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Die Bedeutung des Vaters

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<strong>Die</strong> <strong>Bedeutung</strong> <strong>des</strong><br />

<strong>Vaters</strong><br />

Zusatzmodul Ehe- u. Familienberatung<br />

WIFI Juni – Sep. 2010<br />

Lilly Gertrude Rösner


Inhaltsverzeichnis<br />

<strong>Die</strong> <strong>Bedeutung</strong> <strong>des</strong> <strong>Vaters</strong><br />

Zusatzmodul Ehe- u. Familienberatung<br />

Lilly Gertrude Rösner<br />

Vorwort …………………..…………………………………………………………………………………………….............. 2<br />

Väter und die Zeit ….……………………………………………………........................................................ 3<br />

<strong>Die</strong> <strong>Bedeutung</strong> <strong>des</strong> <strong>Vaters</strong> in der frühen Kindheit …………………………………………………………….. 4<br />

Der Vater als Begleiter in der Adoleszenz ………………………………………………………………………….. 8<br />

Bindungen ………………………………………………………………………………………………………………………….. 9<br />

Allianzen – Triaden …………………………………………………………………………………………………………….. 12<br />

Ödipus lässt grüßen ………………………………………………………………………………………………………….. 14<br />

Der fehlende Vater …………………………………………………………………………………………………………….. 15<br />

Versöhnung mit dem Vater ……………………………………………………………………………………………….. 15


Vorwort<br />

<strong>Die</strong> <strong>Bedeutung</strong> <strong>des</strong> <strong>Vaters</strong><br />

Zusatzmodul Ehe- u. Familienberatung<br />

Lilly Gertrude Rösner<br />

Der Zugang zu diesem Thema war aufgrund meiner Geschichte sehr spannend und emotional<br />

geprägt. Als Kuckuckskind wurde ich einem Vater untergeschoben – meine wahre Herkunft konnte<br />

ich schließlich mit 44 Jahren mittels DNA-Analyse klären – mit 36 Jahren bekam ich erstmals Wind<br />

von dieser Thematik.<br />

Grundlage für diese Arbeit sind 3 Bücher:<br />

„Väter“ Jean Le Camus (2000)<br />

<strong>Die</strong> <strong>Bedeutung</strong> <strong>des</strong> <strong>Vaters</strong> für die psychische Entwicklung <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong><br />

„Vater wer bist du?“ Heinz Walter (Hrsg.) (2008)<br />

Auf der Suche nach dem „hinreichend guten“ Vater<br />

„<strong>Die</strong> <strong>Bedeutung</strong> <strong>des</strong> <strong>Vaters</strong> in der frühen Kindheit“ (2002)<br />

Kornelia Steinhardt, Wilfried Datler und Johannes Gstach (Hg.)<br />

<strong>Die</strong> herausfordernde Lektüre dieser Bücher hat mir sehr viele Erkenntnisse gebracht. Einerseits über<br />

mich, in der Rolle als kleines Kind, in Beziehung zu meinen Eltern, andererseits über mich, in der Rolle<br />

als Mutter, in Beziehung zu meinen Kindern. Ich kann jetzt eine bewusste Brücke zu meiner Kindheit<br />

bauen, davor war fast alles in der Versenkung verschwunden. Ebenso wurde ich fündig, wo meine<br />

„histrionische Persönlichkeitsstörung“ wurzelt und ich verstehe nun viele der gravierenden<br />

Probleme, die ich mit meinem Erstgeborenen, meinem Sohn, hatte.<br />

Es ist keine Frage, mich diesem Thema weiter zu widmen, vielleicht auch selber einmal einen<br />

kreativen Beitrag als Betroffene zu leisten. Das „Kuckuckskind-Dasein“ scheint mir noch weitgehend<br />

unerforscht zu sein.


Väter und die Zeit<br />

<strong>Die</strong> <strong>Bedeutung</strong> <strong>des</strong> <strong>Vaters</strong><br />

Zusatzmodul Ehe- u. Familienberatung<br />

Lilly Gertrude Rösner<br />

„Tempora mutantur nos et mutamur in illis“ – <strong>Die</strong> Zeiten ändern sich und wir ändern uns mit ihnen.<br />

Heute leben Väter anders als früher. So nehmen sie an Geburtsvorbereitungskursen teil, sind in der<br />

Schwangerschaft präsent, im Kreißsaal leisten sie Beistand, nabeln ihr Kind ab,…<br />

Väter bringen sich heutzutage meist von Anfang an in die Beziehung zum Kind ein – was mir<br />

eigentlich eine erfreuliche Entwicklung zu sein scheint. Umso mehr haben mich die letzten Zeilen der<br />

Lektüre meiner, dieser Arbeit zugrunde gelegten Bücher regelrecht geschockt, daher möchte ich sie<br />

zitieren (vgl. P. Scheer u. M. Wilken, „D. Bedeutg. d. <strong>Vaters</strong> in d. fr. Kindheit“ S. 193):<br />

„Wir vertreten die Hypothese, dass sich die Art und Weise <strong>des</strong> <strong>Vaters</strong>eins in den ersten Lebensjahren<br />

in den westlichen Industrienationen sehr geändert hat. Wir wissen nicht, ob diese Art der<br />

„Verweichlichung“ der Männer, indem sie an der Aufzucht und der Erziehung teilnehmen, für das<br />

Überleben der westlichen Kultur förderlich ist. Oft denken wir, dass O. Spranger mit seinen<br />

Symptomen der untergehenden Kulturen recht gehabt hat und dass die Verweichlichung der Männer<br />

für deren Teilnahme an der Erziehung einerseits, für deren weltweites, systematisches Versagen<br />

andererseits verantwortlich ist. Wenn wir hören, dass Männer lieber alt werden wollen als am<br />

Kampffeld <strong>des</strong> Berufs zu sterben, so wissen wir, dass die Krieger müde geworden sind. Und wenn wir<br />

hören, dass die Männer mit den Frauen in eine Konkurrenz um das Stillen eintreten, so stellen wir die<br />

Veränderung männlicher Rollen fest.“<br />

So erfreulich das eine ist, so bedrohlich erscheint mir das andere. Und ich fürchte, dass sie mit dieser<br />

Hypothese Recht haben.<br />

Bis in die 60er/70er Jahre <strong>des</strong> 20. Jhdts. galt die klassische Aufteilung der Elternrollen. Der Eintritt der<br />

Frauen in den Arbeitsmarkt hatte spürbare Auswirkungen auf das soziale Leben zur Folge. So stand<br />

die Mutter nicht mehr rund um die Uhr für die Versorgung der Kinder zu Verfügung. Je nach<br />

finanziellen Ressourcen leistet sich Frau – eine Kinderfrau, eine Krippe als Betreuungsalternative –<br />

bzw. der Mann/Vater oder andere Familienmitglieder hüten die Kinder.<br />

Laut Camus beteiligen sich über 60 % der Männer NICHT an Erziehung und Haushalt, die<br />

Doppelbelastung der Frau ist nach wie vor vorhanden. In unserem Kulturkreis bekommen Frauen<br />

immer weniger Kinder, die Zahl der Eheschließungen nimmt ab, die Familie genießt aber nach wie vor<br />

einen hohen Stellenwert.


