Einladung nach BozEn
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ISBN 88-95958-01-9<br />
ISBN 88-95958-01-9<br />
9 7 8 8 8 9 5 9 5 8 0 1 9<br />
€uro 25,00<br />
9 7 8 8 8 9 5 9 5 8 0 1 9<br />
Fünfzehn Jahre sind bereits seit der Erstauflage dieses Führers<br />
vergangen. Seither hat die Stadt Bozen tiefgreifende<br />
Veränderungen erfahren. Ein neuer Wind hat hier Einzug gehalten:<br />
die Universität und andere Ausbildungs- und Kulturstätten,<br />
die Theater und Konzertsäle lassen die schwindende<br />
Bedeutung von Landes- und Staatsgrenzen und die Öffnung<br />
Europas <strong>nach</strong> Osten spürbar werden, haben neue Impulse<br />
für weitere Entwicklungen gesetzt und tragen dazu<br />
bei, daß die Südtiroler Landeshauptstadt als eines der interessantesten<br />
und vitalsten Zentren des gesamten Alpenbogens<br />
anzusehen ist.<br />
Alle diese Veränderungen ließen es notwendig erscheinen,<br />
die EINLADUNG NACH BOZEN inhaltlich zu aktualisieren, damit<br />
sich darin die Stadt so wiederfindet, wie sie heute ist:<br />
eine pulsierende, sehr vielschichtige Metropole, die den Besucher<br />
unweigerlich in ihren Bann zieht; dazu, dass er den<br />
Wunsch verspüre, sie noch besser kennenzulernen, möchte<br />
der vorliegende Band gerne beitragen.<br />
Eindrucksvolle, fast poetische Bilder des bekannten Photographen<br />
Bruno Marchetti veranschaulichen die einzelnen<br />
Kapitel.<br />
Mario Paolucci, spezialisierte sich <strong>nach</strong> dem Doktorat in<br />
Philologie an der Mailänder Cattolica in weiterer Folge<br />
auf klassische Philologie an der Universität München und<br />
unterrichtete bis 1989 Latein und Griechisch am Carducci<br />
Gymnasium in Bozen. Von 1961 bis 1971 oblag ihm die<br />
Organisation und Leitung der Radio- und Fernsehprogramme<br />
des regionalen RAI-Senders Bozen, von 1970 bis 1980<br />
wirkte er als Kunstkritiker der Tageszeitung “Adige”. Er ist<br />
Vorsitzender der Associazione Nuovo Spazio di Bolzano, die<br />
seit 1979 eine erfolgreiche Laienbühne im Grieser Gemeindetheater<br />
unterhält.<br />
Mario Paolucci <strong>Einladung</strong> <strong>nach</strong> <strong>BozEn</strong> Ein Stadtführer Maya idEE<br />
Mario Paolucci<br />
<strong>Einladung</strong> <strong>nach</strong> <strong>BozEn</strong><br />
Ein Stadtführer<br />
EditricE Maya idEE
<strong>Einladung</strong> <strong>nach</strong> <strong>BozEn</strong><br />
Ein Stadtführer<br />
Mario Paolucci<br />
natur | Kunst | gEschichtE | Kultur | MusiK | sPort | shoPPing | MEssEn
4 5<br />
Bozen! Das ist eine Stadt im<br />
Grenzbereich zwischen zwei verschiedenen<br />
Geschichts- und Kulturkreisen.<br />
Sie vereinigt auf einzigartige<br />
Weise die unterschiedlichsten Elemente.<br />
Will man diese Stadt begreifen<br />
und lieben lernen, so bedarf es einiger<br />
Zuwendung und großer Behutsamkeit -<br />
eine nicht gerade einfache Aufgabe in<br />
unserer schnelllebigen Zeit, in der rasche,<br />
oberflächlich zusammenfassende<br />
Beurteilungen längst zu einer alltäglichen<br />
Notwendigkeit geworden sind.<br />
Gewiß mangelt es nicht an Bildbänden<br />
und Führern, die den Besucher hinlänglich<br />
mit jedem Winkel dieser Stadt<br />
bekanntmachen; der hier vorliegende<br />
Band hat es sich zur Aufgabe gemacht,<br />
dem Leser das besondere Flair dieser<br />
Stadt zu erschließen, ihm verborgene<br />
Schönheiten zu entdecken und nebst<br />
einer eingehenderen Kenntnis ihrer Sehenswürdigkeiten<br />
auch das Verständnis<br />
für die Symbiosefunktion Bozens zu<br />
vermitteln.<br />
Verstärkte Bedeutung kommt dieser<br />
Aufgabe dadurch zu, daß sich Bozen<br />
nun <strong>nach</strong> dem Wegfall der nationalen<br />
Grenzen und dank der Erweiterung der<br />
Europäischen Union durch den Beitritt<br />
der Ostländer seiner wichtigen Rolle im<br />
Wirtschafts- und Kulturleben ebenso<br />
wie im Fremdenverkehr innerhalb eines<br />
neuen Europa bewußt geworden ist, das<br />
in stetig zunehmendem Maße immer<br />
neuer Möglichkeiten für ein friedliches<br />
Aufeinandertreffen und Verschmelzen<br />
seiner unterschiedlichen Kulturen und<br />
Sprachen bedarf.
