Kai Niebert: - Parlamentarische Linke
Kai Niebert: - Parlamentarische Linke
Kai Niebert: - Parlamentarische Linke
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
<strong>Kai</strong> <strong>Niebert</strong>:<br />
<strong>Parlamentarische</strong> <strong>Linke</strong> der SPD-Bundestagsfraktion (Hrsg.)
Die grüne Zukunft rot gestalten<br />
Perspektiven einer sozialen Umweltpolitik<br />
der <strong>Parlamentarische</strong>n <strong>Linke</strong>n in der SPD Bundestagsfraktion<br />
<strong>Kai</strong> <strong>Niebert</strong><br />
Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut<br />
für Didaktik der Naturwissenschaften der<br />
Leibniz Universität Hannover<br />
Bundesvorsitzender der<br />
Naturfreundejugend Deutschlands<br />
http://niebert.biodidaktik.uni-hannover.de/<br />
<strong>Kai</strong> <strong>Niebert</strong><br />
April 2008
Vorwort<br />
Die vorliegende Arbeit zu Perspektiven einer sozialen Umweltpolitik von <strong>Kai</strong> <strong>Niebert</strong><br />
setzt eine Reihe fort, mit der die <strong>Parlamentarische</strong> <strong>Linke</strong> der SPD-Bundestagsfraktion<br />
aktuelle Diskussionen begleitet und daraus Handlungsoptionen für eine<br />
sozialdemokratische Politik ableitet. Die bisher erschienenen Reader und weitere<br />
Materialien sind hinterlegt auf der Homepage: www.parlamentarische-linke.de<br />
Es genügt heute nicht mehr, sich im Rahmen eines Zweiklangs von Wirtschaftskraft<br />
und Sozialstaatlichkeit zu bewegen, um eine Politik zu formulieren, die das<br />
Markenzeichen der Sozialdemokratie trägt: Gerechtigkeit. Vielmehr brauchen wir hier<br />
den Dreiklang von ökonomischer Wertschöpfung, ökologischer Nachhaltigkeit und<br />
sozialer Gerechtigkeit. Wie lassen sich diese drei Leitziele in eine intelligente<br />
Balance bringen? Das ist heute die Schlüsselfrage, die eine moderne<br />
Sozialdemokratie beantworten muss.<br />
Denn der Klimawandel, die Vernutzung unserer natürlichen Ressourcen und eine<br />
wachsende Umweltverschmutzung führen dazu, dass sich das Verhältnis von<br />
Ökonomie und Ökologie qualitativ verändert, nicht zuletzt weil die soziale Dimension<br />
immer stärker in den Fokus rückt: Nicht nur weil es darum geht, gute Beschäftigung<br />
zu sichern und zu schaffen. Sondern eine saubere Umwelt und der Zugang zu<br />
bezahlbarer Energie werden unter sozialen Gesichtspunkten immer wichtiger. Hohe<br />
Energiekosten beispielsweise treffen jene besonders, die nur über ein geringes<br />
Haushaltseinkommen verfügen. Und die katastrophalen Folgen des Klimawandels<br />
oder die schleichenden Auswirkungen von Feinstaub – um zwei Beispiele zu<br />
nennen°– betreffen Menschen sehr unterschiedlich und korrelieren vielfach mit<br />
sozialstrukturellen Faktoren. Die traurige Regel lautet: Je ärmer, um so negativer die<br />
Auswirkungen und immer höher die Belastungen.<br />
Der Markt allein findet hier einmal mehr nicht zu Lösungen. Wir brauchen einen<br />
Staat, der als Pionier neue Wege zu innovationsorientierter und sozial gerechter<br />
Umwelt- und Wirtschaftspolitik weist. Er kann und muss mit anspruchsvollen<br />
Benchmarks und Grenzwerten Innovationsimpulse geben. Dazu können wir vielfach<br />
die Marktkräfte nutzen, aber eben im Sinne einer Unterstützung, nicht einer<br />
Unterordnung. Der Emissionshandel und die Ökosteuer aus der Zeit rot-grüner<br />
Bundesregierung zeigen, mit welchen Instrumenten dies organisiert werden kann.<br />
Vollständig wird die Diskussion dieser Fragen aber nur, wenn man auch ihre globalen<br />
Auswirkungen berücksichtigt. Die Industrieländer haben die Erderwärmung zwar<br />
verursacht und sind daher auch als Erste in der Pflicht. Um das Problem zu<br />
begrenzen müssen aber auch die Entwicklungs- und Schwellenländer mitziehen.<br />
Dazu werden sie nur bereit sein, wenn die Industrieländer sie dabei unterstützen:<br />
Weniger Erwärmung gibt es nur mit mehr Gerechtigkeit, wie es Fritz Vorholz in der<br />
ZEIT formulierte.<br />
Die vorliegende Arbeit kann zur Diskussion dieser Fragen nur einen ersten Schritt<br />
leisten. Die <strong>Parlamentarische</strong> <strong>Linke</strong> der SPD-Bundestagsfraktion wird die Debatte<br />
weiter fortführen. Aber eines ist gewiß: Die Grüne Frage wird rot.<br />
Ernst Dieter Rossmann<br />
Sprecher der <strong>Parlamentarische</strong>n <strong>Linke</strong>n<br />
April 2008
Inhaltsverzeichnis<br />
1. EINLEITUNG................................................................................................................................... 5<br />
2. HERAUSFORDERUNGEN DES 21. JAHRHUNDERTS................................................................ 7<br />
2.1. Die Folgen des Klimawandels ....................................................................................................... 7<br />
2.2. Das globale Bevölkerungswachstum............................................................................................. 8<br />
2.3. Veränderungen in der Weltwirtschaft ............................................................................................ 9<br />
2.4. Umweltgerechtigkeit und soziale Gerechtigkeit........................................................................... 10<br />
3. WAS MUSS GESCHEHEN?......................................................................................................... 14<br />
3.1. Den Dingen ihren wahren Wert geben ........................................................................................ 15<br />
3.2. Der Emissionshandel................................................................................................................... 17<br />
3.3. Personal Carbon Trading............................................................................................................. 22<br />
3.4. Energieverbrauch im Haushalt .................................................................................................... 24<br />
3.5. Ressourcensteuern...................................................................................................................... 26<br />
3.6. Effizienagenturen......................................................................................................................... 36<br />
3.7. Ordnungspolitische Instrumente: Das Top-Runner-Prinzip......................................................... 37<br />
3.8. Suffizienzstrategien ..................................................................................................................... 38<br />
4. ZUKUNFTSPOLITIK UND IHRE SOZIALEN AUSWIRKUNGEN................................................ 43<br />
4.1. Der Stern Report.......................................................................................................................... 43<br />
4.2. Das Aachener Szenario............................................................................................................... 47<br />
4.3. Beschäftigungswirkungen nachhaltigen Wirtschaftens ............................................................... 55<br />
4.4. Kosten und Nutzen des Meseberger Klimaschutzprogramms .................................................... 58<br />
4.5. Ausstieg aus dem Steinkohlebergbau ......................................................................................... 61<br />
4.6. Soziale Auswirkungen der Ökosteuer ......................................................................................... 63<br />
5. UMWELTGERECHTIGKEIT IN DEUTSCHLAND........................................................................ 69<br />
6. HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN ................................................................................................. 74<br />
7. FAZIT............................................................................................................................................. 80<br />
8. LITERATUR .................................................................................................................................. 82
1. Einleitung<br />
1. Einleitung<br />
„Der Staat schützt auch in<br />
Verantwortung für die künftigen Generationen<br />
die natürlichen Lebensgrundlagen [...]”<br />
Grundgesetz, Artikel 20 a<br />
Die Welt hat sich in den letzten Jahrzehnten rasant verändert: Ressourcenverschwendung,<br />
Klimawandel und Artensterben sind dabei, den Globus zu zerstören.<br />
Das ungebremste Streben nach Profit und mehr materiellem Wohlstand in den industrialisierten<br />
Ländern gefährdet die natürlichen Lebensgrundlagen des Menschen.<br />
Ein Wirtschaftswachstum, das auf hemmungslosen Ressourcenverbrauch ausgerichtet<br />
ist, ist zur Grundlage unseres Wirtschaftens geworden. Mit der Globalisierung<br />
verschmilzt die Welt immer mehr zu einem einzigen Markt. Das Kapital ist grenzenlos<br />
und lässt die Demokratie, die Bürgerinnen und Bürger, sogar große Teile der Wirtschaft<br />
in den Nationalstaaten zurück. Im globalen Kapitalismus haben sich in den<br />
letzten Jahren Rücksichtslosigkeit und Kurzfristigkeit im Handeln ausgebildet. Weltweit<br />
schreitet die Zerstörung der Natur voran, in vielen Gesellschaften nimmt die Ungleichheit<br />
zu.<br />
Die nüchterne Analyse der gravierendsten ökologischen Probleme ist eindeutig: Die<br />
Verbrennung fossiler Energieträger wie Kohle, Öl und Gas haben die Konzentration<br />
von Kohlendioxid und anderen Treibhausgasen in der Atmosphäre so stark erhöht,<br />
dass ein radikaler Klimawandel droht. Spätestens durch den Bericht des Intergovernmental<br />
Panel on Climate Change (IPCC) in 2007 ist auch der Politik deutlich geworden,<br />
dass in einer begrenzten und schnell zusammenwachsenden Welt die ökologische<br />
Modernisierung ins Zentrum der nationalen, europäischen und internationalen<br />
Politik rücken muss. Nur wenn wir den Weg der Nachhaltigkeit zügig und entschlossen<br />
gehen, können wir die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts angehen,<br />
und<br />
(a) den Klimawandel in den nächsten 10 Jahren durch die massive Steigerung<br />
der Energieeffizienz und den Ausbau der Erneuerbaren Energien bremsen;<br />
(b) die Risiken, die sich aus der zunehmenden Knappheit von Ressourcen in allen<br />
Wirtschaftssektoren ergeben und Krisen und Verteilungskonflikte auslösen<br />
werden, bewältigen;<br />
(c) das zunehmende Wachstum der Schwellen- und Entwicklungsländer umweltverträglich<br />
gestalten, um allen Menschen eine gesicherte Existenz zu ermöglichen.<br />
5
1. Einleitung<br />
Aus der ökologischen Krise erwächst nicht nur ein starker Handlungsdruck, es ergeben<br />
sich auch Chancen. Die Doppelstrategie aus einer massiven Steigerung der Effizienz<br />
in Industrie und Privathaushalt und erneuerbare Energien/nachwachsende<br />
Rohstoffe ist der wichtigste Hebel für einen Fortschritt, der den globalen Herausforderungen<br />
gerecht wird. Diese beiden Säulen verringern die Abhängigkeit von den<br />
Rohstoffförderregionen, die oft in Krisengebieten liegen. Sie entschärfen Konflikte,<br />
festigen die Weltwirtschaft und stabilisieren die Rohstoffmärkte. Sie schützen die natürlichen<br />
Lebensgrundlagen und initiieren mehr Beschäftigung, weil sie neue Märkte<br />
erschließen. Energie- und Ressourcenintelligenz ist zugleich Wirtschafts-, Beschäftigungs-<br />
und Friedenspolitik (Müller 2007).<br />
Doch welche Auswirkungen wird ein ökologischer Umbau unserer Gesellschaft haben?<br />
Sind Klimaschutz und Ressourcenschonung Lösungen für die erste Welt oder<br />
auch für Entwicklungs- und Schwellenländer? Welche Auswirkungen hat die nachhaltige<br />
Gestaltung unseres Wirtschaftens, unserer Gesellschaft auf die sozial Schwachen?<br />
Innovationen kosten Geld: Müssen Empfängerinnen und Empfänger von<br />
Transferleistungen von ihrem knapp bemessenen ALG II nun auch einen steigenden<br />
Satz für Ökosteuern, Bioprodukte und effiziente Geräte ausgeben? Diese Fragen<br />
sind in Zeiten eines dringend notwendigen Umbaus unserer Gesellschaft virulent.<br />
In der vorliegenden Metaanalyse verschiedener Studien werden Szenarien zum Umbau<br />
der Gesellschaft und ihre sozialen Folgen diskutiert. In Kapitel 2 werden die Herausforderungen<br />
des 21. Jahrhunderts beschrieben die Klimawandel, Bevölkerungswachstum<br />
und Ressourcenverbrauch mit sich bringen. In Kapitel 3 werden verschiedene<br />
Instrumente vorgestellt, die helfen können, ein zukunftsfähiges, nachhaltiges<br />
Gesellschafts- und Wirtschaftssystem zu schaffen, das auch unseren Enkeln ein Leben<br />
in Wohlstand ermöglicht. Neben marktwirtschaftlichen Strategien wie Ressourcensteuern<br />
und Zertifizikatsvergaben werden auch ordnungspolitische und bildungsorientierte<br />
Maßnahmen diskutiert. Kapitel 4 stellt verschiedene Studien vor, die die<br />
wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen der in Kapitel 3 vorgestellten Instrumente<br />
diskutieren und vergleichen. Neben dem Stern-Report werden das sogenannte Aachener<br />
Szenario der Aachener Stiftung Kathy-Beyes und das Klimaschutzprogramm<br />
der Bundesregierung untersucht. Außer den praktischen – wirtschaftlichen – Analysen<br />
sollen in Kapitel 5 auch die theoretischen Zusammenhänge zwischen einer<br />
Nachhaltigkeitspolitik im Sinne einer gerechten Sozialpolitik und einer sinnvollen<br />
Umweltpolitik beleuchtet werden. Schlussendlich werden in Kapitel 6 Handlungsvorschläge<br />
diskutiert, die sich aus den vorangegangenen Analysen für eine nachhaltige<br />
Politikgestaltung aus linker, sozialdemokratischer Perspektive ergeben.<br />
6
2. Herausforderungen des 21. Jahrhunderts<br />
2. Herausforderungen des 21. Jahrhunderts<br />
Zusammenfassung<br />
Klimawandel und exponentiell steigender Ressourcenverbrauch führen dazu, dass<br />
• knapper werdende natürliche Ressourcen immer teurer werden;<br />
• die hohe Abhängigkeit von Ressourcen die (deutsche) Wirtschaft belastet;<br />
• ein zu spät geleisteter Klima- und Ressourcenschutz hohe Folgekosten nach<br />
sich zieht;<br />
• das Wirtschaftswachstum in den Entwicklungs- und Schwellenländern die<br />
Energie- und Rohstofffrage zuspitzt;<br />
• schwere soziale und auch militärische Konflikte wahrscheinlicher werden.<br />
Wohin steuert die Welt? Diese Frage ist entscheidend für eine Politik, die sich nicht<br />
am Heute orientiert, sondern das langfristige Wohl einer Gesellschaft im Blick hat. Im<br />
Folgenden werden verschiedene Prognosen vorgestellt, die Entwicklungen auf unterschiedlichen<br />
gesellschaftlichen Entwicklungsfeldern beschreiben. Dabei sind Auszüge<br />
und Zusammenfassungen verschiedener Studien dargestellt. Da eine tiefgehende<br />
Vorstellung der Systematik, des theoretischen Vorgehens und der Methodik der dargestellten<br />
Studien an dieser Stelle nicht sinnvoll erscheint, sind entsprechende Quellen<br />
angegeben. Der geneigte Leser ist eingeladen, seine Kenntnisse an entsprechenden<br />
Stellen zu vertiefen.<br />
2.1. Die Folgen des Klimawandels<br />
Derzeitigen Prognosen zufolge steigen die globalen Durchschnittstemperaturen innerhalb<br />
der nächsten fünfzig Jahre um 2 bis 3°C an. Die Erwärmung hat dabei viele<br />
ernsthafte Folgen, die häufig mit dem Wasser zusammenhängen:<br />
• Schmelzende Gletscher bringen zunächst ein höheres Überflutungsrisiko und<br />
dann stark abnehmende Wasservorräte mit sich, die schließlich ein Sechstel<br />
der Weltbevölkerung bedrohen werden.<br />
• Sinkende Ernteerträge werden dazu führen, dass hunderte Millionen Menschen<br />
nicht mehr genügend Lebensmittel produzieren können. In den mittleren<br />
bis hohen Breitengraden werden die Ernteerträge bei moderaten Temperaturanstiegen<br />
(2 bis 3 °C) zunehmen, dann aber mit stärkerer Erwärmung zurückgehen.<br />
Ab 4 °C wird die globale Lebensmittelproduktion wahrscheinlich<br />
ernsthaft beeinträchtigt werden.<br />
7
2. Herausforderungen des 21. Jahrhunderts<br />
• In höheren Breitengraden werden kältebedingte Todesfälle abnehmen. Aber<br />
der Klimawandel wird die Sterblichkeit aufgrund von Mangelernährung und<br />
Hitze weltweit erhöhen. Erkrankungen wie Malaria und Dengue-Fieber breiten<br />
sich weiter aus.<br />
• Steigende Meeresspiegel werden bei einer Erwärmung von 3 oder 4 °C für<br />
dutzende bis hunderte Millionen weiterer Menschen jährliche Überflutungen<br />
bedeuten. Nach Schätzungen werden bis Mitte des Jahrhunderts 200 Millionen<br />
Menschen aufgrund des steigenden Meeresspiegels, stärkerer Überflutungen<br />
und intensiverer Dürren permanent vertrieben werden.<br />
• Ökosysteme sind dem Klimawandel gegenüber besonders empfindlich. Etwa<br />
15 bis 40 % der Arten werden schon bei einer globalen Erwärmung von nur<br />
2 °C vom Aussterben bedroht sein. Außerdem wird die Versauerung der<br />
Ozeane, eine direkte Folge steigender Kohlendioxidkonzentrationen, einschneidende<br />
Folgen für Meeresökosysteme haben, mit großen Konsequenzen<br />
für die Fischbestände.<br />
Infolge der oben genannten Folgen des Klimawandels würde eine weitere Erwärmung<br />
für arme Länder hohe Kosten und wenig Vorteile bringen. Zweitens sind Entwicklungsländer<br />
– besonders die ärmsten – in starkem Maße von der Landwirtschaft<br />
abhängig, dem klimaempfindlichsten aller Wirtschaftssektoren, und leiden an unzureichender<br />
Gesundheitsversorgung und an öffentlichen Diensten von geringer Qualität.<br />
Drittens machen ihre geringen Einkommen und Vulnerabilitäten eine Anpassung<br />
an den Klimawandel besonders schwer. Je stärker die Erwärmung ausfällt, desto<br />
stärker werden dabei auch die Schäden ausfallen (IPCC 2007).<br />
2.2. Das globale Bevölkerungswachstum<br />
Die Vereinten Nationen erwarten bis zur Mitte des 21. Jahrhunderts einen Anstieg<br />
der Weltbevölkerung auf über 9.000.000.000 Menschen. Und dies in ihrer mittleren<br />
Prognosevariante (UN/DESA 2006)! Das Wachstum wird sich dabei besonders stark<br />
in den Entwicklungs- und den Schwellenländern vollziehen, während die Bevölkerungszahlen<br />
in den Industrienationen leicht rückläufig sind. Die Schwellenländer, insbesondere<br />
China und Indien, werden dabei ein sehr dynamisches Wachstum ihres<br />
Bruttoinlandsprodukts zwischen 6 und 10 % zu verzeichnen haben (OECD 2007). Bis<br />
2030 wird das Bruttoinlandsprodukt der Welt um 130 % wachsen. Das bedeutet,<br />
dass selbst bei einer leicht zunehmenden Effizienzsteigerung in der Ressourcennut-<br />
8
2. Herausforderungen des 21. Jahrhunderts<br />
zung der Verbrauch natürlicher Rohstoffe um mindestens 50 % zunehmen wird<br />
(ORCD 2007).<br />
Das Bevölkerungswachstum der Entwicklungs- und Schwellenländer können wir nur<br />
zur Kenntnis nehmen. Es ist auf viele kulturelle und sozioökonomische Ursachen zurückzuführen,<br />
die wir teilweise sogar mitverschuldet haben. Ein starkes Wirtschaftswachstum<br />
in den Entwicklungs- und Schwellenländern ist angesichts der immer noch<br />
dramatischen Armut in den Ländern von uns nicht nur gewünscht, sondern muss<br />
auch unterstützt werden. Nur so können die katastrophalen Verhältnisse in Bezug auf<br />
Armut, Gesundheit, Hygiene und Bildung in diesen Ländern nachhaltig verändert<br />
werden. Eine Unterdrückung des Wachstums würde verständlicherweise nicht toleriert<br />
werden, jedoch wird ein quantitatives Wachstum, wie wir es in den letzten<br />
150 Jahren vorgemacht haben, tödlich für das Ökosystem Erde sein. Nach Schätzungen<br />
des Weltklimarats müssten die globalen CO2-Emissionen auf 20 % des Niveaus<br />
von 1990 reduziert werden, da dies der Kapazität entspricht, die die Erde<br />
kompensieren kann (IPCC 2007).<br />
2.3. Veränderungen in der Weltwirtschaft<br />
Die International Energy Agency hat das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP)<br />
der Welt für die letzten 25 Jahre erfasst und darauf basierend eine Prognose der<br />
Entwicklung bis 2030 vorgelegt: Insbesondere China, Indien und Südostasien haben<br />
in den vergangenen 25 Jahren von der Globalisierung profitiert. China hat sein BIP<br />
von 1980 bis 2004 jährlich um fast 10 % steigern können, während die OECD-<br />
Staaten mit einem Wachstum von 2,5 bis 3 % auskommen mussten. Indien und die<br />
nicht zur OECD gehörenden südostasiatischen Länder liegen mit Zuwachsraten zwischen<br />
6 und 7 % ebenfalls deutlich über den Wachstumsraten der OECD-Staaten.<br />
Für die Zukunft wird eine echte Abschwächung des Wachstums in Asien und eine<br />
Zunahme in Afrika und Lateinamerika erwartet, was für die Entwicklungsländer ein<br />
durchschnittliches Jahreswachstum von 4,7 % bedeuten wird. Die Industrieländer<br />
(OECD) werden mit durchschnittlich 2,2 % pro Jahr wachsen (World Energy Outlook<br />
2007).<br />
Aus ökonomischer und sozialer Sicht ist das starke Wachstum der Entwicklungs- und<br />
Schwellenländer zu begrüßen. Für die Umwelt ist das Wachstum – so es sich an unseren<br />
bisherigen Wachstumsmodellen orientiert – eine Katastrophe: Der Weltenergiebedarf<br />
wird bis 2030 um über 50 % steigen. 37 % des zusätzlichen Energiebedarfs<br />
werden allein von Indien, China und den Entwicklungsländern für ihr Wachstum<br />
benötigt (World Energy Outlook 2007). Dies wird nicht nur in Bezug auf den CO2-<br />
9
2. Herausforderungen des 21. Jahrhunderts<br />
Ausstoß dramatische Folgen nach sich ziehen, auch die Versorgungssicherheit wird<br />
zunehmend weniger gesichert sein.<br />
2.4. Umweltgerechtigkeit und soziale Gerechtigkeit<br />
Neben den ökologischen und ökonomischen Herausforderungen, die Klimawandel<br />
und Ressourcenknappheit nach sich ziehen, stellen sich auch Fragen nach den sozialen<br />
Auswirkungen der fortschreitenden Umweltzerstörung. Sowohl die durch den<br />
globalen Wandel deutlich werdenden Umweltbelastungen als auch die dadurch notwendigen<br />
Maßnahmen zu ihrer Verringerung haben ganz konkrete und unterschiedliche<br />
Auswirkungen auf Gesundheit und Lebensqualität der Menschen. Neben den<br />
häufig diskutierten internationalen (Nord-Süd-Konflikt) und intergenerativen (ökologische<br />
Generationengerechtigkeit) Fragen treten jedoch auch lebensweltlich starke<br />
Folgen für jeden Einzelnen zu Tage. Diese Fragen werden jedoch vor dem wachsenden<br />
ökologischen Problemdruck vor allem beim Klimawandel sichtbar und vor dem<br />
Hintergrund der zunehmenden sozialen Polarisierung immer größer. In den USA wird<br />
bereits seit drei Jahrzehnten eine Debatte unter dem Begriff »environmental justice«<br />
geführt. Die Hauptschwerpunkte der Debatte liegen dabei besonders im Bereich<br />
Umwelt und Gesundheit sowie der gerechten Verteilung von Umweltrisiken (ecological<br />
justice).<br />
Auch in der Bundesrepublik Deutschland haben Umweltbelastungen und -<br />
schutzmaßnahmen vielfach ungleiche soziale Auswirkungen. In diesem Kapitel werden<br />
die Auswirkungen von globalen Umweltveränderungen auf Bürgerinnen und<br />
Bürger und ihre privaten Haushalte betrachtet. Es werden Ungleichheiten sowohl im<br />
Hinblick auf die unmittelbare Gesundheit als auch auf rein materielle und immaterielle<br />
Schäden deutlich.<br />
Im Gegensatz zu den diffusen globalen Umweltrisiken, wie dem Klimawandel oder<br />
dem wachsen Ressourcenverbrauch sind lokale Umweltprobleme, wie Verschmutzungen,<br />
Chemieunfälle, Feinstaubbelastungen etc., in ihrer räumlichen und zeitlichen<br />
Reichweite begrenzt und dabei in ihren Wirkungen deutlich wahrnehmbar. Mit Veröffentlichung<br />
des Weltklimareports (IPCC 2007) sind auch abstraktere Umweltgefahren<br />
realer und im Alltag erlebbar geworden, da hier auch die Folgen für Mitteleuropa beschrieben<br />
werden und der Klimawandel in der öffentlichen Wahrnehmung nicht mehr<br />
nur in der Dritten Welt und kleinen Inselstaaten stattfindet.<br />
Aus der Sicht umweltbezogener Gerechtigkeit drängt sich bei globalen Umweltrisiken<br />
besonders die Herausforderung auf, dass sie sich in ihrer Wirkungsbreite zwischen<br />
Verursacher und Betroffenen schwerer zuordnen lassen.<br />
10
2. Herausforderungen des 21. Jahrhunderts<br />
Die These Ulrich Becks, nach der Umweltbelastungen eher gleichmäßig über die<br />
verschiedenen gesellschaftlichen Schichten verteilt werden (Beck 1986), kann nicht<br />
mehr vorbehaltlos bestätigt werden. Es zeigt sich nämlich mehr und mehr, dass<br />
wohlhabende Schichten größere Möglichkeiten haben, sich den Umweltbelastungen<br />
zu entziehen: So sind z.B. umweltbeeinflusste Erkrankungen in Deutschland ungleich<br />
verteilt. Einerseits werden Menschen häufig durch negative Umwelteinflüsse (Feinstaub,<br />
Lärm, Chemikalien, Strahlung) gesundheitlich unterschiedlich belastet, andererseits<br />
verfügen sie oft nicht über die gleichen Mittel und Möglichkeiten, solche Belastungen<br />
(Reisekosten etc.) zu bewältigen, etwa durch Erholung in Naturparks etc.<br />
Während die Zahl der im Umlauf befindlichen toxischen Substanzen reduziert worden<br />
ist, besteht eine diffuse Hintergrundbelastung fort, die sich in medizinisch häufig uneindeutigen<br />
Symptomen niederschlägt. Das Spektrum an Erkrankungen, bei denen<br />
Umwelteinflüsse eine Rolle spielen können, reicht von psychischen Belastungen über<br />
Allergien bis hin zu Herz-Kreislauf- und Krebserkrankungen (Rat von Sachverständigen<br />
für Umweltfragen 1999).<br />
Oft hängen Ungleichverteilungen mit Merkmalen der sozialen Schicht, d. h. mit Ausbildung,<br />
Berufsstatus und/oder Einkommen zusammen. Angehörige sozialer Schichten<br />
mit niedrigen Einkommensverhältnissen weisen meist eine höhere Krankheitswahrscheinlichkeit<br />
und Sterblichkeit auf, was vielfach auch mit Umwelteinflüssen zusammenhängt<br />
(Robert-Koch-Institut 2006). So wohnen sozial Schwache aufgrund<br />
des billigeren Wohnraums häufiger an verkehrsreichen Straßen oder in der Nähe von<br />
Industrieanlagen und sind damit Luftschadstoffen (z. B. Feinstaub) und Lärm stärker<br />
ausgesetzt (Statistisches Bundesamt 1998). Dies ist nicht selten auch damit verbunden,<br />
dass sie in ihrem unmittelbaren Wohnumfeld weniger Zugang zu Grünflächen<br />
haben oder auch an ihrem Arbeitsplatz trotz zahlreicher Schutzbestimmungen oft<br />
stärker von negativen Umwelteinflüssen belastet sind (Heinrich 2006).<br />
