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Einladung nach BozEn

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ISBN 88-95958-01-9<br />

ISBN 88-95958-01-9<br />

9 7 8 8 8 9 5 9 5 8 0 1 9<br />

€uro 25,00<br />

9 7 8 8 8 9 5 9 5 8 0 1 9<br />

Fünfzehn Jahre sind bereits seit der Erstauflage dieses Führers<br />

vergangen. Seither hat die Stadt Bozen tiefgreifende<br />

Veränderungen erfahren. Ein neuer Wind hat hier Einzug gehalten:<br />

die Universität und andere Ausbildungs- und Kulturstätten,<br />

die Theater und Konzertsäle lassen die schwindende<br />

Bedeutung von Landes- und Staatsgrenzen und die Öffnung<br />

Europas <strong>nach</strong> Osten spürbar werden, haben neue Impulse<br />

für weitere Entwicklungen gesetzt und tragen dazu<br />

bei, daß die Südtiroler Landeshauptstadt als eines der interessantesten<br />

und vitalsten Zentren des gesamten Alpenbogens<br />

anzusehen ist.<br />

Alle diese Veränderungen ließen es notwendig erscheinen,<br />

die EINLADUNG NACH BOZEN inhaltlich zu aktualisieren, damit<br />

sich darin die Stadt so wiederfindet, wie sie heute ist:<br />

eine pulsierende, sehr vielschichtige Metropole, die den Besucher<br />

unweigerlich in ihren Bann zieht; dazu, dass er den<br />

Wunsch verspüre, sie noch besser kennenzulernen, möchte<br />

der vorliegende Band gerne beitragen.<br />

Eindrucksvolle, fast poetische Bilder des bekannten Photographen<br />

Bruno Marchetti veranschaulichen die einzelnen<br />

Kapitel.<br />

Mario Paolucci, spezialisierte sich <strong>nach</strong> dem Doktorat in<br />

Philologie an der Mailänder Cattolica in weiterer Folge<br />

auf klassische Philologie an der Universität München und<br />

unterrichtete bis 1989 Latein und Griechisch am Carducci<br />

Gymnasium in Bozen. Von 1961 bis 1971 oblag ihm die<br />

Organisation und Leitung der Radio- und Fernsehprogramme<br />

des regionalen RAI-Senders Bozen, von 1970 bis 1980<br />

wirkte er als Kunstkritiker der Tageszeitung “Adige”. Er ist<br />

Vorsitzender der Associazione Nuovo Spazio di Bolzano, die<br />

seit 1979 eine erfolgreiche Laienbühne im Grieser Gemeindetheater<br />

unterhält.<br />

Mario Paolucci <strong>Einladung</strong> <strong>nach</strong> <strong>BozEn</strong> Ein Stadtführer Maya idEE<br />

Mario Paolucci<br />

<strong>Einladung</strong> <strong>nach</strong> <strong>BozEn</strong><br />

Ein Stadtführer<br />

EditricE Maya idEE


<strong>Einladung</strong> <strong>nach</strong> <strong>BozEn</strong><br />

Ein Stadtführer<br />

Mario Paolucci<br />

natur | Kunst | gEschichtE | Kultur | MusiK | sPort | shoPPing | MEssEn


4 5<br />

Bozen! Das ist eine Stadt im<br />

Grenzbereich zwischen zwei verschiedenen<br />

Geschichts- und Kulturkreisen.<br />

Sie vereinigt auf einzigartige<br />

Weise die unterschiedlichsten Elemente.<br />

Will man diese Stadt begreifen<br />

und lieben lernen, so bedarf es einiger<br />

Zuwendung und großer Behutsamkeit -<br />

eine nicht gerade einfache Aufgabe in<br />

unserer schnelllebigen Zeit, in der rasche,<br />

oberflächlich zusammenfassende<br />

Beurteilungen längst zu einer alltäglichen<br />

Notwendigkeit geworden sind.<br />

Gewiß mangelt es nicht an Bildbänden<br />

und Führern, die den Besucher hinlänglich<br />

mit jedem Winkel dieser Stadt<br />

bekanntmachen; der hier vorliegende<br />

Band hat es sich zur Aufgabe gemacht,<br />

dem Leser das besondere Flair dieser<br />

Stadt zu erschließen, ihm verborgene<br />

Schönheiten zu entdecken und nebst<br />

einer eingehenderen Kenntnis ihrer Sehenswürdigkeiten<br />

auch das Verständnis<br />

für die Symbiosefunktion Bozens zu<br />

vermitteln.<br />

Verstärkte Bedeutung kommt dieser<br />

Aufgabe dadurch zu, daß sich Bozen<br />

nun <strong>nach</strong> dem Wegfall der nationalen<br />

Grenzen und dank der Erweiterung der<br />

Europäischen Union durch den Beitritt<br />

der Ostländer seiner wichtigen Rolle im<br />

Wirtschafts- und Kulturleben ebenso<br />

wie im Fremdenverkehr innerhalb eines<br />

neuen Europa bewußt geworden ist, das<br />

in stetig zunehmendem Maße immer<br />

neuer Möglichkeiten für ein friedliches<br />

Aufeinandertreffen und Verschmelzen<br />

seiner unterschiedlichen Kulturen und<br />

Sprachen bedarf.


Editrice MAYA Idee<br />

Via Ca’ di Cozzi, 10<br />

37124 Verona<br />

Tel. 045 8352382<br />

Für die zur Verfügung gesstellten Fotos wird gedankt:<br />

Kurverwaltung Bozen<br />

Presseamt der Gemeinde Bozen<br />

Michele Pasqualotto<br />

Stiftung Stadttheater und Konzerthaus<br />

Südtirol Marketing<br />

Alois Lageder<br />

Yes Foto Studio<br />

Margherita Spiluttini<br />

Augustin Ochsenreiter ®Stadt Bozen 2007<br />

Amt für italienische Kultur der Aut. Provinz Bozen-Südtirol<br />

Entwurf und Druck<br />

Past, via Scuderlando, 209<br />

Verona<br />

Tel. 045 500296<br />

Titel der Originalausgabe “Invito a Bolzano”<br />

Übersetzung: Ulrike Kantidis, Wien<br />

6<br />

1 <strong>Einladung</strong> <strong>nach</strong> Bozen 11<br />

2 Bozens verschiedene Stadtviertel 17<br />

3 Bozen für Fußgänger 27<br />

4 Bozen für Radfahrer 31<br />

5 Bozen für Seilbahnfahrer 37<br />

6 Bozen, das “Tor zu den Dolomiten” 41<br />

7 Bozner Kulturleben 43<br />

8 Bozen und die Musik 51<br />

9 Theater und Kulturveranstaltungen 57<br />

10 Der Mann aus dem Eis 63<br />

11 Bozen und der Sport 67<br />

12 Bozen als Stadt der Jugend 73<br />

13 Bozner Erzeugnisse 77<br />

14 Kleines Einkaufsbrevier 83<br />

15 Kleines Speisenbrevier 87<br />

16 Kleines Getränkebrevier 93<br />

17 Bozen als politische und<br />

administrative Landeshauptstadt 99<br />

18 Messen und Märkte 103<br />

19 Architektonische und städtebauliche Aspekte 107<br />

20 Bozen im Laufe der Jahrhunderte 113<br />

21 Besichtigungstouren: vier Stadtrundgänge 119<br />

7<br />

inHALT


8 9


1<br />

10<br />

<strong>Einladung</strong> <strong>nach</strong> <strong>BozEn</strong><br />

1<br />

1<br />

11<br />

<strong>Einladung</strong><br />

<strong>nach</strong> <strong>BozEn</strong><br />

Bozen ist eine jener Städte, die auf den Besucher<br />

eine ganz besondere Faszination ausüben:<br />

dies liegt möglicherweise in ihrem facettenreichen<br />

Erscheinungsbild begründet, mit dem<br />

Natur und Historie dieser Stadt im Laufe der Jahrhunderte<br />

ihr unverwechselbares Gepräge verliehen<br />

haben.<br />

Wer sich, dem Etschtal aufwärts folgend, von Verona<br />

her Bozen nähert, erlebt die Stadt eingebettet<br />

in ein reiches Becken, das im Norden von einer<br />

fast ununterbrochenen Bergkette abgeschirmt wird:<br />

den felsigen Abhängen der Hochebenen von Salten<br />

und Ritten, die steil gegen die darunterliegende<br />

Schwemmlandebene abfallen, nur hier und da unterbrochen<br />

von malerischen alten Gehöften und in ordentlichen<br />

Reihen ausgerichteten Weingärten.<br />

Hier teilt sich das Tal ypsilonförmig: linker Hand<br />

erstreckt es sich in elegantem, weitem Bogen Richtung<br />

Meran, rechter Hand hingegen zwängen sich<br />

Fluß, Straße und Eisenbahnstrecke durch eine schattenreiche<br />

Enge zwischen steil aufragenden Porphyrwänden.<br />

Hat man das Stadtzentrum schließlich erreicht,<br />

ist der erste Eindruck der einer nördlichen, alpenländischen<br />

Stadt: dies bezeugen Form und Bauweise<br />

sowohl der öffentlichen als auch der privaten<br />

Bauten, die steil abfallenden Dächer, die Vorsprünge<br />

über Fenstern und Balkonen, die niedrigen Laubengänge,<br />

in deren Geschäften typisch alpenländisches<br />

Kunsthandwerk und Kleidung zum Verkauf angeboten<br />

werden, die “Wiener” Kaffeehäuser, in denen ruhige<br />

Winkel zu gemütlichem Verweilen bei Plausch<br />

und Zeitungslektüre einladen. Alle diese charakteristischen<br />

Elemente sind es, die den Besucher aus dem


LAUBEN<br />

1<br />

Süden mit einer für ihn neuen, für den mitteleuropäischen<br />

Kulturkreis charakteristischen Atmosphäre<br />

um- und empfangen.<br />

Demjenigen hingegen, der aus nördlichen Breiten<br />

herabsteigend die tiefe Klamm überwindet, wo<br />

zwischen Waidbruck und Kardaun die Wasser der Eisack<br />

sprudeln, dem bietet sich urplötzlich das Bild<br />

eines fruchtbaren, grünenden Beckens, linker Hand<br />

begrenzt von den dunklen Abhängen des Kohlerer<br />

Berges, im Hintergrund das Überetsch und die leicht<br />

gewellte Silhouette des Penegal, abwärts gegen die<br />

Mendel und wieder hinauf zur Roenspitze, während<br />

noch weiter entfernte Kulissen sich allmählich in<br />

südlich-blauem Dunst verlieren. Diesem Besucher<br />

aus dem Norden erscheint Bozen als erste südländische<br />

Stadt unter einem großzügig weiten Himmelsbogen,<br />

der beim Blick gen Süden flirrende Sonnenstrahlen<br />

über einen reichen Talboden streut. Wie<br />

anders als im Norden erscheint hier das Licht, um<br />

wievieles klarer, strahlender, intensiver! Auch das<br />

Grün zeigt die verschiedensten Schattierungen, es<br />

ist nicht mehr das urig-gleichförmige, satte Dunkelgrün<br />

der Wiesen und Wälder an den Nordabhängen<br />

der Alpen, sondern ein buntes Gemisch der mannigfaltigsten<br />

Grüntöne, wie sie nur aus dem Nebeneinander<br />

einer reichhaltigen Vegetation entstehen<br />

können; hier gesellen sich zu den Kiefern, Tannen,<br />

Fichten und Lärchen an den Berghängen nächst der<br />

12<br />

<strong>Einladung</strong> <strong>nach</strong> <strong>BozEn</strong> <strong>Einladung</strong> <strong>nach</strong> <strong>BozEn</strong><br />

Stadt noch Edelkastanien, Steineichen, Olivenbäume,<br />

Zedern und sogar auch Palmen, lebendige Zeugen<br />

eines Klimas, das trotz manch rauher Winterwinde<br />

dennoch das Jahr über vorwiegend ausgeglichen<br />

und der Gesundheit zuträglich ist.<br />

All diese unterschiedlichen Akzente machen aus<br />

Bozen eine einzigartige, sehr dynamische, anregende<br />

und offene Stadt in der die verschiedensten architektonischen<br />

Stilrichtungen und Ausdrucksformen<br />

urbanen Lebens, die handwerklichen Produkte<br />

und die manchmal sogar gegensätzlichen kulturellen<br />

Entwicklungen, Gepflogenheiten und Mentalitäten<br />

zu einem einheitlichen Ganzen verschmelzen.<br />

v v v<br />

Bedingt durch seine geographische Lage fungierte<br />

Bozen jahrhundertelang als wichtige Drehscheibe<br />

zwischen den Regionen Italiens und der germanischen<br />

Welt. Schon damals war der Handel Kernpunkt<br />

des Wirtschaftslebens, Basis für den Wohlstand der<br />

Stadt. Heute ist Bozen als Landeshauptstadt Südtirols<br />

längst zu einem pulsierenden Wirtschaftszentrum<br />

geworden, doch wie zahlreiche florierende Betriebe<br />

in den verschiedensten Sparten, insbesondere<br />

aber auf landwirtschaftlichem Sektor beweisen,<br />

nimmt der Handel noch immer eine wichtige Position<br />

ein. Als weitere wichtige Quelle des städtischen<br />

Wirtschaftslebens ist der Fremdenverkehr anzusehen,<br />

der nicht zuletzt auch durch die Auffindung<br />

des Mannes aus dem Eis und mit dem eigens<br />

für ihn errichteten Museum neuen Auftrieb erhalten<br />

hat. Heute ist Bozen nicht mehr nur Durchgangsstation<br />

für Reisende <strong>nach</strong> anderen Fremdenverkehrszielen<br />

der Provinz, sondern erfreut sich einer zunehmenden<br />

Anzahl von Besuchern, die von der Schönheit<br />

dieser Stadt, ihrem kulturellen Angebot und ihrer<br />

näheren Umgebung angezogen werden.<br />

Ihrer autonomen Verwaltung hat die Stadt Bozen<br />

ihre wachsende Bedeutung als politisch und administrativ<br />

führendes Zentrum zu verdanken; der beachtliche<br />

Zuwachs an Beschäftigten im tertiären<br />

Sektor darf jedoch nicht darauf vergessen lassen,<br />

daß die Stadt nebst ihren sonstigen urbanen Auf-<br />

gaben als Industrie- und Handelszentrum Anziehungspunkt<br />

für zahlreiche große und mittlere Betriebe<br />

ist, in denen tausende Beschäftigte Arbeit<br />

finden.<br />

Die unmittelbare Nähe alpiner Landschaften von<br />

großer Ausdruckskraft und Schönheit, wo sich auch<br />

heute noch die Erfahrung eines direkten Kontaktes<br />

mit der Natur erleben läßt, prägt mehr als man<br />

glauben möchte den Lebensstil der Bozner Bevölkerung.<br />

Die innerhalb weniger Minuten mit privaten<br />

oder auch mit öffentlichen Beförderungsmitteln erreichbaren<br />

Höhen von Überetsch, Jenesien, Ritten<br />

und Kohlern bieten eine unerschöpfliche Vielfalt<br />

von Wanderwegen verschiedenster Arten und<br />

Schwierigkeitgrade für alle Altersstufen und zu jeder<br />

Jahreszeit.<br />

Wer überdies die Gelegenheit zu nützen versteht,<br />

erkennt im heutigen Bozen auch noch einen sehr<br />

anregenden Mittelpunkt kultureller Veranstaltungen.<br />

Mag die Notwendigkeit, zwei Sprachen zu beherrschen,<br />

in der Vergangenheit vielleicht auch als<br />

Last empfunden worden sein, heute ist diese Zweisprachigkeit<br />

nicht nur wertvolle Ergänzung jeglicher<br />

Ausbildung sondern wird auch als willkommene<br />

persönliche Bereicherung empfunden. Ist doch<br />

jede Sprache an sich nicht nur ein unverzichtbares<br />

Kommunikationsmittel, sondern auch Trägerin kultureller<br />

Werte. Demjenigen, dem diese Kenntnis als<br />

selbstverständlich eigen ist, öffnen sich neue Horizonte,<br />

er hat Zugang zu beiden Kulturen sowohl auf<br />

literarischer, als auch künstlerischer, juristischer,<br />

1<br />

wirtschaftlicher und jedweder sonstiger Ebene.<br />

Das Musikleben ist in Bozen sehr intensiv vertreten<br />

und hat schon lange Tradition. Das Musikkonservatorium<br />

Monteverdi ist durch seine in allen musikalischen<br />

Fachbereichen tätigen Lehrer und seine<br />

hohe Schüleranzahl weithin bekannt: von hier<br />

stammen jene Musiker, aus denen sich vor fünfzig<br />

Jahren ein feststehendes Orchester herausgebildet<br />

hat, das Haydn-Orchester Bozen-Trient, mit Sitz<br />

in dem eigens hierfür renovierten Auditorium. Die<br />

Stadt beherbergt auch die beiden großen europä-<br />

13<br />

WALTHERPLATZ<br />

CATINACCIO -<br />

ROSENGARTEN


RATHAUSPLATZ<br />

KORNPLATZ<br />

1<br />

ischen Jugendorchester “Gustav Mahler” und “European<br />

Union Youth Orchestra”, gegründet und unterstützt<br />

von Maestro Claudio Abbado. In Bozen absolvieren<br />

sie die Proben für ihre Tourneen und hier<br />

geben sie auch ihre ersten Konzerte. Zwischen Ende<br />

August und Anfang September finden auch jährlich<br />

abwechselnd zwei weitere große Musikveranstaltungen<br />

statt: der internationale Klavierwettbewerb<br />

Ferruccio Busoni, und das Busoni-Festival, an wel-<br />

14<br />

<strong>Einladung</strong> <strong>nach</strong> <strong>BozEn</strong> <strong>Einladung</strong> <strong>nach</strong> <strong>BozEn</strong><br />

chem bedeutende Orchester und Kammermusikvereinigungen<br />

ebenso wie herausragende Solisten teilnehmen.<br />

Außerhalb der normalen Konzertsäle sorgen<br />

jedoch auch das Kirchenmusik- und das Jazzfestival<br />

stets für zahlreiches Publikum, während<br />

der Konzertverein Bozen alljährlich im Michelangeli-Saal<br />

des Konservatoriums eine Kammermusiksaison<br />

auf höchstem Niveau bietet. Der Chorgesang<br />

und das Lied haben lange und ruhmreiche Tradition,<br />

wohingegen die Berglieder von vier Bürgerchören<br />

gepflogen werden. Volksmusik und Folklore sind<br />

dank der verschiedenen Verbände, Gesangs-, Tanz-<br />

und Musikgruppen bei allen religiösen und weltlichen<br />

Festveranstaltungen vertreten. Die Volkskultur<br />

wird bewußt gepflegt und findet ihre farbenprächtigste<br />

Ausdrucksform in den bunten Trachten,<br />

ist aber natürlich auch im Dialekttheater, dem<br />

Kunsthandwerk, den religiösen Traditionen sowie -<br />

nicht zu vergessen - im reichhaltigen Angebot der<br />

Gastronomie und ländlichen Küche vertreten.<br />

Auf dem Gebiet der bildenden Künste hat die Einrichtung<br />

eines Museums für moderne und zeitgenössische<br />

Kunst (Museion) das Interesse für diese<br />

Kunstform angeregt und Verbindungen zu ähnlichen<br />

Institutionen im Süden und Norden geschaffen;<br />

daraus hat sich das Museum zu einem Treffpunkt<br />

von Künstlern verschiedenster Provenienz entwikkelt.<br />

Im historischen Stadtzentrum wurde hierfür<br />

ein neues, ultramodernes Gebäude errichtet.<br />

Das weitverbreitete Interesse an sportlichen Aktivitäten<br />

sowohl sommers (Bergsteigen) als auch<br />

insbesondere winters (Skifahren, Eishockey, Eislaufen<br />

und Bobfahren) hat Bozen zu einem zentralen<br />

sportlichen und touristischen Anziehungspunkt<br />

werden lassen, wobei der Wintersaison heute<br />

weit größere Bedeutung und wirtschaftliches Gewicht<br />

als der Sommersaison zukommt. Die glücklicherweise<br />

in den Gepflogenheiten und Erwartungen<br />

unterschiedlichen und daher zeitlich gestaffelt aus<br />

Nord und Süd anreisenden beiden Touristenströme<br />

gestatten eine übers Jahr verteilte, bestmögliche<br />

Nutzung der Über<strong>nach</strong>tungsangebote.<br />

v v v<br />

Die Gesundheitsversorgung verschlingt ein Viertel<br />

der beachtlichen finanziellen Mittel der Provinz<br />

und das Allgemeine Regionalkrankenhaus Bozen<br />

rangiert <strong>nach</strong> jüngsten Erhebungen qualitativ und<br />

organisatorisch landesweit auf höchster Ebene.<br />

Das Bozner Klima ist trocken und angenehm. Nur<br />

wenige Tage des Jahres sind verregnet; die Winter<br />

sind in der Regel heiter und trocken; sommers brütet<br />

tagsüber die Hitze über der Stadt, doch gegen<br />

Abend erhebt sich der Wind und die Nächte bringen<br />

Abkühlung und Frische, was auch die heißen Sommermonate<br />

erträglich macht.<br />

Im Frühjahr bietet sich dem staunenden Beschauer<br />

rundum im ganzen Tal ein einzigartiges Schauspiel<br />

der Natur: die Apfelblüte. Die allerschönste<br />

Jahreszeit aber ist der Herbst, Zeit der Ernte und<br />

der Weinlese, wenn zeitgleich mit der flammenden<br />

Pracht der bunt verfärbten Wälder sich in der Stadt<br />

der unverwechselbare Duft des jungen Weines verbreitet.<br />

Viele Touristen, die sommers und winters ihren Urlaub<br />

in Südtirol verbringen, machen Halt in Bozen,<br />

um in den eleganten Geschäften des Stadtzentrums<br />

ihre Einkäufe zu tätigen. An diese Besucher und<br />

an alle jene, die Bozen nur auf der Durchfahrt oder<br />

1<br />

rein zufällig berühren, ist der vorliegende Band gerichtet:<br />

auf daß ihr Kontakt mit dieser Stadt weniger<br />

oberflächlich und eilig sein möge; auf daß sie<br />

verweilen mögen, um abseits geschäftiger Hast Bozens<br />

Lebensrhythmus, Bozens Kultur und Geisteshaltung<br />

kennenzulernen; auf daß sie die Stadt in<br />

der Gesamtheit ihrer verschiedenen Akzente erfassen<br />

und möglichst zu lieben lernen mögen.<br />

15<br />

ALTSTADT<br />

LUFTAUFNAHME<br />

VOM ALLG.<br />

KRANKENHAUS


1<br />

16<br />

<strong>Einladung</strong> <strong>nach</strong> <strong>BozEn</strong><br />

2 <strong>BozEn</strong>s<br />

2<br />

vErschiEdEnE<br />

i quartiEri<br />

stadtviErtEl<br />

di Bolzano<br />

im Verlaufe der städtischen Entwicklung Bozens<br />

gesellten sich zu dem zwischen den beiden<br />

Flüssen Eisack und Talfer gelegenen historischen<br />

Stadtkern mit der Zeit die weiteren<br />

Stadtteile, von denen jeder sein eigenes architektonisches<br />

und soziales Gepräge, seinen ganz<br />

persönlichen Charakter besitzt.<br />

Grob betrachtet läßt sich die Stadt in folgende<br />

vier strukturelle Stadtviertel gliedern:<br />

1 Der zentrale Stadtkern liegt mitten im Herzen<br />

von Bozen als ältester und architektonisch<br />

bedeutendster Stadtteil mit einem Gewirr<br />

von Einkaufsstraßen, Bürgerhäusern<br />

und Kirchenbauten, die alle in der Zeit zwischen<br />

dem XIV. und XIX Jhdt. entstanden.<br />

2 Mehrere Stadtviertel begannen sich ab Ende<br />

des neunzehnten Jahrhunderts längs der<br />

bedeutendsten Ausfahrtstraßen netzartig zu<br />

entwickeln und in einander zu verflechten.<br />

3 Eine ausgedehnte Handels- und Industriezone<br />

erstreckt sich am Südrand jenseits der<br />

Eisack und neu hinzukommende Wohnsiedlungen,<br />

Handels- und Gewerbeniederlassungen<br />

dehnen sich immer weiter <strong>nach</strong> Westen aus.<br />

4. An der Peripherie von Bozen liegen vereinzelte<br />

Gehöfte, malerische Burgen und Bauernhäuser<br />

auf den grünen Hügeln, die die<br />

Stadt an drei Seiten umschließen.<br />

Verwaltungsmäßig wurde die Stadt in fünf<br />

Stadtviertel eingeteilt, deren Stadtviertelräte<br />

die Erfüllung verschiedener, ihnen übertragener<br />

administrativer Aufgaben obliegt.<br />

Man unterscheidet folgende Stadtviertel: Zentrum-Bozner<br />

Boden-Rentsch; Gries-Quirein;<br />

17


PALAIS<br />

WIDMANN<br />

2<br />

Oberau-Haslach; Europa-Neustift; Don Bosco.<br />

Für die nun folgende Beschreibung der unterschiedlichen<br />

Bozner Stadtteile wurden jedoch andere Kriterien<br />

herangezogen und historische, architektonische<br />

bzw. soziale Gemeinsamkeiten berücksichtigt.<br />

1. Das historische Stadtzentrum<br />

Museumstraße und Lauben zwischen Rathausplatz<br />

und der Talferbrücke bilden die Hauptachsen, längs<br />

18<br />

Bozens verschiedene stadtviertel <strong>BozEn</strong>s vErschiEdEnE stadtviErtEl<br />

welcher die Altstadt sich ursprünglich entwickelt<br />

hat, um sich dann weiter Richtung Süden bis zum<br />

Dom und den noch im vorigen Jahrhundert von ausgedehnten<br />

Feldern und Gärten umgebenen Klöstern<br />

der Dominikaner und Kapuziner zu erweitern. Im<br />

rechten Winkel dazu bilden Goethestraße und Obstmarkt<br />

die am meisten frequentierte Kreuzung; hier<br />

am Marktplatz und in nächster Nähe regsten Geschäftslebens<br />

schlägt der Puls der Stadt intensiver<br />

als sonst irgendwo, vermengen sich Tradition und<br />

modernes Leben am harmonischesten.<br />

Läden, Hotels und Restaurants, Kunstgalerien,<br />

Buchhandlungen, kulturelle und sportliche Verbände,<br />

Theater- und Musiksäle sind ebenso im alten<br />

Stadtkern angesiedelt und sind mitbestimmend für<br />

das gesamte Erscheinungsbild des Zentrum.<br />

Hier wurden das Stadttheater am Verdiplatz, das<br />

Auditorium als Sitz des Haydn-Orchesters, das Centro<br />

Trevi als italienisches Kulturzentrum und das<br />

neue Museum für moderne und zeitgenössische<br />

Kunst (Museion) in der Carduccistraße errichtet.<br />

Durch den Bau von Tiefgaragen und großen Parkplätzen<br />

im Freien sowie dank der laufenden Wohnbausanierungen<br />

konnten Altstadterhaltung und<br />

die Schaffung des nötigen Komforts und modernen<br />

Standards auch in den historischen Gebäude von<br />

hohem kunstgeschichtlichen Wert erfolgreich miteinander<br />

in Einklang gebracht werden.<br />

2. Sankt Oswald<br />

Dieser westlich der Talfer gelegene und vor der<br />

jüngsten Wohnbautätigkeit als bürgerliches Wohnviertel<br />

geltende Stadtteil erstreckt sich nördlich<br />

vom historischen Stadtkern zwischen der Linie<br />

Talfergasse - Wangergasse - Vintlergasse und<br />

den steilen, waldigen Abhängen des Hörtenbergs;<br />

in diesem teilweise noch immer ruhigen, nahezu<br />

aristokratischen Viertel schimmern stolze Villen<br />

durch das Grün der sie umgebenden Parks, Obst-<br />

und Weingärten.<br />

Hier liegt auch das Schloß Maretsch, dem als<br />

Adelssitz viele Jahrhunderte lang große Bedeutung<br />

zukam. Sein ursprünglicher Kern stammt noch aus<br />

dem 13. Jhdt. Seine endgültige Form erhielt das<br />

Anwesen gegen Ende des 16. Jhdts, als die Söhne<br />

des Sigmund Römer daraus ihren stattlichen Wohnsitz<br />

machten. Schloß Maretsch ist ein Paradebeispiel<br />

der Renaissance-Baukunst: die plastisch hervorgehobenen<br />

massigen Bauteile erscheinen seltsam<br />

schwerelos in der sie umgebenden Atmosphäre,<br />

daraus resultiert der Eindruck eines soliden und<br />

gleichzeitig dennoch anmutigen Miteinander zylindrischer,<br />

von kegelförmigen Dächern gekrönter Türme<br />

an den Gebäudeecken und dazwischenliegender,<br />

durch in optimalen Proportionen angeordnete<br />

rechteckige Fenster rhythmisch unterbrochener<br />

und aufgelockerter Gebäudemauern aus Porphyr.<br />

In geringer Entfernung zu Schloß Maretsch liegt<br />

ein anderer Adelssitz, die Gerstburg. Ursprünglich<br />

von Sigismund Gerstl gegen 1490 erworben, wurde<br />

sie zwischen 1603 und 1609 von der Familie der<br />

Giovanelli ausgebaut und renoviert. Beachtenswert<br />

sind die Stukkaturen aus der zweiten Hälfte des<br />

15. Jhdts und ferner das wunderschöne Deckenfresko<br />

des Saales, der “Einzug der Aurora” von Martin<br />

Knoller.<br />

2<br />

3. Bozner Boden und Rentsch<br />

Die zwischen der Eisack und der weitausladenden<br />

Kurve der Bahnstrecke gelegene Ebene im Osten<br />

des Stadtzentrums hat annähernd die Form eines<br />

Rhombus und wird als Bozner Boden bezeichnet.<br />

Dieser ist sozusagen die Speisekammer Bozens: hier<br />

wird die gesamte Verpflegung, und nicht nur die Lebensmittelversorgung,<br />

abgewickelt, denn hier befinden<br />

sich der Güterbahnhof und die Großmarkthallen,<br />

die untertags einige Stunden lang auch für<br />

Privatpersonen geöffnet sind. Zollämter, Speditionen,<br />

Handelsvertretungen, Transportunternehmen,<br />

Holz- und Öllager sind ebenfalls hier angesiedelt.<br />

19<br />

EINZUG DER<br />

AURORA<br />

VON MARTIN<br />

KNOLLER<br />

SCHLOSS<br />

MARETSCH


OBSTMARKT<br />

2<br />

In der Nachkriegszeit entstand hier auch ein kleines,<br />

zum Großteil von Eisenbahnern bewohntes,<br />

vorwiegend italienisches Viertel. Von der dortigen,<br />

1961 zu Ehren des Hl. Josef eingeweihten Pfarrkirche<br />

wissen auch in Bozen selbst nur die wenigsten,<br />

daß sie ein Werk von Piacentini ist. Ursprünglich<br />

für Addis Abeba entworfen, war die Planung,<br />

da sie dort nicht mehr verwirklich werden konnte,<br />

unverändert <strong>nach</strong> Bozen verlagert worden. Der Bau<br />

ist ein interessantes architektonisches Dokument<br />

Piacentinis: die Front aus Reihen von Sichtziegeln<br />

springt oben vor und ist senkrecht durch drei rechteckige<br />

Nischen unterteilt. Ein einziges großes Portal<br />

mit einem Rahmen aus weißem Travertin in einfachen<br />

rechtwinkeligen Linien lädt zum Eintritt.<br />

Die gleiche Backsteinfläche in wechselweise vorspringenden<br />

Ziegelreihen verbindet die Front mit<br />

der Kapelle zur Linken und dem Pfarramtsgebäude<br />

zur Rechten, worüber sich der ebenfalls durch klare<br />

geometrische Linien gekennzeichnete Glockenturm<br />

erhebt. Der Kreuzgang mit seinem Brunnen in<br />

der Mitte und seinen viereckigen Laubengängen ermahnt<br />

an die klösterliche Bestimmung des Baus.<br />

Jenseits der Bahnlinie zeichnet sich der alte Vorort<br />

Rentsch durch ein ganz anderes Erscheinungsbild<br />

aus: von hier zweigte in römischer und mittelalterlicher<br />

Zeit der alte Maultierpfad ab, der infolge<br />

der Unwegsamkeit des Talgrundes über den Ritten<br />

und wieder hinab <strong>nach</strong> Klausen zum Becken von<br />

20<br />

Bozens verschiedene stadtviertel <strong>BozEn</strong>s vErschiEdEnE stadtviErtEl<br />

Brixen führte; daß sich hier in jenen Zeiten eine<br />

kleine Ansiedlung entwickelte, ist nur allzu natürlich<br />

- möglicherweise ist sie die älteste im gesamten<br />

Bozner Becken.<br />

Die Enge zwischen der alten Brenner-Staatsstraße<br />

und den von Weingärten bedeckten Hügeln<br />

hat fast ausschließlich deutschsprachige Bewohner;<br />

Neubauten haben in jüngster Zeit die architektonischen<br />

Merkmale dieses ländlichen Vorortes<br />

ein wenig verwischt, doch noch heute lassen sich<br />

unschwer hier und dort formschöne, solide Bauten<br />

von altehrwürdiger Vornehmheit ausmachen. Schon<br />

in geringer Entfernung von der Brennerstraße landeinwärts<br />

gelangt man in ein vollkommen anderes<br />

Ambiente: auf der engen Untermagdalenastraße<br />

erreicht man in wenigen Minuten das auf einem<br />

Sattel zwischen den Bergabhängen und einem<br />

völlig von Weingärten bedeckten, runden Hügel<br />

gelegene malerische Dörfchen St. Magdalena.<br />

Links und rechts der Straße ruhen, inzwischen zu<br />

Weinbaubetrieben umfunktionierte, uralte, festgefügte<br />

Bauerngehöfte: hier wird der <strong>nach</strong> dem Örtchen<br />

benannte Rotwein produziert und verkauft.<br />

Vier, fünf Bauernhäuser mit blumengeschmückten<br />

Balkonen umstehen die Kirche mit dem nadelspitzen<br />

Turm: sie beherbergt bedeutende, von italienischen<br />

Künstlern aus der Schule Giottos angefertigte<br />

Fresken aus der zweiten Hälfte des 14. Jhdts.<br />

(Öffnungszeiten: Dienstag und Freitag von 15.00<br />

bis 17.00 Uhr)<br />

4. Gries<br />

Den Besucher, der von der Museumstraße kommend<br />

die Talferbrücke überschreitet, empfängt ein<br />

vollkommen andersgeartetes Bozen. Das Siegesdenkmal<br />

und der es umgebende gleichnamige Platz<br />

sind ein sehr deutliches Beispiel für die ideologische,<br />

von allen lokalen Traditionen abweichende<br />

Architekturform, die der Faschismus Italien in den<br />

30er Jahren aufzwang: hier herrschen Bögen und<br />

Säulen vor, gerade geometrische Linien verbinden<br />

kantige Ecken, auf jedwede überflüssige Dekoration<br />

wurde verzichtet. Mit diesen “römischen” bzw.<br />

imperialistischen Architekturelementen sollte im<br />

“neuen” Teil Bozens das Gegengewicht zu dem in<br />

der Altstadt vorherrschenden gotischen oder neogotischen<br />

Baustil geschaffen werden. Die das Monument<br />

auf drei Seiten umgebenden Gebäude des<br />

Siegesplatzes sollten als zugehöriger Gesamtkomplex<br />

empfunden werden und sind daher an den<br />

Straßeneinschnitten durch Bögen miteinander verbunden,<br />

in denen sich das Bauschema der römischen<br />

Triumphbögen wiederholt. Die in großen Lettern<br />

an den Gebäuden angebrachten Zitate von Virgil<br />

(Tu regere imperio populos ... ) und Horaz (Carmen<br />

Saeculare), welch letzteres heute nicht mehr<br />

vorhanden ist, sollten den feierlichen Gesamteindruck<br />

noch weiter unterstreichen.<br />

Die lateinische Aufschrift auf der Rückseite des<br />

Denkmals wird heute nur mehr von wenigen verstanden;<br />

einer jüngsten Umfrage zufolge konnten<br />

90% der Spaziergänger über die Talferbrücke die<br />

2<br />

Frage, auf welchen Sieg hiermit Bezug genommen<br />

worden war, nicht beantworten. Und dennoch<br />

ist das Überleben dieses imperialistischen<br />

Zeitdokumentes - und mehr noch der Aufschrift,<br />

als dessen programmatisches Manifest - Anlaß<br />

für die Auseinandersetzungen zwischen denjenigen,<br />

die für einen Abriß plädieren und jenen,<br />

die das Mahnmal aus Respekt vor der gelebten<br />

Vergangenheit zu erhalten wünschen.<br />

Nach langen Diskussionen ist man schließlich<br />

zu folgendem Beschluß gekommen: Das Monument<br />

bleibt so wie es ist erhalten, doch wird<br />

am Gehsteig auf der Talferbrücke eine vom Gemeinderat<br />

beschlossene viersprachige Inschrift angebracht,<br />

die folgendes besagt: “Dieses Denkmal<br />

ist vom faschistischen Regime errichtet worden,<br />

um den Sieg Italiens im ersten Weltkrieg zu feiern.<br />

Dieser brachte die Teilung Tirols und die Abtrennung<br />

der Bevölkerung dieses Landes vom Vaterland<br />

Österreich mit sich. Frei und demokratisch verurteilt<br />

die Stadt Bozen die Zwistigkeiten und Diskriminierungen<br />

der Vergangenheit und jede Form<br />

von Nationalismus und verpflichtet sich im europäischen<br />

Geist, die Kultur des Friedens und des Zusammenlebens<br />

zu fördern”.<br />

Rechter Hand des Denkmals stellt die Freiheitsstraße<br />

in gerader Linie die Verbindung zwischen<br />

dem Stadtzentrum und dem Griesplatz her; ihre<br />

Achse ist so ausgerichtet, daß dabei der Blick auf<br />

den Rosengarten im Hintergrund fällt. Diese Dolomitengruppe<br />

verfärbt sich während des Tages mehrmals<br />

verschiedentlich, gegen Abend jedoch leuch-<br />

21<br />

SIEGESDENKMAL<br />

NYMPHENBRUN-<br />

NEN AM<br />

GERICHTSPLATZ


KIRCHE<br />

HL. PIUS X<br />

FEUERWEHRTURM<br />

2<br />

tet sie schließlich fast feuerrot auf und bietet ein<br />

atemberaubendes Naturschauspiel, dessen Bezeichnung<br />

“enrosadira” in ladinischer Sprache der Berggruppe<br />

den deutschen Namen “Rosengarten” eingetragen<br />

hat.<br />

Der Ortsteil Gries war bis vor wenigen Jahren eine<br />

autonome Gemeinde. Als beliebtes sonntägliches<br />

Ausflugsziel vor den Toren der Stadt war Gries ab<br />

1909 vom Waltherplatz aus mit einer Straßenbahn erreichbar.<br />

Gegen die Mitte des 19. Jhdts entstand hier<br />

ein international anerkannter heilklimatischer Luftkurort<br />

mit entsprechenden Kureinrichtungen und eleganten<br />

Hotels. 1892 wurde die Guntschna-Promenade<br />

angelegt, beliebtes Ausflugsziel zu allen Jahreszeiten<br />

dank der mediterranen Blütenpracht, die hier<br />

vom städtischen Gartenbauamt gepflegt wird.<br />

Die große, vordem augustinische heute benediktinische<br />

Abtei von Gries verdankt ihre bereits<br />

seit Jahrhunderten bestehende Funktion als geistiges<br />

und soziales Zentrum des Stadtteils dem Einfluß<br />

und Ansehen ihrer Patres, die vielfältigen kulturellen<br />

Tätigkeiten <strong>nach</strong>gehen und sich mit Krankenpflege<br />

und Fürsorge befassen. Zu dem Konvent<br />

gehört auch eine Kellerei, wo qualitativ hervorragende<br />

Weine produziert werden. Zusammen mit der<br />

auf der anderen Seite des Platzes befindlichen Kellereigenossenschaft<br />

erinnert sie an die ursprüngli-<br />

22<br />

Bozens verschiedene stadtviertel <strong>BozEn</strong>s vErschiEdEnE stadtviErtEl<br />

che Bestimmung des Bozner Raumes: die Herstellung<br />

des für die Messfeiern in den nördlichen Klöstern<br />

unerläßlichen Meßweines.<br />

5. Europa-Neustift-Don Bosco<br />

Jene Viertel, die im Südosten der Stadt entstanden,<br />

haben in den letzten Jahren eine tiefgreifende<br />

Wandlung durchgemacht: insbesondere ist die<br />

hier ansässige Bevölkerung nun nicht mehr, wie ursprünglich,<br />

rein italienischsprachig. Hier gibt es<br />

inzwischen eine zahlreiche deutschsprachige Gemeinde,<br />

wie das Vorhandensein des nicht nur auf<br />

dem Gebiet der Seelsorge sondern auch kulturell<br />

und hinsichtlich der Freizeitgestaltung rege tätigen<br />

deutschsprachigen Kirchensprengels neben<br />

den italienischen Pfarren beweist. Das Pfarrzentrum<br />

St. Maria in der Au bezog seinen Namen von<br />

einem alten Augustinerkloster, dessen Mauerreste<br />

1986 gefunden wurden. Dieses war 1160 dem Willen<br />

des Grafen von Greifenstein gemäß als erste Ansiedlung<br />

in den noch urbar zu machenden Sümpfen<br />

entstanden. Im Rahmen eines gigantischen öffentlich-privaten<br />

Wohnbauprogrammes enstehen<br />

jenseits der Reschenstraße zwei neue Zentren, Sigmundskron<br />

und Casanova worin <strong>nach</strong> Fertigstellung<br />

über siebentausend Personen wohnen sollen.<br />

Es wurden bereits zahlreiche Räume für Kulturveranstaltungen,<br />

Kunstausstellungen und Konferenzen<br />

errichtet, doch ist als herausragendste Baulichkeit<br />

wohl das am 1. Dezember 2005 eröffnete Theater<br />

Cristallo zu nennen, das zweifelsohne den größten<br />

Impuls für das gesellschaftliche Zusammenwachsen<br />

und einen kulturellen Aufschwung des Viertels setzen<br />

wird. An der Reschenstraße liegt auch die neue,<br />

moderne Stadthalle, die mit ihrem Fassungsvermögen<br />

von 3.000 Plätzen genügend Raum für die Abhaltung<br />

von Sportveranstaltungen oder Megakonzerten<br />

klassischer oder moderner Musik bietet. Zur Verbesserung<br />

des Lebensstandards wurden mit Sport-<br />

einrichtungen versehene große Parks wie der Europapark<br />

mit seinen Fußball-, Basketball- und Volleyballplätzen<br />

geschaffen, ebenso wie der Park am<br />

Neubruchweg, jener in der Ortlerstraße mit Basketball-<br />

und Fußballplätzen und der Park in der Genua-<br />

2<br />

straße. Die Eisackpromenade zwischen Reschen-<br />

und Parmastraße wurde in eine einheitliche öffentliche<br />

Grünzone umgewandelt.<br />

6. Das Produktionsgebiet Bozen Süd<br />

und die “Semirurali”<br />

Die zwischen 1935 und 1937 von der damaligen<br />

italienischen Regierung mit dem Ziel eines<br />

raschen Zuwachses des italienischen Bevölkerungsanteils<br />

in der Provinzhauptstadt geschaffene<br />

Industriezone erwies sich als entscheidender<br />

Schritt für das urbane Geschick der Stadt.<br />

Die Lokalbevölkerung, die keinerlei Arbeitertradition<br />

aufwies und der man ganz im Gegenteil mit<br />

dem Bau der Industriezone eine ausgedehnte Fläche<br />

hochwertiger Wein- und Obstbaukulturen weggenommen<br />

hatte, empfand den ihr so aufgezwungenen<br />

Industriebereich ganz eindeutig als Fremdkörper<br />

im sozial-ökonomischen Gefüge der gesamten<br />

Provinz. Die dort angesiedelte metallverarbeitende<br />

Industrie (Stahl, Aluminium und Magnesium)<br />

nutzte die in reichem Maße produzierte hydroelektrische<br />

Energie und konnte sich so rasch entwikkeln,<br />

daß sie bis 1940 bereits 11.000 Beschäftigte<br />

aufwies.<br />

Um einer dermaßen hohen Anzahl neuer Einwanderer<br />

aus den anderen italienischen Provinzen Unterkunft<br />

zu bieten, wurde am rechten Ufer der Eisack<br />

der Stadtteil der “Semirurali”, das Stadtviertel<br />

23<br />

SPORTHALLE<br />

INDUSTRIEZONE<br />

BOZEN SÜD


DER KINDERGAR-<br />

TEN IN DER MON-<br />

TECASSINOSTRASSE<br />

SCHULSPORTPLATZ<br />

CONI<br />

2<br />

“Dux” mit 1.100 Wohnungen <strong>nach</strong> dem aus der Poebene<br />

bekannten Einfamilienhausmodell errichtet:<br />

einstöckig mit Außentreppe steht das Häuschen in<br />

einem bescheidenen kleinen Garten, in welchem<br />

als Zeitvertreib und zu Nebenerwerbszwecken Obst<br />

oder Gemüse gezogen werden können. Dieses, jegliche<br />

soziale oder kulturelle Strukturen vollständig<br />

entbehrende Viertel stand von Anfang an in krassem<br />

Widerspruch zu der überkommenen Bautradition<br />

und dem im Bozner Becken vorherrschenden<br />

24<br />

Bozens verschiedene stadtviertel <strong>BozEn</strong>s vErschiEdEnE stadtviErtEl<br />

