Stromsteuer<br />

praktiziert. Ressourcenschonend wirtschaftende Unternehmen, die mit vielen Arbeitskräften<br />

wenig Ressourcen verbrauchen, werden durch diese Rückerstattung<br />

bevorteilt. Ökologisch bewusst arbeitende Unternehmen erhalten einen zusätzlichen<br />

Vorteil, weil sie zwar genauso viel zurück erstattet bekommt wie die ökologisch<br />

weniger bewusst arbeitenden Unternehmen, aber entsprechend weniger<br />

Ressourcensteuern leisten müssen.<br />

Es ist also eine soziale und ökologische Umverteilung und gleichzeitig ein Beitrag<br />

zur Erhaltung der Lebensgrundlagen. Bei diesem Verfahren steigt zwar nominal<br />

das Preisniveau, es wird aber durch die Rückerstattung der Einnahmen aus der<br />

Ressourcensteuer wieder ausgeglichen.<br />

(c) Senkung der Lohnnebenkosten oder Einkommenssteuern<br />

Eine weitere Möglichkeit der Kompensation von Sonderbelastungen bei niedrigen<br />

Einkommen liegt in der Rückerstattung der gewonnenen steuerlichen Mehreinnahmen<br />

durch Senkung der Einkommenssteuern oder der Sozialabgaben bzw.<br />

Lohnnebenkosten (Barker 1992; Pearce 1991). Dies würde eine stärkere Wirkung<br />

in Richtung einer sozialen Umverteilung haben als eine pauschale Rückerstattung<br />

der Mehreinnahmen (Zhang & Baranzini 2004). Um vor allem die Arbeitsplätze zu<br />

entlasten, die von der Rationalisierung und den Verlagerungen in Niedriglohnländer<br />

betroffen sind, könnte alternativ zu einer Senkung des Beitragssatzes ein<br />

67


4. Zukunftspolitik und ihre sozialen Auswirkungen<br />

Freibetrag eingeführt werden. Damit werden die Kosten für jeden Arbeitsplatz in<br />

gleicher Höhe reduziert, prozentual aber sinken die Kosten für die geringer entlohnten<br />

Tätigkeiten stärker. Nach überschlägigen Erhebungen könnten für 10 %<br />

Ressourcensteuer die ersten 200 € an monatlichen Lohnzahlungen für den Arbeitgeber<br />

sozialbeitragsfrei bleiben. Das bedeutet bei einem Sozialbeitragssatz<br />

von 20 % für jeden sozialbeitragspflichtigen Arbeitsplatz eine Entlastung um<br />

480 € pro Jahr unabhängig von der Lohnhöhe.<br />

68


5. Umweltgerechtigkeit in Deutschland<br />

5. Umweltgerechtigkeit in Deutschland<br />

Zusammenfassung<br />

Umweltgerechtigkeit spielt nicht nur international, sondern auch in Deutschland eine<br />

zunehmend wichtige Rolle. Ungerechtigkeiten treten besonders da auf, wo Verursa-<br />

cher und Leidtragende unterschiedliche Personen sind: Während viele Probleme im<br />

Problem des Konsums von Besserverdienenden entstehen, tragen Schlechterverdie-<br />

nende stärker an den Kosten der Gegenmaßnahmen. Politik verlangt den Bürgerin-<br />

nen und Bürgern somit qualitativ unterschiedliche Beiträge zur Herstellung bzw. Si-<br />

cherung der Umwelt als öffentliches Gut ab. Will man die Lenkungswirkung von Prei-<br />

sen umweltpolitisch mit größerer Konsequenz nutzen, müssten sie ein Niveau errei-<br />

chen, das die Umweltkosten des Handelns einigermaßen angemessen widerspiegel-<br />

te. Die Lenkungswirkung höherer Preise für den Umweltverbrauch hängt dabei von<br />

der Höhe der jeweiligen Einkommen und der Preiselastizität der besteuerten Berei-<br />

che ab.<br />

Die Frage der sozialen Gerechtigkeit hat im Rahmen der deutschen Umweltdebatten<br />

schon immer eine große Rolle gespielt (Brand et al. 1997). Entweder wurde die soziale<br />

Gerechtigkeit aufgrund drohender Arbeitsplatzverluste zur Abwehr ökologischer<br />

Forderungen genutzt oder aber sie spielte bei der Auseinandersetzung um Standortentscheidungen<br />

für risikoträchtige bzw. gesundheitsbedrohende industrielle Anlagen<br />

eine Rolle.<br />

Die Bereitstellung öffentlicher Güter liegt im gemeinsamen Interesse aller Bürgerinnen<br />

und Bürger, kann aber nicht durch den Einzelnen unmittelbar gesichert werden.<br />

Im Umweltschutz geht es darum, die Bürgerinnen und Bürger durch kollektiv verbindliche<br />

Regelungen auf gemeinwohlorientiertes Handeln zu verpflichten oder notfalls an<br />

ihrer statt zu handeln. Soziale Gerechtigkeit im Sinne der Verteilungsgerechtigkeit<br />

dreht sich dabei im Kern um die Frage, nach welchen Prinzipien und mit welchen<br />

Konsequenzen eine Gesellschaft Handlungsoptionen und Handlungsfolgen an die<br />