Doch häufig hängen ungleiche Betroffenheiten nicht nur mit der sozialen Schicht<br />
(vertikale Differenzierung), sondern auch mit Lebenslage und Lebensstil (horizontale<br />
Differenzierung) zusammen (Mielck 2001). Vor dem Hintergrund, dass sich die Gesellschaft<br />
zunehmend in Kategorien jenseits der klassischen vertikalen Sozialschicht<br />
ausdifferenziert (Pluralisierung von Lebensweisen), gewinnen neben Ausbildung, Berufsstatus<br />
und Einkommen auch Merkmale wie Alter, Geschlecht, Nationalität, Partnerschaftsstatus,<br />
Wertorientierung und Lebensweisen immer mehr an Bedeutung,<br />
was sich als »neue Ungleichheiten« in das gesellschaftliche Bewusstsein eingeprägt<br />
hat (Schlüns 2007).<br />
11
2. Herausforderungen des 21. Jahrhunderts<br />
Die negativen Auswirkungen der globalen Veränderungen und die damit verbundenen<br />
Ungleichheiten sind nicht nur am Gesundheitszustand abzulesen, sondern auch<br />
an rein materiellen oder immateriellen Schäden. Ebenso wie im Gesundheitsbereich<br />
sind auch hier zunächst die Menschen unterer sozialer Schichten besonders benachteiligt.<br />
Aufgrund ihrer geringeren Kaufkraft trifft sie der – angesichts der Verknappung<br />
– zunehmende Preisdruck für Naturressourcen besonders stark (Institut für<br />
Energie und Umweltforschung, 2006). Sie haben andererseits auch die schlechteren<br />
Möglichkeiten, die durch sie verursachte Umweltbelastung durch Anpassungsleistungen<br />
zu reduzieren. Beispielsweise können sie es sich weniger als andere leisten, ihre<br />
Autos entsprechend der aktuellen Gesetzesinitiativen zur Reduzierung der Luftbelastung<br />
(Umweltplakette, Umweltzonen) in Großstädten und Ballungsräumen auf umweltfreundliche<br />
Standards nachzurüsten oder ihren Kindern ein Leben in einer gesunden<br />
Umwelt zu ermöglichen.<br />
Die Benachteiligungen sozial schwacher Schichten können aus zwei Gründen durchaus<br />
gerechtigkeitsrelevante Brisanz gewinnen:<br />
• Einerseits erscheinen sie besonders dann als problematisch, wenn Verteuerungen<br />
von Umweltgütern aufgrund von Ressourcensteuern o. ä. umweltpolitisch<br />
verursacht sind. Umweltgüter sind öffentliche Güter, deren Nutzung sich<br />
nicht am Leistungsprinzip, sondern am Gleichheitsprinzip orientiert. Zwar gibt<br />
es bei derartigen Gütern im Prinzip keinen Nutzungsausschluss, faktisch aber<br />
ist der Zugang zu ihnen mit unterschiedlichen Kosten verbunden. Wenn der<br />
Preis aus Umweltschutzgründen verteuert wird, können Ungleichheiten ungerecht<br />
erscheinen.<br />
• Das zweite Problem ergibt sich aus der Bedeutung des Umweltkonsums in<br />
unserer Gesellschaft: Der Zugang zu Konsumgütern steht häufig wesentlich<br />
für Teilhabe- und Selbstverwirklichungschancen. Jemand, der sich z. B. ein<br />
umweltschonendes Fahrzeug nicht leisten kann und folglich gezwungen ist,<br />
zur Fahrt in die Innenstädte öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen, weil er die<br />
Umweltzone nicht mehr mit seinem Fahrzeug durchfahren darf, fühlt sich vielleicht<br />
in seinen Lebenspraktiken stärker eingeschränkt als jemand mit mehr<br />
Kaufkraft, der sein Fahrzeug nachrüsten lässt. Es kann so zu einem sozialen<br />
Ausschluss wachsender Bevölkerungsteile aus den Standards kommen, die<br />
sich für das Leben hierzulande herausgebildet haben, wie z. B. die räumliche<br />
Mobilität.<br />
12
2. Herausforderungen des 21. Jahrhunderts<br />
Andererseits können jedoch auch rein materielle oder immaterielle Ungleichheiten<br />
nicht immer allein am sozialen Status festgemacht werden. So können sich zwar<br />
Menschen, die über entsprechende Mittel verfügen, ein großes Auto leisten, jedoch<br />
leistet sich nicht jeder, der das Geld hat, ein großes Auto. Die Benachteiligungslinien<br />
gehen somit häufig quer durch die Gesellschaftsschichten: Denn jeder – auch der<br />
umweltbewusste Niedrigverbraucher – wird benachteiligt, wenn auch er die Folgen<br />
tragen muss, die durch den hohen Umweltkonsum anderer bzw. der Allgemeinheit<br />
entstehen.<br />
Neben dem messbaren Ausmaß von Umwelteinflüssen spielen besonders subjektive<br />
Bewertungen eine große Rolle. Identische Situationen werden aufgrund unterschiedlicher<br />
Sozialisationen, Vorerfahrungen und Voraussetzungen selten einheitlich bewertet.<br />
In der Regel ist die Unzufriedenheit mit dem Umweltzustand oder -schutz bei<br />
den Personen höher, die von negativen Umwelteinflüssen beeinträchtigt sind, wie<br />
beispielsweise Großstädten (Statistisches Bundesamt 2006). Bestimmte soziale<br />
Merkmale, wie Elternschaft oder Umweltbewusstsein, tragen dazu bei, dass sie sich<br />
stärker belastet fühlen oder stärker unzufrieden mit Umweltmaßnahmen sind (BMU<br />
2006). Andererseits hat auch die Art und Weise, wie Umweltprobleme und -<br />
maßnahmen kommuniziert werden, einen Einfluss. Deutlich wird dies bei der Ökologischen<br />
Steuerreform: Von 1999 bis 2003 wurde in fünf Schritten der Faktor Energie<br />
verteuert und der Faktor Arbeit verbilligt. Obgleich bislang keine weitreichenden, sozial<br />
ungerechten Folgen nachgewiesen wurden (Bach 2001, Knigge & Görlach 2005),<br />
hält sich in großen Teilen der Bevölkerung nach wie vor der Eindruck, dass untere<br />
Einkommensgruppen, die meist am stärksten von Umweltschäden betroffen sind,<br />
auch steuerlich im Vergleich stärker belastet werden. Umgekehrt wurde die Abschaffung<br />
der Eigenheimzulage, die die gut verdienenden Schichten begünstigte, weniger<br />
kontrovers diskutiert als die Ökosteuer.<br />
13
3. Was muss geschehen?<br />
3. Was muss geschehen?<br />
Zusammenfassung<br />
Veränderungen für eine nachhaltige Zukunft müssen auf verschiedenen Ebenen ein-<br />
geleitet werden: In der Politik und der Wirtschaft genauso wie im persönlichen Ver-<br />
halten. Dabei wird eine dreiteilige Strategie aus (1) Effizienzsteigerungen in der<br />
Energie- und Materialnutzung (Faktor X), (2) einer raschen flächendeckenden Ener-<br />
gieversorgung basierend auf erneuerbaren Energien und (3) einer sinnvollen Einspa-<br />
rung unnötiger Energie- und Materialverschwendungen Grundlage unseres Wirt-<br />
schaftens werden müssen. Zur Umsetzung werden verschiedene Instrumente wie<br />
marktwirtschaftliche Mechanismen (Emissionshandel, Personal Carbon Trading,<br />
Ressourcensteuern), ordnungspolitische Instrumente (Top-Runner-Prinzip) und auch<br />
bildungsorientierte Strategien (Suffizienz) diskutiert.<br />
Nachdem im letzten Kapitel beschrieben wurde, in welche Richtung sich die Welt in<br />
den nächsten Jahrzehnten entwickeln wird und welche Problemfelder sich daraus<br />
ergeben, sollen in diesem Kapitel verschiedene Instrumente zur Entwicklung einer<br />
nachhaltigen Politik vorgestellt werden. Aktuelle Diskussionen zeigen, dass eine Politik,<br />
die die Ziele<br />
(a) einer gerechten Ressourcenverteilung unter allen Menschen auf diesem Planeten,<br />
(b) eines Wirtschaftens, das auch morgen noch ein gesundes Leben ermöglicht<br />
und<br />
(c) eines qualitativen Wirtschaftswachstums, das nicht seinem eigenen Ende entgegenarbeitet<br />
sondern langfristigen Wohlstand für eine Gesellschaft sichert,<br />
als einzige Option eine drastische Steigerung der Ressourcenproduktivität hat. Das<br />
bedeutet, dass pro Einheit verbrauchtem Rohstoff mehr produziert werden muss oder<br />
aber, dass pro Produkt wesentlich weniger Rohstoff investiert werden darf. Dazu sind<br />
zwei Strategien erforderlich: Eine massive Steigerung der Ressourcenproduktivität<br />
(Effizienz) durch technischen Fortschritt und eine Änderung in unserem Konsumverhalten<br />
(Suffizienz). Es geht somit darum a) weniger Güter und b) die richtigen Güter<br />
nachzufragen. Dies bedeutet einen starken Wandel in unserem Leben und Wirtschaften.<br />
Die Verantwortung liegt somit nämlich nicht nur bei den Unternehmen sondern<br />
auch bei den Konsumenten.<br />
14
3. Was muss geschehen?<br />
Gesamtwirtschaftlich wird der gewaltige Umbau nur durch Innovationen zu schaffen<br />
sein, die neue Konsumgüter und Produktionsverfahren mit sich bringen. Die dabei<br />
anstehenden erheblichen Investitionen können durch ein gesamtwirtschaftliches<br />
Wachstum ausgeglichen werden. Privat werden wir uns auch mit einer Änderung unserer<br />
Konsumgewohnheiten zu mehr Suffizienz auseinander setzen müssen.<br />
Die westlichen Industriegesellschaften sind inzwischen auch auf eine dynamische<br />
wirtschaftliche Entwicklung angewiesen, denn sie stehen mittlerweile in Wettbewerb<br />
mit Schwellenländern, die längst wesentliche Elemente der westlichen Wirtschaftsverfassung<br />
adaptiert haben (Meyer 2007). Wirtschaftliche Nachhaltigkeit bedeutet für<br />
die westlichen Industrieländer, also auch Europa und Deutschland, dass sie in diesem<br />
Wettbewerb bestehen können. Zur Berücksichtigung der sozialen Dimension der<br />
Nachhaltigkeit sind die Ziele einer ausreichenden Beschäftigung – eigentlich sogar<br />
einer Vollbeschäftigung – und eine gerechte Einkommensverteilung unabdingbar.<br />
Ziel eines ökologischen und sozialen Umbaus der Gesellschaft muss es also sein,<br />
Politik so zu gestalten, dass sie sowohl eine Steigerung der Ressourcenproduktivität<br />
als auch die Sicherung und den Ausbau der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen<br />
Wirtschaft im Auge behält. Insofern ist bei der Gestaltung einer modernen Umweltpolitik<br />
auch die Wirtschafts- und Sozialpolitik auf dem Prüfstand. Ein Umbau der Wirtschaft<br />
zur Steigerung der Ressourcenproduktivität wird nur in einem dynamischen<br />
und innovativen wirtschaftlichen Umfeld möglich sein, das soziale Ungleichheiten der<br />
zu tragenden Lasten egalisiert.<br />
3.1. Den Dingen ihren wahren Wert geben<br />
Nach Ansicht vieler Ökonomen besteht die Ursache vieler unserer heutigen Umweltprobleme<br />
darin, dass wir die Natur kostenlos nutzen können und sie deshalb in einem<br />
Maße verbrauchen, das weder für heutige noch für zukünftige Generationen<br />
tragbar ist. Wir behandeln die Natur fälschlicherweise als ein Bündel an Rohstoffen,<br />
das unbegrenzt verfügbar ist und deshalb den Preis null hat. Zurzeit fließen ausschließlich<br />
die Kosten der Rohstoffgewinnung (Abbau, Aufreinigung, Transport) in<br />
den Preis der Güter mit ein. Tatsächlich aber ist die Natur ein knappes Gut. Jede<br />
nicht – in menschlichen Zeitdimensionen – nachwachsende Ressource ist endlich.<br />
Die Vorräte an Erzen, Seltenen Erden, Landfläche etc. werden irgendwann genau so<br />
erschöpft sein, wie die Kohle- und Ölreserven. Da jedoch alle Ressourcen als Rohstoffe<br />
und Energie in den von uns produzierten und konsumierten Waren enthalten<br />
sind, müssen die Preise auch ihre Knappheit widerspiegeln. Das ist im Moment nicht<br />
der Fall, die Güter sind somit falsch kalkuliert. Die ökonomischen Entscheidungen,<br />
15
3. Was muss geschehen?<br />
die wir als Verbraucher und Produzenten auf der Basis dieser Preise treffen, sind<br />
somit auch fehlerhaft und führen uns immer weiter in das Elend der ökologischen Katastrophen<br />
(Meyer 2007). Im Gegensatz zu vielen anderen Problemen ist dieses jedoch<br />
recht einfach anzugehen: Man muss den Ressourcenverbrauch nur mit denjenigen<br />
Preisen bewerten, die seiner Knappheit entsprechen. Der Staat könnte zu diesem<br />
Zweck Märkte etablieren, auf denen die Umweltgüter gehandelt werden, und<br />
dabei das Angebot an Naturgütern so weit begrenzen, dass ein nachhaltiges Wirtschaften<br />
erreicht werden kann. Das bedeutet nichts anderes, als dass wir nicht mehr<br />
CO2 ausstoßen, als die Natur mittels natürlicher Prozesse wieder binden kann. In<br />
Bezug auf die restlichen Rohstoffe bedeutet dies, dass wir die Recyclingquote entscheidend<br />
verbessern müssen, sodass die aus ihr rückgewonnenen Rohstoffe<br />
Grundlage unseres Wirtschaftens werden. Der Abbau weiterer Ressourcen dient<br />
ausschließlich dazu, die recyclingbedingten Verluste aufgrund einer nicht möglichen<br />
vollständigen Wiederverwertung auszugleichen. Ein Beispiel für die Schaffung eines<br />
Marktes für Naturgüter ist der Handel mit CO2-Emissionsrechten im Bereich des produzierenden<br />
Gewerbes in Europa.<br />
Eine Alternative besteht darin, dass der Staat solche Märkte nicht einrichtet, sondern<br />
das bestehende Preissystem durch eine Besteuerung des Ressourcenverbrauchs<br />
oder eine Subventionierung von ressourcensparenden Technologien korrigiert. Hierbei<br />
würde der Staat die Möglichkeiten einer gezielten Steuerung des Ressourcenverbauchs<br />
über ordnungs- und finanzpolitische Maßnahmen zum Preis einer steigenden<br />
Bürokratie etablieren.<br />
Die Märkte sind jedoch nicht immer voll funktionsfähig, das heißt, dass die Produzenten<br />
und Konsumenten nicht immer ihre Entscheidungen an den Preissignalen ausrichten.<br />
Dies liegt unter anderem daran, dass die Marktteilnehmer eben nicht »mit<br />
perfekter Information« ausgestattet sind, die von der ökonomischen Theorie unterstellt<br />
wird. So wissen wir oft nicht, welche Ressourcenmenge in einem Produkt enthalten<br />
ist oder welches das energieeffizienteste und bestenfalls gleichzeitig auch<br />
langlebigste Produkt ist.<br />
Zur Verhinderung einer überbordenden Bürokratie bietet es sich an, ökonomische<br />
Instrumente in den Vordergrund zu stellen. Ohne eine angemessene Ordnungspolitik<br />
und eine entsprechende Qualifizierung von Konsumenten zu nachhaltigem Konsum<br />
werden effiziente Maßnahmen jedoch nicht möglich sein.<br />
16
3. Was muss geschehen?<br />
3.2. Der Emissionshandel<br />
Vor dem Hintergrund der im Kyoto-Protokoll eingegangenen Verpflichtungen zur Reduktion<br />
der Treibhausgasemissionen hat die Europäische Union am 13. Oktober<br />
2003 die Einrichtung eines Systems zum Handel mit Treibhausgasemissionen<br />
(Emissionshandelsrichtlinie) beschlossen. Die Mitgliedstaaten stellen für einen bestimmten<br />
Zeitraum einen sogenannten Nationalen Allokationsplan (NAP) auf, der<br />
festlegt, wie viele Zertifikate sie insgesamt für diesen Zeitraum zuteilen und wie die<br />
Zertifikate auf die Unternehmen zu verteilen sind.<br />
Der Emissionshandel ist auf Grundstoffindustrien beschränkt, wie Stromerzeugung,<br />
Eisen- und Stahlerzeugung, Papier- und Pappeerzeugung, Steine und Erden, Glas<br />
und Keramik sowie Mineralölverabeitung und Kokereien. Die Zuteilung orientiert sich<br />
an den aktuellen Emissionen der Anlagen zur Herstellung dieser Grundstoffe. Dabei<br />
muss sich die Gesamtmenge der von einem Land verteilten Berechtigungen daran<br />
orientieren, dass das Land die im Kyoto-Protokoll eingegangenen Verpflichtungen für<br />
den Zeitraum 2008 bis 2012 erreichen kann.<br />
Wirkungen des NAP I (2005-2007)<br />
Nach dem Beginn des Handels erreichte der Preis der Zertifikate aufgrund von Unsicherheiten<br />
über die Einschätzung dieser neuen Institution Spitzenwerte von 30 Euro<br />
pro Tonne CO2, fiel dann aber bis 2007 auf einen Wert unter einem Euro. Der Markt<br />
ist also zusammengebrochen, was auf eine zu großzügige Zuteilung schließen lässt.<br />
Die Idee des Marktes ist, dass diejenigen Unternehmen, die mehr Zertifikate benötigen<br />
als ihnen zugeteilt wurden, als Nachfrager auftreten, während andere, die Emissionen<br />
einsparen, entsprechende Zertifikatsmengen anbieten. Je nach Knappheit der<br />
Zertifikate bildet sich ein Preis heraus, der Anreiz zur Vermeidung von CO2-<br />
Emissionen bieten sollte. Aufgrund der zu großzügigen und (größtenteils) kostenlosen<br />
Zuteilung der Zertifikate lässt sich die erste Emissionshandelsperiode als Fehlschlag,<br />
oder anders ausgedrückt: als Marktversagen deuten.<br />
Gestaltung des Nationalen Allokationsplans II (2008-2012)<br />
Mit dem NAP II werden die Emissionsziele für alle Sektoren (Energie und Industrie,<br />
Verkehr, Haushalte, Gewerbe/Handel/Dienstleistungen) festgelegt. Die Sektoren<br />
Energie und Industrie müssen dazu einen Minderungsbeitrag von insgesamt 15 Mio.<br />
t CO2 pro Jahr im Vergleich zum Durchschnitt der Jahre 2000 bis 2002 erbringen<br />
(-3 %). Während in der ersten Emissionshandelsphase 2005 bis 2007 die Emissions-<br />
Höchstgrenze (Cap) 499 Millionen Tonnen CO2 betrug, wird im NAP II diese Grenze<br />
auf 465 Millionen Tonnen (ursprüngliche Planung 482 Mio. Tonnen, s. u.) reduziert.<br />
17
3. Was muss geschehen?<br />
Darüber hinaus differenziert der NAP II erstmals die Reduktionsvorgaben für Anlagen:<br />
Während beim NAP I alle Anlagen ihren CO2-Ausstoß einheitlich um 2,91 %<br />
senken mussten, gelten jetzt branchenbezogene Reduktionsvorgaben: Industrieanlagen,<br />
die internationalem Wettbewerb ausgesetzt sind, müssen ihren Ausstoß um<br />
1,25% senken, ebenso Anlagen der Kraft-Wärme-Kopplung. Energiekonzerne müssen<br />
dagegen ihre CO2-Emissionen um 15 %, besonders ineffiziente Braun- und Kohlekraftwerke<br />
ab 2008 um 30% reduzieren. Kleine Anlagen mit maximal 25.000 t CO2-<br />
Ausstoß werden dagegen von Reduktionspflichten ganz befreit.<br />
Zukunft des Emissionshandels<br />
Problematisch ist der NAP II, weil Emissionsrechte an Betreiber von Kraftwerken kostenlos<br />
herausgegeben werden. Da Kohlekraftwerke sehr hohe Emissionswerte haben,<br />
erhalten die Betreiber von Kohlekraftwerken die meisten Zertifikate, was zum<br />
vermehrten Bau von Kohlekraftwerken führen könnte.<br />
Eine Weiterentwicklung des Emissionshandels ist in mehreren Dimensionen denkbar.<br />
So stellt sich die Frage, ob<br />
(a) weitere Wirtschaftszweige dem Zertifikatshandel unterliegen sollten,<br />
(b) die Art und Weise der Zuteilung beibehalten werden sollte,<br />
(c) Verbraucher auch mit in den Handel einbezogen werden sollten und<br />
(d) ein größerer Anteil der Zertifikate oder gar alle in ihrer Gesamtheit versteigert<br />
werden sollten.<br />
Betrachten wir die verschiedenen Möglichkeiten der Weiterentwicklung des Emissionshandels<br />
einmal genauer:<br />
Freie Zuteilung der Zertifikate<br />
Bei freier Zuteilung der Emissionsrechte (»grandfathering«) entstehen einem Unternehmen<br />
lediglich dann tatsächliche Kosten, wenn es Zertifikate zukaufen muss.<br />
Bleibt das Unternehmen mit seinen Emissionen unterhalb der Schwelle, die den Zukauf<br />
von Zertifikaten notwendig macht, so entstehen keine tatsächlichen Kosten. Für<br />
die Angebotsentscheidung der Unternehmen spielen die Zertifikate aber dennoch eine<br />
wichtige Rolle. Wer produziert, nutzt die vorhandenen Zertifikate und verzichtet<br />
auf die Alternative ihres Verkaufs. Dem Unternehmen entgeht somit ein Gewinn, was<br />
als Opportunitätskosten zu Buche schlägt. In welchem Umfang Opportunitätskosten<br />
bei der Preiskalkulation berücksichtigt werden, hängt von der Intensität des Wettbewerbs<br />
und der Preiselastizität ab. In Deutschland haben die vier großen Produzenten<br />
von elektrischem Strom ihre deutlichen Anhebungen des Strompreises in den Jahren<br />
2005 und 2006 unter anderem mit den Opportunitätskosten des Zertifikatsmarktes<br />
18
3. Was muss geschehen?<br />
begründet. Die entstandenen »windfall profits« wurden auf die Verbraucher umgelegt:<br />
Es trat eine Situation ein, in der der Staat den Unternehmen Zertifikate schenkte,<br />
diese jedoch die fiktiven Preise der Zertifikate an den Endverbraucher weitergaben.<br />
Solche Preissteigerungen führen zu außerordentlichen Gewinnen bei denjenigen<br />
Unternehmen, die in der Lage sind, die Opportunitätskosten weiterzugeben. Die<br />
Erfahrungen über das Ausmaß der Preiswirkungen auf den folgenden Produktionsstufen<br />
sind noch keineswegs abgeschlossen, weil der Zertifikatsmarkt zurzeit selbst<br />
noch nicht voll funktionsfähig ist (Meyer 2007).<br />
Betrachten wir zunächst den Fall, in dem alle am Zertifikationsmarkt beteiligten Unternehmen<br />
ihre Opportunitätskosten vollständig einpreisen. Im Falle des EU-<br />
Emissionshandels würde dies bedeuten, dass wir in Europa beträchtliche Preissteigerungen<br />
für Grundstoffe wie elektrischen Strom, Stahl, Keramik usw. erhielten. Für<br />
die Unternehmen, die diese Stoffe als Vorprodukte einsetzen, ergäben sich erhebliche<br />
Kostensteigerungen, die sie je nach Marktlage im internationalen Wettbewerb<br />
nicht vollständig weitergeben könnten, was zu entsprechenden Gewinneinbußen<br />
führt. Lässt der internationale Wettbewerb eine Weitergabe dieser Kosten zu, tragen<br />
schließlich die Verbraucher die Last. Aus ökonomischer Sicht würde dies zu Problemen<br />
im internationalen Wettbewerb führen. Aus ökologischer Sicht wäre das Ergebnis<br />
auf den ersten Blick wünschenswert, denn diejenigen Güter, die direkt oder indirekt<br />
in besonderer Weise Energieinputs und Grundstoffe wie Stahl, Keramik usw.<br />
enthalten, würden in Europa erheblich teurer und entsprechend weniger nachgefragt<br />
werden. Dies würde jedoch zu einer steigenden Produktion dieser Waren außerhalb<br />
der Europäischen Union führen, die schließlich von Europa importiert würden, sodass<br />
sich die globale ökologische Bilanz keineswegs verbessern würde. Was bliebe, wäre<br />
ein Wettbewerbsnachteil für die europäische Wirtschaft.<br />
Können die am Emissionshandel beteiligten Unternehmen hingegen nur ihre tatsächlichen,<br />
durch den Zukauf von Emissionszertifikaten entstandenen Kosten, berücksichtigen,<br />
sind die Preiswirkungen erheblich schwächer. Der in der Wertschöpfungskette<br />
entstehende Kostendruck ist – so zeigen die bisherigen Erfahrungen – sehr<br />
schwach; Probleme der internationalen Wettbewerbsfähigkeit dürfte es kaum geben.<br />
Die ökonomische Minderbelastung führt hingegen bei einer freien Zuteilung und<br />
Handelsbeschränkungen zum Wegfall des ökologischen Effekts, da die Nachfrage<br />
nach rohstoffintensiven Produkten nicht sinken wird.<br />
19
3. Was muss geschehen?<br />
Versteigerung aller Zertifikate<br />
Bei einer vollständigen Versteigerung der Zertifikate durch den Staat müssen die Unternehmen<br />
für den Erwerb der Zertifikate einen bestimmten Betrag bezahlen. Insofern<br />
ist derselbe Preisanstieg für die Grundstoffe zu erwarten wie im Fall der vollen<br />
Überwälzung der Opportunitätskosten bei der kostenlosen Vergabe der Zertifikate.<br />
Auch alle anderen Effekte auf die nachfolgenden Produktionsstufen und die Verbraucher<br />
sind identisch. Entsprechend wird sich auch der gewünschte ökologische Effekt<br />
einstellen. Der Unterschied liegt einzig darin, dass nun nicht die Unternehmen an den<br />
Zertifikaten verdienen, sondern der Staat.<br />
In der Literatur (z. B. Meyer 2007, Wagener 2006) werden Senkungen der Einkommensteuer<br />
oder der Sozialversicherungsbeiträge zum Ausgleich der dadurch entstandenen<br />
Kosten diskutiert. Dies hilft der Wirtschaft allgemein, aber die Grundstoffindustrien<br />
würden nur sehr indirekt daran teilhaben. Durch die gleichmäßige Senkung<br />
der Einkommenssteuern und Sozialversicherungsbeiträge ergäbe sich eine gleichmäßige<br />
Umverteilung der Entlastungen auf alle Produktionsbereiche und die privaten<br />
Haushalte, was schließlich langfristig zu Standortverlagerungen dieser Industrien in<br />
Schwellen- und Entwicklungsländer führen kann.<br />
Ökologisch wäre damit regional ein Schritt in die richtige Richtung getan, da in<br />
Deutschland der Ressourcenverbrauch nachhaltig sinken würde. Jedoch besteht zu<br />
befürchten, dass die Grundstoffindustrien ihre Produktion ins Ausland verlagern, sodass<br />
die globale ökologische Bilanz aufgrund einer schlechteren Ressourcenproduktivität<br />
in den Schwellenländern insgesamt eher negativ ausfallen würde. Auf Seiten<br />
der ökonomischen Bilanz entstünde in Deutschland ebenfalls eine negative Bilanz,<br />
da ein Teil der Wertschöpfung verloren ginge. Für ein Land, dass seinen Schwerpunkt<br />
weniger in den Grundstoffindustrien, sondern vielmehr in der Veredelung und<br />
technologischen Weiterentwicklung von Produkten sieht, scheint dies auf den ersten<br />
Blick kein Problem zu sein, jedoch zeigt sich immer wieder, dass es wichtig ist, für<br />
eine technologische Weiterentwicklung nicht nur den Wertschöpfungsprozess, sondern<br />
besonders auch den ganzen Produktionsprozess an einem Ort konzentrieren zu<br />
können.<br />
Verschiedene Ökonomen schlagen deshalb vor, das durch die Versteigerung der<br />
Zertifikate ersteigerte Aufkommen wieder direkt an die Unternehmen zurückzuführen.<br />
Dies könne durch verschiedene Umlageverfahren innerhalb des jeweiligen Produktionsbereiches<br />
geschehen. So würde nicht ein ganzer Industriezweig benachteiligt,<br />
sondern nur die ressourcenintensiven Unternehmen in dem jeweiligen Zweig müss-<br />
20
3. Was muss geschehen?<br />
ten zu Gunsten der rohstoffproduktiven Unternehmen mehr Zertifikate kaufen. Der<br />
Lenkungseffekt auf die CO2-Emissionen bliebe aber erhalten, denn es lohnt sich für<br />
die Unternehmen, ihre Technologie zu verbessern. Die Industrie insgesamt würde<br />
aber nicht belastet. Auf jeder Produktionsstufe bliebe somit der Anreiz zum technischen<br />
Fortschritt und zur Energieträgersubstitution erhalten, ohne dass Nachteile im<br />
internationalen Wettbewerb zu erwarten wären. Konsequenterweise müssten bei der<br />
Rückvergütung des Auktionsaufkommens für die Energieversorger die Anbieter erneuerbarer<br />
Energien mit in den Handel einbezogen werden. Sie würden auf dem<br />
Markt entsprechend begünstigt werden, da sie keine – oder wenige – Zertifikate kaufen<br />
müssten, von der entsprechenden Rückvergütung aber um so mehr profitieren<br />
würden. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) könnte dadurch abgeschafft werden.<br />
Eine Weiterentwicklung des Emissionshandels sollte also darin bestehen, möglichst<br />
schnell zu einer Auktion aller Zertifikate überzugehen und auch andere Wirtschaftszweige<br />
in den Handel mit einzubeziehen.<br />
Allerdings stellt sich dann die Frage, ob die Überlagerung verschiedener ökonomischer<br />
Instrumente sinnvoll ist. Die sogenannte Ökosteuer auf Benzin, Diesel, Heizöl,<br />
Strom und Gas, die 1999 eingeführt wurde, betrifft mit einigen Ausnahmen alle Unternehmen<br />