Wohnmilieu; schon bald in traurigem Maße heruntergekommen,<br />

wurde es <strong>nach</strong> und <strong>nach</strong> durch neue,<br />

zeitgemäßere und elegantere Gebäude ersetzt. Von<br />

den “Semirurali” wurde nur ein einziges für museale<br />

Zwecke belassen. Außerdem ist laut Planung neben<br />

diesem Häuschen und mit ihm verbunden die Errichtung<br />

eines zweistöckigen Gebäudes für ein wissenschaftliches<br />

Zentrum der Gemeinde vorgesehen;<br />

darin soll in einer Schau die Geschichte dieses Viertels<br />

von seinen Anfängen bis zu seinem totalen Abriß<br />

in den 80er-Jahren rekonstruiert werden.<br />

Aus dem Produktionsgebiet Bozen Süd ist ein<br />

stark boomendes Viertel geworden: die heute hier<br />

ansässigen mehr als 1000 Unternehmen beschäftigen<br />

über 12.000 Angestellte. Die Produktionsfläche<br />

erstreckt sich über insgesamt 252 Hektar. Auch<br />

dieses Gebiet hat sich in den letzten Jahren in aller<br />

Stille gewandelt: viele der alten, aus wirtschaftlichen<br />

oder anderen Gründen überholten Unternehmen<br />

wurden geschlossen und wichen neuen, technisch<br />

fortgeschritteneren Niederlassungen. Wohl<br />

stellt dies einen gewissen Bruch mit der Vergangenheit<br />

dar; doch handelte es sich um eine friedliche<br />

Revolution, gestützt auf Unternehmergeist, Mobilisierung<br />

der intellektuellen und praktischen Fähigkeiten<br />

und Kräfte einer für den Fortschritt offenen<br />

Bevölkerung. Die verschiedenen neuen Produktionsgebiete<br />

gehen Hand in Hand mit einem breitgefächerten<br />

Bedarf an anspruchsvoller Professionalität:<br />

hunderte neue Berufszweige sind nicht nur<br />

für die fortschrittlichen Produktionssysteme gefordert,<br />

sondern auch für die Wahrung der grundlegenden<br />

Kriterien der öffentlichen Gesundheit, für den<br />

Lärmschutz, die Qualität des Arbeitsplatzes.<br />

7. Oberau und St. Jakob<br />

Längs der Staatsstraße Nr. 12, die entlang dem<br />

linken Eisackufer östlich der Stadt vom Friedhof bis<br />

zum Virgltunnel verläuft, erstrecken sich die durch<br />

den ständig zunehmenden Verkehrslärm hartgeprüften<br />

Ortsteile Oberau und St. Jakob. Ein Neubau der<br />

Staatsstraße 12 ist zwar geplant, wird aber erst in<br />

einigen Jahren zur Ausführung gelangen können.<br />

Der Ortsteil selbst birgt keine nennenswerten Besonderheiten,<br />

abgesehen von den beiden bedeutenden<br />

Sportzentren, dem Schulplatz des Nationalen<br />

Olympischen Komitees Italiens C.O.N.I. am St. Gertraudweg<br />

und den Anlagen in der Pfarrhofstraße.<br />

Von der Trientnerstraße zweigt der Virglweg auf den<br />

gleichnamigen Hügel ab. Dieser Virglberg hat die<br />

Form eines Felssporns, der kühn gegen die Stadt hinausragt<br />

und senkrecht zur Eisack abfällt. In mittelalterlichen<br />

Zeiten thronte obenauf eine Burg, das im 7.<br />

Jhdt. von den Bajuwaren gehaltene Castellum Bauzani.<br />

Vom Stadtzentrum gelangte man hierher mittels<br />

einer kleinen Seilbahn, die bei einem Restaurant<br />

mit einer wunderschönen Aussichtsterrasse und<br />

Tennisplätzen endete. Heute ist die Rede davon, diese<br />

nicht mehr in Verwendung stehenden Einrichtungen<br />

wiederzubeleben, ist doch der Ausblick über die<br />

Stadt von hier aus durchaus erlebenswert.<br />

Die Straße führt entlang der Kreuzwegstationen<br />

aus dem Jahr 1681 zu der auf einem weiten Platz<br />

gelegenen Grabes- oder Kalvarienbergkirche. Die<br />

sieben Stationen mit der Darstellung der Passion<br />

2<br />

Christi, der Kreuzigungsgruppe und dem gemauerten<br />

Heiligen Grab im Schutze einer Kapelle dienten<br />

geistiger Andacht. Der Bozner Kalvarienberg orientiert<br />

sich an dem für die Gegenreformation maßgeblichen<br />

Schema: außerhalb der Stadt gelegen,<br />

ermöglicht er den Gläubigen eine Begehung des<br />

Kreuzweges eingedenk der Pilgerfahrten ins Heilige<br />

Land und endet bei einem Monument in Form<br />

des Grabes Christi. Die Kirche mit kreuzförmigem<br />

Grundriß, einer Kuppel, Turm und Laterne entstand<br />

<strong>nach</strong> den Plänen der Stadtarchitekten Pietro und<br />

Andrea Delai. Das reich gegliederte Innere beeindruckt<br />

durch Skulpturen und Fresken. Die Holzstatuen<br />

von Georg Mayr mit Kreuzwegszenen sind ein<br />

interessantes Beispiel für volkstümliche Passionsdarstellung.<br />

Ein wenig weiter stößt man auf die kleine romanische<br />

St.Vigil-Kapelle. Sie birgt zwei bedeutende<br />

Freskenzyklen der Bozner Schule aus dem ausklingenden<br />

14. Jhdt.<br />

25<br />

ST. VIGIL-<br />

KIRCHE


3<br />

26<br />

<strong>BozEn</strong> für fussgängEr <strong>BozEn</strong> für fussgängEr<br />

3 nur<br />

3<br />

<strong>BozEn</strong> für<br />

fussgängEr<br />

wenige Städte lassen sich so gut zu Fuß<br />

durchstreifen und genießen wie Bozen.<br />

Keine andere bietet ihren Besuchern eine<br />

solche Auswahl an abwechslungsreichen und angenehmen<br />

Spazierwegen.<br />

Die zum Großteil im historischen Stadtkern gelegene<br />

verkehrsberuhigte Zone lädt den Fußgänger zum<br />

ausgedehnten, beschaulichen Bummel durch die<br />

Straßen. Er kann dabei die architektonisch bemerkenswerten<br />

alten Bauten ebenso genießen, wie das<br />

farbenfrohe, pulsierende Leben auf dem Obstmarkt,<br />

die eleganten Geschäftsauslagen und die Kaffeehäuser<br />

und Konditoreien.<br />

Ab dem Ende des letzten Jahrhunderts wurden verschiedene<br />

Spazierwege, “Promenaden” genannt,<br />

angelegt, die dem Fußgänger von den unterschiedlichsten<br />

Standpunkten immer neue Ausblicke auf die<br />

Stadt verschaffen.<br />

Den beiden Promenaden längs der Dämme der beiden<br />

Flüsse Talfer und Eisack, die die Stadt durchfließen,<br />

ist die angenehm erfrischende Atmosphäre des<br />

nahen Wassers gemein. Von den Flüssen genährt,<br />

sprießt hier üppige Vegetation und Wiesen, Bäume<br />

und Parks mit bunten Blumen säumen die Ufer. Auf<br />

der Bozner Wassermauer-Promenade, die von der<br />

Talferbrücke am Beginn der Museumstraße dem linken<br />

Flußufer folgt, gelangt man in den alten Vorort<br />

St. Anton und weiter bis Schloß Runkelstein. Überquert<br />

man hier die Talfer, kann man an deren rechtem<br />

Ufer längs der Grieser Wassermauerpromenade<br />

über den Petrarcapark wieder zum Siegesplatz zurückkehren.<br />

Das breite Flußbett ist parkartig ausgestattet<br />

und längs des ganzen Weges stößt man auf<br />

die in den letzten Jahren entstandenen verschiedensten<br />

Sport- und Freizeiteinrichtungen. Diese Tal-<br />

27


OBSTMARKT<br />

GUNTSCHNA-<br />

PROMENADE<br />

3<br />

ferwiesen sind ein bei der Bevölkerung sehr beliebter<br />

Treffpunkt für Sport und Spiel; hier wird gefeiert,<br />

hier gelangen Konzerte und Stegreiftheater<br />

zur Aufführung, finden gastronomische Messen<br />

statt und wird der Kinderfasching abgehalten.<br />

Ebenfalls von der Stadtmitte, nämlich vom Verdiplatz<br />

nimmt auch die Eisack-Promenade ihren Ausgang;<br />

immer der alten Bahntrasse <strong>nach</strong> Meran folgend,<br />

schlängelt sie sich durch die südlichen Vororte<br />

und führt weit bis über die Reschenbrücke hinaus<br />

bis zum Zusammenfluß von Etsch und Eisack unterhalb<br />

des Schlosses Sigmundskron.<br />

Sehr unterschiedlich von einander sind die<br />

Guntschna- und die St. Oswald-St. Magdalena-<br />

Promenaden. Ihre Entstehung fällt in das letzte<br />

Jahrzehnt des neunzehnten Jahrhunderts, als Bozen<br />

im Zuge des aufkeimenden Tourismus zum Kurund<br />

Fremdenverkehrszentrum geworden war. So wie<br />

auch in anderen, ähnlichen Thermalorten des Habsburgerreiches<br />

wurden die Kuranlagen auf Initiative<br />

großzügiger Mäzene an den Ausläufern der schützenden<br />

Berge im Norden der Stadt errichtet. Hier<br />

entstanden, zum Teil unter Ausnutzung der sanf-<br />

28<br />

<strong>BozEn</strong> für fussgängEr <strong>BozEn</strong> für fussgängEr<br />