Gesellschaftsmitglieder verteilt. Mit der räumlichen und zeitlichen Entgrenzung von<br />

Umweltfolgen (Beck 2007) wirft die Umweltproblematik auch darüber hinausreichende<br />

neue, ganz anders gelagerte Fragen sozialer Gerechtigkeit auf (Elkins 2005):<br />

(a) Wie sind Nutzungsrechte an kollektiven Umweltgütern (natürliche Ressourcen,<br />

Naturlandschaft) im globalen Maßstab zu regeln?<br />

69


5. Umweltgerechtigkeit in Deutschland<br />

(b) Wie lässt sich Umweltschutz mit Ansprüchen auf ökonomische Entwicklung<br />

vereinbaren?<br />

(c) Was folgt aus der unterschiedlichen Betroffenheit von Umweltfolgen, insbesondere<br />

dann, wenn man die unterschiedlichen Anteile an der Verursachung<br />

in Rechnung stellt?<br />

(d) Welche Konsequenzen ergeben sich aus der Generationengerechtigkeit und<br />

unserer Verantwortung gegenüber kommenden Generationen?<br />

Mit Blick auf die gerechtigkeitspolitische Problematik ist festzustellen, dass der umweltpolitisch<br />

beabsichtigte Druck hin zu einer ökologischen Rationalisierung der Lebensführung<br />

nicht auf alle Gesellschaftsmitglieder in gleicher Weise wirkt (Elkins<br />

2007). Der Wirkungsgrad steigt mit abnehmender Zahlungsfähigkeit: Der ungebremste<br />

Konsum von Umweltgütern ist jenen als Möglichkeit vorbehalten, die es sich leisten<br />

können. Die Tatsache, dass höhere Preise niedrige Einkommen stärker treffen,<br />

ist in der Logik des Marktes als Allokationsmechanismus angelegt.<br />

Aus der Perspektive des Gesellschaftsmitglieds als Adressat von Umweltpolitik bewegen<br />

sich die verfügbaren Handlungsalternativen zwischen zwei Extremen: Der<br />

Leistung höherer Zahlungen für die Fortführung einer gewohnten, ressourcenverbrauchenden<br />

Lebenspraxis auf der einen Seite und der Anpassung jener Lebenspraxis<br />

an ein niedrigeres Niveau des Umweltverbrauchs auf der anderen. Im Falle, dass<br />

es an der Zahlungsfähigkeit mangelt, sehen sich Bürgerinnen und Bürger genötigt,<br />

entsprechende Anpassungen der Lebenspraxis zu vollziehen. Mit derartigen Anstrengungen<br />

zur Reorganisation der Lebenspraxis und der damit verbundenen Minderung<br />

der Nutzung von Umweltgütern wird ein Beitrag zur Sicherung des öffentlichen<br />

Gutes geleistet. Diese Lenkungswirkung ist Ziel einer auf die Verteuerung von<br />

Umweltgütern ausgerichteten Umweltpolitik.<br />

Wird demgegenüber nicht durch Veränderungen in der Lebenspraxis den Mehrkosten<br />

ausgewichen, sondern stattdessen die Zahlung geleistet, ist damit jedoch nicht<br />

unbedingt ein realer Beitrag zur Sicherung des öffentlichen Gutes erbracht. Dieses<br />

Prinzip liegt auch dem Emissionshandel zugrunde: Jeder, der genügend Geld zur<br />

Verfügung hat, kann es sich leisten, die Umwelt zu verschmutzen. Das Recht zur<br />

Verschmutzung des Allgemeinguts Umwelt kann somit käuflich erworben werden.<br />

Hinsichtlich der Frage, inwieweit Zahlungen für umweltschädigendes Verhalten<br />

schließlich doch im Umweltschutz ankommen, sind zwei Fälle zu unterscheiden:<br />

a) Steigen die Kosten eines Produktes oder einer Dienstleistung, weil durch Produktion<br />

oder Nutzung Umweltabgaben fällig werden (Ressourcensteuern, Energiesteuern<br />

etc.), führt dies über kurz oder lang zu Vermeidungskosten. Das heißt es<br />

70


5. Umweltgerechtigkeit in Deutschland<br />

wird auf Güter ausgewichen, die in der Regel teurer sind, aber einen geringeren<br />

Ressourcenverbrauch mit sich bringen. Beispiele wären der Erwerb eines energieeffizienten<br />

Kühlschranks, eines nach ökologischen Standards produzierten<br />

Nahrungsmittels oder eines abgasarmen Automobils.<br />

b) In dem Fall hingegen, dass die Zahlung geleistet wird, um einen umweltschädigenden<br />

Konsum weiter durchführen zu können, findet keine unmittelbare Sicherung<br />

des öffentlichen Gutes statt. Ziel ist schließlich der Erwerb des Rechtes am<br />