und die privaten Haushalte. Die Ausnahmen sind im Große und Ganzen<br />
diejenigen Wirtschaftszweige, die im Emissionshandel erfasst sind. Dies betrifft im<br />
Großen und Ganzen die energieintensiven Wirtschaftszweige, die deutlich geringere<br />
effektive Steuersätze zu zahlen haben. Gänzlich befreit von der Ökosteuer ist bisher<br />
das für den Flugverkehr notwendige Kerosin. Ein überfälliger Schritt der Weiterentwicklung<br />
von Ressourcensteuern oder aber des Emissionshandels wäre somit die<br />
Einbeziehung der Fluggesellschaften in die jeweiligen Steuerungsinstrumente.<br />
Kann der Markt das Klima retten?<br />
Mit dem Zertifikatehandel wird das Recht auf Verschmutzung privatisiert und weltweit<br />
handelbar gemacht. Das dahinter steckende Prinzip ist, dass Verschmutzung etwas<br />
kosten muss. Egal, wer sie wo verursacht. Dies ist der Versuch, dem Problem »Verschmutzung<br />
des Himmels«, mit den Mitteln des kapitalistischen Marktes beizukommen.<br />
Das langfristige Umweltproblem Klimawandel ist für Staat und Industrie somit<br />
zu einer Chance geworden, Profite zu machen, ohne substantiell an der eigenen<br />
Produktionsweise etwas zu ändern. Als Beispiel für das an dieser Stelle auftretende<br />
Marktversagen sind die sogenannten »windfall profits«: Während die Windkraft, gefördert<br />
durch das Energie-Einspeise-Gesetz, allein in 2006 mehr als 26 Millionen<br />
Tonnen CO2 einsparte, machte die konventionelle Energiewirtschaft Profite ohne<br />
CO2-Einsparungen: Um zu starke Belastungen der vom Emissionshandel erfassten<br />
21
3. Was muss geschehen?<br />
Unternehmen zu vermeiden, entschied sich die Bundesregierung, nur einen kleinen<br />
Teil der Zertifikate zu versteigern und die restlichen kostenlos an die Unternehmen<br />
zu verteilen. Im »sich selbst regulierenden, freien Markt« haben die Unternehmen die<br />
kostenfrei zugeteilten Zertifikate als fiktive Kosten geltend gemacht. Dies geschah,<br />
da sie aufgrund häufig ineffizienter Technologien die Emissionszertifikate geltend<br />
machen mussten und sie nicht weiterverkaufen konnten. Diese fiktiven Kosten für die<br />
Zertifikate, die sie vom Staat geschenkt bekommen haben, wurden den Verbrauchern<br />
gegenüber geltend gemacht, was zu Mehreinnahmen bei den vier großen<br />
Energieversorgern (E.ON, RWE, Vattenfall, EnBW) zwischen fünf und acht Milliarden<br />
Euro pro Jahr führt (BWE 2007). In der ersten Periode des Emissionshandels ist keine<br />
einzige Tonne CO2 eingespart worden, da zu viele Zertifikate vergeben wurden,<br />
während der Verbraucher die Preise für die verschenkten Zertifikate zahlen musste.<br />
Auch international gibt es große Probleme in der Wirksamkeit des Zertifikatehandels:<br />
Nach den im Kyoto-Protokoll festgelegten Richtlinien ist Russland das ökologisch am<br />
weitesten entwickelte Land mit den geringsten Schadstoffemissionen. Das liegt daran,<br />
dass als Grundlage von Kyoto das Schadstoffniveau aus dem Jahr 1990 ausgewählt<br />
wurde. Anfang der 1990er Jahre ist jedoch die UdSSR zusammengebrochen,<br />
viele Industrien produzierten gar nicht mehr und der Schadstoffausstoß lag um 40 %<br />
unter dem weltweiten Durchschnittsniveau (dies ist die ähnliche Situation, die auch<br />
Deutschland zu einer Senkung der CO2-Emissionen in den 1990er Jahren durch den<br />
Zusammenbruch der Wirtschaft in den Gebieten der ehemaligen DDR verhalf.).<br />
Durch diesen historischen „Glücksfall“ besitzt Russland, das Kyoto 2004 unterzeichnete,<br />
einen riesigen Überschuss an Emissionsberechtigungen, das es zum Verkauf<br />
anbieten kann, wenn der weltweite Markt 2008 eröffnet wird. Dieser Zertifikatsüberschuss<br />
Russlands wird häufig süffisant als „heiße Luft“ bezeichnet. Zu Recht, denn<br />
Kriterien, die ein Land als ökologischen Vorreiter bewerten, weil es in Bezug zu seiner<br />
Fläche und seinen Einwohnern noch nicht genug CO2 emittiert, sind keine sinnvollen<br />
Kriterien.<br />
3.3. Personal Carbon Trading<br />
David Fleming und andere haben in den 1990er Jahren mit dem Prinzip der Personal<br />
Carbon Allowances (Emissionshandelsrechte für Privathaushalte) ein Prinzip entwikkelt,<br />
um Privathaushalte am Treibhausgasemissionshandel teilnehmen zu lassen.<br />
Dazu sollen zur Reduktion der Kohlendioxidemissionen der Bevölkerung Freibeträge<br />
zur Emission von CO2 (also über Heizen, Benzinverbrauch, etc.) an Privatpersonen<br />
vergeben werden. Nach Festlegung von kurz-, mittel- und langfristigen Emissions-<br />
22
3. Was muss geschehen?<br />
minderungszielen werden die Emissionsrechte aufgeteilt: Ein Teil wird Privatpersonen<br />
kostenlos zur Verfügung gestellt. Personen, die mehr als die ihnen zugeteilten<br />
Mengen emittieren, können von anderen nicht verbrauchte Emissionsrechte kaufen,<br />
z. B. an einer eigens dafür eingerichteten Börse. Die Freibeträge sollen negative Effekte<br />
besonders für finanzschwache Privathaushalte verhindern, die bei einer Besteuerung<br />
von Emissionen ohne Freibeträge auftreten könnten. Letztendlich würden<br />
emissionssparsame Privathaushalte bei entsprechender Nachfrage durch den Verkauf<br />
nicht verbrauchter Emissionsrechte verdienen können.<br />
Zur Unterscheidung industrieller und privater CO2-Emissionen wird vorgeschlagen,<br />
die verfügbaren Emissionsrechte nur an Individuen zu vergeben. Die restlichen<br />
Emissionszertifikate (Studien in Großbritannien gehen von 40 % für Privatpersonen<br />
und 60 % für den Markt aus) würden an Wirtschaft, Behörden und sonstige Institutionen<br />
versteigert. Beim Kauf von Energie für Wärme, Elektrizität und Mobilität wird die<br />
mit der jeweiligen Energiemenge verbundene CO2-Emission vom jeweiligen CO2-<br />
Konto abgebucht. Dies kann gleich beim Kauf bzw. mit den Abrechnungen der Energieversorger<br />
geschehen. Beim Kauf von Produkten wie Nahrungsmitteln oder Dienstleistungen<br />
werden keine zusätzlichen CO2-Abgaben notwendig, da diese bereits von<br />
den jeweiligen Produzenten beglichen sind. Nicht verbrauchte CO2-Mengen werden<br />
wieder in den Markt eingespeist und der entsprechende Gegenwert wird gut geschrieben.<br />
Das Department for Environment, Food and Rural Affairs (DEFRA) gab 2006 beim<br />
Centre for Sustainable Energy eine Machbarkeitsstudie zu individualisierten Emissionshandelsrechten<br />
in Auftrag, die im November 2006 veröffentlicht wurde: „This ‘capand-trade’<br />
system thereby has the potential to constrain in an economically efficient,<br />
fiscally progressive, and morally egalitarian manner the 40-50% of UK carbon dioxide<br />
emissions caused directly by individuals. This is, of course, assuming both that the<br />
political system managing it can maintain and tighten the cap on total emissions and<br />
that the population has access to opportunities to curb their own emissions.“<br />
Im Emsland wurde auf Initiative des ZukunftsForums Emsland in einem Modellprojekt<br />
mit 150 Privathaushalten der „Handel“ mit Kohlendioxid-Zertifikaten begonnen. Ergebnisse<br />
der Evaluationsstudien stehen aus. Die für eine bestimmte Periode zugeteilte<br />
Berechtigung wird auf einer Karte gespeichert und von dort beim Kauf von<br />
Kraftstoff, Fahrscheinen für öffentliche Verkehrsmittel sowie Gas, Heizöl und Strom<br />
abgebucht. Die technischen Voraussetzungen für ein solches System sind bei den<br />
Kraftstoffen im Prinzip vorhanden, weil die Tankstellen bereits elektronische Buchungssysteme<br />
für den Verkauf von Treibstoff mit Kreditkarten besitzen. Die noch<br />
23
3. Was muss geschehen?<br />
notwendigen Ergänzungen sind problemlos möglich. Derartige Instrumente haben<br />
eine direkte Auswirkung auf das Konsumentenverhalten, indem sie unmittelbare<br />
Konsequenzen für den Verbraucher nach sich ziehen.<br />
Die zusätzlichen staatlichen Einnahmen aus dem Zertifikatsverkauf können zum<br />
Ausgleich der Mindereinnahmen aus Mineralölsteuer, Ökosteuer und auch Umsatzsteuer<br />
genutzt werden, die aus einem effizienteren Umgang mit Ressourcen folgen.<br />
Darüber hinaus können ressourcenschonende Technologien gefördert und besondere<br />
Härten für trotz Optimierungsprozessen ressourcenintensive Branchen ausgeglichen<br />
werden.<br />
Entscheidend ist dabei, dass eine wichtige Komponente der Energienachfrage durch<br />
die Gesamtzahl der Emissionsberechtigungen gesteuert werden kann, ohne dass<br />
sich negative wirtschaftliche Konsequenzen ergeben. Außerdem wäre das Private<br />
Carbon Trading einer Energiesteuer für Haushalte überlegen, weil eine gerechte Zuteilung<br />
pro Kopf gewährleistet wäre. So könnte jeder Energie ohne Zusatzkosten<br />
nachfragen, wenn er innerhalb seiner Pro-Kopf-Zuteilung bleibt.<br />
Man kann sich sogar gegenüber dem Status quo besser stellen, wenn man weniger<br />
verbraucht und die Berechtigungen verkauft. Nur wer übermäßig Energie konsumiert,<br />
muss draufzahlen. Im Hinblick auf die soziale Nachhaltigkeit ist also ein CO2 Emissionshandel<br />
der Haushalte einer Besteuerung vorzuziehen, weil die vom Ansatz her<br />
regressive Besteuerung die unteren Einkommensklassen stärker trifft als die reichen<br />
Haushalte.<br />
Auch die ökologische Wirkung eines CO2-Emissionshandels für die privaten Haushalte<br />
dürfte denen einer Energiebesteuerung überlegen sein. Die Haushalte reagieren<br />
relativ schwach auf Änderungen der Preise, die sie für die Energie zu zahlen haben,<br />
sodass die Energienachfrage und damit die CO2-Emissionen der Haushalte sich nur<br />
wenig vermindern. Dagegen kann man durch die Höhe der Gesamtzuteilung die von<br />
den Haushalten verursachten CO2-Emissionen relativ zielgenau steuern. Sollte Personal<br />
Carbon Trading nicht durchsetzbar sein, müssten alternativ die Steuersätze der<br />
Haushalte für Strom, Gas, Heizöl und Kraftstoffe heraufgesetzt werden.<br />
3.4. Energieverbrauch im Haushalt<br />
Heizung und Warmwasser verursachen fast 90 Prozent des Energieverbrauchs eines<br />
privaten Haushalts in Deutschland. Davon entfallen 75 Prozent auf die Raumwärme,<br />
von der ein Großteil durch Wände, Fenster, Dach, Türen oder den Fußboden entweicht.<br />
Durch effiziente Dämmung kann man hier viel Geld sparen. Das betrifft nicht<br />
24
3. Was muss geschehen?<br />
zuletzt Rohrleitungen, die bei schlechter Isolierung viel Wärme an der falschen Stelle<br />
abgeben. In Einzelfällen lässt sich der Energiebedarf um bis zu 90 Prozent verringern,<br />
im Durchschnitt immerhin um 50 Prozent.<br />
Das Einsparpotential beim Wohnen ist besonders hoch. Dabei lassen sich strikte Auflagen<br />
für Neubauten leicht durchsetzen, dort ist seit 2002 bereits der Niedrigenergiestandard<br />
Pflicht. Problematisch hingegen sind ältere Häuser, die aufwendig saniert<br />
werden müssen. Nach Schätzung des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und<br />
Stadtentwicklung lassen sich durch energetische Sanierungen bis 2020 über<br />
40 Milliarden Euro Heizkosten sparen. Allerdings verzichten 50 % der betroffenen<br />
Hausbesitzer auf die Umsetzung geeigneter Modernisierungsvorschläge, da die primären<br />
Investitionskosten zu hoch sind. Dabei ergibt sich ein großer Unterschied zwischen<br />
Eigenheimbesitzern und den Besitzern von Mietshäusern: Eigenheimbesitzer<br />
wirtschaften durch die Einsparungen aufgrund einer energetischen Sanierung quasi<br />
in die eigene Tasche. Zwar ist die Sanierung von Mietshäusern wirtschaftlicher als<br />
die von Einfamilienhäusern, weil nur eine neue Heizung für viele Wohnungen anfällt<br />
und vergleichsweise weniger Dach-, Keller- und Fassadenfläche zu dämmen ist.<br />
Doch entsteht an der Stelle ein Investoren-Nutzer-Dilemma: Der Vermieter muss<br />
große Summen investieren, während der Mieter mit sinkenden Heizkosten den Nutzen<br />
davon trägt.<br />
Die Kaltmieten, die der Vermieter kassiert, sind seit dem Jahr 2000 kaum gestiegen,<br />
während die Heizkosten um 70 % nach oben geklettert sind. Der Mieter unterscheidet<br />
jedoch meist nicht zwischen beiden und nimmt nur die Gesamtbilanz der gestiegenen<br />
Kosten wahr. Einer Studie der WBG Nürnberg zufolge kommt es bei der Umrüstung<br />
eines Wohnhauses zu einem Niedrigenergiehaus zu einer Steigerung der<br />
Kaltmiete um ca. 1,50 Euro pro Quadratmeter. Obwohl sich diese Kosten langfristig<br />
durch sinkende Heizungskosten amortisieren (bis zu 70 % Einsparung bei einer<br />
energetischen Sanierung von Altbauten), ist die Akzeptanz bei Mietern gering.<br />
Zur Steigerung der Attraktivität von energetischen Sanierungen könnte der Gesetzgeber<br />
als Anreiz – ausschließlich für energetische Investitionen – eine höhere Umlage<br />
als 11 % zulassen. Dabei könnten die Umlagen zum Schutz von Mieterinnen und<br />
Mietern befristet und gestaffelt nach dem Einsparerfolg angelegt sein. Energetische<br />
Sanierungen gewinnen dadurch für Investoren wirtschaftlich an Attraktivität, denn sie<br />
können einen höheren Teil der Kosten auf die Miete umlegen. Wenn die Umlage an<br />
den Einspareffekt gekoppelt ist, profitieren Vermieter und Mieter. Auch erscheint eine<br />
Überschreitung der ortsüblichen Vergleichsmiete vertretbar, sofern sich die Warmmiete<br />
insgesamt nicht erhöht, also eine Warmmieten-Neutralität gewährleistet ist.<br />
25
3. Was muss geschehen?<br />
Darüber hinaus können Investitionsanreize geschaffen werden, wenn die wärmetechnische<br />
Beschaffenheit eines Gebäudes in den Mietspiegel eingeht. Mit diesem<br />
„Energetischen Mietspiegel“ könnten energetische Sanierungen rentabler werden, da<br />
der Vermieter dauerhaft eine höhere Miete für energetisch optimierte Wohnungen<br />
durchsetzen kann. Gleichzeitig würden mehr Transparenz geschaffen und Mieter für<br />
die Kosten des Energieverbrauchs sensibilisiert werden (UBA 2006).<br />
Mit Änderungen des Mietrechts müssten die Rahmenbedingungen so umgestaltet<br />
werden, dass energetisch sinnvolle Investitionen in den Gebäudebestand auch wirtschaftlich<br />
attraktiv sind. Die Energieeinsparverordnung (EnEV) verschärfte im Jahr<br />
2002 die Anforderungen an den zulässigen Energiebedarf für neue Gebäude um circa<br />
30 Prozent gegenüber dem seinerzeitigen Standard. Die EnEV kann das im Gebäudebestand<br />
vorhandene große CO2-Emissionsminderungspotenzial jedoch nicht in<br />
vollem Umfang erschließen, da eine generelle Nachrüstverpflichtung für den Gebäudebestand<br />
aus rechtlichen Gründen – vor allem wegen des Wirtschaftlichkeitsgebots<br />
des Energieeinspargesetzes (§ 5 EnEG) – bisher nicht möglich ist (UBA 2006). Das<br />
Energieeinspargesetz müsste entsprechend nachgebessert werden. Die Anforderungen<br />
der Energiesparverordnung bei Neubauten sollten schrittweise auf Passivhausniveau,<br />
bei Altbauten auf Niedrigenergiehausniveau steigen.<br />
3.5. Ressourcensteuern<br />
Produktionsprozesse und somit auch unser Wohlstand hängen vom Einsatz und der<br />
Verfügbarkeit der Primärproduktionsfaktoren Arbeit und den jeweils eingesetzten<br />
Rohstoffen ab. Angesichts der Tatsache, dass der Produktionsfaktor Arbeit nachwächst<br />
und im Überschuss verfügbar ist und die Bestände der nachwachsenden<br />
Ressourcen (z. B. Wald, Grundwasser) sehr stark zurück gehen, müsste man eigentlich<br />
davon ausgehen, dass die Wirtschaft dies in ihren Planungen berücksichtigt und<br />
weniger den Arbeitseinsatz rationalisiert und dafür mehr den Ressourceneinsatz.<br />
Das tut sie aber aus zwei Gründen nicht:<br />
1. Die Preise spiegeln die langfristige Knappheit der Ressourcen und die ökologischen<br />
Wirkungen ihres Verbrauchs nicht wider; es liegt ein Marktversagen vor.<br />
2. Das Steuer- und Abgabensystem belastet einseitig den Faktor Arbeit. Etwa 78 %<br />
der gesamten Steuerlast entfallen auf den Produktionsfaktor Arbeit, 10 % auf die<br />
natürlichen Ressourcen und 12 % auf das Kapital.<br />
Um diesem Missstand entgegenzuwirken, wurde die Ökosteuer als Energiesteuer in<br />
Deutschland von 1999 bis 2003 stufenweise eingeführt. Der Erlös aus der Ökosteuer<br />
26
3. Was muss geschehen?<br />
beträgt derzeit etwa 21 Milliarden Euro; diese Einnahmen werden überwiegend zur<br />
Senkung der Rentenbeiträge verwendet, was zu einer Senkung des Beitragssatzes<br />
um 1,7 % führte. Zusammen mit der Mineralölsteuer beträgt das Steueraufkommen<br />
für den Energieverbrauch derzeit etwa 61 Milliarden Euro pro Jahr. Dagegen sind die<br />
Steuern und Abgaben auf Löhne und Gehälter etwa 8-mal so hoch.<br />
Die Idee einer ökologischen Steuerreform als Ressourcensteuer, die erstmals von<br />
Binswanger et al. (1979, 1983) formuliert wurde, besteht darin, Aktivitäten, die zu negativen<br />
externen Effekten in Form von Umweltbelastungen führen, durch eine geeignete<br />
Steuer zu belasten. Im Gegenzug sollen gesellschaftlich erwünschte Aktivitäten,<br />
wie Arbeit, die bisher mit hohen Abgaben belegt sind, entlastet werden. Hieran wird<br />
die Erwartung einer sogenannten »doppelten Dividende« in Form einer Umweltentlastung<br />
bei gleichzeitiger Verbesserung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit geknüpft<br />
(Pearce 1991, Kirchgässner 1998).<br />
Die 1999 eingeführte Energiebesteuerung gilt als Einstieg in die ökologische Steuerreform<br />
in Deutschland. Sie besteht aus einer Besteuerung des Energieverbrauchs für<br />
Kraftstoffe, Heizöl, Strom und Gas, deren Aufkommen an die Rentenversicherung<br />
gezahlt wird. In der ersten Stufe wurden eine Stromsteuer von 1 ct je Kilowattstunde<br />
eingeführt und die Mineralölsteuer erhöht (Benzin und Diesel um 3 ct je Liter, Heizöl<br />
um 4 ct je Liter sowie Gas um 0,16 ct je Kilowattstunde). In den folgenden Stufen<br />
wurden nur die Verkehrskraftstoffe Benzin und Diesel um jeweils 3 ct je Liter und<br />
Strom um 0,25 ct je Kilowattstunde verteuert. Für viele Energienutzer gelten jedoch<br />
geringere Steuersätze. Im Gesetz sind Ermäßigungen für das produzierende Gewerbe<br />
sowie die Land- und Forstwirtschaft vorgesehen: Soweit die zusätzliche Steuerbelastung<br />
auf Strom und Heizstoffe jeweils 500 Euro im Jahr übersteigt, gelten ermäßigte<br />
Sätze in Höhe von 20 % des Normalsatzes. Darüber hinaus erhalten Unternehmen<br />
des produzierenden Gewerbes auf Antrag den Teil der Steuerzahlungen zurück,<br />
der die Entlastung beim Arbeitgeberanteil zur Rentenversicherung um mehr als<br />
20 % übersteigt. Die zusätzlichen Steuereinnahmen werden zur Senkung der Sozialversicherungsbeiträge<br />
und damit der Lohnnebenkosten verwendet.<br />
Durch diese Rückführung des Steueraufkommens werden die Beitragszahlungen der<br />
Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber und der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zur<br />
Rentenversicherung entlastet. Problematisch sind jedoch zwei Dinge:<br />
(A) Die Steuersätze orientieren sich am Energieverbrauch und nicht am Ressourcenverbrauch.<br />
27
3. Was muss geschehen?<br />
(B) Es handelt sich im Wesentlichen um eine Belastung der Haushalte, denn diejenigen<br />
Unternehmen, die besonders energieintensiv produzieren, erhielten großzügige<br />
Ausnahmeregelungen.<br />
Energiesteuern im europäischen Vergleich<br />
Um eine bessere Einschätzung von den Möglichkeiten einer Weiterentwicklung von<br />
Ressourcensteuern und insbesondere Energiesteuern zu bekommen, wird ein Vergleich<br />
einiger europäischer Energiesteuermodelle und ihrer Wirkung vorgenommen<br />
(siehe Tabelle X). Aufgrund der unterschiedlichen Motivation dieser Steuern variieren<br />
die Abgabensätze und somit auch die Wirkungen der verschiedenen Steuersysteme<br />
erheblich. Im Folgenden sind die europäischen Energiesteuern dargestellt und anschließend<br />
bewertet:<br />
28
3. Was muss geschehen?<br />
Dänemark<br />
(CO2-Steuer)<br />
Land Auswirkung auf die<br />
CO2-Emission<br />
Deutschland<br />
(Ökologische Steuerreform)<br />
Finnland<br />
(CO2- und Stromsteuer)<br />
Niederlande<br />
(Regulatory Energy Tax)<br />
Norwegen<br />
(CO2-Steuer)<br />
Schweden<br />
(CO2-Steuer)<br />
Großbritannien<br />
(Climate Change Levy)<br />
25 %ige Reduktion der<br />
spezifischen CO2-<br />
Emissionen zwischen<br />
1990 und 2000. 5 % des<br />
nationalen Reduktionsziels<br />
von 20% der CO2-<br />
Reduktion sollten durch<br />
Steuer erzielt werden.<br />
Geschätzter 3 %iger<br />
Rückgang der CO2-<br />
Emissionen bis 2012 (24<br />
Mio. t CO2). Andere Studien<br />
gehen von geringerer<br />
aber deutlich positiver<br />
Wirkung der Steuer aus<br />
(9-13 Mio. t CO2 bis<br />
2010).<br />
7% Reduktion der CO2-<br />
Emissionen zwischen<br />
1990 und 1998 (4 Mio. t<br />
CO2)<br />
Nach Erhöhung der Abgabesätze<br />
wird bis<br />
2010 eine Verringerung<br />
der CO2-Emissionen von<br />
3,8 Mio. t erwartet.<br />
11%ige Reduktion der<br />
spezifischen CO2-<br />
Emissionen zwischen<br />
1990 und 1999<br />
2%ige Reduktion der<br />
CO2- Emissionen zwischen<br />
1990 und 2002.<br />
Niedriges Potential bei<br />
Einführung der Steuer<br />
wegen CO2-freiem Energiemix<br />
und Wirtschaft mit<br />
geringer CO2-Intensität.<br />
2% Reduktion der CO2-<br />
Emissionen<br />
Auswirkung auf die<br />
Beschäftigung<br />
Langfristig positiver Beschäftigungseffekt<br />
durch<br />
Senkung der Lohnnebenkosten<br />
(10 Jahre nach<br />
Einführung der Steuer).<br />
Positiver Beschäftigungseffekt,<br />
bis zu<br />
0,75 % mehr Beschäftigung<br />
Auswirkung auf das BIP<br />
Kurzfristig positiver Effekt<br />
(0,02 % des BIP),<br />
ab 5 Jahre nach Einführung<br />
leicht neg. Effekt (-<br />
0,03 % des BIP) (höhere<br />
Energiekosten können<br />
nicht mehr durch einmaligen<br />
Effekt der geringen<br />
Lohnnebenkosten kompensiert<br />
werden).<br />
Positiver Effekt auf das<br />
BIP: Privater Konsum<br />
liegt 0,5 % höher, Staatskonsum<br />
liegt 0,6-0,8 %<br />
höher.<br />
k.A. Entkopplung von Wirtschaftswachstum<br />
und<br />
CO2- Emissionen zwischen<br />
1990 und 2001,<br />
daher keine schwächende<br />
Wirkung der Steuer.<br />
k.A. Zusätzliche Steuererträge<br />
für den öffentlichen<br />
Haushalt<br />
Leicht positiver Beschäftigungseffekt<br />
Entkopplung von Wirtschaftswachstum<br />
und<br />
CO2-Emissionen, daher<br />
keine schwächende Wirkung<br />
der Steuer.<br />
k.A. Steuer hat nicht zu Verschlechterung<br />
der Produktivität<br />
geführt. Entkopplung<br />
von Wirtschaftswachstum<br />
und<br />
CO2- Emissionen.<br />
Reduktion der Lohnnebenkosten<br />
zu gering um<br />
Beschäftigungseffekt<br />
auszulösen.<br />
Positiver Effekt mit geschätztem<br />
BIP-<br />
Wachstum von 0,06% bis<br />
2010.<br />
Tabelle 1: Überblick über Energiesteuern in Europa und ihre Wirkungen (verändert nach BfE 2007)<br />
29
3. Was muss geschehen?<br />
Aus dem Ländervergleich ergeben sich folgende Schlussfolgerungen:<br />
• In drei (Dänemark, Deutschland, Schweden) von sieben Fällen wirkt das Modell<br />
der doppelten Dividende und die Steuern führten zu positiven Beschäftigungseffekten.<br />
In einem weiteren Fall wird angegeben, dass die Reduktion der<br />
Lohnnebenkosten zu gering war, um einen Beschäftigungseffekt auszulösen.<br />
Es wird jedoch deutlich, dass keine der Steuern zu negativen Beschäftigungswirkungen<br />
geführt hat.<br />
• Die Einführung einer Energie- oder CO2-Steuer konnte zu einer Reduktion der<br />
CO2-Emissionen beitragen. Der Beitrag der Steuern zur Reduktion der CO2-<br />
Emissionen gegenüber dem absoluten Niveau der CO2-Emissionen im Ausgangszustand<br />
lag dabei zwischen 2 % (Schweden, UK) und 7 % (Finnland).<br />
• Auch wenn nicht alle Energieprodukte besteuert werden oder die Steuern auf<br />
eine bestimmte Konsumentengruppe (private Haushalte, Industrie) abzielen,<br />
konnten Abgaben zu einer Reduktion der CO2-Emissionen führen. Die CO2-<br />
Wirkung der Steuer ist zudem vom Reduktionspotenzial zum Zeitpunkt ihrer<br />
Einführung und der CO2-Intensität einer Volkswirtschaft abhängig. In Ländern<br />
mit einem hohen Potential wie Dänemark sind die CO2-Wirkungen in der Regel<br />
ausgeprägter als in Ländern wie Schweden mit einer insgesamt weniger<br />
CO2-intensiven Volkswirtschaft.<br />
• Bei den wirtschaftlichen Wirkungen haben die bestehenden Energie- und CO2-<br />
Steuern in zwei von sieben Fällen zu positiven Effekten geführt (Anstieg des<br />
BIP). In einem Fall wird kurzfristig ein positiver Effekt verbucht, langfristig sind<br />
die BIP-Wirkungen insgesamt leicht negativ. In drei Fällen wird angegeben,<br />
dass die Steuern zu einer Entkopplung von Wirtschaftswachstum und CO2-<br />
Emissionen beigetragen hat, was bedeutet, dass die Steuern keine negativen<br />
Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum hatten. Für die Niederlande liegen<br />
keine konkreten Angaben vor, da sich die Steuer nur auf private Haushalte<br />
bezieht.<br />
Bei allen bestehenden Energie- und CO2-Steuersystemen konnte somit ein Rückgang<br />
der CO2- Emissionen beobachtet werden, ohne dabei das Wirtschaftswachstum<br />
zu gefährden. Befürchtungen, dass eine Energie- oder CO2-Steuer zu Lasten der<br />
wirtschaftlichen Entwicklung geht, werden durch diese Erfahrungen nicht bestätigt.<br />
30
3. Was muss geschehen?<br />
Erfolgsfaktoren für die Wirksamkeit<br />
Aus dem Ländervergleich lassen sich Merkmale identifizieren, die für den Erfolg einer<br />
Ressourcensteuer offensichtlich maßgeblich sind: Die Bemessungsgrundlage sollte<br />
möglichst breit gewählt werden, damit eine Verzerrung des Wettbewerbs zwischen<br />
den Energieträgern vermieden werden kann, d. h. sie sollte sowohl den Energiegehalt<br />
als auch den CO2-Gehalt der Energieträger berücksichtigen. Aus Effizienzsicht<br />
sollte eine Besteuerung auf Basis der Primärenergie vorgesehen werden. Auf diese<br />
Weise können Anreize für eine effiziente Energieumwandlung gesetzt werden. Die<br />
Höhe der Steuern sollte – abhängig von der konkreten Zielsetzung – schrittweise auf<br />
ein Niveau erhöht werden, dass auch tatsächlich spürbare Anreizwirkungen zu entfalten<br />
vermag. Die bisher in Europa eingesetzten Abgabesätze sind zu niedrig, um einen<br />
signifikanten Beitrag zum Wandel von Wirtschaft und Gesellschaft in Richtung<br />