ten Hangneigungen, hölzerne Brücken und Stege,<br />

die jedoch stets bescheiden-rücksichtsvoll und im<br />

Einklang mit der natürlichen Landschaft angelegt<br />

wurden.<br />

Die Guntschna-Promenade führt ausgehend vom<br />

Glanigerweg nächst der alten Pfarrkirche in Gries<br />

bis unter das Schloß gleichen Namens. Die Promenade<br />

ist annähernd zweieinhalb Kilometer lang und<br />

verläuft in angenehmer, konstanter Steigung; zahlreiche<br />

Ausblickpunkte und Bänke laden immer wieder<br />

zum Verweilen ein. Was aber diese Promenade<br />

so besonders reizvoll macht, ist die üppige Vegetation<br />

längs des Weges: begünstigt durch die reine<br />

Südlage und abgeschirmt gegen kalte Nordwinde<br />

konnte hier eine Art botanischer Garten mit einer<br />

unglaublichen Anzahl mediterraner und exotischer<br />

Pflanzen entstehen. Gelbe Plaketten geben den Namen<br />

jeder einzelnen Pflanze an und laden derart zu<br />

einem botanischen Exkurs ein. Die erst jüngst realisierte<br />

Verlängerung der Promenade führt bis zum<br />

Fagenbach und ermöglicht die Verbindung mit der<br />

Talferpromenade und Schloß Runkelstein.<br />

Die St.Oswald-St.Magdalena-Promenade windet<br />

sich zwischen Weingärten und Schlaggehölz die Abhänge<br />

des Hörtenbergs hinauf, der das Stadtzentrum<br />

im Norden abschließt. Der Weg steigt in vielen<br />

Kurven sanft bis auf ca. 150m über dem Talboden<br />

an und verläuft dann eben, häufig auf hölzernen<br />

Stegen, bis St. Magdalena und zum Gasthaus<br />

Eberle. Obwohl mit ebenfalls zweieinhalb Kilometern<br />

fast von gleicher Länge wie die anderen, unterscheidet<br />

sich diese Promenade durch die Landschaft,<br />

durch die sie führt und die Ausblicke, die<br />

sie auf Stadt und Umgebung bietet, deutlich von<br />

ihren Schwestern: ihre Vegetation ist ursprünglicher<br />

und das Panorama in seiner Einzigartigkeit<br />

wieder ganz anders, bietet es doch den Ausblick<br />

auf den ältesten Stadtteil, auf die Viertel St. Oswald<br />

und Rentsch, auf die engen, gegen die Eisack<br />

abfallenden Täler und schließlich auf die Dolomiten<br />

selbst, die als beeindruckender Form- und Farbkontrast<br />

über den waldigen Kulissen aufragen; zur<br />

Linken liegt das malerische Dörfchen St. Magdalena<br />

mit dem alten, von Zypressen und Wein umgebenen<br />

Kirchlein und gegenüber schieben sich die<br />

Abhänge des Kohlerer Berges und des Virgl trutzig<br />

gegen die Stadt vor. Vorzugsweise sollte diese<br />

Promenade am späten Nachmittag besucht werden,<br />

wenn die Sonne untergeht und ihre letzten Strahlen<br />

die Dolomitenspitzen in Tausenden von Farben<br />

aufleuchten lassen.<br />

Haslach-Haselburg-Promenade. Wenden wir uns<br />

nun dem entgegengesetzten Teil der Stadt zu, wo<br />

Richtung Süden auf den unteren Hängen des Kohlerer<br />

Berges das neue Wohnviertel von Haslach<br />

entstanden ist. Ausgehend vom St. Gertraudweg<br />

nächst dem Virgltunnel folgen wir weiter dem Kuepachweg.<br />

Gleich zu Beginn liegt linker Hand das<br />

barocke Kirchlein St. Gertrude; es birgt zwei wertvolle<br />

Fresken von Carl Henrici (ca. 1778).<br />

Hat man erst das bebaute Gebiet hinter sich gelassen,<br />

führt ein bequemer Weg zwischen Fels und<br />

Wald ca. 2 Km weit bis zur Haselburg. Die Burg<br />

stammt aus dem 12. Jhdt und wurde von einer Familie<br />

von Trienter Ministerialen errichtet. Mehrmals<br />

durch Einsturz und Kriegsereignisse beschädigt,<br />

kann die Burg heute besichtigt werden und enthält<br />

einige, im Auftrag der Herren von Völs angefertigte<br />

Fresken aus dem 16. Jhdt. mit Szenen aus der Mythologie,<br />

der römischen Geschichte, Landschaftsdarstellungen<br />

u.dgl. Von den Terrassen rund um die<br />

Burg hat man wieder einen ganz neuen Ausblick<br />

auf Bozen, denn von hier sieht man auf den unterhalb<br />

gelegenen Stadtteil Oberau und die Industriezone<br />

bis zum Flughafen und auf das breite, Richtung<br />

Meran verlaufende Etschtal mit seinen reichen<br />

Obstplantagen.<br />

Noch zahlreiche andere, gutbeschilderte Spazierwege<br />

laden in unmittelbarer Nähe der Stadt zum<br />

Wandern ein. Für jene Wege, die mit der Seilbahn<br />

zu erreichen sind, verweisen wir auf das diesbezügliche<br />

Kapitel. Jetzt wollen wir nur noch auf Bozens<br />

“grüne Lunge”, das Überetsch, eingehen.<br />

Es handelt sich dabei um jenes liebliche, nur um<br />

weniges höher als der Talgrund gelegene, langgezogene<br />

und wellige Gelände, das sich, wie schon<br />

der Name besagt, auf dem rechten Ufer, also auf<br />

der “drüberen” Seite der Etsch zwischen dem Mittelberg<br />

und den steilen, waldreichen Abhängen der<br />

Mendel erstreckt. Hier ist ein breiter Landstreifen<br />

3<br />

weder von Häusern noch von Obstgärten, sondern<br />

über gut 20 Km² ausschließlich von dichtem Nadel-<br />

und Laubbaumbestand bedeckt und stellt einen<br />

wertvollen Beitrag zu Bozens Ökologiehaushalt<br />

dar, eine Grünoase nur wenige Autominuten<br />

von der Stadt entfernt, mit vielen, eben verlaufenden<br />

und zu jeder Jahreszeit benützbaren Wegen.<br />

Drei Naturseen liegen, grün schimmernd, in diese<br />

ruhige Wald- und Wiesenzone eingebettet: der<br />

größte und wärmste von ihnen ist der Kalterersee;<br />

er eignet sich bestens zum Schwimmen und<br />

für jede Art von Wassersport, doch dank der hier<br />

ständig wehenden heftigen Winde vor allem zum<br />

Segeln und Surfen; aber auch der große und der<br />

kleine Montiggl-See, wahre Juwelen inmitten der<br />

waldigen Landschaft, genießen als Badeseen regen<br />

Zuspruch. Winters bieten sie den Eislaufsportlern<br />

herrliche Freiluftbahnen in frischester Luft.<br />

Zahlreiche Gaststätten, die man überall verstreut<br />

im Überetsch antrifft, laden zum Verweilen und<br />

Ausruhen. Hier werden zünftige Brett’ljausen mit<br />

den lokalen Spezialitäten - vor allem luftgetrockneter<br />

Speck und Bauernbrot - kredenzt. Fußball- und<br />

Tennisplätze sowie ein gut ausgestatteter Fitnesspfad<br />

vervollkommnen das Angebot an sportlichen<br />

Freizeitbetätigungen.<br />

29<br />

ÜBERETSCH MIT<br />

AUSBLICK AUF<br />

DEN KALTERER-<br />

SEE


3<br />

30<br />

<strong>BozEn</strong> für fussgängEr<br />

<strong>BozEn</strong> für radfahrEr<br />

4 durch<br />

4<br />

<strong>BozEn</strong> für<br />

radfahrEr<br />

Bozen zu radeln ist entschieden schön<br />

und abwechslungsreich. Die Stadt selbst liegt<br />

in der Ebene, weist also keine nennenswerten<br />

Erhebungen auf und die Entfernungen sind im<br />

großen und ganzen gering. Radfahren ist - gemessen<br />

am Autofahren - natürlich auch umweltbewußter<br />

und zeugt von großem Respekt vor der Natur:<br />

Radfahren ist ökonomischer, verursacht keinerlei<br />

Abgase, keinen Lärm und stört nicht!<br />

Um zur Verwendung des Fahrrads anzuregen, wurde<br />

von der Gemeinde Bozen ein Fahrradverleih ins<br />

Leben gerufen: die Räder der Gemeinde sind an ihrer<br />

weiß-roten Lackierung (den Farben des Bozner<br />

Stadtwappens) leicht erkennbar. Der im Auftrag der<br />

Gemeinde betriebene Verleih bietet ab Ostern bis<br />

Ende November montags bis samstags von 7:30 bis<br />

19:50 Uhr die Räder bis zu einer Dauer von sechs<br />

Stunden zum Preis von einem Euro an; über sechs<br />

Stunden Entlehnung bzw. bis zum Ende der Verleihzeit<br />

hat man zwei Euro zu bezahlen. Die Räder können<br />

an zwei Verleihstellen in der Stadt bezogen<br />

werden: in der Bahnhofstraße und am Griesplatz.<br />

Insbesondere für Bozenbesucher ist dieses Angebot<br />

eine gute Idee, um rascher als zu Fuß und doch auf<br />

bequeme Art die Stadt zu erkunden. Mehr als 25 km<br />

Radfahrwege stehen zur Verfügung und zusätzlich<br />

gibt es von Bozen aus Anbindungen an Kardaun,<br />

Eppan und Meran.<br />

Der Bozner Radtag ist das wichtigste Radfahrereignis,<br />

das in Südtirol abgehalten wird. 1992 erstmalig<br />

von der Gemeinde mit der Zielsetzung organisiert,<br />

die Bürger zur Verwendung des Fahrrads<br />

als Fortbewegungsmittel anzuregen, hat es sich im<br />

Laufe der Jahre zu einem Fixpunkt im Veranstal-<br />

31


4<br />

tungskalender des Bozner Frühlings<br />

entwickelt.<br />

Jede Jahreszeit hat ihre Reize für<br />

eine Fahrt mit dem Rad. Das für Autos<br />

gesperrte Stadtzentrum steht<br />

den Radfahrern sehr wohl offen und<br />

an mehreren Stellen in der Stadt<br />

sind Rad-Parkplätze vorgesehen. Das<br />

bereits vorhandene Wegenetz wird<br />

ständig ausgebaut; während des<br />

Jahres werden zusätzlich noch verschiedene<br />

andere Veranstaltungen<br />

abgehalten, wie die von der Vereinigung<br />

Passepartout organisierten<br />

Fahrradausflüge.<br />

32<br />

Bozen für radfahrer <strong>BozEn</strong> für radfahrEr<br />

Eine Radtour entlang der Talfer bis zum Beginn<br />

des Sarntals und zur Burg Runkelstein, von dort<br />

auf dem westlichen Damm bis zum Zusammenfluß<br />

mit der Eisack und zur Industriezone, dann längs<br />

der alten Bahntrasse <strong>nach</strong> Meran Richtung westliche<br />

Stadtviertel und Etsch, vorbei an Schloß<br />

Sigmundskron, verschafft einen wahrhaft guten<br />

Überblick über die Lage Bozens und ihre Funktion<br />

als Grenzstadt, als Schmelztiegel und zentraler<br />

Mittelpunkt eines vielschichtigen Ambiente.<br />

Fahrradbenützer mögen wählen:<br />

Der innere Weg führt durch die malerischen engen<br />

Gassen der Altstadt und vermittelt dem Besucher<br />

rasch einen ersten Eindruck von der Stadt.<br />

Der äußere Weg hingegen führt den Radfahrer<br />

in das Bozen von gestern, zu den seinerzeit zum<br />

Schutze der bedeutendsten Verkehrsverbindungen<br />

errichteten Schlössern, sowie in die Agrarbezirke,<br />

deren Produktivität im Laufe der Zeiten dank eines<br />

vernünftigen Einsatzes der Wasserressourcen<br />

und deren Verteilung im Talboden konstant vermehrt<br />

werden konnte.<br />

Eine solche Tour mit dem Fahrrad bietet aber<br />

auch Gelegenheit, ganz einfach einmal nur die<br />

unvergleichliche Schönheit der Landschaft rings<br />

um die Stadt zu genießen und dabei zu erkennen,<br />

daß die Faszination Bozens gerade dieser Symbiose<br />

zwischen Stadt und Agrarwirtschaft, zwischen<br />

verbautem Gebiet und dem weiten Umland entspringt.<br />

Heute noch ist jedes kleinste, nicht verbaute<br />

Fleckchen Erde des Talbodens durch Wein- und<br />

Obstgärten genutzt und mancher Erbhof konnte<br />

sich mit seiner charakteristischen Bauweise, mit<br />

den vorspringenden Dächern, den Tennen, Maschinen<br />

und Gerätschaften inmitten des städtischen<br />

Lebens bis in unsere Zeit hinein behaupten.<br />

Auf den Radwegen erreicht man auch die Sportplätze<br />

der Stadt: die Fußball- und Kinderspielplätze<br />

im breiten Flußbett der Talfer und auch<br />

den Lido mit seinen Schwimmbädern, die Sporthalle,<br />

das Drususstadion und die Eisack-Promenade.<br />

In der schönen Jahreszeit herrscht an diesen<br />

Plätzen regstes Treiben und der Beschauer gewinnt<br />

einen <strong>nach</strong>haltigen Einblick in Gepflogenheiten<br />

und Verhalten der Bozner Bevölkerung, die<br />

das Leben an der frischen Luft besonders intensiv<br />

zu nutzen versteht.<br />

Wer sich mit dem Rad bis zur Etschbrücke begibt,<br />

vor dem erhebt sich dann als lohnender Anblick<br />

das eindrucksvolle Massiv von Schloß Sigmundskron,<br />

dessen rötliche Türme sich in den ruhigen<br />

Wassern der Etsch spiegeln. Von hier läßt<br />

sich in wenigen Minuten das Schloß erreichen, wo<br />

auf Initiative von Reinhold Messner, einem der<br />

anerkanntesten Bergsteiger unserer Zeit, am 11.<br />

Juni 2006 das Messner Mountain Museum (MMM<br />

Sigmundskron) eingeweiht wurde, das als viertes<br />

Museum dieser Art den Bergen und allen damit<br />

verbundenen Aspekten gewidmet ist. In diesem<br />

Museum soll nicht nur die Bergwelt als solche dokumentiert,<br />

sondern die Aufmerksamkeit des Beschauers<br />

auf den menschlichen Aspekt, auf die<br />

Bergbewohner, ihr Leben und ihre Geschichte gelenkt<br />

werden.<br />

Abschließend sei noch darauf hingewiesen, daß<br />

derzeit Fahrradwege sowohl vom Brenner Richtung<br />

Verona als auch längs der Haupttäler Südtirols<br />

entstehen, was Bozen in die Mitte eines <strong>nach</strong><br />

allen Richtungen gehenden weitgefächerten Radfahrwegenetzes<br />

rückt.<br />

4<br />

33<br />

RADFAHR-<br />

WEGE<br />

SCHLOSS<br />

SIGMUNDS-<br />

KRON:<br />

MESSNER’S<br />

MOUNTAIN<br />

MUSEUM


4<br />

34<br />

Bozen für radfahrer <strong>BozEn</strong> für radfahrEr<br />

4<br />

35


5<br />

36<br />

<strong>BozEn</strong> für sEilBahnfahrEr<br />

<strong>BozEn</strong> für sEilBahnfahrEr<br />

5<br />

5<br />

d<br />

ie Seilbahn ist ein sicheres, rasches und sparsames<br />

Transportmittel, mit welchem in kürzester<br />

Zeit große Höhenunterschiede überwunden<br />

werden können. Die Stadt Bozen hat drei solcher<br />

Seilbahnanlagen aufzuweisen, deren Talstationen<br />

sich jeweils am nördlichen, östlichen und am südlichen<br />

Stadtrand befinden und von wo aus binnen<br />

ungefähr zehn Minuten zauberhafte Destinationen<br />

in über 1.000 Metern Höhe erreicht werden können.<br />

Obwohl in den letzten zehn Jahren zusätzlich Straßen<br />

bis hinauf zu diesen Orten angelegt wurden, ist<br />

ein Ausflug mit der Seilbahn immer noch empfehlenswert,<br />

vermittelt er doch völlig neue Eindrücke und<br />

Ausblicke auf die Stadt und ihre Tallandschaft. Die<br />

Zielorte ihrerseits bieten nicht nur vielfache Unterbringungs-<br />

und Verköstigungsmöglichkeiten in ihren<br />

zahlreichen Gastgewerbebetrieben, sondern sind auch<br />

Ausgangspunkt unzähliger, meist nicht allzu anstrengender<br />

und zudem für den Kraftfahrzeugverkehr gesperrter<br />

Spazier- und Wanderwege.<br />

<strong>BozEn</strong> für<br />

sEilBahnfahrEr<br />

Seilbahn <strong>nach</strong> Jenesien<br />

Die Talstation befindet sich nächst der Einmündung<br />

der Sarnerschlucht am rechten Ufer der Talfer.<br />

Die Bergstation dieser 1937 erbauten und 1978 komplett<br />

renovierten Seilbahn befindet sich im Dörfchen<br />

Jenesien (1080 m ü.M.), von wo man in einer 3/4<br />

Stunde auf einem Wanderweg die Hochebene des Salten<br />

erreichen und dort einen der eindrucksvollsten<br />

Ausblicke Südtirols genießen kann. Auf smaragdfarbenen<br />

Wiesen ragen vereinzelte Lärchengruppen gen<br />

Himmel. Das Sonnenlicht glitzert durch die Zweige<br />

und fällt sanft herab auf den satten Boden, die Senn-<br />

37


SEILBAHN<br />

AUF DEN<br />

KOHLERER<br />

BERG<br />

SEILBAHN<br />

AUF DEN<br />

RITTEN:<br />

TAL- UND<br />

BERG-<br />

STATION<br />

5<br />

hütten, Hecken und Zäune. Nirgendwo läßt sich<br />

wie hier die Unendlichkeit erahnen, der tiefe, innere<br />

Frieden der Natur empfinden.<br />

Seilbahn auf den Ritten<br />

Die Talstation liegt in geringer Entfernung vom<br />

Bahnhof und ist von diesem mit Bus Nr. 1 zu erreichen.<br />

Die Seilbahn bringt ihre Fahrgäste <strong>nach</strong><br />

Oberbozen am Rande des Rittener Plateaus in 1220<br />

m Höhe und überwindet dabei einen Höhenunterschied<br />

von 951 m und eine Entfernung von 4565 m<br />

Länge.<br />

38<br />

<strong>BozEn</strong> für sEilBahnfahrEr<br />

Für die alte, 1966 als Ersatz für die aus dem Jahre<br />

1906 stammende ehemalige Zahnradbahn errichtete<br />

Seilbahn ist es nun Zeit geworden, sich zur Ruhe<br />

zu setzen. Im Herbst 2008 geht eine neue Gondelbahn<br />

mit acht Kabinen in Betrieb, die in jeweiligem<br />

Abstand von nur vier Minuten eine <strong>nach</strong> der<br />

anderen abfahren. Geschwindigkeit, Sicherheit und<br />

Fahrkomfort sind die Hauptmerkmale dieser neuen<br />

Anlage, deren Beförderungskapazität sich auf 550<br />

Fahrgäste pro Stunde beläuft.<br />

Die reichverzweigten Wanderwege des Rittener<br />

Plateaus bieten einen einmaligen Rundblick von<br />

den Gletschern der Zentralalpen bis hin zu den felsigen<br />

Spitzen der Dolomiten. Üppige Grasflächen,<br />

Laub- und Lärchenwälder, malerische Winkel in alten<br />

Dörfern, einsame Kirchlein, kleine Seen voll<br />

klarsten, grün und blau schillernden Wassers schaffen<br />

ein ganz außergewöhnlich harmonisches alpines<br />

Ambiente. Dank der langen Sonneneinstrahlung<br />

ist das Klima mild und hat aus dem Ritten ein<br />

bevorzugtes Urlaubs- und Erholungsziel mit jahrhundertealter<br />

Tradition gemacht.<br />

Seilbahn auf den Kohlerer Berg<br />

Die Talstation liegt in Kampill ca. einen Kilometer<br />

vom Bozner Stadtzentrum entfernt; in nur fünf<br />

Minuten wird das in 1135m Höhe gelegene Kohlern<br />

erreicht.<br />

Die heutige, aus dem Jahre 1965 stammende und<br />

<strong>BozEn</strong> für sEilBahnfahrEr<br />

2006 mit neuen Kabinen bestückte Seilbahn ersetzt<br />

die alte, 1908 als erste Passagier-Seilschwebebahn<br />

der Welt errichtete und 1944 durch Bombenangriffe<br />

zerstörte Anlage.<br />

In geringer Entfernung zur Bahn wurde auf einer<br />

Höhe von 1150 m ü.M. ein 35 Meter hoher hölzerner<br />

Aussichtsturm errichtet, von welchem aus<br />

man einen einzigartigen Ausblick auf das Bozner<br />

Becken und die es umgebende Bergwelt genießen<br />

kann.<br />

Kohlern selbst ist ein kleiner Weiler der Gemeinde<br />

Bozen und setzt sich aus zwei schönen alten<br />

Häusergruppierungen zusammen: Bauernkohlern<br />

bei der Bergstation und das in einer Entfernung<br />

von wenigen Minuten Wegzeit gelegene Herrenkohlern.<br />

Die Gemeinde Bozen ist hier Eigentümerin<br />

des Uhl-Hofes, der sich von 980 m Höhe bis<br />

5<br />

hinauf auf 1380 m ü.M. erstreckt und auf einem<br />

Terrain von insgesamt 58 Hektar nebst einigen<br />

landwirtschaftlich genutzten Gebäuden noch Wiesen,<br />

Misch- und Nadelwälder aufweist. Mit der Renovierung<br />

des Uhl-Hofes und des angeschlossenen<br />

Heuschobers wurde 2003 das Umwelterziehungszentrum<br />

Uhl-Kohlern eingerichtet, das als modernes<br />

Anwesen der Erhaltung und dem Studium<br />

der Umwelt dienen soll. Auf zweckmäßig angelegten<br />

Wegen kann sich der Besucher den verschiedenen<br />

Erscheinungsformen der natürlichen Landschaft<br />

nähern und sie als harmonische ökologische<br />

Systeme begreifen. Eine Herberge in der Nähe<br />

des Zentrums bietet bis zu 30 Personen Platz.<br />

Für nähere Informationen steht die Telefonnummer<br />

0471/997435 zur Verfügung.<br />

39<br />

DIE<br />

ERDPYRAMIDEN<br />

AUF DEM RITTEN


DIE VAJOLETTÜRME DES<br />

ROSENGARTEN<br />

6<br />

40<br />

BOLZANO<br />

“POrtA deLLe dOLOmiti”<br />

Bolzano<br />

“Porta dEllE dolomiti”<br />

6 Bozen<br />

6<br />

<strong>BozEn</strong>,<br />

das “tor<br />

zu dEn<br />

dolomitEn”<br />

wurde erst jüngst der Titel “Tor zu den Dolomiten”<br />

verliehen und bewirbt sich zur Zeit, zur “Hauptstadt<br />

der Berge” ausgerufen zu werden. Damit sollte<br />

die zentrale Lage dieser Stadt inmitten der weltweit bekanntesten<br />

und meistbesuchten Bergmassive hervorgehoben<br />

werden.<br />

Die Präsenz dieser Bergwelt, so nahe und gleichzeitig aufgrund<br />

all der Sagen und Mythen, die sich um sie ranken,<br />

doch wieder so fern, beeinflußt mehr als man annehmen<br />

möchte das Leben der Einwohner Bozens. In Bozen zu leben<br />

bedeutet in der Tat, sich konstant intensivst mit den<br />

Bergen auseinanderzusetzen: feiertags leert sich die Stadt<br />

und das, was für die Bewohner anderer Orte der Ausflug<br />

vor die Tore der Stadt sein mag, wird hier zu einer Bergfahrt,<br />

wobei man sich großzügig über manchmal ungünstige<br />

Witterungsbedingungen oder die mit der Erreichung<br />

manch selbstgesteckter Ziele verbundenen Unbequemlichkeiten<br />

hinwegsetzt.<br />

Auch der Reisende, der sich nur vorübergehend oder zufällig<br />

in Bozen aufhält, kann sich der Bergwelt der Dolomiten<br />

nähern, ohne ihrer verletzlichen Schönheit Abbruch<br />

zu tun. Man kann sie auf eigene Faust erkunden oder sich<br />

an bestens ausgebildete Bergführer wenden, die allen Gästen<br />

zur Verfügung stehen, welche diese weltweit so einmalige<br />

Region in Sicherheit und ohne Risiko zu besuchen<br />

wünschen. Je <strong>nach</strong> Belieben können sie sich auf Ausflüge<br />

längs der Wanderwege beschränken, ihre Kondition auf den<br />

Klettersteigen von Sella und Rosengarten erproben oder<br />

gar die Aufstiege unterschiedlichsten Schwierigkeitsgrades<br />

an Steilwänden wagen.<br />

“La Montagna è severa” (Nimm den Berg ernst) warnt ein<br />

in den Berghütten ausgehängtes Schild. Dennoch kann jeder<br />

sich den Bergen nähern und ihre Schönheit genießen,<br />

vorausgesetzt, er erkennt und respektiert seine eigenen Fähigkeiten<br />

und Grenzen, die zu übersteigen anmaßend und<br />

leichtsinnig wäre.<br />

41


EURAC: AUDITORIUM<br />

7<br />

42<br />

Bozner KulturleBen BoznEr KulturlEBEn<br />

7<br />

7<br />

BoznEr<br />

KulturlEBEn<br />

Was aus Bozen eine so einzigartige Stadt<br />

macht ist ihre Doppelsprachigkeit, das<br />

heißt, das Vorhandensein zweier in Sprache,<br />

Kultur und Traditionen unterschiedlicher Gemeinschaften<br />

(wozu noch die wohl kleine aber ihrer<br />

Geschichte wegen bedeutende Volksgruppe der Ladiner<br />

kommt), die einander in vielen Belangen ergänzen.<br />

Hier im Schnittpunkt uralter Handels- und<br />

Verbindungswege leben auf engstem Raum zwei verschiedene<br />

Kulturkreise zusammen, die im Laufe der<br />

Jahrhunderte das geistige Spektrum ganz Europas<br />

geformt haben; hier befindet sich der richtige Nährboden<br />

für die Verflechtung zweier Zivilisationen.<br />

Durch die allmähliche Einführung der gesetzgebenden<br />

und administrativen Autonomie und den<br />

Abschluß des Südtirolpakets hat sich die gesellschaftspolitische<br />

und kulturelle Situation verändert<br />

und so wird die Zweisprachigkeit heute nicht mehr<br />

als drückende Last sondern als freiwillige, persönliche<br />

Entscheidung im Sinne einer geistigen Bereicherung<br />

und im Bewußtsein der damit verbundenen<br />

materiellen Vorteile empfunden.<br />

Rein juristisch kommt den beiden Sprachen der<br />

gleiche Stellenwert zu: es ist daher nicht von einer<br />

“Fremdsprache” sondern von der “Zweitsprache” die<br />

Rede, wenn sich die zweite Sprache als unverzichtbar<br />

für eine vollständig abgerundete Schul- und Berufsausbildung<br />

zu der eigentlichen Muttersprache<br />

hinzugesellt.<br />

Der Umstand, daß die Sprache nicht als reines<br />

Kommunikationsmittel sondern als Trägerin kultureller<br />

Werte verstanden wird, läßt Bozen durch seine<br />

Doppelsprachigkeit zu einer <strong>nach</strong> zwei Richtungen<br />

hin offenen Stadt werden: <strong>nach</strong> der italienischen<br />

Kultur im Süden und <strong>nach</strong> der deutschen im Norden;<br />

43


UNIVERSITÄT AM<br />

SERNESIPLATZ<br />

7<br />

44<br />

Bozner KulturleBen BoznEr KulturlEBEn<br />

die Tatsache, daß diese beiden Welten hier zusammentreffen,<br />

bietet Gelegenheit zu immer neuen<br />

Anregungen und Ideen.<br />

Die deutschsprachige Gruppe pflegt die Verbindungen<br />

mit den jenseits des Brenner gelegenen<br />

Kulturräumen Nordtirols bzw. noch weiter entfernter<br />

Länder, um Anschluß zu halten an den reichen,<br />

deutschsprachigen Kulturschatz Mitteleuropas; die<br />

von Herkunft und regionaler Mentalität her eher<br />

heterogene italienische Gruppe hat einen höheren<br />

Grad an Dialektik und eine offenere Konfrontation<br />

entwickelt, was sich auch politisch in einer verstärkten<br />

Fraktionierung manifestiert.<br />

Die Freie Universität Bozen<br />

Ein starker Antrieb für Bozens Kultur- und Geistesleben<br />

ist die mit 31. Oktober 1997 in den Gebäuden<br />

des ehemaligen Bozner Krankenhauses im<br />

Herzen der Stadt eröffnete Freie Universität Bozen.<br />

Als festgefügte Stützen dieser Institution können<br />

die fortschrittlichen Technologien, ein internationaler<br />

Lehrkörper, die Dreisprachigkeit und die<br />

zwischen der Professorenschaft und den Studenten<br />

bestehenden optimalen Beziehungen angesehen<br />

werden. In dem multikulturellen Klima von Bozen<br />

gewinnen die Studenten fast “nebenbei” soziale<br />

und humane Erfahrungen und sprachliche Fähigkeiten,<br />

was sie für den Wettbewerb auf dem lokalen<br />

und europäischen Arbeitsmarkt rüstet.<br />

Folgende Fakultäten hat Bozen zu bieten:<br />

FAKULTÄT FÜR WIRTSCHAFTSWISSENSCHAFTEN<br />

Zur Auswahl für das Laureats-Studium stehen: 1.<br />

Wirtschaft und Management; 2. Tourismusmanagement;<br />

3 Betriebswirtschaft; 4 Ökonomie und Sozialwissenschaften.<br />

FAKULTÄT FÜR TECHNIK UND NATURWISSEN-<br />

SCHAFTEN<br />

Die Ausbildung erfolgt in engem Zusammenwirken<br />

mit dem Polytechnikum in Turin; zudem stehen Ex-<br />

perten von ausländischen Universitäten und aus<br />

dem Industriebereich zur Verfügung.<br />

Laureats-Studium für INFORMATIK. Das Doktoratsstudium<br />

in angewandter Informatik bietet nicht<br />

nur eine finanz- und betriebswirtschaftliche Ausbildung,<br />

sondern der Lehrplan ist hauptsächlich<br />

auf analytische Informatik fokussiert.<br />

FAKULTÄT FÜR DESIGN UND KÜNSTE<br />

Das Studium dauert drei Jahre; ausgebildet werden<br />

Fachleute für visuelle Kommunikation und<br />

Produktdesign. Als berufliche Möglichkeiten bieten<br />

sich den Absolventen das Entwerfen von Gebrauchsgegenständen,<br />

technischen und Dienstleistungssystemen,<br />

die Ausarbeitung grafischer Projekte,<br />

koordinierte Darstellungen und multimediale<br />

Produkte.<br />

FAKULTÄT FÜR BILDUNGSWISSENSCHAFTEN<br />

Mit Sitz in Brixen und einer Dreiteilung in eine italienische,<br />

eine deutsche und eine ladinische Sparte.<br />

Während der ganzen Dauer des Studiums an der<br />

LUB genießt der Auszubildende Unterstützung; im<br />

Studienjahr 2007-08 lag die Anzahl der Inskribenten<br />

bei ca. 3200, doch ist abzusehen, daß sich diese<br />

Zahl bis auf maximal 5000 erhöhen wird. Abschließend<br />

läßt sich wohl sagen, daß die Universität<br />

Bozen dank des von ihr ausgehenden starken<br />

kulturellen, internationalen Impulses enorm<br />

zur Veränderung der Geisteshaltung dieser Stadt<br />

beigetragen und sie offener und viel moderner gemacht<br />

hat.<br />

Europäische Akademie EURAC<br />

Mit Provinzialgesetz Nr. 31 vom 29. Oktober 1991<br />

wurde die Europäische Akademie (EURAC) als innovatives<br />

Forschungs- und Weiterbildungsinstitut<br />

mit Sitz in Bozen gegründet, wohl auch um die<br />

Position Bozens gegenüber den beiden nahegelegenen<br />

Universitätszentren Trient und Innsbruck zu<br />

stärken. Um Doppelangebote zu vermeiden wurden<br />

7<br />

folgende genau definierte Forschungsbereiche festgelegt:<br />

1. Sprache und Recht<br />

2. Minderheiten und Autonomien<br />

3. Nachhaltige Entwicklung<br />

4. Management und Unternehmenskultur<br />

5. Lebenswissenschaften<br />

Zehn Institute mit den jeweiligen zielgerichteten<br />

Forschungsprogrammen werden diesen Bereichen<br />

gerecht. Nur einige davon seien hier erwähnt:<br />

im Interesse der spezialisierten Verständigung<br />

und Vielsprachigkeit wird an der Harmonisierung<br />

der im Alpenbereich in Verwendung stehenden<br />

juristischen Terminologie gearbeitet. Zum Studium<br />

des Föderalismus und Regionalismus konzentriert<br />

sich die Forschung auf die modernen Verlagerungsprozesse<br />

der Regierungsgewalten in Richtung<br />

des Dezentralismus und auf konstitutionelle Reformen.<br />

Die Eurac-Institute, die sich mit regionaler<br />

Entwicklung und erneuerbaren Energien beschäftigen,<br />

untersuchen die eng mit der Ökologie in allen<br />

ihren Erscheinungsformen verbundenen Probleme.<br />

Was das Erfordernis der Effizienz und Modernisierung<br />

der öffentlichen Verwaltung betrifft,<br />

agiert das Eurac- Institut für Public Management.<br />

Daneben sei noch das Institut für genetische Medizin<br />

genannt, das das Zusammenwirken von Ge-<br />

45<br />

DIE<br />

BIBLIOTHEK<br />

DER ABTEI<br />

VON MURI-<br />

GRIES


SCHULE FÜR<br />

DOKUMEN-<br />

TARFILM<br />

ZELIG<br />

UNIVERSI-<br />

TÄTSBIBLIO-<br />

THEK<br />

7<br />

nen, Krankheiten und Umwelt studiert und Daten<br />

von Bewohnern isolierter Bergregionen dahingehend<br />

untersucht. Jüngstes Kind der Eurac ist das<br />

Institut für Mumien und den Iceman, das die gesamte<br />

Forschung an der weltbekannten Gletscherleiche<br />

koordiniert.<br />

Überdies wurde eingegliedert in die Eurac auch<br />

die Außenstelle des ständigen Sekretariats der Al-<br />

46<br />

Bozner KulturleBen BoznEr KulturlEBEn<br />

penkonvention geschaffen, die als Hüterin des natürlichen<br />

Ökosystems der Alpen fungiert.<br />

Ihren Sitz hat die Eurac im Gebäude der ehemaligen<br />

Gil. Die Geschichte dieser Baulichkeit, ihres<br />

allmählichen Niedergangs und zögerlichen Wiederentdeckung<br />

bis zu ihrer beispielhaften Renovierung<br />

stellt einen wichtigen Part der jüngsten<br />

Historie der Stadt Bozen dar. Zwischen 1934 und<br />

1936 erbaut, um die Mitglieder der faschistischen<br />

Jugendbewegung darin aufzunehmen, fiel dieser<br />

Verwendungszweck mit Kriegsende natürlich weg:<br />

der große Saal wurde zum Drusus-Kino umfunktioniert,<br />

aus dem Turnsaal wurde ein Supermarkt.<br />

Standortmäßig jedoch befand sich das Gebäude an<br />

beneidenswerter Stelle, nächst dem Zusammenfluß<br />

von Talfer und Eisack, wo der alte Stadtkern auf die<br />

Neustadt trifft.<br />

1995 wurde schließlich zur Umgestaltung des gesamten<br />

neuen Sitzes der Eurac ein internationaler<br />

Architektenwettbewerb ausgeschrieben, aus welchem<br />

als Sieger Klaus Kada aus Graz hervorging. Das<br />

bestehende Gebäude blieb zur Gänze erhalten und<br />

auch die alte rötliche Farbgebung wurde ihm wiedergegeben,<br />

die es von weitem schon erkennbar<br />

macht. Diese Entscheidung ist umso begrüßenswerter,<br />

da es sich dabei schließlich um ein bedeutendes<br />

Zeitdokument einer für Italiens Architektur maßgeblichen<br />

Epoche handelt. Als Gegenpol dazu wirkt<br />

die klare, rationelle Formgebung des neuen Gebäudeteils,<br />

dessen vorrangig in Glas gehaltenen Wände<br />

den Komplex insgesamt hell und luftig erscheinen<br />

lassen. Das Auditorium wurde in qualitativ hochwertigen<br />

Materialien adaptiert und in Anbetracht<br />

seiner äußeren Gliederung und der inneren Raumaufteilung<br />

kann man das Ergebnis nun wohl als eines<br />

der schönsten Gebäude der Stadt bezeichnen.<br />

ZELIG - Schule für Dokumentarfilm,<br />

Fernsehen und neue Medien<br />

Mit der Schule Zelig steht eine der wenigen Institutionen<br />

zur Verfügung, die in Europa eine spezielle<br />

Ausbildung auf dem Gebiet des Dokumentarfilms<br />

anbieten.<br />

Zelig bezieht ihren Namen von dem gleichlautenden<br />

Film von Woody Allen und hat sich seit<br />

ihrer Gründung im Jahr 1988 ständig vergrößert.<br />

Heute ist sie in drei akademische Jahrgänge gegliedert<br />

und konzentriert sich auf die Erfordernisse<br />

des Dokumentarfilms in den Bereichen Aufnahme<br />

und Montage.<br />

In Zeiten, in denen der kulturelle Wert von Fernseh-<br />

und Filmproduktionen zu schrumpfen scheint,<br />

während der Medieneinfluß auf unsere Gesellschaft<br />

konstant zunimmt, ist eine fundierte Ausbildung<br />

auf diesem Kunstgebiet als großer Vorteil anzusehen.<br />

Kreative junge Menschen mit Interesse für<br />

Technik, die bereit sind, ihr Fachwissen mit Energie<br />

und Einsatzbereitschaft auf dem Gebiet des<br />

Spezialfilms und des Fernsehens einzubringen, werden<br />

immer mehr gesucht.<br />

Die Übereinstimmung der schulischen Vorgaben<br />

mit den Erfordernissen des Arbeitsmarktes hat sich<br />

als Erfolgsfaktor erwiesen: 80 % der Absolventen<br />

haben bereits eine Anstellung im Bereich Audiovision<br />

gefunden und der Rest setzt seine Studien auf<br />

akademischem Niveau oder im Bereich von Kino-<br />

Universitäten in Italien oder im Ausland fort.<br />

Centro Trevi<br />

Das Gebäude in der Kapuzinergasse, welches zuerst<br />

jahrelang das Cinema Roma beherbergte, wurde<br />

von der Autonomen Provinz Bozen erworben<br />

und schließlich der italienischen Kulturabteilung<br />

als Mehrzweckgebäude für ein weitgefächertes Angebot<br />

an kulturellen Aktivitäten überantwortet.<br />

Das Gebäude verfügt über zwei Säle mit insgesamt<br />

mehr als 300 Plätzen fûr Konferenzen und Ausstellungen.<br />

Im Trevizentrum sind das Audiovisuelle Zentrum<br />

(für den Verleih von audiovisuellem Material) und<br />

das Multisprachzentrum (mit mehr als 10.000 Texten<br />

und Unterlagen in verschiedenen Sprachen,<br />

einem Lesesaal und Multimedia-Kursen) untergebracht.<br />

Mit jedem Jahr konnte das Zentrum Trevi sich eines<br />

vermehrten Zuspruchs erfreuen und stellt heute die<br />

7<br />

lebendigste und repräsentativste Einrichtung für die<br />

italienische Sprachgruppe in Bozen dar.<br />

Das Südtiroler Kulturinstitut<br />

Hauptsächlichster Vertreter der deutschsprachigen<br />

Kultur ist das Südtiroler Kulturinstitut. 1954<br />

gegründet, hat es seinen Wirkungskreis allmählich<br />

auf alle Bereiche der kulturellen Aktivitäten<br />

vom Sprechtheater bis zu Konzerten, von der Literatur<br />

bis zu Kunstausstellungen, von verschiedensten<br />

wissenschaftlichen Konferenzen bis zu Publikationen<br />

über Geschichte und lokale Fragen ausgedehnt.<br />

Seine Zielsetzung erkennt das Südtiroler<br />

Kulturinstitut in der Fortführung und Festigung der<br />

grundlegenden Kultur der deutschsprachigen ethnischen<br />

Gruppe sowohl durch die Belebung der vor<br />

Ort vorhandenen kulturellen Ressourcen als auch<br />

durch die Pflege der Beziehungen zu den deutschsprachigen<br />

Kulturströmungen Mitteleuropas auf allen<br />

Gebieten der schönen Künste und des Schauspiels.<br />

In der Theatersaison werden vom Haus der Kultur<br />

Stücke mit erstrangigen Vertretern der bedeutendsten<br />

Schauspielhäuser Österreichs und Deutschlands<br />

zur Aufführung gebracht, sehr zur Freude aller<br />

Theaterfreunde, die darin eine wertvolle Ergänzung<br />

des Kulturangebotes der Stadt erkennen. Große<br />

Bedeutung wird auch dem Theater für Jugendliche<br />

und für Kinder beigemessen, denen auf diese<br />

Weise neben der Schule ein vielfältiges, junges<br />

und für Neues offenes Kulturverständnis nahegebracht<br />

wird. Bedeutende Schriftsteller werden zur<br />

Präsentation ihrer Werke <strong>nach</strong> Bozen eingeladen<br />

und es werden auch Preise für hervorragende Leistungen<br />

auf den Gebieten der Literatur, Kunst und<br />

Wissenschaft ausgeschrieben. Nicht zu vergessen<br />

auf die wichtige Funktion des Südtiroler Kulturin-<br />

47


EUROPÄISCHE<br />

AKADEMIE EURAC<br />

7<br />

48<br />

Bozner KulturleBen BoznEr KulturlEBEn<br />

stituts als Herausgeber periodisch erscheinender,<br />

für die deutschsprachige Kulturwelt bedeutender<br />

Publikationen.<br />

Upad- Università Popolare<br />

delle Alpi Dolomitiche<br />

Seit ihrer Gründung im Jahr 1966 hat die Upad<br />

ihr reichhaltiges Angebot von berufsausbildenden<br />

Kursen bis zu Kunst- und Kulturwerkstätten für alle<br />

Altersklassen noch weiter vergrößert und bietet<br />

neben Ausbildung in Vortrag/Diskussion Kulturkurse,<br />

Unterstützung für Universitätslehrgänge<br />

und Projekte des Europäischen Sozialfonds. Die<br />

Zentrale der Upad in der Florenzerstraße 51 verfügt<br />

über Büros, eine Bibliothek, Hörsäle mit Audiovideo-<br />

und Informatikeinrichtungen, ein Auditorium<br />

mit 150 Plätzen sowie Turnsäle.<br />

Bibliotheken<br />

Gegenwärtig verfügt Bozen über drei ausgezeichnete<br />

öffentliche Bibliotheken, die Stadtbibliothek<br />

Battisti, die deutsche Bibliothek Friedrich<br />

Tessmann, sowie die italienische Bibliothek Claudia<br />

Augusta. Ein sich zur Zeit in der Endphase befindendes<br />

Projekt sieht die Zusammenlegung dieser<br />

drei Bibliotheken in einem Gebäudekomplex<br />

auf dem Areal der aufgelassenen Volks- und Mittelschule<br />

Longon vor. Das Angebot dieses neuen<br />

Bibliotheksviertels wird sich dann auf über eine<br />

Million Bücher/Medien belaufen, zuzüglich Zeitungen,<br />

Zeitschriften, Kassetten, CD und CD-Rom,<br />

DVD, Spiele, Internet, Mikrofilme und sämtliche Informations-<br />

und Informatikträger neuester Generation.<br />

Gemeinde und Provinz als<br />

Promotoren des Kulturlebens der Stadt<br />

An dieser Stelle muß aber auch erwähnt werden,<br />

welch maßgebliche Rolle die öffentliche Hand in<br />

der Kulturförderung Bozens spielt.<br />

Gemeinde und Provinz Bozen sind zu Hauptfiguren<br />

des Kulturlebens der Stadt geworden, sowohl<br />

indirekt, indem sie die vorhandenen verschiedenen<br />

Kulturverbände finanziell unterstützen, als auch<br />

direkt, da sie über das ganze Jahr verteilt eine Reihe<br />

von Veranstaltungen organisieren.<br />

Das Gemeinde-Amt für Kultur betreibt die Kunstgalerie<br />

am Dominikanerplatz, hat Schloß Runkelstein<br />

in ein Museums- und Kongreßzentrum umgestaltet,<br />

organisiert Veranstaltungen wie “Bozner Sommer”<br />

und “Bozner Kindersommer” sowie eine Vielfalt von<br />

Ereignissen in Form von Konzerten, Theateraufführungen,<br />

Lesungen, bis hin zu Sportveranstaltungen,<br />

Spielen im Freien oder Straßentheater.<br />

Noch mannigfaltiger und intensiver sind die Bemühungen<br />

der Autonomen Provinz, die ihren Aufgaben<br />

im Kultur- und Lehrbereich mit Hilfe von<br />

drei Abteilungen für Aktivitäten in deutscher, ladinischer<br />

und italienischer Sprache <strong>nach</strong>kommt.<br />

Die Abteilung Deutsche Kultur und Familie schafft<br />

7<br />

den Rahmen für kulturelle Arbeit und Entwicklung<br />

in Südtirol. Sie nimmt auch Einfluss auf die kulturellen<br />

Belange der Bevölkerung in Form von Bildungsangeboten,<br />

Einbringen von gesetzlichen<br />

Vorschlägen, Vernetzungsarbeit, Qualitätsinitiativen,<br />

Pilotprojekte u.a.m. Die Abteilung betreut<br />

auch die sprachgruppenübergreifenden Bereiche,<br />

wie z.B. die Museen, die Familienbildungsarbeit,<br />

die autonomen kulturellen Körperschaften und die<br />

Landesbeteiligung an Stiftungen und Vereinen.<br />

Bozen kann sich der Tatsache rühmen, daß in den<br />

vergangenen Jahren viele neue Einrichtungen entstanden<br />

sind und auch einen zeitgemässen Standort<br />

erhalten haben. Das Land Südtirol hat daran<br />

wesentlichen Anteil: mit der Errichtung der Eurac,<br />

der Universität, des Archäologiemuseums, des<br />

Konzerthauses, mit der Mitfinanzierung des Stadttheaters<br />

u.s.w.<br />

Mit dem Neubau des Museion erhält in der Landeshauptstadt<br />

auch die bildende Kunst eine zeitgemäße<br />

Heimstätte: für Sammlungen, Dauer- und<br />

Wechselausstellungen, für eine Bibliothek, für vielfältige<br />

Vermittlungstätigkeiten. Das neue Museion<br />

widmet sich der Kunst des 20. Jahrhunderts und<br />

der Zeitgenössischen Kunst.<br />

Das Amt für Weiterbildung hat sich zum Ziel<br />

gesetzt, bestehende Lücken im Weiterbildungsbereich<br />

auszumachen und durch die Umsetzung von<br />

Modellprogrammen zu füllen.<br />

Die Berichte über das Kulturgeschehen in Bozen<br />

wie in ganzen Südtirol erscheinen zweimal jährlich<br />

und sind im Amt für Kultur kostenlos erhältlich.<br />

49


AUFFÜHRUNG DES HAYDN-<br />

ORCHESTERS IM AUDITORIUM<br />

7<br />

50<br />

Bozner KulturleBen<br />

<strong>BozEn</strong> und diE musiK<br />

8 Bozen<br />

8<br />

<strong>BozEn</strong> und<br />

diE musiK<br />

51<br />

verdankt die Reichhaltigkeit seines<br />

Musiklebens der abwechslungsreichen Entstehungsgeschichte<br />

und Vielfalt seiner Gesellschaftsstruktur.<br />

In der deutschsprachigen Welt wird die Tradition<br />

der Hausmusik noch immer hochgehalten: Klavier,<br />

Blas- und Saiteninstrumente werden ebenso gerne<br />

und rege gepflogen wie Arien- und Liedgesang.<br />

Jedoch auch an Volksmusikdarbietungen fehlt es<br />

nicht und häufig sind es die Mitglieder einer einzigen<br />

Familie, die eine ganze Musikgruppe aufzustellen<br />

vermögen und als solche aus dem rein familiären<br />

Kreis heraustreten, um sich in der Öffentlichkeit<br />

zu produzieren. Die Hausmusik ist ein nicht zu<br />

unterschätzender, grundlegender Bestandteil der<br />

Bozner Musikkultur und “Musik machen” bedeutet<br />

hier mehr, als eine rein passive Teilnahme an Konzertsaal-Aufführungen:<br />

hier liegt die Musik wahrhaft<br />

in der Luft, sie ist Teil des täglichen Lebens,<br />

wird zu einem sozialen Faktor, führt zu Freundschaften<br />

und ist häufig Ursache einer generellen<br />

Verfeinerung von Geschmack und Stimmungen.<br />

Im italienischsprachigen Bereich wird allgemein<br />

dem Chorgesang und hierbei wieder den Bergliedern<br />

der unbestrittene Vorrang eingeräumt. Träger<br />

ist das Volk selbst, das <strong>nach</strong> jahrhundertelangem<br />

Leben in den Alpentälern in den langsamen, kadenzierten<br />

Weisen, den weit ausgelegten, schwermütigen<br />

Melodien sein eigentliches Wesen besser<br />

zum Ausdruck bringt als dies in jeder anderen<br />

Kunstform möglich wäre; diese Musik ist Spiegel<br />

der harten Anforderungen des täglichen Lebens,<br />

des Gottvertrauens, der Liebe zum Vaterland, zu<br />

einer Frau, der Dramatik von Krieg und Emigration,<br />

der Demut und Bescheidenheit angesichts der Grö-


KONSERVATO-<br />

RIUM MONTE-<br />

VERDI: ARTURO<br />

BENEDETTI<br />

MICHELANGELI-<br />

SAAL<br />

8<br />

ße und Schönheit der Schöpfung. Dem Berg als Lebensraum,<br />

als Anstoß für physische und psychische<br />

Höchstanforderungen, für vollkommene geistige Verinnerlichung<br />

wird in diesen Gesängen gehuldigt; sie<br />

sind Ausdruck zeitloser menschlicher Gefühle. Auch<br />

heute noch ist es diesen Liedern gegeben, die ihnen<br />

eigene Faszination auf ihr Publikum auszuüben: dies<br />

beweist der große Zuspruch, den die zahlreichen Darbietungen<br />

der vier Chorvereinigungen der Stadt (Coro<br />

Rosalpina, Coro Laurino, Coro Castel Flavon, Coro<br />

Monti Pallidi) oder auch der aus anderen Gebirgsorten<br />

stammenden Gastchöre finden..<br />

Zentraler Angelpunkt aller musikalischer Initiativen<br />

der Stadt ist das Musikkonservatorium “Claudio<br />

Monteverdi”. Aus der Notwendigkeit geboren, in einem<br />

Ambiente, in dem der Musik bereits von der Kinderstube<br />

an ein fixer Platz im Leben der Bewohner<br />

eingeräumt wird, ein anspruchsvolles Angebot zu bieten,<br />

hat sich das Konservatorium rasch zu einer der<br />

bedeutendsten Institutionen von Stadt und Provinz<br />

entwickelt. Seit der Gründung 1940 ist es im Dominikanerkloster<br />

am gleichnamigen Platz untergebracht;<br />

der große Saal im Inneren ist <strong>nach</strong> dem großen Pianisten<br />

Arturo Benedetti Michelangeli benannt, der<br />

hier in der Zeit von 1950 bis 1959 unterrichtete. Hier<br />

finden die Kammermusikkonzerte des Konzertvereins<br />

statt, aber auch die Veranstaltungen des Vereins der<br />

Freunde der Opernmusik, der Reisen zu den bedeutendsten<br />

Opernhäusern Italiens und des Auslands organisiert.<br />

Die verschiedenen Festivals sakraler, antiker<br />

52<br />

Bozen und die Musik <strong>BozEn</strong> und diE musiK<br />

und zeitgenössischer Musik werden zusätzlich auch in<br />

anderen Sälen, Privaträumlichkeiten und Kirchen innerhalb<br />

und außerhalb der Stadt abgehalten.<br />

Einige der bekanntesten italienischen Musiker zählten<br />

zu den Direktoren und Lehrern des Bozner Musikkonservatoriums,<br />

ohne welches es weder den Pianistenwettbewerb<br />

F.Busoni noch das Haydn-Orchester<br />

noch all die anderen heute in Bozen bestehenden<br />

Konzertveranstaltungen und sonstigen musikalischen<br />

Ausbildungsmöglichkeiten gäbe.<br />

Das Haydn-Orchester von Bozen und Trient<br />

Das Haydn-Orchester wurde 1960 auf Initiative<br />

der Provinzen und Gemeinden von Bozen und Trient<br />

gegründet.<br />

Das Orchester hat 46 ständige Mitglieder; hinzu<br />

kommen andere Instrumentalisten <strong>nach</strong> jeweiligem<br />

Bedarf der Aufführungen; die bedeutendsten Solisten<br />

Italiens sind bereits mit dem Haydn-Orchester<br />

aufgetreten. In den mehr als 45 Jahren seines Bestehens<br />

brachte die Vereinigung ein weitgefächertes<br />

Repertoire angefangen vom Barock bis zu zeitgenössischen<br />

Musikwerken zur Aufführung.<br />

Seinen festen Sitz für Konzerte und Proben hat das<br />

Haydn-Orchester nun im Auditorium in der Dantestraße,<br />

einem für die Stadt aus kultureller Sicht<br />

sehr wichtigen Gebäude, finden dort doch zahlreiche<br />

musikalische Veranstaltungen statt. Nach dem<br />

Ankauf des alten Cinema Augusteo durch die autonome<br />

Provinz wurde es in ein neues und sehr elegantes<br />

Veranstaltungsgebäude umgewandelt. Dieses<br />

verfügt über zwei Säle, den Großen Saal mit<br />

8<br />

641 Plätzen, in welchem die Musiksaison des Orchesters<br />

stattfindet, und den Kleinen Saal von 120<br />

m² im Souterrain für kleinere Veranstaltungen.<br />

Internationaler Pianistenwettbewerb<br />

“Ferruccio Busoni”<br />

Diese Veranstaltung ist aufgrund der hohen künstlerischen<br />

Anforderungen durchaus zu den bedeutendsten<br />

Pianistenwettbewerben der Welt zu rechnen.<br />

Bis 2001 noch alljährlich abgehalten, findet<br />

er heute alle zwei Jahre statt, alternierend mit einem<br />

“Festival Busoni” mit Klavier- und Orchesteraufführungen.<br />

Ein Gewinn beim Busoni-Wettbewerb stellt für<br />

jeden jungen Pianisten ein erstrebenswertes Ziel<br />

und ein sicheres Sprungbrett für das weitere Vorwärtskommen<br />

dar.<br />

Europäische Jugendorchester<br />

Als einzige unter den italienischen Städten ist<br />

Bozen Sitz von zwei der angesehensten europäischen<br />

Jugendorchester, nämlich des European<br />

Union Youth Orchestra und des Gustav Mahler<br />

Jugendorchester. 1986 hat die Stadt erstmalig<br />

den aus ganz Europa stammenden jungen Menschen,<br />

die Mitglieder dieser Orchester sind, festen<br />

Wohnsitz angeboten. Claudio Abbado, der vom<br />

53<br />

EINGANG ZUM<br />

KONSERVATORIUM,<br />

VERANSTALTUNGSORT<br />

DER INTERNAT. BU-<br />

SONI-WETTBEWERBE<br />

EUROPÄISCHES JU-<br />

GENDORCHESTER


CLAUDIO<br />

ABBADO, EH-<br />

RENBÜRGER<br />

DER STADT<br />

BOZEN<br />

GUSTAV<br />

MAHLER-JU-<br />

GENDORCHE-<br />

STER<br />

8<br />

Bozner Gemeinderat zum Ehrenbürger der Stadt ernannte<br />

Gründer und Leiter der Orchester, hat der<br />

Stadt gegenüber seine Anerkennung und Dankbarkeit<br />

dafür zum Ausdruck gebracht, daß es ihr gelungen<br />

sei, erstrangige Musikinstitutionen ins Leben<br />

zu rufen und der Arbeit mit Jugendlichen große<br />

Aufmerksamkeit zu widmen.<br />

Die beiden Orchester halten hier ihre Proben für<br />

die jährlichen Tourneen ab, die sie in die bedeutendsten<br />

Konzert- und Opernsäle der Welt führen.<br />

Die Konzertpremieren aber finden jeweils in Bozen<br />

54<br />

Bozen und die Musik <strong>BozEn</strong> und diE musiK<br />

statt und sind Anlaß, von einem enthusiastischen<br />

Publikum begrüßt zu werden. Die langandauernde<br />

Anwesenheit so vieler junger Menschen mit all ihren<br />

verschiedenen Sprachen und Unterschieden in<br />

Verhalten, Kleidung, Gewohnheiten und Aussehen<br />

animiert und macht das Leben in dieser Stadt abwechslungsreich<br />

und bunt.<br />

Gustav-Mahler-Akademie<br />

1999 auf Anregung von Maestro Claudio Abbado<br />

ins Leben gerufen, stellt die Gustav Mahler-Akademie<br />

- Musik und Jugend das logische Ergebnis<br />

der bereits seit Jahren zwischen der Stadt Bozen<br />

und dem GM-Jugendorchester bestehenden intensiven<br />

künstlerisch-organisatorischen Zusammenarbeit<br />

dar. Die Stiftung organisiert jedes Jahr im Oktober<br />

Masterkurse für aus ganz Europa kommende<br />

junge Musiker und Musikerinnen zwischen 18<br />

und 26 Jahren.<br />

Musikstadt Bozen<br />

Das Musikleben Bozens erschöpft sich jedoch<br />

nicht in diesen herausragenden Institutionen. Hier<br />

befassen sich viele beruflich mit Musik, viele andere<br />

aber möchten auch nur ihre Musikkenntnis-<br />

se privat und zur Vervollständigung ihres persönlichen<br />

Kulturniveaus erweitern. Um diesen Bedürfnissen<br />

entgegenzukommen, hat die Autonome Provinz<br />

mit Landesgesetz von 1977 zwei Musikschulen,<br />

eine für die deutsche und ladinische und eine<br />

für die italienische Sprache, ins Leben gerufen.<br />

Institut für Musikerziehung<br />

in deutscher und ladinischer Sprache<br />

Die deutschsprachigen Musikschulen Bozens sind<br />

in zwei Schulstellen untergebracht: am Grieser<br />

Platz in einem schönen restaurierten Gebäude aus<br />

dem 19. Jahrhundert und in der Franziskanergasse<br />

in der Altstadt. Etwa 1300 Schüler werden von<br />

8<br />

über 40 Lehrkräften betreut.<br />

Das Angebot reicht von musikalischer Früherziehung<br />

für Kinder ab dem fünften Lebensjahr, über<br />

Sing- und Chorstunden für jede Altersgruppe, bis<br />

zu Instrumental-Ausbildung, Kammermusik und<br />

Theorieunterricht.<br />

Die Musikschule Bozen ist eine der ganz wenigen<br />

im Lande, die auch Unterricht im Orgelfach anbieten.<br />

Sowohl Studierende der Kirchenmusikschule<br />

als auch andere Interessenten können hier einen<br />

qualifizierten Unterricht geniessen.<br />

Diese so verschiedenen musikalischen Darbietungen<br />

und Veranstaltungen leisten einen nicht unwesentlichen<br />

Beitrag zum sozialen und kulturellen<br />

Leben von Bozen.<br />

55


9<br />

56<br />

TheaTer und<br />

KulTurveransTalTungen<br />

thEatEr und<br />

KulturvEranstaltungEn<br />

9<br />

thEatEr und<br />

KulturvEranstaltungEn<br />

9 d as Stadttheater<br />

57<br />

Am 9. September 1999 wurde das Bozner<br />

Stadttheater feierlich eingeweiht. Das <strong>nach</strong><br />

einem Entwurf des Mailänder Architekten Marco<br />

Zanuso - einem der angesehensten italienischen<br />

Architekten - errichtete Gebäude kann als Perle in<br />

der jüngsten städtebaulichen Entwicklung Bozens<br />

betrachtet werden und ist zum Treffpunkt für alle<br />

Kulturbegeisterten aus Bozen und aus ganz Südtirol<br />

geworden. Monatlich werden dort zwischen<br />

30 und 50 Veranstaltungen abgehalten: Theater-,<br />

Ballett-, Opern- und Musicalaufführungen.<br />

Es verfügt über einen Großen und einen Kleinen<br />

Saal sowie über einen Probenraum.<br />

Der als Herzstück des Theaters anzusehende Große<br />

Saal bietet 810 Personen für ein breitgefächertes<br />

Nutzungsangebot, darunter auch für Kongresse,<br />

Platz. Die 180 m² große Drehbühne kann bis<br />

zu 8 m tief abgesenkt werden und ermöglicht dadurch<br />

einen raschen Szenenwechsel.<br />

Der ein Stockwerk tiefer gelegene Kleine Saal,<br />

auch Kammertheater genannt, faßt 272 Personen<br />

und kann für die unterschiedlichsten Veranstaltungen<br />

genutzt werden: Kammerkonzerte, experimentelles<br />

Theater, Theater für die Jugend, Fernsehaufzeichnungen,<br />

u.s.w. Hier sind hervorragende<br />

technische und architektonische Lösungen zum<br />

Einsatz gekommen.<br />

Der Probenraum schließlich befindet sich am<br />

Top des Theaters, im Aussichtsturm, und besitzt<br />

eine Fläche von 278 m².<br />

Die Außenansicht des Theaters ist auch erwähnenswert:<br />

hier finden sich wieder jene Erker, die


INNEN- UND AUSSEN-<br />

ANSICHT DES THEATER<br />

CRISTALLO<br />

9<br />

58<br />

TheaTer und<br />

KulTurveransTalTungen<br />

als typisches Bauelement allenthalben an Bozner<br />

Häusern auftauchen, wo der Erker Licht und Wärme<br />

ins Innere bringen und gleichzeitig die Sicht <strong>nach</strong><br />

Außen erleichtern soll.<br />

Gleich drei Institutionen sind im Stadttheater untergebracht:<br />

das italienischsprachige Teatro Stabile,<br />

die deutschsprachigen Vereinigten Bühnen Bozen<br />

(VBB) und die Stiftung Stadttheater und Konzerthaus.<br />

In dem 1950 vom Regisseur Fantasio Piccoli gegründeten<br />

Teatro Stabile gelangen während der<br />

Saison Theaterstücke zur Aufführung und von hier<br />

aus werden sowohl in Eigenregie als auch im Austausch<br />

mit anderen öffentlichen oder privaten Organisationen<br />

Aufführungen in den größten Ortschaften<br />

der Provinz organisiert.<br />

Desgleichen läßt sich von den Vereinigten Bühnen<br />

Bozen sagen, denen die Programmgestaltung<br />

für deutschsprachige Aufführungen obliegt und die<br />

ein reichhaltiges Angebot verschiedenster Veranstaltungen<br />

bieten.<br />

Die Stiftung Stadttheater und Konzerthaus<br />

Bozen wurde im Jahr 2000 gegründet, um diese<br />

beiden Institutionen zu betreiben und hat drei<br />

Hauptaufgaben: die Organisation der Opern- und<br />

der Ballettsaison sowie des Bozner Ballettsommers,<br />

das berufliche Weiterbildungsprogramm,<br />

die Verbreitung der Eigenproduktionen auch außer<br />

Landes. Im Laufe der Jahre konnte sich die<br />

Stiftung dank ihrer mit viel Originalität und Perfektion<br />

umgesetzten Bühnenproduktionen (Oper,<br />

Ballett und Musical) einen festen Platz in der nationalen<br />

und ausländischen Szene erobern. Ebensogroße<br />

Bedeutung kommt auch dem Bozner Ballettsommer<br />

zu, der nebst den Großereignissen<br />

mit Vertretern internationalen Ranges auch zahlreiche<br />

Nebenveranstaltungen für alle Alters- und<br />

Geschmacksklassen bietet.<br />

Theater Cristallo<br />

Am 1. Dezember 2005 hat das Theater Cristallo in<br />

der Dalmatienstrasse <strong>nach</strong> dreißig Jahren des Stillschweigens<br />