Editrice MAYA Idee<br />
Via Ca’ di Cozzi, 10<br />
37124 Verona<br />
Tel. 045 8352382<br />
Für die zur Verfügung gesstellten Fotos wird gedankt:<br />
Kurverwaltung Bozen<br />
Presseamt der Gemeinde Bozen<br />
Michele Pasqualotto<br />
Stiftung Stadttheater und Konzerthaus<br />
Südtirol Marketing<br />
Alois Lageder<br />
Yes Foto Studio<br />
Margherita Spiluttini<br />
Augustin Ochsenreiter ®Stadt Bozen 2007<br />
Amt für italienische Kultur der Aut. Provinz Bozen-Südtirol<br />
Entwurf und Druck<br />
Past, via Scuderlando, 209<br />
Verona<br />
Tel. 045 500296<br />
Titel der Originalausgabe “Invito a Bolzano”<br />
Übersetzung: Ulrike Kantidis, Wien<br />
6<br />
1 <strong>Einladung</strong> <strong>nach</strong> Bozen 11<br />
2 Bozens verschiedene Stadtviertel 17<br />
3 Bozen für Fußgänger 27<br />
4 Bozen für Radfahrer 31<br />
5 Bozen für Seilbahnfahrer 37<br />
6 Bozen, das “Tor zu den Dolomiten” 41<br />
7 Bozner Kulturleben 43<br />
8 Bozen und die Musik 51<br />
9 Theater und Kulturveranstaltungen 57<br />
10 Der Mann aus dem Eis 63<br />
11 Bozen und der Sport 67<br />
12 Bozen als Stadt der Jugend 73<br />
13 Bozner Erzeugnisse 77<br />
14 Kleines Einkaufsbrevier 83<br />
15 Kleines Speisenbrevier 87<br />
16 Kleines Getränkebrevier 93<br />
17 Bozen als politische und<br />
administrative Landeshauptstadt 99<br />
18 Messen und Märkte 103<br />
19 Architektonische und städtebauliche Aspekte 107<br />
20 Bozen im Laufe der Jahrhunderte 113<br />
21 Besichtigungstouren: vier Stadtrundgänge 119<br />
7<br />
inHALT
8 9
1<br />
10<br />
<strong>Einladung</strong> <strong>nach</strong> <strong>BozEn</strong><br />
1<br />
1<br />
11<br />
<strong>Einladung</strong><br />
<strong>nach</strong> <strong>BozEn</strong><br />
Bozen ist eine jener Städte, die auf den Besucher<br />
eine ganz besondere Faszination ausüben:<br />
dies liegt möglicherweise in ihrem facettenreichen<br />
Erscheinungsbild begründet, mit dem<br />
Natur und Historie dieser Stadt im Laufe der Jahrhunderte<br />
ihr unverwechselbares Gepräge verliehen<br />
haben.<br />
Wer sich, dem Etschtal aufwärts folgend, von Verona<br />
her Bozen nähert, erlebt die Stadt eingebettet<br />
in ein reiches Becken, das im Norden von einer<br />
fast ununterbrochenen Bergkette abgeschirmt wird:<br />
den felsigen Abhängen der Hochebenen von Salten<br />
und Ritten, die steil gegen die darunterliegende<br />
Schwemmlandebene abfallen, nur hier und da unterbrochen<br />
von malerischen alten Gehöften und in ordentlichen<br />
Reihen ausgerichteten Weingärten.<br />
Hier teilt sich das Tal ypsilonförmig: linker Hand<br />
erstreckt es sich in elegantem, weitem Bogen Richtung<br />
Meran, rechter Hand hingegen zwängen sich<br />
Fluß, Straße und Eisenbahnstrecke durch eine schattenreiche<br />
Enge zwischen steil aufragenden Porphyrwänden.<br />
Hat man das Stadtzentrum schließlich erreicht,<br />
ist der erste Eindruck der einer nördlichen, alpenländischen<br />
Stadt: dies bezeugen Form und Bauweise<br />
sowohl der öffentlichen als auch der privaten<br />
Bauten, die steil abfallenden Dächer, die Vorsprünge<br />
