Die Landzeit 02-2012. - Katholische Landfrauenbewegung
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<strong>Landzeit</strong><br />
die<br />
2.2012
Impuls<br />
Eine Kultur<br />
blüht, wenn<br />
Menschen Bäume<br />
pflanzen, in deren<br />
Schatten sie niemals<br />
sitzen werden.<br />
(Griechisches Sprichwort)
Vorwort<br />
„Weihnachten – nachhaltig?“<br />
„Nachhaltige Weihnachten“ titelten einige Online-Nachrichtenportale<br />
ihre Artikel in der vergangenen Adventszeit.<br />
Ist Weihnachten denn nachhaltig? Sozial gesehen wohl schon.<br />
Für die Volkswirtschaft ist sie sogar der Heilsbringer des<br />
Jahres! Ökologisch? Schwierig. Es sei denn, alle Menschen<br />
würden plötzlich Gänse aus artgerechter Haltung kaufen,<br />
Flugtickets und Autoschlüssel liegen lassen und sich an den<br />
Feiertagen auf die Kontakte in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft<br />
besinnen bei totalem Verzicht auf den Massenkonsum.<br />
Damit wären zumindest die ökologischen Negativbilanzen<br />
abgewendet, aber ein ökologisches Plus stände noch<br />
immer aus. Also … dann ist Weihnachten nicht nachhaltig?<br />
Bei diesen Gedanken könnte man es belassen, wäre da nicht<br />
die geistliche Komponente. In der Definition des Nachhaltigkeitsbegriffes<br />
spielt sie zwar keine Rolle, für das Verständnis<br />
einer „Nachhaltigen Weihnacht“ aber sehr wohl.<br />
<strong>Die</strong> Predigten am Heiligen Abend thematisieren ja nicht nur<br />
die Ungerechtigkeiten dieser Welt und appellieren an die<br />
Humanität der Menschen, um im Endergebnis den tugendhaften<br />
Menschen zu verherrlichen, wie es der Theologe Arno<br />
Schilson in seiner Schrift „Weihnachten im Licht der Mysterientheologie“<br />
beklagt. In dieser Festzeit geht es um eine<br />
LESERFORUM<br />
Senden Sie Ihre Beiträge und Meinungen an<br />
Referat „Kirche und Ländlicher Raum“<br />
Okenstraße 15 · 79108 Freiburg<br />
mail@landpastoral.de<br />
Wir behalten uns vor, Beiträge zu kürzen.<br />
Es werden nur namentliche Artikel veröffentlicht.<br />
allumfassende Liebe, um die Erkenntnis, dass es etwas außerhalb<br />
unserer irdischen Welt gibt, welches uns ein ewiges<br />
Fortbestehen des Lebens an sich verspricht. Das Leben geht<br />
also weiter … egal, was passiert. Ewig.<br />
Das ist für uns kaum fassbar. An Weihnachten haben wir<br />
aber die Chance, dieses Mysterium besonders intensiv zu erfahren<br />
und zu erspüren. Auch nach 2000 Jahren bleibt am<br />
Heiligen Abend ein Zauber, der so nachhaltig ist, dass Kinderaugen<br />
leuchten und selbst die, die mit Religion nichts anfangen<br />
können, diese Zeit als „heilig“ empfinden. Wenn man<br />
sich auf dieses Gefühl einlässt, dann geht das nicht ohne<br />
großen Respekt vor diesem uns gegebenen Leben. Und mit<br />
dieser Erfahrung ist es auch nur logisch und konsequent, das<br />
eigene Leben so nachhaltig wie nur möglich zu gestalten.<br />
Das Redaktionsteam erläutert Ihnen in dieser <strong>Landzeit</strong> sein<br />
Verständnis des Nachhaltigkeitsbegriffes. Denn dieses Verständnis<br />
von Nachhaltigkeit ist die Grundlage vieler Angebote<br />
von Verbänden und Organisationen in und um das<br />
Referat Kirche und Ländlicher Raum. Schließlich soll den<br />
Menschen auch geholfen werden, ihren Alltag Stück für<br />
Stück ein wenig nachhaltiger zu gestalten. In diesem Sinne<br />
wünscht das Redaktionsteam Ihnen eine nachhaltige Weihnacht!<br />
I Dr. Jessica Knall<br />
Willkommen<br />
3
Das Thema<br />
4<br />
Nachhaltigkeit<br />
In aller Munde<br />
Der Begriff Nachhaltigkeit ist<br />
mittlerweile in aller Munde.<br />
Selbst die Werbung nutzt das<br />
Stichwort, um damit die Qualität<br />
der angepriesenen Güter<br />
zu unterstreichen. Gerade die<br />
Verwendung in der Werbewelt<br />
lässt aber fragen, welche<br />
Wurzeln der Begriff hat und<br />
wie er heute angemessen<br />
zu verstehen ist.
Erste Verwendung in der Forstwirtschaft<br />
Der Nachhaltigkeitsgedanke wurzelt im Bereich der Forstwirtschaft:<br />
Es soll nur so viel Holz entnommen werden, wie<br />
nachwachsen kann. So kann der Wald sich immer wieder regenerieren<br />
und seine vielfältigen Funktionen für das Ökosystem<br />
und den Menschen weiter wahrnehmen. Schließlich sei an<br />
die frühen Umweltkatastrophen der Menschheitsgeschichte<br />
erinnert: Der enorme Holzbedarf römisch-imperialer Bäderkultur<br />
ruinierte die italischen Wälder, die spanische Flottenpolitik<br />
der Kolonialzeit verursachte die Versteppung weiter<br />
Landschaftsteile.<br />
Globale Züge<br />
Mit dem Bericht „<strong>Die</strong> Grenzen des Wachstums“ entwickelt<br />
der Club of Rome den Begriff der Nachhaltigkeit weiter und<br />
interpretiert ihn als Ausdruck eines globalen Gleichgewichts.<br />
Kurz zuvor weist auch das Zweite Vatikanische Konzil darauf<br />
hin, dass das Gemeinwohl längst globale Züge angenommen<br />
hat: Entweder die Menschheit als Ganzes hat Zukunft<br />
oder die Erde insgesamt wird unbewohnbar. Nachhaltigkeit<br />
ist also nicht nur mit der ökologischen Frage verknüpft, sondern<br />
verweist auch auf ökonomische Verhältnisse. Nachhaltigkeit<br />
hat auch mit gerechten Verhältnissen zwischen sozialen<br />
Gruppen innerhalb einer Gesellschaft, zwischen Völkern<br />
und weiter gedacht zwischen den Generationen zu tun.<br />
Der Gründer der internationalen Pfadfinderbewegung, William<br />
Booth, hat die Devise ausgegeben, dass jeder Mensch die<br />
Welt ein bisschen besser zurücklassen sollte, als er sie vorgefunden<br />
hat. Es genügt eben nicht das Ziel, jedem Menschen<br />
und jeder anderen Gesellschaft den Lebensstil unserer westlichen<br />
Gesellschaft zu ermöglichen. <strong>Die</strong> Folge wäre ein Zusammenbrechen<br />
des globalen Systems. Damit weltweit alle<br />
Menschen die gleichen Möglichkeiten haben, ist es nötig,<br />
dass die westlichen Gesellschaften ihren Ressourcenverbrauch<br />
stark reduzieren, und hier wird Nachhaltigkeit zu einem mehr<br />
als kritischen Gedanken.<br />
Nachhaltigkeit als kritischer Begriff<br />
<strong>Die</strong> kritische Funktion des Begriffs ist in vielen öffentlichen<br />
Beiträgen längst nicht gesichert. Vielmehr entsteht der Eindruck,<br />
dass längst gängige Praktiken mit dem Etikett versehen<br />
werden, ohne dass hinter dem neuen Namensschild<br />
ein anderes Denken wohnt. Aber bei Nachhaltigkeit geht es<br />
zum einen um Gerechtigkeit zwischen Menschen und Gesellschaften,<br />
zum anderen um die Zukunftsfähigkeit von Menschen,<br />
Gesellschaften und letztlich der Menschheit.<br />
Kehrt um und glaubt<br />
An diesem Punkt mag man sich an jenes zentrale Wort Jesu<br />
erinnern, mit dem er sein öffentliches Wirken beginnt: „<strong>Die</strong><br />
Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um und glaubt<br />
an das Evangelium.“ (Mk 1,15) Wenn jede deutsche Bibel<br />
den griechischen Ruf „metanoiete“ immer mit „Kehrt um“<br />
übersetzt, ist das einerseits richtig. Andererseits könnte man<br />
das Wort auch mit „denkt nach“ oder „denkt um“ übersetzen.<br />
Dann ist dieser Ruf Jesu gleichsam ein Ausdruck für das,<br />
was Nachhaltigkeit will. <strong>Die</strong> Schöpfung ist allen Menschen<br />
gegeben, damit sie ihnen Heimat sei. Sie so zu bewahren<br />
und zu gestalten, dass sie allen Lebenden und Kommenden<br />
eine gute Heimat sei, genau das ist Nachhaltigkeit.<br />
I Dr. Thomas <strong>Die</strong>trich<br />
5
Das Thema<br />
6<br />
Nachhaltigkeit konkret<br />
Überernährung – Unterernährung<br />
Der Welternährungsbericht weist darauf hin, dass einzig eine<br />
bäuerlich geprägte Landwirtschaft – verstanden in deutlicher<br />
Abgrenzung zur industriell betriebenen Landwirtschaft – in<br />
der Lage sein wird, die Ernährung der Weltbevölkerung sicherzustellen.<br />
<strong>Die</strong> Aussage des Welternährungsberichtes beinhaltet<br />
die Befürwortung von eigenverantwortlich wahrgenommenen<br />
Ernährungsformen. Und genau das meint auch<br />
die Aussage der Verbände, dass regionale, saisonale und fair<br />
gehandelte Lebensmittel dem Anspruch der Nachhaltigkeit<br />
entsprechen.<br />
Foto: FAO (Food and Agriculture Organization of the UN)<br />
Was heißt das konkret?<br />
Nachhaltigkeit hat eine ökonomische, eine ökologische und<br />
eine soziale Dimension, auch wenn diese nicht einfach voneinander<br />
getrennt werden können.<br />
Der Verzicht auf lange Transportwege führt zu einer<br />
saisonalen Beschränkung der Speisekarte, ist aber<br />
ökologisch wichtig.<br />
Indem die Konsumenten regional einkaufen, tragen<br />
sie Sorge dafür, dass Wertschöpfung in der eigenen<br />
Nachbarschaft geschehen kann. Wertschöpfung<br />
bedeutet Einkommen für meinen Nächsten.<br />
Der Gedanke des fairen Einkaufs bringt zudem die<br />
soziale Komponente ein. Es ist unanständig, Produkte<br />
im Preis so zu drücken, dass der Produzent nicht mehr<br />
vom Ertrag leben kann. Geiz ist eben nicht geil.<br />
Lebensmittel weltweit<br />
Im letzten Jahr ist der Blick vieler Menschen auf die vielfältig<br />
praktizierte Lebensmittelvernichtung in unserer westlichen<br />
Überflussgesellschaft gerichtet worden. Mit dem „Containering“<br />
ist eine neue Bewegung entstanden: Menschen decken<br />
ihren Lebensmittelbedarf aus den Containern und Wegwerfbehältern<br />
von Lebensmittelmärkten. Eine gewisse Ähnlichkeit<br />
mit den Menschen, die in sogenannten Entwicklungsländern<br />
auf Müllhalden leben und dort nach dem für sie<br />
Lebensnotwendigen suchen, scheint hier gegeben.<br />
<strong>Die</strong> Gegensätze wachsen weltweit: Der Überernährung ganzer<br />
Gesellschaften steht der Mangel großer Teile der Menschheit<br />
gegenüber. Wer über Nachhaltigkeit nachdenkt, der wird<br />
und darf sich mit diesem Zustand nicht zufrieden geben.<br />
I Dr. Thomas <strong>Die</strong>trich
Falsche Heilsversprechen<br />
Wann verdient eine Landwirtschaft das Attribut nachhaltig?<br />
Darüber gehen die Meinungen ebenso auseinander<br />
wie bei der Frage, ob sich Effizienz und Nachhaltigkeit<br />
ausschließen. Vertreter des Forums „Grüne<br />
Vernunft“, einer Initiative von Privatpersonen, die sich<br />
für den unbeschränkten Einsatz Grüner Gentechnik<br />
einsetzt, diskutierten mit den Mitgliedern des Aktiv-<br />
Forums „Gentechnik und Biopatentierung“ der <strong>Katholische</strong>n<br />
Landvolk Bewegung (KLB) die Frage, ob der<br />
unbegrenzte Einsatz von genveränderten Organismen<br />
(GVO) nachhaltig den Hunger in der Welt stoppen<br />
kann. <strong>Die</strong> „Grüne Vernunft“ meint, dass nur durch die<br />
Zulassung der Gentechnik die Ernährung der wachsenden<br />
Weltbevölkerung gesichert werden kann. Mit<br />
öffentlichkeitswirksamen Aktionen<br />
fordert das Forum die <strong>Katholische</strong><br />
Kirche, insbesondere<br />
Erzbischof Dr. Zollitsch, auf,<br />
Stellung für den Einsatz von<br />
GVO zu beziehen. Martina<br />
Braun, die Anwältin des KLB-<br />
AktivForums, hat dazu ihre<br />
eigene Meinung:<br />
Keine grundsätzliche Ablehnung<br />
Bereits 2006 hat die KLB zusammen mit dem elsässischen<br />
Landvolk die „Kriterien von Hohritt“ entwickelt.<br />
Damals wie heute wollen wir Grüne Gentechnik<br />
nicht rundweg ablehnen, sondern mit einer „Messlatte“<br />
diese Technik auf ihre Tauglichkeit überprüfen. Sind Anbaufreiheit,<br />
Umkehrbarkeit, unabhängige Forschung,<br />
der Nachbau lokaler und traditioneller Nutzpflanzen<br />
sowie umfassende Information der Landwirte gegeben<br />
und ist sie ohne kostengünstigere Alternative, kann sie<br />
als tauglich angesehen werden. Aber nur dann!<br />
<strong>Die</strong> Agro-Gentechnik hält dieser Prüfung nicht stand.<br />
Deshalb konnten uns die Argumente der Vertreter des<br />
Forums „Grüne Vernunft“ nicht überzeugen. Ein Hauptargument<br />
der Befürworter für den schnellstmöglichen<br />
Einsatz Grüner Gentechnik ist der Welthunger. Der<br />
Weltagrarbericht 2011 hat dagegen sehr detailliert<br />
die Gründe für den Hunger auf dieser Erde und die<br />
Lösungsansätze aufgezeigt. Nicht Gentechnik, sondern<br />
Subsistenzwirtschaft, also regionale Selbstversorgung,<br />
ist der Schlüssel für die Minderung des Hungerproblems.<br />
Weitsichtiges Handeln<br />
KLARTEXT<br />
<strong>Die</strong> Forderung der „Grünen Vernunft“, beim konventionellen<br />
Saatgut eine Toleranzgrenze über Null Prozent<br />
für gentechnisch veränderte Organismen (GVO)<br />
einzuführen, würde die Schleusen für die Agro-Gentechnik<br />
öffnen. Da die Unbedenklichkeit der GVO keinesfalls<br />
belegt ist, dürfen wir kein Einfallstor öffnen.<br />
Nachhaltigkeit heißt, Verantwortung für nachfolgende<br />