seine Pforten für das Viertel, die Stadt<br />

thEatEr und<br />

KulturvEranstaltungEn<br />

und alle jene, die vor einem halben Jahrhundert<br />

seinerzeit sein Entstehen miterlebt hatten, wieder<br />

geöffnet. 1954 als provisorische Kirche errichtet<br />

und in weiterer Folge zu einem Lichtspieltheater<br />

umfunktioniert, <strong>nach</strong>dem es von der RAI<br />

als Produktionsstätte für die deutschsprachigen<br />

Stücke des Senders IV Bozen benützt worden war,<br />

wurde es zum Sitz des Haydn-Orchester. Als dieses<br />

schließlich in seine definitive Niederlassung<br />

im Auditorium umzug, war der Weg frei für eine<br />

Umgestaltung und Renovierung des Gebäudes,<br />

worin sich nun nebst dem Theatersaal auch noch<br />

die Büros des Bürgerzentrums, das Jugendzentrum<br />

und die Tagesstätte für Senioren befinden.<br />

Das Theater Cristallo stellt heute mit einem Angebot<br />

von 480 Plätzen, großen Räumlichkeiten<br />

für Ausstellungen und meetings und dem Kulturcafé<br />

ein wertvolles Instrumentarium für eine Kulturpolitik<br />

dar, die bemüht ist, durch ein weitgefächertes<br />

Veranstaltungsangebot möglichst viele<br />

Menschen zu erreichen.<br />

Das Theater Walther von der Vogelweide<br />

- Haus der Kultur<br />

In Bahnhofsnähe, nämlich hinter dem Landhaus,<br />

liegt das als erstes Theater <strong>nach</strong> dem zweiten<br />

Weltkrieg in Bozen errichtete Walther von der<br />

Vogelweide-Theater. Seit damals werden hier vom<br />

Südtiroler Kulturinstitut deutschsprachige Prosaund<br />

Musikwerke zur Aufführung gebracht. Im Laufe<br />

der Zeit wurde es mehrmals umgebaut und renoviert,<br />

bis es in seiner heutigen Form bis zu 536<br />

Zuschauern in einem durch perfekte Akustik ausgezeichneten<br />

und den raffiniertesten technischen<br />

Anforderungen entsprechenden Saal Platz bietet.<br />

Gänge und Foyer sind großzügig gestaltet, sodaß<br />

hier auch häufig lokale Künstler ausstellen. Im<br />

Souterrain liegt ein Konferenzzimmer mit bis zu<br />

136 Plätzen, Projektionsanlage, Simultankabinen<br />

und dergleichen mehr.<br />

Im Laufe der Jahre gelangte ein Großteil des<br />

klassischen und modernen Repertoires der hervorragendsten<br />

österreichischen, deutschen und<br />

9<br />

59<br />

DEUTSCHES THEATER<br />

HAUS DER KULTUR


STADTTHEATER:<br />

INNENANSICHT<br />

GRIESER<br />

STADTTHEATER<br />

9<br />

schweizer Theatervereinigungen auf dieser Bühne<br />

zur Aufführung. Aber auch das Tiroler Dialekttheater<br />

tritt hier auf und vermittelt mit viel Humor<br />

und Liebe zum Detail Gebräuche, Wertvorstellungen,<br />

Gebaren und Denkweise einer noch nicht<br />

ganz versunkenen bäuerlichen Welt in der ihr eigenen<br />

Mundart.<br />

60<br />

TheaTer und<br />

KulTurveransTalTungen<br />

Grieser Stadttheater<br />

Lange Jahre der Sitz des Teatro Stabile und <strong>nach</strong><br />

dem vernichtenden Brand von 1988 wieder neu<br />

aufgebaut, kann das Grieser Stadttheater mit seinen<br />

376 Plätzen heute mit Recht als kleines Juwel<br />

bezeichnet werden, wo ein Programm von hohem<br />

Niveau zur Aufführung gelangt. In dem amphietheaterförmigen<br />

Saal organisiert die Theatervereinigung<br />

Nuovo Spazio seit einigen Jahren Aufführungen,<br />

zu welchen die besten Amateurbühnen<br />

Italiens eingeladen sind. Im Bemühen, das Dialekttheater<br />

mit seinen bedeutendsten Vertretern<br />

hochzuhalten, gehen hier Produktionen oft zu Unrecht<br />

in Vergessenheit geratener oder unbeachtet<br />

gebliebener Autoren über die Bühne.<br />

Carambolage und Theater im Hof.<br />

Zwei weitere Kleinbühnen liegen im historischen<br />

Stadtkern; sie sind trotz ihrer Kleinheit sehr aktiv<br />

und bemühen sich jede um eine ganz eigene,<br />

avantgardistische Kunstform. Das Carambolage in<br />

der Silbergasse ist ein Cabaret und bietet an kleinen<br />

Tischchen ein Speisen- und Getränkeangebot<br />

thEatEr und<br />

KulturvEranstaltungEn<br />

vor, während und auch noch <strong>nach</strong> den Vorführungen,<br />

die mit Musik, Varieté, Komikern, Solisten<br />

und kleinen Jazzgruppen, Pantomimen und mehr<br />

ein Programm für ein heterogenes Publikum ohne<br />

sprachliche Bindungen bieten. Das Theater im Hof<br />

am Kornplatz hat sich auf zwei Kunstformen spezialisiert:<br />

einerseits bringt es sowohl in Form von<br />

Eigen- als auch von Fremdproduktionen Theater für<br />

Kinder und Jugendliche und andererseits ist es auf<br />

Stücke ausgerichtet, die die heutige Stellung der<br />

Frau, ihre Probleme und ihre Rolle in der Gesellschaft<br />

behandeln.<br />

Transart<br />

Bei Transart handelt es sich um ein einmal jährlich<br />

im September stattfindendes Festival zeitgenössischer<br />

Kultur, das an völlig unüblichen Orten<br />

Musik- und Kunstprojekte organisiert. Seit dem<br />

9<br />

Erstversuch, der zur Gänze in Bozens Industriezone<br />

teils in einer Busgarage und teils in einem Metallwerk<br />

stattfand, hat Transart seinen Aktionsradius<br />

erweitert und sich zu einem Festival gewandelt,<br />

das nun in diversen Etappen an unterschiedlichen<br />

Orten über das ganze Trentino und Südtirol<br />

verstreut abgehalten wird. Längs der Nord-Süd verlaufenden<br />

Brennerachse hat es sich diese Initiative<br />

zur Aufgabe gesetzt, mittels innovativer Musik-<br />

und Kunstprojekte eine überregionale und grenzüberschreitende<br />

Kulturplattform zu schaffen.<br />

Kulturkreis La Comune<br />

Abschließend sei noch der Kulturkreis La Comune<br />

erwähnt, der bereits im Jahr 1971 seine Tätigkeit<br />

als Promotor unkonventioneller, ganz und gar<br />

nicht institutioneller Stücke begonnen hatte; seit<br />

damals hat er seinen Aktionsradius soweit ausgedehnt,<br />

daß er heute mit einem reichhaltigen Angebot<br />

an Prosa, Musik und Film das ganze Jahr<br />

über sehr aktiv vertreten ist. In der Wintersaison<br />

finden seine diversen Abonnementveranstaltungen<br />

in den verschiedenen Theatersälen je <strong>nach</strong><br />

Verfügbarkeit an Plätzen statt und im Sommer bietet<br />

er Freiluft-Kinoaufführungen vor beachtlichen<br />

Zuschauermengen. Ihm ist es auch zu verdanken,<br />

daß verschiedene Schauspieler und Stücke <strong>nach</strong><br />

Bozen kamen, die ansonsten in die Saisonvorführungen<br />

der anderen Institutionen keinen Eingang<br />

gefunden hätten.<br />

61<br />

BOZNER<br />

BALLETTSOMMER<br />

TRANSART 2006:<br />

MUSIKFABRIK &<br />

FREYER ENSEMBLE<br />

©TRANSART 2006


10<br />

62<br />

Der Mann aus DeM eis<br />

10 das<br />

10<br />

dEr mann<br />

aus dEm Eis<br />

Archäologische Museum in Bozen bewahrt<br />

einen der weltweit berühmtesten menschlichen<br />

Funde, der Bozen unter die Pflichtziele<br />

europäischer Reisebewegungen eingereiht und<br />

somit das Klima in dieser Stadt insoweit erheblich<br />

verändert hat, als sich nun hier Besucher aus aller<br />

Welt einfinden, um mit eigenen Augen den stummen<br />

Zeugen einer so lang zurückliegenden Zeit zu<br />

betrachten.<br />

Seine Einzigartigkeit verdankt er dem Umstand,<br />

daß er, von einem plötzlichen Unfalltod betroffen,<br />

vollständig mitsamt Kleidung und Ausrüstung erhalten<br />

blieb, ohne regulär bestattet worden zu sein.<br />

Erstmals in der Geschichte der Medizin und der Archäologie<br />

war es möglich, einen ins vierte Jahrtausend<br />

v. Chr. zu datierenden Leichnam anatomisch<br />

zu untersuchen und derart alte Kleidungsstücke und<br />

Geräte eingehend zu studieren.<br />

Mit Hilfe fortschrittlichster Untersuchungsmethoden<br />

konnten bislang unbekannte Einzelheiten aus<br />

dem Leben der Menschen der Neusteinzeit, ihrer Lebensbedingungen<br />

und ihrer außerordentlichen Anpassungsfähigkeit<br />

aufgedeckt werden.<br />

Um die Konservierung der Mumie zu gewährleisten,<br />

wurde ein ganzes Stockwerk des Archäologischen<br />

Museums umgestaltet, mit den raffiniertesten technischen<br />

Einrichten ausgestattet und am 28. März<br />

1998 wieder eröffnet.<br />

Sämtliche Begebenheiten rund um den Mann aus<br />

dem Eis - die Entdeckung der Mumie und ihre Entnahme<br />

aus dem Eis, die ganze Geschichte der diesbezüglichen<br />

Grabungsarbeiten, die klinischen Untersuchungen<br />

- sind schriftlich, filmisch, sowie in Photos<br />

und mit Hilfe interaktiver Multimediadarstellun-<br />

63


Die Entdeckung<br />

10<br />

gen in allen Einzelheiten veranschaulicht.<br />

Die Mumie selbst ist in einer<br />

Kühlzelle untergebracht, einer in ihrer<br />

Art einzigartigen Anlage, wo der Mann<br />

aus dem Eis nun bei einer Temperatur<br />

von -6 Grad seine Ruhestätte gefunden<br />

hat. Eine Öffnung von 40x40 cm<br />

gestattet den Besuchern, ihn zu betrachten.<br />

Es ist der 19. September 1991 gegen 13:30h, als<br />

ein deutsches Touristenpaar aus Nürnberg sich auf<br />

dem Abstieg vom Hauslabjoch an der Wasserscheide<br />

zwischen dem Vintschgau und dem Ötztal befindet.<br />

Am Rande eines felsigen Beckens in 3.210 m Höhe<br />

ü.M. entlanggehend, bemerken sie unversehens<br />

etwas Dunkles, das aus dem Wasser ragt. Nähertretend<br />

gewahren sie mit Bestürzung, daß es sich um<br />

einen menschlichen Leichnam handelt und nehmen<br />

an, vermutlich den Körper eines vor vielen Jahren<br />

zu Tod gekommenen Alpinisten gefunden zu haben,<br />

der nun erst wieder zutage kam, <strong>nach</strong>dem ihn das<br />

ewige Eis aufgrund des seit einigen Jahren allenthalben<br />

in den Alpen vorherrschenden Gletscherschwunds<br />

wieder freigegeben hatte. In der Berghütte<br />

am Similaun angekommen, melden sie ihren<br />

Fund dem Wirt, der seinerseits die Gendarmerie in<br />

Sölden/Österreich und die Carabinieri von Schnal-<br />

64<br />

dEr mann aus dEm Eis dEr mann aus dEm Eis<br />

stal/Italien verständigt. In den folgenden Tagen<br />

begeben sich viele Menschen vor Ort, doch keiner<br />

von ihnen ahnt, daß binnen Kurzem dieser Tote und<br />

seine Ausrüstung zu Weltruf gelangen würden.<br />

Zuerst wird der Tote geborgen: dies erfolgt aufgrund<br />

des einsetzenden Schlechtwetters mit Hilfe<br />

eines Hubschraubers gegen Mittag des 23. September;<br />

<strong>nach</strong>dem er in das gerichtsmedizinische Institut<br />

von Innsbruck verbracht worden ist, wird am<br />

Dienstagmorgen, dem 24., ein Archäologe hinzugezogen,<br />

Prof. Conrad Spindler, Ordinarius für Vorund<br />

Urgeschichte, der anhand der bei dem Toten<br />

aufgefundenen Axt, diesem ein Alter von mindestens<br />

4.000 Jahren zuschreibt. In weiterer Folge<br />

wird diese Einschätzung mit Hilfe von in vier verschiedenen<br />

Instituten in Europa und Amerika angestellten<br />

Radiokarbonuntersuchungen auf eine Zeit<br />

zwischen 3.350 und 3.100 v.Chr. eingegrenzt.<br />

Gar nicht so einfach war es, für den Toten einen<br />

Namen zu finden. Mehr als 500, teils bizarre und<br />

phantasievolle Vorschläge wurden eingereicht, bis<br />

schließlich seine offizielle Bezeichnung am 2. Juli<br />

1997 vom Bozner Landtag festgelegt wurde: L’uomo<br />

venuto dal ghiaccio/Der Mann aus dem Eis.<br />

Allerdings kennt man ihn auch unter der - ihrer<br />

Kürze wegen weit gebräuchlicheren - Bezeichnung<br />

“Ötzi”, einer Erfindung des Wiener Reporters Karl<br />

Wendl in Anspielung auf das nächst dem Fundort<br />

endende Tiroler Ötztal.<br />

Expertenteams aus aller Welt sind immer noch mit<br />

der Untersuchung und Aufarbeitung der einzelnen<br />

Aspekte des Lebens von Ötzi befaßt. Zum Zeitpunkt<br />

seines Todes war er vollständig bekleidet; in minutiöser,<br />

geduldiger Kleinarbeit ist es den Restauratoren<br />

gelungen, die einzelnen Teile seiner Bekleidung<br />

zu rekonstruieren: eine Mütze, die Oberbekleidung,<br />

ein Paar Beinkleider, ein Gürtel, ein Lendenschurz,<br />

ein Paar Schuhe und eine Grasmatte - alles<br />

Gegenstände, die aufgrund der auf diesen Höhen<br />

selbst im Sommer vorherrschenden niedrigen Temperaturen<br />

durchaus verständlich erscheinen. Seine<br />

Ausrüstung bestand in einem Bogen, einem Köcher<br />

mit Pfeilen, einem Beil mit Kupferklinge, einer Rükkentrage,<br />

einem Dolch mit Scheide, und zwei Behältern<br />

aus Birkenrinde, typischen Gegenständen<br />

für einen Jäger jener Zeit, der sich unter schwierigen<br />

Lebensumständen in einer gefährlichen, wenn<br />

nicht gar feindlichen Umwelt behaupten mußte. Uns<br />

Heutigen jedoch bietet all dies die unvergleichliche<br />

Möglichkeit, einen tiefen Einblick in die Alltagswelt<br />

eines Alpenbewohners in der Kupferzeit zu tun.<br />

Ein 5000 Jahre alter Krimi: wie<br />

starb der Mann aus dem Eis ?<br />

Die Todesursache von Ötzi war lange Zeit Anlaß für<br />

heftige Diskussionen und Vermutungen, bis man im<br />

Juli 2001 dank einiger Röntgenaufnahmen in seiner<br />

linken Schulter eine Pfeilspitze und am Rücken eine<br />

kleine Hautverletzung entdeckte. Der Pfeil hat kein<br />

lebenswichtiges Organ verletzt, ist jedoch tief eingedrungen<br />

und machte erst knapp 15 mm vor der<br />

Lunge Halt. Der Mann muß versucht haben, sich des<br />

Pfeils aus seiner Schulter zu entledigen, der ihm vermutlich<br />

bei jeder Bewegung starke Schmerzen verursachte.<br />

Der Schaft dürfte sich auf diese Weise gelöst<br />

haben, doch blieb die Spitze im Körper stecken.<br />

Es steht außer Zweifel, daß dies für ihn das Ende bedeutete;<br />

wohl starb er nicht auf der Stelle, sondern<br />

kämpfte noch einige Stunden gegen den Tod an, bis<br />

er sich schließlich seinem Schicksal ergab.<br />

Wer ihn mit dem Pfeil getroffen haben mag und<br />

warum - das bleibt natürlich ein Rätsel. Eine tiefe<br />

Schnittwunde an der rechten Hand läßt auf einen<br />

Kampf von Mann zu Mann schließen. Mit Sicherheit<br />

steht nur die Verletzung an der Schulter<br />

fest, wobei der Pfeil aus einer gewissen Entfernung<br />

auf ihn abgeschossen worden sein muß, da er den<br />

Körper nicht zur Gänze durchdrungen hat. Befand<br />

sich Ötzi also auf der Flucht ? und vor wem ? oder<br />

wurde er Opfer eines Hinterhalts ? eines Verrates ?<br />

Da von seiner Ausrüstung nichts zu fehlen scheint,<br />

ist wohl die Annahme, es könnte sich um Diebstahl<br />

oder Raub gehandelt haben, auszuschließen. Es<br />

wurde jedoch auch schon daran gedacht, daß er als<br />

Schaf- oder Ziegenhirte attackiert worden sein mag,<br />

als man ihm sein Vieh zu stehlen versuchte.<br />

So bleiben noch viele Fragen bis auf weiteres unbeantwortet.<br />

10<br />

Die Mumie wird zum Medienstar<br />

Noch kein archäologischer Fund hat bisher ein<br />

derartiges Medieninteresse geweckt wie der Mann<br />

aus dem Eis. Kaum war das aufsehenerregende Alter<br />

der Mumie bekannt geworden, erschien Ötzis<br />

Bild bereits auf den Vorderseiten der größten inund<br />

ausländischen Tageszeitungen. Das Interesse<br />

der Öffentlichkeit an dem Mann aus dem Eis ist<br />

nie erlahmt; dies belegen allein schon die Warteschlangen<br />

der Besucher vor dem Museum.<br />

Da liegt es nahe, daß dieser außerordentliche<br />

Fund innerhalb kürzester Zeit zu einer Quelle intensivster<br />

Vermarktung mit den erstaunlichsten<br />

Auswüchsen geworden ist: für Lieder und Postkarten,<br />

Bonbons, Pizza und Eis ist er bereits Pate gestanden<br />

und sein Bild prangt auf T-shirts und Weinetiketten.<br />

Die Souvenirindustrie hat sich dieses<br />

Fundes bemächtigt und ist dabei, die kommerziellen<br />

Möglichkeiten, die der Mann aus dem Eis<br />

zu bieten hat, voll und ganz auszuschöpfen.<br />

Es wurden bereits auch zahlreiche Bücher<br />

aufgelegt, in denen Ötzis Geschichte erzählt<br />

wird; eines der ernstzunehmendsten,<br />

das sich durch eine klare Darstellung<br />

und große Vollständigkeit<br />

der Angaben auszeichnet, verdanken<br />

wir Angelika Fleckinger, die<br />

das Museum seit 2005 leitet:<br />

Ötzi, der Mann aus dem Eis.<br />

Herausgeber: Folio. Dieses<br />

Werk wurde auch als Grundlage<br />

für die in diesem Kapitel<br />

zitierten Fakten herangezogen.<br />

65<br />

ÖTZI, AUS-<br />

GESTELLT IN<br />

DER KÜHL-<br />

ZELLE<br />

VORIGE<br />

SEITE: DIE<br />

FUNDSTELLE


11<br />

66<br />

Bozen und der Sport <strong>BozEn</strong> und dEr sPort<br />

11 in<br />

11<br />

<strong>BozEn</strong> und<br />

dEr sPort<br />

Bozen war der Sport schon immer zu<br />

Hause und fast alle fühlen sich hier dazu<br />

berufen. Bedenkt man die geographische<br />

Lage dieser Stadt inmitten von Skigebieten,<br />

Wander- und Klettermöglichkeiten, die wohl<br />

zu den schönsten und berühmtesten der Welt<br />

zählen, erscheint es kaum verwunderlich, daß<br />

zu den am intensivsten gepflogenen Sportarten<br />

der Bergsport mit Schifahren, Wandern<br />

und Klettern zählt.<br />

Das sportliche Talent der Bozner hat sich jedoch<br />

auch schon in anderen Disziplinen manifestiert:<br />

Klaus Dibiasi wurde zum besten<br />

Wasserspringer der Welt gekürt, Antonella<br />

Belluti hat zweimal olympisches Gold gewonnen,<br />

Marco Zanetti zählt zu den welweit besten<br />

Billardspielern und Ylenia Scapin zu den<br />

Weltmeistern in Judo. Bozen hat Champions<br />

im Wasserskifahren, Segeln, Triathlon und<br />

Orientierungslauf hervorgebracht.<br />

Abgesehen von diesen Leistungen von internationalem<br />

Interesse werden noch viele andere<br />

sportliche Tätigkeiten auf unterschiedlichstem<br />

Niveau ausgeübt: laufen, wandern,<br />

radfahren, schifahren, schwimmen; Statistikfreunden<br />

sei verraten, daß mehr als 50 %<br />

der Bevölkerung zumindest eine Sportart auf<br />

Wettkampfniveau oder auch nur aus Liebhaberei<br />

betreiben.<br />

Die natürliche Umgebung der Bergwelt und<br />

ihre Schönheiten bilden das ideale Szenario<br />

für vielfältigste Aktivitäten im Freien,<br />

die über die klassischen Sportarten hinausgehen:<br />

Mountainbiking, Drachenfliegen, Pa-<br />

67


GEMEINDE-<br />

SCHWIMMBAD<br />

VOLLEY-BALL<br />

IN DER SPORT<br />

CITY<br />

11<br />

68<br />

Bozen und der Sport <strong>BozEn</strong> und dEr sPort<br />

ragleiten, Klettern ohne Seil, Rafting, Extremski.<br />

Zudem kann sich die Stadt Bozen und ihre Provinz<br />

einer Besonderheit rühmen: die Anzahl der<br />

hier befindlichen Schwimmbäder liegt weit über<br />

dem nationalen Durchschnitt. Nicht von ungefähr<br />

ist hier auch die berühmte Bozner Wasserspringschule<br />

unter der Leitung von Giorgio Cagnotto<br />

entstanden, der <strong>nach</strong> den großen Triumphen von<br />

Klaus Dibiasi diese Tradition heute mit den Erfolgen<br />

seiner Tochter Tania, einer Valentina Marocchi<br />

und einer Laura Vettori auf Weltniveau fortsetzt.<br />

Wie man sieht, sind hier in Bozen auch die<br />

Damen beständig und stark im Sport vertreten.<br />

Die rund 185 sportlichen Verbände in Bozen zählen<br />

annähernd 25.000 Mitglieder und weisen die<br />

verschiedensten Kategorien auf: 12 Fußballvereine,<br />

9 Radfahr-, 5 Leichtathletik-, 7 Kampfsport-,<br />

7 Eishockey-, 6 Volleyball und 4 Basketballclubs;<br />

hinzu kommen amerikanischer Fußball, Baseball,<br />

Billard, Kegeln, Boccia, Broomball, Kanufahren,<br />

Schwimmen, Eiskunst- und -schnelllauf, Sportfischen,<br />

Rugby, Fechten, Schlittenfahren, Reiten,<br />

Tennis, Scheibenschießen, Bogenschießen, Tauchen<br />

und Segelfliegen.<br />

Die Ausübung all dieser Sportarten wird begünstigt<br />

durch das Vorhandensein großzügig angelegter,<br />

sehr funktioneller Anlagen. Für die Hockey-<br />

Weltmeisterschaft 1994 wurde binnen Rekordbauzeit<br />

der Eispalast “Palaonda/Eiswelle” mit einem<br />

Fassungsvermögen von 7000 Plätzen errichtet.<br />

Hier drängen sich aber nicht nur die Fans anläßlich<br />

der einzelnen Wettkämpfe, sondern der<br />

Bau wird auch immer wieder für Musikveranstaltungen<br />

genützt, die auf internationales Interesse<br />

stoßen. Auf dem weitläufigen Gelände nächst<br />

dem Zusammenfluß von Eisack und Talfer liegt<br />

mit einer monumentalen Vorderfront mit Säulen<br />

und Fenstern das Drususstadion für professionellen<br />

Fußball ebenso wie der Lido, ein nicht ausschließlich<br />

dem Sport zugeeignetes Gebäude sondern<br />

eher für Wellness und Erholung konzipiert<br />

mit Schwimmbecken, Rasenflächen und kleinen<br />

11<br />

Kiosken: hier wurde eine inmitten der Stadt gelegene<br />

kleine Grünoase geschaffen, deren Besucher<br />

Wasser, Sonne, Unterhaltung, Kultur und Erholung<br />

genießen können.<br />

Die Sporthalle steht zahlreichen Basket- und<br />

Volleyballclubs, Verbänden von Selbstverteidigungssportarten<br />

und Gymnastikgruppen offen<br />

und wird auch für Konzertaufführungen genutzt.<br />

69<br />

ROLLSCHUHRING IN<br />

DER GENUASTRASSE<br />

EISLAUFEN IN<br />

DER SILL-HALLE


11<br />

70<br />

Bozen und der Sport <strong>BozEn</strong> und dEr sPort<br />

Der Schulsportplatz CONI ist der Jugendleichtathletik<br />

vorbehalten. Die Eislaufanlage Sill steht<br />

winters für das Eislaufvergnügen und sommers für<br />

Beach Volleyball zur Verfügung. Die Fussballplätze<br />

an der Reschenstrasse A und B dienen dem<br />

Fußball und dem Amerikanischen Football. Entlang<br />

dem weitläufigen Flußbett der Talfer wurden<br />

sieben Sportplätze für Schul- und Jugendgruppen<br />

angelegt, wo sie Fußball, Ballspiel, Baseball<br />

und Softball spielen können. Auf einem Gelände<br />

im Süden der Stadt entsteht in der Pfarrhofstraße<br />

eine große Sportanlage. Zwei Betreiber werden<br />

sich hier in die Arbeit teilen. Für den italienischen<br />

Teil wählte das Komitee den Namen Sport<br />

City und ein Logo, das an jenes der Olympiaden<br />

erinnert mit fünf ineinander verschlungenen Dreiecken.<br />

In der Anlage stehen drei Fußballfelder zu<br />

11 und zu 5 auf Kunstrasen, ein Schwimmbad,<br />

Tennisplätze, Basket-, Beach- und Volleyballplätze<br />

sowie eine Rennbahn zum Joggen, Radfahren,<br />

Inline-Skating und Skirolling zur Verfügung. Für<br />

die kleinen Gäste gibt es einen Spielplatz und eigens<br />

für sie eingerichtete Grünanlagen. Im Winter<br />

öffnet eine Eislauffläche für Kunst- und Schnellläufer,<br />

Hockey und Broomball.<br />

11<br />

71<br />

SCHULPLATZ<br />

CONI<br />

UNTEN:<br />

INNENANSICHT<br />

SPORTHALLE<br />

VORIGE SEITE:<br />

FASSADE DES<br />

DRUSUS-STADION,<br />

EISPALAST<br />

PALAONDA,<br />

REITEN IN<br />

JENESIEN


11<br />

72<br />

Bozen und der Sport<br />

<strong>BozEn</strong><br />

als stadt dEr JugEnd<br />

12 in<br />

12<br />

<strong>BozEn</strong><br />

als stadt<br />

dEr JugEnd<br />

diesen letzten Jahren hat Bozen eine regelrechte<br />

Metamorphose durchlebt: von einem kleinen Fremdenverkehrszentrum<br />

im Herzen der Dolomiten hat es<br />

sich zu einem schulischen und kulturellen Anziehungspunkt<br />

mit modernen Hochschulen und Zentren moderner<br />

und zeitgenössischer Kunst gewandelt. Innerhalb<br />

kurzer Zeit ist die Stadt zum bevorzugten Ziel der europäischen<br />

Jugendorchester geworden; alljährlich finden<br />

hier internationale Musikwettbewerbe, Festivals<br />

für antike Musik, zeitgenössischen Tanz und Jazz statt.<br />

Nahezu von einem Augenblick zum anderen präsentiert<br />

sich Bozen in anderem, neuem und jugendlichem Gewand.<br />

Als tradioneller Schnittpunkt zwischen Nord- und<br />

Südeuropa ist die Stadt nunmehr zu einem begehrten<br />

Studien- und Aufenthaltsort für viele junge Menschen<br />

geworden, die aus aller Welt hierher kommen: beim<br />

Bummel durch die Straßen hört man nicht mehr nur Italienisch<br />

und Deutsch sondern ein vielfältiges Sprachengewirr,<br />

man begegnet fremd anmutenden Gesichtern,<br />

die sich aber alle wohl zu fühlen scheinen in dieser<br />

Stadt, deren multikultureller Charakter einer ihrer größten<br />

Vorzüge ist. Auf die häufig im Radio übertragenen<br />

oder in Lokalzeitungen wiedergegebenen Befragungen<br />

zu ihrem Leben und ihrer Befindlichkeit in der Südtiroler<br />

Hauptstadt reagieren die meisten dieser jungen<br />

Menschen enthusiastisch: in dieser Stadt inmitten der<br />

Natur finden sie das richtige Ambiente, um ohne Einschränkungen<br />

und diskriminierungsfrei all ihren bevorzugten<br />

Interessen <strong>nach</strong>gehen zu können: Sport, Kunst,<br />

Kultur und freundschaftliche Kontakte.<br />

Um diesem jungen Publikum und seinen Bedürfnissen<br />

bestmöglich entgegenzukommen, hat sich Bozen<br />

<strong>nach</strong> und <strong>nach</strong> neu organisiert: die Anzahl der Jugendzentren<br />