Umweltverbrauch. Die entscheidende Frage ist daher, was mit den Einnahmen<br />

geschieht. Sofern sie in den allgemeinen öffentlichen Haushalten aufgehen, wird<br />

ein nachvollziehbarer Bezug zur Sicherung von Umweltgütern nicht herstellbar<br />

sein. Grundsätzlich besteht jedoch die Möglichkeit, diese Einnahmen mit der Sicherung<br />

von Umweltgütern in einen Zusammenhang zu stellen, über<br />

• die Reparatur der entstandenen Schäden (z. B. Wiederaufforstung, Sanierung<br />

von Gewässern). Hier wird versucht, den entstandenen Schaden an<br />

gleicher Stelle, wenn auch eventuell zeitlich versetzt, zu reparieren.<br />

• die Kompensation bzw. Substitution des Schadens (z. B. der Schaffung von<br />

Ausgleichsflächen für die Landnutzung, Finanzierung von Aufforstungsprojekten<br />

in Entwicklungsländern für den CO2-Ausstoß in Europa). An dieser<br />

Stelle ist noch ein Zusammenhang zwischen Schaden und Maßnahme erkennbar,<br />

auch wenn die Kompensation in der Regel örtlich verschieden<br />

vom Ort des Schadens stattfindet.<br />

• die Verwendung für Umweltschutzmaßnahmen an anderer Stelle (Betrieb<br />

eines Nationalparkhauses, Förderung von Innovationsprogrammen). Hierbei<br />

ist in der Regel kein Zusammenhang zwischen Schaden und Ausgleichsmaßnahme<br />

erkennbar.<br />

Das Grundproblem des zahlungsbasierten Beitrags liegt darin begründet, dass<br />

man die Umweltbelastungen am Punkt der sie erzeugenden Handlung akzeptiert und<br />

ein nur begrenzt möglicher Ausgleich erst später möglich ist.<br />

Politik verlangt den Bürgerinnen und Bürgern somit qualitativ unterschiedliche Beiträge<br />

zur Herstellung bzw. Sicherung der Umwelt als öffentliches Gut ab. Ob nun die<br />

Akteure durch entsprechende Reorganisation ihrer Lebenspraxis einen unmittelbaren<br />

Beitrag leisten oder sich durch entsprechende Zahlungen von einer solchen Reorganisation<br />

freikaufen können, hängt von ihrer Zahlungsfähigkeit und Zahlungsbereitschaft<br />

ab, wobei der autonome Entscheidungsspielraum mit abnehmender Zahlungsfähigkeit<br />

sinkt (Enkins 2005). Will man die Lenkungswirkung von Preisen umweltpolitisch<br />

mit größerer Konsequenz nutzen, müssten sie ein Niveau erreichen, das die<br />

71


5. Umweltgerechtigkeit in Deutschland<br />

Umweltkosten des Handelns einigermaßen angemessen widerspiegelte. Man würde<br />

dabei in Preisregionen vordringen, die durchaus spürbar wären. Die Lenkungswirkung<br />

höherer Preise für den Umweltverbrauch hängt dabei von zwei Faktoren ab:<br />

(a) Die Höhe der Einkommen entscheidet über die Konsumverhältnisse. Die Ungerechtigkeiten<br />

unterschiedlicher Einkommensverhältnisse sind seit jeher<br />

Thema sozialdemokratischer Politikgestaltung gewesen.<br />

(b) Die Preiselastizität des jeweiligen Produkts entscheidet über seine Nutzung.<br />

Dabei stellt sich die Frage nach objektiven, aber besonders auch subjektiven<br />

Handlungsalternativen. Ist die Preiselastizität niedrig (Ernährung bei ALG II-<br />

Empfängern), kann man von einer Erhöhung des Preises wenig Steuerungswirkung<br />

erwarten. Die Nachfrage nach Gütern ist dort in hohem Maße preiselastisch,<br />

wo der Bedarf wenig dringlich (Kinobesuche) oder das fragliche Gut<br />

ersetzbar ist (im Restaurant essen gehen).<br />

An das Einkommen gekoppelt ist auch häufig die Möglichkeit, umweltschonendere<br />

Lebensperspektiven zu wählen. So erfordert in manchen Fällen die Wahrnehmung<br />

umwelteffizienter Optionen zunächst Investitionen (etwa in energieeffiziente Haushaltsgeräte),<br />

die sich zwar langfristig amortisieren, aber kurzfristig ohne entsprechende<br />

Mittel nicht zu tätigen sind. Kann man die erforderlichen Vorleistungen nicht<br />

aufbringen, ist man gezwungen, den Umweltverbrauch an diesen Punkten entweder<br />

durch veränderte Praktiken einzuschränken oder eben die erhöhte Zahlung zu leisten.<br />

Wichtige Parameter des Umweltverbrauchs der privaten Haushalte unterliegen häufig<br />

gar nicht deren Zugriff: Warmwasser und Heizung sind nicht nur einer der größten<br />

CO2-Emittenden im Privathaushalt, sondern auch jetzt schon ein wesentlicher Kostenfaktor.<br />

Die Effizienz an dieser Stelle wird jedoch über die Heizungsanlage und<br />

die Wärmedämmung des Gebäudes bestimmt. Derartige Investitionsentscheidungen<br />

werden in Mietwohnungen, wo Bevölkerungsteile mit geringerer Zahlungsfähigkeit in<br />

der Regel wohnen, zumeist allein von Hausbesitzern getroffen.<br />

Nicht nur international, sondern auch national treffen unterschiedlich konzentrierte<br />