über Fenstern und Balkonen, die niedrigen Laubengänge,<br />
in deren Geschäften typisch alpenländisches<br />
Kunsthandwerk und Kleidung zum Verkauf angeboten<br />
werden, die “Wiener” Kaffeehäuser, in denen ruhige<br />
Winkel zu gemütlichem Verweilen bei Plausch<br />
und Zeitungslektüre einladen. Alle diese charakteristischen<br />
Elemente sind es, die den Besucher aus dem
LAUBEN<br />
1<br />
Süden mit einer für ihn neuen, für den mitteleuropäischen<br />
Kulturkreis charakteristischen Atmosphäre<br />
um- und empfangen.<br />
Demjenigen hingegen, der aus nördlichen Breiten<br />
herabsteigend die tiefe Klamm überwindet, wo<br />
zwischen Waidbruck und Kardaun die Wasser der Eisack<br />
sprudeln, dem bietet sich urplötzlich das Bild<br />
eines fruchtbaren, grünenden Beckens, linker Hand<br />
begrenzt von den dunklen Abhängen des Kohlerer<br />
Berges, im Hintergrund das Überetsch und die leicht<br />
gewellte Silhouette des Penegal, abwärts gegen die<br />
Mendel und wieder hinauf zur Roenspitze, während<br />
noch weiter entfernte Kulissen sich allmählich in<br />
südlich-blauem Dunst verlieren. Diesem Besucher<br />
aus dem Norden erscheint Bozen als erste südländische<br />
Stadt unter einem großzügig weiten Himmelsbogen,<br />
der beim Blick gen Süden flirrende Sonnenstrahlen<br />
über einen reichen Talboden streut. Wie<br />
anders als im Norden erscheint hier das Licht, um<br />
wievieles klarer, strahlender, intensiver! Auch das<br />
Grün zeigt die verschiedensten Schattierungen, es<br />
ist nicht mehr das urig-gleichförmige, satte Dunkelgrün<br />
der Wiesen und Wälder an den Nordabhängen<br />
der Alpen, sondern ein buntes Gemisch der mannigfaltigsten<br />
Grüntöne, wie sie nur aus dem Nebeneinander<br />
einer reichhaltigen Vegetation entstehen<br />
können; hier gesellen sich zu den Kiefern, Tannen,<br />
Fichten und Lärchen an den Berghängen nächst der<br />
12<br />
<strong>Einladung</strong> <strong>nach</strong> <strong>BozEn</strong> <strong>Einladung</strong> <strong>nach</strong> <strong>BozEn</strong><br />
Stadt noch Edelkastanien, Steineichen, Olivenbäume,<br />
Zedern und sogar auch Palmen, lebendige Zeugen<br />
eines Klimas, das trotz manch rauher Winterwinde<br />
dennoch das Jahr über vorwiegend ausgeglichen<br />
und der Gesundheit zuträglich ist.<br />
All diese unterschiedlichen Akzente machen aus<br />
Bozen eine einzigartige, sehr dynamische, anregende<br />
und offene Stadt in der die verschiedensten architektonischen<br />
Stilrichtungen und Ausdrucksformen<br />
urbanen Lebens, die handwerklichen Produkte<br />
und die manchmal sogar gegensätzlichen kulturellen<br />
Entwicklungen, Gepflogenheiten und Mentalitäten<br />
zu einem einheitlichen Ganzen verschmelzen.<br />
v v v<br />
Bedingt durch seine geographische Lage fungierte<br />
Bozen jahrhundertelang als wichtige Drehscheibe<br />
zwischen den Regionen Italiens und der germanischen<br />
Welt. Schon damals war der Handel Kernpunkt<br />
des Wirtschaftslebens, Basis für den Wohlstand der<br />
Stadt. Heute ist Bozen als Landeshauptstadt Südtirols<br />
längst zu einem pulsierenden Wirtschaftszentrum<br />