2000-Watt-Gesellschaft 1 erzielen soll. Daraus ergeben sich folgende Erfolgsfaktoren<br />
für die Umsetzung einer effizienten Ressourcenbesteuerung:<br />
• Vorhersehbare schrittweise Einführung mit verkraftbaren Stufen von Abgabeerhöhungen.<br />
• Rückverteilung der Mittel an die von der Besteuerung betroffenen Unternehmen<br />
und gegebenenfalls an die Haushalte.<br />
• Teilzweckbindung eines Teils der Mittel für Förderprogramme im Bereich<br />
Energieeffizienz und erneuerbare Energien.<br />
• Abfederungsmaßnahmen für international exponierte energieintensive Branchen.<br />
• Kompensationsmaßnahmen (z. B. Reduktion der Lohnnebenkosten) zur Abfederung<br />
unerwünschter sozialer Verteilungswirkungen.<br />
Wirkung der Ökosteuer auf Privathaushalte<br />
In einer vom Ecologic-Institut und dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung<br />
(DIW) durchgeführten Studie wurden die Effekte der Ökologischen Steuerreform auf<br />
Privathaushalte untersucht. In einer Umfrage wurden dabei Einschätzungen der Bürgerinnen<br />
und Bürger zur Auswirkung der Ökosteuer auf die Bereiche Strom und Heizen<br />
und Mobilität erhoben. Zusammenfassend lässt sich dabei festhalten, dass sich<br />
ein Großteil der privaten Haushalte bemüht, seinen Energieverbrauch im Alltag zu<br />
verringern. Insbesondere in den Bereichen Strom und Heizen tritt dies deutlich zu tage.<br />
Die Kosten zu senken und die Umwelt zu schützen sind dabei ausschlaggebende<br />
1 Die 2000-Watt-Gesellschaft ist ein energiepolitisches Modell, das an der Eidgenössischen Technischen<br />
Hochschule Zürich entwickelt wurde. Gemäß der Berechnungen sollte der Energiebedarf jedes<br />
Erdbewohners einer durchschnittlichen Leistung von 2.000 Watt nicht überschreiten. Die 2000-Watt-<br />
Gesellschaft wird auch von BMU und UBA als Zielvorgabe diskutiert (BMU 2007).<br />
31
3. Was muss geschehen?<br />
Motive. Die Preisaufschläge durch die Ökosteuer waren für rund die Hälfte der Befragten<br />
eine Motivation, ihr Verhalten umzustellen. Insgesamt zeigen die Ergebnisse<br />
der Umfrage deutlich, dass erhöhte Strom-, Energie- und Kraftstoffpreise zu Änderungen<br />
im Alltagshandeln führen können (Ecologic 2005). Es stellt sich bei der Umfrage<br />
jedoch die Frage, ob die Problematik der sozialen Erwünschtheit bei den Probanden<br />
ausreichend berücksichtigt wurde, da sich das Antwortverhalten nicht in<br />
Wirtschaftsdaten bestätigen lässt.<br />
Wirkung der Ökosteuer auf Unternehmen<br />
Entgegen der öffentlichen Wahrnehmung ist die ökologische Steuerreform keinesfalls<br />
nur eine Belastung für die Unternehmen. Häufig profitieren Unternehmen direkt oder<br />
indirekt von ihr (DIW 2005).<br />
Im Jahr 2002 wurden alle Produktionsbereiche zusammen um 170 Millionen Euro<br />
netto entlastet. Arbeitsintensive Sektoren profitierten hierbei besonders stark; der<br />
Dienstleistungssektor wurde z.B. um 1,2 Milliarden Euro entlastet. Für das produzierende<br />
Gewerbe ergibt sich eine Entlastung um 300 Millionen Euro, während die<br />
Landwirtschaft mit 400 Millionen Euro belastet wurde. Zu den Gewinnern gehört das<br />
verarbeitende Gewerbe, das mit 500 Millionen Euro von der ökologischen Steuerreform<br />
profitiert.<br />
Insgesamt entstand 2003 für alle Produktionsbereiche eine Belastung in Höhe von<br />
1,2 Milliarden Euro. In Relation zum Bruttoproduktionswert stellt das jedoch eine Belastung<br />
von lediglich 0,03 Prozent dar. Selbst bei den stärker betroffenen Branchen<br />
hält sich die Nettobelastung in sehr engen Grenzen: Die höchste relative Belastung<br />
beträgt lediglich ein Prozent des Bruttoproduktionswertes.<br />
Für das produzierende Gewerbe und die Landwirtschaft belaufen sich die Mehrbelastungen<br />
auf 700 Millionen Euro, wovon 400 Millionen zu Lasten der Landwirtschaft<br />
gehen. Damit gehört dieser Sektor zusammen mit Handel und Verkehr zu den<br />
Hauptbetroffenen der ökologischen Steuerreform. Die übrigen Wirtschaftsbereiche<br />
wurden insgesamt um rund 800 Millionen Euro entlastet. Der Dienstleistungssektor<br />
gehörte mit einer Nettoentlastung in Höhe von 1,1 Milliarden Euro zu den Hauptgewinnern.<br />
Bei der Identifikation der Gewinner der Ökologischen Steuerreform kann<br />
man zwei Gruppen ausmachen (Ecologic 2005):<br />
• Die „Tüchtigen“ haben sich durch die Erschließung neuer Märkte und die<br />
Schaffung neuer Produkte an die geänderten Rahmenbedingungen nach Einführung<br />
der Ökologischen Steuerreform angepasst.<br />
32
3. Was muss geschehen?<br />
• Die „Glücklichen“ sind diejenigen Unternehmen, die auch ohne nennenswerte<br />
Änderungen ihrer Produkte oder Produktionsprozesse von der Ökologischen<br />
Steuerreform profitiert haben. Hierzu gehören Unternehmen, die durch die<br />
Senkung der Lohnnebenkosten netto entlastet wurden.<br />
Dies zeigt Lenkungswirkungen, aber auch Ungerechtigkeiten der ökologischen Steuerreform:<br />
Ein energieintensives Unternehmen kann durch Effizienzstrategien versuchen,<br />
seinen Energieverbrauch und damit seine Abgabenlast zu senken. Durch die<br />
Ausschüttung der fiskalischen Einnahmen über eine Senkung der sogenannten<br />
Lohnnebenkosten (hier Rentenversicherungsbeiträge) werden jedoch alle am Markt<br />
tätigen Unternehmen entlastet.<br />
Weiterentwicklung der Ökosteuer<br />
Bei einer Weiterentwicklung der Ökosteuer müsste von einer Besteuerung des Energieverbrauchs<br />
zu einer Besteuerung des Rohstoffverbrauchs übergegangen werden.<br />
Das Konzept der Ressourcensteuer zeigt gegenüber der Ökosteuer grundlegende<br />
Veränderungen:<br />
1. Es sieht die Besteuerungen aller Rohstoffe vor, auch industriell verarbeiteter<br />
nachwachsender Rohstoffe, wie z.B. Holz. Rohprodukte für Lebensmittel dagegen<br />
werden nicht besteuert.<br />
2. Es werden nur die Rohstoffe oder Rohstoffanteile eines Produktes besteuert und<br />
nicht ein Produkt, das bereits den Produktionsfaktor Arbeit beinhaltet.<br />
3. Es ist keine Mengen-, sondern eine Wertsteuer.<br />
Die Besteuerung müsste an dem Einsatz von Metallen in den metallverarbeitenden<br />
Industrien und am Einsatz von Mineralien in der Bauwirtschaft und in der Branche<br />
Glas, Keramik ansetzen. Kohle braucht an dieser Stelle nicht explizit besteuert zu<br />
werden, weil sie ja durch den Emissionshandel der energieintensiven Branchen des<br />
produzierenden Gewerbes bereits erfasst ist.<br />
Die Wirkung von Besteuerung und Kompensation wäre im konkreten Beispiel die folgende:<br />
Durch die Besteuerung von Metallinputs würden im Fahrzeugbau die Produktionskosten<br />
steigen. Durch die Rückvergütung des Steueraufkommens würden Unternehmen,<br />
die den technischen Fortschritt vorantreiben und leichtere Fahrzeuge mit<br />
weniger Material entwickeln, begünstigt und die Hersteller schwerer großer Fahrzeuge<br />
benachteiligt. Es ergäbe sich somit ein Anreiz, den Metallverbrauch zu reduzieren,<br />
ohne dass die Branche im Durchschnitt gegenüber dem außereuropäischen Ausland<br />
benachteiligt ist.<br />
33
3. Was muss geschehen?<br />
Die Rückvergütung des Steueraufkommens an die durch die Zahlung belastete<br />
Branche ist laut Meyer (2007) einer Reduktion der Sozialabgaben vorzuziehen. Zum<br />
einen kann nur bei der direkten Rückvergütung des Steueraufkommens an die zahlende<br />
Branche eine Belastung der Branche insgesamt vermieden werden und gleichzeitig<br />
der Steuerungseffekt auf die CO2-Emissionen erhalten bleiben. Zum anderen<br />
ist mit der Reduktion der Sozialabgaben und der gleichzeitigen Erhöhung der Steuerfinanzierung<br />
der Sozialversicherung ein schleichender Systemwechsel in der Finanzierung<br />
der Sozialversicherung verbunden.<br />
Ziel der Ökosteuer war es, durch die Erhöhung der Energiepreise den gesamten<br />
Rohstoffumsatz zu drosseln. Dies erschien möglich, da bei der gesamten Materialerzeugung,<br />
Verarbeitung und beim Transport Energie nötig ist, und so durch die Besteuerung<br />
der Energie alle Materialien teurer werden und deshalb ein Einsparungseffekt<br />
erwartet wurde. In der Realität hat sich diese Wirkung jedoch kaum merkbar eingestellt.<br />
Wegen des geringen Kostenanteils der Energie am gesamten Materialumsatz<br />
würde sich der gewünschte Effekt erst bei einer sehr hohen Energiebesteuerung<br />
erzielen lassen, hierzu hat aber der politische Durchsetzungswille gefehlt. Dazu<br />
kommt, dass die Ökosteuer seit Januar 2003 wegen der steigenden Rohölpreise<br />
nicht mehr erhöht wurde, und somit keine weitere nennenswerte Senkung der Bruttolohnkosten<br />
möglich war.<br />
Derzeitig zeigen sich in der Erhebung der Ökosteuer drei Nachteile:<br />
(a) Sie hätte bei energieintensiven Branchen zu Wettbewerbsnachteilen geführt.<br />
Deshalb wurde sie gerade dort, wo sie am wirksamsten wäre, nicht eingeführt.<br />
(b) Nur etwa 40 % des Steueraufkommens werden von den Unternehmen aufgebracht;<br />
da nur mit diesem Teil die Wirtschaftsweise der Unternehmen beeinflusst<br />
werden kann, hat die Ökosteuer zu wenig Anreizwirkung für rohstoffsparende<br />
Technologien.<br />
(c) Dadurch, dass nicht die Rohstoffe, sondern das Produkt Strom besteuert wird<br />
(und einige Produkte aus Erdöls und Gas), wird auch der Strom aus Sonnen-,<br />
Wind- und Wasserkraftwerken besteuert, was aber aus ökologischer Sicht unsinnig<br />
ist.<br />
Durch die Besteuerung aller Rohstoffe würde die Besteuerungsbasis um etwa 400 %<br />
verbreitert und es würden schon bei geringen Steuererhöhungen Steuerungseffekte<br />
eintreten. Es würde zu einer weiteren Verschiebung der Produktionskosten von den<br />
Arbeitskosten zu den Materialkosten kommen. In der Folge können und werden die<br />
Betriebe die Produktionskosten weniger durch Arbeitsrationalisierung sondern durch<br />
die Rationalisierung des Ressourcenverbrauchs zu senken versuchen. Das heißt: Sie<br />
34
3. Was muss geschehen?<br />
investieren in neue Verfahren, Materialien und Produkte, um mit immer weniger Ressourcen<br />
auszukommen! Die Konkurrenzsituation wird sie dazu zwingen.<br />
Internationale Konkurrenzfähigkeit und Ressourcensteuern<br />
Eine nachhaltige Umweltpolitik ist ebenso wie eine nachhaltige Wirtschaftspolitik<br />
Aufgabe internationaler Bündnisse, wie der Europäischen Union, der OECD oder der<br />
Vereinten Nationen. Ziel einer wirkungsvollen Politik muss es somit sein, internationale<br />
Absprachen zur Besteuerung von Ressourcenverbräuchen und Emissionszertifizierungen<br />
zu treffen. Jedoch zeigen die Ergebnisse der Verhandlungen auf Bali, wie<br />
gering die Einigungsfähigkeit aufgrund zu unterschiedlicher nationaler Interessen ist.<br />
Um dennoch zeitnah ein nachhaltiges Wirtschaften in Deutschland zu ermöglichen,<br />
müssen wir eine Umgestaltung unserer Gesellschaft anstreben, die die Wettbewerbsfähigkeit<br />
deutscher Unternehmen auf dem internationalen Markt sicherstellt. Dies<br />
würde zwei für eine internationale Nachhaltigkeitspolitik wichtige Signale senden:<br />
(1) Ein anderes Wirtschaften ist möglich.<br />
(2) Es ist nicht nur in der Theorie sondern auch in der Praxis möglich, mit einer<br />
nachhaltige Wirtschaft ein qualitatives Wirtschaftswachstum zu erzeugen.<br />
Zunächst gilt es also zweispurig zu fahren: Internationale Anstrengungen müssen<br />
auch weiterhin unternommen werden. Jedoch muss parallel mit dem ökologischen<br />
Umbau des Wirtschaftssystems begonnen werden. Denkbar für die Beibehaltung der<br />
Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen bei gleichzeitiger Umsetzung einer<br />
Ressourcensteuer wären folgende Modelle:<br />
Die Ressourcensteuer wird bei im Inland geförderten oder produzierten Rohstoffen<br />
bei der Abgabe an den Konsumenten einmal fällig. Sie kann dabei mit der Umsatzsteuer<br />
bzw. Mehrwertsteuer erhoben werden. Die Ressourcensteuern für Rohstoffe<br />
aus dem Ausland werden beim Grenzübertritt mit der Umsatzsteuer erhoben. Waren,<br />
die im Ausland produziert werden, müssen bei der Einfuhr mit einer entsprechenden<br />
Umsatzsteueranteil belegt werden, sonst würden die Betriebe, die im Ausland produzieren,<br />
begünstigt. Diese Steuer wird zusammen mit der Einfuhrumsatzsteuer erhoben<br />
und erfordert daher wenig zusätzlichen Verwaltungsaufwand.<br />
Beim Export von Waren wird diese Steuer ebenfalls zusammen mit der Umsatzsteuer<br />
zurückerstattet. Deutsche Unternehmen werden also mit der Erhebung einer Ressourcensteuer<br />
weder beim Export noch durch den Import benachteiligt. Um diese anteilige<br />
Ressourcensteuer erheben zu können, muss für die verschiedenen Produktgruppen<br />
der durchschnittliche Ressourcenanteil ermittelt werden. Dies kann auf<br />
Grundlage der vom Wuppertal Institut errechneten Ökologischen Rucksäcke<br />
35
3. Was muss geschehen?<br />
(Schmidt-Bleek 2004) geschehen. Wenn ermittelt wurde, dass z. B. ein Computer<br />
15 % Rohstoffkosten beinhaltet, dann wird an der Grenze die Umsatzsteuer plus die<br />
fällige Ressourcensteuer für 15 % des Computer-Wertes erhoben, bzw. beim Export<br />
erstattet.<br />
3.6. Effizienagenturen<br />
Eine Zertifizierungslösung wird jedoch nicht an allen Stellen sinnvoll sein: Stellen wir<br />
uns einen Zertifikatspreis von 50 € pro Tonne CO2 vor. Für die Industrie wäre dieser<br />
Preis durchaus angemessen und würde zu einem Umbau des Wirtschaftens zu CO2armen<br />
Technologien führen. Doch wie sieht es z. B. bei der Mobilität im Privathaushalt<br />
aus? Ein Pkw emittiert im Jahr durchschnittlich 2,5 Tonnen CO2, was zu einer<br />
durchschnittlichen jährlichen Mehrbelastung von 125 € für den Privathaushalt führen<br />
würde und umgerechnet zwei Tankfüllungen ergäbe. Mit anderen Worten: In einem<br />
Durchschnittshaushalt würden die Kosten in der Regel nicht auffallen und wahrscheinlich<br />
nicht zu Verhaltensänderungen führen. Steuern und Umweltzertifikate sind<br />
zweifellos wichtig zur Ausgestaltung einer erfolgreichen Umweltpolitik, aber wir können<br />
nicht davon ausgehen, dass ihr Einsatz allein zu einer ökologischeren Gesellschaft<br />
führt. Sie bedürfen vielmehr der Ergänzung durch andere Instrumente.<br />
Problematisch sind unter anderem eine unvollständige Information der Marktteilnehmer<br />
und auch die beherrschende Wirkung einzelner Unternehmen. Vor allem die<br />
Verbraucher sind bei den Anschaffungen von langlebigen Gebrauchsgütern in einer<br />
Abschätzung der ökologischen und ökonomischen Dimension ihrer Kaufentscheidung<br />
vielfach überfordert. Meist spielen Anschaffungskosten und Markenname eine<br />
größere Rolle bei der Kaufentscheidung als die laufenden Betriebskosten, die vor allem<br />
Energiekosten darstellen. Ein Instrument wie Ressourcensteuern, das diese Betriebskosten<br />
verteuern würde, bliebe dann ohne jede Wirkung. Hier ist Politik mit der<br />
Einführung einer Kennzeichnungspflicht gefordert, die optimalerweise sowohl den<br />
Materialinput während der Produktion als auch die laufenden Betriebskosten des<br />
Produktes darstellt.<br />
Doch auch im Unternehmen müssen Kostenkontrollen anders gestaltet werden: Betriebswirtschaftliches<br />
Controlling und Unternehmensberatungen nehmen in der Regel<br />
die Arbeitseffizienz ins Visier. Der Materialeinsatz ist mit 40 bis 60 % der Produktionskosten<br />
häufig jetzt schon der größere Kostenfaktor als der Arbeitseinsatz (20 %)<br />
(demea 2007). Dass dies oft in der Unternehmensberatung nicht berücksichtigt wird,<br />
liegt nicht selten daran, dass das Controlling von Wirtschaftswissenschaftlern und<br />
nicht von Ingenieuren durchgeführt wird. Die Folge sind insbesondere in kleineren<br />
36
3. Was muss geschehen?<br />
Unternehmen zum Teil schwere Fehlentscheidungen. Der Informationsstand vor allem<br />
kleinerer Betriebe kann durch die flächendeckende Einrichtung von Effizienzagenturen,<br />
die mit Ingenieuren besetzt sind, entscheidend verbessert werden. Als<br />
Beispiel hierfür können die Effizienzagentur Nordrhein-Westfalen oder auch die<br />
Deutsche Materialeffizienzagentur (demea) in Berlin dienen.<br />
3.7. Ordnungspolitische Instrumente: Das Top-Runner-Prinzip<br />
Im Gegensatz zu marktwirtschaftlichen Instrumenten lassen ordnungspolitische Instrumente<br />
dem Individuum kaum Reaktionsspielraum. Ordnungspolitische Instrumente<br />
sind von der Politik in der Regel dort gesetzt, wo ein allgemeines Interesse an einem<br />
zu schützenden Gut besteht. Die Normen sind dabei so zu setzen, dass sie von<br />
den Unternehmen – mit einiger Anstrengung – erreicht werden können.<br />
Um wirksame Instrumente zu entwickeln, muss Politik den voraussichtlichen technischen<br />
Fortschritt abschätzen. Dies passiert häufig zu zaghaft, um das Risiko der<br />
Nichterreichbarkeit zu vermeiden. Ein Beispiel für einen effizienten Einsatz ordnungspolitischer<br />
Maßnahmen bildet Japan, das mit dem »Top-Runner-Konzept« vorschreibt,<br />
dass alle neuen Produkte bei Markteintritt den Effizienz-Standard des<br />
marktbesten Produkts aus dem zugrunde liegenden Basisjahr erreichen müssen. Japan<br />
hat damit 16 % seiner Kyoto-Ziele erreichen können. Wie könnte ein solches<br />
Konzept in Deutschland aussehen?<br />
In einem Benchmark werden jährlich die effizientesten Geräte einer bestimmten Gerätekategorie<br />
erfasst. Geräte, die den Richtwert unterschreiten, bekommen die Bestnote<br />
1. Geräte mit höherem Energieverbrauch die Noten 2 bis 5, wobei die schlechtesten<br />
Klassen 4 und 5 zusätzlich mit einem Warnhinweis versehen werden müssen.<br />
Hersteller effizienter Geräte können so ihre Mitbewerber unter Druck setzen, indem<br />
sie neue effizientere Geräte am Markt platzieren und so den Leistungsschnitt heben.<br />
Weniger effiziente Geräte rutschen dadurch automatisch in eine schlechtere Kategorie,<br />
werden als Energieverschwender gekennzeichnet und so nach und nach vom<br />
Markt verdrängt. Der Richtwert wird jedes Jahr angepasst und orientiert sich dabei an<br />
den aktuell besten Geräten, so dass der Anreiz zu fortwährender Energieoptimierung<br />
bestehen bleibt.<br />
Nimmt man für das Benchmarking beispielsweise die besten 25 % einer Gerätekategorie<br />
in den Blick, erreicht man eine Ausrichtung an der Spitzengruppe, berücksichtigt<br />
dabei aber hauptsächlich Geräte und Maschinen, die bezahlbar sind. Ein von<br />
Greenpeace (2005) entwickeltes Konzept beruht dabei auf drei Säulen:<br />
37
3. Was muss geschehen?<br />
(a) Kennzeichnung: Die Geräte werden entsprechend ihrer Effizienz gekennzeichnet.<br />
Ein Label auf dem Gerät oder der Maschine bzw. auf mitgeliefertem<br />
Informationsmaterial gibt diese Note und gegebenenfalls auch den Mehrverbrauch<br />
gegenüber einem guten Standardgerät an.<br />
(b) Reduktion des Gesamtverbrauchs: Der gute Standard gilt als Richtwert. Der<br />
durchschnittliche Energieverbrauch aller verkauften Geräte eines Herstellers<br />
muss nach fünf Jahren unter diesem Wert liegen.<br />
(c) Technische Vorgaben: Der Gesetzgeber kann eine bestimmte technische<br />
Ausstattung vorschreiben, zum Beispiel, dass ein Gerät über einen Aus-<br />
Schalter verfügen muss.<br />
Ein Problem der Ordnungspolitik ist der bürokratische Aufwand, der geleistet werden<br />
muss. Dies bindet erhebliche Kräfte beim Staat, um z. B. Genehmigungsverfahren<br />
durchzuführen. Versagt der Markt hingegen – was in einem kapitalistischen System<br />
mit zu vielen externen Kosten (z. B. Ressourcen) der Fall ist –, hat eine Politik der<br />
Nachhaltigkeit die Aufgabe, heutige und zukünftige Generationen vor den durch Profitstreben<br />
verursachten Schäden zu schützen.<br />
3.8. Suffizienzstrategien<br />
Suffizienz steht für ein Bemühen um einen möglichst geringen Material- und Energieverbrauch<br />
durch eine geringe Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen mit hohem<br />
Ressourcenverbrauch. Wenn wir etwas kaufen, egal ob das ein Auto, eine elektrische<br />
Saftpresse oder aber ein warmer Wollpullover ist, geht es uns in der Regel<br />
nicht um das Produkt selbst. Was wir wollen, ist von A nach B zu kommen, frischen<br />
Saft zu trinken oder nicht zu frieren. Ziel unseres Konsums ist es somit – in der Regel<br />
– nicht, ein Produkt an sich zu erwerben, sondern die Dienstleistung (Mobilität, gesunde<br />
Ernährung, Wärme), die es uns bietet. Unabhängig davon, wie unsere Ansprüche<br />
an Bedürfnisbefriedigung sein mögen, häufig geht es um den Nutzen der<br />
Dinge, nicht um deren Besitz. Damit können wir aus verschiedenen Produkten dasjenige<br />
auswählen, das unseren Zweck am besten und billigsten erfüllt. Häufig tun wir<br />
dies auch, z. B. wenn wir Lebensmittel einkaufen und den Preis und die Qualität<br />
zweier Produkte vergleichen.<br />
Aus ökologischer Perspektive sollte hier nun noch ein drittes Kriterium hinzukommen:<br />
Wir sollten die Produkte konsumieren, die einen niedrigen Ressourcenverbrauch haben.<br />
Insgesamt ergibt sich, dass es nicht entscheidend ist, ob wir ein Produkt besitzen.<br />
Das Wesentliche ist, das wir seine Funktion nutzen können. Ziel muss es somit<br />
sein, nach den ökologisch und ökonomisch sinnvollen Wegen zur Befriedigung unse-<br />
38
3. Was muss geschehen?<br />
rer Bedürfnisse zu suchen. Dies ist insofern umweltpolitisch von Bedeutung, weil es<br />
aus der fruchtlosen Alternative »kaufen oder verzichten« herausführt und zur Suche<br />
nach Möglichkeiten anregt, die aufzeigen, wie vergleichbare Dienstleistungen mit<br />
weniger Ressourcenverbrauch bereitgestellt werden können (Schmidt-Bleek 2007).<br />
Das kann auf verschiedenen Wegen geschehen: Zum einen können Produkte gekauft<br />
werden, die eine größere Ressourcenproduktivität besitzen. Auf der anderen<br />
Seite können wir aber auch intelligenter konsumieren. Ein Beispiel: Es stellt sich die<br />
Frage, ob wirklich alle 12 Mietparteien eines Wohnhauses eine Bohrmaschine oder<br />
Waschmaschine benötigen. Wäre es nicht für alle Beteiligten, also die Umwelt aber<br />
auch den Geldbeutel des Mieters sinnvoller, wenn bestimmte Produkte infrastrukturell<br />
im Mietshaus vorhanden sind? Nicht nur ökologisch, auch ökonomisch rechnet es<br />
sich sehr schnell, wenn ein Vermieter bestimmte Dienstleistungsmaschinen zur Verfügung<br />
stellt. Da er die entstehenden Kosten natürlich auf die Mieten umlegen würde,<br />
stiegen zwar die Warmmieten, jedoch sänken die Haushaltskosten für die Mieter.<br />
Während unsere heutige Produktionsgesellschaft den Schwerpunkt des Konsums auf<br />
Produkte legt, muss eine Dienstleistungsgesellschaft die Dienstleistung in den Mittelpunkt<br />
stellen. Ökonomisch betrachtet ist es nämlich nicht das Produkt, das im Mittelpunkt<br />
des Begehrens steht, sondern der Nutzen des Produktes. So ist es auch beim<br />
Wert: Nicht der Warenwert ist entscheidend, sondern der Nutzwert. So kann es für<br />
ein Unternehmen durchaus profitabel werden, nicht ein Produkt, sondern seine Nutzung<br />
zu verkaufen. Nicht mehr die Waschmaschine (die 90 % der Zeit unbenutzt in<br />
der Wohnung steht), sondern saubere Wäsche. Voraussetzung für diese Art zu denken<br />
ist natürlich, dass der Verbraucher eine mehr am Ergebnis als am Eigentum orientierte<br />
Beziehung zu einem Produkt aufbaut. Auf der Nachfrageseite haben Politik<br />
und Wirtschaft in den letzten Jahrzehnten eher den Besitz als den Nutzen gefördert<br />
(Kredite, Bausparverträge, Eigenheimzulage). Der eigene Schlagbohrer, die eigene<br />
Waschmaschine, das eigene Auto oder das eigene Haus sind in unserer kapitalistisch<br />
geprägten Gesellschaftsordnung äußerst begehrenswert, auch wenn die Eigentumsrechte<br />
nicht selten bei den Banken liegen… Dabei wird häufig mit der<br />
scheinbaren Notwendigkeit der dauerhaften Verfügbarkeit von Dienstleistungsmaschinen<br />
argumentiert. Außerdem sind Vergleiche von heute käuflichen Dienstleistungen<br />
(z. B. eigenes Auto vs. Nutzung ÖPNV und Carsharing) aufgrund schwieriger<br />
Preisvergleiche nur schwer möglich. Schmidt-Bleek (2004, 2007) rechnet eindrucksvoll<br />
vor, wie schnell sich z. B. die Nicht-Anschaffung eines Autos und die Nutzung<br />
von Carsharing-Optionen gepaart mit Taxifahrten nicht nur ökologisch, sondern auch<br />
ökonomisch für den Dienstleistungsnutzer lohnt. Wir müssen somit die Menschen in<br />
39
3. Was muss geschehen?<br />
die Lage versetzen, nach den ökologisch und ökonomisch wirksamsten Wegen zur<br />
Erfüllung einer bestimmten Funktion zu suchen. Gebote und Verbote werden hier<br />
nicht der richtige Weg sein: Neben den damit verbundenen immensen Administrationskosten<br />
würden – neben fehlender politischer Akzeptanz – auch Einschränkungen<br />
in der Entscheidungsfreiheit eine Umsetzung nahezu unmöglich werden lassen. Gefordert<br />
ist hier eine Strategie aus verschiedenen Elementen: Kennzeichnung von Waren<br />
nach ihrer Ressourceneffizienz (MIPS) 2 und Lebenserwartung, Ermöglichung kritischen<br />
Konsums über Bildungsmaßnahmen und Lenkung des Konsums über die<br />
Preisgestaltung (Ressourcensteuern etc.).<br />
Laut einer Studie der Food and Agriculture Organisation der Vereinten Nationen<br />
(FAO) verursacht die Viehwirtschaft 9 % der weltweiten CO2-Emissionen, zudem ist<br />
sie für 65 % der Lachgasemissionen und 37 % der Methanemissionen verantwortlich.<br />
Gemessen in CO2-Äquivalenten entspricht dies 18 % der weltweiten CO2-<br />
Emissionen. Der wachsende Hunger nach Fleisch verursacht somit rund 20 % des<br />
anthropogenen Treibhauseffekts (Steinfeld et al. 2006). Die Herstellung von einem<br />
Kilogramm Rindfleisch beispielsweise belastet das Klima so stark wie 250 Kilometer<br />
Autofahrt. Nicht nur die Tierhaltung an sich, sondern auch die Produktion und der<br />
Transport des Futters sowie die Rinder selbst produzieren Treibhausgase und belasten<br />
die Umwelt (Ogino et al. 2007).<br />
Abb. 1: CO2-Intensität verschiedener Nahrungsmittel (verändert nach Öko-Institut 2005)<br />
2 Die Abkürzung MIPS steht für Materialinput pro Serviceeinheit. MIPS ist ein Maß für den Naturverbrauch<br />
eines Produktes oder einer Dienstleistung entlang des gesamten Lebensweges von der Wiege<br />
bis zur Bahre (Gewinnung, Produktion, Nutzung, Entsorgung/Recycling).<br />
40
3. Was muss geschehen?<br />