<strong>Die</strong> <strong>Bedeutung</strong> <strong>des</strong> <strong>Vaters</strong> in der frühen Kindheit<br />

<strong>Die</strong> <strong>Bedeutung</strong> <strong>des</strong> <strong>Vaters</strong><br />

Zusatzmodul Ehe- u. Familienberatung<br />

Lilly Gertrude Rösner<br />

Laut Camus beschränkt sich die Rolle <strong>des</strong> <strong>Vaters</strong> nicht nur auf die Stadien der frühen und mittleren<br />

Kindheit, sondern er muss auch in den Wochen und Monaten nach der Geburt präsent sein.<br />

Obwohl die Effekte unterschiedlich sind, so stimmen Kinderärzte und Entwicklungspsychologen<br />

heutzutage überein, dass von Beginn <strong>des</strong> Lebens an, beide Eltern wesentliche Beiträge für das Kind<br />

leisten. Das Kind bildet eine feminine und maskuline psychosensorische Qualität heraus, ausgelöst<br />

durch stimmliche, taktile und durch Bewegungen ausgelöste Botschaften. Camus spricht in diesem<br />

Zusammenhang von geschlechtsspezifischen „Vorformen“.<br />

Man nimmt an, dass der Prozess der psychischen Entwicklung <strong>des</strong> Geschlechts seinen Ursprung in<br />

diesen archaischen Empfindungen hat. In diesem ursprünglichen Erleben findet das Kind nach und<br />

nach die Möglichkeit, die Beziehung zu dem ersten Anderen, dem weiblichen Geschlecht und zum<br />

ersten Anderen, dem männlichen Geschlecht, zu unterscheiden. Im Verlauf der ersten 6 Monate lässt<br />

sich erkennen, dass das Kind in der Lage ist, seine Eltern eindeutig zu unterscheiden.<br />

Seit den frühen Arbeiten von Yogman (vgl. „Väter“, S. 97) über das bei Babys zwischen zwei Wochen<br />

und sechs Monaten beobachtete Sozialspiel weiß man, dass Mütter und Väter die nonverbalen<br />

Kommunikationskanäle nicht auf die gleiche Weise nutzen: Mütter bevorzugen eine visuelle<br />

Stimulation (wirkt regulierend), Väter eine taktile und kinästhetische Stimulation (wirkt anregend).<br />

Mit 2 Monaten beginnt das Kind auf die Eltern differenziert zu reagieren.<br />

Mit zweieinhalb Monaten ist das Baby bereits in der Lage, den Klang der Sprache eines jeden<br />

Elternteils zu unterscheiden.<br />

„Fast alle Fachleute sind der Auffassung, dass der Vater zunächst eine wesentliche Rolle in der<br />

Ablösungsphase von Mutter und Baby spielt. Der Vater führt das Kind in die Differenz ein, er ist der<br />

Andere von anderem Geschlecht, und folglich verhindert er auf symbolische Weise, dass die<br />

ursprüngliche „Verschmelzung“ mit der Mutter nicht über die notwendige Zeit hinaus andauert.“<br />

(vgl. „Väter“, S. 9)<br />

Es steht ebenfalls fest, dass der Vater eine wichtige Rolle bei der Entwicklung der geschlechtlichen<br />

Identität <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> spielt, die Rolle der „Bestätigung“ beim Jungen, die der „Entdeckung“ beim<br />

Mädchen, so Camus (vgl. „Väter“, S. 10).


<strong>Die</strong> <strong>Bedeutung</strong> <strong>des</strong> <strong>Vaters</strong><br />

Zusatzmodul Ehe- u. Familienberatung<br />

Lilly Gertrude Rösner<br />

Camus erkennt die Errungenschaften der Wissenschaft vom Unbewussten, die Lehre Freuds, an. Er<br />

respektiert die allgemeine Vorstellung über die Bipolarität der Eltern (vereinfacht ausgedrückt:<br />

„Liebe“ versus „Gesetz“), sowie die Auffassung von der ödipalen und postödipalen seelischen<br />

Entwicklung. Camus stellt sich darüberhinaus genauere Fragen zum Thema Vater, nämlich, die Art<br />

und Weise, wie die Funktion <strong>des</strong> <strong>Vaters</strong> aussieht, in Miteinbeziehung der verschiedenen Bedürfnisse<br />

der Kinder. <strong>Die</strong> Rolle <strong>des</strong> <strong>Vaters</strong> wird nicht mehr aufgrund <strong>des</strong> Vergleichs von Situationen definiert, in<br />

denen ein Kind mit oder ohne Vater lebt, sondern auch und vor allem durch den strengen Nachweis<br />

der Wirkung seiner Gegenwart.<br />

Camus hat in allen seinen Überlegungen zum Thema <strong>Vaters</strong>chaft, die Bindungstheorie, die<br />

Entwicklungspsychologie und die Psychoanalyse zugrunde gelegt.<br />

Zum Begriff Vater trifft er nachfolgende Unterscheidungen:<br />

So ist also der Vater als Symbol, traditionsgemäß derjenige, von dem es heißt, er vertrete das Gesetz,<br />

durch den das Individuum sozial eingebunden wird. Im heutigen Sprachgebrauch unterscheidet man<br />

gewöhnlich den biologischen Vater (Erzeuger) vom gesetzlichen Vater (juristisch) und dem<br />

erziehenden Vater (alltäglich).<br />

Lothar Schon (vgl. „D. Bedeutg. d. <strong>Vaters</strong> in d. fr. Kindheit“ S. 15) setzt sich in seinem Exzerpt<br />

„Sehnsucht nach dem Vater“ ebenfalls mit dem symbolischen, dem realen und dem imaginären Vater<br />

auseinander.<br />

Er definiert: „Der symbolische Vater ist das Prinzip <strong>des</strong> Dritten, das dem Kind von Anfang an<br />

unabhängig von der realen Anwesenheit <strong>des</strong> <strong>Vaters</strong> vermittelt werden kann und muss. Mit dem<br />

realen Vater ist der individuelle tatsächliche Vater gemeint, der für das Kind je nach<br />