Generationen durch weitsichtiges Handeln zu übernehmen<br />
und nicht durch Risikobereitschaft zu gefährden.<br />
Wir sollten all unsere Energie darauf verwenden, weltweit<br />
eine Landbewirtschaftung zu etablieren, die standortangepasst,<br />
mit Hilfe regionaler Ressourcen und<br />
dem Know-How der Menschen vor Ort die Ernährung<br />
sicher stellt, anstatt uns auf Heilsversprechen großer<br />
Agro-Chemiekonzerne zu verlassen.<br />
7
Das Thema<br />
8<br />
Nachhaltigkeit in der Partnerschaftsarbeit<br />
Engagement mit einem langen Atem<br />
Viele Jahre schon bestehen die Kontakte der <strong>Katholische</strong>n<br />
Landvolk Bewegung (KLB) zu Menschen im indischen Bundesstaat<br />
Andra Pradesh. Ausgehend von einer Partnerschaft der<br />
Landjugend werden hier ländliche Entwicklungsprojekte unterstützt.<br />
Eine enge Partnerschaft verbindet auch das Bildungshaus<br />
Kloster St. Ulrich mit der Gemeinde Segundo<br />
Montes in El Salvador. Rudi Reitinger, deutscher Projektkoordinator<br />
in El Salvador, reflektiert seine persönlichen Erfahrungen<br />
dazu für die <strong>Landzeit</strong>:<br />
Das richtige Selbstverständnis<br />
Trotz zum Teil großer Unterschiede geschieht unsere Arbeit<br />
ebenbürtig und auf Augenhöhe. Sehr wichtig für das Erblühen<br />
des jungen Pflänzchens war, dass die Partnerschaft nicht<br />
mit Patenschaft verwechselt wurde. Partnerschaft bedeutet<br />
gegenseitiges Geben und Nehmen, das sich nicht auf finanzielle<br />
Zuwendungen beschränkt.<br />
Persönlicher Kontakt<br />
Eine tragfähige Partnerschaft lebt von direktem Kontakt.<br />
Nach dem ersten Besuch der deutschen Gruppe in El Salvador<br />
war es schwierig, den Kontakt aufrecht zu erhalten. Es<br />
gab kein Telefon, geschweige denn Internetanschluss. Der<br />
Postweg war unzuverlässig oder auf Wochen angelegt. Hinzu<br />
kam, dass keiner die Sprache des anderen beherrschte.<br />
<strong>Die</strong> neuen Medien und die inzwischen erworbenen Spanischkenntnisse<br />
erleichtern heute vieles. Im Laufe der letzten 20<br />
Jahre kam es immer wieder zu gegenseitigen Besuchen. Sie<br />
tragen dazu bei, einander vorurteilslos und wertfrei zu begegnen.<br />
Kontinuität<br />
Partnerschaftsarbeit braucht Kontinuität. Im Laufe der Jahre<br />
mussten wir immer wieder erleben, dass sich andere Partnergruppen<br />
nach einer Zeit des engagierten Einsatzes plötzlich<br />
kaum noch meldeten. Anders die Gruppe aus St. Ulrich, auf<br />
diese war und ist Verlass. Einer der Gründe liegt im Volontarioprogramm,<br />
welches jungen Menschen ermöglicht, eine Zeit<br />
in der südamerikanischen Gemeinde zu leben. Viele von ihnen<br />
engagieren sich später daheim, bringen ihre Begeisterung<br />
und Erfahrung ein und motivieren andere zu neuen Aktionen.<br />
Investieren in Projekte<br />
Menschen in Deutschland können und wollen die Augen vor<br />
der Not in Ländern wie El Salvador nicht verschließen. In<br />
Projekte zu investieren die Bildung ermöglichen, Gesundheit<br />
fördern oder Einkommensquellen eröffnen, bedeutet, aus<br />
dem Teufelskreis der Armut auszusteigen.<br />
I Christiane Röcke
Nachhaltige Bildung<br />
Bildung ist lebenslanges Lernen<br />
Inhalte und Methoden der <strong>Katholische</strong>n Landverbände und<br />
Einrichtungen wollen Menschen ganzheitlich erreichen. <strong>Die</strong><br />
Diskussion um Nachhaltigkeit wird geführt. Umfassender als<br />
eine rein kognitive Wissensvermittlung wird ein Prozess des<br />
Lernens angestrebt, der persönliches Erleben fördert und die<br />
Einordnung in den Kontext des Lebens ermöglicht.<br />
Zum Christsein motivieren und Kompetenzen schulen<br />
Kirchliche Erwachsenenbildung will die Kenntnisse und Fähigkeiten<br />
der Menschen erweitern und vertiefen, damit diese<br />
den Anforderungen des Lebens gerecht werden. Mit allgemeiner,<br />
beruflicher und politischer Weiterbildung und Kompetenzerweiterung<br />
motivieren die Angebote zum Leben als<br />
Christ/in.<br />
Persönlichkeitsbildung<br />
Hilfe geben zur persönlichen Reife, Wert- und Sinnorientierungen<br />
aus Evangelium und humanistische Psychologie anbieten,<br />
Lernprozesse fördern: <strong>Die</strong> angebotenen Kurse begleiten<br />
persönliche Lebens- und Glaubensentscheidungen. Der<br />
geschützte Rahmen von Seminaren ermöglicht dabei eine<br />
tiefgehende Auseinandersetzung mit den eigenen Themen.<br />
Konfliktbewältigung und Hilfe zum Gespräch<br />
Konflikte treten auf, wo Menschen einander begegnen. Um<br />
die Gesetze der Konfliktentwicklung zu durchschauen, Automatismen<br />
steuern zu können und Lösungen zu erproben,<br />
bieten die kirchlichen Bildungsträger Seminare zu Gesprächsführung<br />
und Konfliktbewältigung an. Ziel ist es, die Menschen<br />
im Dialog zu halten und auch den eigenen Glaubensstandpunkt<br />
zu klären beziehungsweise zu erweitern.<br />
Überwindung von Einsamkeit oder Angst, Wissensvermittlung,<br />
Stiften von Gemeinschaftssinn, Lebenssinn und Vertrauen:<br />
Was in die Lebensentwürfe der Menschen aufgenommen<br />
werden kann oder was als Beitrag zur Interpretation des<br />
eigenen Schicksals dienen kann, dient den Menschen als<br />
nachhaltiger Beitrag zum Leben. <strong>Die</strong> kirchlichen Bildungsträger<br />
verstehen nachhaltige Bildung als lebenslanges Lernen.<br />
I Susanne Jörger<br />
Lernen mit allen Sinnen – Teilnehmerinnen einer Auszeit der<br />
<strong>Katholische</strong>n <strong>Landfrauenbewegung</strong>.<br />
9
Das Landvolk<br />
10<br />
Rückblick<br />
Von der geteilten Freude<br />
Vom Teilen ist in einer solidarischen Gesellschaft,<br />
in der wir doch alle leben wollen, häufig die Rede.<br />
Wir teilen unsere Güter, damit auch die Schwächeren<br />
eine faire Chance haben, in den Familien und unter<br />
Freunden teilen wir Freud und Leid und sprechen davon,<br />
dass sich die Freude so verdoppelt und das Leid<br />
halbiert. Am Tisch und im Gottesdienst teilen wir das<br />
Brot und in der Gemeinschaft schenken wir uns Zeit, indem<br />
wir sie miteinander teilen. Wie hält es ein kirchlicher<br />
Verband wie die <strong>Katholische</strong> Landvolk Bewegung (KLB)<br />
mit dem Teilen? Ein Blick auf die Veranstaltungen der<br />
letzten Wochen und Monate kann Aufschluss bringen.
Der Soldat Martin zerschnitt in einer kalten Nacht des Jahres<br />
334 n. Chr. seinen Mantel, um ihn mit einem armen frierenden<br />
Menschen zu teilen. Es war Christus, dem er geholfen<br />
hatte. Später wurde Martin Bischof von Tours, heute ist er<br />
ein Heiliger. Eine Legende, die bis heute so aktuell ist, dass<br />
landauf landab Kinder bei Martinsumzügen davon hören.<br />
Grund genug für die Verantwortlichen der Familienarbeit am<br />
Tuniberg einen Nachmittag zu Sankt Martin zu veranstalten,<br />
zu dem sie nach Rheinhausen-Oberhausen „ausgewandert“<br />
sind. Es wurde gebacken, gesungen, gespielt, und Kinder<br />
und Erwachsene hörten so manches Wissenswertes über den<br />
berühmten Heiligen und das dazugehörige Brauchtum.<br />
Musik, Spiele und viel Wissenswertes zum Heiligen Martin gab<br />
es beim KLB-Familiennachmittag in Rheinhausen-Oberhausen.<br />
Familienangebote ausgefallen<br />
Sich als Familie Zeit zu schenken und zu teilen ist neben der<br />
inhaltlichen Themenstellung ein wichtiges Anliegen aller Familienangebote<br />
in der KLB. Umso bedauerlicher, dass in der<br />
Ortenau mehr und mehr solcher Angebote mangels Teilnehmer<br />
ausfallen, so das Familien-Wochenende im Sommer, die<br />
Spirituelle Familienwanderung im Herbst und der voradventliche<br />
Nachmittag im November. Über die Gründe für das geringe<br />
Interesse gibt es geteilte Meinungen.<br />
Unterschiedliche Meinungen innerhalb eines Verbandes wie<br />
der KLB, aber auch in der Diskussion der KLB mit anderen<br />
Gruppierungen und Organisationen, gehören zum demokratischen<br />
Grundprinzip in einer freien Gesellschaft. So kam das<br />
AktivForum Gentechnik und Biopatentierung im Gespräch<br />
mit Vertretern des Forums „Grüne Vernunft“, das den uneingeschränkten<br />
Einsatz Grüner Gentechnik propagiert, nicht<br />
auf einen gemeinsamen Nenner – auch wenn das Grundanliegen,<br />
die ausreichende Ernährung der wachsenden Weltbevölkerung,<br />
das gleiche ist. Umso erfreuter ist man in der KLB,<br />
dass sich das Land Baden-Württemberg mit einem festlichen<br />
Akt zur gentechnikfreien Region erklärt hat. Ob die KLB mit<br />
ihrem Engagement auch ihren Teil dazu beigetragen hat?<br />
Teilung überwinden<br />
Teilung kann auch schmerzhaft sein. Wie das ehemals geteilte<br />
Europa zusammen wächst, wie Teilung konkret überwunden<br />
werden kann, zeigt die Freundschaft zwischen der<br />
KLB und dem CMR, dem französischen Landvolk. Traditionell<br />
gab es im September eine gemeinsame Wanderung, diesmal<br />
im elsässischen Kutzenhausen.<br />
Kinder teilen Zeit mit ihren Vätern. Das nicht nur für einige<br />
Stunden auf dem Fußballplatz am Wochenende, sondern bei<br />
einem gemeinsamen KLB-Zeltlager über fünf Tage. <strong>Die</strong> Nachfrage<br />
danach ist enorm (siehe Seite 12).<br />
Wissen und Erfahrungen mit-teilen und weitergeben, auch<br />
das gehört zu einem Verband wie der KLB und wird bei den<br />
Veranstaltungen in die Tat umgesetzt. So auch bei einem<br />
neuen Angebot, dem Sonntagskochen in St. Ulrich. Dabei<br />
landet Regionales und Saisonales im Topf. Speis und Trank<br />
werden an einer großen Tafel geteilt. Der Spaß beim Kochen<br />
und der Genuss beim gemeinsamen Mahl sind mindestens<br />
doppelt so groß wie allein zuhause. Denn geteilte Freude ist<br />
doppelte Freude … I Norbert Mittnacht<br />
11
Das Landvolk<br />
12<br />
Zeltlager für Männer und ihre Kinder<br />
Vaterfreuden unter freiem Himmel<br />
Eine Erfolgsgeschichte ist das Väter-Kinder-Zeltlager der<br />
<strong>Katholische</strong>n Landvolk Bewegung (KLB), das seit 2006 jährlich<br />
in den Sommerferien stattfindet. Nicht nur was die Teilnehmerzahl<br />
angeht (das Lager ist mit 50 Männern, Jungen<br />
und Mädchen immer ausgebucht), sondern auch hinsichtlich<br />
der positiven Rückmeldungen der Teilnehmer. „<strong>Die</strong> Gemeinschaft<br />
und das harmonische Miteinander sind ein tolles Erlebnis“,<br />
sagt Joachim Grumer, der jedes Mal mit Sohn Marius,<br />
später auch mit Tochter Lisa und dem kleinen Simon dabei<br />
war. Vor allem die Kinder sind es, die den 51-jährigen immer<br />
wieder motivieren, mitzugehen. „Es gefällt den dreien, wenn<br />
sie den Papa mal nur für sich haben“, meint der Zeltlager-<br />
Stammgast.<br />
Alle sind gefordert<br />
Fünf Tage wird bei Sonne und Regen, bei Hitze und Sturm in<br />
Zelten übernachtet, unter freiem Himmel gekocht, zur Gitarre<br />
gesungen und am Feuer gegrillt. Auf dem Programm stehen<br />
Ausflüge in die Umgebung, Spiele sowie Angebote zum Basteln<br />
und Bauen. Alle sind gefordert, ihren Teil zum Gelingen<br />
beizutragen. Daneben gibt es viel Freiraum für die einzelnen<br />
Familien. Und die einzigartige Möglichkeit, dass sich Väter<br />
und Kinder neu kennenlernen und gemeinsame Erfahrungen<br />
machen.<br />
Während die klassischen Familienangebote der KLB immer<br />
wieder ausfallen, können beim Väter-Kinder-Lager gar nicht<br />
alle Interessenten mitgenommen werden. „Bei einem solchen<br />
Lager können sich die Männer stärker als im Alltag in ihrer<br />
Rolle als Vater entdecken und zu ihren Kindern emotionale<br />
Nähe aufbauen“, erklärt Michael Rodiger-Leupolz, Leiter des<br />
Männerreferates im Erzbistum, den Boom solcher Veranstaltungen.<br />
Für Joachim Grumers Ehefrau Susanne ist es wichtig,<br />
„dass Mann und Kinder gemeinsam etwas erleben.“ Wie<br />
bei manch anderen ist sie für die Anmeldung verantwortlich.<br />
Damit da auf keinen Fall etwas schief geht und Mann<br />
und Kinder dann zuhause bleiben müssen.<br />
Hoher Aufwand<br />
Das Lager ermöglichen derzeit Johannes Osner, Patrick Berg,<br />
Uli Förderer und Werner Lauber. Sie haben ihre eigenen Kinder<br />
dabei, sind damit in der Doppelbelastung, Verantwortung<br />
für ihre Kinder und gleichzeitig für das Gesamte zu tragen.<br />
Nicht nur das, bis alles vorbereitet und das Material gerichtet<br />
ist, vergeht viel Zeit. „Der Aufwand ist hoch“, sagt Johannes<br />
Osner. <strong>Die</strong> Freude der eigenen Kinder und die positiven<br />
Rückmeldungen der Teilnehmer entschädigen jedoch für die<br />
Arbeit und motivieren immer wieder von Neuem. Joachim Grumer<br />
ist froh über für dieses Engagement: „Das Väter-Kinder-<br />
Zeltlager ist etwas Besonderes.“ I Norbert Mittnacht<br />
Gemeinsam mit Papa das Leben genießen: Das Väter-Kinder-<br />
Zeltlager ist eine beliebte Veranstaltung.