Was bedeutet das für die Ernährung? Müssen wir auf den Fleischkonsum verzichten,<br />
um das Klima zu schonen? Müssen wir dann konsequenterweise auch auf Milchprodukte<br />
wie Käse, Joghurt, Milch und Quark verzichten, da sie nur bei einer Milchproduktion<br />
im Rahmen der Rindviehhaltung hergestellt werden können? Naturwissenschaftlich<br />
betrachtet wäre dies ein konsequenter Schritt zum Klimaschutz im Alltag,<br />
der auch gleichzeitig positive Auswirkungen auf die Gesundheit hätte. Jedoch ist der<br />
Konsum von Milchprodukten sehr stark in unserem Alltag verankert und aus medizinischen<br />
Gründen (u. a. Calciumaufnahme) auch wünschenswert. Über die Bedeutung<br />
des Fleischkonsums lässt sich sowohl aus ethischer, medizinischer als auch<br />
ökologischer Sicht streiten. Jedoch muss wohl (vorerst) akzeptiert werden, dass die<br />
kulturelle Verankerung des (maßvollen) Fleischkonsums sehr stark ist und eine staatlich<br />
verordnete Einschränkung an dieser Stelle schnell als Eingriff in die Privatsphäre<br />
und Ökodiktatur gewertet würde.<br />
Doch auch an dieser Stelle gibt es mehr Entscheidungsmöglichkeiten als Konsum<br />
und Nichtkonsum, als schwarz und weiß: In einer Gießener Studie wurden verschiedene<br />
Ernährungsstile hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf den Treibhauseffekt abgeschätzt.<br />
Verglichen wurden dabei eine durchschnittliche Mischkost (mit viel Fleisch)<br />
und die Vollwert-Ernährung (mit wenig oder ohne Fleisch), jeweils mit ökologisch<br />
oder konventionell erzeugten Lebensmitteln (Hoffmann 2002).<br />
Abb. 2: CO2-Emissionen verschiedener Ernährungsstile (verändert nach Hoffmann 2002)<br />
41
3. Was muss geschehen?<br />
Die größte Einsparung ergäbe sich tatsächlich bei einer teilweisen Verminderung<br />
oder vollständigen Vermeidung des Fleischverzehrs; die zweitgrößte bei der Verarbeitung<br />
ökologisch produzierter Lebensmittel. Allein durch diese beiden Maßnahmen<br />
ließen sich klimaschädliche Treibhausgase um 64 Prozent gegenüber einer fleischreichen,<br />
konventionell erzeugten Kost vermindern. Doch auch bei einer fleischarmen,<br />
ökologisch bewussten Ernährung lassen sich schon nahezu 50 % reduzieren. Mit einem<br />
klima- und gesundheitsbewussten Ernährungsstil lässt sich der Treibhausgasausstoß<br />
somit um mehr als die Hälfte ohne hohen Aufwand verringern. Es sind auch<br />
keine speziellen Neuanschaffungen nötig, wie dies in anderen Bereichen der Fall ist<br />
(effiziente Haushaltsgeräte, Wärmedämmung etc.). Notwendig zur Umsetzung sind<br />
an dieser Stelle vor allem Bildungs- und Aufklärungsprogramme zur Vermittlung ökologischer<br />
und (bei Einbeziehung der landwirtschaftlichen Produkte in den Emissionshandel)<br />
ökonomischer Vorteile für den Privathaushalt. Zusätzlich müssen weitere<br />
Förderprogramme zur Stärkung der ökologischen Landwirtschaft aufgelegt werden.<br />
42
4. Zukunftspolitik und ihre sozialen Auswirkungen<br />
4. Zukunftspolitik und ihre sozialen Auswirkungen<br />
Zusammenfassung<br />
Die unterschiedlichen marktwirtschaftlichen und ordnungspolitischen Instrumente ha-<br />
ben verschiedenartige Auswirkungen auf das wirtschaftliche und somit auch soziale<br />
Gefüge unserer Gesellschaft. Verschiedene Studien zeigen, dass intelligent einge-<br />
setzte Maßnahmen eine sehr positive Wirkung auf Deutschlands Wirtschaft haben<br />
werden: Allein durch eine zukunftsorientierte, nachhaltige Wirtschaftspolitik können<br />
1.000.000 zusätzliche Arbeitsplätze entstehen; das Wirtschaftswachstum steigt in al-<br />
len durchgerechneten Szenarien. Beides hat unmittelbare Auswirkungen auf die Ver-<br />
teilungsgerechtigkeit in Deutschland: Mehr qualitatives anstatt quantitatives Wach-<br />
stum und ein Mehr an Arbeitsplätzen können helfen, die soziale Schere wieder etwas<br />
zu schließen.<br />
Im letzten Kapitel wurden verschiedene Instrumente zur Einführung einer nachhaltigen<br />
Umwelt- und Wirtschaftspolitik vorgestellt. Wenn wir das Verhalten von Konsumenten,<br />
Produzenten und Investoren durch umweltpolitische Maßnahmen beeinflussen,<br />
dann hat dies immer auch wirtschaftliche und soziale Wirkungen. So reduzieren<br />
Ökosteuern beispielsweise den Energieverbrauch und die Schadstoffemissionen,<br />
führen jedoch auch dazu, dass das frei verfügbare Einkommen der Konsumenten<br />
sinkt. Für Bezieher niedriger Einkommen ist eine solche regressive Besteuerung immer<br />
schmerzhafter als für die Angehörigen höherer Einkommensschichten. Diese<br />
Feststellungen sind nicht neu, aber im Rahmen eines Konzeptes, das die drei Dimensionen<br />
der Nachhaltigkeit einbezieht, für die Gestaltung von Politik entscheidend.<br />
Im Folgenden werden verschiedene Studien vorgestellt, die die wirtschaftlichen und<br />
sozialen Auswirkungen einer nachhaltigen Politik diskutieren. Dabei werden neben<br />
makroökonomischen Folgen auch die mikroökonomischen Herausforderungen für<br />
den einzelnen Betrieb und Privathaushalt ins Visier genommen.<br />
4.1. Der Stern Report<br />
Der »Stern Review on the Economics of Climate Change« wurde am 30. Oktober<br />
2006 vom ehemaligen Weltbank-Chefökonomen und jetzigen Leiter des volkswirtschaftlichen<br />
Dienstes der britischen Regierung Nicholas Stern veröffentlicht. Der im<br />
Auftrag der britischen Regierung erstellte Bericht untersucht die wirtschaftlichen Folgen<br />
der globalen Erwärmung.<br />
43
4. Zukunftspolitik und ihre sozialen Auswirkungen<br />
Wenn nichts getan wird, um die Emissionen von Treibhausgasen zu reduzieren,<br />
könnte die Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre bereits 2035 das<br />
Doppelte ihres vorindustriellen Niveaus erreichen, was einen Anstieg der Durchschnittstemperatur<br />
von mehr als 2 °C bedeuten würde.<br />
Abb. 3: Entwicklung der CO2-Emissionen unter verschiedenen Szenarien (nach Stern 2006)<br />
Wenn am Ziel der maximalen Erwärmung um 2 °C festgehalten werden soll, erfordert<br />
ein späterer Reduktionsbeginn schärfere Einschnitte in der CO2-Emission als ein sofortiger,<br />
aber dafür sanfter Ausstieg aus der Abhängigkeit vom fossilen Kohlenstoff.<br />
Die Kosten der Auswirkungen der globalen Erwärmung zu berechnen ist nicht einfach:<br />
Ein Ausblick in allzu ferne Zukunft ist in ökonomischen Modellen mit großen<br />
Unsicherheiten verbunden; zudem müssen die Auswirkungen etwa auf die menschliche<br />
Gesundheit oder auf natürliche Ökosysteme monetär bewertet werden, wobei<br />
sich schwierige technische und ethische Fragen ergeben: Wie können Todesfälle bei<br />
den Kosten des Klimawandels angemessen berücksichtigt werden? Welchen Wert<br />
hat ein aufgrund steigender Hitze gestorbener Mensch? Welchen Wert hat die Biodiversität?<br />
Die Ergebnisse sind somit als Prognose zu betrachten und werden umstritten<br />
bleiben, aber die Richtung ist sehr deutlich:<br />
44
4. Zukunftspolitik und ihre sozialen Auswirkungen<br />
• Die rein monetären Kosten werden über die nächsten beiden Jahrhunderte bei<br />
mindestens 5 Prozent des globalen Pro-Kopf-Einkommens liegen;<br />
• Berücksichtigt man darüber hinaus die Auswirkungen auf die Umwelt und die<br />
menschliche Gesundheit, steigen die Kosten auf 11 Prozent des globalen Pro-<br />
Kopf-Einkommens;<br />
• Berücksichtigt man auch noch die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse<br />
über Rückkoppelungen und die Tatsache, dass die Regionen der Welt unterschiedlich<br />
betroffen sind, steigen die Kosten auf 20 Prozent des globalen Pro-<br />
Kopf-Einkommens.<br />
Die Kosten des Klimawandels werden bei Nichthandlung somit dem Verlust von 5 %<br />
bis 20 % des globalen Bruttoinlandsprodukts entsprechen. Nicolas Stern erwartet<br />
dabei, dass sich die Kosten eher am oberen Ende der Kostenspanne ansiedeln werden.<br />
Nicht nur die Industrienationen, sondern auch die Entwicklungs- und Schwellenländer<br />
werden die ökonomischen Folgen des Klimawandels überdurchschnittlich<br />
stark zu spüren bekommen.<br />
Eine Stabilisierung der atmosphärischen CO2-Konzentration erfordert es, die jährlichen<br />
Emissionen auf ein Niveau zu reduzieren, das der natürlichen Kapazität der Erde<br />
zum Beseitigen von Treibhausgasen entspricht. Je länger Emissionen über diesem<br />
Niveau bleiben, desto höher wird das endgültige Stabilisierungsniveau sein.<br />
Langfristig gesehen werden jährliche globale Emissionen auf unter 5 Gt. CO2 reduziert<br />
werden müssen. Dies liegt 80 % unter dem absoluten Niveau für derzeitige jährliche<br />
Emissionen.<br />
Solche tief greifenden Emissionsreduzierungen sind kostspielig. Das Review schätzt<br />
die jährlichen Kosten für eine Stabilisierung bei 500 bis 550 parts per million (ppm)<br />
CO2 mit etwa 1 % des Bruttoinlandsprodukts bis 2050. Kosten entstehen, wenn die<br />
Welt von kohlenstoffreich auf kohlenstoffarm umstellt. Aber es werden sich auch<br />
neue Geschäftsmöglichkeiten ergeben, wenn die Märkte für hoch effiziente kohlenstoffarme<br />
Waren und Dienstleistungen expandieren.<br />
45
4. Zukunftspolitik und ihre sozialen Auswirkungen<br />
Abb. 4: Entwicklung des BIP in zwei Szenarien<br />
Laut Stern ergeben sich vier Möglichkeiten zur Reduktion der Treibhausgasemissionen.<br />
Die Kosten unterscheiden sich dabei durch die Kombination und sektorale Anwendung<br />
der verschiedenen Methoden:<br />
• Reduktion der Nachfrage nach emissionsintensiven Waren und Dienstleistungen<br />
• Erhöhung der Energieeffizienz, die sowohl Geld als auch Emissionen sparen<br />
kann<br />
• Vermeidung sonstiger Treibhausgasemissionen (Abholzung, Landwirtschaft)<br />
• Umstellung auf kohlenstoffärmere Technologien für Leistung, Wärme und Verkehr<br />
Das technische Potential für Effizienzverbesserungen zur Reduktion von Emissionen<br />
und Kosten ist groß: Im Laufe des vergangenen Jahrhunderts hat sich die Effizienz<br />
der Energieversorgung in den entwickelten Ländern um ca. das Zehnfache verbessert<br />
und die Möglichkeiten für weitere Gewinne sind noch lange nicht erschöpft. Studien<br />
der International Energy Agency zeigen, dass die Energieeffizienz bis<br />
2050 potentiell zur größten einzelnen Emissionssenkungsquelle im Energiesektor<br />
werden kann. Dies hätte neben ökologischen auch wirtschaftliche Vorteile.<br />
Ein Handeln zur Vermeidung weiterer Abholzungen wäre im Vergleich zu anderen<br />
Vermeidungsstrategien relativ günstig. Für radikale Emissionsreduzierungen wird<br />
mittel- bis langfristig eine groß angelegte Übernahme einer Reihe von umweltverträglichen<br />
Leistungs-, Wärme- und Verkehrstechnologien benötigt. Tiefgreifende Redu-<br />
46
4. Zukunftspolitik und ihre sozialen Auswirkungen<br />
zierungen im Verkehrssektor werden auf kurze Sicht wahrscheinlich schwieriger werden,<br />
werden aber letztendlich nötig sein.<br />
Viele der Technologien zum Erreichen dieser Reduzierungen existieren zwar bereits,<br />
aber die Priorität besteht jetzt darin, ihre Kosten zu reduzieren, so dass sie mit Alternativen<br />
zu fossilen Brennstoffen unter einem Kohlenstoff-Preisrichtlinienprogramm<br />
wettbewerbsfähig sind. Drei politische Elemente für eine Abmilderung des Klimawandels<br />
sind laut Stern wesentlich:<br />
• Die Festlegung eines Kohlenstoffpreises durch Steuern, Handeln oder Regulierung<br />
ist ein wichtiges Fundament für eine Politik zum Klimawandel.<br />
• Politische Maßnahmen müssen die Entwicklung einer Reihe von kohlenstoffarmen<br />
und hocheffizienten Technologien in einem dringenden Zeitrahmen<br />
unterstützen.<br />
• Die Beseitigung von Hemmnissen für Verhaltensänderungen ist ein drittes wesentliches<br />
Element zur Umsetzung von klimaschützenden Maßnahmen.,<br />
Wenn eines dieser Elemente ausgelassen wird, führt das laut Stern zu einer erheblichen<br />
Erhöhung der Handlungskosten.<br />
Das bedeutet nichts weniger als eine neue industrielle Revolution, da unser bisheriges<br />
Wirtschaftswachstum auf dem Verbrauch von Kohle, Öl und Gas und vielen anderen<br />
Ressourcen beruht.<br />
4.2. Das Aachener Szenario<br />
Eine von der Aachener Stiftung Kathy Beys beauftragte Arbeitsgruppe (Arthur D. Little,<br />
Prognos AG, Institut der Deutschen Wirtschaft Consult GmbH, Gesellschaft für<br />
Wirtschaftliche Strukturforschung GmbH) hat in einer Studie die volkswirtschaftlichen<br />
Auswirkungen der Verbesserung der Ressourcen- und Energieproduktivität im verarbeitenden<br />
Gewerbe und der öffentlichen Verwaltung untersucht.<br />
Auf Grundlage von Prognosemodellen wie INFORGE und PANTA RHEI wurde eine<br />
lineare Absenkung der Material- und Energiekosten um 20 % angenommen, die bis<br />
2015 erreicht wird. Hierfür sind als Einmalaufwand Investitionen und Innovationen<br />
nötig, die zu verringerten Ressourcen- und Energieverbräuchen führen. Annahme<br />
des Aachener Szenarios ist, dass der auf einer Steigerung der Ressourcenproduktivität<br />
zusätzlich eingeworbene Gewinn nicht lohnwirksam ist, d. h. die Lohnforderungen<br />
der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer werden durch die Verbesserungen der<br />
Energie- und Ressourcenproduktivität nicht beeinflusst. Die im Folgenden angegebenen<br />
volkswirtschaftlichen Veränderungen durch die verschiedenen Instrumente<br />
47
4. Zukunftspolitik und ihre sozialen Auswirkungen<br />
ergeben sich jeweils in Bezug zu einer Basisprognose, die mit einem Business-asusual-Szenario<br />
die Fortschreibung heutiger Politik zugrunde legt.<br />
Die Kosten im verarbeitenden Gewerbe, der öffentlichen Verwaltung und der Bauwirtschaft<br />
sinken. Gleichzeitig sinken die Umsätze der Lieferanten der eingesparten<br />
Ressourcen. Die Kostensenkung wirkt sich wegen des Wettbewerbsdrucks preissenkend<br />
aus. Da die Senkung der Preise geringer ausfällt als die Kostensenkung, steigen<br />
die Unternehmensgewinne. Dies wirkt sich wiederum positiv auf die Steuereinnahmen<br />
des Staates und die Einkommen der privaten Haushalte aus und führt somit<br />
zur Belebung der Nachfrage. Dies wirkt sich wiederum positiv auf Umsätze, Produktion<br />
und Beschäftigung aus.<br />
Insgesamt steigt die Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts gegenüber der Basisprognose<br />
um ca. 1 % an. Am Arbeitsmarkt kommt es zu einer deutlichen Entlastung,<br />
die in der Spitze bei etwa 1 Million zusätzlich Beschäftigter liegt. Die Studie<br />
setzt dabei allerdings voraus, das die zusätzlichen Produktivitätsgewinne nicht für<br />
Lohnsteigerungen, sondern zur Schaffung neuer Arbeitsplätze verwendet werden.<br />
Zusammen mit der ohnehin zu erwartenden leichten Verbesserung der Beschäftigungslage<br />
infolge des demographischen Wandels, der im Modell bereits verrechnet<br />
wurde, scheint die rentable Verbesserung der Ressourcenproduktivität ein wesentlicher<br />
Schritt in Richtung Vollbeschäftigung zu sein.<br />
Abb. 5: Beschäftigungsentwicklung bei Steigerung der Ressourceneffizienz<br />
48
4. Zukunftspolitik und ihre sozialen Auswirkungen<br />
Es wird dabei mit einer jährlichen Steigerung der Ressourcenproduktivität von 2,6 %<br />
gerechnet. Am Ende des Prognosehorizonts werden pro kg Materialstrom anstatt<br />
385 € immerhin etwas über 500 € BIP erwirtschaftet. Die Ressourcenproduktivität<br />
verbessert sich dabei gerade soviel, dass die erhöhte Wirtschaftsleistung mit gleichem<br />
absolutem Ressourcenverbrauch erreicht werden kann. Angesichts der volkswirtschaftlichen<br />
Gewinne stellt dies schon eine erhebliche Verbesserung gegenüber<br />
dem Status Quo der Basisprognose dar.<br />
Die Materialinputsteuer (MIT)<br />
Um eine langfristige Steigerung der Ressourcenproduktivität zu erreichen, sind fiskalische<br />
Instrumente wie Materialinputsteuern geeignete Steuerungsmodelle. Das Aachener<br />
Szenario schlägt die Einführung einer Materialinputsteuer ab 2011 vor. Damit<br />
werden die Ressourcenentnahmen aus der Natur einschließlich der ökologischen<br />
Rucksäcke 3 besteuert. Steuergegenstand ist der Materialinput in Tonnen, der auf der<br />
jeweiligen Produktionsstufe neu für den Produktionsprozess aufgewendet wird. Bereits<br />
auf vorhergehenden Produktionsstufen zur Steuer herangezogene Vorprodukte<br />
und Rohstoffe werden nicht nochmals versteuert, um eine Doppelbesteuerung zu<br />
vermeiden. Dabei ist in den Prognosen ein linear ansteigender Steuersatz von 1 Euro<br />
pro Tonne in 2011 auf 10 Euro pro Tonne in 2020 angenommen.<br />
Die Kompensation der Mehrbelastung aufgrund der Materialinputsteuer wird dabei im<br />
Aachener Szenario durch eine Senkung der Einkommensteuer in gleicher Höhe<br />
kompensiert. Eine Besteuerung von Wasser ist dabei nicht vorgesehen. Außerdem<br />
bleiben fossile Energieträger von der Steuer befreit, da diese bereits durch den<br />
Emissionshandel belastet werden. Die Steuer ist nach dem Aachener Szenario europaweit<br />
von ressourcenentnehmenden Unternehmen zu zahlen. Auf Importe von außerhalb<br />
der EU würden Zölle in gleicher Höhe erhoben, um keine Wettbewerbsnachteile<br />
in der Union entstehen zu lassen. Grundlagen für die Modellierung der MIT<br />
sind Tabellen für den Materialinput in 59 unterschiedlichen Sektoren der Volkswirtschaft,<br />
die am Wuppertal Institut errechnet wurden (Moll et al. 2003). Die Ergebnisse<br />
der Modellierung zeigen, dass im Jahr 2020 die Einnahmen des Staates aus der Materialinputsteuer<br />
rund 25 Milliarden Euro betragen. Davon entfallen 16 Mrd. Euro auf<br />
die Besteuerung der Entnahme von Ressourcen aus dem Binnenraum und 9 Milliarden<br />
Euro auf den Importzoll für Materialimporte.<br />
Die Berechnungen zeigen, dass für sich genommen weder nur das Aachener Szenario,<br />
noch die ausschließliche Einführung einer Ressourcensteuer wirksam genug<br />
3 Der ökologische Rucksack eines Produktes ist definiert als die Summe aller Materialinputs (MI), die von seiner<br />
Entstehung an aufgewendet wurden, minus dem Eigengewicht (vgl. Schmidt-Bleek 2006).<br />
49
4. Zukunftspolitik und ihre sozialen Auswirkungen<br />
sind, um a) die Umwelt zu schützen und b) dies sozialverträglich zu tun. Es empfiehlt<br />
sich somit die Kombination beider Maßnahmen.<br />
In dem vorgeschlagenen Kombinationsszenario wirkt sich dies auf die Beschäftigungssituation<br />
mit einer Zunahme von mehr als 960.000 Beschäftigten im Jahr 2015<br />
aus. Bis 2020 reduziert sich die Zunahme auf 850.000 Beschäftigte. Dies liegt daran,<br />
dass in der Modellrechnung angenommen wurde, finanzielle Förderungen zur Verbesserung<br />
der Ressourcenproduktivität im Jahr 2015 auslaufen zu lassen.<br />
Das Bruttoinlandsprodukt steigt bis 2020 gegenüber der Basisprognose um 12 %.<br />
Das Preisniveau sinkt dabei um ca. 6 %. Daher steigt das verfügbare Einkommen der<br />
privaten Haushalte; 2020 nimmt das Modell ein Plus von 103 Milliarden Euro an.<br />
Durch eine Materialinputsteuer ist eine Entkoppelung von Wirtschaftswachstum und<br />
Ressourcenverbrauch möglich: Trotz deutlicher Wachstumsgewinne sinkt der Ressourcenverbrauch.<br />
Inwieweit sich diese Gewinne jedoch durch die in Bewegung geratenen<br />
Rohstoffpreise einerseits und eine Verbesserung der Ressourcenproduktivität<br />
andererseits verändern, kann das Modell nur schwer vorhersagen. Es kann jedoch<br />
vermutet werden, dass die Einführung der Materialinputsteuer 6 Jahre nach<br />
dem Beginn einer intensiven Kampagne zur rentablen Verbesserung der Ressourcenproduktivität<br />
auf weit fruchtbareren Boden fällt, als dies in den Modellgleichungen<br />
abgebildet ist. So stellen die Ergebnisse eher eine konservative Abschätzung dar, die<br />
ohne Veränderung in der Einstellung der Gesellschaft zu Ressourcen auskommt.<br />
Abb. 6: Entwicklung des Ressourenbedarfs<br />
50
4. Zukunftspolitik und ihre sozialen Auswirkungen<br />
In der Simulation ist davon ausgegangen worden, dass in allen Sektoren des produzierenden<br />
Gewerbes, der öffentlichen Hand und des Baugewerbes die Material- und<br />
Energiekosten um 20% sinken. Berechnungen des Wuppertal Instituts zeigen jedoch,<br />
dass die größten fünf Bereiche für 80 % des Materialverbrauchs verantwortlich sind.<br />
Es stellt sich somit die Frage, wie hier eine Lenkungswirkung zur Ausnutzung der<br />
Reduktionschancen in diesen Bereichen genutzt werden kann.<br />
Eine ressourcenorientierte Reform der Mehrwertsteuerreform<br />
Eine andere Möglichkeit zur Steuerung des Ressourcenverbrauchs wäre eine Veränderung<br />
des Mehrwertsteuersystems im Sinne einer Entlastung von Arbeit und Dienstleistungen<br />
und einer Belastung von Ressourcen und Material. Zum einen würde sich<br />
daraus eine Verteuerung von Ressourcen und Material ergeben. Zum anderen würden<br />
Dienstleistungen deutlich billiger werden. Dies könnte einen zusätzlichen Anreiz<br />
zur Durchführung von Maßnahmen zur Steigerung der Ressourcenproduktivität bedeuten.<br />
Ein positiver Nebeneffekt ergäbe sich nach Ansicht einiger Experten dadurch, dass<br />
der mittlerweile auf etwa 370 Milliarden Euro gestiegene volkswirtschaftliche Schaden,<br />
der durch Schwarzarbeit entstanden ist, um 25 bis 30 % reduziert werden könnte.<br />
Damit bestünde zumindest die Chance, einen Teil der rein rechnerisch ermittelten<br />
etwa 9 Millionen „Vollzeitschwarzarbeiter“ in den Arbeitsmarkt zu integrieren.<br />
In der Aachener Studie wird vorgeschlagen, den Mehrwertsteuersatz auf Dienstleistungen<br />
in zwei Schritten auf Null zu reduzieren: Im ersten Schritt reduziert er sich<br />
auf 8 %. Um die Aufkommensneutralität zu gewährleisten, wird der Steuersatz für<br />
Waren, Material und Ressourcen auf etwa 19 % 4 festgelegt, der reduzierte Steuersatz<br />
auf 8,25 %. Im zweiten Schritt wird die Mehrwertsteuer auf Dienstleistungen abgeschafft<br />
und gleichzeitig werden die verbleibenden Steuersätze auf 22,25 % bzw.<br />
9,75 % angehoben.<br />
Die Veränderung des Mehrwertsteuersystems wirkt sich naturgemäß auf die Endverbraucherpreise<br />
aus. Die Preise für Dienstleistungen reduzieren sich um bis zu<br />
13,5 %, während die Preise für Waren und Ressourcen um durchschnittlich 4 % ansteigen.<br />
Dies führt zu einer leichten Verschiebung der Nachfrage weg von Waren und<br />
Ressourcen hin zu Dienstleistungen. Insbesondere erfolgt eine Belebung der Nachfrage<br />
in den Dienstleistungssektoren Handel/Reparatur/Instandsetzung, Ver-<br />
4 Das Aachener Szenario wurde vor der Anhebung des Mehrwertssteuersatzes mit Beginn des Jahres<br />
2007 auf 19 % modelliert. Um die im Folgenden getroffenen Berechnungen nicht zu verfälschen, werden<br />
die den Berechnungen zugrunde liegenden Zahlen beibehalten. Bei Umsetzung von Steuerungsmechanismen<br />
über die Mehrwertsteuer müssten die Modellrechnungen an den jetzigen Stand der<br />
Mehrwertsteuern angepasst werden.<br />
51
4. Zukunftspolitik und ihre sozialen Auswirkungen<br />
kehr/Nachrichtenübermittlung, im Gastgewerbe sowie im Kredit- und Versicherungsgewerbe.<br />
Verlierer sind das Baugewerbe und die Energie- und Wasserversorgung<br />
sowie Land-/Forstwirtschaft, Bergbau/Steine/Erden und das Verarbeitende Gewerbe<br />
(Aachener Stiftung 2005).<br />
Trotz der ungleichen Verteilung von Vor- und Nachteilen ergibt sich bis zum Ende<br />
des Prognosezeitraumes (2020) eine Verbesserung der Beschäftigungssituation um<br />
rund 150.000 Arbeitsplätze. Damit wird offensichtlich, dass aufgrund der verstärkten<br />
Nachfrage nach Dienstleistungen der Verlust von Arbeitsplätzen in materialintensiven<br />
Sektoren mehr als wettgemacht wird. Das Bruttoinlandsprodukt verändert sich gegenüber<br />
der Business-as-usual-Referenzprognose nicht wesentlich.<br />
Die Auswirkungen auf den gesamten Ressourcenverbrauch bleiben jedoch ebenfalls<br />
sehr moderat: Es kann ein maximaler Rückgang von 1,5% gegenüber der Referenzprognose<br />
festgestellt werden.<br />
Vergleich der Instrumente<br />
Im direkten Vergleich der Veränderungen des Steuersystems durch Mehrwertsteuer<br />
oder Materialinputsteuer bewirkt die Modifikation der Mehrwertsteuer eine spürbare<br />
positive Beschäftigungswirkung, senkt den Ressourcenverbrauch aber nur um 1,5 %.<br />
Darüber hinaus wird ein Wegfall der Mehrwertsteuer auf Dienstleistungen zu einer<br />
Reduktion der Schattenwirtschaft mit positiven Auswirkungen für den Staatshaushalt<br />
führen. Die Modifikation scheint auch im nationalen Alleingang möglich, so dass sie<br />
nicht in der gesamten EU in gleicher Weise eingeführt werden müsste. Die Materialinputsteuer<br />
schafft im Verbund mit dem Aachener Szenario die absolute Entkoppelung<br />
von Wachstum und Ressourcenverbrauch und erhöht so die Ressourcenproduktivität<br />
deutlich stärker als die Modifikation der Mehrwertsteuer.<br />
Einfluss der privaten Nachfrage auf den Ressourcenverbrauch<br />
Nachdem bisher größtenteils auf Unternehmen wirkende Instrumente diskutiert wurden,<br />
soll im folgenden Abschnitt geklärt werden, welche Auswirkungen eine Nachfragereduktion<br />
beim Endverbraucher auf den Ressourcenverbrauch hätte. Ziel ist es,<br />
Schwerpunktbereiche für aufzulegende Förderprogrammen auszumachen, um knappe<br />
Haushaltsmittel effizient einzusetzen. Dazu wurden Produkte des privaten Konsums<br />
in 43 Clustern zusammengefasst und angenommen, dass in allen 43 Bereichen<br />
der Konsum um 1 % reduziert würde. Die Ergebnisse sind in der nächsten Abbildung<br />
zusammengefasst.<br />
Es zeigt sich dabei: Allein durch die Senkung des Stromverbrauchs um 1 % lassen<br />
sich bereits mehr als 20 % der Reduktion des gesamten Ressourcenverbrauchs er-<br />
52
4. Zukunftspolitik und ihre sozialen Auswirkungen<br />
zielen, die bei der Reduktion aller 43 Verwendungszwecke möglich wäre. Ähnliche<br />
Reduktionen erzielt die Absenkung bei Nahrungsmitteln sowie bei der Verwendung<br />
fester Brennstoffe einschließlich Fernwärme. Auf diese drei Verwendungszwecke<br />
entfallen bereits 50 % der möglichen Reduktion des Ressourcenverbrauchs. Der hohe<br />
Ressourcenverbrauch durch Nahrungsmittel ist sowohl industriell als auch kulturell<br />
bedingt: Die industrielle Landwirtschaft mit ihrem intensiven Düngerverbrauch ist<br />
ebenso ein Problem, wie der hohe Fleischkonsum (Öko-Institut 2005).<br />