geworden, doch wie zahlreiche florierende Betriebe<br />
in den verschiedensten Sparten, insbesondere<br />
aber auf landwirtschaftlichem Sektor beweisen,<br />
nimmt der Handel noch immer eine wichtige Position<br />
ein. Als weitere wichtige Quelle des städtischen<br />
Wirtschaftslebens ist der Fremdenverkehr anzusehen,<br />
der nicht zuletzt auch durch die Auffindung<br />
des Mannes aus dem Eis und mit dem eigens<br />
für ihn errichteten Museum neuen Auftrieb erhalten<br />
hat. Heute ist Bozen nicht mehr nur Durchgangsstation<br />
für Reisende <strong>nach</strong> anderen Fremdenverkehrszielen<br />
der Provinz, sondern erfreut sich einer zunehmenden<br />
Anzahl von Besuchern, die von der Schönheit<br />
dieser Stadt, ihrem kulturellen Angebot und ihrer<br />
näheren Umgebung angezogen werden.<br />
Ihrer autonomen Verwaltung hat die Stadt Bozen<br />
ihre wachsende Bedeutung als politisch und administrativ<br />
führendes Zentrum zu verdanken; der beachtliche<br />
Zuwachs an Beschäftigten im tertiären<br />
Sektor darf jedoch nicht darauf vergessen lassen,<br />
daß die Stadt nebst ihren sonstigen urbanen Auf-<br />
gaben als Industrie- und Handelszentrum Anziehungspunkt<br />
für zahlreiche große und mittlere Betriebe<br />
ist, in denen tausende Beschäftigte Arbeit<br />
finden.<br />
Die unmittelbare Nähe alpiner Landschaften von<br />
großer Ausdruckskraft und Schönheit, wo sich auch<br />
heute noch die Erfahrung eines direkten Kontaktes<br />
mit der Natur erleben läßt, prägt mehr als man<br />
glauben möchte den Lebensstil der Bozner Bevölkerung.<br />
Die innerhalb weniger Minuten mit privaten<br />
oder auch mit öffentlichen Beförderungsmitteln erreichbaren<br />
Höhen von Überetsch, Jenesien, Ritten<br />
und Kohlern bieten eine unerschöpfliche Vielfalt<br />
von Wanderwegen verschiedenster Arten und<br />
Schwierigkeitgrade für alle Altersstufen und zu jeder<br />
Jahreszeit.<br />
Wer überdies die Gelegenheit zu nützen versteht,<br />
erkennt im heutigen Bozen auch noch einen sehr<br />
anregenden Mittelpunkt kultureller Veranstaltungen.<br />
Mag die Notwendigkeit, zwei Sprachen zu beherrschen,<br />
in der Vergangenheit vielleicht auch als<br />
Last empfunden worden sein, heute ist diese Zweisprachigkeit<br />
nicht nur wertvolle Ergänzung jeglicher<br />
Ausbildung sondern wird auch als willkommene<br />
persönliche Bereicherung empfunden. Ist doch<br />
jede Sprache an sich nicht nur ein unverzichtbares<br />
Kommunikationsmittel, sondern auch Trägerin kultureller<br />
Werte. Demjenigen, dem diese Kenntnis als<br />
selbstverständlich eigen ist, öffnen sich neue Horizonte,<br />
er hat Zugang zu beiden Kulturen sowohl auf<br />
literarischer, als auch künstlerischer, juristischer,<br />
1<br />
wirtschaftlicher und jedweder sonstiger Ebene.<br />
Das Musikleben ist in Bozen sehr intensiv vertreten<br />
und hat schon lange Tradition. Das Musikkonservatorium<br />
Monteverdi ist durch seine in allen musikalischen<br />
Fachbereichen tätigen Lehrer und seine<br />
hohe Schüleranzahl weithin bekannt: von hier<br />
stammen jene Musiker, aus denen sich vor fünfzig<br />