Johannes Osner leitet das Väter-Kinder-Lager<br />
Papa als Trostspender gefragt<br />
Johannes Osner aus Ettenheimweiler<br />
gehört seit 2007 zum Leitungsteam<br />
des Väter-Kinder-Zeltlagers der <strong>Katholische</strong>n<br />
Landvolk Bewegung (KLB).<br />
Mit dabei von Beginn an seine Tochter<br />
Luise, später dann auch Helene.<br />
Norbert Mittnacht sprach mit dem<br />
43-jährigen über seine reichhaltigen<br />
Erfahrungen mit dem außergewöhnlichen<br />
Sommerlager.<br />
<strong>Landzeit</strong>: Das Väter-Kinder-Zeltlager der KLB boomt. Wie<br />
erklärst Du Dir diesen Erfolg?<br />
Es gibt im Gegensatz zu den zahlreichen Veranstaltungen für<br />
Männer wohl nur wenige Freizeitangebote, die sich gezielt an<br />
Väter gemeinsam mit ihren Kindern richten. Gut angenommen<br />
wird auch, dass es sich hier nicht um ein Kinderlager<br />
handelt, bei denen die Väter als Aufsichtspersonen dabei<br />
sind, sondern dass wir den Anspruch haben, ein Programm<br />
auf die Beine zu stellen, das auch den Vätern gerecht wird.<br />
<strong>Landzeit</strong>: Wie setzt ihr diesen Anspruch um?<br />
<strong>Die</strong> Werkangebote, das Basteln, das gemeinsame Kochen und<br />
auch die Wander- und Besichtigungstouren sprechen immer<br />
auch die Erwachsenen an. Bei allem lassen wir aber auch<br />
den Freiraum, dass Vater und Kind bzw. Kinder sich ihre Zeit<br />
gemeinsam selbst gestalten können. Das kommt sehr gut an.<br />
Wann steht im Alltag denn sonst ein Vater seinen Kindern<br />
über solch einen langen Zeitraum nahezu uneingeschränkt<br />
zur Verfügung?<br />
<strong>Landzeit</strong>: Was ist für Dich außerdem das Besondere an diesen<br />
Lagern?<br />
<strong>Die</strong> Väter und ihre Kinder erleben hier in gewisser Weise Extremerfahrungen<br />
außerhalb ihres Alltags. Auch wenn es tagelang<br />
regnet und das Zelt unter Wasser steht, geht die Welt<br />
nicht unter. Kein Kind weint deswegen, kein Vater regt sich<br />
übers Wetter auf. Man packt zu, hilft sich gegenseitig und<br />
ist am Ende stolz, das alles gemeinsam erlebt zu haben. Das<br />
schweißt zusammen. Außerdem erleben viele Kinder ihre<br />
Väter neu als Bezugspersonen, wenn die Mama nicht da ist.<br />
Dann geht’s bei Trauer oder Schmerz eben zum Papa.<br />
<strong>Landzeit</strong>: Wie erlebst Du die Väter?<br />
Sehr unterschiedlich. Manche gehen sehr routiniert mit ihren<br />
Kindern um, andere reiben sich und es wird deutlich, dass sie<br />
diesen intensiven Umgang mit ihren Kindern aus dem Alltag<br />
nicht gewohnt sind. Deutlich wird auch, wie sehr es den<br />
Vätern gut tut, Gleichgesinnte zu treffen. Es entstehen neue<br />
Freundschaften.<br />
<strong>Landzeit</strong>: Und die Kinder vermissen ihre Mütter?<br />
Sie genießen es, dass ihr Papa rund um die Uhr für sie zur<br />
Verfügung steht. Außerdem erleben sie, dass im Lageralltag,<br />
beim Werken, Essen, bei der täglichen Hygiene Dinge möglich<br />
sind, die ansonsten nicht gehen, wenn die Mutter dabei<br />
ist. So ein Lager hat einfach einen besonderen Charakter dadurch,<br />
dass keine Frauen da sind.<br />
13
14<br />
M E N S C H E N I N D E N L A N D V E R B Ä N D E N<br />
In loser Folge stellen wir Menschen vor, die in den Landverbänden<br />
wichtige und segensreiche Arbeit leisten,<br />
und dabei oft im Verborgenen wirken.<br />
Der Austausch ist sehr bereichernd<br />
Ulrike Moser ist seit 2005 Mitglied der<br />
<strong>Katholische</strong>n Landvolk Bewegung (KLB).<br />
<strong>Die</strong> 38-jährige Verwaltungsfachangestellte<br />
aus Überlingen-Bonndorf ist Ansprechpartnerin<br />
für das Junge Landvolk<br />
Bodensee-Hohenzollern-Meßkirch und<br />
koordiniert die Aktivitäten dieser Gruppe.<br />
Außerdem ist sie Mitglied des Aktiv-<br />
Forums Bruder Klaus. Norbert Mittnacht<br />
sprach mit Ulrike Moser über ihr Engagement in der KLB.<br />
<strong>Landzeit</strong>: Wie bist Du zur KLB gekommen?<br />
In meinem Herkunftsort Hohenfels-Liggersdorf gibt es eine<br />
KLJB-Gruppe, in der ich mich engagierte. So wurde ich auf<br />
überörtliche Veranstaltungen der Landjugend aufmerksam.<br />
Ich durfte die KLJB Freiburg bei der Bundesversammlung vertreten<br />
und kam dadurch zur Mitarbeit in einem Bundesarbeitskreis.<br />
Damals erkannte ich, dass die Verbandsarbeit sehr<br />
wichtig ist für die Kirche. Sie lebt von den Menschen, die sich<br />
für den Verband in ihrer persönlichen Art und Weise engagieren.<br />
So war es für mich dann selbstverständlich, mich in<br />
einem kirchlichen Erwachsenenverband einzubringen.<br />
<strong>Landzeit</strong>: Was sind Deine Aufgaben im Jungen Landvolk<br />
Bodensee-Hohenzollern-Meßkirch?<br />
Ich koordiniere die Jahresplanung der Gruppe, außerdem organisiere<br />
ich hin und wieder selbst ein Treffen und übernehme<br />
dessen inhaltliche Gestaltung. Zudem vertrete ich die Gruppe<br />
bei der Diözesanversammlung und beim Diözesanforum.<br />
<strong>Landzeit</strong>: Was ist Deine Motivation, Dich in der KLB zu engagieren?<br />
Ich finde den Austausch zwischen den Mitgliedern der KLB<br />
sehr spannend, bereichernd und beeindruckend. <strong>Die</strong> KLB ist für<br />
mich ein Verband, in dem sich Menschen unterschiedlichen<br />
Alters, mit unterschiedlichen beruflichen und familiären Hintergründen<br />
und Lebenssituationen begegnen, austauschen und<br />
sich einbringen.<br />
<strong>Landzeit</strong>: Welches Erlebnis oder welche Veranstaltung in<br />
der KLB hat Dich besonders bewegt?<br />
Es gibt viele Veranstaltungen der KLB, die mich bewegt haben<br />
und bewegen, seien es die Treffen meiner Gruppe, die Familienwanderungen<br />
am Bodensee, die Veranstaltungen des Bezirkes<br />
Linzgau, die Einweihung des Lebensweges in St. Ulrich mit<br />
der Begegnung mit Pater Banz, dem inzwischen verstorbenen<br />
Bruder-Klausen-Kaplan. Jeder Austausch im AktivForum Bruder<br />
Klaus, in der Diözesanversammlung oder im Diözesanforum<br />
ist für mich sehr bereichernd.<br />
<strong>Landzeit</strong>: Welche Themen und Aktivitäten der KLB hältst<br />
Du in Zukunft für wichtig?<br />
Dass sich Menschen begegnen und gemeinsam Spiritualität<br />
erlebbar wird. Auch der Einsatz für die Bewahrung der<br />
Schöpfung ist wichtig, ebenso Bildungsangebote für Jung<br />
und Alt und das Engagement für die Landpastoral. Dabei<br />
sollte sich die KLB aber auch immer mit anderen Verbänden<br />
und Institutionen in Kirche und Gesellschaft vernetzen.