Umweltbelastungen in stärkerem Maße die Teile der Bevölkerung, die sie gar nicht<br />

verursachen. Denn gerade infolge einer begrenzten Zahlungsfähigkeit können sie<br />

sich oftmals den Belastungen nicht entziehen, die durch jene verursacht werden, die<br />

es sich leisten können, umweltbeeinträchtigende Praktiken fortzusetzen. Ein typisches<br />

Beispiel dieser Art wäre, auf ein eigenes Auto zu verzichten, dabei dennoch in<br />

72


5. Umweltgerechtigkeit in Deutschland<br />

hohem Maße verkehrsbedingten Schadstoff- und Lärmemissionen im preislich günstigen<br />

Wohnumfeld ausgesetzt zu sein.<br />

Deutlich wird, dass in der deutschen Umweltpolitik die Frage der Gerechtigkeit stärker<br />

ins Blickfeld rücken sollte. Gesellschaftliche Akteure, parlamentarisch wie außerparlamentarisch,<br />

müssen Fragen diskutieren, die grundlegend für unsere Umweltpolitik,<br />

aber auch für unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt sind: Welche Art von<br />

Sozialpolitik ist nötig, um auf globaler Ebene den Erhalt der Lebensbedingungen von<br />

Pflanzen, Tieren und Menschen zu sichern? Wie können Chancen und Risiken auf<br />

alle Gesellschaftsmitglieder verteilt werden? Wollen wir in einen Ökokapitalismus<br />

steuern, der Umweltschutz nur als einen weiteren Kostenfaktor nutzt, um die Menschen<br />

auszubeuten? Oder können wir es schaffen, durch den Ausbau sozialer Rechte<br />

und den Erhalt materieller Sicherungsniveaus breite Bevölkerungsschichten zu einer<br />

selbstbestimmten, ökologisch verantwortlichen Lebensführung zu befähigen?<br />

Diese Fragen harren nach wie vor einer Antwort. Wer eine nachhaltige Gesellschaft<br />

gestalten will, wird sie beantworten müssen.<br />

73


6. Handlungsempfehlungen<br />

6. Handlungsempfehlungen<br />

Ein Vergleich der verschiedenen Ansätze und Studien zeigt: Eine nachhaltige Umweltpolitik<br />

ist möglich – und sie lohnt sich! Und zwar sowohl für die Umwelt als auch<br />

für die Wirtschaft. Die Analysen kommen unabhängig voneinander zu dem Schluss,<br />

dass sich eine richtig gestaltete Umweltpolitik positiv auf das Wirtschaftswachstum<br />

und die Beschäftigung auswirken. Mit der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit wäre auch<br />

ein wichtiger Meilenstein in einer wirksamen Sozialpolitik erreicht. Die präsentierten<br />

Ansätze und Studien haben jedoch auch gezeigt, dass von Umweltpolitik immer auch<br />

Verteilungswirkungen – positive wie negative – ausgehen. Es müssen somit Instrumente<br />

geschaffen werden, die die Verteilungswirkungen angemessen steuern. In einer<br />

Gesellschaft, in der Fragen sozialer Gerechtigkeit virulent sind, ist der umweltpolitische<br />

Handlungsspielraum eingeschränkt. Politikgestaltung, die eine nachhaltige,<br />

ressourcenschonende und klimafreundliche Gesellschaft als Vision hat, muss somit<br />

auch die soziale Perspektive ihrer Umweltpolitik im Blick haben. Angesichts der Dimension<br />

globaler Umweltprobleme müssen daher die gegenwärtig in modernen kapitalistischen<br />

Gesellschaften zu beobachtenden Erosionstendenzen in den Institutionen<br />

sozialer Sicherung (Elkins 2007) jeden an einer nachhaltigen Politik interessierten<br />

Menschen alarmieren. In einer solchen Situation muss Umweltpolitik zur Sicherung<br />

ihrer Handlungsspielräume darauf bedacht sein, die in der Gesellschaft herrschenden<br />

Gerechtigkeitsdefizite nicht zusätzlich zu verschärfen. Wirksame Umweltpolitik<br />

wird freilich nicht auf die Vorteile verzichten können, eine Steuerungswirkung<br />

über den Preis von ressourcenintensiven Gütern zu vermitteln. Doch gerade dabei ist<br />

es am sinnvollsten fürs Erste die Frage der Umweltpolitik von der Frage der Sozialpolitik<br />

zu trennen. Decker (1994) schlägt vor, die »Gestaltung auf der Einnahmenund<br />

Ausgabenseite jeweils unterschiedlichen Zielvorstellungen zu unterwerfen«. Die<br />

Erhebung von Steuern und Abgaben sei demnach strikt am umweltpolitischen Verursacherprinzip<br />

zu orientieren, während auf der Verwendungsseite das erzielte Steueraufkommen<br />

dazu dienen solle, »unbillige soziale Härten einer Abgabenbelastung<br />

aufzufangen und auszugleichen (durch Transferzahlung u. ä.)«. Hierfür spricht auch<br />

das Nonaffektionsprinzip, das die Kopplung von staatlichen Einnahmen an eine bestimmte<br />

Ausgabe untersagt. Jede staatliche Einnahme generiert staatliches Einkommen.<br />