und -vereinigungen hat sich vervielfacht,<br />

ebenso die Möglichkeiten für Zusammenkünfte im<br />

Freien, das Angebot an Cafés und Pubs. Sport und Kul-<br />

73


12<br />

74<br />

Bozen<br />

als stadt der Jugend<br />

tur sind so zu den Grundpfeilern jugendlicher Freizeitgestaltung<br />

geworden und daher konzentrieren<br />

sich auch die beiden an der Freien Universität Bozen<br />

entstandenen Studentenvereinigungen auf diese<br />

Beschäftigungsmöglichkeiten. Die Studentenvereinigung<br />

Kikero und der Sports Club University<br />

of Bozen, SCUB, haben es sich zum Ziel gesetzt,<br />

rund um die parallel zu den Ausbildungsprogrammen<br />

der Hochschule stattfindenden Kultur- und Sportveranstaltungen<br />

weitere Möglichkeiten für Zusammenkünfte<br />

zu schaffen.<br />

In der deutschsprachigen Sphäre, in der das gemeinsame<br />

Erleben fast schon traditionell verankert<br />

ist, gibt es unzählige, teils religiöse teils weltliche<br />

Jugendzentren. In letzter Zeit sieht man jedoch,<br />

auch dank der wachsenden finanziellen Unterstützung<br />

seitens der Jugendarbeit der Autonomen Provinz,<br />

immer mehr italienische Jugendtreffs entstehen.<br />

Sie alle ähneln einander, doch legt jede dieser<br />

Institutionen das Gewicht auf einen anderen Aspekt,<br />

wie das Alter der Teilnehmer, das Thema der<br />

Aktivitäten, die Art und Weise der Annäherung an<br />

Kultur. Beispielsweise bemüht sich das Laboratorio<br />

Musica Blu um die Verbreitung der Musik als Kulturform,<br />

wohingegen sich bei Juvenes ein sehr junges<br />

Publikum trifft und das Jugendzentrum in der<br />

Vintlerstraße durchaus beachtenswerte Amateur-<br />

Musik- und Theaterveranstaltungen organisiert. Das<br />

Jugendzentrum Papperlapapp am Domplatz legt<br />

große Energie in verschiedentliche freie künstlerische<br />

Ausdrucksformen.<br />

Und auch für das Nachtleben steht ein immer größeres<br />

Angebot bereit: ist die Sonne untergegangen,<br />

<strong>BozEn</strong><br />

als stadt dEr JugEnd<br />

dann belebt sich die Stadt neu in den Lichtern der<br />

zahlreichen, oft bis tief in die Nacht geöffneten Cafés<br />

und Pubs. Auch Bozen wurde von der Mode eingeholt,<br />

Aperitifs zu sich zu nehmen und Lokale wie<br />

das Fantasy, Nadamas, Sciarada, Fischbänke, Bottai,<br />

um nur einige zu nennen, offerieren Appetithäppchen,<br />

Cocktails und lokale Weine.<br />

Das ständige Weiterwachsen der dreisprachigen<br />

Universität und der anderen Ausbildungszentren<br />

wird wohl dazu führen, daß in den kommenden Jahren<br />

der Zustrom junger Menschen aus allen Teilen<br />

Italiens und Europas <strong>nach</strong> Bozen noch weiter anhält<br />

und es ist unschwer sich vorzustellen, daß sich die<br />

Stadt weiterhin bemühen wird, eine stets neue und<br />

anregende Angebotspalette bereitzuhalten.<br />

12<br />

75


STAHLWERKE VALBRUNA S.P.A.<br />

13<br />

76<br />

Bozner erzeugnisse BoznEr ErzEugnissE<br />

13 zahlreiche<br />

13<br />

BoznEr<br />

ErzEugnissE<br />

der in der Provinz Bozen tätigen Industriebetriebe<br />

zählen zu den Spitzenunternehmen<br />

und dies nicht nur in den tradionellen Bereichen<br />

wie der Montanindustrie, sondern auch auf anderen,<br />

hochtechnisierten Sektoren. Die von der Landwirtschaft<br />

ebenso wie von den Industrie- und Gewerbeprodukten<br />

erzielten hohen Qualitätswerte beweisen, daß Bozen<br />

sich wirtschaftlich in den unterschiedlichsten Sparten<br />

zu entwickeln versteht.<br />

Die heute mächtigsten Industriezweige sind die metallverarbeitende,<br />

die chemische, die Lebensmittel-,<br />

Holz-, Textil-, Bau- und Elektronikindustrie, begleitet<br />

von Dienstleistungsbetrieben, die in engem Zusammenhang<br />

mit diesen Industrien stehen, wie Planung,<br />

Finanzabwicklung, Versicherungen, Werbung und Design.<br />

Es würde zu weit führen, hier auch nur einen kleinen<br />

Teil der über 100 in Bozen tätigen Unternehmen eingehender<br />

zu beschreiben. Daher seien <strong>nach</strong>stehend nur<br />

einige wenige von ihnen beispielhaft genannt, die es<br />

verstanden haben, Angebotsnischen erfolgreich zu entdecken<br />

und zu nutzen.<br />

Beginnen wir mit einem Produkt, das erst seit wenigen<br />

Jahren begonnen hat, auf dem Fremdenverkehrsund<br />

Sportsektor Bedeutung zu erlangen: die Schneekanonen.<br />

Die sich seit einigen Jahren auf der ganzen<br />

Welt abzeichnende globale Erwärmung und die damit<br />

einhergehenden Niederschlagsrückgänge im Winter<br />

haben zu Schneemangel geführt, was für den Wintersport<br />

allenthalben große Probleme <strong>nach</strong> sich zog. Das<br />

Bozner Unternehmen Technoalpin ist weltweit führender<br />

Hersteller derartiger Maschinen, die von ihm soweit<br />

perfektioniert werden konnten, daß sie eine von Naturschnee<br />

nicht mehr zu unterscheidende weiße Pracht erzeugen.<br />

Technoalpin hat übrigens auch die automati-<br />

77


SCHNEEKANONE<br />

DER TECHNOALPIN<br />

IVECO: LIGHT<br />

MULTIROLE<br />

VEHICLE IM<br />

LIBANON<br />

13<br />

sche Beschneiungsanlage in Coronet Peak/Neuseeland<br />

aufgestellt, die mit 80 untereinander verbundenen<br />

Schneekanonen fortschrittlichste Einrichtung<br />

dieser Art auf der gesamten südlichen Erdhalbkugel.<br />

In der Metallmechanik sieht das Stahlwerk “Acciaierie<br />

Valbruna” AG auf eine langjährige Tradition<br />

zurück. 1925 gegründet, begann es 1939 mit<br />

der Produktion von Spezialstahl. Dank laufender<br />

Erneuerungen und Modernisierungen der Anlagen<br />

und Technologien ist es heute führend in der Erzeugung<br />

von rostfreiem Stahl, Inox-Stahl und Speziallegierungen;<br />

das Unternehmen befindet sich<br />

in privater Hand, hat über 1500 Beschäftigte und<br />

produziert jährlich 170.000 Tonnen hochwertigen<br />

Spezialstahl.<br />

Aluminium ist ein Metall, dessen Eigenschaften<br />

es zum bevorzugten Material für die Erzeugung einer<br />

neuen Generation von Flug- und Kraftfahrzeu-<br />

78<br />

Bozner erzeugnisse BoznEr ErzEugnissE<br />

gen, für Verpackungen und tausende anderer moderner,<br />

immer noch widerstandsfähigerer, sicherer,<br />

leichterer Produkte machen.<br />

Das Werk Sapa Profil GmbH entstand im Jahr<br />

1937 für die Herstellung von Primäraluminium<br />

und wurde später in ein Presswerk umgewandelt;<br />

es darf sich einer langjährigen Erfahrung auf dem<br />

Sektor industrieller Anwendungen rühmen. Hauptprodukte<br />

sind Form- und Prägestangen in allen Legierungen<br />

sowie großförmige Profilteile.<br />

Eines der 45 Werke, das die IVECO in 21 Ländern<br />

besitzt, befindet sich in Bozen, doch hat diese Niederlassung<br />

sich auf ein besonderes Erzeugnis spezialisiert:<br />

hier werden Fahrzeuge mit Allradantrieb für die<br />

Verteidigung, den Zivil- und den Brandschutz gebaut.<br />

Auch ihre Militärfahrzeuge sind ultramoderne Produkte:<br />

der VM 90, beispielsweise, ist ein Mittelding zwischen<br />

Jeep und Lastkraftwagen und wird in Europa<br />

viel verwendet; sogar China hat dieses Fahrzeug angekauft.<br />

Absolutes Prunkstück ist der neue europäische<br />

Geländewagen. Die Produktpalette weist unter anderem<br />

Lkws, Traktoren, gepanzerte Aufklärungs- und<br />

Kampffahrzeuge sowie Amphibienfahrzeuge für Feuerwehren<br />

auf. Mit derzeit ungefähr 600 Beschäftigten<br />

wird ein Umsatz von über 300 Millionen Euro erzielt.<br />

Die Firma Atzwanger AG ist europaweit führend in<br />

den Bereichen Umwelt-, Energie-, Wasser- und Haustechnik.<br />

Das Unternehmen bietet innovative Lösungen<br />

für die Trink-, Abwasser- und Badewasseraufbereitung,<br />

für Heizungs-, Klima-, Lüftungs-, Sanitärund<br />

Feuerschutz-, Müllverbrennungs- und Fernheizanlagen<br />

mitsamt Verlegung der Fernheiznetze.<br />

Wohl aufgrund der in der ganzen Provinz vorherrschenden<br />

ausgedehnten Waldgebiete und der sich<br />

daraus ergebenen Holzproduktion hat hierorts die<br />

Holzbearbeitung und insbesondere die Möbelherstellung<br />

schon lange Tradition. Die im Jahre 1968<br />

in Bozen gegründete Firma Selva ist ein Markenzeichen<br />

für Kreativität, einzigartige Vielfalt und hohe<br />

Qualität. Dabei ist es das ganz spezielle Zusammenwirken<br />

von Tradition und Innovation, das den<br />

besonderen Selva-Touch ausmacht. Das Selva Sortiment<br />

reicht von zeitlos klassischen bis modernen<br />

Einrichtungen; die Firma ist auch marktführend im<br />

13<br />

79


HOLZSCHNITZ-<br />

KUNST<br />

KOLPINGHAUS:<br />

WANDBILD VON<br />

ALBERT STOLZ<br />

(1908)<br />

13<br />

Bereich hochwertiger Hoteleinrichtungen.<br />

Stahlbau Pichler ist ein Stahl- und Fassadenbauunternehmen<br />

und verfügt über ein technisches<br />

Planungsbüro, das sich insbesondere bei der Errichtung<br />

von Industrie-, Wirtschafts- und Verwaltungsgebäuden,<br />

im Brückenbau, bei Schutzbauten und<br />

in der Verkehrstechnik seinen Namen gemacht hat.<br />

Gestalterische und innovative Elemente in der Architektur<br />

und deren Umsetzung haben das Unternehmen<br />

mit seinen 200 Mitarbeitern zu einem der<br />

führenden in seiner Branche gemacht. Aufsehenerregend<br />

das gigantische Metall-Totem mit dem Namen<br />

“Mare verticale” (vertikales Meer) des Künst-<br />

80<br />

Bozner erzeugnisse BoznEr ErzEugnissE<br />

lers Fabrizio Plessi, das anlässlich der Biennale in<br />

Venedig 2005 im Meer aufgestellt wurde.<br />

In unmittelbarer Nähe zu Bozen haben zwei andere<br />

Unternehmen von internationalem Ruf ihren<br />

Standort: die A. Loacker Spa produziert Waffeln<br />

und andere Süßwaren und die Firma Finstral stellt<br />

Fenster, Türen, Fensterläden, Veranden und kleine<br />

Fassaden aus PVC her. Aus einem kleinen Handwerksunternehmen<br />

hervorgegangen, ist die Finstral<br />

zu einem europaweit führenden Unternehmen<br />

mit 11 Niederlassungen und ca. 1300 Beschäftigten<br />

geworden.<br />

Allein diese wenigen Beispiele haben wohl klargemacht,<br />

daß die Industrie heute einen starken Wirtschaftsfaktor<br />

in Südtirol darstellt und den größten<br />

Anteil am Bruttoprodukt der Provinz ausmacht.<br />

Handwerk<br />

Auch dem Handwerk kommt in der Provinz Bozen<br />

eine wichtige wirtschaftliche Stellung zu. Im<br />

Leben der Landbevölkerung nahm immer schon die<br />

Produktion von gewöhnlichen Gebrauchsgegenständen<br />

oder auch von Schmuckobjekten einen wichtigen<br />

Raum ein, traditionelle Techniken wurden hier<br />

vom Vater an den Sohn weitergegeben, das Handwerk<br />

mit großer Liebe gepflegt.<br />

Drechselarbeiten. Schüsseln, Kerzenhalter, Buttermodeln,<br />

gedrechselte Teller aus verschiedenen Hölzern.<br />

Keramik. Je <strong>nach</strong> Tonmischung und Brenntemperatur<br />

unterscheidet man zwischen Terrakotta,<br />

Steingut, Majolika und Porzellan. Seidenmalerei.<br />

Hier reicht das Angebot von einfachen Seidentüchern<br />

bis hin zu Kleidungsstücken und Einrichtungsgegenständen.<br />

Lederverarbeitung. Taschen,<br />

Schuhe, Gürtel, Alben, Etuis, ja sogar Bilder<br />

aus Leder in allen Farben. Schnitzereien. Sakrale<br />

und profane Kunstgegenstände aus Holz und<br />

Stein. Hölzerne Gebrauchsgegenstände und Geräte.<br />

Laternen, Gestelle, Tellerborde, Schneidbretter,<br />

Schubkarren, Schüsseln, Kinderspielzeug, der<br />

Phantasie sind keine Grenzen gesetzt. Verzierungen<br />

aus Pfauenfedern. Lederne Bekleidungsstükke<br />

und Trachtenkostüme werden <strong>nach</strong> alter Tradition<br />

mit Pfauenfedern kunstvoll geschmückt. Glasmalerei.<br />

Gegenstände aus mundgeblasenem Glas, Mosaike<br />

aus einzelnen, miteinander durch Blei verbundenen<br />

Glasteilchen, ganze Phantasiegemälde aus<br />

winzig kleinen Glasstückchen. Wachszieherei. Eine<br />

große Vielfalt an Formen und Farben und drei verschiedene<br />

Herstellungstechniken (das Tauchverfahren,<br />

das Wachsziehen, das Gießen) liefern vielfältigste<br />

Produkte. Ob ihrer Originalität und Schönheit<br />

sehr begehrt und gesucht: die dekorativen Kerzen<br />

für den festlichen Weih<strong>nach</strong>tstisch. Textilien. Stoffe,<br />

Tischtücher und Servietten aus Damast, Bettwäsche.<br />

Dekorsträußchen. Bunte, kleine, große, duftende,<br />

funkelnde und sonstige Kompositionen aus<br />

Gewürzen wie Nelken, Zimt, Mohnkapseln, Anis, mit<br />

und ohne Beigabe von Seidenblumen.<br />

Im Wandel der Zeiten und der Geschmäcker haben<br />

sich neben der klassischen Linie auch neue Kunstrichtungen<br />

entwickelt, die sich moderner, neuer<br />

Materialien, Techniken und Formen bedienen;<br />

selbst in diesen Erzeugnissen jedoch spiegelt sich<br />

immer noch eine gewisse Tradition, sind doch die<br />

Ausdrucksformen moderne, kreative Interpretationen<br />

eines aus langer Zeit auf das Heute überkommenen<br />

Erbes.<br />

13<br />

81<br />

STAHLBAU PICHLER<br />

VERTIKALES MEER


14<br />

82<br />

Kleines einKaufsbrevier KlEinEs EinKaufsBrEviEr<br />

14 Wer<br />

14<br />

KlEinEs<br />

EinKaufsBrEviEr<br />

beabsichtigt, sich von Bozen etwas ganz Besonderes<br />

mitzunehmen, was er bei sich zu Hause<br />

nicht antrifft, der findet sich unverhofft vor<br />

einer verwirrenden Auswahl mannigfachster Produkte, von<br />

denen jedes einzelne seine ganz persönliche Note in Fertigung<br />

und Ausgestaltung aufweist.<br />

Beginnen wir mit dem Bekleidungssektor und schon ist<br />

wieder zwischen zwei verschiedenen Sparten zu unterscheiden:<br />

auf der einen Seite finden wir hier die Sportbekleidung,<br />

insbesondere für Ski- und Bergsport, auf der anderen<br />

die Tiroler Trachten. Was die erstgenannte Sparte anbelangt,<br />

ist die Auswahl an nationalen und an ausländischen<br />

Angeboten unbegrenzt. Das selbe läßt sich auch für<br />

gute Sportausrüstungen sagen: Materialien und Produkte<br />

für Bergsteigen, Forschung, Trekking und Skifahren sind auf<br />

dem neuesten Stand technischer Entwicklungen zu haben.<br />

Absoluter Star in der Tiroler Bekleidungsindustrie ist der<br />

Loden. Er wird vor allem zu Mänteln, Jacken, Kostümen in<br />

grüner, grauer, blauer Farbe verarbeitet. Neben dem Loden<br />

erfreuen sich auch die bekannten Sarner Jacken aus Rohwolle<br />

großer Beliebtheit. Wer Besonderes schätzt, findet<br />

eine reiche Auswahl an Herrenanzügen, Damenbekleidung<br />

und insbesondere mit großer Liebe zum Detail verarbeiteter<br />

Kinderbekleidung vom Dirndl bis zu Lederhosen, handbestickten<br />

Hemden und Blusen, Filzhüten und Sportkappen.<br />

Als passendes Zubehör zu dieser Art von Kleidung stehen<br />

auch Taschen, Schuhe und Gürtel aus Leder, bestickt mit<br />

Pfauenfedern zum Verkauf; gefertigt werden diese Kunstwerke<br />

von heute noch existierenden, sehr gesuchten Meistern<br />

dieses Gewerbes. In reicher Farben- und Mustervielfalt<br />

werden aber auch Woll- und Baumwollstoffe für die<br />

Herstellung von Dirndln und Kostümen angeboten, ferner<br />

Schuhe, Filzpantoffel und -schlapfen, gestickte Abzeichen<br />

und Fähnchen.<br />

83


KOMPETENZ UND<br />

AUSWAHLVIEL-<br />

FALT ZEICHNEN<br />

DAS ANGEBOT<br />

AN SPORTARTI-<br />

KELN AUS<br />

LODEN WOHIN<br />

MAN BLICKT<br />

14<br />

Von allenthalben kommen Käufer <strong>nach</strong> Bozen,<br />

um hier Daunendecken zu erstehen, denn was die<br />

Bettwaren betrifft, ist die Auswahl hierorts wirklich<br />

besonders groß: Plumeaus, Steppdecken, Kissen<br />

und Polster gibt es in unterschiedlichster Qualität<br />

und Preislage, die Palette reicht von echten<br />

Gänsedaunen bis zur Synthetikware.<br />

Auch noch andere Artikel sind in Design und Ver-<br />

84<br />

Kleines einKaufsbrevier KlEinEs EinKaufsBrEviEr<br />

arbeitung unverkennbar typisch Bozner Erzeugnisse:<br />

Tischwäsche aus bestem flämischen Leinen, aus<br />

Baumwolle oder Wolle, Geschenkartikel, bestickte<br />

Schürzen, Vorhang- und Möbelstoffe, Woll- und<br />

Baumwollteppiche, Gobelins, und nicht zu vergessen<br />

auf die farbenfrohen, kostengünstig aus Resten<br />

gefertigten “Fleckerl”teppiche.<br />

Vielleicht in keiner anderen Stadt finden sich in<br />

derartiger Vielfalt und Auswahl wie hier orthopädische<br />

Schuhe, Leisten <strong>nach</strong> Maß, Trachtenschuhe<br />

und Fußpflegeartikel.<br />

Besondere Aufmerksamkeit verdienen sämtliche<br />

Erzeugnisse im Zusammenhang mit der Tischkultur<br />

und der Dekoration von Tisch und Haus anläßlich<br />

der verschiedensten Festivitäten des Jahres,<br />

der Advent-, Weih<strong>nach</strong>ts- und Osterzeit, aber auch<br />

rein familiärer Feste. Hier hat Bozen eine traditionsreiche,<br />

im Laufe der Jahrhunderte stets hochgehaltene<br />

und immer wieder frisch belebte Produktion<br />

von Papier-, Stoff-, Plüsch- und Holzgegenständen<br />

aufzuweisen; verstärkt wird das Angebot<br />

noch durch Tischkerzen mannigfaltigster Formen,<br />

Größen und Farben, bemalte Eier, handgearbeitete<br />

Keramik- oder Holzkrippen und reichhaltigsten<br />

Christbaumschmuck.<br />

Bozner Gastronomie<br />

Bozner Kochkunst und Bozner Delikatessen: welch<br />

ein weites, abwechslungsreiches Gebiet voll neuer<br />

Geschmacks- und Geruchserfahrungen, farbenprächtig,<br />

duftend, vielfältig und verführerisch!<br />

Auf dem Mehlsektor hat man sich in den letzten<br />

Jahren verschiedener Grundprodukte aus den “guten<br />

alten Zeiten” erinnert und sie neu in Verwendung<br />

gebracht: Vollkornmehl, Haferflocken, Gries,<br />

Kleie, Weizenkeime, Roggen, Dinkel, Gerste, Hafer,<br />

Mais und Buchweizen, unterschiedlichste Müsliarten<br />

zur Herstellung von Diätkost oder besonderer<br />

Diäten, die heutzutage immer größere Verbreitung<br />

finden. Ebenso sind kochfertig erhältlich: Spinatravioli,<br />

Nockerln, Knödeln, Tirteln, Fleischravioli,<br />

Erdäpfelnockerln, frische und gefüllte Teigwaren<br />

vom hellsten Weißbrot bis zum schwärzesten Vollkornbrot,<br />

die in allen Variationen möglicher Würze,<br />

Beigaben und Zutaten zu haben sind.<br />

Als süße Gaumenfreuden bietet Bozen mit jeder<br />

Art von Obst belegte Torten, ofenfertige tiefgefrorene<br />

Apfelküchlein und Strudel, Waffeln unterschiedlichsten<br />

Geschmacks und schließlich würzigen<br />

Wiesen- und Waldhonig aus der Alpenregion.<br />

Nahezu sinnverwirrend ist die Auswahl an Fruchtsäften<br />

und Obstsaftkonzentraten, an roten und<br />

grünen Weintrauben (die zur herbstlichen “Traubenkur”<br />

Schwärme von Touristen anlocken), Äpfeln,<br />

Ribiseln, Brom-, Erd-, Him- und Heidelbeeren,<br />

Holler, Weichseln, Schwarzdorn und Waldbeeren,<br />

die man heute bereits sogar, in geordneten<br />

Beeten kultiviert, bei den Bauerngehöften auf den<br />

Hügeln rings um Bozen antrifft.<br />

Wenn wir uns die Fleischprodukte näher betrachten,<br />

so steht an der Spitze aller Spezialitäten der<br />

<strong>nach</strong> altem, traditionellem Rezept zubereitete und<br />

geräucherte echte Südtiroler Speck. Ihm folgt eine<br />

lange Reihe anderer Köstlichkeiten, wie der geräucherte<br />

und durchwachsene Bauchspeck, die geräucherte<br />

Schweinshaxe, das Karree und jede Menge<br />

Würste wie “Landjäger”, Knoblauchwurst, “Kaminwurzen”,<br />

“Schinkenwurst” und “Bierwurst”, nicht<br />

zu vergessen auf gekochte Wurstwaren und Pasteten,<br />

Krakauer Salami, Salametti und all die ande-<br />

14<br />

ren verführerischen Wonnen.<br />

Unter den Milch- und Käseprodukten sei besonders<br />

auf die verschiedenen Joghurtprodukte mit<br />

und ohne Früchte, auf die Buttermilch, den Topfen,<br />

die gute Koch- und Teebutter verwiesen, ganz<br />

zu schweigen von der hochwertigen Milch.<br />

Den Schluß des guten Mahles bilden dann die Magenbitter,<br />

Obstbrände und Schnäpse. Auch auf diesem<br />

Gebiet hat Bozen mit seinem vielen Obst ein<br />

reichhaltiges Sortiment zu bieten, das im Einzelnen<br />

aufzuzählen hier zu lange währen würde.<br />

85


15<br />

86<br />

Kleines speisenbrevier KlEinEs sPEisEnBrEviEr<br />

15 die<br />

15<br />

KlEinEs<br />

sPEisEnBrEviEr<br />

Küche ist wohl einer der ausdrucksstärksten<br />

Kulturspiegel einer Nation. Versteht man die<br />

Ernährungstraditionen, den Anbau und die Aufzucht,<br />

die Verwendung und Konservierung der Schätze,<br />

die ihm seine Erde liefert, so hat man einen tiefen Einblick<br />

in Geschichte und Kultur eines Volkes gewonnen.<br />

In den vergangenen Jahrhunderten, als Transport und<br />

Verkehr viel mühseliger und teurer als heute waren,<br />

stützte sich die Küche hauptsächlich auf lokale Produkte,<br />

die nur mit wenigen importierten Besonderheiten<br />

angereichert wurden. Diese Gepflogenheit ist der Südtiroler<br />

Küche bis heute erhalten geblieben, obgleich sie<br />

natürlich inzwischen durch italienische und osteuropäische<br />

Einflüsse verfeinert und angereichert wurde. Gerade<br />

diese althergebrachte Kost läßt die Südtiroler Küche<br />

in unseren Tagen, da man inzwischen den Reiz des Ursprünglichen<br />

wiederentdeckt hat, umso mehr Anklang<br />

finden.<br />

Betrachten wir als erstes die Basisingredientien: hier<br />

sind eingangs die verschiedenen Mehlsorten nicht nur<br />

aus Weizen, sondern häufig auch aus Roggen, Mais und<br />

Buchweizen zu nennen; des weiteren Brot, Schweinefleisch,<br />

Wild, Milch und Milchprodukte. Die Gewässer<br />

der Flüsse, Bäche und Alpenseen liefern Fische wie Forelle,<br />

Aal, Karpfen, Hecht, Barsch und Schleie. Vorrangstellung<br />

unter den Gemüsen nimmt das Kraut ein, ihm<br />

folgen Spinat, rote Rüben, Kohl, Erdäpfeln (Kartoffeln),<br />

Zwiebeln und Salate. Nicht zu vergessen auf verschiedentlich<br />

in den Wiesen und unter den Weinstöcken zu<br />

findende Köstlichkeiten wie Feldsalat, Hundszahn, Rübenwurz,<br />

Kerbel und die allenthalben in der Bozner Küche<br />

präsenten Kräuter wie Petersilie, Thymian, Schnittlauch,<br />

Salbei und Basilikum.<br />

Reichhaltig ist auch das Obstangebot: in größerem<br />

Rahmen exportiert werden hauptsächlich Äpfel und Bir-<br />

87


15<br />

nen; des weiteren bietet Südtirol noch jede Menge<br />

Marillen, Zwetschken, Walnüsse, Edelkastanien<br />

und - man denke an die Traubenkur! - Weintrauben.<br />

Auch ursprünglich reine Waldbeeren wie schwarze<br />

Ribisl, Heidel-, und Himbeeren werden heute bereits<br />

in eigenen Kulturen angebaut und finden sowohl<br />

bei der Erzeugung von Konditoreiwaren als<br />

auch als Fleischbeilage Verwendung.<br />

Nicht verwundern sollte man sich darüber, daß wir<br />

unter den zahlreichen Zutaten der Südtiroler Küche<br />

auch das Brot erwähnten. Üblicherweise buk die<br />

Bergbäuerin nicht mehr als vier Mal im Jahr runde,<br />

flache Brotlaibe, Breatln genannt, die in eigenen<br />

Brotrahmen in trockener, gut belüfteter Umgebung<br />

aufbewahrt wurden. Klarerweise wurde das so<br />

konservierte Brot hart und ließ sich nicht mehr als<br />

solches verspeisen; auf hölzernem Brett zerstük-<br />

88<br />

Kleines speisenbrevier KlEinEs sPEisEnBrEviEr<br />

kelt, mit Wasser und Mehl zu einem Brei verarbeitet,<br />

lieferte es jedoch - und liefert es heute noch -<br />

die Grundlage für mehrere Sorten von Knödeln und<br />

Nockerln unterschiedlichster Form und Größe, die<br />

sich von einander durch weitere Zutaten und die<br />

jeweilige Beilage unterscheiden. Die größten und<br />

weitest verbreiteten sind ganz einfach die Knödel,<br />

doch welche Fülle an Geschmack und Phantasie<br />

verbirgt sich hinter diesem Namen: Knödel<br />

mit Speck, Knödel mit Topfen, mit Spinat, mit Käse,<br />

mit Leber - alles ist erlaubt und möglich. In der<br />

Fastenzeit gibt es die ganz einfachen Knödel ohne<br />

Fleisch, es gibt Knödel mit dunklem Mehl oder<br />

Gries- oder Erdäpfelknödel. Man verzehrt ihrer zwei<br />

oder drei als Suppeneinlage, serviert sie aber auch<br />

als Beilage zu gekochtem oder gebratenem Fleisch<br />

oder mit Salat, mit Kraut, Pilzen, Paradeisern (Tomaten)<br />

oder Zwiebeln. Selbstverständlich gibt es<br />

auch süße Knödel: deren Herzstück ist dann eine<br />

Zwetschke, Marille oder gar Erdbeere, doch auch<br />

Apfel- oder Topfenknödel sind beileibe nicht zu<br />

verachten!<br />

Nebst den großen runden Knödeln gibt es noch<br />

eine andere Südtiroler Spezialität: köstliche Teigtascherln,<br />

deren bekannteste Art, mit Spinat,<br />

Schlutzkrapfen genannt wird. Diese ist aber nicht<br />

die einzige Erscheinungsform, denn außer der Spinatfüllung<br />

liefert die Südtiroler Küche noch mit Leber,<br />

Topfen oder Schinken gefüllte “Krapfen” aus<br />

Gries, Kartoffeln, Mais- und Buchweizenmehl. Letzteres<br />

wird übrigens auch für die Herstellung dunkler<br />

Polenta, einer weiteren Spezialität des Landes,<br />

verwendet.<br />

Ein charakteristisches Südtiroler Essen sieht annähernd<br />

folgende Speisenfolge vor: die Vorspeise<br />

besteht aus Kostproben unterschiedlichster Aufschnitte<br />

vom Wildschwein- über Hirsch- und Gamsbis<br />

zum ganz normalen Schweineschinken, Speck<br />

und Salami, Gurken und sonstig sauer Eingelegtem<br />

wie Paradeisern, Pilzen, Oliven, dazu Kren; es<br />

folgen eine würzige Suppe mit Einlage und darauf<br />

als Hauptspeise Schweinefleisch oder Wild mit verschiedenen<br />

Beilagen (man erinnere sich an unsere<br />

Ausführungen über die Knödel!); eine Nachspeise<br />

bestehend aus Obst oder Heidelbeer- bzw. son-<br />

stigem Waldbeereneis rundet das ganze ab. War’s<br />

gut? War’s zuviel? - Ein Stamperl Schnaps aus hauseigener<br />

Produktion bringt alles wieder ins Lot!<br />

Absoluter Star des Aufschnitts in der Bozner Küche<br />

ist der Speck. Seine Herstellung ist bereits eine<br />

Wissenschaft für sich: <strong>nach</strong> drei Wochen in der<br />

Beize wird für seine Räucherung Wacholderholz<br />

verwendet und daraufhin muß er entsprechend lange<br />

abliegen. Wen wundert es da, daß der Südtiroler<br />

Speck eine große Schar von Feinschmeckern für<br />

sich gewinnen und die Märkte auch außerhalb seiner<br />

Tiroler Grenzen erobern konnte. Die zunehmende<br />

Produktion hatte manches Mal Einbrüche in der<br />

Qualität der Speckerzeugnisse zur Folge, da dieses<br />

Produkt, um zu seiner vollen Entfaltung zu gelangen,<br />

großer Geduld und langer natürlicher Ablagerungszeiten<br />

bedarf. Darum sei dem durchreisenden<br />

Specksuchenden geraten, diese Köstlichkeit in<br />

kleinen Geschäften oder Metzgereien abgelegener<br />

Dörfer oder bei einem der Bergbauern zu suchen.<br />

Der richtige, unverfälschte Speck mit einem guten<br />

Stück würzig duftenden Roggenbrots und einem<br />

Glas funkelnden Rotweins ist eine unvergeßliche<br />

Gaumenfreude, eine schmackhafte, wohlverdiente<br />

Zwischenmahlzeit, speziell <strong>nach</strong> einer zünftigen<br />

Bergwanderung.<br />

Nach der Vorspeise - und dem Speck! - folgt, zumeist<br />

eine Suppe; am häufigsten verwendete Einlagen<br />

sind Milzschnitten, Frittaten oder Knödel;<br />

doch gibt es auch Käse- oder Kräutersuppe, Suppe<br />

mit Hirn u.dgl. mehr. Besonders charakteristisch<br />

sind die aus Ungarn überkommene Gulaschsuppe,<br />

die insbesondere zur Winterzeit am Land sehr beliebte<br />

saure Suppe (mit Kutteln) und die Terlaner<br />

Weinsuppe. Nähere Betrachtung verdient auch die<br />

Gerstensuppe: noch bis vor wenigen Jahrzehnten<br />

war sie die unter den Bauern am weitesten verbreitete<br />

Suppe und bildete zusammen mit der Polenta<br />

normalerweise den Hauptbestandteil der Abendmahlzeit.<br />

Gerste wächst hier selbst auf armen Böden<br />

bis auf 1700m Höhe und bedarf keiner besonderen<br />

Umstände, weder beim Anbau noch bei der<br />

Konservierung. Die Gerstensuppe läßt sich auf zweierlei<br />

Arten herstellen, entweder mit Milch oder mit<br />

einem Stückchen Rauchfleisch, wobei aber beide<br />

15<br />

Grundlagen zu den üblichen Vorräten jeden Bergbauernhauses<br />

gehören.<br />

Unter den Fleischgerichten rangiert an erster<br />

Stelle in der Südtiroler Küche die Schweins- oder<br />

auch die Kalbshaxe; sie wird im Rohr zubereitet<br />

89


15<br />

und als Beilage gibt es mitgebratene Kartoffeln,<br />

Erbsen und verschiedene Gemüse. Beliebt sind<br />

auch Selchfleisch mit Kraut und Knödeln, Rinderschmorbraten<br />

in Rotweinsauce mit Kartoffeln aus<br />

der Pfanne sowie geröstete, gefüllte Kalbsnieren.<br />

Zur Jagdzeit bietet die Bozner Küche auch noch<br />

weitere Leckerbissen wie Reh, Hirsch, Fasan und<br />

Birkhuhn. Wild wird gebraten oder geschmort und<br />

mit süßsauren Zutaten, verschiedenen Saucen,<br />

Sauerrahm, Preiselbeeren oder Johannisbeergelee<br />

serviert. Es fehlt nicht an weiteren Fleischgerichten<br />

vom Rind, Lamm, Fasan u.s.w. Ob sie aber<br />

nun gekocht, gebraten oder geschmort zubereitet<br />

90<br />

Kleines speisenbrevier KlEinEs sPEisEnBrEviEr<br />

werden, erfordern die Gerichte der Südtiroler Küche<br />

jedenfalls kräftige Mägen und sind traditionell<br />

eher für Menschen gedacht, die einen Großteil<br />

des Tages, schwer arbeitend und häufig den<br />

Unbillen des Wetters ausgesetzt, im Freien verleben<br />

und bei der Heimkehr einen gesunden Appetit<br />

mitbringen.<br />

Was den Fisch betrifft, so steht an erster Stelle<br />

in Bozens Küche die Forelle: blau oder gebraten,<br />

eventuell auch angereichert mit verschiedenen<br />

Saucen; Tradition hat speziell zur Fastenzeit<br />

ein Einkoch aus Stockfisch, der feingehackt und<br />

mit Zwiebeln, Knoblauch und Kartoffeln zubereitet<br />

wird.<br />

Wer Abwechslung liebt und sowohl auf Fleisch als<br />

auch auf Fisch verzichten möchte, dem bietet die<br />

Bozner Küche eine reiche Speisenvielfalt auf Basis<br />

von Gemüse, Mehl und Eiern: zahlreiche Pilzsorten,<br />

Spinat, Kohl, Topfentaschen, Gries- und<br />

Kartoffelnockerl, Pustertaler Tirtlen und schließlich<br />

noch Palatschinken, die normalerweise mit<br />

Johannisbeermarmelade, jedoch auch mit Äpfeln<br />

oder gar Schinken und Käse gefüllt wohl jedermann<br />

munden. Eine besondere “Abart” dieser Palatschinken<br />

ist der Kaiserschmarr’n, der, bereits<br />

kleingefitzelt, nur mit Löffel und Gabel verzehrt<br />

wird und unter dessen reicher Staubzuckerhaube<br />

man auf zahlreiche Rosinen und eventuell auch<br />

Pinienkerne stößt.<br />

Hiermit sind wir auch schon bei den Südtiroler<br />

Süßigkeiten angelangt; sie sind nicht nur der Abschluß<br />

jeden Mahles sondern werden auch in Konditoreien<br />

zu einem der zahlreichen, für die Region<br />

typischen Kräuter- oder Bergblütentees serviert;<br />

absoluten Vorrang genießt bei Jung und Alt<br />

der Apfelstrudel: hauchdünn ausgezogen, wohlschmeckend<br />

und leicht bekömmlich ist er eine<br />

erfrischende Leckerei. Doch eignet sich der Apfel<br />

dank seiner Konsistenz und seines Geschmacks<br />

noch zur Herstellung zahlreicher weiterer Köstlichkeiten:<br />

Apfelauflauf, Apfelkuchen, mit Schokolade<br />

und so weiter.<br />

Noch viele andere Früchte finden bei der Herstellung<br />

von Süßigkeiten und Naschwerk Verwendung,<br />

allen voran die Zwetschke: wir finden sie nicht nur<br />

in Knödeln, sondern auch in Mürbeteigkuchen und<br />

Torten. Je <strong>nach</strong> Geschmack kann der Liebhaber<br />

süßer Gaumenfreuden aber auch unter Mohntorten,<br />

Mandeltorten, Nußrouladen, Kirschenauflauf,<br />

Quittenmus, mit Preiselbeermarmelade<br />

gefüllten Buchweizentorten und Karottentorten,<br />

einer echt Südtiroler Spezialität, wählen. Besondere<br />

Beachtung verdient auch die Edelkastanie,<br />

die heute noch in der Küche Verwendung findet.<br />

Nicht nur wird sie zusammen mit Äpfeln, Wacholderbeeren<br />

und sonstigen Kräutern als Fülle für die<br />

traditionelle Weih<strong>nach</strong>tsgans verarbeitet, sondern<br />

wir finden sie auch in Kastanientorten und im Kastanienauflauf,<br />

in Form von Puddings und Halbgefrorenem<br />

- insgesamt gehaltvolle, kalorienreiche<br />

aber doch wieder unwiderstehliche Köstlichkeiten.<br />

Die Krapfen, ursprünglich eine Spezialität<br />

der Faschingszeit, sind nun, gefüllt mit Marmelade<br />

oder Vanillecreme, das ganze Jahr über erhältlich.<br />

Besonders charakteristisch und allein der<br />

Weih<strong>nach</strong>tszeit vorbehalten sind jedoch die Zelten,<br />

oder - präziser ausgedrückt - die “Bozner Zelten”,<br />

eine fast ausschließlich aus getrockneten<br />

und kandierten Früchten und unter Verwendung<br />

von nur sehr wenig Teig dafür aber mit reichlich<br />

Gewürzen wie Zimt, Nelken, Anis und Piment zu-<br />

15<br />

bereitete Süßigkeit. Oval, rund oder herzförmig<br />

gebacken, in spezielles Papier eingewickelt und<br />

mit Bändern oder Schleifen geziert, dürfen sie<br />

ebensowenig auf den Weih<strong>nach</strong>tstischen der Bozner<br />

Familien fehlen wie die <strong>nach</strong> alten, durch Generationen<br />

weitergegebenen Hausrezepten selbstgefertigten<br />

Lebkuchen und sonstigen Weih<strong>nach</strong>tsbäckereien.<br />

Haben wir Ihnen den Mund wässrig gemacht?<br />

Nun, das nächste Kapitel folgt sogleich und ist<br />

den Getränken gewidmet.<br />

91<br />

DER BERÜHMTE<br />

APFELSTRUDEL


15<br />

92<br />

Kleines speisenbrevier<br />

KlEinEs gEtränKEBrEviEr<br />

16 auch<br />

16<br />

KlEinEs<br />

gEtränKEBrEviEr<br />

was das Trinken, diese unverzichtbare Abrundung<br />

eines wohlschmeckenden Mahles betrifft,<br />

zeigt Bozen zweierlei Gesichter: wer aus<br />

dem Süden zu uns kommt, wird wohl - insbesondere<br />

an brütend heißen Sommertagen - von nichts anderem<br />

träumen, als sich - möglichst in einem der charakteristischen<br />

Lokale der Innenstadt - ein Glas frisches Faßbier<br />

munden zu lassen: er findet hier sowohl jenes der<br />

Brauerei Forst als auch die bekanntesten österreichischen<br />

und deutschen Biere in den verschiedensten Geschmacksrichtungen<br />

und Aufmachungen. Doch da erwartet<br />

den <strong>nach</strong> einem guten Bier dürstenden Touristen<br />

eine Überraschung: mitten im Zentrum, am Obstmarkt,<br />

liegt ein Lokal, Hopfen & Co genannt, das es sich zur<br />

Aufgabe gemacht hat, die alte Kunstform des Bierbrauens<br />

wieder zum Leben zu erwecken. Es ist dies die einzige<br />

Bierbrauerei, die von all den vielen übriggeblieben<br />

ist, welche noch vor einem Jahrhundert das Stadtbild<br />

belebten. In dem nun schon annähernd 800 Jahre alten<br />

Gebäude waren im Laufe der Jahrhunderte verschiedene<br />

Geschäfte, Läden und Werkstätten untergebracht, bis<br />

1997 mit seiner Umgestaltung in ein uriges Lokal mit<br />

dem Brauen begonnen wurde. Das Bozner Bier ist frisch<br />

und natürlich und zeichnet sich durch einen unverwechselbaren<br />