Neue Ideen im AktivForum<br />
Schlemmen mit regionalen Produkten<br />
Seit vielen Jahren konzentrieren sich die Mitglieder des<br />
AktivForums Regionaler Einkauf der <strong>Katholische</strong>n Landvolk<br />
Bewegung (KLB) darauf, kirchliche Bildungshäuser dazu zu<br />
bewegen, auf regionale und saisonale Küche umzustellen<br />
und sie dabei zu unterstützen. So denkt man derzeit im Tagungshaus<br />
der St.-Lioba-Schwestern im Freiburger Stadtteil<br />
Günterstal darüber nach, diesen Schritt zu gehen und lässt<br />
sich von den Expert/innen der KLB beraten.<br />
Inzwischen hat das AktivForum jedoch mehr und mehr ein<br />
Betätigungsfeld entdeckt, das auf großes Interesse, insbesondere<br />
bei jungen Menschen, stößt: Kochkurse mit regionalen<br />
Produkten. Los ging es 2010 beim Jubiläum zum 60-jährigen<br />
Bestehen der <strong>Katholische</strong>n Landjugendbewegung (KLJB), als<br />
Ingrid Kümpflein angefragt wurde, einen Workshop zum klugen<br />
und nachhaltigen Konsum zu leiten. „Ob ich das kann?“,<br />
fragte sie sich und dachte zuerst an einen Vortrag. Aber ob das<br />
Jugendliche interessiert? Eher weniger. Und die Anwältin des<br />
AktivForums hatte die Idee, das weiter zu geben, was sie selbst<br />
am besten kann, nämlich Kochen. Gesagt, getan. Nun aber<br />
ein neues Problem: Es meldeten sich 70 Landjugendliche an,<br />
Platz war aber nur für 17. Spätestens da war der begnadeten<br />
Köchin klar, dass ihre Idee ein Erfolgsmodell werden könnte.<br />
40 Stunden kochen<br />
<strong>Die</strong> nächste Anfrage kam vom Referat „Junge Erwachsene“<br />
im Erzbischöflichen Seelsorgeamt. <strong>Die</strong> Idee diesmal: Unter<br />
dem Titel „40 Stunden kochen“ ein ganzes Wochenende zu gestalten<br />
und den jungen Frauen und Männern zu zeigen, was<br />
mit regionalen Produkten in der Küche gezaubert werden<br />
kann. Es folgten zwei weitere Wochenenden, „an denen wir<br />
voller Freude gekocht, geschlemmt und immer wieder neue<br />
Rezepte ausprobiert haben“, ist Ingrid Kümpflein begeistert.<br />
Ihr neuestes Projekt: Sonntagskochen in St. Ulrich, gemeinsam<br />
mit der dortigen Küchenleiterin Anita Müller. „Unsere<br />
Zeit braucht wieder Rituale“, sagt Ingrid Kümpflein. Dazu<br />
gehöre ein ordentliches Essen am Sonntag. Schließlich hält<br />
Essen Leib und Seele zusammen. Ingrid Kümpflein schmunzelt:<br />
„Für die Seele kann man vorher noch zur Kirche gehen,<br />
dann aber zusammen kochen.“ I Norbert Mittnacht<br />
TERMINVORSCHAU<br />
Das nächste Sonntagskochen findet am 20. Januar<br />
2013 im Bildungshaus Kloster St. Ulrich statt.<br />
Mit Leidenschaft erläutert Ingrid<br />
Kümpflein (rechts) bei ihren Kursen<br />
die Vorzüge der regionalen Küche.<br />
15
Das Landvolk<br />
16<br />
KLB Termine<br />
12./13. Januar 2013<br />
Impulstage<br />
Ein spirituelles Angebot für Mitglieder der KLB<br />
Bildungshaus Kloster St. Ulrich<br />
Leitung: Diözesanleitung der KLB<br />
20. Januar 2013<br />
Sonntagskochen in St. Ulrich<br />
„Regionales und Saisonales im Topf“<br />
Bildungshaus Kloster St. Ulrich<br />
Leitung: Ingrid Kümpflein (AktivForum Regionaler Einkauf),<br />
Anita Müller (Küchenleiterin St. Ulrich)<br />
Gerlachsheimer Mon(d)tage<br />
„Von der Kunst, das Leben zu teilen“<br />
Eine Vortragsreihe zu sozialen Netzwerken<br />
in einer sich wandelnden Gesellschaft<br />
28. Januar 2013<br />
„Was tun, wenn ich älter werde?“<br />
Referentin: Ingrid Engelhart, Vorsitzende und<br />
Geschäftsführerin SPES e.V., Freiburg<br />
25. Februar 2013<br />
„Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind<br />
zu erziehen“<br />
Referentin: Ursula Müller-<strong>Die</strong>trich, Erziehungs- und<br />
Familienberatungsstelle Caritasverband<br />
Neckar-Odenwald-Kreis<br />
Jeweils um 19:30 Uhr in Lauda-Gerlachsheim, Josefshaus<br />
Ortenauer Forum<br />
„Über die Schwelle gehen …“<br />
Eine Vortragsreihe zu inneren und äußeren Blockaden<br />
und dem Mut, sie zu überwinden<br />
21. Januar 2013<br />
„Meine engen Grenzen, meine kurze Sicht, …“<br />
Referent: Gerhard Bernauer, Pfarrer im Ruhestand,<br />
Offenburg<br />
18. Februar 2013<br />
„Alles erlaubt?“<br />
Referent: Thile Kerkovius, ehemaliger Leiter des<br />
Hospizes Maria Frieden, Oberharmersbach<br />
19. März 2013<br />
„<strong>Die</strong> Zukunft unserer Gemeinden“<br />
Referent: Pfarrer Dr. Wilhelm Schäffer, Beauftragter<br />
für Evangelisierung und geistliche Gemeindeerneuerung<br />
Jeweils um 20 Uhr in Ortenberg, Kath. Gemeindehaus
09./10. März 2013<br />
Diözesanversammlung<br />
Bildungshaus St. Ulrich<br />
Leitung: Diözesanleitung der KLB<br />
14. April 2013<br />
Seminartag von CMR und KLB<br />
Breisach und Neuf-Brisach<br />
Leitung: Mechtild Fehrenbacher (AktivForum CMR-KLB)<br />
20. bis 26. Mai 2013<br />
Pilgerreise nach Assisi<br />
„Alles beginnt mit der Sehnsucht“<br />
Leitung: Norbert Mittnacht (Diözesanreferent KLB),<br />
Dr. Thomas <strong>Die</strong>trich (Landvolkpfarrer)<br />
09. Juni 2013<br />
Ein Angebot für Familien<br />
Spirituelle Bootstour und Wanderung<br />
in den Rheinauen<br />
Rheinhausen<br />
Leitung: Elisabeth Rothenberger,<br />
Norbert Mittnacht (Diözesanreferent KLB)<br />
27. Juli bis 10. August 2013<br />
Wallfahrt auf dem Jakobsweg<br />
Unterwegs 13<br />
Von Marsolan nach St.-Jean-Pied-de-Port (Frankreich)<br />
Leitung: Benedikt Schalk, Anne Deißler, Ralf Gartner,<br />
Angelika Haaf, Margot Mayer (alle AktivForum<br />
Jakobsweg)<br />
27. bis 31. Juli 2013<br />
Familienangebot<br />
Zeltlager für Kinder und Väter<br />
Camping Rüttehof, Rickenbach<br />
Leitung: Johannes Osner, Werner Lauber, Patrick Berg,<br />
Uli Förderer<br />
13. August 2013<br />
Kräuterbüschel binden zu Mariä Himmelfahrt<br />
Oberrimsingen<br />
Leitung: N.N., Bettina Kern und Team<br />
17
<strong>Die</strong> Landfrauen<br />
18<br />
Rückblick<br />
Im Einklang sein<br />
Leben im Einklang mit unseren Wünschen und Bedürfnissen,<br />
mit Gott, den Mitmenschen, mit der Natur – das ist ein Ziel,<br />
das wir anstreben. Dann fühlen wir uns wohl, sind zufrieden,<br />
manchmal sogar glücklich.<br />
Da aber zur Erreichung dieses Zieles viele Faktoren<br />
eine Rolle spielen, ist der Zustand des Glücks meist<br />
nur von kurzer Dauer und der Einklang ist schnell<br />
wieder verloren. Dann meldet sich die Sehnsucht<br />
wieder, bis der Einklang sich wieder einstellt<br />
und eine Woge des Glücks uns bestenfalls<br />
davon trägt …
Viele Angebote der <strong>Katholische</strong>n <strong>Landfrauenbewegung</strong> (KLFB)<br />
geben der Sehnsucht nach einem gelingenden Leben Raum.<br />
Einige, die im vergangenen halben Jahr stattgefunden haben,<br />
können unter eine entsprechende Überschrift gestellt werden.<br />
Schulungen zum besseren Umgang miteinander<br />
Konflikte sollte man lösen, bevor sie eskalieren. <strong>Die</strong>s ist die<br />
Botschaft der Beratungsschulung, an der 30 Mitglieder der<br />
KLFB teilnahmen. Mediation ist ein Verfahren, deren wichtigste<br />
Grundidee die Eigenverantwortlichkeit der Konfliktparteien<br />
ist. Es gibt eine/n Mediator/in, der/die verantwortlich<br />
für den Prozess ist. <strong>Die</strong> Parteien sind verantwortlich<br />
für den Inhalt. Dahinter steht der Gedanke, dass die Beteiligten<br />
eines Konflikts selbst am besten wissen, wie dieser zu<br />
lösen ist, und vom Mediator/der Mediatorin nur hinsichtlich<br />
des Weges dorthin Unterstützung benötigen.<br />
Ein Vortrag im Rahmen der Fortbildung für Einsatzleiterinnen<br />
der Nachbarschaftshilfe griff das Thema Burnout auf.<br />
Es wurden Informationen vermittelt, um dieses Ausgebranntsein<br />
zu vermeiden oder frühzeitig zu erkennen, wenn Menschen<br />
in helfenden Berufen gefährdet sind.<br />
In guter Verbindung<br />
Wer im Einklang mit der Natur sein will, muss sie verstehen<br />
und deuten können. <strong>Die</strong> Auszeit in den Sommerferien bot<br />
dazu reizvolle Übungsfelder in der schönen Landschaft um<br />
Oberkirch.<br />
In Einklang zu kommen mit sich als Frau und dem eigenen<br />
Körper, sich wohl zu fühlen durch eine gute Gestaltung der<br />
eigenen Lebenszeit – dazu halfen die Impulse der beiden<br />
Auszeiten, bei denen Frauen und Kinder in den Herbstferien<br />
dabei waren.<br />
Hilfe zum Leben in Krankheit und Alter<br />
Vier Altenhilfekurse, zwei Seminare zur Leitung von Nachbarschaftshilfevereinen<br />
und zwei Seminare zum Umgang<br />
mit demenzerkrankten Menschen boten praktische Hilfe für<br />
Betroffene und Angehörige, um die Herausforderungen von<br />
Krankheit und Alter zu bewältigen. Neugründungen von<br />
Nachbarschaftshilfevereinen in zwei Gemeinden sind Hoffnungszeichen<br />
für die Erhaltung von Lebensqualität in den<br />
Dörfern.<br />
Im Einklang mit der Aufgabe<br />
Bei der Diözesanversammlung der KLFB stellten<br />
sich fast alle bisherigen Mitglieder wieder<br />
zur Vorstandswahl. Ausgeschieden ist Maria<br />
Kitt-Hönig aus Owingen, neu ins Team gewählt<br />
wurde Elisabeth Eberenz-Mössner aus<br />
Bollschweil. I Susanne Jörger<br />
Der neue Diözesanvorstand der KLFB (von<br />
links): Elke Heizmann, Ingrid Kümpflein, Maria<br />
Hensler, Christel Erbacher, Elisabeth Eberenz-<br />
Mössner, Monika Kenk, Dr. Thomas <strong>Die</strong>trich.<br />
Es fehlt Karola Rohrer.<br />
19
<strong>Die</strong> Landfrauen<br />
20<br />
Diözesanversammlung der <strong>Katholische</strong>n <strong>Landfrauenbewegung</strong><br />
Wenn die Kirche im Dorf bleibt<br />
Auf die Teilnehmerinnen der Diözesanversammlung warteten<br />
spannende Inhalte. <strong>Die</strong> Vortragsthemen sowie das Positionspapier,<br />
das verabschiedet werden sollte, boten Stoff zum<br />
Nachdenken und zum Gespräch.<br />
„Erinnerung an die Zukunft “<br />
Mit diesem Titel war der Vortrag zum II. Vatikanischen Konzil<br />
von Dr. Thomas <strong>Die</strong>trich überschrieben. Er führte aus, was das<br />
Anliegen des Konzils gewesen war: Ein Drittel der Menschheit<br />
lebte unter atheistischen Systemen, in den traditionell<br />
christlichen Ländern waren nur noch etwa 30 Prozent prakti-<br />
Mitglieder beim Mitdenken.<br />
zierende KatholikInnen. Papst Johannes XXXIII. war als Übergangspapst<br />
im Alter von 77 Jahren gewählt worden. Er spürte<br />
die Fragen der Zeit, die Stimmung für Reformen und das<br />
Bedürfnis der Menschen nach Dezentralisierung, den Überdruss<br />
gegenüber kirchlichem Druck. Johannes XXXII. war<br />
überzeugt, dass die Führung des Geistes sich in den zu erwartenden<br />
Konflikten durchsetzen würde. Er hatte die Einstellung,<br />
dass die Welt nicht die Sammlung der Feinde Gottes,<br />
sondern eine fragende Welt war, der die Kirche Antworten<br />
geben wollte.<br />
Akzente des Konzils<br />
Leitendes Bild des Konzils wurde das der Kirche als „Volk<br />
Gottes“, das unterwegs ist. Von einer priesterzentrierten<br />
Sicht der Kirche wechselt die Perspektive zu einer Kirche, die<br />
aus der Zugehörigkeit zu Jesus Christus lebt. Aus Gottesdienstbesuchern<br />
wurden Mitfeiernde, die tätig und bewusst<br />
in ihrer jeweiligen Muttersprache an der liturgischen Feier<br />
teilnehmen.<br />
Eine Veränderung erfuhr auch der Umgang mit der Bibel.<br />
Lange Zeit wurde die Bibel als ein Buch mit sieben Siegeln<br />
gesehen, das nur Eingeweihte verstehen konnten und durften.<br />
Seit dem Konzil wurden die Schriften der Bibel nun verstanden<br />
als von Menschen verfasst, durch die Fragen und<br />
Nöte ihrer Zeit geprägt und von Gottes Geist inspiriert.<br />
Am Ende seines eindrücklichen Vortrages stellt Thomas <strong>Die</strong>trich<br />
die Frage, wie die Kirche sich heute versteht, fünfzig<br />
Jahre nach dem II. Vatikanischen Konzil. Einer seiner<br />
Schlusssätze lautet: „Das Konzil blickt entschieden nach vorne<br />
im Glauben, dass Gott seine Kirche leitet, und dass der<br />
Geist den Weg weist. <strong>Die</strong> Zukunft ist offen, auch dann,<br />
wenn viele die Flucht zurück antreten möchten.“
Zur Leitung fähig<br />
Wofür die Zeit im Konzil wohl noch nicht reif war und was<br />
heute dringlicher denn je zu klären ist, ist die Rolle der Frau<br />
in der katholischen Kirche. Gerade im ländlichen Raum ist<br />
die Mitarbeit von Frauen unverzichtbar. Frauen tragen auf<br />
vielfältige Weise Verantwortung für das Miteinander, für die<br />
Diakonie, für spirituelle Angebote. Entsprechend entsteht<br />
das Bedürfnis, leitende Ämter und Aufgaben übernehmen<br />
zu können, um dieser Verantwortung gerecht zu werden.<br />
Sybille Sauter ist Gemeindereferentin und bischöfliche Beauftragte<br />
für pastorale Aufgaben in einer Seelsorgeeinheit<br />
der Diözese Rottenburg-Stuttgart. In ihrem Vortrag berichtet<br />
sie anschaulich von ihren Aufgaben als Gemeindeleiterin in<br />
Epfendorf. Eine lebendige, vielfältig beteiligte Gemeinde er-<br />
steht vor dem inneren Auge der Zuhörerinnen. Es wird spürbar,<br />
wie sehr Sybille Sauter aus der Sinnhaftigkeit ihrer Aufgabe<br />
lebt, Freuden und Sorgen der Gemeindemitglieder zu<br />
teilen, indem sie Verantwortung und Leitung übernimmt.<br />
<strong>Die</strong> Bedürfnisse, wie sie von Frauen wahrgenommen werden,<br />
die im ländlichen Raum arbeiten und leben, hat der Vorstand<br />
der <strong>Katholische</strong>n <strong>Landfrauenbewegung</strong> in einem Positionspapier<br />
formuliert. I Susanne Jörger<br />
Das Positionspapier ist unter<br />
www.kath-landfrauen.de nachzulesen.<br />
Sybille Sauter aus Rottenburg-Stuttgart<br />
(2. von links) berichtet von ihrer Arbeit als Gemeindeleiterin.<br />
21
<strong>Die</strong> Landfrauen<br />
22<br />
Organisierte Nachbarschaftshilfe<br />
„Es ist ein Geben und Nehmen“<br />
Maria Hensler aus Gaienhofen ist Vorsitzende<br />
der <strong>Katholische</strong>n <strong>Landfrauenbewegung</strong><br />
(KLFB). <strong>Die</strong> Mutter von<br />
sieben Kindern hat vor neun Jahren<br />
zusammen mit der KLFB den Nachbarschaftshilfeverein<br />
„Hilfe von Haus<br />
zu Haus e.V.“ in Gaienhofen gegründet.<br />
Seither wurden zahlreiche weitere<br />
Nachbarschaftshilfevereine nach<br />
diesem Modell organisiert. Susanne<br />
Jörger hat mit ihr gesprochen.<br />
<strong>Landzeit</strong>: Was hat Dich motiviert, in die Nachbarschaftshilfe<br />
einzusteigen?<br />
Ich hatte mit meinem Mann im Dorf viele Begegnungstage<br />
für alte Menschen organisiert. Dabei fiel mir auf, dass das<br />
nachbarschaftliche Miteinander im Laufe der Jahre weniger<br />
wurde. Viele Jahre lang habe ich für die KLFB Altenhilfekurse<br />
organisiert. In fast jedem Kurs kam die Sprache darauf, ob<br />
HILFE VON HAUS ZU HAUS<br />
Ziel der organisierten Nachbarschaftshilfe ist der Aufbau von Netzwerken in ländlichen<br />
Gemeinden, zur Verbesserung der Lebensqualität der Menschen vor Ort.<br />
Angebote:<br />
Betreuung älterer, kranker und behinderter Menschen<br />
Individuelle Unterstützung für pflegende Angehörige<br />
Einsatz von Tagesmüttern und Babysittern<br />
Mittagessen für Schulen, Kindergärten und Bringdienst für Senioren/innen<br />
Weitere individuelle Entlastungen für Familien<br />
Veranstaltungen und Kurse für Menschen in unterschiedlichen<br />
Lebensphasen<br />
nicht mehr daraus entstehen könnte,<br />
zum Beispiel eine organisierte<br />
und bezahlte Nachbarschaftshilfe.<br />
Vor mittlerweile neun Jahren wollte<br />
ich endlich „Nägel mit Köpfen“ machen<br />
und konnte mit der Unterstützung<br />
der KLFB die „Hilfe von Haus zu<br />
Haus“ in Gaienhofen auf die Beine stellen. Das Projekt wurde<br />
mittlerweile von der KLFB und von „SPES Zukunftsmodelle“<br />
(Studiengesellschaft für Projekte zur Erneuerung der Strukturen)<br />
in 25 Gemeinden etabliert. Mir ist es ein Anliegen, dass<br />
Menschen zueinander kommen, dass sie aufeinander achten,<br />
einander besuchen und füreinander da sind.
