Vollversion (8.07 MB) - Forschungsjournal Soziale Bewegungen
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kale Konsequenzen aus diesem Dilemma hat<br />
das autonome Frauenhaus Bielefeld gezogen:<br />
Die dort auf Dauer lebenden und arbeitenden<br />
Frauen haben sich wirtschaftlich auf eigene Beine<br />
gestellt und beziehen ihre Einkommen auf<br />
dem Arbeitsmarkt bzw. unterhalten das Projekt<br />
durch einen eigenen Laden und eine Werkstatt.<br />
Positivere Erfahrungen mit der „Staatsknete"<br />
haben z.B. in Nordrhein-Westfalen die Frauenbildungseinrichtungen<br />
gemacht. Das Frauenbildungs-<br />
und -ferienhaus Zülpich beispielsweise<br />
trägt sich etwa zur Hälfte aus öffentlichen<br />
Mitteln. Diese Tagungsstätte wird vorwiegend<br />
von alternativen Frauen-Erwachsenenbildungsträgern<br />
genutzt. Ein Blick in das Tagungsprogramm<br />
zeigt, daß den in diesem Bereich arbeitenden<br />
Feministinnen keine ideologischen<br />
Verrenkungen abverlangt werden, um an<br />
Steuergelder zu kommen. Das Weiterbildungsgesetz<br />
des Landes ermöglicht auch die Förderung<br />
von Yoga- oder Tai-Chi-Kursen. Hinzu<br />
kommen Mittel aus den Töpfen für die Förderung<br />
politischer Bildung, außerdem ABM-Mittel.<br />
Eine weniger konfliktträchtige Form der Förderung<br />
ist die Finanzierung durch staatsunabhängige<br />
Gelder, sei es aus dem alternativen „Netzwerk",<br />
aus Stiftungen, aus den Ökofonds der<br />
Grünen oder neuerdings durch die Vergabe von<br />
Darlehen seitens der Ökobank. Auf die Vergabe<br />
solcher Gelder besteht jedoch kein Rechtsanspruch;<br />
oft werden nur eng umgrenzte Einzelvorhaben<br />
der Projekte gefördert. So leisten etwa<br />
die grünen Ökofonds „Hilfe zur Selbsthilfe" —<br />
Dauerförderung und Stellenfinanzierung werden<br />
nicht gewährt.<br />
Die Institutionalisierung der Frauenbewegung<br />
in autonomen Projekten hat dazu geführt, daß<br />
breite Schichten der Gesellschaft mit feministischen<br />
Ideen in Berührung kamen. Zigtausende<br />
Frauen, die in Frauenbuchläden kaufen,<br />
Frauencafes besuchen, in autonomen Bildungs<br />
<strong>Forschungsjournal</strong> NSB<br />
projekten Kurse belegen, in Frauenhäusern<br />
oder bei Notrufinitiativen Hilfe erfahren, sich in<br />
Therapie- und Gesundheitszentren beraten lassen,<br />
haben Zugang zu feministischen Gedanken<br />
gefunden. Die Frauenbewegung ist auch über<br />
ihre institutionalisierten Projekte in die Breite<br />
und Tiefe gewachsen. Gleichzeitig ist es gelungen,<br />
Freiräume auf Dauer zu schaffen. Es gibt<br />
Projekte, die nun schon fünfzehn Jahre und länger<br />
existieren. Häuser, Grundstücke, Betriebskapital,<br />
selbstbestimmte Arbeitsplätze (und<br />
auch nicht nur mit Löhnen am Rande des Existenzminimums!)<br />
gehören der autonomen<br />
Frauenbewegung.<br />
Inwieweit durch diese Frauen-Freiräume auch<br />
herrschaftsfreie Räume entstanden sind, ist eine<br />
andere Frage. In fast jedem Projekt stellt sich irgendwann<br />
heraus, daß Hierarchie und Konkurrenz<br />
patriarchale Laster sind, die sich häufig<br />
auch Frauen leisten; auch Feministinnen sind<br />
nicht gefeit. Projekte zerbrachen an Differenzen,<br />
bei denen das Inhaltliche und das Persönliche<br />
ein explosives Gemisch eingegangen waren.<br />
Oft war der Gang zu den feministischen Therapieeinrichtungen<br />
die letzte Rettung eines Projektes.<br />
Gerade die langlebigen Projekte mußten<br />
fast alle in ihrer Geschichte irgendwann auf psychologische<br />
Supervision zurückgreifen, um<br />
nicht an ihren internen Widersprüchen und<br />
Konflikten kaputtzugehen.<br />
Richten wir nun den Blick auf die Frauen-Bewegung<br />
innerhalb der klassischen gesellschaftlichen<br />
Institutionen und darauf, welche institutionellen<br />
Folgen die autonome Frauenbewegung von außen<br />
wirkend in diesen Institutionen gezeitigt<br />
hat:<br />
Seit Ende der 70er Jahre zeigte sich, daß auch<br />
etablierte Institutionen für frauenpolitische Anliegen<br />
offener wurden. Auch in Parteien, Verbänden,<br />
Organisationen und Verwaltungen entstand<br />
Frauen-Bewegung. Nicht wenige Frauen<br />
in den Institutionen wurden vom feministi-