Über die Ausgaben muss an anderer Stelle entschieden werden. Wir müssen<br />

Umweltpolitik also so gestalten, dass die Einnahmen groß genug sind, um a)<br />

Umweltschäden auszugleichen und b) einen sozialen Ausgleich herbei zu führen.<br />

Welche Instrumente können nun einen Weg in die Zukunft weisen? Prinzipiell gibt es<br />

verschiedene Wege, einen sozialverträglichen Umweltschutz zu gewährleisten. Im<br />

74


6. Handlungsempfehlungen<br />

Folgenden sind verschiedene Handlungsmöglichkeiten aufgeführt. Dabei wird unterschieden<br />

zwischen Lösungen, die auf bestehende Instrumente aufbauen und diese<br />

erweitern, und Instrumenten, die ganzheitliche Lösungen anbieten, aber eher langfristig<br />

umsetzbar sind. Die folgenden Vorschläge sind keine operationalisierten Feinziele<br />

einer nachhaltigen Politikgestaltung, es werden somit keine Grenzwerte, Prozentsätze<br />

oder Beträge diskutiert. Die Vorschläge richten sich eher in einem mittleren<br />

Abstraktionsgrad als Richtziele auf die soziale Gestaltung einer zukunftsgerichteten<br />

Umweltpolitik aus:<br />

I. Weiterentwicklung der Ökologischen Steuerreform<br />

Um eine schnelle und flächendeckende Einführung regenerativer Energien, effizienter<br />

Technologien und suffizienter Verhaltensweisen zu erreichen, müssen die Preise<br />

fossiler Energien über einen langen Zeitraum hinweg in kleinen Schritten vorhersehbar<br />

steigen. Diese Besteuerung soll sämtliche fossilen Primärenergieträger (Kohle,<br />

Öl, Gas, Uran) betreffen und eine reale Verteuerung von ca. fünf Prozent jährlich<br />

beim Endverbraucher bewirken. Dabei sollen die Steuersätze die Klimaschädlichkeit<br />

des jeweiligen Energieträgers berücksichtigen. Die Steuerbegünstigung des Flugverkehrs<br />

bei der Mineralöl-, Öko- und Mehrwertsteuer muss umgehend beendet werden.<br />

Eine Weiterentwicklung der ökologischen Steuerreform ist eine große Chance unserer<br />

Gesellschaft: Sie vermindert die Umweltbelastungen erheblich, belebt den Arbeitsmarkt,<br />

schafft mehr soziale Gerechtigkeit, stärkt die lokale Wirtschaft, macht die<br />

Volkswirtschaft unabhängiger und erschließt neue Exportmöglichkeiten.<br />

II. Einführung von Ressourcensteuern<br />

Zukünftig muss neben der Besteuerung des Energieverbrauchs auch eine Besteuerung<br />

des Rohstoffverbrauchs stattfinden. Dabei müssen alle Rohstoffe, auch industriell<br />

verarbeitete nachwachsende Rohstoffe, wie z.B. Holz mit einbezogen werden.<br />

Es werden dabei jedoch nur die Rohstoffe oder Rohstoffanteile eines Produktes besteuert<br />

und nicht ein Produkt, das bereits den Produktionsfaktor Arbeit beinhaltet. Die<br />

Besteuerung müsste an dem Einsatz von Metallen in den metallverarbeitenden Industrien<br />

und am Einsatz von Mineralien in der Bauwirtschaft und in der Branche Glas,<br />

Keramik ansetzen. Die Kohle braucht nicht explizit an dieser Stelle besteuert zu werden,<br />

weil sie durch den Emissionshandel der energieintensiven Branchen des produzierenden<br />

Gewerbes bereits erfasst wird.<br />

Wenn eine staatliche Einkommensneutralität gewünscht ist, ist eine Rückvergütung<br />

des Steueraufkommens an die durch die Zahlung belastete Branche der probate Ansatz.<br />

Durch die direkte Rückvergütung des Steueraufkommens an die zahlende<br />

75


6. Handlungsempfehlungen<br />

Branche kann eine Belastung der Branche insgesamt vermieden werden und gleichzeitig<br />

der Steuerungseffekt auf die CO2-Emissionen erhalten bleiben.<br />

III. Überarbeitung des Nationalen Allokationsplans für den Emissionshandel<br />

Ziel einer nachhaltigen Emissionszertifizierung muss die Versteigerung aller CO2-<br />

Zertifikate sein, die im Rahmen des Emissionshandels ausgegeben werden. Es werden<br />

somit reale Preise für den CO2-Ausstoß verlangt. Die Mehrbelastungen, die für<br />

die Unternehmen auftreten, können zur Sicherstellung der internationalen Konkurrenzfähigkeit<br />

ausgeglichen werden, indem die staatlichen Mehreinnahmen rückvergütet<br />

werden. Dies könne durch verschiedene Umlageverfahren innerhalb des jeweiligen<br />

Produktionsbereiches geschehen. So würde nicht ein ganzer Industriezweig<br />

benachteiligt, sondern nur die ressourcenintensiven Unternehmen in dem jeweiligen<br />