Die Reduktion bei den nächstplatzierten sechs Verwendungsarten liefert nur noch<br />
20 % der Gesamtreduktion, weitere 20 % sind durch die nächsten 13 Verwendungsarten<br />
verursacht. Die fehlenden 10 % am Gesamtergebnis erfordern die Reduktion<br />
um 1 % in 21 Verwendungszwecke. Betrachtet man den Ressourcenverbauch noch<br />
einmal nach eingesetztem Rohstoff, fällt auf, dass mit über 60% der Löwenanteil des<br />
Rückgangs des Ressourceninputs auf den Bereich der fossilen Brennstoffe zurückzuführen<br />
ist. Die Biomasse rangiert mit 16 % auf dem zweiten Platz. Der Bereich Metalle<br />
folgt mit etwas über 6% auf Rang vier.<br />
53
4. Zukunftspolitik und ihre sozialen Auswirkungen<br />
Abb. 7: Ressourcenverbrauch im Privathaushalt (Quelle: Aachener Stiftung Kathy Bayes 2005)<br />
Bewertung der Maßnahmen<br />
Eine Steigerung der Ressourcenproduktivität ist zentraler Bestandteil jeder Zukunftsstrategie,<br />
da eine Angleichung der Entwicklungs- und Schwellenländer an das<br />
Wohlstandsniveau der westlichen Industriegesellschaften mit derzeitiger Ressourcenproduktivität<br />
schlichtweg unmöglich ist. Doch auch in Hinblick auf die wirtschaftliche<br />
Entwicklung hat die Steigerung der Ressourcenproduktivität große Bedeutung:<br />
Während die Arbeitsproduktivität seit vielen Jahren um beinahe 4 % jährlich wächst –<br />
und dabei einen starken Anstieg der Arbeitslosigkeit mit sich gebracht hat –, ist bei<br />
54
4. Zukunftspolitik und ihre sozialen Auswirkungen<br />
der Ressourcenproduktivität nur eine Verbesserung um weniger als die Hälfte festzustellen.<br />
Studien zeigen dabei, dass die Produktivitätspotentiale von der Großindustrie<br />
häufig schon erkannt und genutzt werden; in der klein- und mittelständischen Wirtschaft<br />
hingegen herrscht großer Aufklärungsbedarf.<br />
Im Ergebnis der Aachener Studie zeigt sich, dass eine generelle Verbesserung der<br />
Ressourcenproduktivität enorme Vorteile für Wirtschaft, Staat und Gesellschaft bietet.<br />
Die Einführung einer Materialinputsteuer und die gleichzeitige aufkommensneutrale<br />
Senkung der Einkommensteuern bewirkt im Zusammenspiel mit den Maßnahmen<br />
des Aachener Szenarios eine absolute Senkung des Ressourcenverbrauchs um<br />
den Faktor 2 bis 2020, trotz einer deutlichen Steigerung wirtschaftlicher Wachstumsraten:<br />
Am Ende des Betrachtungszeitraumes hat sich das BIP um 12 % gegenüber<br />
der Basisprognose erhöht. Gleichzeitig steigt die Beschäftigung bis 2020 um etwa<br />
eine Million an, der Finanzierungssaldo des Staates erhöht sich deutlich um 103 Mrd.<br />
Euro, die Ertragslage der Unternehmen verbessert sich um 120 Mrd. Euro.<br />
Eine Verlagerung der Mehrwertsteuer weg von der Dienstleistung hin zum Materialverbrauch<br />
hat einen weiteren positiven Beschäftigungseffekt von ca. 150.000 Arbeitsplätze.<br />
Darüber hinaus wäre eine solche Veränderung weitgehend EUkompatibel.<br />
Der Einfluss auf den Ressourcenverbrauch ist mit -1,5 % aber geringer<br />
als der der Materialinputsteuer.<br />
In Bezug auf den privaten Konsum zeigt sich, dass einige wenige Konsumverwendungszwecke<br />
besonders wichtig für den gesamten Ressourcenverbrauch sind. Die<br />
größten Reduktionen des Ressourcenverbrauchs lassen sich durch Einsparungen in<br />
den Verwendungszwecken rund um die Energie erzielen.<br />
Auf der Seite der Wirtschaft zeigen sich ähnliche Ergebnisse: Auch hier fällt auf, dass<br />
nur wenige Faktoren den Ressourcenverbrauch entscheidend bestimmen. Wenn es<br />
gelänge, die zehn wichtigsten Inputkoeffizienten um 1 % zu senken, erschließt sich<br />
bereits die Hälfte des Effizienzsteigerungspotenzials, das sich bei der Reduktion in<br />
allen 3481 möglichen Koeffizienten ergibt. Hier ist also mit relativ geringem Aufwand<br />
eine deutliche Steigerung der gesamten Ressourcenproduktivität möglich.<br />
4.3. Beschäftigungswirkungen nachhaltigen Wirtschaftens<br />
Durch moderne Umweltpolitik ist der Umweltsektor zu einem wachsenden Beschäftigungssektor<br />
geworden. So waren 2004 bereits über 1,5 Millionen Menschen in diesem<br />
Bereich beschäftigt, mit steigender Tendenz. Es stellt sich somit die Frage, ob<br />
notwendige ökologische Umstrukturierungen unseres Wirtschaftens auch weiterhin<br />
55
4. Zukunftspolitik und ihre sozialen Auswirkungen<br />
positive Auswirkungen auf die Arbeitsplatzzahlen haben werden. Im Folgenden ist<br />
eine Studie des Berliner Ökonomen Holger Rogall (2004) vorgestellt, in der die Beschäftigungsauswirkungen<br />
einer systematischen, nachhaltigen Umstrukturierung unseres<br />
Wirtschaftens diskutiert werden.<br />
Energiepolitik<br />
Handlungsziel: Reduktion der Treibhausgase um 40 % bis 2020 und 80 % bis 2050,<br />
bei gleichzeitiger Verminderung des Primärenergieverbrauchs um 50 % und einer<br />
Steigerung der Energieversorgung aus Erneuerbaren Energien bis 2050 auf 50 %.<br />
Technik Instrument Beschäftigungseffekt<br />
Kraft-Wärme-Kopplung Verlängerte und verbesserte<br />
Einspeisevergütung durch<br />
KWK-Gesetz-Novellierung<br />
Energetische Gebäudesanierung<br />
Erhöhung der Wärmeschutzstandards<br />
für Neubauten<br />
Ausbau der Erneuerbaren<br />
Energien<br />
Einführung von Wärme-<br />
Mindeststandards für alle Gebäude<br />
(z. B. 40-60kWh/m 2 /a),<br />
gekoppelt mit Förderprogramm<br />
zunächst Förderung und später<br />
Einführung eines Passivhausstandards<br />
Solare Baupflichten, Ökosteuerreform,<br />
Fortführung EE-<br />
Gesetz, Bonusregelung für solare<br />
Anlagen<br />
k.A.<br />
+ 430.000 Arbeitsplätze<br />
+ 500.000 bis 900.000 Arbeitsplätze<br />
Bau- und Stadtentwicklung<br />
Handlungsziel: Innenentwicklung der Städte vor Außenentwicklung, Senkung des<br />
Flächenverbrauchs von 130ha/Tag auf 30 ha/Tag bis 2020, vollständiges Flächenrecycling<br />
bis 2050.<br />
Technik Instrument Beschäftigungseffekt<br />
Baustandards für Neubauten Wahrnehmung aller Instrumente<br />
des Planungsrechts<br />
Modernisierung der Wohnquartiere<br />
Einführung eines Lizenzsystems<br />
der Flächenversiegelung<br />
Mobilitätspolitik<br />
Handlungsziel: Senkung des Kraftstoffverbrauchs um 40 %, der Schadstoffemissionen<br />
um 99 % und des Lärms um 65 dB bis 2050.<br />
k.A.<br />
k.A.<br />
56
4. Zukunftspolitik und ihre sozialen Auswirkungen<br />
Technik Instrument Beschäftigungseffekt<br />
Senkung des Kraftstoffverbrauchs<br />
Verschiebung des Pkw-, Lkw-<br />
und Luftverkehrs auf die Schiene<br />
Einführung alternativer Antriebstechniken<br />
und Kraftstoffe<br />
Stufenweise Verschärfung der<br />
Grenzwerte auf EU-Ebene, Definition<br />
von schadstoffarmen<br />
Kfz in der Straßenverkehrsordnung,<br />
stufenweise Verschärfung<br />
von Grenzwerten, Fortsetzung<br />
Ökosteuerreform<br />
Internalisierung von Kosten<br />
durch Lkw-Maut<br />
k.A.<br />
k.A.<br />
Umschichtung von Steuergeldern<br />
in den Ausbau des ÖPNV<br />
Emissionsabgaben für den Kerosinverbrauch<br />
insg. + 335.000 Arbeitsplätze<br />
Ecodesign und Abfallpolitik<br />
Handlungsziele: Steigerung der Ressourcenproduktivität um den Faktor 2 bis 2020<br />
und 10 bis 2050.<br />
Technik Instrument Beschäftigungseffekt<br />
Senkung des Energieverbrauchs<br />
elektrisch betriebener<br />
Produkte<br />
Ersatz von Standard-<br />
Werkstoffen durch Sekundärwerkstoffe<br />
Recyclingfreundliche Konstruktionen,<br />
Ausbau der Recyclingwirtschaft<br />
Top-Runner-Programm<br />
Rücknahme- und Verwertungsverpflichtungen<br />
mit Quoten und<br />
Inputauflagen. Ökologisierung<br />
des Finanzsystems<br />
Rücknahmeverpflichtung inkl.<br />
Pfandpflicht für alle Produkte<br />
insg. + 100.000 Arbeitsplätze<br />
Entwicklung des ländlichen Raumes<br />
Handlungsziel: Ausdehnung des Ökolandbaus auf 20 % der Flächen bis 2010.<br />
Technik Instrument Beschäftigungseffekt<br />
Wandel des Landwirts zum<br />
Energiewirt<br />
Entwicklung des ökologischen<br />
Landbaus zum Standard<br />
Erhöhung der Einspeisevergütung<br />
für Strom aus Biomasse<br />
Abgaben auf Pestizide und<br />
Kunstdünger, Reform des europäischen<br />
Prämiensystems<br />
Rogall warnt davor, die Potentiale der Tabellen einfach zu addieren, geht aber davon<br />
aus, dass selbst unter pessimistischen Bedingungen mindestens 1.000.000 bis<br />
k.A.<br />
k.A.<br />
57
4. Zukunftspolitik und ihre sozialen Auswirkungen<br />
2.000.000 Teilzeitarbeitsplätze entstehen werden. Da eine Veränderung der Beschäftigungszahlen<br />
immer einen starken Einfluss auf den wirtschaftlichen und sozialen<br />
Stand des Einzelnen haben, der in Beschäftigung tritt oder aus ihr herausfällt, hat eine<br />
Umstrukturierung des Wirtschaftens nach dem Rogallschen Modell stark positive<br />
Auswirkungen auf die soziale Situation Deutschlands (Rogall 2007).<br />
4.4. Kosten und Nutzen des Meseberger Klimaschutzprogramms<br />
Die Bundesregierung hat auf ihrer Klausurtagung im Spätsommer 2007 in Meseberg<br />
ein detailliertes Energie- und Klimaschutzprogramm beschlossen. Dieses Paket soll<br />
einen Baustein darstellen, um das angestrebte Ziel Deutschlands zu erreichen, die<br />
Treibhausgasemissionen bis 2020 um 40 Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren.<br />
Das Paket enthält 29 Einzelmaßnahmen. Die Schwerpunkte liegen hierbei<br />
• im Ausbau des Anteils erneuerbarer Energien (Ausbauziel zur Stromgewinnung<br />
25 bis 30 % bis 2020, Deckung des Wärmebedarfs aus erneuerbaren Energien<br />
14 % bis 2020) durch die Weiterführung des EEG und die Einführung eines EE-<br />
WärmeG 5 .<br />
• in der Novellierung des KWK-Gesetzes (Verdopplung des Anteils der Kraft-<br />
Wärme-Kopplung an der Stromerzeugung bis 2020 auf 25 %).<br />
• Verbesserung der Energieeffizienz von neuen und sanierten Gebäuden im Jahr<br />
2008 um 30 %, bis 2012 nochmals um die gleiche Größenordnung, finanziell unterstützt<br />
durch das Gebäudesanierungsprogramm.<br />
Für 2008 stehen für die Klimapolitik im Bundeshaushalt insgesamt 2,6 Milliarden Euro<br />
zur Verfügung, da der Klimaschutz nicht unwesentliche Programmkosten nach<br />
sich zieht, zu denen weitere Ausgaben durch Investitionen beim Endverbraucher hinzukommen.<br />
Demgegenüber stehen die deutliche Entlastung des einzelnen Endverbrauchers<br />
durch Verminderung der Energiekosten und damit einhergehend auch der<br />
Energieimporte. Darüber hinaus kommt es zu ökonomischen Chancen für die deutsche<br />
Industrie, welche längerfristig durch die Einführung von innovativen Technologien<br />
deutliche Vorteile besonders im Exportsektor bringen werden.<br />
In einem Forschungsprojekt des Fraunhofer-Instituts zur „Wirtschaftlichen Bewertung<br />
von Maßnahmen des Integrierten Energie- und Klimaprogramms“ wurden die Wirkungen<br />
und Kosten der wichtigsten Maßnahmen des Klimaschutzprogramms der<br />
Bundesregierung berechnet. Um die Frage nach der Nettokostenbelastung des ein-<br />
5 Das Erneuerbare Energien Wärmegesetz legt fest, dass spätestens im Jahr 2020 14 Prozent der<br />
Wärme in Deutschland aus Erneuerbaren Energien stammen muss.<br />
58
4. Zukunftspolitik und ihre sozialen Auswirkungen<br />
zelnen Endnutzers durch die jeweilige Maßnahme zu beantworten, wurden folgende<br />
Kostengruppen unterschieden:<br />
(1) (Differenz)Investitionen im Vergleich zu Standardtechnologien,<br />
(2) eingesparte Energie-Kosten (ohne Betrachtung der eingesparten Umweltkosten)<br />
und<br />
(3) Programmkosten, wobei unter letztere Kategorie auch Umlagen, z. B. bei Erneuerbaren<br />
Energien fallen.<br />
Basierend auf diesen Kosteninformationen sowie den eingesparten Mengen an<br />
Energie und CO2-Emissionen lassen sich die entscheidenden ökonomischen Fragen<br />
beantworten: Wie hoch sind die Minderungskosten pro eingesparter Tonne CO2?<br />
Und welche gesamten Kosten sind durch die Nutzer bzw. den Staat zu tragen?<br />
Nr. Titel der Maßnahme Bruttokosten<br />
in Mrd. Euro<br />
Jährlich eingesparte<br />
(fossile)<br />
Energie in<br />
Mrd. Euro<br />
Minderungskosten<br />
in<br />
Euro je Tonne<br />
CO2<br />
1 Kraft-Wärme-Kopplung 0,003 -0,3 12,9<br />
2 Erneuerbare Energien: Strom 5,55 4,2 27<br />
7 Energiemanagementsysteme<br />
gramme Klima/Energie<br />
und Förderpro- 2,3 3,2 -90<br />
8 Energieeffiziente Produkte - Haushalte/Industrie 0,21 4,2 -266<br />
10a Energieeinsparverordnung 8,43 10,3 -47<br />
10b Austausch der Nachtspeicherheizungen 1,05 0,9 23<br />
12 CO2-Gebäudesanierungsprogramm 2,43 3,2 -58<br />
13 Energetische Modernisierung der sozialen Infrastruktur<br />
0,49 0,26 163<br />
14 Erneuerbare Energien: Wärme 4,42 3,5 77<br />
15 Energetische Sanierung der Bundesgebäude 0,06 0,08 -38<br />
16 CO2 aus PKW-Nutzung 6,44 8,7 -128<br />
17 Biokraftstoffe 0 -1,0 bis 2,0 84 bis 168<br />
Summe 21 36,3 -26<br />
Tab. 2: Wirkungen und Kosten des Meseberger Klimaschutzprogramms<br />
In der Studie wurden die wichtigsten Maßnahmen auf der Basis der Eckpunkte im<br />
Hinblick auf ihre Programmkosten, Investitionskosten sowie die eingesparten Energiekosten<br />
analysiert. Die Zwischenergebnisse der Studie sind klar: Die Mehrzahl der<br />
analysierten Maßnahmen spart Kosten. Insgesamt kann Deutschland mit Umsetzung<br />
der Maßnahmen Gewinne in Höhe von 5 Milliarden Euro im Jahr 2020 realisieren.<br />
Die Investitionskosten betragen im Jahr 2020 insgesamt 31 Milliarden Euro. Dem<br />
stehen Energieeinsparungen in Höhe von 36,3 Milliarden Euro gegenüber. Dabei ist<br />
59
4. Zukunftspolitik und ihre sozialen Auswirkungen<br />
zu beachten, dass hierbei von moderaten Gas- und Ölpreisannahmen ausgegangen<br />
wurde (65 $/Barrel), während bereits jetzt deutlich höhere Ölpreise (ca. 90 $/Barrel)<br />
Realität sind.<br />
Bei einer genauen Betrachtung stellen sich die Daten wie folgt dar:<br />
• Effiziente Geräte führen zu 4,2 Milliarden Euro Kosteneinsparungen, die Einsparungen<br />
bei Vermeidung des CO2-Ausstoßes liegen dabei bei 266 Euro je Tonne<br />
CO2 .<br />
• Im Gebäudebereich werden 2020 14 Milliarden Euro gespart. Die Einsparungen<br />
für die Vermeidung des CO2-Ausstoß liegen bei 58 Euro je Tonne CO2.<br />
• Im Verkehrsbereich können 2020 ca. 8 Milliarden Euro eingespart werden, die<br />
Einsparungen für die CO2-Vermeidung liegen bei 128 Euro je Tonne CO2.<br />
Grund hierfür ist, dass viele Energieeffizienzmaßnahmen beim PKW sehr<br />
preiswert sind und sich durch geringeren Spritverbrauch rentieren.<br />
• Die Vermeidungskosten für die Kraft-Wärme-Kopplung liegen bei 13 Euro je<br />
Tonne CO2, für Erneuerbare Energien im Strombereich bei 27 Euro pro Tonne<br />
CO2.<br />
• Die Minderungskosten bei Erneuerbarer Wärme sind mit 77 Euro je Tonne CO2<br />
und bei Biokraftstoffen mit 84 bis 168 Euro je Tonne CO2 deutlich höher (die<br />
Spanne gibt die Unsicherheit über die Entwicklung der Biokraftstoffe Zweiter<br />
Generation wieder). Diese Ausgaben sind jedoch als Zukunftsinvestitionen zu<br />
betrachten: Die Vermeidungskosten bei erneuerbarer Stromproduktion lagen<br />
vor fünf bis zehn Jahren auch erheblich höher; die technische Entwicklung am<br />
Wärme- und Kraftstoffmarkt hinkt hier der durch das EEG ausgelösten Dynamik<br />
am Strommarkt um eben diesen Zeitraum hinterher. Der Ölpreis wurde dabei<br />
sehr konservativ geschätzt (s. o.).<br />
Zusammenfassend zeigt sich, dass die überwiegende Anzahl der analysierten Maßnahmen<br />
Einsparungen nach sich ziehen. Unter Berücksichtigung der eingesparten<br />
Energiekosten ergeben sich an vielen Stellen auch Einsparungen für den Endnutzer.<br />
Dies trifft insbesondere für die Energieeffizienzmaßnahmen zu.<br />
Bei anderen Maßnahmen hingegen, wie der Förderung der Erneuerbaren Energien<br />
und der Kraft-Wärme-Kopplung, werden moderate Kostenerhöhungen auf Verbraucherseite<br />
erwartet. Diese sind vor dem Hintergrund zu sehen, dass in Deutschland<br />
innovative Industrien entstehen, die weltweit zum Klimaschutz beitragen werden. Aus<br />
60
4. Zukunftspolitik und ihre sozialen Auswirkungen<br />
sozialer Perspektive stellt sich hier die Frage, inwiefern die für die Industrie entstehenden<br />
Vorteile durch einen Innovationsschub gesellschaftlich nutzbar werden.<br />
Für einige Maßnahmen fallen hohe Bruttoinvestitionen in der Anfangsphase an, während<br />
Einsparungen über einen längeren Zeitraum erfolgen. Die Barriere der Anfangsinvestitionen<br />
kann durch die staatlichen Förderprogramme gezielt überwunden werden.<br />
Insgesamt zeigt sich, dass Deutschland bezogen auf das Jahr 2020 mit jährlichen<br />
Investitionen von 31 Milliarden in den Klimaschutz Energie-Einsparungen von<br />
36 Milliarden Euro auslöst. Diese Summen werden mit Programmkosten von nur<br />
1 Milliarde Euro ausgelöst. Klimaschutz in Deutschland ist also eine lohnende Investition.<br />
4.5. Ausstieg aus dem Steinkohlebergbau<br />
Die Subventionen des Bundes für den Steinkohlebergbau machen ca. 30% der Subventionen<br />
für die gewerbliche Wirtschaft insgesamt aus. Der größte Teil der Subventionen<br />
dient dabei dazu, die deutsche Steinkohle auf dem internationalen Markt wettbewerbsfähig<br />
zu halten und die Differenz zwischen den hohen Förderkosten für die<br />
deutsche Steinkohle und den um etwa 70% niedrigeren Preis der Importkohle auszugleichen<br />
(UBA 2003). Der Erhalt der Arbeitsplätze im Steinkohlebergbau wird teuer<br />
erkauft: Umgerechnet auf die Zahl der Erwerbstätigen ergeben sich für das Jahr<br />
2001 etwa 82.000 Euro pro Jahr je Arbeitsplatz.<br />
Am 28.12.2007 trat das »Gesetz zur Finanzierung der Beendigung des subventionierten<br />
Steinkohlenbergbaus zum Jahr 2018 (Steinkohlefinanzierungsgesetz)« in<br />
Kraft. Darin sind für die Jahre 2009 bis 2018 weitere Subventionen in Höhe von 13,9<br />
Milliarden Euro vorgesehen.<br />
Das Umweltbundesamt (UBA) hat 2003 eine Studie zur Ermittlung der Folgen einer<br />
mittelfristigen Einstellung der Subventionierung des Steinkohlebergbaus in Deutschland<br />
durchgeführt. Dabei wurde davon ausgegangen, dass die Subventionen bis<br />
2010 zurückgefahren und die freiwerdenden Mittel anderweitig investiert werden. Im<br />
Referenzszenario wurde zugrunde gelegt, dass die Steinkohlesubventionen nach<br />
dem Jahr 2005 eingefroren werden, das heißt bei 2,7 Milliarden Euro verbleiben. Das<br />
Maßnahmenszenario unterstellt dagegen, dass nach dem Jahr 2005 eine weitere<br />
Reduzierung der Subventionen erfolgt und die Subventionen bis zum Jahr 2010 vollständig<br />
zurückgefahren werden. Exemplarisch werden unterschiedliche Varianten für<br />
die Verwendung zur Förderung erneuerbarer Energien oder zur Verwendung für<br />
61
4. Zukunftspolitik und ihre sozialen Auswirkungen<br />
Maßnahmen zur Gebäudesanierung dargestellt. Der Einfachheit halber wird bei den<br />
Simulationen unterstellt, dass jeweils die gesamten eingesparten Subventionen umgeschichtet<br />
werden. Die Ergebnisse zeigen sich wie folgt:<br />
Wirkungen auf die CO2-Emissionen<br />
Abb. 8: Entwicklung der CO2-Emissionen unter verschiedenen Szenarien<br />
Bei einer Verschiebung der Subventionen aus dem Steinkohlebergbau in die Erneuerbaren<br />
Energien zur Wärmegewinnung (Solarenergie, Biomasse) zeigt sich eine<br />
deutliche Reduktion der CO2-Emissionen gegenüber dem Referenzszenario mit minus<br />
50 % (entsprechend 50 Millionen Tonnen CO2). Die Investitionen in die Gebäudesanierung<br />
versprechen eine Verminderung um etwa 6 Millionen Tonnen. Die Ergebnisse<br />
stellen eine konservative Schätzung dar, da angenommen wurde, dass nur<br />
ein Fünftel der geförderten Wohnungsbauinvestitionen zusätzlicher Natur ist. Die<br />
Auswirkungen der CO2-Reduktion für das Gebäudesanierungsprogramm wurden<br />
über 2010 bis 2014 weitergerechnet und zeigen eine fortschreitende Einsparung der<br />
Emissionen.<br />
62
4. Zukunftspolitik und ihre sozialen Auswirkungen<br />
Wirkungen die Beschäftigungsverhältnisse<br />
Abb 9: Entwicklung der Arbeitsplatzsituation unter verschiedenen Szenarien<br />
Die Zahl der Arbeitsplätze steigt in diesem Szenario bis zum Jahr 2010 netto (d. h.<br />
bereinigt um die Arbeitsplatzverluste im Bergbau) um etwa 30.000 Beschäftigte bei<br />
einer Investition in die Gebäudesanierung. Bis 2014 würde sich dieser Effekt weiter<br />
verstärken und für insgesamt 50.000 neue Arbeitsplätze sorgen. Bei einer Investitionsverschiebung<br />
in den Bereich der Erneuerbaren Energien zur Wärmegewinnung<br />
würde sich bis 2010 ein Plus von 9.000 Beschäftigten ergeben.<br />
Fazit<br />
Eine Subventionsumschichtung würde unter Berücksichtigung der negativen Beschäftigungswirkungen<br />
des Abbaus der Kohlesubventionen die Wirtschaft ankurbeln,<br />
Arbeitsplätze schaffen und zudem ökologisch positive Wirkungen erbringen. Die Zahl<br />
der Arbeitsplätze steigt in diesem Szenario bis zum Jahr 2010 netto um etwa 9.000<br />
bis 30.000 Beschäftigte an bei gleichzeitigem Rückgang der CO2-Emissionen um etwa<br />
6 bis 50 Millionen Tonnen.<br />
Auch wenn die Studie von einer Verschiebung der Subventionen ab 2005 ausgeht,<br />
was mittlerweile nicht mehr möglich ist, sind die Effekte auch in die Zukunft übertragbar.<br />
Obwohl durch das Gesetz zur Beendigung des subventionierten Steinkohlebergbaus<br />
mittlerweile Fakten geschaffen wurden, ist dringend an einem schnelleren, sozialverträglichen<br />
Ausstieg zu arbeiten.<br />
4.6. Soziale Auswirkungen der Ökosteuer<br />
Die Diskussion um Ökosteuern war für die deutsche Sozialdemokratie von Beginn an<br />
mit der Frage der sozialen Gerechtigkeit verknüpft. Große Akzeptanzschwierigkeiten<br />
63
4. Zukunftspolitik und ihre sozialen Auswirkungen<br />
ergaben sich dadurch, dass Ökosteuern als ungerecht gelten: Familien mit niedrigen<br />
Einkommen, die auf ihr Auto angewiesen sind, die Wohnung heizen müssen und sich<br />
nicht den neuesten, energieeffizientesten Kühlschrank leisten können, werden durch<br />
Ökosteuern ungleich stärker belastet als der bei einer Bank angestellte Single, dessen<br />
Energieausgaben relativ zu seiner Leistungsfähigkeit geringer sind.<br />
Diese Befunde sind nicht von der Hand zu weisen, sie liegen in der Logik von Umweltsteuern<br />
begründet. Umweltsteuern orientieren sich nicht an Einkommen, Vermögen<br />
oder sonstigen Indikatoren wirtschaftlicher oder sozialer Leistungsfähigkeit. Ihre<br />
Bemessungsgrundlage ist alleine das umweltschädigende Verhalten: Wer viel Ressourcen<br />
verbraucht und die Umwelt stark belastet, der zahlt viel Steuern. Da die<br />
Umweltschädigung beim Autofahren nicht von sozialer Stellung, Alter oder Einkommen<br />
des Autofahrers abhängt, gibt es hier keine Ungleichheit zwischen alleinerziehender<br />
Mutter, Familie ohne Arbeitseinkommen und Bankmanager. Vor dem steuerlichen<br />
Auge der Ökosteuer sind alle gleich (bis auf energieintensive Unternehmen,<br />
die aufgrund der Angst vor Wettbewerbsnachteilen von der Ökosteuer ausgenommen<br />
bzw. weniger belastet sind).<br />
Eine Ressourcensteuer, wie sie in der Literatur diskutiert wird, hat zum Ziel, die Umwelt<br />
und den Arbeitsmarkt zu entlasten. Hierzu stehen auch zwei grundsätzlich taugliche<br />
Instrumente bereit: Die Ökosteuer im Umweltbereich und die Senkung der<br />
Lohnnebenkosten für den Arbeitsmarkt (Wagener 2000). Vom Grundsatz her ist es<br />
natürlich möglich, einen Ökosteuersatz und eine steuerliche Entlastung der Arbeit zu<br />
realisieren, so dass zugleich Umweltschädigung und Arbeitslosigkeit reduziert werden.<br />
Doch bei der ökologischen Steuerreform sollen zusätzlich noch die Staatseinnahmen<br />
unverändert bleiben.<br />
Doch wird in den jeweiligen Rückvergütungsvorschlägen zur Einnahmeneutralität auf<br />
Staatsseite (also die Senkung der Lohnnebenkosten, die Rückvergütung an Unternehmen,<br />
die Schaffung von Freibeträgen etc.) vergessen, dass der ursprüngliche<br />
Ansatz lautete »Den Dingen ihren wahren Wert geben«. Insofern kann eine vernünftige<br />
Ressourcensteuer nicht aufkommensneutral sein: Wer die Umweltkosten bei der<br />
Preisgestaltung berücksichtigen will, muss sie auch bezahlen und entsprechend einsetzen.<br />
Wenn bei der Entnahme von Ressourcen in der Umwelt ein Schaden entsteht,<br />
muss dieser wieder ausgeglichen werden. Diese Kosten müssen in die Preisgestaltung<br />
mit einfließen. Die Lenkung des Wirtschaftens zu mehr Ressourcenproduktivität<br />
ist ein wichtiges Ziel.<br />
Interessant wird die Diskussion über Ressourcensteuern auch dann, wenn besserer<br />
Umweltschutz tatsächlich Arbeitsplätze kosten oder Mehrbeschäftigung zu einem<br />
64
4. Zukunftspolitik und ihre sozialen Auswirkungen<br />
umweltschädlichen Mehrverbrauch an Energie führen würde (was unser bisheriges<br />
Wirtschaften einfach fortschreiben würde). In einer Gesamtabwägung könnte eine<br />
ökologische Steuerreform nämlich auch dann noch vorteilhaft sein, wenn die positiven<br />
die negativen Effekte überwiegen. Eine Entscheidung hierüber aber würde erfordern,<br />
die einzelnen Effekte und letztlich die beiden Politikziele Umweltschutz und<br />
Vollbeschäftigung gegeneinander abzuwägen (Wagener 2003). Dies hat insofern eine<br />
besondere Brisanz, als wir uns dann nicht mehr nur mit monetären Werten, sondern<br />
mit gesellschaftlichen Zielen und ideellen Werten auseinander setzen müssen:<br />
Wie viel saubere Luft ist uns das Risiko eines geringen Wirtschaftswachstums wert?<br />
Ist es legitim, den Abbau von Kohle zu stoppen, weil die CO2-Emissionen durch ihre<br />
Verbrennung langfristig unser Klima und somit unsere Lebensgrundlagen ruinieren?<br />
Dass man es opportun findet, Umweltsteuern über Zusatzargumente mit einer zweiten<br />
Dividende attraktiver zu machen, signalisiert, dass man die Opferbereitschaft für<br />
eine bessere Umwelt für eher gering hält. Diverse Studien (z. B. UBA 2006) belegen<br />
jedoch, dass die Bürgerinnen und Bürger die Dringlichkeit der ökologischen Problemstellungen<br />
erkannt haben und zu Handlungen bereit sind. Jugendliche wünschen<br />
sich gar einen starken Staat, der umweltschädigendes Verhalten konsequent<br />
sanktioniert (<strong>Niebert</strong> 2008).<br />
Die Auswirkungen einer Ressourcensteuer auf die Einkommensverteilung ist ein<br />
grundlegender Faktor für die Akzeptanz derartiger ordnungspolitischer Maßnahmen<br />