Lebensumständen eine größere, kleinere oder auch in Einzelfällen scheinbar gar keine <strong>Bedeutung</strong><br />

haben kann. Der imaginäre Vater schließlich ist das Vaterbild, das ein Kind entwickelt – die teils<br />

bewusste, teils unbewusste Vorstellung, die das Kind vom Vater hat und die mit der Realität viel,<br />

wenig oder auch scheinbar gar nichts zu tun haben kann.“ Lothar Schon meint, dass die empirische<br />

Säuglings- und Kleinkindforschung sich ausschließlich auf den realen Vater, seine Bindung an das Kind<br />

und auf beobachtbare Interaktionen zwischen diesem realen Vater und seinem Kind beschränkt.<br />

Der französische Psychoanalytiker Julien (1995) (vgl. „D. Bedeutg. d. <strong>Vaters</strong> in d. fr. Kindheit“ S. 17)<br />

behauptet, dass die <strong>Vaters</strong>chaft eines Mannes erst durch das Begehren einer Frau möglich wird. <strong>Die</strong><br />

Möglichkeit eines Mannes, den väterlichen Platz bei seinem Kind einzunehmen, hängt von der Frau


<strong>Die</strong> <strong>Bedeutung</strong> <strong>des</strong> <strong>Vaters</strong><br />

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Lilly Gertrude Rösner<br />

und Mutter ab. Nur wenn die Frau eine trianguläre Struktur im reifen Sinne verinnerlicht hat, kann<br />

sie den Mann und künftigen Vater <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> psychisch repräsentieren als ein von ihr getrenntes und<br />

von ihre begehrtes Objekt und sich auf das Kind beziehen als ein aus dieser Zweierbeziehung<br />

gemeinsam hervorgebrachtes Drittes.<br />

Zurück zu Camus. Der strenge Vater, wie er ihn nennt, wird von den Psychoanalytikern, in der 2.<br />

Hälfte <strong>des</strong> 20. Jhdts. sehr genau unter die Lupe genommen. Spitz, Bowlby (vgl. „Väter“, S. 16)<br />

machten sich nach dem 2. Weltkrieg durch ihre Forschung einen Namen. So wurde dem Vater quasi<br />

die Last auferlegt, den psychischen Teil „Autorität“ beizutragen, damit das Kind charakterliche Stärke<br />

und moralisches Gewissen erwerben konnte. Ein bedeutender Vertreter Wallon (vgl. „Väter“, S. 16),<br />

Begründer der Kinderpsychologie, Franzose, kam zu dem Ergebnis „liebevolle Fürsorge versus<br />

Autorität“. Fehlt der Beitrag <strong>des</strong> <strong>Vaters</strong>, so gilt dies als schädlich für das Kind, Wallon geht sogar so<br />

weit, fehlt der Vater ganz, kann dies schlimmere Folgen haben, als wenn keine Mutter da ist! Ich-<br />

Schwäche, Launenhaftigkeit und ein Gefühl der Unsicherheit kann durch einen Mangel an Autorität<br />

entstehen, so die Ansichten der Psychiater von seinerzeit.<br />

Winnicott (vgl. „Väter“, S. 17), ein bedeutender Psychoanalytiker, nimmt Bezug auf „die Kraft der<br />

Persönlichkeit <strong>des</strong> <strong>Vaters</strong>“ und wünscht sich, dass der Vater von Beginn der Beziehung an, die Mutter<br />

in ihrer Autorität unterstützt, „um das Gesetz und die Ordnung zu verkörpern, die die Mutter ins<br />

Leben <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> einführt.“<br />

<strong>Die</strong> Sichtweise der klassischen Psychoanalyse hat auch heute noch diese Gedanken. So verbietet der<br />

Vater die „Verschmelzung“ von Mutter und Kind und ermöglich den Übergang von der Naturordnung<br />

zu Sozialordnung. Während die Mutter die sofortige Befriedigung der Bedürfnisse ihres Kin<strong>des</strong><br />

garantiert und „zu allem ja sagt“, hält der Vater eine Funktion inne, die „einem solchen Verhalten in<br />

allen Punkten entgegengesetzt ist (vgl. „Väter“, S. 17).<br />

In der <strong>Bedeutung</strong> <strong>des</strong> wirksamen <strong>Vaters</strong>, stellt sich Camus die Frage, von welchem<br />

Entwicklungsstadium <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> an ein Vater aktiv werden muss?<br />

So meinten manche Psychiater, dass Väter in der ganz frühen Kindheit wenig <strong>Bedeutung</strong> haben,<br />

ebenso bei so manchen Psychoanalytikern die Meinung, dass während der präödipalen Phase Väter<br />

im Schatten der Mütter stünden. Winnicott ist in dieser Frage eher zurückhaltend, Bowlby jedoch<br />

erwähnt den Vater in Bezug auf frühe Bindungen, in seinen ersten Aufsätzen mit keinem Wort. Das


<strong>Die</strong> <strong>Bedeutung</strong> <strong>des</strong> <strong>Vaters</strong><br />

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Lilly Gertrude Rösner<br />

ganze gipfelt in den Äußerungen Doltos (vgl. „Väter“, S. 19), die schreibt, „… dass ein Vater sich um<br />

sein Kind, solange es ein Baby ist, nicht kümmert, ist völlig normal: es ist keine Aufgabe für einen<br />

Mann.“ Jüngere Analytiker machen sich sogar über manche Väter lustig, indem sie sie als<br />

„Zweitmütter“ bezeichnen, manche wenden sich gegen das Modell der „Glucken-Väter“, usw.<br />

In dem Kapitel Vater unter bestimmten Bedingungen untersucht Camus die Möglichkeiten wie man<br />

Auswirkungen väterlicher Gegenwart feststellen kann. Genauer gefragt lauten die Fragen: Wer ist der<br />

Vater, was tut er? Wie macht er seinen Einfluss geltende? Welche psychischen Prozesse sind dabei<br />

vorauszusetzen?<br />

In der Nachfolge Freuds und Lacans legte man Wert auf den indirekten Charakter der Funktion <strong>des</strong><br />

<strong>Vaters</strong>. Weder die Dauer, noch die Art und Weise seiner körperlichen Gegenwart beim Kind sind<br />

maßgebend, sondern der Vater in der Rolle <strong>des</strong> Repräsentanten und Garanten <strong>des</strong> Gesetzes. Das hat<br />

zur Folge, dass der Vater über die Mutter den Zugang zum Kind finden muss. So meint Winnicott (vgl.<br />