<strong>Landzeit</strong>: Warum ist die Nachbarschaftshilfe ein solches<br />
Erfolgsmodell geworden?<br />
Der ländliche Raum ist im Umbruch. <strong>Die</strong> Dörfer sind vor große<br />
Herausforderungen gestellt, wenn sie lebenswert bleiben<br />
wollen. Vielerorts gibt es keine Geschäfte mehr, Ärzte werden<br />
händeringend gesucht, Pfarrer werden abberufen und es<br />
kommt keiner mehr nach – wer versorgt also die Menschen<br />
vor Ort, vor allem, wenn sie krank und alt werden? <strong>Die</strong> Landflucht<br />
Jugendlicher hat in erschreckendem Maß zugenommen,<br />
auch junge Familien ziehen nicht mehr in kleine Gemeinden,<br />
wenn sie kein attraktives Wohnumfeld finden. „Hilfe von Haus<br />
zu Haus e.V.“ kann für einige dieser Probleme Lösungen bieten.<br />
Mit der Pflegeversicherung kann Hilfe bezahlt werden. So<br />
konnte für Frauen wohnortnahe Arbeit geschaffen werden.<br />
Kranke und alte Menschen können durch dieses Betreuungsangebot<br />
so lange wie möglich selbstständig zu Hause bleiben,<br />
Angehörige erhalten Entlastung. Es gibt Kinderbetreuung und<br />
mancherorts Schulessen über die Nachbarschaftshilfe. <strong>Die</strong><br />
Angebote sind so vielfältig wie die Bedürfnisse der Menschen.<br />
<strong>Landzeit</strong>: Was hat Nachbarschaftshilfe mit Nachhaltigkeit<br />
zu tun?<br />
Im Sinne einer sozialen Nachhaltigkeit bieten die Altenhilfe-<br />
Pflegekurse der KLFB Hilfe zur Selbsthilfe für pflegende Angehörige.<br />
Durch solch einen Kurs entsteht ein kleines Netzwerk.<br />
Für die Nachbarschaftshilfevereine bietet die KLFB verschiedene<br />
Veranstaltungen an, die helfen, sich untereinander zu<br />
vernetzen. Es werden Fortbildungen für Einsatzleitungen und<br />
Helfende angeboten. Auf diese Weise lernen Hilfe-Vereine<br />
ökologisch und ökonomisch nachhaltig zu arbeiten. Für die<br />
Gemeinde, die sich für die Gründung einer Nachbarschaftshilfe<br />
entscheidet, entsteht Nachhaltigkeit, weil sozusagen das<br />
ganze Dorf mit den Familien der Betreuten zusammen den<br />
Generationenvertrag übernimmt. Es entsteht ein Geben und<br />
Nehmen für die ganze Dorfgemeinschaft. Ich glaube, dass<br />
wir in Zukunft alte und kranke Menschen nur versorgen können,<br />
wenn viele sich engagieren und ihre „Sozialzeit“ in die<br />
Gemeinschaft vor Ort einbringen.<br />
Der Verein „Hilfe von Haus zu Haus“ ist auch ein Beispiel für<br />
lebendige Seelsorge und Diakonie. Jede Christin, jeder Christ<br />
ist berufen, das Evangelium zu gestalten. Notwendig ist heute<br />
eine Kultur der Beteiligung, ein Umgang auf Augenhöhe zwischen<br />
Klerikern und Laien, zwischen Frauen und Männern –<br />
in gegenseitiger Achtung und Anerkennung.<br />
23
<strong>Die</strong> Landfrauen<br />
24<br />
Termine<br />
Eine Auswahl der Angebote<br />
25. bis 27. Januar 2013<br />
Kleine Auszeit<br />
„Rhythmus und Trommeln“<br />
Bildungshaus Kloster St. Ulrich<br />
Referentinnen: Rita Zimmermeyer, Dipl.-Heilpädagogin,<br />
Elke Heizmann, Vorstand der KLFB<br />
22. bis 24. Februar 2013<br />
Enneagramm-Einführungsseminar<br />
„<strong>Die</strong> neun Bilder der Seele“<br />
Bildungshaus Kloster St. Ulrich<br />
Referentin: Ines Keßler, Dipl.-Theologin<br />
Leitung: Elke Heizmann, Vorstand der KLFB<br />
8. bis 10. März 2013<br />
Kleine Auszeit<br />
„Feiern, was die Erde uns schenkt<br />
und der Himmel uns schickt“<br />
Kloster Heiligkreuztal, Heiligkreuztal<br />
Referentinnen: Ingrid Kümpflein und Karola Rohrer,<br />
Vorstand der KLFB<br />
11. bis 15. März 2013<br />
Bildungswoche<br />
„<strong>Die</strong> Botschaft von Körper, Geist und Seele“<br />
Kloster St. Trudpert, Münstertal<br />
Leitung: Linda Renner und Fachreferentinnen<br />
15. bis 17. März 2013<br />
Landfrauenzirkel<br />
„Seelsorge im Alltag“<br />
Referentin: Monika Rohfleisch, Dipl.-Theologin, Pastoralreferentin,<br />
Ausbildung in Klinischer Seelsorge<br />
22. bis 26. März 2013<br />
Fastenwoche<br />
„Wohin mein Herz mich führt“<br />
Bildungshaus St. Ulrich<br />
Referentin: Annette Heizmann, Fastengruppenleiterin,<br />
ausgebildet von Dr. Lydia Reutter<br />
Leitung: Elke Heizmann, Vorstand der KLFB<br />
2. bis 6. April 2013<br />
Auszeit<br />
„Für dich soll’s rote Rosen regnen“<br />
Bildungshaus Kloster St. Ulrich<br />
Referentin: Mara Roth, Dipl.-Pädagogin<br />
Leitung: Ingrid Kümpflein, Vorstand der KLFB<br />
8. bis 11. April 2013<br />
Wellness für Leib und Seele<br />
„Wo täglich neue Kräfte wachsen“<br />
SOLEO Hotel am Park, Bad Dürrheim<br />
Referent: Josef Hofmann, Dipl.-Theologe, Kurseelsorger<br />
Leitung: Maria Hensler, Diözesanvorsitzende der KLFB
11. bis 17. Mai 2013<br />
Erholung für ältere Frauen<br />
„<strong>Die</strong> Seele atmen lassen“<br />
Gästehaus St. Elisabeth, Kloster Hegne<br />
Leitung: Ingrid Veit, Verantwortliche der KLFB<br />
Begleitung: Rita Fechtig<br />
12. bis 15. Juni 2013<br />
Fuß- und Bus-Wallfahrt nach Flüeli<br />
„Ausgespannt zwischen Himmel und Erde“<br />
Leitung: Monika Kenk, Vorstand der KLFB,<br />
Susanne Jörger, Diözesanreferentin der KLFB<br />
5. Juli 2013<br />
Beratungsschulung<br />
„Lebendig im Kontakt – durch Echtheit,<br />
Wertschätzung und Empathie“<br />
<strong>Katholische</strong> Akademie, Freiburg<br />
Referentin: Sonja Sobotta, Dipl.-Religionspädagogin,<br />
Gestalttherapeutin<br />
Leitung: Susanne Jörger, Diözesanreferentin der KLFB<br />
12. bis 13. Juli 2013<br />
Pilgerwanderung<br />
„Zwischen Leichtigkeit und Tiefgang“<br />
Kinzigtal<br />
Referentinnen: Rita Zimmermeyer, Dipl.-Heilpädagogin,<br />
Elke Heizmann, Vorstand der KLFB<br />
26. bis 30. August 2013<br />
Auszeit<br />
„Leben wie die Göttin in Frankreich“<br />
Haus Marienfried, Oberkirch<br />
Referentin: Gabi Schmelzle, Heilpraktikerin<br />
Leitung: Susanne Jörger, Diözesanreferentin der KLFB<br />
8. September 2013<br />
Pilgerwanderung<br />
„Es muss nicht immer Spanien sein“<br />
Klosterkirche Bronnbach<br />
Leitung: Christel Erbacher, Vorstand der KLFB,<br />
Dorothea Schmitt, KLB<br />
25
Sankt Ulrich<br />
26<br />
Im Fokus<br />
Partnerschaft El Salvador<br />
Das bunte Kreuz im Gästezimmer,<br />
die Infotafel vor dem Speisesaal, die Glasvitrine<br />
am Empfang, der Eine-Welt-Laden im Seminargebäude –<br />
augenscheinlich präsentiert sich im Bildungshaus Kloster St. Ulrich,<br />
was vor mehr als zwei Jahrzehnten begonnen hat.<br />
Zwei junge Männer halten auch nach ihrer gemeinsamen Jugend Kontakt. Der eine,<br />
Rudi Reitinger, geht nach El Salvador als Entwicklungshelfer, der andere, Peter Langenstein,<br />
als Theologe in die Bildungsarbeit. Sehr bald wird klar, dass eine Partnerschaft zwischen<br />
dem Dorf Segundo Montes und dem Bildungshaus Kloster St. Ulrich der richtige Weg ist,<br />
um an einer solidarischen und gerechten Welt mitzubauen.