(Baranzini 1997). Da Haushalte mit niedrigem Einkommen im Verhältnis entsprechend<br />
mehr Energiekosten zahlen müssen als Haushalte mit hohem Einkommen,<br />
wirken Ressourcen(nutzungs)steuern immer regressiv. Unterschiedliche Studien belegen<br />
die ungleich stärkere Belastung von Haushalten mit niedrigen Einkommen im<br />
Vergleich zu Haushalten mit hohem Einkommen. Je nach Höhe der Ressourcensteuern<br />
– und nach gerechnetem Modell – werden niedrige Einkommen mit ca.,<br />
2,4 % bis 10 % belastet, während hohe Einkommen mit 0,8 % bis 1,5 % belastet<br />
werden (Smith 1992; Poterba 1991). In der tatsächlichen Umsetzung von Ressourcensteuern,<br />
wie z. B. der Ökosteuer, scheinen die Auswirkungen weitaus geringer zu<br />
sein. Speck (1999) und auch Barker und Köhler (1998) konnten zeigen, dass – trotz<br />
der regressiven Wirkung von Ressourcensteuern – die Verteilungswirkungen relativ<br />
schwach sind und sich die Auswirkungen auf niedrige Einkommen nur sehr moderat<br />
auswirken. Die Auswirkungen wurden für die Besteuerung verschiedener Energieträger<br />
(Kohle, Gas, aber auch Benzin und Diesel) im Rahmen einer Energiesteuer errechnet.<br />
Nicht übersehen werden darf an dieser Stelle, dass sich auch ein Gegenwert<br />
zu den geleisteten Abgaben ergibt: Eine sauberere Umwelt, die allen zur Verfü-<br />
65
4. Zukunftspolitik und ihre sozialen Auswirkungen<br />
gung steht und unabhängig vom Einkommen zur Erholung genutzt werden kann.<br />
Barker und Köhler führen dies auf die leicht progressive Wirkung der Besteuerung<br />
von Mineralölen für den Verkehr zurück.<br />
Doch auch wenn die realen Verteilungseffekte relativ gering sind, ist das Verteilungsargument<br />
in der Diskussion um Ressourcensteuern ein gewichtiges. Im internationalen<br />
Maßstab zeigt sich an dieser Stelle der Widerstand der Entwicklungs- und<br />
Schwellenländer, die mit Gerechtigkeitsdebatten kontern, wenn der wohlhabende<br />
Westen eine nachhaltigere Politik einfordert (Poterba 1991).<br />
Umgang mit den Einnahmen aus der Ressourcenssteuer<br />
Die Erhebung einer zusätzlichen Steuer würde eine allgemeine Teuerung hervorrufen.<br />
Da diese Steuer aber nicht zum Ausgleich eines Haushaltsdefizits erfolgt, sondern<br />
um unsere Wirtschaftsweise in die richtige Richtung zu steuern, sollten die Einnahmen<br />
in geeigneter Form wieder zurückerstattet werden. Dazu bieten sich drei Varianten<br />
an, von denen zumindest zwei der Erhaltung bzw. der Wiedergewinnung des<br />
sozialen Gleichgewichts dienen<br />
(a) Freibetragsregelung<br />
Eine Grundidee ist die Festlegung eines Steuerfreibetrages für die lebensnotwendige<br />
Energienutzung. Die Idee dahinter ist die Sicherung eines menschenwürdigen<br />
Lebens bei gleichzeitiger Einschränkung eines verschwenderischen<br />
Energieverbrauchs. In den Niederlanden wurde mit der 1996 eingeführten Energiebesteuerung<br />
ein derartiger Freibetrag eingeführt. Eine Besteuerung findet dort<br />
erst oberhalb eines bestimmten Verbrauchs (800 m 3 Gas und 800 kW Strom),<br />
aber dafür stark progressiv statt (Alblas 1997). Dieses Modell ähnelt der Idee einer<br />
Personal Carbon Allowance, wie sie bei den Emissionszertifikaten diskutiert<br />
wurde.<br />
(b) Steuerliche Rückerstattung<br />
Möglichkeiten zur gerechten Gestaltung moderner Umweltpolitik werden unter<br />
dem Begriff »Eco-Bonus« diskutiert (Tindale & Hewitt 1999): Das durch Ressourcensteuern<br />
erzielte Steueraufkommen würde jährlich komplett an die Bürgerinnen<br />
und Bürger ausgeschüttet und zwar pro Kopf. Der ökonomische Anreiz, weniger<br />
Ressourcen zu verbrauchen, besteht nicht nur darin höhere Energiekosten zu<br />
vermeiden, sondern in der Chance, zusätzliche Einnahmen zu erzielen, sofern es<br />
gelingt, weniger Energie zu verbrauchen als der Durchschnitt der Bevölkerung.<br />
Dabei wirkt die Steuer progressiv, insoweit man erwarten kann, dass einkom-<br />
66
4. Zukunftspolitik und ihre sozialen Auswirkungen<br />
mensschwächere Haushalte einen geringeren Pro-Kopf-Energieverbrauch aufweisen<br />
(z. B. durch kleinere Wohnungen, weniger Haushaltsgeräte, keine bzw.<br />
Kleinere Kraftfahrzeuge, in höherem Maße Haushalte mit Kindern) (Elkins 2005).<br />
Inwieweit man auf eine umweltpolitikbedingte Steigerung der Kosten für einen<br />
ressourcenintensiven Alltag mit der Reorganisation der eigenen Lebenspraxis<br />
reagieren will, bleibt somit jedem selbst überlassen. Der Ansatz ist in dieser Hinsicht<br />
nicht nur gerechtigkeitsneutral, sondern auch in leicht nachvollziehbarer<br />
Form zu kommunizieren. Und dies ist angesichts der Diskussionen um Gerechtigkeitsprobleme<br />
bei der Ökosteuer nicht zu vernachlässigen. Große-Ruse (2002)<br />
konnte zeigen, dass die Rückerstattung der Einnahmen aus der Ökosteuer über<br />
die Senkung der Rentenversicherungsbeiträge häufig von den Steuerzahlerinnen<br />
und Steuerzahlern nicht nachvollzogen wird, was zu einer negativen Einschätzung<br />
von Umweltsteuern führt.<br />
Weitere Möglichkeiten eines sozialen Ausgleichs der Ressourcenbesteuerung ergeben<br />
sich aus einer Rückerstattung der eingenommenen Mittel an Unternehmen.<br />
Dies wird im Kanton Basel bereits mit der Rückerstattung der Stromsteuer<br />
praktiziert. Ressourcenschonend wirtschaftende Unternehmen, die mit vielen Arbeitskräften<br />
wenig Ressourcen verbrauchen, werden durch diese Rückerstattung<br />
bevorteilt. Ökologisch bewusst arbeitende Unternehmen erhalten einen zusätzlichen<br />
Vorteil, weil sie zwar genauso viel zurück erstattet bekommt wie die ökologisch<br />
weniger bewusst arbeitenden Unternehmen, aber entsprechend weniger<br />
Ressourcensteuern leisten müssen.<br />
Es ist also eine soziale und ökologische Umverteilung und gleichzeitig ein Beitrag<br />
zur Erhaltung der Lebensgrundlagen. Bei diesem Verfahren steigt zwar nominal<br />
das Preisniveau, es wird aber durch die Rückerstattung der Einnahmen aus der<br />
Ressourcensteuer wieder ausgeglichen.<br />
(c) Senkung der Lohnnebenkosten oder Einkommenssteuern<br />
Eine weitere Möglichkeit der Kompensation von Sonderbelastungen bei niedrigen<br />
Einkommen liegt in der Rückerstattung der gewonnenen steuerlichen Mehreinnahmen<br />
durch Senkung der Einkommenssteuern oder der Sozialabgaben bzw.<br />
Lohnnebenkosten (Barker 1992; Pearce 1991). Dies würde eine stärkere Wirkung<br />
in Richtung einer sozialen Umverteilung haben als eine pauschale Rückerstattung<br />
der Mehreinnahmen (Zhang & Baranzini 2004). Um vor allem die Arbeitsplätze zu<br />
entlasten, die von der Rationalisierung und den Verlagerungen in Niedriglohnländer<br />
betroffen sind, könnte alternativ zu einer Senkung des Beitragssatzes ein<br />
67
4. Zukunftspolitik und ihre sozialen Auswirkungen<br />
Freibetrag eingeführt werden. Damit werden die Kosten für jeden Arbeitsplatz in<br />
gleicher Höhe reduziert, prozentual aber sinken die Kosten für die geringer entlohnten<br />
Tätigkeiten stärker. Nach überschlägigen Erhebungen könnten für 10 %<br />
Ressourcensteuer die ersten 200 € an monatlichen Lohnzahlungen für den Arbeitgeber<br />
sozialbeitragsfrei bleiben. Das bedeutet bei einem Sozialbeitragssatz<br />
von 20 % für jeden sozialbeitragspflichtigen Arbeitsplatz eine Entlastung um<br />
480 € pro Jahr unabhängig von der Lohnhöhe.<br />
68
5. Umweltgerechtigkeit in Deutschland<br />
5. Umweltgerechtigkeit in Deutschland<br />
Zusammenfassung<br />
Umweltgerechtigkeit spielt nicht nur international, sondern auch in Deutschland eine<br />
zunehmend wichtige Rolle. Ungerechtigkeiten treten besonders da auf, wo Verursa-<br />
cher und Leidtragende unterschiedliche Personen sind: Während viele Probleme im<br />
Problem des Konsums von Besserverdienenden entstehen, tragen Schlechterverdie-<br />
nende stärker an den Kosten der Gegenmaßnahmen. Politik verlangt den Bürgerin-<br />
nen und Bürgern somit qualitativ unterschiedliche Beiträge zur Herstellung bzw. Si-<br />
cherung der Umwelt als öffentliches Gut ab. Will man die Lenkungswirkung von Prei-<br />
sen umweltpolitisch mit größerer Konsequenz nutzen, müssten sie ein Niveau errei-<br />
chen, das die Umweltkosten des Handelns einigermaßen angemessen widerspiegel-<br />
te. Die Lenkungswirkung höherer Preise für den Umweltverbrauch hängt dabei von<br />
der Höhe der jeweiligen Einkommen und der Preiselastizität der besteuerten Berei-<br />
che ab.<br />
Die Frage der sozialen Gerechtigkeit hat im Rahmen der deutschen Umweltdebatten<br />
schon immer eine große Rolle gespielt (Brand et al. 1997). Entweder wurde die soziale<br />
Gerechtigkeit aufgrund drohender Arbeitsplatzverluste zur Abwehr ökologischer<br />
Forderungen genutzt oder aber sie spielte bei der Auseinandersetzung um Standortentscheidungen<br />
für risikoträchtige bzw. gesundheitsbedrohende industrielle Anlagen<br />
eine Rolle.<br />
Die Bereitstellung öffentlicher Güter liegt im gemeinsamen Interesse aller Bürgerinnen<br />
und Bürger, kann aber nicht durch den Einzelnen unmittelbar gesichert werden.<br />
Im Umweltschutz geht es darum, die Bürgerinnen und Bürger durch kollektiv verbindliche<br />
Regelungen auf gemeinwohlorientiertes Handeln zu verpflichten oder notfalls an<br />
ihrer statt zu handeln. Soziale Gerechtigkeit im Sinne der Verteilungsgerechtigkeit<br />
dreht sich dabei im Kern um die Frage, nach welchen Prinzipien und mit welchen<br />
Konsequenzen eine Gesellschaft Handlungsoptionen und Handlungsfolgen an die<br />
Gesellschaftsmitglieder verteilt. Mit der räumlichen und zeitlichen Entgrenzung von<br />
Umweltfolgen (Beck 2007) wirft die Umweltproblematik auch darüber hinausreichende<br />
neue, ganz anders gelagerte Fragen sozialer Gerechtigkeit auf (Elkins 2005):<br />
(a) Wie sind Nutzungsrechte an kollektiven Umweltgütern (natürliche Ressourcen,<br />
Naturlandschaft) im globalen Maßstab zu regeln?<br />
69
5. Umweltgerechtigkeit in Deutschland<br />
(b) Wie lässt sich Umweltschutz mit Ansprüchen auf ökonomische Entwicklung<br />
vereinbaren?<br />
(c) Was folgt aus der unterschiedlichen Betroffenheit von Umweltfolgen, insbesondere<br />
dann, wenn man die unterschiedlichen Anteile an der Verursachung<br />
in Rechnung stellt?<br />
(d) Welche Konsequenzen ergeben sich aus der Generationengerechtigkeit und<br />
unserer Verantwortung gegenüber kommenden Generationen?<br />
Mit Blick auf die gerechtigkeitspolitische Problematik ist festzustellen, dass der umweltpolitisch<br />
beabsichtigte Druck hin zu einer ökologischen Rationalisierung der Lebensführung<br />
nicht auf alle Gesellschaftsmitglieder in gleicher Weise wirkt (Elkins<br />
2007). Der Wirkungsgrad steigt mit abnehmender Zahlungsfähigkeit: Der ungebremste<br />
Konsum von Umweltgütern ist jenen als Möglichkeit vorbehalten, die es sich leisten<br />
können. Die Tatsache, dass höhere Preise niedrige Einkommen stärker treffen,<br />
ist in der Logik des Marktes als Allokationsmechanismus angelegt.<br />
Aus der Perspektive des Gesellschaftsmitglieds als Adressat von Umweltpolitik bewegen<br />
sich die verfügbaren Handlungsalternativen zwischen zwei Extremen: Der<br />
Leistung höherer Zahlungen für die Fortführung einer gewohnten, ressourcenverbrauchenden<br />
Lebenspraxis auf der einen Seite und der Anpassung jener Lebenspraxis<br />
an ein niedrigeres Niveau des Umweltverbrauchs auf der anderen. Im Falle, dass<br />
es an der Zahlungsfähigkeit mangelt, sehen sich Bürgerinnen und Bürger genötigt,<br />
entsprechende Anpassungen der Lebenspraxis zu vollziehen. Mit derartigen Anstrengungen<br />
zur Reorganisation der Lebenspraxis und der damit verbundenen Minderung<br />
der Nutzung von Umweltgütern wird ein Beitrag zur Sicherung des öffentlichen<br />
Gutes geleistet. Diese Lenkungswirkung ist Ziel einer auf die Verteuerung von<br />
Umweltgütern ausgerichteten Umweltpolitik.<br />
Wird demgegenüber nicht durch Veränderungen in der Lebenspraxis den Mehrkosten<br />
ausgewichen, sondern stattdessen die Zahlung geleistet, ist damit jedoch nicht<br />
unbedingt ein realer Beitrag zur Sicherung des öffentlichen Gutes erbracht. Dieses<br />
Prinzip liegt auch dem Emissionshandel zugrunde: Jeder, der genügend Geld zur<br />
Verfügung hat, kann es sich leisten, die Umwelt zu verschmutzen. Das Recht zur<br />
Verschmutzung des Allgemeinguts Umwelt kann somit käuflich erworben werden.<br />
Hinsichtlich der Frage, inwieweit Zahlungen für umweltschädigendes Verhalten<br />
schließlich doch im Umweltschutz ankommen, sind zwei Fälle zu unterscheiden:<br />
a) Steigen die Kosten eines Produktes oder einer Dienstleistung, weil durch Produktion<br />
oder Nutzung Umweltabgaben fällig werden (Ressourcensteuern, Energiesteuern<br />
etc.), führt dies über kurz oder lang zu Vermeidungskosten. Das heißt es<br />
70
5. Umweltgerechtigkeit in Deutschland<br />
wird auf Güter ausgewichen, die in der Regel teurer sind, aber einen geringeren<br />
Ressourcenverbrauch mit sich bringen. Beispiele wären der Erwerb eines energieeffizienten<br />
Kühlschranks, eines nach ökologischen Standards produzierten<br />
Nahrungsmittels oder eines abgasarmen Automobils.<br />
b) In dem Fall hingegen, dass die Zahlung geleistet wird, um einen umweltschädigenden<br />
Konsum weiter durchführen zu können, findet keine unmittelbare Sicherung<br />
des öffentlichen Gutes statt. Ziel ist schließlich der Erwerb des Rechtes am<br />
Umweltverbrauch. Die entscheidende Frage ist daher, was mit den Einnahmen<br />
geschieht. Sofern sie in den allgemeinen öffentlichen Haushalten aufgehen, wird<br />
ein nachvollziehbarer Bezug zur Sicherung von Umweltgütern nicht herstellbar<br />
sein. Grundsätzlich besteht jedoch die Möglichkeit, diese Einnahmen mit der Sicherung<br />
von Umweltgütern in einen Zusammenhang zu stellen, über<br />
• die Reparatur der entstandenen Schäden (z. B. Wiederaufforstung, Sanierung<br />
von Gewässern). Hier wird versucht, den entstandenen Schaden an<br />
gleicher Stelle, wenn auch eventuell zeitlich versetzt, zu reparieren.<br />
• die Kompensation bzw. Substitution des Schadens (z. B. der Schaffung von<br />
Ausgleichsflächen für die Landnutzung, Finanzierung von Aufforstungsprojekten<br />
in Entwicklungsländern für den CO2-Ausstoß in Europa). An dieser<br />
Stelle ist noch ein Zusammenhang zwischen Schaden und Maßnahme erkennbar,<br />
auch wenn die Kompensation in der Regel örtlich verschieden<br />
vom Ort des Schadens stattfindet.<br />
• die Verwendung für Umweltschutzmaßnahmen an anderer Stelle (Betrieb<br />
eines Nationalparkhauses, Förderung von Innovationsprogrammen). Hierbei<br />
ist in der Regel kein Zusammenhang zwischen Schaden und Ausgleichsmaßnahme<br />
erkennbar.<br />
Das Grundproblem des zahlungsbasierten Beitrags liegt darin begründet, dass<br />
man die Umweltbelastungen am Punkt der sie erzeugenden Handlung akzeptiert und<br />
ein nur begrenzt möglicher Ausgleich erst später möglich ist.<br />
Politik verlangt den Bürgerinnen und Bürgern somit qualitativ unterschiedliche Beiträge<br />
zur Herstellung bzw. Sicherung der Umwelt als öffentliches Gut ab. Ob nun die<br />
Akteure durch entsprechende Reorganisation ihrer Lebenspraxis einen unmittelbaren<br />
Beitrag leisten oder sich durch entsprechende Zahlungen von einer solchen Reorganisation<br />
freikaufen können, hängt von ihrer Zahlungsfähigkeit und Zahlungsbereitschaft<br />
ab, wobei der autonome Entscheidungsspielraum mit abnehmender Zahlungsfähigkeit<br />
sinkt (Enkins 2005). Will man die Lenkungswirkung von Preisen umweltpolitisch<br />
mit größerer Konsequenz nutzen, müssten sie ein Niveau erreichen, das die<br />
71
5. Umweltgerechtigkeit in Deutschland<br />
Umweltkosten des Handelns einigermaßen angemessen widerspiegelte. Man würde<br />
dabei in Preisregionen vordringen, die durchaus spürbar wären. Die Lenkungswirkung<br />
höherer Preise für den Umweltverbrauch hängt dabei von zwei Faktoren ab:<br />
(a) Die Höhe der Einkommen entscheidet über die Konsumverhältnisse. Die Ungerechtigkeiten<br />
unterschiedlicher Einkommensverhältnisse sind seit jeher<br />
Thema sozialdemokratischer Politikgestaltung gewesen.<br />
(b) Die Preiselastizität des jeweiligen Produkts entscheidet über seine Nutzung.<br />
Dabei stellt sich die Frage nach objektiven, aber besonders auch subjektiven<br />
Handlungsalternativen. Ist die Preiselastizität niedrig (Ernährung bei ALG II-<br />
Empfängern), kann man von einer Erhöhung des Preises wenig Steuerungswirkung<br />
erwarten. Die Nachfrage nach Gütern ist dort in hohem Maße preiselastisch,<br />
wo der Bedarf wenig dringlich (Kinobesuche) oder das fragliche Gut<br />
ersetzbar ist (im Restaurant essen gehen).<br />
An das Einkommen gekoppelt ist auch häufig die Möglichkeit, umweltschonendere<br />
Lebensperspektiven zu wählen. So erfordert in manchen Fällen die Wahrnehmung<br />
umwelteffizienter Optionen zunächst Investitionen (etwa in energieeffiziente Haushaltsgeräte),<br />
die sich zwar langfristig amortisieren, aber kurzfristig ohne entsprechende<br />
Mittel nicht zu tätigen sind. Kann man die erforderlichen Vorleistungen nicht<br />
aufbringen, ist man gezwungen, den Umweltverbrauch an diesen Punkten entweder<br />
durch veränderte Praktiken einzuschränken oder eben die erhöhte Zahlung zu leisten.<br />
Wichtige Parameter des Umweltverbrauchs der privaten Haushalte unterliegen häufig<br />
gar nicht deren Zugriff: Warmwasser und Heizung sind nicht nur einer der größten<br />
CO2-Emittenden im Privathaushalt, sondern auch jetzt schon ein wesentlicher Kostenfaktor.<br />
Die Effizienz an dieser Stelle wird jedoch über die Heizungsanlage und<br />
die Wärmedämmung des Gebäudes bestimmt. Derartige Investitionsentscheidungen<br />
werden in Mietwohnungen, wo Bevölkerungsteile mit geringerer Zahlungsfähigkeit in<br />
der Regel wohnen, zumeist allein von Hausbesitzern getroffen.<br />
Nicht nur international, sondern auch national treffen unterschiedlich konzentrierte<br />
Umweltbelastungen in stärkerem Maße die Teile der Bevölkerung, die sie gar nicht<br />
verursachen. Denn gerade infolge einer begrenzten Zahlungsfähigkeit können sie<br />
sich oftmals den Belastungen nicht entziehen, die durch jene verursacht werden, die<br />
es sich leisten können, umweltbeeinträchtigende Praktiken fortzusetzen. Ein typisches<br />
Beispiel dieser Art wäre, auf ein eigenes Auto zu verzichten, dabei dennoch in<br />
72
5. Umweltgerechtigkeit in Deutschland<br />
hohem Maße verkehrsbedingten Schadstoff- und Lärmemissionen im preislich günstigen<br />
Wohnumfeld ausgesetzt zu sein.<br />
Deutlich wird, dass in der deutschen Umweltpolitik die Frage der Gerechtigkeit stärker<br />
ins Blickfeld rücken sollte. Gesellschaftliche Akteure, parlamentarisch wie außerparlamentarisch,<br />
müssen Fragen diskutieren, die grundlegend für unsere Umweltpolitik,<br />
aber auch für unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt sind: Welche Art von<br />
Sozialpolitik ist nötig, um auf globaler Ebene den Erhalt der Lebensbedingungen von<br />
Pflanzen, Tieren und Menschen zu sichern? Wie können Chancen und Risiken auf<br />
alle Gesellschaftsmitglieder verteilt werden? Wollen wir in einen Ökokapitalismus<br />
steuern, der Umweltschutz nur als einen weiteren Kostenfaktor nutzt, um die Menschen<br />
auszubeuten? Oder können wir es schaffen, durch den Ausbau sozialer Rechte<br />
und den Erhalt materieller Sicherungsniveaus breite Bevölkerungsschichten zu einer<br />
selbstbestimmten, ökologisch verantwortlichen Lebensführung zu befähigen?<br />
Diese Fragen harren nach wie vor einer Antwort. Wer eine nachhaltige Gesellschaft<br />
gestalten will, wird sie beantworten müssen.<br />
73
6. Handlungsempfehlungen<br />
6. Handlungsempfehlungen<br />
Ein Vergleich der verschiedenen Ansätze und Studien zeigt: Eine nachhaltige Umweltpolitik<br />
ist möglich – und sie lohnt sich! Und zwar sowohl für die Umwelt als auch<br />
für die Wirtschaft. Die Analysen kommen unabhängig voneinander zu dem Schluss,<br />
dass sich eine richtig gestaltete Umweltpolitik positiv auf das Wirtschaftswachstum<br />
und die Beschäftigung auswirken. Mit der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit wäre auch<br />
ein wichtiger Meilenstein in einer wirksamen Sozialpolitik erreicht. Die präsentierten<br />
Ansätze und Studien haben jedoch auch gezeigt, dass von Umweltpolitik immer auch<br />
Verteilungswirkungen – positive wie negative – ausgehen. Es müssen somit Instrumente<br />
geschaffen werden, die die Verteilungswirkungen angemessen steuern. In einer<br />
Gesellschaft, in der Fragen sozialer Gerechtigkeit virulent sind, ist der umweltpolitische<br />
Handlungsspielraum eingeschränkt. Politikgestaltung, die eine nachhaltige,<br />
ressourcenschonende und klimafreundliche Gesellschaft als Vision hat, muss somit<br />
auch die soziale Perspektive ihrer Umweltpolitik im Blick haben. Angesichts der Dimension<br />
globaler Umweltprobleme müssen daher die gegenwärtig in modernen kapitalistischen<br />
Gesellschaften zu beobachtenden Erosionstendenzen in den Institutionen<br />
sozialer Sicherung (Elkins 2007) jeden an einer nachhaltigen Politik interessierten<br />
Menschen alarmieren. In einer solchen Situation muss Umweltpolitik zur Sicherung<br />
ihrer Handlungsspielräume darauf bedacht sein, die in der Gesellschaft herrschenden<br />
Gerechtigkeitsdefizite nicht zusätzlich zu verschärfen. Wirksame Umweltpolitik<br />
wird freilich nicht auf die Vorteile verzichten können, eine Steuerungswirkung<br />
über den Preis von ressourcenintensiven Gütern zu vermitteln. Doch gerade dabei ist<br />
es am sinnvollsten fürs Erste die Frage der Umweltpolitik von der Frage der Sozialpolitik<br />
zu trennen. Decker (1994) schlägt vor, die »Gestaltung auf der Einnahmenund<br />
Ausgabenseite jeweils unterschiedlichen Zielvorstellungen zu unterwerfen«. Die<br />
Erhebung von Steuern und Abgaben sei demnach strikt am umweltpolitischen Verursacherprinzip<br />
zu orientieren, während auf der Verwendungsseite das erzielte Steueraufkommen<br />
dazu dienen solle, »unbillige soziale Härten einer Abgabenbelastung<br />
aufzufangen und auszugleichen (durch Transferzahlung u. ä.)«. Hierfür spricht auch<br />
das Nonaffektionsprinzip, das die Kopplung von staatlichen Einnahmen an eine bestimmte<br />
Ausgabe untersagt. Jede staatliche Einnahme generiert staatliches Einkommen.<br />
Über die Ausgaben muss an anderer Stelle entschieden werden. Wir müssen<br />
Umweltpolitik also so gestalten, dass die Einnahmen groß genug sind, um a)<br />
Umweltschäden auszugleichen und b) einen sozialen Ausgleich herbei zu führen.<br />
Welche Instrumente können nun einen Weg in die Zukunft weisen? Prinzipiell gibt es<br />
verschiedene Wege, einen sozialverträglichen Umweltschutz zu gewährleisten. Im<br />
74
6. Handlungsempfehlungen<br />
Folgenden sind verschiedene Handlungsmöglichkeiten aufgeführt. Dabei wird unterschieden<br />
zwischen Lösungen, die auf bestehende Instrumente aufbauen und diese<br />
erweitern, und Instrumenten, die ganzheitliche Lösungen anbieten, aber eher langfristig<br />
umsetzbar sind. Die folgenden Vorschläge sind keine operationalisierten Feinziele<br />
einer nachhaltigen Politikgestaltung, es werden somit keine Grenzwerte, Prozentsätze<br />
oder Beträge diskutiert. Die Vorschläge richten sich eher in einem mittleren<br />
Abstraktionsgrad als Richtziele auf die soziale Gestaltung einer zukunftsgerichteten<br />
Umweltpolitik aus:<br />
I. Weiterentwicklung der Ökologischen Steuerreform<br />
Um eine schnelle und flächendeckende Einführung regenerativer Energien, effizienter<br />
Technologien und suffizienter Verhaltensweisen zu erreichen, müssen die Preise<br />
fossiler Energien über einen langen Zeitraum hinweg in kleinen Schritten vorhersehbar<br />
steigen. Diese Besteuerung soll sämtliche fossilen Primärenergieträger (Kohle,<br />
Öl, Gas, Uran) betreffen und eine reale Verteuerung von ca. fünf Prozent jährlich<br />
beim Endverbraucher bewirken. Dabei sollen die Steuersätze die Klimaschädlichkeit<br />
des jeweiligen Energieträgers berücksichtigen. Die Steuerbegünstigung des Flugverkehrs<br />
bei der Mineralöl-, Öko- und Mehrwertsteuer muss umgehend beendet werden.<br />
Eine Weiterentwicklung der ökologischen Steuerreform ist eine große Chance unserer<br />
Gesellschaft: Sie vermindert die Umweltbelastungen erheblich, belebt den Arbeitsmarkt,<br />
schafft mehr soziale Gerechtigkeit, stärkt die lokale Wirtschaft, macht die<br />
Volkswirtschaft unabhängiger und erschließt neue Exportmöglichkeiten.<br />
II. Einführung von Ressourcensteuern<br />
Zukünftig muss neben der Besteuerung des Energieverbrauchs auch eine Besteuerung<br />
des Rohstoffverbrauchs stattfinden. Dabei müssen alle Rohstoffe, auch industriell<br />
verarbeitete nachwachsende Rohstoffe, wie z.B. Holz mit einbezogen werden.<br />
Es werden dabei jedoch nur die Rohstoffe oder Rohstoffanteile eines Produktes besteuert<br />
und nicht ein Produkt, das bereits den Produktionsfaktor Arbeit beinhaltet. Die<br />
Besteuerung müsste an dem Einsatz von Metallen in den metallverarbeitenden Industrien<br />
und am Einsatz von Mineralien in der Bauwirtschaft und in der Branche Glas,<br />
Keramik ansetzen. Die Kohle braucht nicht explizit an dieser Stelle besteuert zu werden,<br />
weil sie durch den Emissionshandel der energieintensiven Branchen des produzierenden<br />
Gewerbes bereits erfasst wird.<br />
Wenn eine staatliche Einkommensneutralität gewünscht ist, ist eine Rückvergütung<br />
des Steueraufkommens an die durch die Zahlung belastete Branche der probate Ansatz.<br />
Durch die direkte Rückvergütung des Steueraufkommens an die zahlende<br />
75
6. Handlungsempfehlungen<br />
Branche kann eine Belastung der Branche insgesamt vermieden werden und gleichzeitig<br />
der Steuerungseffekt auf die CO2-Emissionen erhalten bleiben.<br />
III. Überarbeitung des Nationalen Allokationsplans für den Emissionshandel<br />
Ziel einer nachhaltigen Emissionszertifizierung muss die Versteigerung aller CO2-<br />
Zertifikate sein, die im Rahmen des Emissionshandels ausgegeben werden. Es werden<br />
somit reale Preise für den CO2-Ausstoß verlangt. Die Mehrbelastungen, die für<br />
die Unternehmen auftreten, können zur Sicherstellung der internationalen Konkurrenzfähigkeit<br />