„Väter“, S. 20): „Es hängt von der Mutter ab, ob der Vater sein Baby kennen lernt oder nicht.“<br />

Ich finde den Gedanken von Naouri „<strong>Die</strong> wahre Präsenz (<strong>des</strong> <strong>Vaters</strong>) ist nicht unbedingt erforderlich,<br />

wenn er in richtiger Weise und ausreichend in den Gedanken der Mutter präsent ist.“ (vgl. „Väter“,<br />

S. 20) durchaus sympathisch – da heutzutage es ja oft genug umgekehrt vorkommt, dass geschiedene<br />

Mütter die Väter einfach rausschmeißen und u. U. schlecht machen – ist sicher nicht besser –<br />

(oder?!)<br />

Unermüdlich wird wiederholt (Anatrella, vgl. „Väter“, S. 21), dass die Funktion <strong>des</strong> <strong>Vaters</strong> von<br />

verschiedenen Personen ausgeübt werden könne und bei Bedarf auch durch die Mutter.<br />

In anderen Kulturen kommt es vor, dass der soziale Vater der Bruder der Mutter, der mütterliche<br />

Onkel oder eine Frau ist (Héritier, vgl. „Väter“, S. 21).<br />

Laut Camus haben sich die Zeiten geändert, sodass die Rolle <strong>des</strong> „symbolischen <strong>Vaters</strong>“ überflüssig<br />

geworden ist. In den Familien gibt es nicht mehr die typischen Rollenzuweisungen, die wir von<br />

seinerzeit kennen. Statt<strong>des</strong>sen sind Eltern mutiger im Gefühlsausdruck geworden und füllen ihre<br />

Elternrolle wesentlich authentischer aus, als der Großteil der frühen Generation es jemals tat bzw.<br />

überhaupt in der Lage war, zu tun. Elternschaft gilt heute als Verpflichtung eines Paares, also<br />

gemeinsam. Das Kind wir als aktives Wesen angenommen und nicht mehr als „Untertan“. 1989<br />

wurde die internationale Konvention für die Rechte <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> unterzeichnet.


<strong>Die</strong> <strong>Bedeutung</strong> <strong>des</strong> <strong>Vaters</strong><br />

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Lilly Gertrude Rösner<br />

So ist der Vater in der heutigen Zeit als „Abschussrampe“ (vgl. „Väter“, S. 44) zu verstehen. Er ist<br />

zuständig für die Sozialisation <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong>. „Sich zu sozialisieren, bedeutet zu lernen, seine Rolle in der<br />

‚horizontalen‘ Gruppe (der der Spielgefährten) zu spielen, was heißt, seine wachsende Identität zu<br />

erkennen und sich zugleich Regeln zu unterwerfen, die Grundlage jeglichen Gemeinschaftslebens<br />

sind. Der zunehmende Erwerb dieser Fähigkeiten führt über die mögliche Erfahrung von Rivalität,<br />

Teilen und Zusammenarbeit in einer Gruppe von Gleichen, und vor allem über die Einführung in das<br />

Leben einer Gemeinschaft in einem Kindergarten oder einer Kita. (vgl. „Väter“, S. 45)<br />

<strong>Die</strong> Neckereien <strong>des</strong> <strong>Vaters</strong> sollten das Kind zu neuen Lösungswegen animieren. Abenteuer und<br />

Durchsetzungsvermögen werden vom Vater aktiviert, das Kind lernt, sich auf die eigenen Kräfte zu<br />

verlassen und ist angeregt in der Suche nach positiven Ergebnissen durchzuhalten.<br />

Der Vater als Begleiter in der Adoleszenz<br />

Während Mädchen die Entwicklung in der Adoleszenz als einen „Sturz nach innen“, eine „Implosion“<br />

(Gambaroff, vgl. „Vater wer bist du?“, S. 125) empfinden, gleicht die männliche Entwicklung eher<br />

einem explosiven Prozess. In der inneren Welt <strong>des</strong> Mädchens droht der Vater eher verloren zu gehen<br />

als in der <strong>des</strong> Jungen. Jürgen Grieser (vgl. „Vater wer bist du?“, S. 124), der sich mit diesem Thema<br />

auseinandergesetzt hat, meint zu beobachten, dass sich jugendliche Mädchen dem Vater gegenüber<br />

eher verschließen, als jugendliche Jungen. Für beide Geschlechter gilt, dass sich ihre Wahrnehmung<br />

der Welt gegenüber verändert und die Affekte heftiger werden. Sie müssen ebenso mit körperlichen<br />

Veränderungen fertig werden, sprich sexuellen Veränderungen, diese in Beziehungen zu<br />

Gleichaltrigen integrieren, sich von den Eltern ablösen, Selbstvertrauen in ein neues Wertesystem<br />

aufbauen, eine soziale und berufliche Identität finden. In der Adoleszenz beginnt sich der Jugendliche<br />

als geschichtlicher Mensch zu erleben zu der gehört, dass man weiß, woher man kommt, bzw. wer<br />

sein Vater ist. Deshalb wird es in der Adoleszenz zu einem zentralen Anliegen, das Schicksal nicht<br />

vorhandener, verschwundener oder verstorbener Väter zu ergründen. Darüberhinaus erwarten die<br />

Jugendlichen von ihren Eltern, dass sie ihren eigenen Platz einnehmen, nämlich als Personen derer<br />

Generation und nicht als Jugendliche auftreten. Sie brauchen den Abstand zu ihren Eltern, der durch<br />

die Generationsgrenze markiert wird. So sehr vital, originell und interessant Eltern auch sein können,<br />

so sehr ist diese Grenze wichtig und nichts kann peinlicher für Jugendliche sein, als wenn z. B. der<br />

Vater mit Turnschuhen zum Elternabend geht.