Ehrenamtliches Engagement<br />
Schnell lassen sich Menschen finden, die bereit sind, ehrenamtlich<br />
mitzuarbeiten und zusammen mit Peter Langenstein<br />
die Arbeit auf tragfähige Füße zu stellen. Der Verein „Partnerschaft<br />
mit El Salvador e.V.“ wird gegründet. Eine intensive<br />
Phase der Auseinandersetzung mit dem Partnerland beginnt.<br />
Erste eigene Kontakte der Mitglieder zu Menschen aus El<br />
Salvador werden geknüpft und machen die Arbeit lebendig.<br />
<strong>Die</strong> Not bekommt ein Gesicht, konkrete Hilfe wird fassbar.<br />
<strong>Die</strong> zwölf Mitglieder des Arbeitskreises sind seit mehr als 20<br />
Jahren unermüdlich und einfallsreich in ihrem Einsatz. Etwa<br />
alle zwei Monate treffen sie sich, um anstehende Fragen zu<br />
klären, über neue Projekte nachzudenken, den sinnvollen Einsatz<br />
der Spendengelder zu diskutieren, den Eine-Welt-Laden<br />
im Bildungshaus zu unterhalten und vieles mehr.<br />
Öffentlichkeitswirksame Projekte<br />
Jede Aktion des Arbeitskreises verfolgt zwei Ziele: das Sammeln<br />
von Spendengeldern für notwendige Projekte in Segundo<br />
Montes und die Information über einen Teil unserer Welt,<br />
der unsere Solidarität und Unterstützung braucht. Effektiv<br />
und öffentlichkeitswirksam sollen die Projekte sein, die der<br />
Arbeitskreis entwickelt. Nur einige der erfolgreichen Aktionen<br />
sollen genannt sein: Ein Eine-Welt-Laden im Bildungs-<br />
haus St. Ulrich mit wunderschönen Produkten aus El Salvador<br />
für Groß und Klein, die Mitarbeit beim Weihnachtsmarkt<br />
in Waltershofen, die finanzielle Unterstützung durch Sternsingeraktionen<br />
in einigen Gemeinden, Kultur- und Informationsveranstaltungen<br />
außerhalb des Hauses.<br />
Konkrete Hilfe<br />
Während in den ersten Jahren der Partnerschaftsarbeit der<br />
Bereich Erziehung und Altenspeisung im Vordergrund stand,<br />
kamen im Laufe der Jahre Projekte im Gesundheitsbereich<br />
und in der Kinder- und Jugendarbeit dazu. Über Stipendienprogramme<br />
für Schüler/innen sowie für Studenten und<br />
Studentinnen und den Bau von Schulen wird versucht, das<br />
Bildungsniveau der Gemeinde zu heben. Viele der Klassenzimmer<br />
wurden in Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis errichtet.<br />
Das Ausbildungszentrum für die Berufe Koch, Schreiner<br />
und Medien sind heute ebenso wenig wegzudenken wie<br />
das Jugendzentrum für die jungen Menschen in Segundo<br />
Montes. Und nicht vergessen werden dürfen die Bäckerei,<br />
die Schreinerei und die Fahrradwerkstatt. Projekte, die ein<br />
eigenständiges Einkommen ermöglichen und eine berufliche<br />
Perspektive bieten. I Christiane Röcke<br />
Infos zur Arbeit des Arbeitskreises unter<br />
www.bildungshaus-kloster-st-ulrich.de/de/<br />
partnerschaft-el-salvador<br />
27
Sankt Ulrich<br />
28<br />
Arbeitskreis El Salvador<br />
Gelebte Solidarität<br />
Mehr als zwei Jahrzehnte lang engagieren sich nun die<br />
meisten Mitglieder des Arbeitskreises „Partnerschaft mit El<br />
Salvador e.V.“. Was sie antreibt und was ihnen wichtig ist,<br />
erzählen fünf von ihnen:<br />
Ich lebe hier in Deutschland ohne Armut. Ich kann frei und<br />
glücklich leben. Das gelegentliche Jammern erfolgt auf<br />
hohem Niveau. In El Salvador gibt es viele Menschen, die<br />
dieses Glück nicht haben. Deshalb möchte ich aktiv dabei<br />
mitarbeiten, dass Menschen dort menschenwürdig leben<br />
können. Das Besondere an dieser Arbeit ist für mich, dass ich<br />
sehen kann, wohin das Geld fließt und was sich positiv verändert.<br />
Vera Ziebarth<br />
Ich bin im Arbeitskreis El Salvador, weil vor vielen Jahren<br />
Peter Langenstein bei einer Fastenwoche mit so viel Empathie<br />
von seiner El Salvador-Arbeit berichtete und mich von der<br />
Sinnhaftigkeit überzeugt hatte. Peter Joswig<br />
Ich habe das Leben der Menschen in El Salvador intensiv<br />
miterleben und begreifen dürfen durch die Zeit, die ich<br />
dort verbracht habe. Dadurch ist der Wunsch entstanden, die<br />
Arbeit weiter zu begleiten und teilzuhaben an den Entwicklungen,<br />
Erfolgen, Fortschritten und Rückschritten. Außerdem<br />
hilft mir die Arbeit, mich immer wieder an die Menschen dort<br />
zu erinnern, an ihre Sorgen und Nöte und unsere im Vergleich<br />
so nichtigen Probleme. Wie schnell gehen sonst die<br />
selbst eindrücklichsten Erfahrungen im Alltag wieder unter.<br />
Gesa Behnke<br />
W<br />
as mich antreibt, ist die Solidarität mit den Menschen<br />
in Segundo Montes. Wichtig ist mir, dass die Hilfe ankommt,<br />
einen persönlichen Bezug hat und mit direkter Rückmeldung<br />
verbunden ist. Ich sehe, dass sich etwas entwickelt<br />
und verändert. Für mich ist die Arbeit ein Gegenpol zu unserer<br />
schnelllebigen Welt. Sie gibt mir die Zeit, den Blick für<br />
das Wesentliche im Leben nicht zu verlieren.<br />
Veronika Sumser<br />
Meine Beweggründe liegen im nahen Kontakt zu den<br />
Menschen und Projekten in El Salvador. Nachdem ich<br />
das Land und seine Menschen selber kennen lernen durfte,<br />
war es mir eine Herzensangelegenheit, mit bestem Wissen im<br />
Arbeitskreis El Salvador mitzuarbeiten. Ich sehe, wofür wir<br />
uns treffen und engagieren. Wir sind nah dran, obwohl uns<br />
viele Kilometer trennen. Dazu kommt der gute Kontakt in unserer<br />
Gruppe. Barbara Müller<br />
Der Arbeitskreis El Salvador (von links): Josef Glatz,<br />
Veronika Sumser, Barbara Müller, Martin Ziegler, Claudia<br />
Steiger, Vera Ziebarth, Peter Langenstein, Ulla Jung,<br />
Peter Joswig, Gesa Behnke, Rita Langenstein.
Sankt Ulrich<br />
30<br />
Edelbrandsommelier-Qualifizierung in St. Ulrich<br />
Nachhaltige Prozente<br />
Im Winter 2011/2012 fand erstmals in Deutschland eine<br />
Qualifizierung zum „Edelbrandsommelier“ im Bildungshaus<br />
Kloster St. Ulrich statt. Möglich wurde dies durch die grenzüberschreitende<br />
Zusammenarbeit zwischen dem Landwirtschaftlichen<br />
Fortbildungsinstitut Vorarlberg, dem badischen<br />
Kleinbrennerverband und dem Bildungshaus.<br />
Umfangreiche Ausbildung<br />
Über ein halbes Jahr befassten sich die Teilnehmer/innen<br />
intensiv mit der Produktion und Verkostung von Destillaten.<br />
Das breite Spektrum internationaler Spirituosen, heimischer<br />
Edelbrände und Liköre stand auf der Themenliste. Wichtigster<br />
Teil des Seminars war die Sensorik, also die Bewertung<br />
der Getränke mit den Sinnesorganen über Geschmack, Ge-<br />
ruch und Aussehen. Themen wie Gläserkunde, Herstellungsverfahren,<br />
der richtige Umgang mit Alkohol bis hin zu passenden<br />
Kombinationen von Edelbränden mit Speisen standen<br />
auf dem Stundenplan. Neben der Vermittlung der Fachkenntnisse<br />
widmeten sich die Seminarleiter aber auch der Persönlichkeitsbildung:<br />
Welcher Stil passt zu wem, wie funktioniert<br />
eine gute Kommunikation, wie führe ich Kundengespräche,<br />
wie mit Reklamationen umgehen und wie präsentiere ich<br />
mich und meine Produkte am besten? Weiterhin ging es um<br />
die Themen Marketing, Markttrends, Verkaufsstrategien, Öffentlichkeitsarbeit<br />
und Kalkulation.<br />
<strong>Die</strong> Abschlussprüfung beinhaltete eine schriftliche Projektarbeit<br />
und deren Präsentation vor einer Jury, die Prüfungen<br />
in Sensorik und Produktwissen kamen dazu.<br />
<strong>Die</strong> Kursteilnehmer/innen der ersten Edelbrandsommelier-Qualifizierung am Startpunkt des Lebenswegs in St. Ulrich.
Kulturlandschaftliche Bedeutung der Brennereien<br />
In Baden gibt es etwa 15.000 Klein- und Obstbrenner. Das<br />
entspricht ungefähr der Hälfte aller Brennereien Deutschlands.<br />
Mit über 7.000 Klein- und Obstbrennern liegt das<br />
Zentrum im Ortenaukreis.<br />
<strong>Die</strong> Brennereien sind ein wichtiges wirtschaftliches Standbein<br />
für viele Landwirtschafts- und Weinbaubetriebe. Sie<br />
schaffen in der hiesigen Kulturlandschaft nachhaltig die Möglichkeit,<br />
Obst von Streuobstwiesen, das nicht den Ansprüchen<br />
der modernen Konsumenten entspricht, einer sinnvollen Verwertung<br />
zuzuführen. Schließlich werden Streuobstwiesen nur<br />
dann weitergepflegt und erhalten, wenn sie sich auch ökonomisch<br />
rechnen. Auch bieten die Brennereien eine Verwertung<br />
von Reststoffen aus dem Weinbau (Trester, Hefe) an. In<br />
Jahren mit großen Obsternten stellen die Brennereien zudem<br />
ein wichtiges Ventil für überschüssiges Obst dar.<br />
Der globale Markt als neue Herausforderung<br />
Dreh- und Angelpunkt dieses etablierten Systems bildet das<br />
staatliche Branntweinmonopol, das den Markt reguliert und<br />
den hergestellten Alkohol aufnimmt. Durch die Öffnung der<br />
Märkte und die Vorgaben der EU wird nun das Branntweinmonopol<br />
zum 30. September 2017 endgültig auslaufen. In der<br />
Folge werden die Preise bei Alkohol massiv fallen und viele<br />
Kleinbrennereien aufgeben müssen. Es besteht die Gefahr,<br />
dass, wenn Märkte frei gegeben werden, sich diese in die<br />
Segmente „Billigprodukte“ und „Premiummarkt“ aufspalten.<br />
Realistisch betrachtet muss es den Kleinbrennern gelingen,<br />
auf dem gehobenen Markt für Spirituosen Fuß zu fassen,<br />
damit sie überleben können. Dazu braucht es das nötige<br />
Know-how, um mit einer internationalen Konkurrenz mithalten<br />
zu können und den Ansprüchen dieses Marktes gerecht<br />
zu werden. Deshalb die Qualifizierung zum Edelbrandsommelier<br />
in St. Ulrich.<br />
Vom Seminar und der guten Gemeinschaft begeistert haben<br />
sich im März diesen Jahres die Teilnehmer/innen des ersten<br />
Kurses in St. Ulrich zusammengeschlossen: Sie gründeten<br />
den Verein „Deutsche Edelbrandsommeliers“.<br />
I Bernhard Nägele<br />
31
Sankt Ulrich<br />
32<br />
Termine<br />
Eine Auswahl der Angebote im<br />
Bildungshaus Kloster St. Ulrich<br />
<strong>02</strong>. bis 06. Januar 2013<br />
Orientierungstage für alleinerziehende Frauen<br />
„Nicht müde werden …“<br />
Leitung: Edith Lauble, Marita Meyer<br />
07. bis 11. Januar 2013<br />
Einführungskurs Ökologischer Weinbau<br />
„Grundlagen des ökologischen Weinbaus“<br />
Leitung: Bernhard Nägele, Paulin Köpfer,<br />
Matthias Wolff, Johannes Hügle<br />
14. bis 17. Januar 2013<br />
Bildungstage für ältere Bäuerinnen und Bauern<br />
„Füg den Jahren Leben zu“<br />
Leitung: Bernhard Nägele, Dr. Alois Beck<br />
18. bis 20. Januar 2013<br />
Wochenende für Paare<br />
„Das Leben ist kein Wunschkonzert“<br />
Leitung: Ursula Bercher, Ulrich Beer-Bercher<br />
13. bis 17. Februar 2013<br />
Bildungstage für Frauen vom Land<br />
„Wo das Glück zuhause ist“<br />
Leitung: Christiane Röcke, Bernhard Nägele<br />
01. bis 03. März 2013<br />
Menschen in Trennung und Scheidung<br />
„Wenn unser Weg auseinander geht“<br />
Leitung: Christiane Röcke<br />
15. bis 17. März 2013<br />
Meditieren lernen<br />
„Weg in die Stille“<br />
Leitung: Bernhard Schilling<br />
12. bis 16. April 2013<br />
Burnout-Prävention für Frauen<br />
„Wenn der Körper zeigt, dass die Seele streikt“<br />
Leitung: Dr. Martina Baur
19. bis 21. April 2013<br />
Menschen in Trauer<br />
„Warum konnten wir dich nicht halten“<br />
Leitung: Wolfgang Stich, Anne Garbs<br />
28. April bis 05. Mai 2013<br />
Auf dem Jakobsweg in Spanien<br />
„<strong>Die</strong> Seele laufen lassen“<br />
Leitung: Peter Langenstein, Christiane Röcke<br />
08. bis 12. Mai 2013<br />
Wandern und Meditation<br />
„Ge(h)-bet“<br />
Leitung: Peter Langenstein<br />
13 bis 17. Mai 201<br />
Bildungstage für ältere Menschen<br />
„Lebenswege – Glaubenswege“<br />
Leitung: Peter Langenstein, Anni Singer<br />
09. bis 14. Juni 2013<br />
Literatur an Ort und Stelle<br />
„Auf den Spuren von Marie Luise Kaschnitz“<br />
Leitung: Christine Holzner-Rabe, Christiane Röcke<br />
21. bis 23. Juni 2013<br />
Bogenschießen für Frauen und Männer<br />
„Der Weg zur Mitte“<br />
Leitung: Georg Roller, Christiane Röcke<br />
21. bis 23. Juni 2013<br />
Wochenende für Familien<br />
„Einen Schritt weiter“<br />
Leitung: Gabriele Weber, Johannes Kersting<br />
12. bis 14. Juli 2013<br />
Kreatives Schreiben<br />
„Hinter allen Worten, das ist mein Leben“<br />
Leitung: Iris Beck<br />
26. bis 30. August 2013<br />
Tanz- und Bildungsfreizeit<br />
„Tanzen ist Träumen mit den Beinen“<br />
Leitung: Lioba Kübler, Karin Schmid<br />
33
Blick ins Land<br />
34<br />
Im Fokus: Badenmesse 2012<br />
Gelungene Aufklärung<br />
Alle drei Jahre findet die Badische Landwirtschaftsmesse (BaLa) auf der<br />
Badenmesse Freiburg statt. Auch dieses Jahr haben sich die Verbände<br />
und Organisationen rund ums Referat Kirche und Ländlicher Raum<br />
dort präsentiert. Mit der Erntedankaktion „Lob der krummen Möhre“<br />
(wir berichteten in der letzten <strong>Landzeit</strong>) thematisierten sie die<br />
Lebensmittelverschwendung in Deutschland.