Zweig müssten zugunsten der rohstoffproduktiven Unternehmen mehr Zertifikate<br />

kaufen.<br />

IV. Umgestaltung des Mehrwertsteuersystems<br />

Durch eine einfache Veränderung werden die Preise für alle Dienstleistungen gesenkt<br />

und der Verbrauch von rohstoff- und energieintensiven Produkten teurer. Dies<br />

wird dazu führen, dass mehr Instandhaltungs- und Reparaturleistungen in Anspruch<br />

genommen werden. Zusätzlich werden sich positive Effekte zur Bekämpfung der<br />

Schattenwirtschaft ergeben.<br />

V. Ordnungspolitische Maßnahmen<br />

Der Passivhausstandard muss für alle neuen Gebäude (Wohn-, Geschäfts- und öffentlichen<br />

Gebäude) als Energiestandard gesetzt werden Darüber hinaus müssen die<br />

Mindestanforderungen an die Energie-Effizienzklasse für bestehende Gebäude angehoben<br />

werden, verbunden mit zinsgünstigen Kreditangeboten.<br />

Darüber hinaus sollte das Top-Runner-Prinzip mit einem Benchmarking der besten<br />

25 % einer Gerätekategorie gesetzlich verankert werden. Daran anschließend erfolgt<br />

die Einführung einer Kennzeichnungspflicht für den Energieverbrauch der Geräte.<br />

Der Richtwert wird innerhalb von fünf Jahren zum Grenzwert, sodass der durchschnittliche<br />

Energieverbrauch aller verkauften Geräte unter diesem Wert liegen<br />

muss.<br />

Die Bereitschaft von Unternehmen, ökologische Risiken einzugehen, ginge rasch zurück,<br />

wenn es keine Haftungsbeschränkungen gäbe. Es bedarf somit wirtschaftlich<br />

wie ökologisch sinnvoller Haftungsregeln, die Innovationen fördern und Schaden von<br />

der Gesellschaft abwenden.<br />

76


6. Handlungsempfehlungen<br />

VI. Überprüfung des Subventionssystems<br />

Sämtliche direkten und indirekten Subventionen, wie die Subventionierung des Kohleabbaus,<br />

die kostenlose Bereitstellung polizeilicher Überwachung von Atommüll-<br />

Transporten, die steuerliche Entlastung von Dieseltreibstoffen, die Umsatzsteuerbefreiung<br />

im internationalen Flugverkehr sind aufzuheben. Der bis 2018 vorgesehene<br />

Ausstieg aus der Subventionierung des Steinkohlebergbaus in Deutschland muss<br />

beschleunigt werden. Studien belegen, dass dies sozialverträglich geschehen kann<br />

und bei gleichzeitiger Förderung Erneuerbarer Energien und der Gebäudesanierung<br />

sogar mehr neue Arbeitsplätze entstehen als im Bergbau wegfallen (UBA 2003).<br />

VII. Schaffung eines sozialen Ausgleichs<br />

Wollen wir das Verhalten und die Konsumgewohnheiten des Einzelnen verändern,<br />

müssen wir die Menschen in die Lage versetzen, Chancen und Gefahren ihres Handelns<br />

zu erkennen. Doch Strategien zur Aufklärung und Sensibilisierung müssen von<br />

der Schaffung sozialer und materieller Voraussetzungen einer nachhaltigen Lebensführung<br />

begleitet werden. Es ist unerlässlich bei allen Gesellschaftsmitgliedern eine<br />

Übernahme der Verantwortung für die direkten und indirekten Folgen des eigenen<br />

Konsumverhaltens einzufordern. Es muss jedoch auch beachtet werden, dass diese<br />

Möglichkeiten verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen in unterschiedlichem Ausmaß<br />

offen stehen. Voraussetzung für eine Reaktionsfähigkeit auf umweltpolitische<br />

Steuerungsmaßnahmen ist ein ausreichendes Maß an institutionell garantierter materieller<br />

Sicherheit für alle Bürgerinnen und Bürger, welches Spielräume für eine<br />

selbstbestimmte Lebensführung eröffnet. Ermöglicht werden kann dies dadurch, dass<br />

das durch Energie- und Ressourcensteuern generierte zusätzliche Einkommen des<br />

Staates in einen Eco-Bonus fließt, der pro Kopf der Bevölkerung ausgezahlt wird. Im<br />

Vergleich zur Senkung der Lohnnebenkosten wäre ein Eco-Bonus verteilungspolitisch<br />

progressiv und kompensiert damit die regressiven Verteilungseffekte der Ökosteuer.<br />

Der Eco-Bonus würde die Zustimmung zur Öko-Steuer erhöhen, da die<br />

Rückvergütung eine direkt messbare finanzielle Entlastung darstellt und somit auch<br />

direkt erkennbar ist.<br />

VIII. Personal Carbon Trading<br />

Langfristig ist die Einführung des Personal Carbon Trading eine attraktive Maßnahme<br />

zur Senkung der CO2-Emissionen. Interessant ist diese Lösung vor allem deshalb, da<br />

sie einfach zu kalkulieren und aufgrund der Nachvollziehbarkeit und Gleichberechtigung<br />

von Unternehmen und Privatpersonen auch eine große gesellschaftliche Akzeptanz<br />

erwarten lässt. Dabei werden nach Festlegung von kurz-, mittel- und langfri-<br />

77


6. Handlungsempfehlungen<br />

stigen Emissionsminderungszielen die Emissionsrechte aufgeteilt: Ein Teil (ca. 40 %)<br />

wird Privatpersonen kostenlos zur Verfügung gestellt. Die restlichen Zertifikate (ca.<br />