<strong>Die</strong> <strong>Bedeutung</strong> <strong>des</strong> <strong>Vaters</strong><br />

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Lilly Gertrude Rösner<br />

<strong>Die</strong> <strong>Bedeutung</strong> <strong>des</strong> <strong>Vaters</strong> als Spiegelung ist besonders wichtig auf dem Gebiet <strong>des</strong> Selbstvertrauens<br />

und Verantwortungsgefühls. So zeigen Untersuchungen, dass die Interaktionen der Jugendlichen mit<br />

ihren Vätern und nicht die mit ihren Müttern dafür ausschlaggebend sind. Jugendliche, die<br />

Beziehungserfahrungen mit ihrem Vater erlebt haben, in denen sie sich in ihren Fähigkeiten vom<br />

Vater herausgefordert und dadurch gefördert haben, entwickeln später tragfähige<br />

Freundschaftsbeziehungen, die durch gegenseitige Wertschätzung und die Fähigkeit zu emotionaler<br />

Offenheit und Nähe gekennzeichnet sind (Kindler et al., vgl. „Vater wer bist du?“, S. 132).<br />

Spiegelung und Triangulierung zusammen machen die entwicklungsfördernde und vor allem auch die<br />

Ablösung und die Autonomie fördernde Rolle <strong>des</strong> <strong>Vaters</strong> aus. <strong>Die</strong> sichere Bindung <strong>des</strong> Jugendlichen<br />

an den Vater zeigt sich gerade nicht darin, dass der Vater ständig präsent wäre, sondern darin, dass<br />

er dann zur Verfügung steht, wenn man ihn braucht (Shulman, vgl. „Vater wer bist du?“, S. 135).<br />

„Ein Sohn gleicht einem Spiegel, darin der Vater sich selbst erblickt, und für den Sohn wiederum ist<br />

der Vater wie ein Spiegel, darin er sich selbst erblickt, so, wie er dermaleinst sein wird“ (Kierkegaard,<br />

vgl. „Vater wer bist du?“, S. 130).<br />

Zwischen Vater und Tochter kann möglicherweise eine erotische Spannung entstehen, wobei es<br />

wichtig ist, dass der Vater sich <strong>des</strong>sen bewusst ist und auf diese ruhig erfreut reagieren kann, ohne<br />

diese aber durch übertriebenes Flirten mit ihr anzustacheln, die Befriedigung dieser Wünsche mit ihr<br />

zu fantasieren oder gar zuzulassen. Spürt die Tochter, dass der Vater ihrer Verführung nicht<br />

nachgeben wird und dass auch ihre Mutter „über ein Selbstbewusstsein verfügt, das sie ihres Wertes<br />

als Frau sicher sein lässt, sodass sie sich durch ihre erotische Spannung zwischen Vater und Tochter<br />

nicht bedroht fühlt“, so kann die Tochter selber auch ein angstfreies Verhältnis zu ihren sexuellen<br />

Wünschen entwickeln. (Flaake, vgl. „Vater wer bist du?“, S. 137)<br />

Möchte die Tochter Gleich-wie-die-Mutter-Sein, so kommt es einem Loyalitätskonflikt mit der<br />

Mutter.<br />

Bindungen<br />

„<strong>Die</strong> Bindungstheorie besagt, dass eine Bindung zu einer Person dann besteht, wenn diese Person<br />

der Orientierungspunkt <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> besonders in Belastungssituationen und in fremder Umgebung ist.<br />

Ein Kind wir also auf die Zugänglichkeit dieser Person achten und sein Verhalten auf diese Person hin<br />

ausrichten.“ (Grossmann et al., vgl. „D. Bedeutg. d. <strong>Vaters</strong> in d. fr. Kindheit“, S. 44)


<strong>Die</strong> <strong>Bedeutung</strong> <strong>des</strong> <strong>Vaters</strong><br />

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Lilly Gertrude Rösner<br />

Bowlby (1957/58) (vgl. „Väter“, S. 76) schreibt in seinen ersten Schriften, dass die Mutter-Kind-<br />

Beziehung die Vorrangige ist, der Vater spielt am Lebensanfang <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> eine untergeordnete<br />

Rolle. Er verwendete in diesem Zusammenhang den Begriff der „Monotropie“ (Einförmigkeit), um die<br />

Fixierung <strong>des</strong> Neugeborenen auf die Mutter zu unterstreichen. Seine Theorie stand stark unter dem<br />

Einfluss der Verhaltensforscher (Lorenz, Tinbergen oder Hinde).<br />

Erst 1964 erfolgte eine Wende, als Schaffer und Emerson (vgl. „Väter“, S. 76) im Zuge einer<br />

Fragebogenuntersuchung von 58 schottischen Müttern, kleinen Kindern die Fähigkeit zuerkannten,<br />

mehrere Bindungen einzugehen. Kriterium für das Eingehen einer Bindung war, wenn das Kinde bei<br />

der Trennung von einer Bezugsperson protestierte. Ainswoth (vgl. „Väter“, S. 77) schrieb 1967, nach<br />

einem Forschungsaufenthalt in Uganda, dass auch der Vater durchaus eine Bezugsperson für das<br />

Kind werden könne, jedoch meistens die Mutter die erste Stelle einnehme. Baltimore (vgl. „Väter“, S.<br />

78) bestätigte diese Theorie durch seine Untersuchungen (1969).<br />

Bowlby (vgl. „Väter“, S. 78) näherte sich mit der Zeit immer mehr an die neueren Auffassungen –<br />

wies aber darauf hin, dass selbst bei mehreren Bezugspersonen nicht von einer „Multiplizität“<br />

ausgegangen werden kann, sondern eine „Hierarchie“ der Bezugspersonen Ausgangsbasis sei.<br />

Meistens tröstet die Mutter ein Baby in der Not am besten – so bestätigte diesen Ansatz Lamb (vgl.<br />

„Väter“, S. 80) in den 70er Jahren durch seine Arbeiten. Er untersuchte dies anhand der Beobachtung<br />

von schwedischen Vätern, die ja bekanntlich immer schon sehr früh an der Erziehung der Kinder<br />

beteiligt waren.<br />

Neue amerikanische Forschungen ergeben allerdings, dass genügend an der Erziehung beteiligte<br />

Väter, wenigstens den Jungen eine bessere Rückversicherung geben, wenn in der „Strange Situation“<br />

ein unbekannter Erwachsener bei dem Baby eine leichte Verunsicherung auslöst.<br />

„Strange Situation“ ist ein Test (Baltimore, vgl. „Väter“, S. 78), der ein Szenario darstellt, in dem im<br />

Rahmen von 7 Episoden, die je drei Minuten andauern, Begegnungen und Trennungen zwischen Kind<br />

und Eltern aufeinander folgen, wobei bei einigen Sequenzen auch fremde Personen auftreten.<br />

Entscheidend dabei ist, dass man auf diese Weise die Reaktion auf eine dem Kind „fremde Situation“<br />

messen konnte. (vgl. „Väter“, S. 78)<br />

Ein Beweis für die Bindung von Vater zum Kind ist der, dass der Weggang der Fremden das Kind nicht<br />

im Geringsten stört, jedoch den der Mutter oder <strong>des</strong> <strong>Vaters</strong> sehr wohl, indem es heftig protestiert.<br />

Um die Qualität der Bindung <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> zum Vater feststellen zu können, hat man verschiedene<br />

Bindungsmuster entwickelt.