Jahren ein feststehendes Orchester herausgebildet<br />
hat, das Haydn-Orchester Bozen-Trient, mit Sitz<br />
in dem eigens hierfür renovierten Auditorium. Die<br />
Stadt beherbergt auch die beiden großen europä-<br />
13<br />
WALTHERPLATZ<br />
CATINACCIO -<br />
ROSENGARTEN
RATHAUSPLATZ<br />
KORNPLATZ<br />
1<br />
ischen Jugendorchester “Gustav Mahler” und “European<br />
Union Youth Orchestra”, gegründet und unterstützt<br />
von Maestro Claudio Abbado. In Bozen absolvieren<br />
sie die Proben für ihre Tourneen und hier<br />
geben sie auch ihre ersten Konzerte. Zwischen Ende<br />
August und Anfang September finden auch jährlich<br />
abwechselnd zwei weitere große Musikveranstaltungen<br />
statt: der internationale Klavierwettbewerb<br />
Ferruccio Busoni, und das Busoni-Festival, an wel-<br />
14<br />
<strong>Einladung</strong> <strong>nach</strong> <strong>BozEn</strong> <strong>Einladung</strong> <strong>nach</strong> <strong>BozEn</strong><br />
chem bedeutende Orchester und Kammermusikvereinigungen<br />
ebenso wie herausragende Solisten teilnehmen.<br />
Außerhalb der normalen Konzertsäle sorgen<br />
jedoch auch das Kirchenmusik- und das Jazzfestival<br />
stets für zahlreiches Publikum, während<br />
der Konzertverein Bozen alljährlich im Michelangeli-Saal<br />
des Konservatoriums eine Kammermusiksaison<br />
auf höchstem Niveau bietet. Der Chorgesang<br />
und das Lied haben lange und ruhmreiche Tradition,<br />
wohingegen die Berglieder von vier Bürgerchören<br />
gepflogen werden. Volksmusik und Folklore sind<br />
dank der verschiedenen Verbände, Gesangs-, Tanz-<br />
und Musikgruppen bei allen religiösen und weltlichen<br />
Festveranstaltungen vertreten. Die Volkskultur<br />
wird bewußt gepflegt und findet ihre farbenprächtigste<br />
Ausdrucksform in den bunten Trachten,<br />
ist aber natürlich auch im Dialekttheater, dem<br />
Kunsthandwerk, den religiösen Traditionen sowie -<br />
nicht zu vergessen - im reichhaltigen Angebot der<br />
Gastronomie und ländlichen Küche vertreten.<br />
Auf dem Gebiet der bildenden Künste hat die Einrichtung<br />
eines Museums für moderne und zeitgenössische<br />
Kunst (Museion) das Interesse für diese<br />
Kunstform angeregt und Verbindungen zu ähnlichen<br />
Institutionen im Süden und Norden geschaffen;<br />
daraus hat sich das Museum zu einem Treffpunkt<br />
von Künstlern verschiedenster Provenienz entwikkelt.<br />
Im historischen Stadtzentrum wurde hierfür<br />
ein neues, ultramodernes Gebäude errichtet.<br />
Das weitverbreitete Interesse an sportlichen Aktivitäten<br />
sowohl sommers (Bergsteigen) als auch<br />
insbesondere winters (Skifahren, Eishockey, Eislaufen<br />
und Bobfahren) hat Bozen zu einem zentralen<br />
sportlichen und touristischen Anziehungspunkt<br />
werden lassen, wobei der Wintersaison heute<br />
weit größere Bedeutung und wirtschaftliches Gewicht<br />
als der Sommersaison zukommt. Die glücklicherweise<br />
in den Gepflogenheiten und Erwartungen<br />
unterschiedlichen und daher zeitlich gestaffelt aus<br />
Nord und Süd anreisenden beiden Touristenströme<br />