60 %) werden versteigert und können von Unternehmen oder Privatpersonen erworben<br />

werden. Die Freibeträge für Privatpersonen sollen negative Effekte besonders<br />

für finanzschwache Privathaushalte verhindern, die bei einer Besteuerung von Emissionen<br />

ohne Freibeträge auftreten könnten. Letztendlich würden emissionssparsame<br />

Privathaushalte bei entsprechender Nachfrage durch den Verkauf nicht verbrauchter<br />

Emissionsrechte verdienen können. In diesem Bereich sind jedoch noch Machbarkeitsstudien<br />

und auch Untersuchungen über die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen<br />

erforderlich.<br />

IX. Ausbau des Netzwerks Ressourceneffizienz<br />

Zum Vorantreiben der ökologischen Modernisierung muss ein Netzwerk Energie- und<br />

Ressourceneffizienz gegründet werden, in dem schwerpunktmäßig Ingenieure,<br />

Techniker, Planer, aber auch Gewerkschaften und Sozialwissenschaftler mitarbeiten.<br />

Das Netzwerk muss fachübergreifend und praxisorientiert angelegt sein. Es sammelt<br />

Vorschläge zur Effizienzsteigerung über die gesamte Wertschöpfungskette. Das<br />

praktische Wissen wird über eine Internetplattform, Materialien, Broschüren und Veranstaltungsreihen<br />

einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht – mit Partnern<br />

vor allem in den Gewerkschaften und der mittelständischen Wirtschaft. Erstes Ziel ist<br />

ein deutsches Kompetenzzentrum zur Steigerung der Ressourceneffizienz im Sinne<br />

einer »Servicestelle für Effizienztechnologien«. Sie sollte auf folgenden Säulen basieren:<br />

• Servicestelle für Ressourceneffizienz und Effizienztechnologien<br />

Der Aufbau einer "Servicestelle" auf der Grundlage des Netzwerks Ressourceneffizienz<br />

umfasst eine Datenbank mit Best-Practice-Beispielen für Effizienztechnologien,<br />

Umwelttechnologieatlas, Unternehmenskartei mit Umwelttechnologien,<br />

die kontinuierlich aktualisiert wird, aktuelle Informationen zu Veranstaltungen,<br />

Forschungsergebnissen, Newsletter, etc. sowie die Betreuung des Netzwerks<br />

Ressourceneffizienz. Gleichzeitig geben Experten Auskünfte über Effizienztechnologien,<br />

Finanzierungs- und anwendungsorientierte Beratung. Die Servicestelle<br />

wird zum deutschen Kompetenzzentrum für angewandte Effizienztechnologien<br />

ausgebaut.<br />

• Pilotprojekte mit Demonstrationscharakter<br />

Durchführung von Pilotprojekten, die im Netzwerk Ressourceneffizienz entwickelt<br />

werden (z.B. Branchendialoge, Beratungs- und Weiterbildungskonzepte, allge-<br />

78


6. Handlungsempfehlungen<br />

mein anerkannte Berufsqualifikation eines "Effizienztechnikers" oder „Ressourceneffizienzmanagers“).<br />

Sie haben einen starken Industriebezug, auch z.B.<br />

durch Veranstaltungen auf lokaler und regionaler Ebene in Unternehmen für Unternehmen,<br />

um insbesondere KMU für das Thema zu gewinnen.<br />

• Kampagne für mehr Ressourceneffizienz für unterschiedliche Zielgruppen<br />

Ziel ist eine Kommunikationsstrategie und zielgruppenspezifische Kampagnen<br />

zur strategischen Bedeutung der Materialien und Ressourceneffizienz.<br />

• Internationale Perspektive<br />

Mit Hilfe von Servicestelle und Netzwerk wird eine europäische oder internationale<br />

Initiative zur Steigerung der Ressourceneffizienz entwickelt. Ansatzpunkte sind<br />

eine europäische Sekundärrohstoffstrategie oder eine internationale Konferenz<br />

zur Steigerung der Ressourceneffizienz (Vorbild Renewables 2004).<br />

79


7. Fazit<br />

7. Fazit<br />

Der Klimawandel ist in erster Linie eine Frage der Gerechtigkeit. Die Folgen unseres<br />

Wirtschaftens auf fossiler Basis werden die Welt stark verändern. Dabei wird es jedoch<br />

nicht um das Überleben der Natur oder den Untergang der Welt gehen, sondern<br />

einzig und allein um das Wohlergehen der Menschheit. Klimaschutz basiert<br />

nicht auf ökoromantischen Vorstellungen einer heilen grünen Welt, die vor dem Profitstreben<br />

Einzelner geschützt werden muss. Klimaschutz wird von Menschen für<br />

Menschen gemacht. Leidtragende des Klimawandels sind die Menschen, die sich<br />

keine teuren Anpassungsmaßnahmen leisten können: Die Menschen in den Entwicklungsländern<br />

genauso wie die sozial Schwachen im industrialisierten Westen.<br />

Von der Industrialisierung des Ackerbaus bis hin zur Technisierung unseres Alltags<br />

diente alles, was wir an Innovationen entwickelt haben, dazu, immer mehr in immer<br />

kürzerer Zeit zu schaffen. Daran ist erst einmal auch nichts Falsches erkennbar. Problematisch<br />

wird das Streben nach dem »Mehr« jedoch, wenn es an ein immer<br />

»Mehr« an Ressourcenverbrauch gekoppelt ist. Schon einem Kind, das in der Schule<br />

seine ersten Kontakte mit der Mathematik macht, wird auffallen, dass ein ständiges<br />