<strong>Die</strong> <strong>Bedeutung</strong> <strong>des</strong> <strong>Vaters</strong><br />

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Lilly Gertrude Rösner<br />

So entstand die heute sehr bekannte Definition der drei wichtigsten Gruppen (Ainsworth 1978) (vgl.<br />

„Väter“, S. 82) – nämlich die „ausweichend Verunsicherten“, die „Sicheren“ und die „ambivalent<br />

Verunsicherten“. Sie unterscheiden sich durch unterschiedliches Verhalten der Kinder bei<br />

Trennungen und Wiedersehen der Eltern.<br />

Belsky (vgl. „Väter“, S. 84) unterscheidet angelehnt an die „Strange Situation“ eine<br />

temperamentsbedingte und eine beziehungsbedingte Komponente. <strong>Die</strong> Temperamentsbedingte<br />

drückt sich in der Art der emotionalen Reaktion aus – von der Hemmung zur Irritation – und ist<br />

unabhängig von Mutter oder Vater. <strong>Die</strong> Beziehungsbedingte ist jedoch vom affektiven Bezug <strong>des</strong><br />

Kin<strong>des</strong> zu jedem seiner Eltern abhängig.<br />

Fox (vgl. „Väter“, S. 84) hat in einer Metaanalyse von elf Studien zwischen 1978 und 1990<br />

festgestellt, dass das Temperament mehr gewichtet, als die beziehungsbedingte Komponente.<br />

<strong>Die</strong>se Thematik finden wir in der andauernden Debatte um den Einfluss von Anlage und Umwelt<br />

wieder.<br />

Camus (vgl. „Väter“, S. 85) nennt dies die „Transaktionsspirale“ zwischen Vater und Kind. Sie betrifft<br />

das Temperament <strong>des</strong> Neugeborenen, die Empfindsamkeit für seinen Vater und deren Interaktionen<br />

sowie die Qualität der Bindungen.<br />

Man kann folgende Aussage als gesichert ansehen: Kinder von sicheren Müttern (im Unterschied zu<br />

verunsicherten Müttern) haben die beste soziale Kompetenz. Hingegen trifft diese Behauptung nicht<br />

auf Kinder von sicheren Vätern zu. Wobei natürlich selbstverständlich ist, dass die beste soziale<br />

Kompetenz bei Kindern anzutreffen ist, die sowohl eine sichere Mutter als auch einen sicheren Vater<br />

haben.<br />

Prognosen über die Stabilität <strong>des</strong> Bindungsverhaltens sind widersprüchlich. Forschungsergebnisse<br />

deuten darauf hin, dass die Mutter das Kind im Sinn ihres internen Modells beeinflusst und zwar<br />

durch ihre Interaktionen und ihre Sicherheit. So entsteht aus dem heraus und zusätzlich durch die<br />

Kommunikation <strong>des</strong> <strong>Vaters</strong>, das sich daraus ergebende Bindungsverhalten vom Kind zum Vater.<br />

<strong>Die</strong> Qualität der Mutter-Kind-Beziehung konnte man am besten über die „Strange Situation“<br />

ermitteln, hingegen eignen sich Spielsituationen am besten um die Qualität der Vater-Kind-<br />

Beziehungen festzustellen.<br />

Grundsätzlich ist aber festzuhalten, dass das Gebiet der affektiven Beziehung zwischen Vater und<br />

Kind teilweise unerforscht ist. In diesem Bereich gilt es noch einige Arbeit zu leisten.


Allianzen - Triaden<br />

<strong>Die</strong> <strong>Bedeutung</strong> <strong>des</strong> <strong>Vaters</strong><br />

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Lilly Gertrude Rösner<br />

Seit 1989 hat sich ein Schweizer Forschungsteam, angeleitet von Fivaz und Corboz (vgl. „Väter“, S.<br />

100), einen Namen gemacht, indem sie die Dyade auf die Triade (Vater-Mutter-Kind) ausgeweitet<br />

haben. Dazu haben sie eine Spielsituation zu dritt entwickelt, bei der die verschiedenen Partner ganz<br />

bestimmte Rollen einnehmen sollen.<br />

- in einer ersten Phase soll ein Elternteil mit dem Baby tun, „was er immer mit ihm tut“, und der<br />

andere soll während dieser Zeit „einfach nur anwesend“ sein<br />

- in der zweiten Phase werden Vater und Mutter gebeten, die Rollen der ersten Episode zu<br />

vertauschen<br />

- in der dritten Phase erhalten die Eltern die Anweisung, jetzt „alle drei zusammen zu spielen“<br />

<strong>Die</strong> Untersuchenden unterscheiden in:<br />

Beteiligung<br />

Beteiligungsformen entstehen auf der Ebene <strong>des</strong> Unterkörpers bzw. <strong>des</strong> Beckens, existieren aber<br />

auch auf der Ebene <strong>des</strong> Oberkörpers. Sie können auch im Blick der Teilnehmer und deren<br />

Ausdruckssignale gefunden werden, wo sie aufzeigen, welche Ausrichtungsmuster es zwischen den<br />

Teilnehmern gibt. Es kann durchaus vorkommen, dass ein Elternteil auf der Ebene <strong>des</strong> Unterkörpers<br />

ausgeschlossen wird (sh. gestörte Allianz).<br />

Organisation<br />

Hier wird untersucht, ob alle Beteiligten in ihrer Rolle (w. o. angeführt) bleiben. Bleibt z. B. der<br />

Elternteil in der Rolle <strong>des</strong> passiven Dritten auch wirklich passiv, oder mischt er sich ein…<br />

Organisationsformen existieren auch auf der Ebene <strong>des</strong> Blickes und können in Ausdruckssignalen<br />

gefunden werden. Man spricht von einer kollusiven Allianz, wenn deren Mitglieder ihre Rollen nicht<br />

auf angemessene Weise einnehmen.<br />

Aufmerksamkeitsfokus<br />

Gezielte Aufmerksamkeit wird hauptsächliche auf der Blickebene beobachtet. Fehlt diese, spricht<br />

man von einer angespannten Allianz.