So mancher Messebesucher konnte zunächst gar nicht glauben,<br />
was ihm die Standbetreuer vermittelten: 15 Millionen<br />
Tonnen Lebensmittel landen laut der Welthungerhilfe allein<br />
in Deutschland jährlich auf dem Müll. <strong>Die</strong> Halbierung der<br />
Lebensmittelverschwendung in Europa und den USA würde<br />
dreimal ausreichen, um die Hungernden der Welt zu ernähren.<br />
Bis zu 40 Prozent seiner Ernte muss ein Landwirt wieder<br />
unterpflügen, weil der Großhändler mit Hinweis auf das Konsumverhalten<br />
der Kunden die ästhetisch weniger ansprechenden<br />
Gemüse- und Obststücke ablehnt. Im Supermarkt sind<br />
diese Ernteprodukte gar nicht zu finden.<br />
Doch es gibt Alternativen und Ansatzpunkte, etwas zu ändern:<br />
Hofläden, Bioläden und Gemüsekistenabos bieten<br />
auch krummes und fleckiges Obst und Gemüse an. Kunden<br />
können ihr Einkaufsverhalten überdenken. Warum nicht die<br />
Supermärkte auffordern, Gemüse und Obst zweiter Wahl anzubieten?<br />
Kooperativen, die einen Landwirt anstellen oder<br />
einen Lebensmittelladen gründen, bestimmen sogar selber<br />
über den Umgang mit ihren Lebensmitteln.<br />
Es gibt noch weitere Möglichkeiten. Am Stand „Kirche auf<br />
dem Land“ kosteten die Besucher und Besucherinnen vom<br />
fleckigen, krummen Obst und Gemüse und deckten sich mit<br />
Informationsmaterial ein. Betroffen, aber doch mit Hinweisen<br />
ausgestattet, wie jede/r etwas ändern kann, verließen<br />
die Messebesucher den Stand. I Dr. Jessica Knall<br />
Alle Erntedankmaterialien mit Hintergrundinformationen<br />
zum Thema unter www.landpastoral.de<br />
ERNTEDANKAKTION 2012<br />
Bei der Erntedankaktion haben sich dieses Jahr 26 Gruppierungen<br />
gemeldet, die an der Aktion teilgenommen<br />
haben. Der Erlös liegt bei 4457,52 Euro. Besonders viel<br />
Aufmerksamkeit bekamen die Materialien, die vielfach<br />
auch von Organisationen außerhalb der Diözese angefordert<br />
wurden.<br />
„Sie sollten dieses<br />
sensible Thema zentral<br />
präsentieren, es verdient die<br />
Aufmerksamkeit aller Messebesucher!<br />
Vielen Dank für Ihre<br />
Mühe und diese tolle Info!“<br />
N.N.<br />
„Das Erntedankheft<br />
ist gut aufgemacht.“<br />
N.N.<br />
„Gott sei Dank<br />
macht jemand<br />
darauf aufmerksam.<br />
Vielleicht denkt der eine<br />
oder andere darüber<br />
nach.“ N.N.<br />
„Der Stand<br />
ist sehr informativ. Auch das Obst und<br />
Gemüse, das nicht nach ,industrienorm’<br />
gewachsen ist, sollte nicht im Abfall<br />
landen. Ich freue mich an solchen<br />
Formen. Viel Erfolg für die Mühe,<br />
diesen Stand auf Ausstellungen<br />
zu zeigen!“<br />
B. Bächle aus<br />
Freiburg<br />
„Der Stand ist eine<br />
supertolle Idee. Endlich<br />
wird dem Verbraucher nahegebracht,<br />
dass alles Gewachsene<br />
wertvoll und Gottes Schöpfung<br />
ist. Vielen Dank für diesen<br />
schönen Stand.“<br />
N.N.<br />
„<strong>Die</strong> Kirche auf dem<br />
Land mit dem Stand<br />
,Außer Norm’ ist das Beste<br />
auf der ganzen Messe. Vielen<br />
Dank für Ihre Mühe.“<br />
Gerda und Ludwig<br />
Schmidt<br />
„Eine gelungene Aufklärung!“<br />
U. Richard Rihlmann, Theologe<br />
Riegel, Baden-Baden<br />
35
Blick ins Land<br />
36<br />
MdL Christoph Bayer zu Gespräch in St. Ulrich<br />
Sorge vor Kürzung im Bildungsbereich<br />
Bildung kostet Geld. Und Geld ist knapp. Kein Wunder, dass<br />
sich in Zeiten leerer öffentlicher Kassen die außerschulischen<br />
Anbieter von Bildungsmaßnahmen zunehmend sorgen, ob<br />
sie weiterhin ausreichend finanzielle Mittel aus dem Etat<br />
des Landes zur Verfügung gestellt bekommen. So auch die<br />
Träger der ländlichen Erwachsenenbildung, zu der sich neben<br />
anderen das Bildungshaus Kloster St. Ulrich, die beiden<br />
Landverbände <strong>Katholische</strong> Landvolk Bewegung (KLB) und<br />
<strong>Katholische</strong> <strong>Landfrauenbewegung</strong> (KLFB), Dorfhelferinnenwerk<br />
(DHW) und der Badische Landwirtschaftliche Hauptverband<br />
(BLHV) zählen. Um einen Mitstreiter für ihre Anliegen<br />
zu gewinnen, suchten Vertreter/innen dieser Verbände und<br />
Organisationen das Gespräch mit dem Landtagsabgeordneten<br />
Christoph Bayer, der die Aufgabe des Koordinators für<br />
Bildung zwischen den Fraktionen von SPD und Grünen hat.<br />
Einigkeit über hohen Stellwert der Bildungsarbeit<br />
„<strong>Die</strong> außerschulische Bildungsarbeit gewinnt mehr und mehr<br />
an Bedeutung, hat aber noch nicht den Stellenwert, den sie<br />
verdient“, beklagte der SPD-Politiker. Gleichzeitig brach er<br />
eine Lanze für den ländlichen Raum, der mehr Wertschätzung<br />
verdiene. Ebenso wie seine Gesprächspartner wies der<br />
ehemalige Sozialarbeiter, Pädagoge und Familientherapeut<br />
darauf hin, dass Bildung nicht verzweckt werden dürfe. Persönlichkeitsbildung,<br />
aber auch Eltern- und Familienbildung,<br />
habe langfristig einen volkswirtschaftlichen Nutzen, „wird<br />
aber in der Politik sträflich vernachlässigt“, so Bayer.<br />
Was also tun, wenn alle einer Meinung sind, trotzdem aber<br />
die Sorge besteht, dass die ländliche Erwachsenenbildung im<br />
Trafen sich im Bildungshaus Kloster<br />
St. Ulrich zu einem Gespräch über die<br />
Förderung von ländlicher Erwachsenenbildung:<br />
Matthias Werner, Bildungsreferent<br />
beim BLHV, KLFB-Referentin Susanne<br />
Jörger, DHW-Leiterin Elisabeth Groß,<br />
MdL Christoph Bayer, Schulleiter<br />
Bernhard Nägele und Landvolkpfarrer<br />
Dr. Thomas <strong>Die</strong>trich.
Seminare im Bildungshaus Kloster St. Ulrich liefern einen wichtigen Beitrag zur Erwachsenenbildung.<br />
Ministerium für Ländlichen Raum zunehmend als verzichtbare<br />
Freiwilligkeitsleistung betrachtet wird? So formulierte<br />
Bernhard Nägele, Schulleiter des Bildungshauses Kloster St.<br />
Ulrich, seine Bedenken. Christoph Bayer versprach, das Thema<br />
bei Vertretern des Ministeriums anzusprechen, außerdem<br />
die Landesregierung aufzufordern, den Bedarf für Eltern- und<br />
Familienbildung festzustellen. Daraus könnten dann konkrete<br />
politische Forderungen abgeleitet werden.<br />
Programm „STÄRKE“ in der Kritik<br />
Herbe Kritik gab es für die Förderrichtlinien des Programms<br />
„STÄRKE“, das für junge Eltern Bildungsgutscheine vorsieht.<br />
Insbesondere die Tatsache, dass diese lediglich im ersten Lebensjahr<br />
des Kindes gültig sind, löst bei vielen Bildungsträgern<br />
Kopfschütteln aus. „Bei uns werden Stärke-Gutscheine<br />
nie eingereicht“, erklärte Bernhard Nägele. Welche junge<br />
Familie mit Säugling nehme schon an einem Wochenendseminar<br />
teil? Auch hier versprach Bayer, sich für eine Veränderung<br />
der Kriterien einzusetzen: „Wenn Programme nicht<br />
wirken, müssen sie geändert werden.“ <strong>Die</strong> Grundsatzfrage sei<br />
doch, wie Eltern in ihrer Erziehungsarbeit gestärkt werden<br />
könnten. Dass dies notwendig sei, bestätigte Elisabeth Groß,<br />
die davon sprach, dass sich immer mehr Väter und Mütter<br />
überfordert fühlen. Was sich auch in der Zunahme von psychischen<br />
Erkrankungen bei den Einsätzen der Dorfhelferinnen<br />
zeigt. „Viele Familien sind aufgrund der Anforderung des Alltags<br />
einfach erschöpft“, so die Leiterin des Dorfhelferinnenwerks.<br />
I Norbert Mittnacht<br />
37
Blick ins Land<br />
38<br />
Erkundungsauftrag des Erzbischofs<br />
Wohin gehen wir?<br />
Im Rahmen der Dialoginitiative wurden vom Erzbischof Erkundungsaufträge<br />
formuliert, die verschiedenen Institutionen<br />
im Erzbistum übertragen wurden. <strong>Die</strong> Frage im Blick auf den<br />
ländlichen Raum lautete: Welche Perspektiven sind spezifisch<br />
für Kirche im ländlichen und städtischen Kontext? <strong>Die</strong><br />
Landverbände und das Bildungshaus haben intensiv über die<br />
Frage diskutiert. In der <strong>Landzeit</strong> dokumentieren wir die<br />
Antwort:<br />
1. Wo stehen wir?<br />
1.1 Ländlicher Raum ist (in ganz unterschiedlichen Abstufungen)<br />
ein Zersiedelungsraum, die städtischen Räume sind<br />
demgegenüber Verdichtungsräume. Daraus ergeben sich<br />
spezifische Perspektiven und Strukturfragen. Insgesamt<br />
leidet der ländliche Raum unter dem gegenwärtigen<br />
Strukturwandel massiv. <strong>Die</strong>ser zeigt sich im ländlichen<br />
Raum vor allem als Verlust an Infrastruktur (u.a. Nahversorgung,<br />
Einkaufsmöglichkeiten, Arbeitsplätze, Kinderbetreuung,<br />
Gesundheitsversorgung durch Ärzte und Apotheken,<br />
öffentlicher Personennahverkehr – kirchliche Präsenz).<br />
1.2 <strong>Die</strong> Perspektive des Verdichtungsraumes Stadt kennt<br />
grundsätzlich mehr Optionen und Möglichkeiten als der<br />
ländliche Raum. Verdichtungsräume bieten erweiterte<br />
Wahlmöglichkeiten, die zudem durch gute Infrastruktur<br />
leichter zu erreichen sind. Demgegenüber sind die Möglichkeiten<br />
im Zersiedelungsraum weiter gestreut, in geringerem<br />
Umfang vorhanden und deutlich schwieriger<br />
zu erreichen.<br />
1.3 Aus dieser Schwäche des ländlichen Raumes erwächst zugleich<br />
die Stärke des ländlichen Raumes. Er zeichnet sich<br />
aus durch eine hohe Identifikation seiner Bewohner mit<br />
ihrem Lebensraum (Heimatgedanke). <strong>Die</strong> soziale Kompetenz<br />
wie die Bereitschaft zum Engagement sind immer<br />
noch hoch. Pfarrgemeinden genießen hohes Ansehen,<br />
auch wenn der Besuch ihrer Veranstaltungen auch hier<br />
massiv schwindet; für den ländlichen Raum sind sie die<br />
Garanten eines strukturierten Jahreslaufs und haben<br />
(noch immer) eine hohe Integrationskraft. Eine gewisse<br />
Nähe zu dieser Beobachtung im ländlichen Raum zeigt<br />
sich in der Tendenz zur stärkeren Betonung von Stadtteilen<br />
(vgl. Vauban in Freiburg).