Geschmack aus, den es seiner Herstellung<br />

verdankt: dazu wird ein erstklassiger, importierter Hopfen<br />

verwendet, das Malz wird aus einer speziell für diese<br />

Zwecke vorgesehenen Gerste gewonnen, dazu kommt<br />

das hierfür ideal geeignete Bozner Wasser und schließlich<br />

noch eine spezielle Hefe für die Gärung. Verarbeitet<br />

wird in zwei hinter der Schank sichtbaren Kupferkesseln<br />

von jeweils 500 Litern Fassungsvermögen. In dem nicht<br />

gefilterten und daher naturtrüben Bozner Bier bleiben<br />

alle Vitamine und Fermente erhalten und geben dem<br />

Getränk sein abgerundetes Aroma und den angenehm<br />

bitteren Geschmack.<br />

93


“HOPFEN & CO”<br />

AM OBSTMARKT<br />

16<br />

Andere Besucher, die aus den Ländern jenseits<br />

der Alpen <strong>nach</strong> Südtirol kommen, wünschen nichts<br />

sehnlicher, als einige der berühmten Weine der hiesigen<br />

Anbaugebiete näher kennen zu lernen. Die<br />

enge Bindung zwischen der Stadt und dem Wein<br />

ist eine bewußt gelebte Realität: die Weingärten<br />

reichen bis in den historischen Stadtkern hinein,<br />

94<br />

Kleines GetränKebrevier KlEinEs gEtränKEBrEviEr<br />

schlängeln sich hinaus vor die bebauten Flächen,<br />

schmücken die sanften Abhänge und Ebenen. Allenthalben<br />

findet man Reihen von Rebstöcken, wie<br />

einen Garten zu Füßen der Dolomiten. Noch immer<br />

gibt es in der Innenstadt kleine Lokale, wo man<br />

ein Gläschen Weiß- oder Rotwein aus der Gegend<br />

zusammen mit einem Speckbrot oder einem knusprigen<br />

Weißbrot mit aromatischen Kräutern genießen<br />

kann. Zudem haben die zahlreichen Kellereien,<br />

in denen die Trauben der umliegenden Weingärten<br />

zu Wein verarbeitet werden, jede ihre Verkaufsschank<br />

eingerichtet, wo der Wein <strong>nach</strong> vorheriger<br />

Verkostung auch zur Mitnahme <strong>nach</strong> Hause<br />

eingekauft werden kann. Lassen sie sich Zeit, denn<br />

so ein Kosten und Probieren erfordert Hingabe und<br />

Erfahrung! Einige der Bozner Kellereien eröffnen<br />

den Besuchern ihre Geheimnisse und bieten allen<br />

jenen, die sich für die Kunst der Weinzubereitung<br />

interessieren, ein abwechslungsreiches Programm<br />

mit geführten Verkostungen, Musikbegleitung und<br />

Kostproben aus der lokalen Küche.<br />

Der Weinanbau im Bozner Becken reicht in fernste<br />

Zeiten zurück. Noch vor der Ankunft der Römer<br />

pflanzten hier schon die alten Räter ihre Trauben<br />

an; im Unterschied zu den Römern, denen die<br />

Verwendung hölzerner Fässer unbekannt war, wurden<br />

solche aber von den Rätern bereits benutzt,<br />

wie archäologische Funde in der Gegend beweisen.<br />

Später, zur Christenzeit, wurde es für bischöfliche<br />

Residenzen, Klöster und Abteien nördlich der<br />

Alpen unerläßlich, über unverfälschten und möglichst<br />

exzellenten Messwein zu verfügen: daraus<br />

erklärt sich auch der Ansturm auf den Besitz dieses<br />

Gebietes, das sich durch lange Zeit hindurch<br />

fest in kirchlicher Hand befand. Bereits im 7. Jahrhundert<br />

wurden hier von schwäbischen und bayrischen<br />

Klöstern Weinbaubetriebe gegründet. Beispielsweise<br />

besaß der Bischof von Freising/Bayern<br />

in Gries eine große, von ausgedehnten Weingärten<br />

umgebene Kellerei; auch ist uns heute bekannt,<br />

daß im 9. Jahrhundert der Aachener Bischof Ulrich<br />

den Mönchen von St. Gallen in der Schweiz als<br />

Zeichen seiner besonderen Huld einen Wagen beladen<br />

mit Bozner Wein schenkte. Außer für Messen<br />

diente der Wein auch noch für andere repräsentative<br />

Zwecke, in Heimen und Hospizen, wo Wein zur<br />

Stärkung bei Krankheiten und für die Rekonvaleszenz<br />

verabreicht wurde.<br />

Ebenso abwechslungsreich wie die Südtiroler<br />

Landschaft ist auch die Vielfalt an Trauben und<br />

Weingärten; dies ist den geradezu idealen Voraussetzungen<br />

zu verdanken: die intensive, lange Sonneneinstrahlung,<br />

die günstige Niederschlagsverteilung,<br />

die sanften Hügel und die milde Luft, die<br />

Bodenbeschaffenheit und - nicht von ungefähr -<br />

die jahrhundertelange Erfahrung und der Fleiß der<br />

Weinbauern. Dies alles zusammengenommen bewirkt<br />

die Qualität der Weine und trägt dazu bei,<br />

daß jedes Jahr aufs neue ein reichhaltiges und<br />

hochwertiges Angebot erlesenster Weine gekeltert<br />

werden kann. Annähernd 560 Hektar Land sind im<br />

Gemeindegebiet Bozen mit Wein bepflanzt. Ein Teil<br />

dieser Weingärten liegt in der Ebene, ein anderer<br />

Teil befindet sich an den Abhängen der umliegenden<br />

Berge und Hügel und von hier aus drücken diese<br />

Weingärten mit ihren hölzernen Pfählen, den<br />

systematisch angeordneten Terrassen und der damit<br />

verbundenen bäuerlichen, adligen oder auch<br />

kirchlichen Architektur dem Stadtbild seine unverkennbare<br />

Note auf.<br />

16<br />

Für Interessierte, die mehr über das Thema Weinanbau<br />

in Südtirol zu erfahren wünschen, empfiehlt<br />

sich ein kurzer Ausflug <strong>nach</strong> Kaltern in ungefähr<br />

15 Km Entfernung von Bozen; dort wird dem Besucher<br />

in dem in Südtirols Weinanbaugebiet par excellence<br />

gelegenen Südtiroler Weinmuseum Geschichte<br />

und Bedeutung der Weinbaukultur unseres<br />

Landes nahegebracht. Eine Besichtigung der<br />

Kellerei des Weingutes zeigt anhand alter Gerätschaften,<br />

Pressen, Weinbehältern aus Glas und Keramik<br />

sowie wertvollen historischen Dokumenten<br />

die Techniken und Traditionen des Südtiroler Weinbaus.<br />

Das Museum ist vom 1. April bis 11. November<br />

von Dienstag bis Samstag geöffnet.<br />

95<br />

v v v<br />

Daß kein Widerspruch besteht zwischen der Produktion<br />

besonders edler, hochwertiger Weine und<br />

mönchischer Frömmigkeit beweist die Geschichte<br />

der ehrwürdigen Abtei von Muri-Gries, die in ihren<br />

unterirdischen Gewölben die Klosterkellerei mit<br />

einem Fassungsvermögen von über 5.000 Hektolitern<br />

beherbergt.<br />

Im Jahre 1165 hatten Graf Arnold von Morith<br />

und seine Frau Mathilde Wittelsbach-Walley auf einem<br />

ihrer Weingüter nächst dem Zusammenfluss<br />

von Talfer und Eisack ein Kloster gegründet und<br />

Augustinermönchen aus Neustift und Neuburg ge-


16<br />

schenkt. Das Gebiet wurde aber leider immer wieder<br />

von Überschwemmungen heimgesucht, deren<br />

verheerendste im Jahre 1406 zur völligen Vernichtung<br />

des landwirtschaftlichen Anwesens und zur<br />

Aufgabe des Klosters führte. Den auf diese Weise<br />

heimatlos gewordenen Mönchen schenkte Graf<br />

Leopold von Tirol 1407 Burg Gries zusammen mit<br />

dem umliegenden Gelände, auf dem seit urdenklichen<br />

Zeiten bereits Weinanbau betrieben wurde.<br />

In der Folgezeit wurde der Komplex erweitert und<br />

für den Klosterbetrieb umfunktioniert, bis gegen<br />

Ende des 18. Jahrhunderts die heutige Form erreicht<br />

wurde.<br />

Nach der Konfiszierung der Kirchengüter und der<br />

Vertreibung der Augustinermönche wurde die Abtei<br />

1845 von Metternich den Benediktinern des Klosters<br />

Muri in der Schweiz überlassen, die sich da-<br />

96<br />

Kleines GetränKebrevier KlEinEs gEtränKEBrEviEr<br />

mals auf der Suche <strong>nach</strong> einer neuen Bleibe befanden.<br />

Es ist mit Sicherheit anzunehmen, daß die auf<br />

diese Weise angesiedelten Schweizer der Weinproduktion<br />

neuen Aufschwung verliehen. Bemüht um<br />

die qualitative Verbesserung und die Erweiterung<br />

des Sortenangebots, wurde schließlich das heutige<br />

hohe Qualitätsniveau erreicht.<br />

Absoluter König unter den in der Klosterkellerei<br />

produzierten Weinen ist der Lagrein Dunkel (obwohl<br />

dieses Adjektiv jüngst gestrichen wurde). Als<br />

erstklassige Weißweine verweisen wir auf Weißburgunder,<br />

Ruländer und Sylvaner. Ein Besuch in der<br />

Klosterkellerei lohnt sich mit Sicherheit: beeindruckend<br />

allein schon die perfekte Harmonie zwischen<br />

dem trutzigen Gebäudekomplex der Abtei<br />

und den hohen unterirdischen Kellergewölben, wo<br />

in alten Eichenfässern die edelsten Tropfen reifen.<br />

Für private Besucher befindet sich der Eingang auf<br />

dem Griesplatz, an der rechten Seite der Basilika.<br />

Eine Besonderheit Bozens sind die zahlreichen,<br />

innerhalb des Stadtgebietes gelegenen Kellereien,<br />

die jede ihren Eigenbau produziert; so kommt<br />

es auch, daß zur Zeit der Lese Kolonnen von mit<br />

Weintrauben beladenen Karren durch die Straßen<br />

der Stadt ziehen, in der sich dann der unverkennbare,<br />

süßliche Duft des ersten Mostes verbreitet.<br />

Oktober und November sind die beiden Monate<br />

des Törggelen, einer bei Bevölkerung und Touristen<br />

gleichsam sehr beliebten Gepflogenheit: man<br />

zieht hinaus vor die Tore der Stadt und genießt eine<br />

köstliche Mahlzeit, bestehend aus gerösteten<br />

Kastanien und frisch gepreßtem Most.<br />

Die beiden historischen Weinkellereien, die 1908<br />

gegründete Kellereigenossenschaft Gries und die<br />

1930 gegründete Kellereigenossenschaft St. Magdalena<br />

wurden 2001 zusammengelegt und erhielten<br />

den Namen “Kellerei Bozen”; zusammen verarbeiten<br />

sie die von ca. 200 Weinbauern abgelieferten<br />

Trauben aus den Weingärten der Randgebiete<br />

rund um die Stadt. Von den beiden Kellereien ist<br />

die eine am Griesplatz, die andere in der Brennerstrasse<br />

15 tätig. Der von ihnen produzierte Wein<br />

im Ausmaß von mehr als 300 Hektar Weinanbaufläche<br />

wird fast zur Gänze in Flaschen abgefüllt. An<br />

erster Stelle stehen selbstverständlich die Rotweine<br />

Lagreiner und St. Magdalener. Hinzu kommen<br />

Blauburgunder und Cabernet. Unter den Weißweinen<br />

seien der Chardonnay, der Weißburgunder und<br />

der Müller-Thurgau erwähnt.<br />

Es gibt auch noch mehrere kleine Kellereien von<br />

selbständigen Kleinunternehmern, die ihren jeweiligen<br />

Kapazitäten entsprechend die Produktion<br />

ausgewählter Qualitätsweine - sogenannter DOC-<br />

Weine - aufgebaut haben. Ein Besuch dieser unmittelbar<br />

an der Peripherie der Stadt gelegenen Kellereien<br />

trägt uns einige Jahre zurück in jene Zeiten,<br />

als sich rund um die Stadt noch ausgedehnte<br />

Gärten und Felder erstreckten. Das Überleben dieser<br />

Gehöfte ist von unschätzbarem Wert: hier findet<br />

sich in noch gut erhaltenem Zustand und nahtlos<br />

eingegliedert in die Natur manch schönes Beispiel<br />

bäuerlicher Architektur. Der Vorbeikommende<br />

findet freundliche Aufnahme bei den Weinbauern<br />

und rasch bildet sich ein familiärer, herzlicher<br />

Kontakt.<br />

Der für das Bozner Becken wohl berühmteste Qualitätswein<br />

ist der Lagrein; ihn hat die Fachwelt in<br />

den letzten 15 Jahren neu entdeckt, <strong>nach</strong>dem ihm<br />

in der führenden Fachliteratur die ihm gebührende<br />

Anerkennung gezollt worden war. Bis dahin war<br />

er unter der Bezeichnung Lagreiner Kretzer (rosé)<br />

als Verschnittwein bekannt und vertrieben worden.<br />

Dies führte zur Produktion des Rotweins und brachte<br />

ihm den Beinamen “Dunkel”, der erst jüngst aus<br />

der offiziellen Bezeichnung gestrichen wurde.<br />

Schon von Karl IV wird in der “Weinordnung” von<br />

1370 der Lagrein unter die besten Weine von Bozen<br />

gereiht. Andere Quellen berichten, daß der Lagrein<br />

bereits seit vielen Jahrhunderten angebaut wird:<br />

die seit 700 Jahren bestehende Sorte Lagrein ist<br />

die älteste bodenständige Rebsorte von Südtirol.<br />

Die Weinproduktion des Lagrein ist somit eine<br />

Tradition dieser Gegend und die Feststellung, daß<br />

der Lagrein jahrhundertelang nur hier und sonst in<br />

keinem anderen Anbaugebiet gewachsen ist, unterstreicht<br />

die enge Bindung zwischen dieser Rebe<br />

und der Stadt Bozen.<br />

Über köstliche Weine allein zu verfügen, genügt an<br />

16<br />

sich nicht - es bedarf schon der nötigen Kenntnisse,<br />

wie, wann und zu welchem Anlaß sie besonders<br />

munden. Dies hängt nun vielfach von Geschmack<br />

und persönlicher Beurteilung ab. Als Aperitiv sind<br />

der aromatische Traminer und der Sylvaner anzuraten;<br />

zu den Vorspeisen eignen sich ein Riesling<br />

und der Weißburgunder; zum Fisch und zu Meeresfrüchten<br />

greift man am besten zu einem Chardonnay,<br />

Müller Thurgau oder Sauvignon; Wurst, Speck,<br />

gekochtes oder weißes Fleisch, ebenso wie Weichkäse<br />

vertragen sich bestens mit einem Grauvernatsch;<br />

zu Gegrilltem, Wild, Geflügel und würzigem<br />

Käse hingegen passen hervorragend der St.<br />

Magdalena, ein Blauburgunder und der Lagrein; zu<br />

den Süßigkeiten folgen ein Goldmuskateller, ein<br />

Rosenmuskateller und schließlich als Dessertwein<br />

der Südtiroler Malvasier.<br />

97


17<br />

98<br />

Bozen als politische und<br />

administrative landeshauptstadt<br />

<strong>BozEn</strong> als PolitischE und<br />

administrativE landEshauPtstadt<br />

17 das<br />

17<br />

<strong>BozEn</strong> als<br />

PolitischE und<br />

administrativE<br />

landEshauPtstadt<br />

Autonomiestatut (das sogenannte “Südtirolpaket”),<br />

welches, gestützt auf die Pariser Verträge<br />

(Gruber-De Gasperi-Abkommen) von 1946 und<br />

die UNO-Resolution vom 31.10.1960 der Provinz Bozen<br />

eine weitgehende gesetzgebende und verwaltungsmäßige<br />

Selbstverantwortlichkeit einräumt, trat <strong>nach</strong> seiner<br />

Genehmigung durch das italienische Parlament am 20.<br />

Januar 1972 in Kraft. Nach dem Erlaß der letzten Durchführungsbestimmungen<br />

Anfang 1992 und dem Austausch<br />

diplomatischer Noten zwischen Rom und Wien im Juni<br />

desselben Jahres kann das Paket als vollständig umgesetzt<br />

betrachtet werden. Dadurch wird auf die lokalen<br />

gesetzgebenden Organe eine Reihe von Befugnissen<br />

konzentriert, die sich mit Ausnahme weniger, der Region<br />

oder dem Staat vorbehaltener Kompetenzen, über jeden<br />

Bereich der öffentlichen Verwaltung erstrecken. Doch<br />

auch die Autonomieregeln werden periodisch immer wieder<br />

überarbeitet und angepaßt, weshalb von einer “dynamischen<br />

Autonomie” die Rede ist, die der aktuellen<br />

Wirklichkeit und ihren stets neuen Problemen und Situationen<br />

gerecht wird.<br />

Die Behauptung, Bozen sei politisch und verwaltungstechnisch<br />

eine Hauptstadt, entspricht daher vollkommen<br />

den Tatsachen. Über autonome Kompetenzen zu verfügen,<br />

bedeutet, Entscheidungsverantwortung zu haben<br />

und demzufolge auch, über nicht unerhebliche Finanzmittel<br />

zu verfügen. Zur Lenkung dieses gesamten Apparates<br />

wurden im Laufe der Jahre eine politische ebenso<br />

wie eine administrative Struktur aufgebaut, die zahlreiches<br />

Personal beschäftigen.<br />

Der Bozner Gemeinderat setzt sich aus 50 Mitgliedern<br />

zusammen, die die gesamte Bevölkerung vertreten und<br />

wird alle 5 Jahre gewählt. In der Regel tritt er wochenweise<br />

abwechselnd dienstags bzw. donnerstags um 18:00<br />

Uhr zusammen.<br />

99


DR. LUIGI<br />

SPAGNOLLI,<br />

BÜRGERMEISTER<br />

VON BOZEN<br />

17<br />

Die Wahlen vom 6. September 2005 haben folgendes<br />

Ergebnis gebracht:<br />

Mit 50,36 % der Stimmen wurde Dr. Luigi Spagnolli<br />

zum Bürgermeister gewählt.<br />

Die Sitze im Gemeinderat sind wie folgt verteilt:<br />

Südtiroler Volkspartei 11 Sitze<br />

Alleanza Nazionale 9<br />

Forza Italia 5<br />

DS 5<br />

Liste Benussi 4<br />

La Margherita 2<br />

Verdi 2<br />

Christdemokraten 2<br />

Unitalia 2<br />

Rifondazione Comunista 2<br />

Projekt Bozen 1<br />

SDI 1<br />

Lega Nord 1<br />

UDC 1<br />

Die Stadt wird von einer Mitte-Links-Regierung<br />

geleitet und der neue Bürgermeister hat in seiner<br />

100<br />

Bozen als politische und<br />

administrative landeshauptstadt<br />

Antrittsrede unter anderem gesagt: “Die Besonderheiten<br />

von Bozen, im Guten wie im Schlechten, machen<br />

auch das Regieren besonders. Als Bozner Bürger<br />

packt mich der Stolz, wenn ich die Statistiken<br />

und nationalen Lebensqualitäts-Hitlisten betrachte,<br />

in denen unsere Stadt stets unter den Erstgereihten<br />

zu finden ist. Und dies ist auch das wichtigste Ziel<br />

meines politischen Mandats: Der Stadt Bozen und<br />

ihren BürgerInnen das Selbstvertrauen zurückzugeben,<br />

das es in den letzten Jahren ermöglichte, so<br />

viele Hürden zu meistern und so viele Ideen in den<br />

verschiedenen Stadt-Bereichen zu verwirklichen.”<br />

Für die fünf Jahre dauernde Periode von 2003 bis<br />

2008 wurde der Landtag aus eine Mitte-Links-Koalition<br />

unter dem Vorsitz von Dr. Luis Durnwalder<br />

gebildet.<br />

<strong>BozEn</strong> als PolitischE und<br />

administrativE landEshauPtstadt<br />

Die beiden Provinzen von Bozen und Trient bilden<br />

zusammengenommen die Autonome Region Trentino-Südtirol.<br />

Der Regionalrat setzt sich somit zusammen<br />

aus der Summe beider Landtage von insgesamt<br />

70 Abgeordneten. In die Funktion des Präsidenten<br />

der Region teilen sich die beiden Landeshauptmänner:<br />

für die Hälfte der Legislaturperiode<br />

wird dieses Amt vom Landeshauptmann der Provinz<br />

Bozen, für die andere Hälfte von jenem des<br />

Trentiner Landtags ausgeübt.<br />

Die Landesregierung tritt normalerweise jeden<br />

Montag um 8.00 Uhr zusammen. Nach dem Ende<br />

der Sitzung berichtet der Landeshauptmann in<br />

einer Pressekonferenz über den Inhalt der wichtigsten<br />

Entscheidungen und über die Stellungnahmen<br />

des Präsidiums zu den einzelnen Tagesordnungspunkten.<br />

17<br />

Es würde zu weit führen, an dieser Stelle detailliert<br />

die primären und sekundären Kompetenzen anzuführen,<br />

die das Autonomiestatut der Provinz Bozen<br />

verliehen hat. Zusammenfassend läßt sich sagen,<br />

daß die Provinz Bozen ermächtigt ist, eigenständig<br />

Gesetze und Verordnungen in den Bereichen Landund<br />

Forstwirtschaft, Handel, Industrie und Gewerbe,<br />

Stadtplanung und Wegenetz, Schulwesen und<br />

Berufsausbildung, Wohn- und Schulbau, Fremdenverkehr,<br />

Transportwesen und Verkehr, Landschaftsschutz,<br />

Sozialfürsorge und Wohlfahrt, Gesundheitswesen<br />

u.s.w. zu erlassen.<br />

Zur Ausübung Ihres Auftrags hat sich die Autonome<br />

Provinz eine neue Organisationsstruktur verliehen,<br />

die auf “Klarheit und Transparenz in der Landesverwaltung<br />

mit dem Ziel einer besseren Anpassung<br />

an die Bedürfnisse des Bürgers” ausgerichtet<br />

ist. Diese Neuordnung sieht eine Unterteilung der<br />

Provinzämter in 38 Abteilungen vor.<br />

Die autonomen gesetzgebenden und administrativen<br />

Kompetenzen der Provinz Bozen sind eingehendst<br />

in einer Gratisschrift beschrieben und erläutert,<br />

die im Pressebüro der Provinz in der via<br />

Crispi 3 aufliegt.<br />

101<br />

LANDESHAUPT-<br />

MANN DR. LUIS<br />

DURNWALDER<br />

DAS RATHAUS


17<br />

102<br />

Bozen als politische und<br />

administrative landeshauptstadt<br />

mEssEn und märKtE<br />

18<br />

18 mEssEn und<br />

märKtE<br />

d<br />

emjenigen, der sich urlaubsbedingt einige Zeit<br />

in Südtirol aufhält, mag es nützlich erscheinen,<br />

etwas über die wichtigsten Bozner Messeveranstaltungen<br />

zu erfahren. Ihnen allen sind einige generelle<br />

Charakteristika gemeinsam, die sich aus der Berufung<br />

der Stadt, als “Brücke” zwischen unterschiedlichen Wirtschafts-<br />

und Kulturräumen zu fungieren und somit aus<br />

ihrer Bedeutung als Drehscheibe internationaler Handelsbeziehungen<br />

ableiten. Zusätzlich bieten auch die<br />

auf dem Landwirtschaftssektor angewandten Technologien,<br />

die Liebe zur Natur und zu allen Freiluftaktivitäten<br />

immer wieder Anlaß zu Veranstaltungen, Sonderausstellungen,<br />

Kongressen, Studientreffen und Konferenzen.<br />

Die Erfolgsstrategie der Bozner Messeveranstalter liegt<br />

daher darin, die charakteristischen Eigenerzeugnisse<br />

der Provinz sowie deren Umwelt hervorzuheben.<br />

Jedes Jahr findet Ende Januar in Bozen Klimahouse,<br />

eine Fachmesse für energieeffizientes und <strong>nach</strong>haltiges<br />

Bauen statt, auf welchem Sektor Klimahouse eine Brükkenfunktion<br />

zwischen Nordeuropa und Italien innehat.<br />

Im Februar der Jahre mit gerader Jahreszahl wird mit<br />

Viatec, einer Internationalen Fachmesse für Straßenbau<br />

und Infrastrukturbewirtschaftung in alpinen Bereichen<br />

ein Thema behandelt, welchem angesichts der in<br />

den Bergen während der Wintermonate ständig zunehmenden<br />

Besucherzahlen von Skiläufern aus ganz Europa<br />

äußerste Brisanz zukommt.<br />

Mitte Februar ist dann die Reihe an Sport Italy mit<br />

Wintersportbekleidungsartikeln und -zubehör, wobei besonderer<br />

Wert sowohl auf Eleganz als auch auf die praktischen<br />

Anwendungsmöglichkeiten und die Effizienz des<br />

Angebots gelegt wird.<br />

In engem Zusammenhang mit den ausgedehnten Waldgebieten<br />

Südtirols und deren Sensibilität gegenüber allen<br />

Themen im Zusammenhang mit dem hydrogeologi-<br />

103


DIE NEUE<br />

MESSE<br />

KÜRBISFEST<br />

AM<br />

WALTHERPLATZ<br />

18<br />

schen Gleichgewicht, finden in den ungeraden Jahren<br />

mit der Baumec und der Lignomec eine Baumaschinenschau<br />

und Fachmesse für die Holzverarbeitung,<br />

für Erdbewegungsarbeiten und Thermoisolierung<br />

statt.<br />

Ins Frühjahr der geraden Jahre fällt die Schau<br />

Arredo-Die Welt des Wohnens für alles, was mit<br />

dem Wohnen, dem Einrichten und einer verbesserten<br />

Wohnatmosphäre zu tun hat. Gewicht wird dabei<br />

nicht nur auf das Angebot an Haushaltsgegenständen<br />

sondern auch auf die generelle Verbesserung<br />

des persönlichen Wohlbefindens<br />

gelegt.<br />

Civil Protec ist eine Fachmesse<br />

fûr Katastrophen- und<br />

Zivilschutz.<br />

Mitte April wird alljährlich<br />

im Messequartier die Pro<br />

Winter für die Professionisten<br />

im Wintersport abgehalten:<br />

Sporteinrichtungen,<br />

Bekleidung, Erzeugnisse und<br />

Einrichtungen für Skischulen<br />

sowie die Erhaltung und<br />

Wartung und das Vermieten<br />

der Sporteinrichtungen. Zusätzlich<br />

gibt es dann in den<br />

104<br />

Messen und MÄrkte mEssEn und märKtE<br />

geraden Jahren noch die internationale Fachmesse<br />

für Berg- und Wintertechnologien Alpitec.<br />

Unglaublich stark besucht ist jeweils die Ende<br />

April stattfindende Freizeit, eine Ausstellung für<br />

Sport, Hobby, Auto, Urlaub und Berg. Hier läßt<br />

sich alles finden, was dem Aufenthalt im Freien,<br />

dem Sport und der Erholung dienlich ist.<br />

Im Mai kommt Kunstart, die Internationale Messe<br />

für moderne und zeitgenössige Kunst <strong>nach</strong> Bozen.<br />

Die wichtigste Veranstaltung ist jedoch zweifelsfrei<br />

die Internationale Herbstmesse, bei der sich<br />

das Interesse auf die hier in allen Ausformungen<br />

vertretenen typischen Produkte Südtiroler Betriebe<br />

konzentriert. Auch die besonders zahlreich in den<br />

Bergtälern vorhandenen und bestens in die von<br />

der Landwirtschaft und dem Fremdenverkehr dominierte<br />

Wirtschaftsstruktur der Provinz integrierten<br />

kleinen und mittelgroßen Unternehmen sind<br />

bei dieser Messe vertreten und finden darin ein geeignetes<br />

Forum, um ihre Erzeugnisse den in- und<br />

ausländischen Märkten vorzustellen.<br />

Gegen Ende Oktober wird die Internationale Fachmesse<br />

für das Hotel- und Gastgewerbe Hotel eröffnet.<br />

Angesichts der hohen Investitionen für die<br />

Entwicklung des Fremdenverkehrs in der Provinz<br />

hat sich diese Fachschau zwei für die Betroffenen<br />

grundlegenden Erfordernissen verschrieben: der<br />

qualitativen Verbesserung der Strukturen und dem<br />

Informations- und Erfahrungsaustausch zwischen<br />

der Hotellerie und den Produktverantwortlichen.<br />

Sehr wichtig ist heute Klimaenergy, eine Fachmesse<br />

für erneuerbare Energien zur gewerblichen<br />

Nutzung.<br />

Ganz auf den Ausbau des Landwirtschaftssektors<br />

fukussiert, der sich den speziellen Problemen und<br />

Erfordernissen der Bergwelt stellen muß, ist die alpenländische<br />

Landwirtschaftsschau Agrialp; ihr angeschlossen<br />

ist die Biolife, die einzige in Italien<br />

ausschließlich auf Bioprodukte konzentrierte Messe.<br />

Mitte November wird in den geraden Jahren mit<br />

Interpoma eine Fachmesse für Anbau, Lagerung<br />

und Vermarktung des Apfels organisiert; parallel<br />

dazu wird unter Beteiligung von Fachleuten und<br />

Unternehmern aus aller Welt ein großer internationaler<br />

Kongreß über die Welt des Apfels und alle<br />

nur erdenklichen damit verbundenen Aspekte abgehalten.<br />

Doch sind dies nicht die einzigen in Bozen abgehaltenen<br />

Messen und Musterschauen. Über das<br />

Jahr verteilt werden noch viele andere, von einander<br />

sehr verschiedene Veranstaltungen organisiert:<br />

Sehnlich erwartet wird alljährlich die in den April<br />

fallende Bozner Weinkost in Schloß Maretsch;<br />

2008 bereits zum 86. Mal abgehalten, bietet sie<br />

Weinverkostungen und Wissenswertes über alle Bereiche<br />

des Weinbaus in Südtirol.<br />

Unter Musik und Tanz, mit Konzerten und Spielen,<br />

folkloristischen Darbietungen und Ständen mit Käse,<br />

Äpfeln und Brot wird im Mai am Waltherplatz<br />

alljährlich das Speckfest begangen.<br />

Im August verwandelt sich die gesamte Bozner<br />

Innenstadt in einen Verkostungsparcours im Rahmen<br />

der Lorenzi<strong>nach</strong>t, eine einmalige Gelegenheit,<br />

von den besten Rot- und Weißweinen zu kosten,<br />

die die teilnehmenden Bozner Kellereien zur<br />

Degustation anbieten.<br />

In einer Stadt wie Bozen kann und darf aber eine<br />

Veranstaltung zum Thema Bergwelt nicht feh-<br />

18<br />

len! Im September werden im Rahmen von Montagna<br />

libri / Internationales Festival für Bergund<br />

Forschungsfilm, Bergbücher und -filme ausgestellt<br />

und zum Verkauf angeboten.<br />

Was böte sich besser als Schlußpunkt dieses<br />

Streifzuges durch den Bozner Veranstaltungskalender<br />

an, als ein kurzer Blick auf den Weih<strong>nach</strong>tsmarkt,<br />

der alljählich für die Dauer der vier Adventwochen<br />

zur Einstimmung auf das Weih<strong>nach</strong>tsfest<br />

einlädt; zusammen mit den traditionellen Weih<strong>nach</strong>tsbäckereien<br />

werden unzählige Produkte ausgestellt<br />

und zum Verkauf angeboten.<br />

105<br />

KLIMAHAUS<br />

ZAUBERHAFTER<br />

BOZNER WEIH-<br />

NACHTSMARKT


19<br />

106<br />

Architektonische und<br />

städtebAuliche Aspekte<br />

architEKtonischE und<br />

städtEBaulichE asPEKtE<br />

19 die<br />

Gigi Dalla Bona<br />

19<br />

architEKtonischE<br />

und städtEBaulichE<br />

asPEKtE<br />

Gründung der Stadt Bozen reicht in die Anfänge<br />

des 11. Jahrhunderts zurück, als Bischof Ulrich<br />

von Aachen den Entschluß faßte, der ortsansässigen,<br />

rein landwirtschaftlich orientierten Wirtschaft<br />

eine kommerzielle Note zu geben. Bozen entstand somit<br />

als Handelszentrum, ein Umstand der sich auch in den<br />

<strong>nach</strong>folgenden Jahrhunderten bis in unsere Tage auswirkt<br />

und der Stadt ihre Prägung verlieh.<br />

In jenen fernen Zeiten des Bischofs wurde das für die<br />

Neuansiedlungen auf diesem großen Umschlaggebiet<br />

- einem Markt, der anfänglich nur den ortsansässigen<br />

Bewohnern vorbehalten war und erst allmählich auch<br />

Händlern der Regionen jenseits der Alpen, von Venedig<br />

und der Lombardei bis <strong>nach</strong> Deutschland zugänglich gemacht<br />

wurde - erforderliche Gelände in lange, schmale,<br />

Nord-Süd-verlaufende Parzellen unterteilt. Typenmäßig<br />

sind die Gebäude all dieser Parzellen gleich: mit<br />

dem “Gesicht” der Straße zugewandt, steht das Haus<br />

da, im Erdgeschoß das Ladengewölbe, in den darüberliegenden,<br />

meist drei Geschoßen die Wohnungen; auf<br />

der Hinterseite liegen, durch einen Lichthof vom Haupthaus<br />

getrennt, die Magazine und noch weiter dahinter<br />

befinden sich der Stall und die Nebenräume für Sattelund<br />

Saumzeug und Wagenzubehör.<br />

Diese architektonische und städtebauliche Einteilung<br />

wurde jahrhundertelang unverändert beibehalten und<br />

läßt sich mit Leichtigkeit auch heute noch erkennen:<br />

die Konzeption blieb unangetastet und gilt für den gesamten<br />

historischen Stadtkern. Hauptachse des so entstandenen<br />

Marktkerns sind die Lauben; längs der Hinterfront<br />

der tiefen Bauparzellen verlaufen die ursprünglich<br />

für den Zulieferverkehr genutzten Parallelstraßen<br />

zu den Lauben: die Dr. Streiter- und die Silbergasse.<br />

Dieses ganze Ensemble war umgeben von einem Wall<br />

und einem Graben (die im 13. Jahrhundert von Mein-<br />

107


PALAZZO MERCANTILE<br />

LAUBEN<br />

19<br />

hard II <strong>nach</strong> Einnahme der Stadt im Kampf gegen<br />

den Bischof von Trient geschleift und zugeschüttet<br />

wurden). Der Hauptzugang lag im Süden; von hier<br />

gelangten die Händler in die Stadt, <strong>nach</strong>dem sie<br />

die Eisack überquert und auf dem heutigen Kornplatz<br />

zur Verwiegung, Besteuerung und Verzollung<br />

der Ware Halt gemacht hatten. Auf dem Platz, der<br />

laut alten Chroniken in unterschiedliche Sektoren<br />

für Getreide, Fleisch und Eisenwaren und Werkzeuge<br />

unterteilt war, erhebt sich das alte Waaghaus.<br />

In diesem Gebäude befand sich bis 1633 die Fronwaage.<br />

Schlußpunkt und Krönung des alten Marktkerns<br />

ist das im 18. Jahrhundert <strong>nach</strong> den Plänen<br />

des Veroneser Architekten Francesco Perotti entstandene<br />

Merkantilgebäude, Sitz des Merkantilmagistrats<br />

, ein bewundernswertes Beispiel der Architektur<br />

aus der Zeit der ausklingenden Renaissance<br />

im Übergang zum Barock.<br />

Rund um dieses Handelszentrum entstanden<br />

108<br />

Architektonische und<br />

städtebAuliche Aspekte<br />

schrittweise Wohnbauten und anderen Zwecken<br />

gewidmete Gebäude, die langsam die früheren bäuerlichen<br />

Gehöfte umzingelten und vereinnahmten,<br />

bis die Stadt mit den davor liegenden Ortschaften<br />

Rentsch, Zwölfmalgrein, Gries, ... zusammengewachsen<br />

war und sich ihr heutiger Umfang abzuzeichnen<br />

begann. Zu den Anfängen dieser Entwicklung<br />

zählt auch die bereits 1180 erstmals erwähnte<br />

Kirche St. Johann im Dorfe, einer der ältesten<br />

Sakralbauten Bozens. Es ist dies eine kleine<br />

intime Kapelle, deren Glockenturm sich zentral<br />

über dem Altar erhebt. Spätere Detailausführungen<br />

in der Anordnung der Fenster und die beachtlichen<br />

Fresken aus dem 14. Jahrhundert haben den Mauerformen<br />

nichts von ihrer Ausdruckskraft genommen,<br />

die bis in unsere Tage ungebrochen Zeugnis<br />

von der zartfühlend-feinen Darstellung von Demut<br />

MERKANTILGEBÄUDE<br />

architEK tonischE und<br />

städtEBauli chE asPEKtE<br />

PFARRKIRCHE<br />

und Bescheidenheit der Romanik ablegen.<br />

Mit dem Bau der Stadtpfarrkirche, also des Domes,<br />

einer dreischiffigen gotischen Kirche, wurde<br />

im 14. Jahrhundert begonnen. Die Bautätigkeit<br />

hielt auch noch in den <strong>nach</strong>folgenden Jahrhunderten<br />

bis in die Barockzeit und mit Restaurierungen<br />

bis heute an. Die Bombardierungen während des<br />

letzten Weltkriegs brachten sämtliche Dächer, das<br />

Chor- und teilweise das Langhausgewölbe zum Einsturz.<br />

Diesem an sich traurigen Ereignis verdanken<br />

wir jedoch eine interessante Entdeckung: während<br />

des Wiederaufbaus wurden unterhalb des Kirchenbodens<br />

die Reste einer früheren Kirche oder Kapelle<br />

entdeckt, ein Gotteshaus an der Zufahrtstraße<br />

zum Markt- und Handelsplatz, doch noch vor den<br />

Toren, außerhalb der Mauern gelegen.<br />

Besonders zahlreich sind in Bozen die im Mittelalter<br />

entstandenen Klöster und Abteien: die Dominikanerkirche<br />

ist für ihre Wandmalereien (an<br />

den Stil Giottos angelehnte Fresken) berühmt; die<br />

Franziskanerkirche besticht durch ihren bezaubernden<br />

Kreuzgang aus dem 14. und ihren reichhaltigen<br />

Altar aus dem 16. Jahrhundert. Die barokke<br />

Kirche der Benediktinerabtei schließlich rundet<br />

das beeindruckende Bild des Griesplatzes ab.<br />

Interessanter Ausdruck der durch Klosterleben<br />

und -gepflogenheiten bedingten baulichen Erfor-<br />

19<br />

dernisse ist die Anlage<br />

von Neustift. Sie<br />

liegt in der Nähe des<br />

heutigen Messepalastes<br />

auf den Restbeständenausgedehnter<br />

Weingärten, welche<br />

bereits im 10. Jahrhundert<br />

Eigentum der<br />

Abtei von Brixen waren.<br />

Im 17. Jahrhundert<br />

entstand hier das,<br />

was als “Landsitz” der<br />

Äbte bezeichnet werden<br />

kann: anfänglich<br />

war das Gut auch mit<br />

sämtlichen erforderlichen<br />

Räumlichkeiten<br />

für den Weinbau, wie<br />

Presse und Keller, und<br />

für die Speisenaufbewahrung<br />

und Lagerung<br />

ausgestattet. Versehen<br />

mit zwei Kapellen<br />

entstand hier die Residenz<br />

des Abtes, der,<br />

wie es scheint, aus<br />

der Verkostung seines<br />

Weines vom Bozner<br />

Boden, dem immerhin<br />

von alten Chroniken<br />

geschmacklich der<br />

Vorrang vor demjenigen<br />

des Eisacktales<br />

eingeräumt wird, noch<br />

109<br />

OBEN:<br />

NEUSTIFT<br />

LINKS:<br />

WAAGHAUS<br />

UNTEN:<br />

BENEDIKTINER-<br />

ABTEI


SCHLOSS<br />

MARETSCH<br />

19<br />

SCHLOSS<br />

RUNKELSTEIN<br />

anderen als rein geistigen Nutzen gezogen haben<br />

mag. Die ganze Anlage entpuppt sich als kleines<br />

Juwel ländlicher Wohnkultur.<br />

Hoch oben auf einem Felssporn, auf drei Seiten<br />

von den Gewässern der Talfer umspült, erhebt sich<br />

an der Einmündung des Sarntales die von den bi-<br />

110<br />

Architektonische und<br />

städtebAuliche Aspekte<br />

schofstreuen Freiherren von Wangen im 12. Jahrhundert<br />

errichtete Burg Runkelstein, repräsentatives<br />

Beispiel eines Verteidigungsbaus. Diese<br />

Funktion blieb ihr jedoch nur kurze Zeit erhalten:<br />

gleich beim ersten Ansturm durch den kaisertreuen<br />

Meinhard II im Jahre 1277 wurde die Burg arg<br />

zerstört; die im darauffolgenden Jahrhundert getätigten<br />

Umbauten und Erweiterungen waren vorrangig<br />

auf eine Verbesserung der Wohnverhältnisse<br />

ausgerichtet und so verlor die Burg <strong>nach</strong> und<br />

<strong>nach</strong> ihren wehrhaften Charakter (besonders <strong>nach</strong>dem<br />