Affektiver Kontakt<br />

<strong>Die</strong> <strong>Bedeutung</strong> <strong>des</strong> <strong>Vaters</strong><br />

Zusatzmodul Ehe- u. Familienberatung<br />

Lilly Gertrude Rösner<br />

Hier wird überprüft, ob alle Beteiligten in Kontakt sind, ober ob einer sich zurückzieht bzw. auf eine<br />

andere Weise mit den anderen nicht im Einklang sind.<br />

Aus diesen Punkten ergeben sich vier Typen von Allianzen:<br />

Kooperative Allianzen<br />

<strong>Die</strong> Eltern sind empathisch auf das Kind eingestellt. Wenn Überforderungen oder Probleme in der<br />

Situation entstehen, werden diese flexibel geändert und es tritt eine Entspannung ein. Alle<br />

Beteiligten sind miteinbezogen, der Fokus der Aufmerksamkeit bleibt hergestellt und alle bleiben in<br />

ihren Rollen.<br />

Angespannte Allianzen<br />

Hier gibt es die Schwierigkeit dran zu bleiben, und zwar auf spielerische Weise Gefühle miteinander<br />

zu teilen.<br />

Kollusive Allianzen<br />

In dieser Allianz finden wir bereits elterliche Rivalität vor. Durch sogenannte „Umleitungskoalitionen“<br />

<strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> wird der Fokus der Aufmerksamkeit z. B. auf das Weinen <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> verlagert. Das neue<br />

Verhalten <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong> machte es den Eltern möglich, ihre Rivalität zu beenden.<br />

Gestörte Allianzen<br />

Hier finden wir alles, was nicht passt. Rivalität unter den Eltern, falsches Rollenverhalten, usw. Z. B.<br />

mischt sich der Vater in der Rolle <strong>des</strong> passiven Dritten ein – wenn sich das Kind ihm dann zuwendet,<br />

verhält er sich distanziert und schweigt, dazwischen lächelt er wieder übertrieben oder schneidet<br />

Grimassen.<br />

In dieser Allianz findet das Kind nicht einmal die grundlegendste Unterstützung die es brauchen<br />

würde, um sich z. B. vor Kummer zu schützen.<br />

<strong>Die</strong>se Untersuchung hat viel über die Triade ans Licht gebracht. Sie gibt Hinweise auf elterliche<br />

Zusammenarbeit und den Entwicklungsfortschritt <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong>. <strong>Die</strong> Untersuchenden glauben, dass mit


<strong>Die</strong> <strong>Bedeutung</strong> <strong>des</strong> <strong>Vaters</strong><br />

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Hilfe ihres Paradigmas, Forscher imstande sein werden, den unterschiedlichen Entwicklungsverläufen<br />

der Triade sowie der Dyaden und Monaden, aus denen sie besteht, nachzugehen und sie zu<br />

vergleichen.<br />

Ödipus lässt grüssen<br />

In traditioneller Sicht ordnet man der Funktion <strong>des</strong> <strong>Vaters</strong> Entwicklungsphasen der Libido <strong>des</strong> Kin<strong>des</strong><br />

zu, besonders die kritische ödipale Phase. Freud bezeichnet diese als „Knoten <strong>des</strong> Schicksals <strong>des</strong><br />

Menschen und seiner mentalen Entwicklung“. Auf die Mutter ausgerichtet ist das „orale“ und<br />

„anale“ Stadium. Das Stadium der genital-infantilen Entwicklung jedoch, wird durch die Feststellung<br />

der Differenz der Geschlechter bestimmt. <strong>Die</strong>se in 2 Phasen verlaufende Entwicklung ist der<br />

Übergang der initialen Zweierbeziehung (präödipal) zur Dreierbeziehung (ödipal). Es ist die Zeit, in<br />

deren Verlauf die dritte Person ins Spiel kommt, die „verhindern soll, dass man sich im Kreis dreht“.<br />

Der „Ödipuskomplex“ entwickelt sich zwischen dem 3. und 5. Lebensjahr. Er bedeutet – u. U.<br />

To<strong>des</strong>wunsch für den Elternteil <strong>des</strong>selben Geschlechts, sexuelles Verlangen nach dem<br />

Gegengeschlechtlichen. In diesem Zusammenhang mit dem Ende <strong>des</strong> Ödipuskomplexes bilden sich<br />

das „Überich“ und das „Ich-Ideal“. „Der Vater untersagt den Inzest und vertritt dabei die Verbote <strong>des</strong><br />

Überichs und die Idealisierungen <strong>des</strong> Ich-Ideals“. (vgl. „Väter“, S. 137)<br />

In meinem Fall – als Kuckuckskind – möchte ich hier explizit einfließen lassen, dass ich mir als Kind<br />

niemals meine Mutter weg gewünscht habe. Ganz im Gegenteil, ich wünschte mir (damals natürlich<br />

nicht wissend, dass mein Vater nicht mein leiblicher Vater war) meine Mutter ganz für mich. <strong>Die</strong>s<br />

kam erst vor kurzem in meiner Therapie heraus und hat mir wesentliche Erkenntnisse über mein<br />

partnerschaftliches Verhalten näher gebracht. So ist meine Mutter für mich immer als primäre<br />

Projektionsfläche für eine Erfüllung in der Partnerschaft gestanden. Keinesfalls mein sozialer Vater.


Der fehlende Vater<br />

<strong>Die</strong> <strong>Bedeutung</strong> <strong>des</strong> <strong>Vaters</strong><br />

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Lilly Gertrude Rösner<br />

Nicht selten kommt es vor, dass der Vater fehlt. Ich möchte ein Beispiel herausgreifen, wozu es in<br />

diesem Fall kommen kann. Kinder können in ihren Gedanken, den fehlenden Vater durch einen<br />

sogenannten „Fantasievater“ ersetzen. Es ist leicht, sich vorzustellen, dass dieser Vater allzeit zur<br />

Stelle ist. Im Laufe der Entwicklung kann es dazu kommen, dass die Existenz eines Fantasievater dazu<br />

führt, dass der oder die „Vaterlose“ einen unbewussten Spaltungsprozess einleitet. Dadurch ist eine<br />

altersgemäße Reifung in vieler Hinsicht nicht möglich. Statt in eine Auseinandersetzung mit der Welt<br />

zu gehen, reagieren Betroffene an Stelle <strong>des</strong>sen mit Rückzug in die Fantasiewelt. Im Fall <strong>des</strong> Herrn S.<br />

(Walter, vgl. „Vater wer bist du?“, S. 60) bekam Herr S. Magenblutungen, als sein Sohn auf die Welt<br />

kam. Im Zuge der darauffolgenden Psychotherapie konnte er sich erstmals dem Schmerz <strong>des</strong><br />

fehlenden <strong>Vaters</strong> stellen, somit eine Lücke schließen, die er zuvor mit dem Fantasievater füllte. „Das<br />

ist mein Vater“ hatte er nie sagen können. Es fehlte ihm die basale verinnerlichte<br />

