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Der Autor-Übersetzer Sondierungen in ... - Ilma Rakusa

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Arbeit an Klang und Rhythmus<br />

Mit Marguerite Duras war es e<strong>in</strong> vergleichsweise leichtes Spiel. Auf dem Ladentisch<br />

e<strong>in</strong>er südfranzösischen Kle<strong>in</strong>stadt entdeckte ich die schmale Sommerchronik «L'Eté<br />

80». Kaufte sie, las und wusste, dass ich sie übersetzen wollte. Was mich auf<br />

Anhieb verführte und bestach, war die Sprache: ihr Sound, ihr Rhythmus, ihr weiter<br />

Atem. Sie erzählte von den Aufständen <strong>in</strong> Danzig und vom Strandleben <strong>in</strong> Trouville,<br />

vom Regen, von K<strong>in</strong>dermärchen und von der Liebe, <strong>in</strong> lockerer Abfolge. Dieses<br />

Sprechen schien von ke<strong>in</strong>er Anstrengung diktiert. Ich übernahm es fliessend. E<strong>in</strong><br />

Jahr nach der ersten Lektüre lag das orangefarbene Bändchen der Edition<br />

Suhrkamp auf me<strong>in</strong>em Tisch. Es war e<strong>in</strong> glücklicher Anfang. - Die Übersetzung des<br />

unerwartet zum Bestseller avancierten Romans «L'Amant» stand unter Term<strong>in</strong>- und<br />

Erfolgsdruck. Vorbei der Sommerflirt, bis tief <strong>in</strong> den W<strong>in</strong>ter h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> schwitzte ich im<br />

tropischen Indoch<strong>in</strong>a.<br />

Die beabsichtigten Une<strong>in</strong>deutigkeiten des Orig<strong>in</strong>als kumulierten sich zu e<strong>in</strong>er<br />

Fragenliste, die die <strong>Autor</strong><strong>in</strong> nicht beantworten mochte. Umso mehr beherzigte ich ihr<br />

ketzerisches Diktum, wonach die musikalischen Fehler die schlimmsten seien. Um<br />

Musik g<strong>in</strong>g es <strong>in</strong> jedem Satz, da konnte ich mich auf me<strong>in</strong> Ohr verlassen. Um den<br />

betörenden Sound e<strong>in</strong>er «Lauterotik»: «Hélène Lagonelle. Elle est beaucoup plus<br />

belle que moi, que celle-ci au chapeau de clown . . .» So galt die Detailarbeit dem<br />

Klang und dem Rhythmus, die mich auch im eigenen Schreiben beschäftigen. Ich<br />

kaue die Sätze, ich sage sie halblaut vor mich h<strong>in</strong>. Ihre Perioden und Schlüsse<br />

müssen stimmen, bis auf die Silbe genau. Ke<strong>in</strong> «Cave musicam!» kann mich von<br />

solcher Arithmetik abbr<strong>in</strong>gen.<br />

Trotz grossem Zeitdruck unterbrach ich die Übersetzung des «Liebhabers», um e<strong>in</strong>e<br />

eigene Erzählung zu schreiben, um zum Orig<strong>in</strong>alton zurückzuf<strong>in</strong>den. Es gibt die<br />

Angst, «to get lost <strong>in</strong> translation» (wie e<strong>in</strong> Buchtitel von Eva Hoffman heisst), und es<br />

gibt - gerade bei <strong>Autor</strong>en, zu denen man e<strong>in</strong>e Aff<strong>in</strong>ität verspürt - jähe Idiosynkrasien.<br />

Nachdem der Text geschrieben war, hatte sich der <strong>in</strong>nere Aufruhr wieder gelegt, die<br />

Antennen standen alle auf Duras-Empfang.

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