das, was von dem ursprünglichen Hauptturm<br />

noch übriggeblieben war, 1520 bei einer Pulverexplosion<br />

vernichtet wurde); heute stellt die Burg<br />

ein malerisches Beispiel für einen mittelalterlichen<br />

Rittersitz dar, bereichert durch wunderschöne Fresken,<br />

die als wichtiger Abschnitt in der Entwicklung<br />

der darstellenden Kunst des Mittelalters angesehen<br />

werden können.<br />

An vollkommen ungeeigneter Stelle für jede Verteidigungsaufgabe,<br />

nämlich auf den Schwemmböden<br />

der Talfer, liegt Schloß Maretsch: von der<br />

ursprünglich mittelalterlichen Anlage existieren<br />

noch der Hauptturm und der zweigeschossige zen-<br />

architEKtonischE und<br />

städtEBaulichE asPEKtE<br />

trale Kern des Gebäudes. Seine unzweifelhaft von<br />

Gigantomanie befallenen Eigentümer des 16. Jahrhunderts<br />

tobten sich in Zubauten aus: neue Flügel<br />

kamen hinzu, ein Innenhof und vor allen Dingen<br />

die vier Rundtürme an den Ecken des so entstehenden<br />

Pseudo-Bollwerks. Obwohl die Täuschung allzu<br />

deutlich zutage tritt, ist das Ergebnis - zumindest<br />

rein visuell - hochinteressant und mit leicht<br />

romantischem Anstrich auch symbolhaft für das<br />

stadtnahe Ambiente.<br />

Die bedeutendsten Zeugnisse des Wohnbaus stammen<br />

hingegen aus jüngerer Zeit.<br />

Im 17. Jahrhundert begann sich die endgültige<br />

Anordnung der Gebäude des historischen Stadtkerns<br />

und der ihn umgebenden Straßenläufe (Obstmarkt,<br />

Streiter-, Binder-, Weintrauben- und Silbergasse)<br />

abzuzeichnen. Alle in dieser Zeit gesetzten<br />

Maßnahmen folgen, obzwar von verschiedenen<br />

Eigentümern in die Wege gesetzt, dennoch einer<br />

kontinuierlichen stilistischen Logik und das Ergebnis<br />

ist ein ausgewogener Gesamtkomplex von eindrucksvoller<br />

Harmonie.<br />

Das aufstrebende Bürgertum dokumentiert sich im<br />

19. Jahrhundert durch eine rege Wohnbautätigkeit<br />

mit all ihren stilistischen Vor- aber auch Nachteilen.<br />

In Bozen schlägt sich diese Epoche durch die in der<br />

Sparkassenstraße entstehenden Jahrhundertwendebauten<br />

nieder: hier prunkt südlich der Alpen ein<br />

sehr eigenwilliger, pittoresker Jugendstil.<br />

Die in der Vorkriegszeit errichteten Gebäude<br />

sind Ausdruck des von den Theorien des damaligen<br />

Regimes getragenen Stilempfindens. Aus jener<br />

Zeit stammen der Bau des IV.Armeekorps, einige<br />

Schulbauten und ein Großteil der jenseits der Talferbrücke<br />

an der Straße <strong>nach</strong> Gries errichteten Gebäude.<br />

Aus der heutigen Distanz betrachtet, lassen<br />

sich auch in diesen Monumentalwerken nicht<br />

von der Hand zu weisende, wertvolle Formideen<br />

und Lösungsansätze erkennen, umso mehr, als man<br />

sich vielleicht eingestehen muß, daß unsere hochgelobte<br />

und inzwischen womöglich schon überholte<br />

“Postmoderne” kaum Besseres anzubieten hatte<br />

und in diesen Bauten daher eher noch Anregungen<br />

finden könnte.<br />

19<br />

111<br />

GEBÄUDE DES IV.<br />

ARMEEKORPS<br />

ST. JOHANN<br />

IM DORFE


19<br />

112<br />

Architektonische und<br />

städtebAuliche Aspekte<br />

<strong>BozEn</strong><br />

im laufE dEr JahrhundErtE<br />

20 Carlo Romeo<br />

Die<br />

20<br />

<strong>BozEn</strong><br />

im laufE dEr<br />

JahrhundErtE<br />

Antike<br />

abgesehen von prähistorischen Siedlungen, die<br />

uns noch heute beschäftigen und immer wieder zu<br />

Ausgrabungen mit interessanten Funden veranlassen,<br />

erscheint das Vorhandensein der verschiedenen Kastelle<br />

bemerkenswert, die als Bollwerke auf den Erhebungen<br />

in dem weiten Flußbett, wo die Eisack in die Etsch<br />

mündet, von den Rätern errichtet wurden. Von diesen ursprünglichen<br />

Bewohnern unserer Alpenregion wissen wir<br />

noch sehr wenig.<br />

Circa 16/15 v. Chr. gelangte das Heer des Drusus, Stiefsohn<br />

des Octavianus Augustus, in das Bozner Becken.<br />

Sein Auftrag lautete, in die Täler von Etsch und Eisack<br />

einzudringen, um sich am Bodensee mit den von Lyon<br />

heranrückenden Truppen des Tiberius zu vereinen. Folge<br />

dieser ausgedehnten Umzingelungsbewegungen waren<br />

die Eroberung der Alpenregion, ihre Umwandlung in eine<br />

römische Provinz und die Verteidigung der Poebene gegen<br />

die Germaneneinfälle. Bozen wurde der 10. italischen<br />

Region einverleibt.<br />

Über die Frage, wo denn nun die berühmte Drususbrükke,<br />

die “Pons Drusi” errichtet worden sei, sind sich die Historiker<br />

auch heute noch nicht einig: nächst Schloß Sigmundskron<br />

über die Etsch oder in Rentsch über die Eisack<br />

- so gehen die Meinungen auseinander. Es ist auch nicht<br />

auszuschließen, daß die erste römische Siedlung (Brücke,<br />

Herberge, Pferdewechselstation, sowie ein kleiner, später<br />

in eine frühchristliche Kirche umgewandelter Tempel)<br />

sich in unmittelbarer Nähe des heutigen Stadtkerns (Kapuzinerkloster,<br />

Dom, Waltherplatz) entwickelt hat.<br />

Die der Gesundheit am zuträglichsten und für die Entwicklung<br />

einer Niederlassung am besten geeigneten Areale<br />

lagen in der Nähe von Morizing und Rentsch/Zwölfmalgrein.<br />

Letztere Ansiedlung überlebte die Jahrhunderte<br />

der Invasionen und höchstwahrscheinlich nahm von hier<br />

113


SCHLOSS<br />

SIGMUNDS-<br />

KRON<br />

RECHTS:<br />

MÜNZE DES<br />

GRAFEN VON<br />

TIROL<br />

SCHLOSS TIROL<br />

BEI MERAN<br />

Hochmittelalter<br />

20<br />

aus die eigentliche Besiedlung des<br />

Bozner Beckens <strong>nach</strong> seiner Urbarmachung<br />

im Mittelalter ihren Ausgang.<br />

Die Bezeichnung “Bozen” (in den<br />

Schriften des Paolo Diacono aus dem<br />

8. Jhdt. als “Bauzanum” erwähnt)<br />

könnte von dem Namen der damals<br />

mächtigsten Familie abgeleitet worden<br />

sein.<br />

Nach den Zerstörungen der Vandalen-, Alanen-,<br />

Schwaben- und Burgundereinfälle durchlebte die<br />

Region unter der Herrschaft des Gotenkönigs Theoderich<br />

endlich eine Periode der Sicherheit. Nach<br />

einer darauffolgenden, kurzen Zwischenherrschaft<br />

der Franken gelangte Bozen unter den Einfluß der<br />

von Süden heraufziehenden Langobarden.<br />

Unter Karl dem Großen wurde das Herzogtum Trient<br />

in Grafschaften neu geordnet. Jene von Bozen<br />

lag zwischen dem Herzogtum Bayern und demjenigen<br />

Trients, dem einflußreichsten, das sogar in eine<br />

Mark mit größerer Machtbefugnis umgewandelt<br />

wurde. Schloß Sigmundskron (Castrum Formigarium)<br />

war Hauptburg und Verwaltungssitz.<br />

Nach dem raschen Zerfall des karolingischen Reiches<br />

fand sich die immer wieder von ungarischen<br />

Einfällen heimgesuchte Mark zunehmend an das<br />

bayrische Reich gebunden, bis zu Beginn des 11.<br />

Jahrhunderts der Frankenkaiser Heinrich II, vor allem<br />

aber dessen Sohn Konrad II die Bischöfe von<br />

Trient und Brixen mit Verwaltungsaufgaben, Rechtsprechung<br />

und steuerlichen Rechten und Pflichten<br />

belehnten. Auf diese Weise entstand<br />

auch hierorts das Amt des Fürstbischofs.<br />

Der Bischof von Trient, in<br />

dessen Gerichtsbarkeit die Grafschaft<br />

Bozen, das Etschtal und Teile des<br />

Vintschgaus und des Eisacktales fielen,<br />

bediente sich zur Ausübung seiner<br />

Verwaltungsaufgaben sogenannter<br />

“Advokaten”, besser gesagt der<br />

mächtigsten Familien, Großgrundbe-<br />

114<br />

Bozen<br />

im Laufe der Jahrhunderte<br />

sitzer, Eigentümer von<br />

Burgen und Festungen,<br />

die in der Lage<br />

waren, Truppen<br />

auszurüsten.<br />

Dies war die Blütezeit<br />

vieler Familien,<br />

deren Namen<br />

uns heute in den Bezeichnungen<br />

der Burgen<br />

und Schlösser wiederbegegnen.<br />

Zu Macht und Ansehen<br />

gelangten unter anderem damals auch die<br />

Appian, die von Bozen in ihr gleichnamiges Schloß<br />

am rechten Ufer der Etsch übersiedelt waren. Ein<br />

Zweig dieser Familie erhielt die Grafschaft Bozen.<br />

Der Aufstieg des Hauses Tirol<br />

Jahrelange Auseinandersetzungen mit ihren Rivalen,<br />

der von Schloß Tirol oberhalb Merans stammenden<br />

Familie gleichen Namens besiegelte den Untergang<br />

der Appian. Durch ständige Unterhöhlung der<br />

bischöflichen Einflußnahme und Macht gelang den<br />

Tiroler Grafen - insbesondere unter Meinhard II<br />

von Tirol-Görz - die Errichtung des ausgedehnten,<br />

unabhängigen “de facto”-Komitats, das von ihnen<br />

den Namen erhielt. Diesem gaben sie vernünftige,<br />

nahezu “modern” anmutende Verordnungen (eine<br />

nicht vom Adel gelenkte Bürokratie, Privilegien für<br />

den Bauernstand, Förderung des Handels und Anreize<br />

zum Aufblühen städtischen Lebens), scheuten<br />

aber auch nicht davor zurück, gegebenenfalls<br />

mit eiserner Faust durchzugreifen. So bestrafte<br />

beispielsweise 1277 Meinhard die Stadt Bozen für<br />

ihre Treue zu den Trienter Bischöfen durch die Zerstörung<br />

der Dämme von Eisack und Talfer, auf daß<br />

die Stadt überschwemmt werde.<br />

Zu Beginn des 13. Jahrhunderts zählt Bozen<br />

3.000 Einwohner und zeigt bereits deutlich seine<br />

Bestimmung als Handelsplatz. Zentraler Kern sind<br />

die Lauben, die inmitten des Rechtecks aus Silbergasse,<br />

Obstmarkt, Streitergasse und Rathausplatz<br />

verlaufen. Die dort entstehenden Gebäude sind ih-<br />

<strong>BozEn</strong><br />

im laufE dEr JahrhundErtE<br />

ren Aufgaben<br />

als Wohnstatt<br />

und gleichzeitigerWirkungsraum<br />

für Handel<br />

und Handwerk<br />

angepaßt<br />

und bezeugen<br />

durch ihre Ausgestaltung<br />

und<br />

ihr Erscheinungsbild<br />

die<br />

bedeutende<br />

Stellung, welche<br />

Bozen als<br />

Angelpunkt im<br />

Warenaustausch zwischen Nordeuropa und Italien,<br />

insbesondere auch dank der wachsenden Transitmengen<br />

über den Brenner, einzunehmen beginnt.<br />

Der Aufstieg der Stadt ließ sich auch nicht durch<br />

den verheerenden Brand aufhalten, der 1222 annähernd<br />

1500 Opfer forderte. In der schrittweise<br />

urbar gemachten Ebene entstanden zahlreiche Gehöfte<br />

außerhalb der Stadtmauern, sowie viele Klöster<br />

und befestigte Wohnburgen (St. Vigil, Gries,<br />

Burg Runkelstein).<br />

Unter der Herrschaft der Habsburger<br />

Im Jahre 1363 dankt die letzte Landesfürstin aus<br />

dem Grafengeschlecht der Tirol-Görz, Margarethe<br />

Maultasch, zugunsten Rudolfs von Habsburg ab. In<br />

Erkenntnis der wirtschaftlichen Bedeutung Bozens<br />

setzen die neuen Herren die Politik der städtischen<br />

Privilegien fort. 1450 erhält die Stadt das Recht<br />

auf einen eigenen Bürgermeister.<br />

Zu Beginn des 15.Jahrhunderts kommt es zu Auseinandersetzungen<br />

zwischen dem vom Reich arg<br />

bedrängten Friedrich von Habsburg mit dem Beinamen<br />

“der mit der leeren Tasche” und dem Tiroler<br />

Adel. Daß er den Aufstand siegreich zu beenden<br />

vermag, verdankt er der Unterstützung durch<br />

den Bauernstand und die Bürger der Stadt, was er<br />

mit weiteren Privilegien belohnt: im Tiroler Land-<br />

20<br />

tag (Parlament) sitzen zwei vom Stadtrat ernannte<br />

Vertreter der Stadt Bozen.<br />

Die Handwerkszünfte entwickeln sich, ihre zunehmende<br />

Bedeutung schlägt sich in den Namen einiger<br />

Straßen des Stadtzentrums nieder. Bozen wird<br />

zum Treffpunkt deutscher und italienischer Kaufleute.<br />

Mitte des 16. Jahrhunderts stehen den an<br />

Markttagen herbeiströmenden Fremden<br />

bereits mehr als fünfzig Herbergen<br />

zur Verfügung.<br />

Im Jahre 1635 erteilt die Tiroler<br />

Regentin Erzherzogin Claudia<br />

de’ Medici den Bozner Märkten eine<br />

ganze Reihe von Privilegien, die<br />

eine durchgreifende Regelung der<br />

Wechselgeschäfte mit sich bringen,<br />

während aufflammende Zwistigkeiten<br />

und Rechtshändel durch die<br />

Schaffung eines Merkantilmagistrats<br />

beigelegt werden sollen, in welchem<br />

italienische und deutsche Kaufleute<br />

gleichwertig vertreten sind.<br />

Die Privilegien des Bozner Marktes<br />

werden 1718 von Kaiser Karl VI noch erweitert.<br />

Der durch den Handel erwirtschaftete Reichtum<br />

spiegelt sich in dem prächtigen barocken Stadtbild<br />

mit seinen pompösen Gebäudefassaden.<br />

19. Jahrhundert<br />

Die Kriege und Unruhen der Neuzeit<br />

berührten die Stadt nur am<br />

Rande. Einschneidender war da<br />

schon 1797 die Besetzung durch<br />

napoleonische Truppen. Als Folge<br />

des Preßburger Abkommens fällt<br />

Tirol 1805 an das mit Frankreich<br />

verbündete Bayern. Die auf eine<br />

administrative, politische und<br />

gerichtliche Zentralisierung sowie<br />

eine Reglementierung der<br />

religiösen Feste und Glaubensausübung<br />

ausgerichteten<br />

Reformen führen schließlich<br />

115<br />

LINKS: MARGA-<br />

RETHE MAUL-<br />

TASCH, LETZTE<br />

GRÄFIN VON<br />

TIROL UND<br />

GÖRZ<br />

UNTERHALB: AN-<br />

DREAS HOFER<br />

DAS WAPPEN<br />

DER STADT<br />

BOZEN


STANDSEILBAHN<br />

ZUM VIRGL<br />

DER WALTHER-<br />

PLATZ ZU BEGINN<br />

DES 20. JHDTS.<br />

20<br />

zu dem von Andreas Hofer (1809) unter dem Motto<br />

“für Gott, Kaiser und Vaterland” angeführten Aufstand.<br />

Noch lange, <strong>nach</strong>dem Österreich und Frankreich<br />

bereits ihren Frieden geschlossen haben, führen<br />

die nun ganz auf sich selbst gestellten Tiroler<br />

Aufständischen ihren Kampf bis zu seiner endgültigen<br />

Niederschlagung fort. Hofer wird gefangengesetzt<br />

und 1810 in Mantua hingerichtet.<br />

Bozen wird mit einem großen Teil des südlichen<br />

Tirol dem Königreich Italien angeschlossen. Die<br />

neue Provinz mit Trient als Landeshauptstadt erhält<br />

den Namen “Dipartimento dell’Alto Adige”.<br />

Nach dem Zusammenbruch des napoleonischen<br />

Reiches fällt Tirol wieder an die Habsburger. Das<br />

19. Jahrhundert ist gekennzeichnet von dem Aufeinanderprallen<br />

der von Wien ausgehenden Reformen<br />

und den Widerständen des Landes Tirol, das<br />

nicht bereit ist, auf seine alten Freiheiten und autonomen<br />

Rechte zu verzichten. Auch Bozen wird<br />

zum Schauplatz der Spannungen zwischen Liberalen<br />

und katholischen Konservativen, die sich im<br />

“Kulturkampf” austoben. Symbolhaft wird die Einweihung<br />

der neuen öffentlichen Gasbeleuchtung<br />

(1861) vom liberalen Bürgermeister Josef Streiter<br />

als “Lichterfest” gegenüber Ignoranz und Aberglauben<br />

begrüßt.<br />

Das Ende des Jahrhunderts erlebt das Aufkeimen<br />

des deutschnationalen Gedankenguts. Demgegenüber<br />

steht die Irredenta der Trientiner, die seit 1848<br />

jede von Innsbruck ausgehende Autonomieforderung<br />

ablehnen. Die 1889 errichtete Statue des Minnesängers<br />

Walther von der Vogelweide bekommt Symbolwert<br />

für das Deutschtum. Gleichsam als Gegenpol<br />

entsteht 1896 das Dantedenkmal in Trient.<br />

Gegenwart<br />

Die Jahre um die Jahrhundertwende<br />

werden<br />

<strong>nach</strong> dem langjährigen<br />

Bozner Bürgermeister<br />

(1895-1922) als “Ära<br />

Perathoner” bezeichnet<br />

und sind Jahre fie-<br />

116<br />

Bozen<br />

im Laufe der Jahrhunderte<br />

berhafterBautätigkeit und städtischer<br />

Entwicklung,<br />

welchen Maßnahmen<br />

abgesehen<br />

von Modernisierungsambitionen<br />

sämtlich die Bemühungzugrundelag,<br />

den deutschen<br />

Charakter<br />

der Stadt herauszustreichen.<br />

Zwölfmalgrein blieb bis 1911 eine autonome Gemeinde.<br />

Ebensolche Eigenständigkeit genoß auch<br />

Gries bis 1925, das im übrigen eine beachtliche<br />

Entwicklung als Fremdenverkehrsziel und Kurort<br />

durchmachte (1900 wurden 1600 Gäste registriert).<br />

Nach dem ersten Weltkrieg wurde Südtirol vom<br />

Königreich Italien annektiert. Nach einer kurzzeitigen<br />

Militärverwaltung wird das Trentino Alto Adige<br />

einem Zivilkommissar (Luigi Credaro) unterstellt.<br />

Im April 1921 wird ein Umzug der Südtiroler Bevölkerung<br />

von eigens <strong>nach</strong> Bozen angereisten faschistischen<br />

Truppen angegriffen. Ergebnis sind<br />

ein Toter und zahlreiche Verletzte. Kurz vor dem<br />

Marsch auf Rom, am 2. Oktober 1922, besetzen<br />

faschistische Gruppen Bozen und zwingen Bürgermeister<br />

Perathoner zur Abdankung. Mit der Machtergreifung<br />

Mussolinis beginnt die zunehmende Italianisierung.<br />

1926 wird Bozen Hauptstadt der neu<br />

geschaffenen, auf diese Weise von Trient losgelösten<br />

Provinz. Ettore Tolomei, bereits seit Beginn<br />

des Jahrhunderts Verfechter der „naturale italianità<br />

dell’Alto Adige“ (des naturbedingt italienischen<br />

Wesens Südtirols), trägt 1923 anläßlich einer<br />

Veranstaltung im Stadttheater sein in 32 Punkte<br />

gegliedertes Programm zur Italianisierung vor.<br />

Italienisch wird zur Amts-, Verwaltungs- und<br />

Schulsprache erklärt. Städtebaulich wird versucht,<br />

der Stadt ein neues Aussehen zu verleihen. Hierzu<br />

soll das dem historischen Stadtkern gegenüberliegende<br />

Gebiet jenseits der Talfer bebaut werden.<br />

<strong>BozEn</strong><br />

im laufE dEr JahrhundErtE<br />

Von den 28.000 bebauten Flächen des Jahres 1910<br />

wächst sich Bozen durch italienische Immigration<br />

auf 32.000 im Jahr 1921 und weiter auf 40.000 im<br />

Jahr 1934 aus.<br />

Mitte der Dreißigerjahre wird unter dem Präfekten<br />

Giovanni Mastromattei (1933-40) mit dem Bau<br />

der Industriezone (Montecatini, Stahlwerke, Lancia,<br />

u.s.w.) begonnen, was die Zuwanderung weiterer<br />

italienischer Arbeiter und ihrer Familien <strong>nach</strong><br />

sich zieht. Neue Wohnviertel entstehen, darunter<br />

die “semirurali”.<br />

Als Folge von Abkommen zwischen Deutschland<br />

und Italien wird die Südtiroler Bevölkerung 1939<br />

vor die Entscheidung gestellt, ins “Reich” abwandern<br />

oder als “brave italienische Bürger” bleiben<br />

zu wollen (die sogenannten “Optionen”). Lt. deutschen<br />

Quellen optieren in Bozen fast 15.000 der<br />

17.200 deutschsprachigen Bewohner für die deutsche<br />

Staatsbürgerschaft.<br />

Nach dem 8.September 1943 wird Südtirol mit<br />

dem Trentino und der Provinz Belluno zum Alpenvorland<br />

zusammengefaßt und ist praktisch vom<br />

Deutschen Reich annektiert. Aufgrund seiner Bedeutung<br />

als Eisenbahnknoten wird Bozen Ziel zahlreicherBombardements<br />

der allieerten<br />

Streitkräfte, die auch<br />

den historischen<br />

Stadtkern nicht verschonen.<br />

In der Reschenstraßebefindet<br />

sich ab 1944<br />

ein Durchgangslager<br />

für zur Internierung<br />

in Deutschland bestimmte<br />

Gefangene.<br />

Vom Kriegsende bis heute<br />

Anfang Mai ‘45 übernimmt das Nationale Befreiungskomitee<br />

im Namen der italienischen Regierung<br />

die Kontrolle über die Provinz. Am 4. Mai trifft die<br />

Vorhut der Allieerten in Bozen ein. 1946 wird am<br />

Rande des Pariser Friedensvertrages das Gruber-De<br />

20<br />

Gasperi-Abkommen zum Schutze der deutschsprachigen<br />

Minorität in Südtirol unterzeichnet. 1948<br />

tritt das Autonomiestatut der Region Trentino-<br />

Südtirol in Kraft.<br />

In den Augen der Südtiroler Bevölkerung trägt die<br />

Entwicklung Bozens, schon wegen der tragenden<br />

Rolle der Großindustrien, weiterhin das Stigma der<br />

Italianisierung.<br />

Ab der Mitte der Fünfzigerjahre verschärfen sich<br />

innerhalb der Region die Spannungen zwischen der<br />

Südtiroler Volkspartei und den italienischen Vertretern<br />

im Regionalrat. Am 17.November 1957 kommt<br />

es in Schloß Sigmundskron zu der berühmt gewordenen<br />

Kundgebung “Los von Trient”. Österreich<br />

trägt die Südtirolfrage den Vereinten Nationen vor,<br />

während in der Region selbst die Terroristen tätig<br />

werden (die “Feuer-” oder “Herz-Jesu-”Nacht<br />

vom 12. Juni 1961). Das sogenannte “Südtirolpaket”,<br />

oder vielmehr die Durchführungsbestimmungen<br />

des Pariser Abkommens, werden 1972 offiziell<br />

wirksam. Fast sämtliche Kompetenzen werden von<br />

der Region an die Provinz abgetreten.<br />

Im Juni 1992 wird die italienisch-österreichische<br />

Auseinandersetzung offiziell für beigelegt erklärt.<br />

Die mit dem zweiten Autonomiestatut erfolgte<br />

Übertragung weiterer Kompetenzen hat entscheidend<br />

zum beachtlichen sozialwirtschaftlichen Aufschwung<br />

beigetragen, den Bozen in den letzten<br />

Jahren genommen hat. Heute rangiert die Stadt im<br />

oberen Feld des jährlichen Presseranking aller italienischen<br />

Städte.<br />

117<br />

DIE INDUSTRIE-<br />

ZONE WÄHREND<br />

DER NACH-<br />

KRIEGSZEIT UND<br />

DIE BOZNER<br />

PFARRKIRCHE<br />

NACH DEM BOM-<br />

BARDEMENT 1944


20<br />

118<br />

Bozen<br />

im Laufe der Jahrhunderte<br />

viEr stadtrundgängE<br />

21<br />

21<br />

viEr<br />

stadtrundgängE<br />

119


• Waltherplatz<br />

• dom<br />

• Kapuzinerkloster<br />

• dominikanerkirche<br />

und<br />

-kreuzgang<br />

• museion<br />

undenkbar, eine Besichtigung<br />

Bozens von anderswo<br />

zu starten als<br />

vom Waltherplatz, der <strong>nach</strong> der<br />

Fertigstellung des unterirdischen<br />

Parkhauses und <strong>nach</strong>dem (1985)<br />

das Denkmal seines Namensgebers,<br />

des Mittelalter-Dichters<br />

Walther von der Vogelweide, wieder<br />

an seinem ursprünglichen<br />

21<br />

Walther von der Vogelweide (1170-<br />

1230), zählt zu den bedeutendsten Dichtern<br />

der von ihm tiefgreifend erneuerten<br />

höfischen Lyrik des deutschen Sprachraumes.<br />

Wie fast mit Sicherheit anzunehmen<br />

ist, entstammt er einer österreichischen<br />

Kleinadelsfamilie, lebte an deutschen Fürstenhöfen<br />

und hatte regen Anteil an den<br />

kulturellen und politischen Ereignissen einer<br />

Zeit, in der die beiden großen Mächte<br />

Kaiserreich und Papsttum heftig aufeinanderprallten.<br />

In seinen politischen Dichtungen<br />

erweist er sich als unermüdlicher<br />

Verfechter kaiserlicher Ideale und sieht<br />

in dem weltlichen Herrscher den Garanten<br />

für die Aufrechterhaltung moralischer<br />

Werte: nur der Kaiser vermag die Welt vor<br />

dem Chaos zu bewahren, das durch den<br />

Mangel an “pax et justitia” auszubrechen<br />

droht und seine Aufgabe ist es auch, den<br />

Gegenpol zu dem weltlichen Machtstreben<br />

der römischen Kirche darzustellen,<br />

der Walther in seinen religiösen Gedichten<br />

eine authentische, reine, auf Armut<br />

und Demut statt auf die Weltherrschaft<br />

ausgerichtete Kirche entgegensetzt.<br />

Die höchste Vervollkommnung erreichte<br />

der Dichter in seiner Liebeslyrik, derentwegen<br />

er heute hauptsächlich Bekanntheit<br />

120<br />

vier Stadtrundgänge viEr stadtrundgängE<br />

• 1. Besichtigungstour<br />

genießt: es gelang ihm, die Erstarrung der<br />

Themen und Formen des Minnegesangs<br />

abzuschütteln und persönliche, tief empfundene,<br />

gefühlvolle Elemente mit realistischer<br />

Darstellungskraft zu verbinden,<br />

sodaß in seinen Gedichten das Erleben<br />

der Liebe wieder menschliche Dimensionen<br />

annimmt, angereichert mit psychologischen<br />

Erkenntnissen, Stimmungsbildern<br />

und Landschaftsschilderungen.<br />

Walther selbst maß seinen Poesien prophetische,<br />

moralische und erzieherische<br />

Aufgaben bei und wandte sich in ihnen<br />

an Fürsten und kirchliche Würdenträger,<br />

damit sie zu unterscheiden lernten zwischen<br />

Gut und Böse, zwischen Schein und<br />

Wahrheit; dabei stellt er selbst sich stets<br />

auf seiten der Wahrheit und Gerechtigkeit,<br />

der wahren Liebe und der sie verkörpernden<br />

Frau, sowie des <strong>nach</strong> seinen inneren<br />

Werten zu messenden Mannes.<br />

Diese innere Einstellung, eine Mischung<br />

aus heftiger moralischer Anspannung und<br />

gleichzeitigem grüblerischen Bewußtsein,<br />

kommt auch in seinem Denkmal zum<br />

Ausdruck, das den Dichter mit der Laute<br />

in der Hand auf hohem Sockel, flankiert<br />

von zwei Löwen mit Wappenschildern,<br />

darstellt.<br />

Platz aufgestellt worden war,<br />

seine natürliche Bestimmung als<br />

zentraler Platz Bozens zurückgewonnen<br />

hat.<br />

Ursprünglich 1808 von Maximilian<br />

von Bayern geschaffen, verdankt<br />

der Waltherplatz sein heutiges<br />

Aussehen den Bautätigkeiten<br />

um die Wende vom 19. zum<br />

20. Jahrhundert, als <strong>nach</strong> der Errichtung<br />

des Hotel Greif (1884)<br />

und des Hotel-Café Kompatsch<br />

(1887, heute Sitz der BNL-Bank)<br />

die Westseite des Platzes (1906)<br />

adaptiert und das Stadt Hotel<br />

(1912, ehemalige Oberschule)<br />

eingeweiht wurden. Die Sparkasse<br />

stammt aus dem Jahr 1953,<br />

fügt sich aber gut in das Ensemble<br />

ein.<br />

Das aus weißem Lasamarmor in<br />

neoromanischem Stil ausgeführte<br />

Waltherdenkmal des Vintschgauer<br />

Bildhauers Heinrich Matter<br />

(1889) ist in seinen Größenverhältnissen<br />

perfekt an die umliegenden<br />

Gebäude angepaßt;<br />

das ganze Ensemble erscheint dadurch<br />

im goldenen Schnitt ausgeführt.<br />

Dank der einheitlichen Stilelemente,<br />

eleganten Verzierungen<br />

und der heiter-unbeschwerten<br />

Ausführung der einzelnen Bauwerke,<br />

strahlt der Platz die dem 19.<br />

Jahrhundert eigene harmonische<br />

Atmosphäre ruhigen Wohlstands<br />

aus: die rhythmische Abfolge der<br />

Fensteröffnungen, Bögen, Balustraden,<br />

die Geländer und Gesimse,<br />

die Erker und Konsolen, das<br />

durch Kamine und Mansarden belebte<br />

Spiel der Giebel und Dächer,<br />

all dies ist Ausdruck einer architektonischen<br />

Konzeption, die eine<br />

naturnahe Harmonie zwischen<br />

21<br />

praktischen und ästhetischen Anforderungen<br />

herzustellen trachtet.<br />

Kaffeehäuser, Bänke und Sitze<br />

laden zum Verweilen, um die<br />

Atmosphäre dieses Platzes in Ruhe<br />

auf sich einwirken zu lassen<br />

und den Lebenspuls dieser Stadt<br />

zu erfühlen.<br />

Mit dem Rücken zum Waltherdenkmal<br />

blicken wir auf den<br />

Dom. Von hier aus präsentiert<br />

er sich in seiner interessantesten<br />

und bekanntesten Ansicht.<br />

Vor uns liegt die Nordseite mit<br />

dem Chor, aus dem sich die Gnadenkapelle<br />

aus dem 18. Jahrhundert<br />

hervorschiebt, und mit dem<br />

Turm, der zum Wahrzeichen der<br />

Stadt geworden ist.<br />

Der Bau der Stadtpfarrkirche<br />

Mariä Himmelfahrt wurde 1295<br />

in romanischem Stil durch lombardische<br />

Bauleute begonnen<br />

und seit 1340 in gotischem Stil<br />

durch schwäbische Steinmetze<br />

fortgesetzt; durch diese Überlagerung<br />

der verschiedenen Stilelemente<br />

ist der Dom heute als<br />

121<br />

beispielhaft für die Bozner “Baukultur”<br />

anzusehen. Ab 1501 bis<br />

1519 errichtete der deutsche<br />

Meister Hans Lutz den gotischen<br />

Glockenturm, wohingegen die<br />

barocke Gnadenkapelle Mitte des<br />

18. Jahrhunderts von dem italienischen<br />

Architekten Giuseppe<br />

Dellai hinzugefügt wurde.<br />

Die Stadtpfarrkirche ist das hervorragendste<br />

Zeugnis gotischer<br />

Architektur der ganzen Region.<br />

Ihr Charakteristikum ist ihre elegante<br />

Schlankheit, die durch die<br />

verlängerten Stützpfeiler der Fenster,<br />

die steil aufragenden Dachflächen,<br />

die langgezogene Zuspitzung<br />

des Glockenturmes bewirkt<br />

wird. Mit diesen stilistischen<br />

Kunstgriffen versuchte die Gotik,<br />

das Streben der Seele zu Gott auszudrücken,<br />

einer Seele, die von<br />

jeglichem materiellen Gewicht befreit<br />

sich emporschwingt zu den<br />

Gefilden reiner Vergeistigung. Im<br />

Bemühen um diesen Ausdruck<br />

LEITACHER TÖRL


PFARRKIRCHE:<br />

DIE KANZEL<br />

VON HANS LUTZ<br />

(1514)<br />

trachten die Baumeister der Gotik<br />

stets, die drückende Schwere<br />

der tragenden Mauern zu mildern,<br />

indem sie mit zartem Maßwerk<br />

reichverzierte Fenster einfügen,<br />

die vertikalen Druckkräfte<br />

durch dünne, aufsteigende Bögen<br />

auffangen und den Bau zusätzlich<br />

mit zerbrechlich anmutenden<br />

Gesimsen, Fialen und Brüstungen<br />

versehen. Sämtliche vertikale<br />

Linien laufen zusammen und<br />

vereinigen sich in der 18m ho-<br />

21<br />

henKirchturmspitze. Diese<br />

zeigt Maßwerk<br />

in seiner höchstenVollendung:<br />

wie ein<br />

Spitzengewebe,<br />

durchschimmert<br />

vom Blau<br />

des Himmels,<br />

scheint sie sich<br />

in der Luft fast<br />

aufzulösen.<br />

Auf der<br />

Chorseite liegt<br />

das “Leitacher Törl”, so benannt<br />

<strong>nach</strong> dem vor diesem Tor<br />

ausgeübten Privileg des alleinigen<br />

Weinausschanks. Die Verzierungen<br />

um das Tor gehören zu<br />

den filigransten und wertvollsten<br />

gotischen Skulpturen, die<br />

der Dom aufzuweisen hat.<br />

Auch die Skulpturen, unverzichtbare<br />

Ergänzung der gotischen Architektur,<br />

sind Ausdruck der damaligen<br />

Geisteshaltung und Frömmigkeit;<br />

diese manifestiert sich<br />

besonders im harmonischen, fließenden<br />

Schwung der Linien, der<br />

den Figuren eine den vorangegangenen<br />

Kunstformen noch völlig<br />

fremde Lebendigkeit und Würde<br />

verleiht, menschliche Gefühle anspricht<br />

und an himmlische Glückseligkeit<br />

gemahnt; die Drapierungen,<br />

der reiche Faltenwurf tragen<br />

entschieden dazu bei, die Schönheit<br />

der Figuren hervorzuheben,<br />

unterstreichen die Gesten, verdeutlichen<br />

Haltung und Ausdruck,<br />

lassen die Gestalten einmal graziös<br />

und elegant, dann wieder würdevoll<br />

und edel erscheinen.<br />

Am Fuße des Glockenturms be-<br />

122<br />

vier Stadtrundgänge viEr stadtrundgängE<br />

findet sich ein wunderschönes<br />

Fresko mit einer Kreuzigungsszene:<br />

Maria, Johannes, die Hl.<br />

Barbara und die knienden Stifter<br />

finden sich zu beiden Seiten<br />

des Kreuzes mit dem sterbenden<br />

Christus ein; in diesem Werk aus<br />

der Veroneser Schule des ausgehenden<br />

14. Jahrhunderts gesellen<br />

sich zu der strengen Raumeinteilung,<br />

wie wir sie aus der<br />

Schule Giottos kennen und wie<br />

sie sich auf diesem Fresko in der<br />

Christusfigur manifestiert, die<br />

Eleganz der Gewänder und des<br />

Kopfschmucks, die Verzierungen<br />

und Verschönerungen der stehenden<br />

Figuren aus der Hochblüte<br />

der internationalen Gotik, wie<br />

sie von Verona ausgehend letztlich<br />

ganz Italien beherrscht hat.<br />

Eine phantasieanregende Kuriosität<br />

sollte nicht unerwähnt<br />

bleiben: seitlich links neben<br />

dem eben geschilderten Fresko<br />

befindet sich ein kleines Votivbild,<br />

das einen rastenden Wanderer<br />

zeigt, der durch eine herabfallende<br />

Glocke aus dem Schlaf<br />

gerissen wird.<br />

Weiter längs der Nordseite erreicht<br />

man rechter Hand das<br />

Hauptportal in der einfachen<br />

Giebelfassade mit Radfenster aus<br />

dem 14. Jahrhundert; ihm vorgesetzt<br />

ist ein romanisches Vorhäuschen<br />

mit zwei polygonalen<br />

Säulen auf großen Löwen, von<br />

denen aber nur der rechte noch<br />

original erhalten ist. Das wunderschöne<br />

Holzportal von Hanns<br />

Heim (1521) mit Reliefdarstellungen<br />

der Verkündigung und der<br />

vier Evangelisten, ein wertvolles<br />

Zeugnis der Renaissanceeinflüs-<br />

se auf deutsche Bildhauerkunst,<br />

wird <strong>nach</strong> den jüngst erfolgten<br />

Restaurierungsarbeiten im Stadtmuseum<br />

aufbewahrt.<br />

Das links vom Hauptportal befindliche<br />

Fresko thronende Maria<br />

mit Jesuskind mit Phantasiehintergrund<br />

wird durch N.Rasmo dem<br />

Künstler Hans Pacher zugeschrieben<br />

(Ende 15. Jahrhundert).<br />

Das Kircheninnere wird beherrscht<br />

durch die drei gleichhohen<br />

Schiffe, einer Eigenheit der<br />

spätgotischen Bauform sogenannter<br />

“Hallenkirchen”; durch keine<br />

Seitenwände behindert, wirken<br />

die 10 Pilaster besonders schlank,<br />

ein Eindruck, der sich weiter oben<br />

durch die elastisch anmutenden,<br />

eleganten spitzbogigen Kreuzgewölbe<br />

noch weiter verstärkt. Die<br />

rhythmische Abfolge der Bögen<br />

verleiht dem Kircheninneren eine<br />

besonders harmonische, einheitliche<br />

Atmosphäre. Das durch die<br />

großzügigen Fenster einströmende<br />

Licht verteilt sich gleichförmig<br />

auf den ganzen Innenraum und<br />

unterstreicht noch die Funktionalität<br />

des Tragewerkes, hebt dessen<br />

Schönheit, die Klarheit seiner<br />

Linien und Formen noch mehr<br />

hervor. Architektonischer Höhepunkt<br />

ist der von einem Umgang<br />

mit Fenstern eingerahmte Chor,<br />

ein wahres Meisterwerk der Gotik,<br />

in den sich abschließend die barocke<br />

Gnadenkapelle einfügt.<br />

Der Dom enthält bedeutende<br />

Malereien und Skulpturen.<br />

An der Innenfassade Szenen aus<br />

der Christophorus-Legende von<br />

Friedrich Pacher. An der rechten<br />

Wand Szenen der Hll. Dorothea<br />

und Martha, Fresken eines ita-<br />

21<br />

lienischen Meisters aus der Mitte<br />

des 14. Jahrhunderts. Darüber<br />

ein dreiteiliges Fresko mit Papst<br />

Urban V von der Hand eines emilianischen<br />

Künstlers <strong>nach</strong> 1370.<br />

Unter dem Triumphbogen befindet<br />

sich eine ehemals aus der Dominikanerkirche<br />

stammende Kreuzigung<br />

aus dem 14. Jahrhundert.<br />

Die Kanzel, ein Meisterwerk der<br />

Spätgotik, mit reich gegliedertem<br />

Fuß und beeindruckendem<br />

Maßwerk sowie Reliefs der vier<br />

Kirchenlehrer mit Evangelistensymbolen,<br />

ist ein Werk des Hans<br />

Lutz von 1514. Die vier Altäre in<br />

den Seitenschiffen sind neugotisch<br />

und stammen aus dem ausgehenden<br />

19. Jahrhundert.<br />

Der großartige Barockaltar ersetzt<br />

seit 1720 den seinerzeitigen<br />

hölzernen geschnitzten<br />

Hauptaltar von Hans Judenburg<br />

von 1420.<br />

Von Jacopo Pozzo entworfen<br />

und von G. Battista Ranghieri in<br />

Verona ausgeführt, mit 12 Statuen<br />

von Domenico Allio versehen,<br />

ist der Hauptaltar Ausdruck<br />

jener architektonischen Auffassung,<br />

die als Antithese zur Gotik<br />

bezeichnet werden könnte: während<br />

die Gotik auf Transzendenz<br />

ausgerichtet ist, versucht der barocke<br />

Stil, alles Göttliche auf die<br />

menschliche Gefühlsebene zu reduzieren.<br />

Die durch die Zergliederung<br />

der Basislinien und des Balkenwerks<br />

erzielte Vervielfältigung<br />

des Räumlichen sowie die Variierung<br />

der Flächen durch die konzentrische<br />

Anordnung der Säulen<br />

und Statuen finden ihre volle stilistische<br />

Übereinstimmung in der<br />

Haltung der Figuren, deren Ge-<br />

123<br />

stik und Bewegung Ausdruck einer<br />

Durchgeistigung sind, die Gott<br />

in der Fülle der seelischen Empfindungen<br />

erkennt.<br />

Die Gnadenkapelle besitzt Dekkenfresken<br />

von Karl Henrici<br />

(1771) mit Szenen aus dem Leben<br />

Mariä. Den Altar schmückt<br />

eine Madonnenstatue mit Jesuskind,<br />

eine Arbeit aus der Veroneser<br />

Schule um 1200 aus bemaltem<br />

Marmor. Eine Legende besagt,<br />

daß sie von einem Fuhrmann im<br />

sumpfigen Schilf an der Stelle ge-<br />

WANDMALEREIEN<br />

IN DER<br />

ST.JOHANNES-<br />

KAPELLE


KAPUZINER-<br />

KIRCHE: DER<br />

HL. FRAN-<br />

ZISCUS EMP-<br />

FÄNGT DIE OR-<br />

DENSREGELN<br />

funden worden sei, wo später die<br />

Kirche errichtet wurde.<br />

Durch die in den letzten Jahren<br />

erfolgte Errichtung des Pastoralzentrums<br />

<strong>nach</strong> Plänen des Architekten<br />

Othmar Barth entstand an<br />

dieser Stelle ein Platz, der den<br />

Namen Domplatz erhielt und auf<br />

welchem eine Bronzegruppe, die<br />

“Begegnung mit dem Auferstandenen<br />

auf dem Weg <strong>nach</strong> Emmaus”<br />

von Franz Kehrer aus St.<br />

Vigil in Enneberg (1996), ihren<br />

äußerst effektvollen Standplatz<br />

gefunden hat.<br />

Die Kapuzinergasse hinaufgehend<br />

gelangen wir auf den südseitig<br />

von der Kirche und dem<br />

ehemaligen Kloster der Dominikaner<br />

begrenzten Dominikanerplatz.<br />

Die Dominikanerkirche mit Hll.<br />

21<br />

Johannes- und Katharinenkapelle<br />

und dem anschließenden<br />

Kreuzgang ist an sich ein einziges<br />

großes Museum Südtiroler<br />

Malereikunst des 14. und 15.<br />

Jahrhunderts und wurde von den<br />

Dominikanern <strong>nach</strong> deren Eintreffen<br />

in Bozen 1272 in gotischem<br />

Stil erbaut.<br />

In der einzigen erhaltenen Kapelle<br />

auf der linken Seite befindet<br />

sich der vom Veroneser Meister<br />

Mattia Pezzi geschaffene Barockaltar,<br />

dessen Altarbild als bedeutendes<br />

Werk von G. Francesco<br />

Barbieri, bekannt als Guercino,<br />

angesehen werden kann; dargestellt<br />

ist die Erscheinung von Soriano<br />

mit der Jungfrau Maria, die<br />

dem Dorf Soriano Calabro das Gewand<br />

mit der Figur des Hl. Dominicus<br />

als Geschenk reicht.<br />

Von den ehemaligen Wandmalereien,<br />

einer wertvollen Sammlung<br />

südtiroler Malkunst aus dem<br />

14. Jhdt. sind nur wenige Reste<br />

auf der rechten Seite erhalten<br />

geblieben: darunter eine Maria<br />

auf dem Thron in reich verzierter<br />

Umrahmung, ein bedeutendes<br />

Werk, datiert von 1379,<br />

das das Eindringen des Veroneser<br />

Malstils der Schule des Altichiero<br />

in den Bozner Raum markiert.<br />

Auf dem daneben befindlichen<br />

Fresko aus der Schule des<br />

Martino da Verona sind die vier<br />

Heiligengestalten als zwei Edeldamen<br />

und zwei Höflinge dargestellt,<br />

deren elegante Kleidung<br />

und Haltung beispielhaft für das<br />

damalige höfische Leben sind.<br />

Rechter Hand gelangt man in<br />

die St.Johannes-Kapelle: diese<br />

von Giovanni de’ Rossi, ei-<br />

124<br />

vier Stadtrundgänge viEr stadtrundgängE<br />

nem <strong>nach</strong> Bozen übersiedelten<br />

reichen Florentiner Bankier errichtete<br />

Kapelle wurde im Auftrag<br />

seines Sohnes Nicolò zwischen<br />

1330 und 1335 von mehreren<br />

Malern der Giottoschule<br />

mit Wandmalereien versehen.<br />

Die vier verschiedenen Künstlern<br />

zuzuschreibende Bildgeschichte<br />

ist auf die drei Bögen der Kapelle<br />

verteilt und erzählt aus dem<br />

Leben der Hll. Johannes des Täufers,<br />

Johannes Evangelist und<br />

Nikolaus, wohingegen der größte<br />

Bildzyklus der Jungfrau Maria<br />

gewidmet ist.<br />

Obzwar diese Fresken stark beschädigt<br />

wurden, stellen sie doch<br />

ein hochinteressantes Ganzes dar,<br />

da sie Ausdruck des neuen Stils<br />

sind, der sich in Bozen während<br />

der ersten Jahrzehnte des 14. Jhdts<br />

durchzusetzen beginnt und<br />

sich durch eine neue Raumkonzeption<br />

und den Wunsch auszeichnet,<br />

die Heiligengeschichten<br />

in ein konkretes, reales Umfeld<br />

zu übertragen; an die Stelle<br />

der vergeistigten gotischen Kunst<br />

mit ihrer harmonisch-linearen<br />

Ausdrucksform tritt nun das Bemühen<br />

um menschlich-reelle Darstellung,<br />

um eine in Raum und<br />

Zeit unseres tatsächlichen Lebens<br />

wurzelnde Wahrheit.<br />

Von der alten Sakristei gelangt<br />

man in den Kapitelsaal und in<br />

die Katharinenkapelle. Auch diese<br />

wurde gegen die Mitte des<br />

14. Jahrhunderts vollständig mit<br />

Wandgemälden ausgestattet: an<br />

der Eingangswand Jüngstes Gericht;<br />

an der linken Wand Szenen<br />

aus dem Leben Jesu; an der rechten<br />

Wand Szenen aus dem Leben<br />

der Hl. Katharina. Triumphbogen:<br />

Verkündigung, Hl. Jakobus<br />

und Hl. Maria Magdalena.<br />

Der direkt vom Dominikanerplatz<br />

aus erreichbare Kreuzgang<br />

hat eine quadratische Form und<br />

wird von 21 Spitzbögen gesäumt,<br />

die seit dem Ende des 15. Jahrhunderts<br />

die ursprünglich hölzerne<br />

Decke ersetzen. Von den Fresken<br />

aus dem 14. Jahrhundert,<br />

mit denen alle Wände verziert<br />

waren, sind eine thronende Madonna<br />

sowie die Heiligen Jakobus<br />

und Antonius Abt und Stiftergruppe<br />

erhalten geblieben.<br />

Die Fresken des 1496 mit der<br />

Verzierung der Seitenwände und<br />

Volten an der Süd- und Ostseite<br />

beauftragten Friedrich Pacher<br />

(1440-1508) wurden erst jüngst<br />

restauriert: an den Wänden Szenen<br />

aus dem Leben Jesu und Mariens;<br />

das Gewölbe zeigt biblische<br />

und prophetische Darstellungen.<br />

Zu erwähnen die Kreuzigung,<br />

von Pacher mit der aufrüttelnden<br />

Drammatik nördlicher<br />

Darstellungsweise und in den aus<br />

Venedig und Padua übernommenen<br />

Farbgebungen ausgeführt.<br />

Beim Weitergehen gelangt<br />

man vom Dominikanerplatz in<br />

die Spitalgasse und dann linker<br />

Hand in die Dantestraße und<br />

hier liegt gleich zur Rechten der<br />

lichtdurchflutete Würfelbau des<br />

Museums für Moderne Kunst,<br />

“Museion” genannt. Dieses ist<br />

in zwei Gebäude gegliedert, von<br />

denen das kleinere die Werkstätten<br />

der Künstler enthält. Das eigentliche<br />

Museum ist in der Mitte<br />

gelegen: ein dreistöckiger Bau<br />

21<br />

von 54 Metern Länge mit trichterförmiger<br />

Fassadengestaltung<br />

und einer Metallabdeckung.<br />

Das 1985 gegründete Museion<br />

hat sich im Laufe der Jahre in<br />

zunehmendem Maße auf zeitgenössische<br />

Kunstrichtungen konzentriert<br />

und mehr als 3.000 Exponate<br />

angesammelt. Allein der<br />

Name “Museion” unterstreicht<br />

schon diese Öffnung gegenüber<br />

den unterschiedlichsten künstlerischen<br />

Ausdrucksformen der Gegenwart;<br />

man ist bemüht, nicht<br />

nur als Ausstellungsort zur Verfügung<br />

zu stehen, sondern als Zentrum<br />

der verschiedensten Aktivitäten<br />

zu wirken, als Treffpunkt<br />

der Kunst- und Kulturströmungen<br />

unserer Zeit. Von den Berliner<br />

Architekten Krüger, Schuberth<br />

und Vandreike geplant,<br />

soll die Transparenz und funktionelle<br />

Innengliederung des Baus<br />

die Stadt mit dem, was im Inneren<br />

des Museion vorgeht, in einem<br />

kontinuierlichen Dialog verbinden.<br />

Die beiden Stirnseiten<br />

haben daher Doppelfunktion: sie<br />

sind Schaufenster und gleichzeitig<br />

Projektionsflächen von Stadt<br />

und Umfeld. Ein flexibles System<br />

beweglicher Innenwände gestattet<br />

es, die Räume zu verändern<br />

und den jeweiligen Erfordernissen<br />

anzupassen.<br />

Mit seiner Sammlung, in der<br />

hauptsächlich Werke vertreten<br />

sind, die die seit den Sechzigerjahren<br />

des 20. Jahrhunderts anhaltende<br />

Tendenz zur Entmaterialisierung<br />

in der Kunst bezeugen,<br />

bemüht sich das Museion<br />

um eine ihm eigene Position;<br />

dazu tragen ein weitgesteck-<br />

125<br />

tes, abwechslungsreiches Programm<br />

zeitgenössischer Ausstellungen<br />

ebenso bei wie verschiedene<br />

Projekte und Aktivitäten,<br />

mit denen sich das Haus in die<br />

Kunstentwicklung unserer Zeit<br />

eingliedert, um zu einem Bestandteil<br />

der Stadt und des Lebens<br />

ihrer Bewohner zu werden.<br />

Die Einweihung des neuen Museumsgebäudes<br />

erfolgte im Frühjahr<br />

2008 mit der siebenten Biennale<br />

zeitgenössischer Kunst<br />

“Manifesta”.<br />

KREUZGANG IM<br />

DOMINIKANER-<br />

KLOSTER (INNEN-<br />

ANSICHT)<br />

MUSEUM FÜR<br />

MODERNE UND<br />

ZEITGENÖSSISCHE<br />

KUNST


• Bahnhof<br />

• rathausplatz<br />

• Bindergasse<br />

• Batzenhäusl<br />

• st. Johann<br />

im dorfe<br />

• lauben<br />

• obstmarkt<br />

• Kirche und<br />

Kreuzgang<br />

der franziskaner<br />

• museumstraße<br />

• stadtmuseum<br />

• mustergasse<br />

• silbergasse<br />

• Kornplatz<br />

OBEN: ALLEGORIE<br />

DER ELEKTRIZITÄT<br />

RECHTS: BOZNER<br />

LANDHAUS (ARCH.:<br />

ZÖGGELER)<br />

dieser Rundgang nimmt<br />

vom Bahnhofsplatz seinen<br />

Ausgang. Das Bahnhofsgebäude<br />

wurde 1928 von<br />

Angiolo Mazzoni auf den Mauern<br />

des ursprünglichen Baus von<br />

Sebastian Altmann aus dem 19.<br />

Jhdt. errichtet.<br />

Dem Bahnhof gegenüber liegt<br />

der <strong>nach</strong> Plänen des Bozener Architekten<br />

Oswald Zoeggeler erst<br />

jüngst errichtete Bau des Landhauses;<br />

in dessen Rücken steht<br />

auf dem Platz mit der Statue des<br />

König Laurin von A. Kompatscher<br />

(1903) das ehemalige Palais<br />

Widmann, ein der Renaissance<br />

<strong>nach</strong>empfundener Bau von<br />

21<br />

S. Altmann (1882), Sitz des Landeshauptmannes,<br />

sowie der aus<br />

dem Jahre 1955 stammende und<br />

mit Fresken von Peter Fellin und<br />

Karl Plattner dekorierte Bau mit<br />

Aula und Amtsräumen des Südtiroler<br />

Landtags.<br />

Der Froschbrunnen wurde <strong>nach</strong><br />

dem Krieg dem Originalmodell<br />

von 1930 getreu wieder aufgebaut.<br />

Wir schlagen die Richtung zur<br />

Weintraubengasse ein. Gleich<br />

linker Hand liegt ein eindrucksvolles<br />

Jugendstilgebäude von<br />

1910: das Hotel Laurin. Gegenüber,<br />

jenseits des Parkplatzes,<br />

126<br />

vier Stadtrundgänge viEr stadtrundgängE<br />

• 2. Besichtigungsrundgang<br />

das Haus der Kultur, Stammhaus<br />

deutschsprachiger Kulturverbände<br />

und des Theaters Walther von<br />

der Vogelweide.<br />

Die Weintraubengasse mündet<br />

auf den viereckigen Rathausplatz<br />

mit seinen schönen Häusern mit<br />

charakteristischen Erkern und<br />

Stuckverzierungen im Rokokostil.<br />

Dazwischen die Amonnhäuser<br />

mit modernen Wandmalereien<br />

von Albert Stolz. Rechter Hand<br />

öffnet sich ein Torbau, der seit<br />

1913 die Laubengasse mit dem<br />

Vorort Zwölfmalgrein verbindet.<br />

Das Rathaus ist ein wunderschönes<br />

Beispiel für den Neobarock,<br />

angereichert mit Jugendstilverzierungen<br />

aus der Zeit um 1900.<br />

Richtung Norden zweigt vom<br />

Rathausplatz die <strong>nach</strong> den einstmals<br />

dort ansässigen Handwerkern<br />

benannte Bindergasse<br />

ab. Heute noch verweisen einige<br />

gußeiserne Wirtshausschilder<br />

auf die seinerzeit hier entstandenen<br />

zahlreichen Wirtschaften<br />

und Gasthöfe. Am Ende der Bindergasse<br />

liegt rechts das ehemalige<br />

landesfürstliche Amtsgebäude<br />

von Maximilian I. Zwischen<br />

1500 und 1512 errichtet, beherbergt<br />

es heute das Naturmuseum<br />

Südtirol. Das Museum enthält<br />

nicht nur eine reichhaltige<br />

Sammlung an Original-Exponaten,<br />

sondern bietet auch dank<br />

interaktiver Spiele, Dioramen,<br />

Experimentiermöglichkeiten und<br />

Nachbauten eine anschauliche<br />

Übersicht über die komplexen<br />

Zusammenhänge der Natur: 300<br />

Millionen Jahre südtiroler geologische<br />

Geschichte werden hier<br />

verdeutlicht.<br />

Einmal hier angelangt, lohnt<br />

es sich, die wenigen Schritte bis<br />

in die parallel verlaufende Cavourstraße<br />

zu tun, von wo <strong>nach</strong><br />

links eine kleine Gasse abzweigt,<br />

die uns zu der alten Kirche St.<br />

Johann im Dorfe führt. Bereits<br />

1180 erstmals eingeweiht, wurde<br />

sie Anfang des 14. Jahrhunderts<br />

in romanisch-gotischem Stil neu<br />

erbaut. Ihre Bedeutung verdankt<br />

sie hauptsächlich den im<br />

Kircheninneren erhaltenen zwei<br />

übereinanderliegenden Schichten<br />

von Wandmalereien, die 1926<br />

entdeckt und vor kurzem restauriert<br />

wurden. Der ältere Zyklus<br />

(1330-40) wird einem Künstler<br />

deutscher Herkunft zugeschrie-<br />

21<br />

ben, der sich ganz offensichtlich<br />

des damals aufkommenden<br />

neuen Stils <strong>nach</strong> Giotto zu bedienen<br />

versuchte, ohne ihn jedoch<br />

ganz umzusetzen. Ihm sind<br />

die Darstellungen in der Apsis zu<br />

verdanken. Der zweite, von Boccione<br />

de’ Rossi bei Künstlern der<br />

Giottoschule aus dem Padovaner<br />

Umkreis in Auftrag gegebene Zyklus<br />

enthält an der rechten Wand<br />

vier Szenen aus dem Leben Johannes<br />

des Täufers und an der<br />

linken Seitenwand in vier Bildern<br />

die Legende des Hl. Johannes<br />

Evangelist (1360-70).<br />

Diesem Zeugnis Bozner Malerei<br />

aus der zweiten Hälfte des 14.<br />

Jahrhunderts ist großer Wert beizumessen.<br />

Man beachte die Bildkomposition:<br />

die Figuren sind einzeln<br />

oder in Gruppen in einer Weise<br />

angeordnet, daß die zeitliche<br />

Abfolge der einzelnen Episoden<br />

betont wird. Die architektonische<br />

Anordnung schafft Raumtiefe und<br />

einen gewissen Rhythmus und<br />

dient der perspektivischen Gruppierung<br />

der Personen; auf diese<br />

Weise wird die Heiligengeschichte<br />

in konkreten historischen Zusammenhang<br />

gestellt, kommt dem Erlebten<br />

Realität zu, scheint sich<br />

die göttliche Geschichte überzeugend<br />

in menschlicher Erfahrung<br />

widerzuspiegeln.<br />

Wieder zum Rathausplatz zurückgekehrt,<br />

wenden wir uns<br />

<strong>nach</strong> rechts unter die Lauben;<br />

diese ist die belebteste Straße<br />

der Stadt. Schon immer spielte<br />

sie eine vorrangige Rolle in der<br />

Geschichte und im Wirtschaftsleben<br />

Bozens. Ihr heutiges Erscheinungsbild<br />

geht auf das 16./17.<br />

127<br />

OBEN:<br />

NATURMU-<br />

SEUM<br />

MITTE:<br />

DIORAMA<br />

“MURMELTIE-<br />

RE“<br />

UNTEN:<br />

KIRCHE ZUM<br />

HL. GEORG:<br />

SEGNENDER<br />

CHRISTUS<br />

(1410)