Beziehungserfahrung mit einem „der mein Vater und ein Mann ist wie ich und der mir zeigt, wie ein<br />

Vater zu sein hat“. Danach lernte er, Schritt für Schritt seinem Sohn ein realer Vater zu sein. <strong>Die</strong><br />

Magenblutungen kamen nicht mehr wieder.<br />

Klußmann et al. (vgl. „Vater wer bist du?“, S. 85) stellen eine überdurchschnittliche Häufung von<br />

psychosomatischer Symptombildung bei Jungen mit schwacher innerer Vaterrepräsentanz und<br />

dominanter Mutter imago fest.<br />

Versöhnung mit dem Vater<br />

Kommt es in Familien zu gewaltvollen Erfahrungen, zu sexuellen Übergriffen, zu Verlusten, so bietet<br />

LOM® = Lösungsorientiertes Malen eine Möglichkeit, diese Traumata zu heilen.<br />

LOM® ist ein bildnerisches Verfahren, das vom Geschehen im Bild gesteuert wird. Bildinhalte werden<br />

arttypisch und bildfüllend gemalt. Das beharrliche Malen einer Realität führt in der Regel zu einer<br />

Verhinderung von Dissoziation.


Ablauf <strong>des</strong> LOM®<br />

Allgemeiner Prozessverlauf<br />

> Das Symptom benennen<br />

Wenn das Anliegen nicht klar ist, wird dieses aus der Fülle herausgearbeitet.<br />

> Das Bild für das Symptom finden<br />

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> Anschließenden Traum bearbeiten (falls der Klient darauf träumt, was sehr wahrscheinlich ist)<br />

Beziehungskonflikt bearbeiten<br />

> Bezug zur gewählten Person aufbauen<br />

Durch das Malen der gewählten Person, ähnlich einem Passbild, wird darauf geachtet, dass die<br />

Farbe liebevoll aufgetragen und die Gesichtszüge möglichst typisch gemalt werden. Wenn diese<br />

Hingabe nicht möglich ist oder wenn die Person übertrieben hässlich gemalt wird, müssen zuerst<br />

die starken Gefühle der Person gegenüber in eine Metapher gefasst werden.<br />

> Rückgabe<br />

„Überstülpungen“ werden mittels einer Metapher zurückgegeben.<br />

Rotes Stecktuch


Geschenk<br />

Pfeife<br />

<strong>Die</strong> <strong>Bedeutung</strong> <strong>des</strong> <strong>Vaters</strong><br />

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Lilly Gertrude Rösner<br />

Ziel der Bearbeitung eines Beziehungskonfliktes ist es, die belastenden Ereignisse zu vergessen<br />

und die liebevollen und schönen Momente zu erinnern. Das Geschenk an die Person soll etwas<br />

sein, dass ihm/Ihr wirklich gefallen würde.<br />

> Abschluss<br />

Metapher für die Würdigung der Malenden und die Metapher für das neue Positive.<br />

Gerald Hüther (Gehirnforscher 2004, vgl. „Vater wer bist du?“, S. 82) hat sich eingehend mit der<br />

Macht innerer Bilder in unserem Gehirn auseinandergesetzt. Im Moment der traumatischen<br />

Einwirkung ist die betroffene Person, in unserem Fall das Kind, dem Geschehen auf Gedeih und<br />

Verderb ausgeliefert. Es muss sofort eine Strategie finden, die das Gefühl, das Leben im Griff zu<br />

haben, wieder herstellt. Durch die folgenschwere Methode, alle Schuld auf sich zu nehmen,<br />

entstehen dann Glaubenssätze wie z. B. ich bin dumm und selbst schuld dran, wenn mein Vater mich<br />

schlägt. Das Trauma mag vielleicht im späteren Leben in den Hintergrund treten, die negative<br />

Kognition wird aber fortan ins Leben mitgenommen und bestimmt die Perspektive und die<br />

Erwartungsbilder der betroffenen Person. So meint Hüther, dass wir letztlich nur das denken und uns<br />

vorstellen, was wir bereits erfahren und erlebt und als inneres Bild in unserem Hirn verankert haben.<br />

Alle Bilder, die uns umgeben, alles, was wir sehen, prägt unsere inneren Bilder. Wenn wir unsere<br />

Umwelt hässlich gestalten, wenn Konsum die Ästhetik bestimmt, wenn Bilder von Gewalt und<br />

Bedrohung uns täglich bestürmen, dann entstehen mit der Zeit innere Bilder, die von Hässlichkeit<br />

und Angst geprägt sind. <strong>Die</strong>se Bilder bestimmen dann auch unsere Gefühle und unsere Handlungen.<br />

Wenn sich ein Mensch jedoch lange genug aus seiner gewohnten stressauslösenden Umgebung in<br />

eine friedliche, geschmackvolle und liebevolle Umgebung begibt, verändern sich seine inneren Bilder<br />

langsam, die Ängste nehmen ab. Da ein solcher Rückzug vielen Menschen nicht möglich ist, gibt es


<strong>Die</strong> <strong>Bedeutung</strong> <strong>des</strong> <strong>Vaters</strong><br />

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Lilly Gertrude Rösner<br />

die Möglichkeit verschiedener psychotherapeutischer Methoden, diese Bilder zu bearbeiten, wie z. B.<br />

das Katathyme Bilderleben, die Imaginative Traumatherapie.<br />

LOM® ist die Arbeit an den Bildern mit Einbezug der Gefühle und der Sinne. Hüther sagt, dass wir mit<br />

unserem Gehirn in der Lage sind, bereits angelegte innere Bilder, Traumabilder, mit neuen Bildern zu<br />

verändern, wenn sie über verschiedene Sinneskanäle ankommen. Dann können wir unsere bisherige<br />

Vorstellung von einem Ereignis verändern.<br />

<strong>Die</strong> eigene Geschichte ist im Gehirn in Bildern gespeichert. LOM® greift auf dieser Ebene ein, indem<br />

die quälenden und fehlenden Bilder gemalt und sukzessive in Ordnung gebracht werden.<br />

Wir alle haben Väter, ob sie nun bekannt oder unbekannt, stark oder schwach, liebenswürdig oder<br />

gewalttätig sind. Wir haben keine Wahl. <strong>Die</strong> einzige Möglichkeit besteht darin, die Situation genau<br />

anzuschauen, zu uns zu nehmen, was Unseres ist, und zurückzugeben, was dem Vater gehört. Dann<br />

sind wir frei, ihn zu lieben. Und Liebe ist das einzige Heilmittel (vgl. „Vater wer bist du?“, S. 96).

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