ausgeglichen werden, indem die staatlichen Mehreinnahmen rückvergütet<br />
werden. Dies könne durch verschiedene Umlageverfahren innerhalb des jeweiligen<br />
Produktionsbereiches geschehen. So würde nicht ein ganzer Industriezweig<br />
benachteiligt, sondern nur die ressourcenintensiven Unternehmen in dem jeweiligen<br />
Zweig müssten zugunsten der rohstoffproduktiven Unternehmen mehr Zertifikate<br />
kaufen.<br />
IV. Umgestaltung des Mehrwertsteuersystems<br />
Durch eine einfache Veränderung werden die Preise für alle Dienstleistungen gesenkt<br />
und der Verbrauch von rohstoff- und energieintensiven Produkten teurer. Dies<br />
wird dazu führen, dass mehr Instandhaltungs- und Reparaturleistungen in Anspruch<br />
genommen werden. Zusätzlich werden sich positive Effekte zur Bekämpfung der<br />
Schattenwirtschaft ergeben.<br />
V. Ordnungspolitische Maßnahmen<br />
Der Passivhausstandard muss für alle neuen Gebäude (Wohn-, Geschäfts- und öffentlichen<br />
Gebäude) als Energiestandard gesetzt werden Darüber hinaus müssen die<br />
Mindestanforderungen an die Energie-Effizienzklasse für bestehende Gebäude angehoben<br />
werden, verbunden mit zinsgünstigen Kreditangeboten.<br />
Darüber hinaus sollte das Top-Runner-Prinzip mit einem Benchmarking der besten<br />
25 % einer Gerätekategorie gesetzlich verankert werden. Daran anschließend erfolgt<br />
die Einführung einer Kennzeichnungspflicht für den Energieverbrauch der Geräte.<br />
Der Richtwert wird innerhalb von fünf Jahren zum Grenzwert, sodass der durchschnittliche<br />
Energieverbrauch aller verkauften Geräte unter diesem Wert liegen<br />
muss.<br />
Die Bereitschaft von Unternehmen, ökologische Risiken einzugehen, ginge rasch zurück,<br />
wenn es keine Haftungsbeschränkungen gäbe. Es bedarf somit wirtschaftlich<br />
wie ökologisch sinnvoller Haftungsregeln, die Innovationen fördern und Schaden von<br />
der Gesellschaft abwenden.<br />
76
6. Handlungsempfehlungen<br />
VI. Überprüfung des Subventionssystems<br />
Sämtliche direkten und indirekten Subventionen, wie die Subventionierung des Kohleabbaus,<br />
die kostenlose Bereitstellung polizeilicher Überwachung von Atommüll-<br />
Transporten, die steuerliche Entlastung von Dieseltreibstoffen, die Umsatzsteuerbefreiung<br />
im internationalen Flugverkehr sind aufzuheben. Der bis 2018 vorgesehene<br />
Ausstieg aus der Subventionierung des Steinkohlebergbaus in Deutschland muss<br />
beschleunigt werden. Studien belegen, dass dies sozialverträglich geschehen kann<br />
und bei gleichzeitiger Förderung Erneuerbarer Energien und der Gebäudesanierung<br />
sogar mehr neue Arbeitsplätze entstehen als im Bergbau wegfallen (UBA 2003).<br />
VII. Schaffung eines sozialen Ausgleichs<br />
Wollen wir das Verhalten und die Konsumgewohnheiten des Einzelnen verändern,<br />
müssen wir die Menschen in die Lage versetzen, Chancen und Gefahren ihres Handelns<br />
zu erkennen. Doch Strategien zur Aufklärung und Sensibilisierung müssen von<br />
der Schaffung sozialer und materieller Voraussetzungen einer nachhaltigen Lebensführung<br />
begleitet werden. Es ist unerlässlich bei allen Gesellschaftsmitgliedern eine<br />
Übernahme der Verantwortung für die direkten und indirekten Folgen des eigenen<br />
Konsumverhaltens einzufordern. Es muss jedoch auch beachtet werden, dass diese<br />
Möglichkeiten verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen in unterschiedlichem Ausmaß<br />
offen stehen. Voraussetzung für eine Reaktionsfähigkeit auf umweltpolitische<br />
Steuerungsmaßnahmen ist ein ausreichendes Maß an institutionell garantierter materieller<br />
Sicherheit für alle Bürgerinnen und Bürger, welches Spielräume für eine<br />
selbstbestimmte Lebensführung eröffnet. Ermöglicht werden kann dies dadurch, dass<br />
das durch Energie- und Ressourcensteuern generierte zusätzliche Einkommen des<br />
Staates in einen Eco-Bonus fließt, der pro Kopf der Bevölkerung ausgezahlt wird. Im<br />
Vergleich zur Senkung der Lohnnebenkosten wäre ein Eco-Bonus verteilungspolitisch<br />
progressiv und kompensiert damit die regressiven Verteilungseffekte der Ökosteuer.<br />
Der Eco-Bonus würde die Zustimmung zur Öko-Steuer erhöhen, da die<br />
Rückvergütung eine direkt messbare finanzielle Entlastung darstellt und somit auch<br />
direkt erkennbar ist.<br />
VIII. Personal Carbon Trading<br />
Langfristig ist die Einführung des Personal Carbon Trading eine attraktive Maßnahme<br />
zur Senkung der CO2-Emissionen. Interessant ist diese Lösung vor allem deshalb, da<br />
sie einfach zu kalkulieren und aufgrund der Nachvollziehbarkeit und Gleichberechtigung<br />
von Unternehmen und Privatpersonen auch eine große gesellschaftliche Akzeptanz<br />
erwarten lässt. Dabei werden nach Festlegung von kurz-, mittel- und langfri-<br />
77
6. Handlungsempfehlungen<br />
stigen Emissionsminderungszielen die Emissionsrechte aufgeteilt: Ein Teil (ca. 40 %)<br />
wird Privatpersonen kostenlos zur Verfügung gestellt. Die restlichen Zertifikate (ca.<br />
60 %) werden versteigert und können von Unternehmen oder Privatpersonen erworben<br />
werden. Die Freibeträge für Privatpersonen sollen negative Effekte besonders<br />
für finanzschwache Privathaushalte verhindern, die bei einer Besteuerung von Emissionen<br />
ohne Freibeträge auftreten könnten. Letztendlich würden emissionssparsame<br />
Privathaushalte bei entsprechender Nachfrage durch den Verkauf nicht verbrauchter<br />
Emissionsrechte verdienen können. In diesem Bereich sind jedoch noch Machbarkeitsstudien<br />
und auch Untersuchungen über die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen<br />
erforderlich.<br />
IX. Ausbau des Netzwerks Ressourceneffizienz<br />
Zum Vorantreiben der ökologischen Modernisierung muss ein Netzwerk Energie- und<br />
Ressourceneffizienz gegründet werden, in dem schwerpunktmäßig Ingenieure,<br />
Techniker, Planer, aber auch Gewerkschaften und Sozialwissenschaftler mitarbeiten.<br />
Das Netzwerk muss fachübergreifend und praxisorientiert angelegt sein. Es sammelt<br />
Vorschläge zur Effizienzsteigerung über die gesamte Wertschöpfungskette. Das<br />
praktische Wissen wird über eine Internetplattform, Materialien, Broschüren und Veranstaltungsreihen<br />
einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht – mit Partnern<br />
vor allem in den Gewerkschaften und der mittelständischen Wirtschaft. Erstes Ziel ist<br />
ein deutsches Kompetenzzentrum zur Steigerung der Ressourceneffizienz im Sinne<br />
einer »Servicestelle für Effizienztechnologien«. Sie sollte auf folgenden Säulen basieren:<br />
• Servicestelle für Ressourceneffizienz und Effizienztechnologien<br />
Der Aufbau einer "Servicestelle" auf der Grundlage des Netzwerks Ressourceneffizienz<br />
umfasst eine Datenbank mit Best-Practice-Beispielen für Effizienztechnologien,<br />
Umwelttechnologieatlas, Unternehmenskartei mit Umwelttechnologien,<br />
die kontinuierlich aktualisiert wird, aktuelle Informationen zu Veranstaltungen,<br />
Forschungsergebnissen, Newsletter, etc. sowie die Betreuung des Netzwerks<br />
Ressourceneffizienz. Gleichzeitig geben Experten Auskünfte über Effizienztechnologien,<br />
Finanzierungs- und anwendungsorientierte Beratung. Die Servicestelle<br />
wird zum deutschen Kompetenzzentrum für angewandte Effizienztechnologien<br />
ausgebaut.<br />
• Pilotprojekte mit Demonstrationscharakter<br />
Durchführung von Pilotprojekten, die im Netzwerk Ressourceneffizienz entwickelt<br />
werden (z.B. Branchendialoge, Beratungs- und Weiterbildungskonzepte, allge-<br />
78
6. Handlungsempfehlungen<br />
mein anerkannte Berufsqualifikation eines "Effizienztechnikers" oder „Ressourceneffizienzmanagers“).<br />
Sie haben einen starken Industriebezug, auch z.B.<br />
durch Veranstaltungen auf lokaler und regionaler Ebene in Unternehmen für Unternehmen,<br />
um insbesondere KMU für das Thema zu gewinnen.<br />
• Kampagne für mehr Ressourceneffizienz für unterschiedliche Zielgruppen<br />
Ziel ist eine Kommunikationsstrategie und zielgruppenspezifische Kampagnen<br />
zur strategischen Bedeutung der Materialien und Ressourceneffizienz.<br />
• Internationale Perspektive<br />
Mit Hilfe von Servicestelle und Netzwerk wird eine europäische oder internationale<br />
Initiative zur Steigerung der Ressourceneffizienz entwickelt. Ansatzpunkte sind<br />
eine europäische Sekundärrohstoffstrategie oder eine internationale Konferenz<br />
zur Steigerung der Ressourceneffizienz (Vorbild Renewables 2004).<br />
79
7. Fazit<br />
7. Fazit<br />
Der Klimawandel ist in erster Linie eine Frage der Gerechtigkeit. Die Folgen unseres<br />
Wirtschaftens auf fossiler Basis werden die Welt stark verändern. Dabei wird es jedoch<br />
nicht um das Überleben der Natur oder den Untergang der Welt gehen, sondern<br />
einzig und allein um das Wohlergehen der Menschheit. Klimaschutz basiert<br />
nicht auf ökoromantischen Vorstellungen einer heilen grünen Welt, die vor dem Profitstreben<br />
Einzelner geschützt werden muss. Klimaschutz wird von Menschen für<br />
Menschen gemacht. Leidtragende des Klimawandels sind die Menschen, die sich<br />
keine teuren Anpassungsmaßnahmen leisten können: Die Menschen in den Entwicklungsländern<br />
genauso wie die sozial Schwachen im industrialisierten Westen.<br />
Von der Industrialisierung des Ackerbaus bis hin zur Technisierung unseres Alltags<br />
diente alles, was wir an Innovationen entwickelt haben, dazu, immer mehr in immer<br />
kürzerer Zeit zu schaffen. Daran ist erst einmal auch nichts Falsches erkennbar. Problematisch<br />
wird das Streben nach dem »Mehr« jedoch, wenn es an ein immer<br />
»Mehr« an Ressourcenverbrauch gekoppelt ist. Schon einem Kind, das in der Schule<br />
seine ersten Kontakte mit der Mathematik macht, wird auffallen, dass ein ständiges<br />
Wirtschaftswachstum nur möglich ist, wenn es nicht auch ein ständiges Wachstum<br />
an Ressourcenverbrauch ist. Solange wir es nicht schaffen, Wirtschaftswachstum<br />
und Ressourcennutzung zu entkoppeln, also von einem quantitativen zu einem qualitativen<br />
Wirtschaftswachstum überzugehen, wird der Ressourcenverbrauch exponentiell<br />
ansteigen. Der Topf an natürlichen Öl-, Kohle- oder auch Erzvorkommen wird<br />
somit irgendwann leer sein. Er leert sich in exponentieller Geschwindigkeit!<br />
Die Debatte um den Klimaschutz droht jedoch immer mehr zu einem neoliberalen<br />
Paradigma zu werden. So zeigen die Studien vom Stern-Report über das Aachener<br />
Szenario bis hin zur Analyse der Meseberger Beschlüsse, dass sich Klimaschutz<br />
durchaus rechnet. Ohne Zweifel kann der ökologische Umbau unserer Gesellschaft<br />
ein profitables Geschäft sein. Wird der Klimawandel jedoch auf eine Kosten-Nutzen-<br />
Rechnung reduziert, geraten Prinzipien wie ökologische Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit<br />
aus dem Blick. Klimaschutz ist in erster Linie ein Frage der ökologischen und<br />
sozialen Notwendigkeit. Erst wenn diese Fragen geklärt sind, können wir uns die<br />
Frage der Kosteneffizienz leisten.<br />
Es konnte gezeigt werden, dass wir in der glücklichen Lage sind, unsere Gesellschaft<br />
umzubauen und dabei auch über wachsende Beschäftigungszahlen und ein steigendes<br />
Wirtschaftswachstum für mehr soziale Gerechtigkeit sorgen zu können. Die vorgestellten<br />
Bausteine auf dem Weg in eine ressourcenschonende Zukunft können da-<br />
80
7. Fazit<br />
bei jedoch nicht mehr als ein Anfang sein. Sie funktionieren aber nur dann, wenn jeder<br />
Einzelne bereit ist, seinen Beitrag zu leisten. Wir brauchen ein Umdenken bei Ingenieuren,<br />
die für intelligente Produktionsverfahren forschen müssen, bei Verantwortlichen<br />
in Unternehmen, die ihr Handeln an einer nachhaltigen Entwicklung ihres<br />
Unternehmens und nicht an kurzfristigen Renditesprüngen orientieren, aber auch bei<br />
jedem im Zuhause, wo man sich fragen sollte, ob es immer größere Autos und Fernseher<br />
sein müssen, die uns den Alltag (bitter) versüßen. Einem Verantwortlichen eines<br />
DAX-Unternehmens stehen an vielen Stellen sicherlich andere Möglichkeiten offen<br />
als einem Empfänger bzw. einer Empfängerin von Transferleistungen. Die hinter<br />
dem persönlichen Handeln stehenden Werte sind jedoch erst einmal unabhängig von<br />
den gesellschaftlichen Leistungsmöglichkeiten zu betrachten. Was wir brauchen, ist<br />
ein Wertewandel in der Gesellschaft. In einer Welt, die sich an einer »Geiz-ist-Geil«-<br />
Mentalität orientiert, in der ein Staat Löhne bezuschussen soll, weil niemand bereit<br />
ist, ein Produkt so zu bezahlen, dass die Produzierenden satt werden und in der die<br />
Steigerung des Profits auf Kosten von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zum Fetisch<br />
geworden ist, wird ein nachhaltiges Leben nicht möglich sein.<br />
Die deutsche Sozialdemokratie hat sich seit dem 19. Jahrhundert für eine Gesellschaftsordnung<br />
eingesetzt, die nicht Konsum und Profit in den Mittelpunkt ihres Strebens<br />
stellte, sondern Freiheit, Solidarität und Gerechtigkeit. Nur wenn wir heute gemeinsam<br />
und solidarisch unser Wirtschaften ressourcenschonend umbauen, können<br />
wir ein Klima erreichen, das Chancen und Gefahren dieser Welt gerecht verteilt. Nur<br />
so werden wir auch morgen von Klimakatastrophen und Kriegen um Wasser, Erdöl<br />
oder Nahrungsmittel verschont bleiben und können in Freiheit leben.<br />
Handeln hingegen, müssen wir jetzt.<br />
81
8. Literatur<br />
8. Literatur<br />
Zitierte Literatur<br />
AACHENER STIFTUNG KATHY BEYS (2005): Ressourcenproduktivität als Chance. Ein<br />
langfristiges Konjunkturprogramm für Deutschland. Books on Demand,<br />
Noderstedt.<br />
ALBLAS, W. (1997): Energy and fiscal reform in The Netherlands. In: OECD (Hrsg.):<br />
Applying Market-Based Instruments to Environmental Policies in China and<br />
OECD Countries. OECD, Paris.<br />
BACH, S. (2001): Modellgestützte Analyse der ökologischen Steuerreform mit LEAN,<br />
PANTA RHEI und dem Potsdamer Mikrosimulationsmodell, Berlin.<br />
BACH, S., M. KOHLHAAS, et al. (2003): Auswirkungen und Perspektiven der<br />
Ökologischen Steuerreform in Deutschland: Eine modellgestützte Analyse.<br />
Perspektiven der Wirtschaftspolitik 4 (2), 223–238<br />
BARANZINI, A. (1997): International economic instruments and global warming<br />
mitigation: an analysis of their acceptability. Working Paper W54. International<br />
Academy of the Environment, Geneva. Foreign Affairs 77 (3), 119-121.<br />
BARANZINI, A. & S. SPECK (2000): Survey: a future for carbon taxes Ecological<br />
Economics 32.<br />
BARKER, T. (1992): The carbon tax: economic and policy issues, Milano.<br />
BARKER, T. & J. KöHLER (1998): Equity and ecotax reform in the EU: achieving a 10%<br />
reduction in CO2 emissions using excise duties. . Environmental Fiscal Reform<br />
Working Paper No. 10. Cambridge; University of Cambridge.<br />
BECK, U. (1986): Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne.<br />
Suhrkamp, Frankfurt a.M.<br />
BINSWANGER, H. C. (1979): Wege aus der Wohlstandfalle. Fischer, Frankfurt.<br />
BINSWANGER, H. C. (1983): Arbeit ohne Umweltzerstörung : Strategien für eine neue<br />
Wirtschaftspolitik. Fischer, Frankfurt.<br />
BRAND, K.-W., K. EDER, et al. (1997): Ökologische Kommunikation in Deutschland.<br />
Westdeutscher Verlag, Opladen.<br />
BRAND, U. (2007): Wie »grün« muss die <strong>Linke</strong> sein? Rosa Luxemburg Stiftung:<br />
Standpunkte 6.<br />
BUNDESAMT FüR ENERGIE (2007): Erfahrungen mit Energiesteuern in Europa – Lehren<br />
für die Schweiz, Zürich.<br />
BUNDESMINISTERIUM FüR UMWELT, NATURSCHUTZ UND R. (2006): Umweltbewusstsein in<br />
Deutschland 2006 – Ergebnisse einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage,<br />
Berlin.<br />
BUNDESMINISTERIUM FüR UMWELT, NATURSCHUTZ UND R. (2006): Ökologische<br />
Industriepolitik.<br />
BUNDESVERBAND WINDENERGIE (2007): Emissionshandel in der Sackgasse.<br />
DECKER, F. (1994): Ökologie und Verteilung. Eine Analyse der sozialen Folgen des<br />
Umweltschutzes. Aus Politik und Zeitgeschichte 49 (94), 22-32.<br />
DEUTSCHE MATERIALEFFIZIENZAGENTUR (2007): www.materialeffizienz.de.<br />
DEUTSCHES INSTITUT FüR WIRTSCHAFTSFORSCHUNG (2005): Be- und<br />
Entlastungswirkungen der ökologischen Steuerreform nach<br />
Produktionsbereichen.<br />
DISTELKAMP, M., B. MEYER, et al. (2005): Der Einfluss der Endnachfrage und der<br />
Technologie auf die Ressourcenverbräuche in Deutschland. In:<br />
AACHENER STIFTUNG KATHY BEYS (Hrsg.): Ressourcenproduktivität als Chance.<br />
Books on Demand, Norderstedt.<br />
82
8. Literatur<br />
EICHHAMMER, W. (2007): Wirtschaftliche Bewertung von Maßnahmen des Integrierten<br />
Energie- und Klimaprogramms. Karlsruhe, Berlin, Jülich; Fraunhofer Institut für<br />
System- und Innovationsforschung, Öko-Institut, Forschungszentrum Jülich.<br />
ELKINS, S. (2005): Soziale Gerechtigkeit als umweltpolitisches Steuerungsproblem. In:<br />
M. CORSTEN, H. ROSA & R. SCHRADER (Hrsg.): Die Gerechtigkeit der<br />
Gesellschaft. VS-Verlag, Wiesbaden.<br />
ELKINS, S. (2007): »Umweltgerechtigkeit«: Das Umweltgerechte und die soziale<br />
Gerechtigkeit – Dimensionen eines gesellschaftlichen Spannungsfeldes. .<br />
»Die Natur der Gesellschaft«, Verhandlungen des 33. Kongress der<br />
Deutschen Gesellschaft für Soziologie, Kassel.<br />
GREENPEACE (2005): Greenpeace-Entwurf vom 30.5.2005 für ein Gesetz zur<br />
Steigerung der Energieeffizienz beim Einsatz energiebetriebener Geräte und<br />
Maschinen (Energieeffizienzgesetz, „Top Runner“)<br />
GROßE RUSE, E. (2002): Akzeptanz der Ökosteuer – eine psychologische Analyse der<br />
Bedingungen. Diplomarbeit an der Uni Bochum<br />
HEINRICH, J. (2006): Soziale Ungleichheit und umweltbedingte Erkrankungen in<br />
Deutschland. In: G. BOLTE & A. MIELCK (Hrsg.): Umweltgerechtigkeit: Die<br />
soziale Verteilung von Umweltbelastungen und gesundheitlichen Folgen an<br />
industriellen Belastungsschwerpunkten in Nordrhein-Westfalen, Landsberg.<br />
INSTITUT FüR ENERGIE UND UMWELTFORSCHUNG & INSTITUT FüR SOZIAL-öKOLOGISCHE<br />
FORSCHUNG (2006): Energiekostenanstieg, soziale Folgen und Klimaschutz,<br />
Heidelberg Frankfurt/Main.<br />
INTERNATIONAL ENERGY AGENCY (2006): World Energy Outlook, Paris.<br />
INTERNATIONAL ENERGY AGENCY (2006): Energy Policies of IEA Countries, Paris.<br />
IPCC (2007): Climate Change 2007: The Physical Science Basis, Genf.<br />
KEMFERT, C. & H. WELSCH (2000): Energy-Capital-Labor Substitution and the<br />
Economic Effects of CO2 Abatement: Evidence for Germany Journal of Policy<br />
Modeling 22, 641–660.<br />
KIRCHGäSSNER, G. (1998): Ökologische Steuerreform: Utopie oder realistische<br />
Alternative? . In: G. KRAUSE-JUNK (Hrsg.): Steuersysteme der Zukunft, Berlin.<br />
KNIGGE, M. & B. GöRLACH (2005): Die ökologische Steuerreform – Auswirkungen auf<br />
Umwelt, Beschäftigung und Innovation, Berlin.<br />
KNIGGE, M. & B. GöRLACH (2005): Auswirkungen der Ökologischen Steuerreform auf<br />
private Haushalte. Band III des Endberichts für das Vorhaben: „Quantifizierung<br />
der Effekte der Ökologischen Steuerreform auf Umwelt, Beschäftigung und<br />
Innovation.; Forschungsprojekt im Auftrag des Umweltbundesamts.<br />
KNIGGE, M. & B. GöRLACH (2005): Auswirkungen der Ökologischen Steuerreform auf<br />
Unternehmen. Band IV des Endberichts für das Vorhaben: „Quantifizierung<br />
der Effekte der Ökologischen Steuerreform auf Umwelt, Beschäftigung und<br />
Innovation. ; Forschungsprojekt im Auftrag des Umweltbundesamts.<br />
KOERBER, K. V. & J. KRETSCHMER (2007): Bewusst essen - Klima schützen. UGB-Forum<br />
5, 214-217.<br />
MEYER, B. (2008): Wie muss die Wirtschaft umgebaut werden? Perspektiven einer<br />
nachhaltigeren Entwicklung. Fischer, Frankfurt. a.M.<br />
MEYER, B., A. BOCKERMANN, et al. (1999): Marktkonforme Umweltpolitik. Wirkungen auf<br />
Luftschadstoffemissionen, Wachstum und Struktur der Wirtschaft. Physica-<br />
Verlag, Heidelberg.<br />
MIELCK, A. (2001): Environmental Justice: Faire Verteilung von Umweltbelastungen<br />
auf die verschiedenen Bevölkerungsgruppen<br />
MOLL, S., S. BRINGEZU, et al. (2003): Resource Use in Euroepean Countries. ,<br />
Kopenhagen.<br />
83
8. Literatur<br />
MüLLER, M. (2007): Klimaschutz ist machbar - Zeit zum Handeln. In: M. MüLLER, U.<br />
FUENTES & H. KOHL (Hrsg.): Der UN-Weltklimareport. KiWi, Köln.<br />
OECD (2007): OECD Economic Outlook, Paris.<br />
OGINO, A., H. ORITO, et al. (2007): Evaluating environmental impacts of the Japanese<br />
beef cow-calf system by the life cycle assessment method. Animal Science<br />
Journal 78 (4), 424–432<br />
PEARCE, D. (1991): The role of carbon taxes in adjusting to global warming. The<br />
Economic Journal 101, 938–948.<br />
POTERBA, J. M. (1991): Designing in a carbon tax. . In: R. DORNBUSCH & J. M. POTERBA<br />
(Hrsg.): Global Warming: Economic Policy Response. The MIT Press,<br />
Cambridge, MA.<br />
POTERBA, J. M. & J. J. ROTEMBERG (1995): Environmental taxes on intermediate and<br />
final goods when both can be imported. . International Tax and Public Finance<br />
2, 221–228.<br />
ROGALL, H. (2004): Ökonomie der Nachhaltgkeit - Handlungsfelder für Politik und<br />
Wirtschaft, Wiesbaden.<br />
ROGALL, H. (2007): Ökonomie der Nachhaltigkeit - Chancen für Beschäftigung und<br />
Umwelt. In: K. D. JOHN & D. RüBBELKE (Hrsg.): Arbeitslosigkeit in Europa: Neue<br />
Perspektiven durch die Vermarktung umweltfreundlicher Technologien.<br />
Shaker, Aachen.<br />
ROBERT-KOCH-INSTITUT (2006): Gesundheit in Deutschland:<br />
Gesundheitsberichterstattung des Bundes. Berlin.<br />
ROBERTS, S. & J. THUMIM (2006): A Rough Guide to Individual Carbon Trading defra.<br />
SCHLüNS, J. (2007): Umweltbezogene Gerechtigkeit in Deutschland. Aus Politik und<br />
Zeitgeschichte 24, 24-31.<br />
SCHMIDT-BLEEK, F. (2004): Der ökologische Rucksack. Wirtschaft für eine Zukunft mit<br />
Zukunft. Hirzel, Stuttgart.<br />
SCHMIDT-BLEEK, F. (2007): Beyond Climatic Change<br />
SCHMIDT-BLEEK, F. (2007): Nutzen wir die Erde richtig? Die Leistungen der Natur und<br />
die Arbeit des Menschen. Fischer, Frankfurt am Main.<br />
SMITH, S. (1992): Distributional effects of a European carbon tax.<br />
SPECK, S. (1999): Energy and carbon taxes and their distributional implications.<br />
Energy Policy 27, 659–667.<br />
STATISTISCHES BUNDESAMT (1998): Gesundheitsbericht für Deutschland Metzler-<br />
Poeschel, Stuttgart.<br />
STATISTISCHES BUNDESAMT (2006): Datenreport 2006, Wiesbaden.<br />
STATISTISCHES BUNDESAMT (2006): Nachhaltige Entwicklung in Deutschland.<br />
Indikatorenbericht 2006, Wiesbaden.<br />
STEINFELD, H., P. GERBER, et al. (2006): Livestock’s long shadow FAO.<br />
STERN, N. (2006): The Economics of Climate Change: The Stern Review. Cambridge<br />
University Press, Cambridge<br />
TINDALE, S. & C. HEWITT (1999): Must the Poor Pay More? Sustainable Development,<br />
Social Justice and Environmental Taxation. In: A. DOBSON (Hrsg.): Fairness<br />
and Futurity. Essays on Sustainability and Justice.Oxford University Press,<br />
Oxford, 233-248.<br />
UMWELTBUNDESAMT (2003): Abbau der Steinkohlesubventionen - Ergebnisse von<br />
Modellrechnungen Berlin.<br />
UMWELTBUNDESAMT (2004): Hintergrundpapier: „Umweltschutz und Beschäftigung“.<br />
UMWELTBUNDESAMT (2004): Hintergrundpapier:„Quantifizierung der Effekte der<br />
Ökologischen Steuerreform auf Umwelt, Beschäftigung und Innovation“ Ein<br />
Forschungsprojekt im Auftrag des Umweltbundesamtes<br />
84
8. Literatur<br />
UMWELTBUNDESAMT (2006): Wie private Haushalte die Umwelt nutzen – höherer<br />
Energieverbrauch trotz Effizienzsteigerungen<br />
UNITED NATIONS DEPARTMENT OF ECONOMIC AND SOCIAL AFFAIRS (2007): World Population<br />
Prospects: The 2006 Revision Database, New York.<br />
WAGENER, A. (2000): Wie man zwei Fliegen mit einer Klappe verfehlt. Zur Diskussion<br />
um Ökosteuern. Blätter für deutsche und internationale Politik 7, 853-861.<br />
ZHANG, Z. X. & A. BARANZINI (2004): What do we know about carbon taxes? An inquiry<br />
into their impacts on competitiveness and distribution of income Energy Policy<br />
32 (4), 507-518.<br />
Weiterführende Literaturhinweise<br />
ALBLAS, W. (1997): Energy and fiscal reform in The Netherlands. In: OECD (Hrsg.):<br />
Applying Market-Based Instruments to Environmental Policies in China and<br />
OECD Countries. OECD, Paris.<br />
BARON, R. (1997): Economic/fiscal instruments: competitiveness issues related to<br />
carbon/energy taxation. Policies and Measures for Common Action Working<br />
Paper 14 Annex I Expert Group on the UNFCCC. Paris; OECD.<br />
BöHRINGER, C. (2002): Climate politics from Kyoto to Bonn: from little to nothing?<br />
Energy Journal 23 (2), 51-71.<br />
BOLTE, G. & A. MIELCK (2004): Umweltgerechtigkeit. Die soziale Verteilung von<br />
Umweltbelastungen. Weinheim, München.<br />
BROWN, L. B. (2006): Plan B 2.0 Mobilmachung tzr Rettung der Zivilisation, Berlin.<br />
BUNDESMINISTERIUM FüR UMWELT, NATURSCHUTZ UND R. (2007): Leitstudie 2007 -<br />
Ausbaustrategie Erneuerbare Energien, Berlin.<br />
DOBSON, A. (1998): Justice and the Environment. Conceptions of Environmental<br />
Sustainability and Theories of Distributive Justice, Oxford.<br />
HEINRICHS, H., J. AGYEMAN, et al. (2004): Die Umweltsoziologie und das Thema der<br />
sozial-ökologischen Ungleichheit. In: G. BOLTE & A. MIELCK (Hrsg.):<br />
Umweltgerechtigkeit. Die soziale Verteilung von Umweltbelastungen.<br />
Weinheim, München, 41-68.<br />
HENNICKE, P. (2007): CHancen einer Jahrhundertaufgabe. Handelsblatt.<br />
HOERNER, J. A. (1998): The role of border tax adjustments in environmental taxation:<br />
theory and US experience. International Workshop on Market-Based<br />
Instruments and International Trade. Amsterdam.<br />
JäGER, J. (2007): Was verträgt die Erde noch? Fischer, Frankfurt am Main.<br />
LATIF, M. (2007): Bringen wir das Klima aus dem Takt? Hintergründe und Prognosen.<br />
Fischer.<br />
MEADOWS, D. (2006): Grenzen des Wachstums - Das 30-Jahre Update, Stuttgart.<br />
SCHLOSBERG, D. (2004): Reconceiving Environmental Justice: Global Movements and<br />
Political Theories. Environmental Politics 13 (3), 517-540.<br />
85