KREUZGANG IM<br />

FRANZISKANER-<br />

KLOSTER: KREU-<br />

ZIGUNG (1340)<br />

KRÖNUNG MA-<br />

RIENS VON MI-<br />

CHAEL PACHER<br />

(1475)<br />

Jahrhundert zurück und ist noch<br />

immer erstaunlich einheitlich erhalten.<br />

Ein Blick <strong>nach</strong> oben gewährt<br />

interessante Ansichten der<br />

reich mit Blumenornamenten aus<br />

Stuck versehenen Häuserfronten<br />

mit ihren unterschiedlich verzierten<br />

Dachvorsprüngen.<br />

Verschiedene Gässchen und<br />

Durchgänge verbinden die Lauben<br />

mit den parallel verlaufenden<br />

Straßen, der Dr. Streiterund<br />

der Silbergasse. Man soll-<br />

21<br />

te es nicht verabsäumen, einige<br />

dieser Durchgänge zu begehen,<br />

denn sie liefern ein eindrucksvolles<br />

Bild von der Innenstruktur<br />

dieser alten Wohnbauten;<br />

beispielsweise ermöglicht<br />

ein bereits auf das Jahr 1549<br />

zurückreichendes altes Durchgangsrecht<br />

einen Einblick in<br />

den Ansitz Troilo (Lauben 51)<br />

mit Korridoren, kleinen Höfen<br />

mit Balkonen und Stiegenaufgängen<br />

mit den charakteristischen,<br />

gußeisernen Geländern.<br />

Die Nr. 66 enthält einen Durchgang<br />

mit Kreuzgewölbe, einen<br />

Lichthof mit Glaskuppel und Innenbalkonen,<br />

die einen reizvollen<br />

Kontrast zu den festgefügten,<br />

soliden Mauern des Hauses<br />

bilden. Nr. 30 ist das erst jüngst<br />

wieder instand gesetzte und für<br />

die Öffentlichkeit zugänglich gemachte<br />

Alte Rathaus mit Konferenzräumen,<br />

einem Café und ei-<br />

128<br />

vier Stadtrundgänge viEr stadtrundgängE<br />

ner kleinen Kunstgalerie. Lauben<br />

Nr. 39 ist das Merkantilgebäude,<br />

Sitz des Südtiroler Merkantilmagistrats.<br />

Von den Lauben gelangt man<br />

auf den mit seinen Obst- und Gemüseständen<br />

und bunten Schirmen<br />

malerisch anmutenden<br />

Obstmarkt. Vom Obstmarkt aus<br />

wenden wir uns <strong>nach</strong> rechts und<br />

erreichen <strong>nach</strong> wenigen Schritten<br />

die Franziskaner- und die<br />

Streitergasse; besonders letztere,<br />

deren Namen <strong>nach</strong> dem regen<br />

Zulieferungsverkehr für die<br />

Lager der in den Lauben gelegenen<br />

Geschäfte ehemals Karrengasse<br />

lautete, hat ihren mittelalterlichen<br />

Charakter fast unverändert<br />

beibehalten: heute noch<br />

wird sie von Stützbogen überspannt,<br />

die uralten Häuser weisen<br />

Gesimse, Giebel, Erker, Torbögen<br />

und schmale Fenster mit<br />

Gitterwerk auf.<br />

Linker Hand gelangen wir mit<br />

wenigen Schritten durch die<br />

Franziskanergasse bis zur Franziskanerkirche<br />

mit Kloster. Die<br />

vor der Kirche angebaute Säulenhalle<br />

wurde im Zuge des Wiederaufbaus<br />

<strong>nach</strong> den schweren Zerstörungen<br />

des letzten Krieges<br />

hinzugefügt. Das wunderschöne<br />

gotische Kircheninnere stammt<br />

aus dem Beginn des 14.Jahrhunderts.<br />

Der Chor ist ein vollendetes<br />

Beispiel tiroler Hochgotik.<br />

Der Hauptaltar enthält eines<br />

der hervorragendsten in Bozen<br />

erhalten gebliebenen Kunstwerke:<br />

den hölzernen Flügelaltar<br />

von Hans Klocker aus Brixen aus<br />

dem 16. Jahrhundert.<br />

In der Mitte ist im Vordergrund<br />

Christi Geburt dargestellt, dahinter<br />

auf hohem Sockel hinter dünnen,<br />

gedrehten Säulchen, die einen<br />

vergoldeten Doppelbaldachin<br />

tragen, der ganze Hofstaat<br />

der Heiligen Drei Könige. Dies<br />

alles wird umspannt von einem<br />

reich verzierten Rundbogenrahmen,<br />

auf dem Rebenstöcke und<br />

entzückende Figürchen von Winzern<br />

ineinander verschlungen<br />

sind. An den Flügeln vier Szenen<br />

aus dem Leben Mariens: Verkündigung,<br />

Aufopferung im Tempel,<br />

Beschneidung Jesu, Tod Mariens.<br />

Dieses Werk zeigt in bewundernswerter<br />

Weise die Fertigkeit des<br />

Meisters, einer Szene durch die<br />

Anordnung der Figuren das nötige<br />

Gleichmaß und die erforderliche<br />

Ausgewogenheit zu verleihen.<br />

Die Vergoldung unterstreicht<br />

durch die warmen Töne die Differenziertheit<br />

der Physiognomien<br />

und der Anteilnahme der einzelnen<br />

Figuren am Geschehen; in der<br />

Gestik der Hände, der Zuwendung<br />

eines geneigten Antlitzes, im Ausdruck<br />

der Augen scheint sich die<br />

tiefe Religiosität des Meisters widerzuspiegeln<br />

und wird der ganzen<br />

Szene wahrhafte Andacht verliehen.<br />

Die Außenseiten der Türen wurden<br />

<strong>nach</strong> 1499 von Konrad Waider<br />

aus Straubing bemalt. In vier<br />

Szenen ist der Abschied der Apostel<br />

dargestellt: die effektvolle<br />

Farbgebung unterstreicht nicht<br />

nur die Feierlichkeit der Darstellung,<br />

die Vornehmheit der Figuren<br />

und den reichen Faltenwurf<br />

der Kleidung, sondern vor allem<br />

beachtenswert ist die Land-<br />

21<br />

schaftsdarstellung: in kristallentransparentem<br />

Licht liegt eine<br />

unendlich weite Szenerie vor uns<br />

ausgebreitet, in die der Künstler<br />

jedes kleinste Detail liebevoll<br />

eingetragen hat.<br />

Der Besuch der Klosteranlage<br />

der Franziskaner schließt mit der<br />

Erhardskapelle, deren noch erhalten<br />

gebliebene, 1972 restaurierten<br />

Gemälde aus dem beginnenden<br />

14. Jahrhundert von der<br />

Hand eines deutschen Meisters<br />

uns einen Eindruck von der Gemäldekultur<br />

verschaffen, wie sie<br />

hierorts gepflogen wurde, bevor<br />

der neue von Giotto inspirierte<br />

Stil seinen Einzug hielt.<br />

Nun kehren wir zum Obstmarkt<br />

zurück und biegen dort <strong>nach</strong><br />

rechts in die Museumstraße ein:<br />

an der Ecke das Torgglhaus in<br />

neugotischem Stil ausgeführt,<br />

wie das gegenüberliegende Palais<br />

mit Giebeldach von Joseph<br />

Irschara, Ende des 19. Jahrhunderts.<br />

Am Ende der Museumstraße<br />

angelangt, lassen wir den Blick<br />

129<br />

<strong>nach</strong> rechts, gegen den oberen<br />

Teil der Sparkassenstraße<br />

schweifen: die hier befindlichen<br />

Bauten entstanden gegen<br />

Ende des vorigen Jahrhunderts<br />

in einem faszinierenden Mischstil,<br />

der neugotische Elemente<br />

mit den typisch langgestreckten,<br />

linearen Verzierungen des<br />

Jugendstils verwob. Gleich mehrere<br />

Gebäude ergeben mit ihren<br />

Türmchen, Vorsprüngen, Zinnen,<br />

Fialen und Balkonen einen einheitlichen,<br />

sehr eindrucksvollen<br />

Komplex.<br />

Linker Hand liegt das Stadtmuseum.<br />

In den Jahren von<br />

1902 bis 1904 erbaut, hat es<br />

ARCHÄOLOGISCHES<br />

MUSEUM<br />

VERKAUFSSTÄNDE<br />

AM ALTEN<br />

FISCHMARKT


PROJEKT<br />

STADTMUSEUM<br />

erst jüngst sein hundertjähriges<br />

Bestehen gefeiert. Der an unterschiedlichstenGeschmacksrichtungen<br />

orientierte Bau schöpft<br />

aus dem Architekturreichtum des<br />

Überetsch: ein hoher Turm mit<br />

zinnenbewehrtem Giebel in tiroler<br />

Neogotik und zwei dreibogige<br />

Fenster sind seine hervorstechendsten<br />

Merkmale. Dank dem<br />

Wirken von Nicolò Rasmo hat sich<br />

das Museum zu einem modernen<br />

und vitalen Kulturzentrum gewandelt.<br />

Seine historisch-künst-<br />

21<br />

lerischen Exponate zählen zu den<br />

reichhaltigsten, die in dieser Art<br />

in ganz Südtirol zu finden sind.<br />

Die Sammlung enthält Kunstwerke<br />

vom Mittelalter bis zum 20.<br />

Jahrhundert, romanische Madonnen<br />

und Kruzifixe ebenso wie gotische<br />

Flügelaltare und die berühmten<br />

volkskundlichen Schaustücke<br />

mit gotischen Stuben, originalen<br />

Trachten und Masken.<br />

Anläßlich des hundertjährigen<br />

Bestehens des Museums entschloß<br />

sich die Gemeinde Bozen<br />

sowohl zu einer Neugestaltung<br />

des Museumsinneren als auch zu<br />

einem Anbau in Form eines weiteren<br />

Gebäudeflügels. Der Plan<br />

der Ausschreibungsgewinner,<br />

der Architekten Mitthaler aus<br />

Bruneck und Schwienbacher aus<br />

Brixen, sieht hinter dem derzeitigen,<br />

unverändert beizubehaltenden<br />

Bau die Schaffung eines<br />

Platzes vor, auf dem ein neues<br />

fünfstöckiges Gebäude zur Gänze<br />

aus Porphyrgestein entstehen<br />

soll. Der Eingang wird dann<br />

130<br />

vier Stadtrundgänge viEr stadtrundgängE<br />

auf diesen neuen Platz verlagert<br />

werden, der als Verbindung zwischen<br />

den verschiedenen urbanen<br />

Bereichen und Sprachformen<br />

zu verstehen ist. Dadurch wird<br />

nicht nur mehr Raum geschaffen,<br />

sondern auch das kulturelle<br />

Angebot erheblich erweitert und<br />

reichhaltiger gestaltet. Das Museum<br />

soll bis 2010 wieder eröffnet<br />

werden.<br />

Ein Besuch des Museums ist<br />

nicht nur allen jenen anzuraten,<br />

die an der Geschichte, der Kunst<br />

und der Kultur Südtirols Interesse<br />

haben, sondern einfach jedem<br />

Genießer von Kunstwerken,<br />

die einer Tradition entspringen,<br />

welche Elemente des nördlichen<br />

Kulturkreises mit jenen der Klassik<br />

und Renaissance zu vermengen<br />

versteht und daher ob ihrer<br />

Besonderheiten auf den Besucher<br />

einen eher außergewöhnlichen<br />

und umso faszinierenderen<br />

Reiz ausüben.<br />

Vom Museum wandern wir weiter<br />

die Sparkassenstraße hinunter,<br />

um dann links in die Leonardo<br />

da Vinci-Straße einzubiegen.<br />

Ihr folgen wir bis zur Goethestraße,<br />

die den Obstmarkt mit<br />

dem Dominikanerplatz verbindet,<br />

und schwenken von dieser in die<br />

Mustergasse ein, eine der bedeutendsten<br />

Straßen Bozens aus<br />

dem 18. Jahrhundert, denn hier<br />

liegen einige der repräsentativsten<br />

Gebäude der Stadt: gleich<br />

rechts, auf dem Musterplatz, das<br />

Palais Pock; dieses wurde 1759<br />

als Hotelpalais für durchreisende<br />

Persönlichkeiten von Rang<br />

errichtet. In der Tat beherbergte<br />

es auch Gäste wie Papst Pi-<br />

us VI (1782) und Kaiser Franz I<br />

(1822), welch letzterer Besuch<br />

dem Gebäude auch die neue Bezeichnung<br />

“Kaiserkrone” eintrug,<br />

ein Name, der dem ebenerdig<br />

gelegenen Restaurant erhalten<br />

geblieben ist.<br />

Gleich dahinter liegt das aus der<br />

gleichen Zeit stammende Palais<br />

Campofranco, das um 1860 herum<br />

Erzherzog Rainer von Österreich<br />

und seinen kleinen Hofstaat<br />

beherbergte: das dreigeschossige<br />

Gebäude weist drei großzügige<br />

Portale, einen anmutigen Balkon<br />

im 1. Stock und zwei elegante<br />

Fensterreihen auf.<br />

Das gegenüberliegende Palais<br />

Menz wurde in der zweiten<br />

Hälfte des 17. Jahrhunderts errichtet<br />

und zum Teil im 18. und<br />

19. Jahrhundert erneuert; heute<br />

ist es Sitz der Banca Intesa<br />

San Paolo. Bei der Bankdirektion<br />

kann die Erlaubnis eingeholt<br />

werden, den in der zweiten Hälfte<br />

des 18. Jahrhunderts von Carl<br />

Henrici mit Wand- und Deckengemälden<br />

ausgestatteten Salon<br />

besichtigen zu dürfen: an der<br />

Decke Triumph Amors zwischen<br />

olympischen Gottheiten; an den<br />

Wänden sind in Ballszenen und<br />

Darstellungen von Maskenfesten<br />

das galante Leben und der Zeitvertreib<br />

der führenden Gesellschaftsschichte<br />

damaliger Zeiten<br />

lebensnah wiedergegeben.<br />

“Die Verzierungen des Saales<br />

scheint der Künstler einem Tiepolo<br />

<strong>nach</strong>empfunden zu haben, dessen<br />

künstlerisches Temperament<br />

dem seinen wohl nahestand ...<br />

er arbeitet mit lebhaften Tönen,<br />

21<br />

setzt klug perlfarbene Akzente,<br />

dosiert meisterhaft das Licht, verteilt<br />

eindrucksvoll figurale Elemente,<br />

in denen sich ebenfalls<br />

der venezianische Einfluß spürbar<br />

macht” (G. Conta)<br />

Vom Musterplatz führt uns ein<br />

Gässchen in die parallel gelegene<br />

Silbergasse. Hier befindet<br />

sich auch das <strong>nach</strong> den Plänen<br />

des Veronesers Francesco Perotti<br />

1727 errichtete Merkantilgebäude;<br />

mit gutem Fingerspitzengefühl<br />

verstand es der große<br />

Architekt, die Überladenheit<br />

des Barock durch die Hinzufügung<br />

klassischer Elemente<br />

voll schlichter, maßvoller Eleganz<br />

zu mildern. Das Gebäude<br />

war mehr als zwei Jahrhunderte<br />

lang Amtssitz des Merkantilmagistrates,<br />

der jeweils von den<br />

bedeutendsten der an den vier<br />

berühmten jährlichen Märkten in<br />

131<br />

Bozen teilnehmenden deutschen<br />

und italienischen Händlern gewählt<br />

wurde. Das prunkvolle Innere<br />

beeindruckt vor allem durch<br />

den Sitzungssaal mit Portraits<br />

von Mitgliedern des österreichischen<br />

Herrscherhauses, sämtlich<br />

in prächtigen Rahmen.<br />

Geht man rechts die Silbergasse<br />

weiter, gelangt man bis zum<br />

Kornplatz, dem antiken Mittelpunkt<br />

der Stadt: hier erhoben<br />

sich seinerzeit der 1277 von<br />

Meinhard II zerstörte Palast der<br />

Fürstbischöfe von Trient und die<br />

St. Andreas geweihte Hofkapelle.<br />

Hier befindet sich aber auch<br />

heute noch das Waaghaus, eines<br />

der ältesten Gebäude der Stadt.<br />

Links führt die ängstlich schmale<br />

Waaggasse wieder zurück in<br />

die Laubengasse. Wenden wir uns<br />

<strong>nach</strong> rechts, so gelangen wir wieder<br />

zurück auf den Waltherplatz.<br />

AMONNHÄUSER AM<br />

RATHAUSPLATZ


• talferbrücke<br />

• siegesplatz<br />

und -denkmal<br />

• griesplatz<br />

• Benediktinerabtei<br />

- stiftskirche<br />

zum hl.<br />

augustin<br />

• alte Pfarrkirche<br />

zu<br />

unserer lieben<br />

frau<br />

• haus der<br />

Kultur in<br />

gries<br />

• herzogspalast<br />

BENEDIKTINER-<br />

KLOSTER MURI-<br />

GRIES<br />

Wir verlassen den historischen<br />

Stadtkern<br />

und begeben uns auf<br />

die Talferbrücke. In deren Mitte<br />

halten wir an, um uns umzusehen:<br />

hinter uns die Altstadt,<br />

rechts das bepflanzte Flußbett<br />

und im Hintergrund die beiden<br />

bewachsenen Abhänge des Sarntals,<br />

auf denen verstreut gelegene<br />

Bergbauerngehöfte blinken;<br />

gegen den Himmel zeichnen sich<br />

deutlich die massigen Umrisse<br />

der Burg Rafenstein ab; weiter<br />

unten winkt von links der zugespitzte<br />

Kirchturm des gotischen<br />

St.Georg-Kirchleins aus<br />

dem 14. Jahrhundert herüber; im<br />

Süden sehen wir den Virglberg<br />

und den Zusammenfluß von Eisack<br />

und Talfer, der von den seit<br />

Jahrhunderten angesammelten<br />

Schwemmböden an den Südrand<br />

der Ebene bis dicht unter die<br />

Berge gedrängt wird.<br />

Vor uns aber liegen Siegesplatz<br />

und Siegesdenkmal, von der fa-<br />

21<br />

schistischen Regierung seinerzeit<br />

zur Erinnerung an den Sieg<br />

des Jahres 1918 an Stelle eines<br />

anderen, nämlich für die im ersten<br />

Weltkrieg gefallenen österreichischen<br />

Soldaten geplanten<br />

Mahnmals errichtet. Nach Plänen<br />

des berühmtesten Architekten<br />

des Faschismus, Marcello<br />

Piacentini, wurde das Siegesdenkmal<br />

am 12. Juli 1928 feierlich<br />

eingeweiht. Es erhebt sich<br />

auf einem wuchtigen Sockel; auf<br />

132<br />

vier Stadtrundgänge viEr stadtrundgängE<br />

• 3. Besichtigungsrundgang<br />

14 hohen Säulen in Form der Liktorenbündel<br />

mit Äxten ruht steinernes<br />

Gebälk mit einer lateinischen<br />

Aufschrift. Eine klare ideologische<br />

Aussage, ein Werk von<br />

Arturo Dazzi.<br />

Die Faszes, auch Liktoren- oder<br />

Rutenbündel genannt <strong>nach</strong> den<br />

Liktoren, Amtsdienern höherer<br />

Beamter des alten Roms, waren<br />

Zeichen derer Macht; waren sie<br />

auch befugt, die Todesstrafe zu<br />

verhängen, so wurde den Faszes<br />

noch die Axt hinzugefügt; daraus<br />

entstand das Wort “Fascismus”.<br />

Im Inneren sind seitlich neben<br />

einer Statue des auferstandenen<br />

Heilands die Büsten der drei<br />

Trentiner Märthyrer Cesare Battisti,<br />

Fabio Filzi und Damiano<br />

Chiesa angeordnet. Hinter dem<br />

Monument liegt ein kleiner Park,<br />

von dem aus man in die mit Malereien<br />

von G. Cadorin ausgestattete<br />

Krypta gelangt.<br />

Die Freiheitsstraße abwärts gelangen<br />

wir bald <strong>nach</strong> dem modernen<br />

Mazziniplatz auf den Grieserplatz,<br />

Mittelpunkt des gleichnamigen<br />

Stadtviertels. Rechter<br />

Hand liegt der weitverzweigte,<br />

in verschiedenen, aufeinanderfolgenden<br />

Epochen entstandene<br />

Komplex des Stiftsgebäudes der<br />

21<br />

Benediktiner von Muri-Gries. Der<br />

älteste Baukern, die Burg, wurde<br />

bereits im 13. Jahrhundert von<br />

den Grafen von Tirol errichtet.<br />

Von dieser Befestigungsanlage<br />

blieb bis in unsere Tage der alle<br />

umliegenden Gebäude überragende,<br />

massige Bergfried erhalten.<br />

Heute als Glockenturm genutzt,<br />

beherbergt er die größte<br />

Glocke Südtirols. Die 1406 von<br />

Augustinerpadres übernommene,<br />

1525 geplünderte und während<br />

der napoleonischen Kriege<br />

ebenfalls arg mitgenommene<br />

Abtei wurde 1807 von der bayrischen<br />

Regierung säkularisiert.<br />

1845 gelangte sie durch Schenkung<br />

an die Benediktiner von<br />

Muri in der Schweiz, die sie noch<br />

heute in Besitz haben.<br />

133<br />

STIFTSKIRCHE ZUM<br />

HL. AUGUSTIN:<br />

AUSSENFASSADE<br />

UND INNENANSICHT


HOLZKRUZI-<br />

FIX AUS DEM<br />

13. JHDT.<br />

RECHTS DANEBEN:<br />

DIE ALTE<br />

PFARRKIRCHE<br />

VON GRIES<br />

JUSTIZPALAST<br />

Vom Grieserplatz gelangt man<br />

unmittelbar in die Stiftskirche<br />

zum Hl. Augustin, ein <strong>nach</strong> den<br />

Plänen von G. Antonio Sartori errichtetes<br />

spätbarockes Bauwerk<br />

(1771). Säulen- und Pilastergliederung<br />

an der Außenfassade mit<br />

verkröpftem Gebälk und Volutengiebel<br />

mit fackeltragenden Vasen.<br />

Ausgewogenes, einschiffiges<br />

Kircheninneres mit Malereien und<br />

Altarsäulen, Arbeiten von Martin<br />

Knoller, der hier im Abstand von<br />

zwanzig Jahren in zwei Arbeits-<br />

21<br />

gängen tätig war. Seiner ersten<br />

Schaffensperiode entstammen<br />

die Fresken des Mittelschiffs und<br />

der Kuppel (1771-1774) mit der<br />

Verklärung des Heiligen. Innenfassade<br />

oberhalb der Orgel: die<br />

Bekehrung des jungen Augustin,<br />

der im Garten den Stimmen “tolle<br />

et lege“ lauscht; Langhausgewölbe:<br />

der Hl. Augustin überwindet<br />

die Häretiker; Kuppel: der<br />

Heilige in Betrachtung der Dreifaltigkeit<br />

in der Glorie des Paradieses.<br />

Vom Grieserplatz erreichen wir<br />

rechts weiter auf der M.Knoller-<br />

Straße die Alte Pfarrkirche zu Unserer<br />

Lieben Frau, ein sehr, sehr<br />

altes Gebäude, das im Laufe der<br />

Jahrhunderte verschiedene Änderungen<br />

und Erweiterungen erfuhr.<br />

In ihrer heutigen Form geht<br />

die Kirche auf das Ende des 15.<br />

Jhdts zurück und stellt mit dem<br />

gotischen Chor und der Erasmuskapelle<br />

an der Südseite ein anschauliches<br />

Beispiel für die Bauweise<br />

der Spätgotik dar. Es empfielt<br />

sich, um die Kirche herumzuwandern,<br />

um das raffiniertausgewogene<br />

Wechselspiel der<br />

134<br />

vier Stadtrundgänge viEr stadtrundgängE<br />

verschiedenen Struktur- und Verzierungselemente<br />

betrachten zu<br />

können.<br />

Im Inneren, an der Wand gegenüber<br />

dem Eingang, ein großes<br />

romanisches Holzkruzifix aus<br />

dem frühen 13. Jahrhundert, eine<br />

hervorragende, anatomisch<br />

sehr fein ausgeführte Arbeit;<br />

Meister und Herkunft sind jedoch<br />

leider unbekannt. Die langgestreckten<br />

Formen, die Zartheit<br />

und Leichtigkeit des Faltenwurfs,<br />

der Ausdruck auf Jesu’ Antlitz er-<br />

innern an die damalige französische<br />

Holzschnitzkunst. Rechts<br />

vom Hochaltar liegt die Erasmuskapelle<br />

mit dem Holzaltar von<br />

Michael Pacher (1471-1475), eines<br />

der Meisterwerke gotischer<br />

Skulpturen aus unserer Gegend.<br />

Erhalten geblieben sind davon<br />

der große mittlere Schrein mit<br />

der Krönung Mariä sowie zwei<br />

der ehemals vier Seitenreliefs<br />

mit Verkündigung und Anbetung<br />

der Könige. An der Rückwand 15<br />

Szenen aus dem Leben Christi<br />

von der Hand des schwäbischen<br />

Malers Konrad Waider aus Staubing<br />

<strong>nach</strong> 1488.<br />

“Michael Pacher, geboren um<br />

1430 nächst Bruneck, aufgewachsen<br />

im Pustertal und geschult<br />

an dem, den gotischen Traditionen<br />

verhafteten “sanften” österreichisch-steirischen<br />

Stil; während<br />

seiner Reifejahre Anlehnung<br />

an das neue Gedankengut,<br />

die Tongebung und die Perspektiven<br />

venezianischer Meister<br />

der italienischen Frührenaissance.<br />

Fasziniert von der Bildhauerkunst<br />

Hans Multschers aus Ulm,<br />

der den Hochaltar der Pfarrkirche<br />

von Sterzing fertigte, näherte<br />

er sich seinem Ideal einer heiteren<br />

Ausgeglichenheit zwischen effektvoller<br />

Ausdrucksform und plastischem<br />

Volumen. Durch seine<br />

zeichnerische Präzision, die den<br />

komplexen Darstellungsproblemen<br />

angediehenen Lösungen, die moderne<br />

Interpretation architektonischer<br />

Strukturen und eine neuartige,<br />

durch raffinierte Kunstgriffe<br />

erzielte Raumtiefe tritt Pacher,<br />

der letzte große Meister der Spätgotik,<br />

gleichzeitig bereits als un-<br />

21<br />

verwechselbarer Vertreter einer<br />

neu aufkeimenden Kunstrichtung<br />

hervor. Von den zahlreichen Arbeiten<br />

Michael Pachers sind leider<br />

viele Werke verloren gegangen<br />

oder vernichtet worden, als man<br />

während der Barockzeit gotische<br />

Kunst als überholt ansah. Dieses<br />

Schicksal erlitt auch der Altar der<br />

Grieser Pfarrkirche, dessen Mittelteil<br />

jedoch so lange in der Krypta<br />

verwahrt wurde, bis er endlich<br />

den ihm zukommenden würdigen<br />

135<br />

Platz in der Erasmuskapelle erhielt.”(<br />

G.Conta)<br />

In die M.Knoller-Straße zurückgekehrt,<br />

biegen wir in die<br />

Fagenstraße ein: gleich rechts<br />

liegt das Grieser Haus der Kultur;<br />

weiter vorne gelangen wir in<br />

der Prinz Eugen-Allee zum Eingang<br />

des Herzogspalastes (“Villa<br />

Roma”), der, 1934 für die Savoia<br />

erbaut, gegenwärtig Sitz des Regierungskommissariats<br />

der Provinz<br />

Bozen ist.<br />

HERZOGSPALAST<br />

SITZ DES IV.<br />

ARMEEKORPS


• Burg<br />

runkelstein<br />

Burg Runkelstein ist vom<br />

Siegesplatz in wenigen<br />

Autominuten zu erreichen.<br />

Mindestens drei gute<br />

Gründe sprechen dafür, während<br />

eines wenngleich nur kurzen<br />

21<br />

Aufenthaltes in Bozen unbedingt<br />

einen Besuch der Burg Runkelstein<br />

einzuplanen: Erstens konnte<br />

diese Anlage ungeachtet aller<br />

Einstürze, Verwüstungen und<br />

Wiederaufbauten, die sie wäh-<br />

136<br />

vier Stadtrundgänge viEr stadtrundgängE<br />

• 4. Besichtigungsrundgang<br />

rend ihres langen Bestandes über<br />

sich ergehen lassen mußte, den<br />

ursprünglichen Kern ihres architektonischen<br />

Aufbaus fast unversehrt<br />

beibehalten und stellt<br />

daher heute ein eindrucksvolles<br />

Beispiel einer mittelalterlichen<br />

Wohnburg und Verteidigungsanlage<br />

dar. Zweitens blieben mit<br />

den Fresken, die einige Säle der<br />

Burg zieren, wertvolle Dokumente<br />

der ritterlichen Profanmalerei<br />

aus der Zeit der “internationalen”<br />

Gotik erhalten. Der dritte<br />

Grund ist eher ästhetischer Art:<br />

wer könnte sich dem Eindruck<br />

dieser Burg entziehen, wie sie da<br />

hoch oben auf einem Felsen am<br />

Ausgang der Sarntaler Schlucht<br />

thront, wo die Talfer, endlich der<br />

Enge des Sarntals entronnen, ihre<br />

Gewässer in die Schwemmlandebene<br />

von Bozen ergießt und in<br />

weitem Bogen den Burgberg an<br />

drei Seiten umspült. Noch bevor<br />

wir uns an den Aufstieg wagen,<br />

sollten wir die Anlage umgehen,<br />

um von unten her ihre bauliche<br />

Gliederung und die beeindrukkenden<br />

Mauermassen auf uns<br />

wirken zu lassen, die scheinbar<br />

in dem Berg verwurzelt sich über<br />

uns erheben.<br />

Der Name der Burg (das italienische<br />

“roncola” bezeichnet eine<br />

Sichel, ein Rebmesser) erinnert<br />

an den Umstand, daß diese<br />

Burg in ehemals von undurchdringlicher<br />

Vegetation überwuchertem<br />

Gelände liegt. All dieses<br />

Gesträuch mußte erst mit Sicheln<br />

und Messern entfernt werden, um<br />

einen Zugang zu schaffen.<br />

Entstehungsgeschichtlich ist zwischen<br />

zwei wichtigen Bauphasen<br />

zu unterscheiden, die annähernd<br />

durch 150 Jahre von einander getrennt<br />

sind: dazwischen kam es<br />

im Jahre 1277 zur Eroberung und<br />

Verwüstung der Burg durch Meinhard<br />

II von Tirol. Die Baugeschich-<br />

21<br />

te läßt sich folgendermaßen kurz<br />

zusammenfassen: 1237 errichten<br />

die reichen und mächtigen Freiherren<br />

von Wangen, die Brüder<br />

Friedrich und Beral, eine Burg mit<br />

zwei Palassen und einer Burgkapelle;<br />

1277: Krieg zwischen Meinhard<br />

II und Fürstbischof Heinrich<br />

von Trient; Meinhard siegt,<br />

Eroberung der Burg Runkelstein<br />

und Ende der Macht der bischofstreuen<br />

Wangen; 1385: Ankauf<br />

der arg in Mitleidenschaft gezogenen<br />

Burg durch Nikolaus Vintler<br />

aus dem Kreis um Herzog Leopold<br />

von Österreich, durchgreifender<br />

Wiederaufbau und Erweiterung,<br />

es entstehen die Wandmalereien<br />

in den Palassen, im Sommerhaus<br />

und in der Kapelle.<br />

Alle diese Ereignisse fallen zeitlich<br />

in die Auseinandersetzungen,<br />

die sich Kirche und Kaisertum<br />

im 14. und 15. Jahrhundert<br />

um die Vorherrschaft lieferten;<br />

in dieser Gegend, durch die der<br />

wichtige Verbindungsweg zwischen<br />

den Regionen nördlich und<br />

südlich der Alpen verlief, gipfelte<br />

137<br />

dieser Konflikt in den Zwistigkeiten<br />

zwischen den Fürstbischöfen<br />

von Trient und den stolzen und<br />

streitsüchtigen Feudalherren.<br />

Die ursprünglich aus Graubünden<br />

stammende Familie der Wangen<br />

waren getreue Vasallen des Bischofs<br />

von Trient; im Jahre 1237<br />

ehelichte Beral Sofia, eine Tochter<br />

des Grafen Ulrich von Eppan;<br />

auf diese Weise verdichtete sich<br />

die Allianz zwischen den Herren<br />

von Wangen, jenen von Auer und<br />

denen von Eppan, vormaligen<br />

Fürstbischöfen von Brixen und<br />

später von Trient. Dem 1237 begonnenen<br />

Bau der Burg Runkel-<br />

WAPPEN DER<br />

FAMILIE<br />

VINTLER<br />

BADSTUBE


BALLSPIEL<br />

stein kommt unmißverständlich<br />

politische und militärische Bedeutung<br />

zu: ihre ursprüngliche<br />

Funktion ist die eines Verteidigungsbaus<br />

für das Land am rechten<br />

Talferufer gegen die Expansionstendenzen<br />

Meinhards II, der<br />

von seinem Sitz auf Schloss Tirol<br />

oberhalb Merans aus da<strong>nach</strong><br />

trachtete, sein Einflußgebiet<br />

auszudehnen, um schließlich das<br />

ganze Land in einer Hand unter<br />

dem Namen Tirol zu vereinen.<br />

Nach wechselhaftem Kriegsglück<br />

besiegte Meinhard 1277<br />

schließlich die Wangen und eroberte<br />

deren Burgen, darunter<br />

auch Runkelstein. Das ursprüngliche<br />

Gebäude wurde wohl soweit<br />

verwüstet, daß es nicht mehr<br />

bewohnbar war, doch wurde es<br />

21<br />

nicht gänzlich zerstört; völlig<br />

abgerissen hingegen wurde der<br />

über dem Burggraben thronende<br />

und mit einer Zugbrücke <strong>nach</strong><br />

der einzigen zugänglichen Seite<br />

hin ausgestattete Bergfried. Außer<br />

den Palassen, den Wohngebäuden<br />

der beiden Brüder Wangen,<br />

ragte auch noch eine Kapelle<br />

in den inneren Burghof. Es<br />

waren solide, doch nur mit sehr<br />

bescheidenem Wohnkomfort ausgestattete<br />

Gebäude. Wirklich bewundernswert<br />

ist hingegen die<br />

architektonische Kühnheit, das<br />

Fundament der umlaufenden Außenmauern<br />

auf den äußersten<br />

Rand der steil abfallenden Felswände<br />

aufzusetzen, sodaß sie<br />

mit diesen verwachsen eine trutzige<br />

Einheit bilden. Dieser Eindruck<br />

verstärkt sich noch durch<br />

die Verwendung des Felsgesteins<br />

als Baumaterial: graue und rosafarbene<br />

Porphyrblöcke, die an<br />

manchen Stunden des Tages den<br />

selben finster-düsteren Farbton<br />

wie ihre Umgebung annehmen.<br />

Nach ihrer Niederlage bewohnten<br />

die Wangen die Burg nicht<br />

mehr und <strong>nach</strong> dem Aussterben<br />

der Familie gelangte das Anwesen<br />

in den Besitz anderer Vasallen,<br />

bis es der letzte von ihnen<br />

schließlich 1385 an Nikolaus<br />

Vintler verkaufte. Schon drei<br />

Jahre später setzten umfangreiche<br />

Erneuerungs- und Ausbaumaßnahmen<br />

ein, die aus Burg<br />

Runkelstein eine der elegantesten<br />

Wohnstätten ihrer Zeit machen<br />

sollten.<br />

Die Burg war niemals wohnlich<br />

und bequem gewesen, nun aber<br />

wurde sie eigens in diesem Sinne<br />

138<br />

vier Stadtrundgänge viEr stadtrundgängE<br />

radikal “modernisiert”: die Palasse<br />

wurden erweitert und um einen<br />

Stock erhöht, an der Nordseite<br />

wurde ein weiteres Gebäude<br />

mit Loggia und überdachtem<br />

Söller hinzugefügt; sämtliche<br />

Räumlichkeiten, einschließlich<br />

der Kapelle, wurden mit reichen<br />

Wandmalereien ausgestattet,<br />

die dem Geschmackssinn<br />

und Weitblick des Bauherren alle<br />

Ehre machen.<br />

Leider blieb Burg Runkelstein<br />

nur wenige Jahre im Besitz des<br />

Nikolaus Vintler: zur Flucht vor<br />

Herzog Friedrich mit der leeren<br />

Tasche gezwungen, starb er<br />

1413 ohne Erben. Nie wieder<br />

sollte Burg Runkelstein in späteren<br />

Jahren den Glanz dieser Zeiten<br />

erleben; alles was nun kam,<br />

war eine traurige Abfolge von<br />

Verwahrlosung und Verwüstung,<br />

selten unterbrochen von kurzen<br />

Perioden mehr oder weniger radikaler<br />

oder gelungener Renovierungen.<br />

1893 gelangte Burg Runkelstein<br />

schließlich als Geschenk Kaiser<br />

Franz Josefs definitiv in den Besitz<br />

der Stadt Bozen. Seit dem<br />

zweiten Weltkrieg bemüht sich<br />

die Oberintendantur für Kunst im<br />

Zuge gezielter und wissenschaftlich<br />

fundierter Sanierungs- und<br />

Instandsetzungsarbeiten um die<br />

Erhaltung des Mauerwerks und<br />

der Fresken. So hat die Stadtverwaltung<br />

Burg Runkelstein zu<br />

einem Kultur- und Kongreßzentrum,<br />

einem Veranstaltungsort<br />

für Sommerspiele und Musikaufführungen<br />

gemacht. Auf diese<br />

Weise ist es gelungen, die Burg<br />

erneut ihrer Berufung als kultureller<br />

Mittelpunkt zuzuführen,<br />

wie es sich ein Nikolaus Vintler<br />

in jenem kurzen Frühling am<br />

Übergang zwischen zwei Jahrhunderten<br />

für sie erträumt haben<br />

mag.<br />

Die noch immer in der Burg erhaltenen<br />

mittelalterlichen Wandmalereien<br />

wurden bereits erwähnt.<br />

Die Motive und die Maltechnik<br />

lassen sie in die ausklingende,<br />

als “international” oder “Flamboyant”<br />

bezeichnete Gotik einordnen.<br />

Diese von Frankreich ausgehende<br />

Kunstrichtung verbreitete<br />

sich in den letzten Jahrzehnten<br />

des 14. Jahrhunderts in ganz<br />

Europa. Sie ist hauptsächlich gekennzeichnet<br />

durch einen ausgeprägten<br />

„Naturalismus“: die Natur<br />

wird als Ort der Entspannung,<br />

der Zerstreuung und Erholung, als<br />

passender Hintergrund für höfische<br />

Konversation und Liebeständeleien<br />

gesehen; das Leben spielt<br />

sich im Freien, in blumigen Gärten<br />

ab, die Burg aber, Symbol der<br />

Macht und des höfischen Lebens,<br />

ist im Hintergrund stets präsent.<br />

Nach diesem Vorbild beginnt sich<br />

auch das Leben der Bürgerschaft<br />

auszurichten, die durch den wirt-<br />

21<br />

schaftlichen Aufschwung und die<br />

reger werdenden Handelsbeziehungen<br />

an Reichtum gewinnt. Somit<br />

kommt auch der Kleidung, den<br />

Frisuren, allem, was Eleganz und<br />

Wohlstand ausmacht, in der Malerei<br />

immer größere Bedeutung zu.<br />

Die innere Harmonie spiegelt sich<br />

in der harmonischen Naturdarstellung:<br />

die langgestreckten Linien<br />

der Gesichter und Hände und aller<br />

zusätzlicher Details sollen der Heiterkeit,<br />

Beschwingtheit und Musikalität<br />

Ausdruck verleihen, welche<br />

Hauptelemente des damaligen<br />

Kulturempfindens waren.<br />

Die Landschaft ist das Umfeld,<br />

139<br />

SAUHATZ<br />

FISCHEREI


HÖFISCHES TANZ-<br />

VERGNÜGEN<br />

TAFELRUNDE<br />

in welchem sich das Leben abspielt:<br />

daher werden die einzelnen<br />

Monate dargestellt mit den<br />

jahreszeitlich bedingten unterschiedlichen<br />

Tätigkeiten und Aufgaben,<br />

wie sie sich auch auf Kapitell-<br />

und Türornamenten mittel-<br />

21<br />

alterlicher Skulpturen finden. Alle<br />

diese Motivelemente sind im einzelnen<br />

genommen naturbezogen<br />

und realistisch - es ist ihre idealisierte<br />

Zusammenstellung, die sie<br />

“phantastisch” macht und eine<br />

Märchenlandschaft daraus entstehen<br />

läßt.<br />

Bürgerschaft und Adel befriedigen<br />

ihren Wunsch <strong>nach</strong> einem heroischen<br />

Leben und ihr Streben<br />

<strong>nach</strong> gefühlsbetonten Zerstreuungen<br />

durch die Lektüre ritterlicher<br />

Epen, die den Künstlern jener<br />

Zeit eine schier unerschöpfliche<br />

Vielfalt an Motiven für die<br />

Ausschmückung der Wohnräume<br />

lieferten. Die in den wertvollen<br />

liturgischen und auch literarischen<br />

Handschriften jener Epoche<br />

enthaltenen Miniaturen wurden<br />

zum hauptsächlichen Träger<br />

für die Verbreitung dieser Kunstrichtung.<br />

In Italien lag das Zentrum dieser<br />

Kunstgattung in Verona; Stefano<br />

da Verona (1374-1438)<br />

schuf in dieser Zeit seine Meisterwerke.<br />

Es war eine Gruppe von der<br />

italienischen Malerei des Padovaner<br />

und Veroneser Raumes eng<br />

verbundenen Bozner Malern, denen<br />

die Fresken im Westpalas zu<br />

verdanken sind, dem ersten Ziel<br />

auf unserem Besichtigungsrundgang<br />

durch Burg Runkelstein.<br />

Westpalas<br />

Dieses Wohngebäude ist vom<br />

Hof über eine Außentreppe begehbar.<br />

Eine Holztreppe aus dem<br />

19. Jahrhundert führt vom ersten<br />

weiter in den zweiten Stock.<br />

140<br />

vier Stadtrundgänge viEr stadtrundgängE<br />

Spielzimmer: an zwei Wänden<br />

und in der Fensternische Szene im<br />

Freien: links schlägt ein Musiker<br />

die Laute, plaudernde und spielende<br />

Paare halten einander bei<br />

den Händen; rechts eine Gruppe<br />

sechs junger Leute, die mit einem<br />

mittelalterlichen Ritterspiel<br />

beschäftigt sind: eine Dame und<br />

ein Herr stemmen, mit Unterstützung<br />

von je zwei Helfern, Fuß gegen<br />

Fuß im Versuch, einander,<br />

die Beine in der Höhe, umzuwerfen.<br />

Als Landschaftshintergrund<br />

sind burgbewehrte Hügel dargestellt:<br />

bei der ersten Burg rechter<br />

Hand handelt es sich zweifelsohne<br />

um Runkelstein selbst,<br />

wie sie sich <strong>nach</strong> den 1388 begonnen<br />

Umbauten dem Betrachter<br />

darstellte. Die Palasse sind<br />

bereits aufgestockt, doch auf der<br />

linken Seite fehlt noch das erst<br />

später errichtete “Sommerhaus”.<br />

Aus der zinnengekrönten Mauer<br />

ragt eine Winde mit Flaschenzug,<br />

woran das Baumaterial in die Höhe<br />

gezogen werden soll. Im Talgrund<br />

rauscht ein Fluß, sicherlich<br />

die Talfer, die durch ihre Windungen<br />

die einzelnen Szenen miteinander<br />

verbindet.<br />

Badestube: auch dies ist ein<br />

Aufenthaltsraum; seinen Namen<br />

bezieht er von den in den Fresken<br />

enthaltenen unbekleideten<br />

Figuren, die eine Seltenheit in<br />

der damaligen Malerei darstellen.<br />

Es ist der am besten erhaltene<br />

Raum: an den vier Wänden<br />

im unteren Teil rotes Teppichgehänge<br />

mit Tiermotiven (Adler,<br />

Hirsche) und Sternen; oberhalb<br />

ist rund um den Raum eine Loggia<br />

mit Figuren aufgemalt: auf<br />

der einen Seite die Edeldamen,<br />

auf der gegenüberliegenden die<br />

Kavaliere, auf der dritten Tiere<br />

und Fabelwesen und auf der<br />

vierten unbekleidete Gestalten,<br />

die sich scheinbar anschicken,<br />

ins Bad zu steigen. Die Edelfräulein<br />

und die Ritter auf den ersten<br />

beiden Wänden sind hochelegant<br />

bekleidet und geben lebhaftes<br />

Zeugnis von der damaligen Mode.<br />

Darüber verläuft ein Fries im<br />

Wechselspiel aus Blätterwerk und<br />

Vierpaßen mit verschiedenen Figürchen.<br />

Selbst wenn die Aussage<br />

des Ganzen nicht vollkommen<br />

verständlich ist, stellt dieser<br />

Raum dennoch ein unbezahlbares<br />

Dokument der Profanmalerei<br />

jener Zeiten dar.<br />

Im Oberstock zwei Säle mit<br />

prächtigen Spitzgewölbedecken.<br />

Im unteren Teil des ersten Saales<br />

Szenen aus dem höfischen Leben<br />

im Freien; von links: das Ballspiel,<br />

betrieben von zwei Gruppen,<br />

bestehend aus Edelfräulein<br />

und Kavalieren; der Tanz, wobei<br />

die Tänzer einander bei der<br />

Hand halten und sich zu der Musik<br />

zweier Lautenspieler bewegen;<br />

weiters verschiedene, sehr<br />

bewegte Jagdszenen mit lebendiger<br />

Wiedergabe der beteiligten<br />

Personen, Tiere und auch der Vegetation;<br />

daraufhin die Jagd im<br />

Gebirge, eine eindrucksvolle Abfolge<br />

vieler Kleindarstellungen,<br />

wobei der Wald nur so von Tieren<br />

wimmelt, die von überall her<br />

zu kommen scheinen; sehr präsent,<br />

von Anbeginn bis zum Ende<br />

der Bilderzählung, ist immer<br />

die Burg, von der die Jäger kommen<br />

und zu der sie auch zurück-<br />

21<br />

kehren. An der vierten Wand der<br />

Fischfang, ein seltenes Stück alter<br />

Malerei: Damen und Kavaliere<br />

fischen mit Lanzen und Netzen<br />

in einem von silbrig glitzernden<br />

Fischchen nur so überquellenden<br />

Weiher; Pflanzen, Blumen und<br />

exotische Vögel umrahmen diese<br />

zentrale Gruppe.<br />

Im dreifachen Bogenfeld an<br />

der Südseite ein Fresko mit Ritterturnier:<br />

eine sehr lebendige<br />

Szene mit einem Schiedsrichter,<br />

der von der rechten Seite<br />

her die reguläre Abwicklung des<br />

Wettkampfes überwacht, während<br />

die Edeldamen das Geschehen<br />

von den Söllern und Türmchen<br />

der Burg aus verfolgen. Die<br />

wunderschöne Bildkomposition<br />

unterstreicht das handwerkliche<br />

Geschick des Malers: von<br />

der Bewegung der Pferde angefangen<br />

bis hin zu den geometrischen<br />

Mustern auf den Schilden,<br />

den Rüstungen und dem Sattelzeug<br />

sind sämtliche Details mit<br />

unendlicher Liebe und Genauigkeit<br />

ausgeführt. Wunderschön<br />

auch das Rahmenfries mit Wappen<br />

und Laubgirlanden.<br />

Im nächsten Saal eine weitere<br />

wunderschöne Turnierszene:<br />

in der Mitte tummeln sich Pferde<br />

und Reiter, rechts die Schiedsrichter<br />

mit den Bläsern und Trompetern,<br />

links die Damen, die dem<br />

Wettkampf von zwei, mit großen<br />

Sonnendächern überspannten<br />

Wagen aus zusehen. Unterhalb,<br />

an den Wänden, einander gegenüber<br />

angeordnete Paare hinter<br />

einem Parapet, von welchem bestickte<br />

Draperien herabhängen.<br />

141<br />

Sommerhaus<br />

Von den Fresken, die seinerzeit<br />

die durch vier weite Bögen zum<br />

Hof geöffnete ebenerdige Halle<br />

zierten, sind einfarbige Vierpaßmedaillons<br />

mit Brustbildern der<br />

römischen und deutschen Kaiser<br />

erhalten geblieben. Im ersten<br />

Stockwerk sind noch die Malereien<br />

an den Außenwänden des Söllers<br />

und in den Gemächern zu erkennen.<br />

Sie alle wurden zu Beginn<br />

des 16. Jahrhunderts auf<br />

Veranlassung Kaiser Maximilians<br />

I. restauriert, der sich hier zeitweise<br />

zur Sauhatz aufhielt, als<br />

die wasserreichen Ebenen rund<br />

um Bozen noch von Wildschweinen<br />

in großer Zahl bewohnt waren.<br />

TURNIERSZENE


TRISTANLEGENDE<br />

An der Längswand des Söllers<br />

sind in Dreiergruppen illustre<br />

Persönlichkeiten dargestellt,<br />

beginnend mit den Helden der<br />

Antike (Hektor, Cäsar und Alexander)<br />

bis hin zu den drei berühmtesten<br />

Riesenweibern (Hilde,<br />

Vodelgard und Rachmin) und<br />

den bekanntesten Zwergen (Goldemar,<br />

Bibunch und Alberich).<br />

Unter die Helden der klassischen<br />

Antike mischen sich Ritter und<br />

Gestalten aus Volkssagen.<br />

Vom Söller aus erreicht man die<br />

drei inneren Gemächer: rechts<br />

sehen wir - in gutem Erhaltungszustand<br />

- vier Szenen zu<br />

der Tristansage, linker Hand die<br />

Erzählung von Garel vom blühenden<br />

Tale, einem Helden der<br />

Artusrunde. Alle diese Fresken<br />

21<br />

stammen von der Hand anderer,<br />

möglicherweise nordischer<br />

Meister als die Malereien des<br />

Palas. Obwohl es schwer ist,<br />

ihre urspüngliche Ausführung<br />

zu erahnen, da sie sämtlich zu<br />

Zeiten Maximilians I. von Max<br />

Reichlich und seinen Gehilfen<br />

<strong>nach</strong>gemalt wurden, sind sie<br />

dennoch hochinteressant, da<br />

sie uns einen Einblick in die<br />

damalige Kultur und Denkweise<br />

verschaffen und in zahlreichen<br />

Motiven die Erzählungen<br />

aus mittelalterlichen Epen wiedergeben.<br />

Kapelle<br />

Ein romanischer, einschiffiger<br />

Bau mit Tonnengewölbe<br />

und halbrunder Apsis. An der<br />

Eingangswand und den beiden<br />

Seitenwänden lassen sich Reste<br />

von Darstellungen aus dem Leben<br />

der Hll. Katherina, Christophorus<br />

und Antonius erkennen,<br />

denen die Kapelle gewidmet war.<br />

In der Apsis eine Kreuzigung<br />

und in den Fensterlaibungen vier<br />

142<br />

vier Stadtrundgänge<br />

Heilige. Diese leider sehr mitgenommenen<br />

Fresken werden zur<br />

Zeit durchgreifend restauriert.<br />

Sie stammen von der Hand des<br />

Hans Stotzinger aus Ulm, einer<br />

der begnadetsten Künstlerpersönlichkeiten,<br />

die Anfang des<br />

15. Jahrhunderts in Bozen wirkten.<br />

Er verstand es vortrefflich,<br />

traditionelles deutsches Kunsthandwerk<br />

mit der italienischen<br />

Padovaner und Veroneser Schule<br />

auf originelle Weise miteinander<br />

zu vereinen.<br />

Nach jahrelangen Restaurationsarbeiten<br />

hat Schloß Runkelstein<br />

am 19.April 2000 seine<br />

Tore wieder geöffnet. Zugleich<br />

wurde auch die antike Taverne<br />

im Burghof wieder eröffnet, die<br />

mit ihrem abwechslungsreichen<br />

und sehr bodenständigen Angebot<br />

den Besuchern Möglichkeit<br />

bietet, unvergeßliche, fast magische<br />

Momente innerhalb dieser<br />

alten Burgmauern zu verleben<br />

und auf diese Weise ihren<br />

Aufenthalt in Bozen ausklingen<br />

zu lassen.

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