1.4 Lebensräume im städtischen Kontext sind eng miteinander<br />
verflochten. Im ländlichen Kontext ist durch die räumliche<br />
Trennung der dörflichen Wohnbereiche auch eine<br />
Trennung der Lebensräume wahrnehmbar. Je intimer die<br />
Lebensbedürfnisse von Menschen sind, desto näher wünschen<br />
sie sich diese bei ihren Lebensräumen.<br />
2. Wofür stehen wir?<br />
2.1 Für die Organisation der Pastoral in ländlichen Räumen<br />
muss strikt das Prinzip der Subsidiarität eingehalten<br />
werden. <strong>Die</strong> kleinere Einheit muss alle Kompetenzen und<br />
Möglichkeiten erhalten, die sie selbst wahrnehmen und<br />
für ihre Lebensraumgestaltung einsetzen kann.<br />
2.2 Eine schlichte Übertragung von städtischen Seelsorgekonzepten<br />
auf ländliche ist nicht hilfreich; sie bricht an<br />
der Unvergleichbarkeit beider Bereiche. Dörfer brauchen<br />
eigene Formen der Pastoral so wie der Pastoral mehrerer<br />
Dörfer. Der ländliche Raum ist auch unter anderen Kontexten<br />
dort besonders erfolgreich, wo er nach eigenen<br />
Wegen sucht und sich nicht an städtischen Leistungen<br />
bzw. Praktiken messen lässt.<br />
2.3 Ländliche Räume benötigen aufgrund der Zerstreuung<br />
(und damit der auch emotional längeren Wege) ein Mehr<br />
an Ressourcen und andere Ressourcen als städtische Räume.<br />
Nur so können seine Potentiale entfaltet werden.<br />
Insbesondere sollte auch in ländlichen Räumen pastorale<br />
Projektarbeit ermöglicht werden, die in städtischen<br />
Räumen alleine durch Verdichtung, das heißt Vielfalt<br />
und Wahlmöglichkeit, bereits jetzt ermöglicht ist.<br />
2.4 <strong>Die</strong> Eigenverantwortung einer Dorfpfarrei für ihre Lebenswirklichkeit<br />
muss sich sowohl in der Entstehung eines<br />
Gemeindeteams und seiner Bevollmächtigung niederschlagen<br />
wie in der Zusammensetzung und den Verantwortlichkeiten<br />
eines Rates der Seelsorgeeinheit (Stichworte:<br />
Gesamtrat, Teilortswahl, Stiftungsräte). Solche<br />
Eigenverantwortlichkeit steht nicht im Widerspruch zum<br />
kirchlichen Amt bzw. zur Beauftragung der hauptamtli-<br />
chen Seelsorger durch den Erzbischof. Vielmehr sollten<br />
die Dimensionen der Gemeindeleitung und die Verantwortungen<br />
der hauptamtlich Tätigen unter ländlichen<br />
Vorzeichen neu bedacht werden.<br />
2.5 Das Dorf als soziales Netzwerk ist eine lebendige, aber<br />
vom Strukturwandel massiv gefährdete Größe. Nur wenn<br />
es gelingt, das soziale Netzwerk Dorf zu pflegen und/<br />
oder zu erneuern, können Netzwerke wachsen, die mehrere<br />
Dörfer umgreifen und der Kirche im ländlichen Raum<br />
Zukunft eröffnen. <strong>Die</strong> bloße Übertragung von städtischen<br />
Konzepten wird der Wirklichkeit im sozialen Netzwerk Dorf<br />
nicht gerecht, sondern droht diese weiter zu schwächen.<br />
3. Wohin gehen wir?<br />
3.1 Es braucht offene Regelungen für Gottesdienstzeiten und<br />
Gottesdienstformen. Das schwächt nicht von sich aus die<br />
Bedeutung der Eucharistie, sondern untermauert diese<br />
und stärkt sie letztlich.<br />
3.2 Es braucht differenzierte Modelle der Gemeindegestaltung.<br />
<strong>Die</strong> Verantwortung für das liturgische und soziale<br />
Zusammenleben im Dorf muss vor Ort wahrgenommen<br />
werden und darf nicht administrativ „veramtet“ werden.<br />
3.3 Es braucht eine verlässliche und regelmäßige spirituelle<br />
Gemeinschaft, die nicht von der Verfügbarkeit eines<br />
Priesters oder Diakons abhängig sein darf.<br />
3.4 Zentren des Glaubens sind wichtiger als administrative<br />
Zentralisierung. <strong>Die</strong> kirchenamtliche <strong>Die</strong>nstleistung (auch<br />
in den Kasualien) kann im Unterschied zur Glaubensgemeinschaft<br />
der Gläubigen durchaus zentralisiert verantwortet<br />
werden, darf diese aber weder in Frage stellen<br />
noch schwächen.<br />
3.5 Eine solche Perspektive setzt die Schulung, Begleitung<br />
und Unterstützung von Menschen in umfassender Weise<br />
voraus. Es braucht dafür Toleranz und Akzeptanz, Wertschätzung<br />
und je eigene Verantwortung auf allen Ebenen.<br />
39
Blick ins Land<br />
40<br />
Für Sie gelesen<br />
Chancen zur Versöhnung?<br />
Im gegenwärtigen Dialogprozess innerhalb der deutschen<br />
Kirche taucht immer wieder ein Thema auf, das mehr und<br />
mehr zu einer Herausforderung in der Wahrnehmung der katholischen<br />
Kirche wird: Wie geht die Kirche mit den sogenannten<br />
wiederverheirateten Geschiedenen um?<br />
Mancher mag einwerfen, dass viele Menschen<br />
dieses Thema gar nicht mehr interessiert.<br />
Wer betroffen ist, der mag längst seine<br />
Lösungen gefunden haben, so unterschiedlich<br />
die auch aussehen. Für einige ist die<br />
bisherige kirchliche Regelung ein Grund<br />
zum endgültigen Abschied, für andere ein<br />
Schmerzpunkt ohne Ausweg, und nicht wenige<br />
haben sich vor Ort arrangiert, ohne<br />
mit dieser häufig als halbherzig empfundenen<br />
Lösung ganz glücklich zu sein.<br />
Immer wieder weisen soziologische Untersuchungen<br />
darauf hin, dass gerade<br />
der pastorale und kirchenrechtliche Umgang<br />
mit dieser Gruppe für viele Beobachter<br />
der Kirche ein Grenzstein ihrer<br />
Beurteilung ist. Hier messen sie, ob die<br />
Kirche bereit ist, sich um der Menschen<br />
willen zu bewegen, neue Wege und Lösungen zu suchen.<br />
Man mag sich angesichts dieser kritischen Beobachter an einen<br />
Buchtitel von Jacques Gaillot erinnern lassen, der da<br />
lautete: „Eine Kirche, die nicht dient, dient zu nichts.“<br />
Der Freiburger Moraltheologe Prof. Eberhard Schockenhoff<br />
hat zu dieser Frage einen eigenen Beitrag vorgelegt, in dem<br />
er die verschiedenen Aspekte der Frage zusammengetragen<br />
hat. Seinen gedanklichen Ausgangspunkt nimmt er bei der<br />
offiziellen Begründung für die Nichtzulassung wiederverhei-<br />
rateter Geschiedener zu den Sakramenten, nicht ohne auf<br />
die Unstimmigkeiten und Widersprüche in Praxis und Theorie<br />
hinzuweisen. Er fasst nochmals kurz die vorliegenden<br />
Ideen zu einer Änderung der bisherigen Praxis zusammen,<br />
ehe er einen weiten gedanklichen Bogen vom biblischen<br />
Zeugnis bis hin zu spirituellen Hinweisen, die er unter dem<br />
Titel „Das Mahl der Sünder“ zusammengetragen<br />
hat, und die darauf verweisen,<br />
dass die Feiernden alle miteinander<br />
bekennen: „Herr, ich bin nicht<br />
würdig, dass Du eingehst unter mein<br />
Dach.“<br />
Wer sich intensiver mit der Frage befassen<br />
will, dem kann man nur zur Lektüre<br />
von Schockenhoff raten. Hier erhält man<br />
einen gründlichen Überblick.<br />
I Dr. Thomas <strong>Die</strong>trich
Jubiläen auf dem Klaushof<br />
Herzlichen Glückwunsch<br />
Sophie Heitlinger war langjährig sowohl<br />
beruflich als auch ehrenamtlich<br />
in unterschiedlichen Funktionen für<br />
die Landverbände tätig. Zu Ihrem 80.<br />
Geburtstag und zur goldenen Hochzeit<br />
mit ihrem Mann Hans schreibt ihr<br />
Landvolkpfarrer Dr. Thomas <strong>Die</strong>trich<br />
ein persönliches Glückwunschschreiben,<br />
das wir hier veröffentlichen:<br />
Liebe Sophie,<br />
wie soll man einem Menschen wie Dir gratulieren? Du bist ein Urgestein<br />
in der pastoralen Landschaft des Erzbistums und es ist mühsam, einen<br />
Überblick über Deine Aktivitäten zu gewinnen. Aber ich will es trotzdem<br />
versuchen.<br />
Du stammst aus dem Sauerland, bist aber mit deiner Energie und deinem<br />
Einsatz auf vielen Ebenen längst hier eine von uns geworden. Bereits in<br />
Deiner Ausbildung zur Meisterin der ländlichen Hauswirtschaft verlässt<br />
Du für einige Zeit das heimische Fredeburg und gehst nach Schweden.<br />
Beruflich triffst Du die beste Entscheidung und kommst zu uns in den Süden,<br />
wo Du als Referentin für Landfrauen beim <strong>Katholische</strong>n Frauenbund<br />
arbeitest. <strong>Die</strong> Entscheidung ist schon alleine deshalb so gut, weil Du in<br />
dieser Zeit Deinen Mann Hans kennenlernst. Gemeinsam mit den Schwiegereltern<br />
baut ihr einen Aussiedlerhof, anfangs mit Kühen und Schweinen,<br />
später mit Hühnerhaltung und Direktvermarktung.<br />
Aber auch anderes war Dir wichtig. Über 20 Jahre bist Du Vorsitzende<br />
des katholischen Landvolks in der Erzdiözese, einige Jahre auch stellvertretende<br />
Bundesvorsitzende. Im Pfarrgemeinderat von Rohrbach wirkst<br />
Du ebenso wie als Vorsitzende im Dekanatsrat Bretten, im Diözesanrat<br />
sieht man Dich und auch beim Diözesanforum unter Erzbischof Saier<br />
wirkst Du mit. Vermutlich vergesse ich hier einiges – aber auf jeden Fall<br />
wird erkennbar: Auf allen Ebenen bringst Du Dich ein und scheust dabei<br />
keine Mühen oder Widerstände. Und das ist gut so!<br />
Da winken natürlich auch Orden, staatliche und sogar päpstliche. Aber<br />
am meisten und schönsten winken dann vielleicht doch die vier Kinder<br />
und elf Enkelkinder. Und auch wir winken mit und sagen Dir ein ganz<br />
herzliches „Vergelt’s Gott!“ Denn was wir heute machen, das wäre nicht<br />
möglich ohne das, was Du in diesen vielen Jahren und Aufgaben gemacht<br />
hast.<br />
Dir alles Gute und Gottes Segen im Namen aller.<br />
41
Blick ins Land<br />
42<br />
Personalien<br />
Herzlich Willkommen<br />
Mit dem Ende der Sommerpause ist<br />
Viola Steinebach in Freiburg angekommen.<br />
Sie macht ihr Freiwilliges<br />
Soziales Jahr in der Diözesanstelle<br />
der <strong>Katholische</strong>n Landjugendbewegung<br />
Freiburg (KLJB) und unterstützt<br />
alle, die im Referat Land Hilfe<br />
brauchen.<br />
Eine ganz neue Aufgabe hat Meinrad<br />
Karle im Bildungshaus Kloster<br />
St. Ulrich übernommen. Dort gibt<br />
es eine Fülle von Hausmeisteraufgaben,<br />
die eine Aufstockung der<br />
Personalkapazitäten dringend notwendig<br />
gemacht haben. Meinrad<br />
Karle kommt aus der Elternzeit<br />
und wird nach und nach in diese<br />
Verantwortung in St. Ulrich einsteigen.<br />
Viola Steinebach<br />
Meinrad Karle<br />
Wir heißen beide herzlich willkommen.<br />
I Dr. Thomas <strong>Die</strong>trich<br />
IMPRESSUM<br />
Herausgeber: <strong>Katholische</strong> Landvolk Bewegung Freiburg<br />
<strong>Katholische</strong> <strong>Landfrauenbewegung</strong> Freiburg<br />
Bildungshaus Kloster St. Ulrich, LVHS<br />
Referat Kirche und Ländlicher Raum<br />
Redaktion: Dr. Thomas <strong>Die</strong>trich, Landvolkpfarrer<br />
Susanne Jörger, Diözesanreferentin KLFB<br />
Dr. Jessica Knall, Öffentlichkeitsarbeit<br />
Christiane Röcke, Referentin St. Ulrich<br />
Weitere Autoren: Martina Braun, Bernhard Nägele<br />
Fotos: Dr. Jessica Knall, Valentin Knall,<br />
Gabriele Schmidt, Fotoarchive<br />
der Herausgeber, privat<br />
Gestaltung: Gabriele Schmidt, Freiburg<br />
Anschrift: Okenstraße 15<br />
79108 Freiburg<br />
Telefon 0761 5144-241<br />
mail@landpastoral.de<br />
Freiburg im Dezember 2012
Sozialkapital<br />
Das klingt merkwürdig. <strong>Die</strong> warme und die kühle Seite<br />
wollen nicht recht zusammenpassen. Dass in diesem<br />
besonderen Kapital ein allzu lange übersehener Schatz<br />
steckt, hat in den letzten Jahren die Nobelpreisträgerin<br />
Elinor Ostrom mit ihren Studien zur Nutzung öffentlicher<br />
Güter beschrieben. Lokale Gemeinschaften produzierten<br />
nicht nur Milch, sauberes Wasser, Strom und Geld,<br />
betonte die amerikanische Ökonomin in ihren Schriften.<br />
Hirten, Bauern, auch Energiegenossenschaften oder die<br />
Betreiber urbaner Gärten stellten zugleich Vertrauen her,<br />
Zugehörigkeit, Regeln, einen verlässlichen Austausch und<br />
Fluss des Wissens. Kostbarkeiten. Vor allem pflegten sie,<br />
schon weil sie als Gemeinschaft überdauern wollten,<br />
häufig sorgfältig jene natürlichen Ressourcen, die heute<br />
allenthalben gefährdet sind.<br />
Ausschnitt aus „Der letzte Feldzug“ von<br />
Christiane Grefe, ZEIT LITERATUR, Nr. 41<br />
Impuls
die Herausgeber<br />
Kirche und Ländlicher Raum<br />
Referat im Erzbischöfl. Seelsorgeamt<br />
Okenstraße 15, 79108 Freiburg<br />
Tel. 0761 5144-241, Fax -234<br />
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<strong>Katholische</strong> Landvolk Bewegung<br />
(KLB) in der Erzdiözese Freiburg<br />
Okenstraße 15, 79108 Freiburg<br />
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<strong>Katholische</strong> <strong>Landfrauenbewegung</strong><br />
(KLFB) in der Erzdiözese Freiburg<br />
Okenstraße 15, 79108 Freiburg<br />
Tel. 0761 5144-243, Fax -234<br />
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Bildungshaus Kloster St. Ulrich<br />
Landvolkshochschule<br />
79283 Bollschweil<br />
Tel. 076<strong>02</strong> 9101-0, Fax -90<br />
info@bildungshaus-kloster-st-ulrich.de<br />
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