Wirtschaftswachstum nur möglich ist, wenn es nicht auch ein ständiges Wachstum<br />

an Ressourcenverbrauch ist. Solange wir es nicht schaffen, Wirtschaftswachstum<br />

und Ressourcennutzung zu entkoppeln, also von einem quantitativen zu einem qualitativen<br />

Wirtschaftswachstum überzugehen, wird der Ressourcenverbrauch exponentiell<br />

ansteigen. Der Topf an natürlichen Öl-, Kohle- oder auch Erzvorkommen wird<br />

somit irgendwann leer sein. Er leert sich in exponentieller Geschwindigkeit!<br />

Die Debatte um den Klimaschutz droht jedoch immer mehr zu einem neoliberalen<br />

Paradigma zu werden. So zeigen die Studien vom Stern-Report über das Aachener<br />

Szenario bis hin zur Analyse der Meseberger Beschlüsse, dass sich Klimaschutz<br />

durchaus rechnet. Ohne Zweifel kann der ökologische Umbau unserer Gesellschaft<br />

ein profitables Geschäft sein. Wird der Klimawandel jedoch auf eine Kosten-Nutzen-<br />

Rechnung reduziert, geraten Prinzipien wie ökologische Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit<br />

aus dem Blick. Klimaschutz ist in erster Linie ein Frage der ökologischen und<br />

sozialen Notwendigkeit. Erst wenn diese Fragen geklärt sind, können wir uns die<br />

Frage der Kosteneffizienz leisten.<br />

Es konnte gezeigt werden, dass wir in der glücklichen Lage sind, unsere Gesellschaft<br />

umzubauen und dabei auch über wachsende Beschäftigungszahlen und ein steigendes<br />

Wirtschaftswachstum für mehr soziale Gerechtigkeit sorgen zu können. Die vorgestellten<br />

Bausteine auf dem Weg in eine ressourcenschonende Zukunft können da-<br />

80


7. Fazit<br />

bei jedoch nicht mehr als ein Anfang sein. Sie funktionieren aber nur dann, wenn jeder<br />

Einzelne bereit ist, seinen Beitrag zu leisten. Wir brauchen ein Umdenken bei Ingenieuren,<br />

die für intelligente Produktionsverfahren forschen müssen, bei Verantwortlichen<br />

in Unternehmen, die ihr Handeln an einer nachhaltigen Entwicklung ihres<br />

Unternehmens und nicht an kurzfristigen Renditesprüngen orientieren, aber auch bei<br />

jedem im Zuhause, wo man sich fragen sollte, ob es immer größere Autos und Fernseher<br />

sein müssen, die uns den Alltag (bitter) versüßen. Einem Verantwortlichen eines<br />

DAX-Unternehmens stehen an vielen Stellen sicherlich andere Möglichkeiten offen<br />

als einem Empfänger bzw. einer Empfängerin von Transferleistungen. Die hinter<br />

dem persönlichen Handeln stehenden Werte sind jedoch erst einmal unabhängig von<br />

den gesellschaftlichen Leistungsmöglichkeiten zu betrachten. Was wir brauchen, ist<br />

ein Wertewandel in der Gesellschaft. In einer Welt, die sich an einer »Geiz-ist-Geil«-<br />

Mentalität orientiert, in der ein Staat Löhne bezuschussen soll, weil niemand bereit<br />

ist, ein Produkt so zu bezahlen, dass die Produzierenden satt werden und in der die<br />

Steigerung des Profits auf Kosten von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zum Fetisch<br />

geworden ist, wird ein nachhaltiges Leben nicht möglich sein.<br />

Die deutsche Sozialdemokratie hat sich seit dem 19. Jahrhundert für eine Gesellschaftsordnung<br />

eingesetzt, die nicht Konsum und Profit in den Mittelpunkt ihres Strebens<br />

stellte, sondern Freiheit, Solidarität und Gerechtigkeit. Nur wenn wir heute gemeinsam<br />

und solidarisch unser Wirtschaften ressourcenschonend umbauen, können<br />

wir ein Klima erreichen, das Chancen und Gefahren dieser Welt gerecht verteilt. Nur<br />

so werden wir auch morgen von Klimakatastrophen und Kriegen um Wasser, Erdöl<br />

oder Nahrungsmittel verschont bleiben und können in Freiheit leben.<br />

Handeln hingegen, müssen wir jetzt.<br />

81


8. Literatur<br />

8. Literatur<br />

Zitierte Literatur<br />

AACHENER STIFTUNG KATHY BEYS (2005): Ressourcenproduktivität als Chance. Ein<br />

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der Effekte der Ökologischen Steuerreform auf Umwelt, Beschäftigung und<br />

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Forschungsprojekt im Auftrag des Umweltbundesamtes<br />

84


8. Literatur<br />

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85

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