gestatten eine übers Jahr verteilte, bestmögliche<br />
Nutzung der Über<strong>nach</strong>tungsangebote.<br />
v v v<br />
Die Gesundheitsversorgung verschlingt ein Viertel<br />
der beachtlichen finanziellen Mittel der Provinz<br />
und das Allgemeine Regionalkrankenhaus Bozen<br />
rangiert <strong>nach</strong> jüngsten Erhebungen qualitativ und<br />
organisatorisch landesweit auf höchster Ebene.<br />
Das Bozner Klima ist trocken und angenehm. Nur<br />
wenige Tage des Jahres sind verregnet; die Winter<br />
sind in der Regel heiter und trocken; sommers brütet<br />
tagsüber die Hitze über der Stadt, doch gegen<br />
Abend erhebt sich der Wind und die Nächte bringen<br />
Abkühlung und Frische, was auch die heißen Sommermonate<br />
erträglich macht.<br />
Im Frühjahr bietet sich dem staunenden Beschauer<br />
rundum im ganzen Tal ein einzigartiges Schauspiel<br />
der Natur: die Apfelblüte. Die allerschönste<br />
Jahreszeit aber ist der Herbst, Zeit der Ernte und<br />
der Weinlese, wenn zeitgleich mit der flammenden<br />
Pracht der bunt verfärbten Wälder sich in der Stadt<br />
der unverwechselbare Duft des jungen Weines verbreitet.<br />
Viele Touristen, die sommers und winters ihren Urlaub<br />
in Südtirol verbringen, machen Halt in Bozen,<br />
um in den eleganten Geschäften des Stadtzentrums<br />
ihre Einkäufe zu tätigen. An diese Besucher und<br />
an alle jene, die Bozen nur auf der Durchfahrt oder<br />
1<br />
rein zufällig berühren, ist der vorliegende Band gerichtet:<br />
auf daß ihr Kontakt mit dieser Stadt weniger<br />
oberflächlich und eilig sein möge; auf daß sie<br />
verweilen mögen, um abseits geschäftiger Hast Bozens<br />
Lebensrhythmus, Bozens Kultur und Geisteshaltung<br />
kennenzulernen; auf daß sie die Stadt in<br />
der Gesamtheit ihrer verschiedenen Akzente erfassen<br />
und möglichst zu lieben lernen mögen.<br />
15<br />
ALTSTADT<br />
LUFTAUFNAHME<br />
VOM ALLG.<br />
KRANKENHAUS
1<br />
16<br />
<strong>Einladung</strong> <strong>nach</strong> <strong>BozEn</strong><br />
2 <strong>BozEn</strong>s<br />
2<br />
vErschiEdEnE<br />
i quartiEri<br />
stadtviErtEl<br />
di Bolzano<br />
im Verlaufe der städtischen Entwicklung Bozens<br />
gesellten sich zu dem zwischen den beiden<br />
Flüssen Eisack und Talfer gelegenen historischen<br />
Stadtkern mit der Zeit die weiteren<br />
Stadtteile, von denen jeder sein eigenes architektonisches<br />
und soziales Gepräge, seinen ganz<br />
persönlichen Charakter besitzt.<br />
Grob betrachtet läßt sich die Stadt in folgende<br />
vier strukturelle Stadtviertel gliedern:<br />
1 Der zentrale Stadtkern liegt mitten im Herzen<br />
von Bozen als ältester und architektonisch<br />
bedeutendster Stadtteil mit einem Gewirr<br />
von Einkaufsstraßen, Bürgerhäusern<br />
und Kirchenbauten, die alle in der Zeit zwischen<br />
dem XIV. und XIX Jhdt. entstanden.<br />
2 Mehrere Stadtviertel begannen sich ab Ende<br />
des neunzehnten Jahrhunderts längs der<br />
bedeutendsten Ausfahrtstraßen netzartig zu<br />
entwickeln und in einander zu verflechten.<br />
3 Eine ausgedehnte Handels- und Industriezone<br />
erstreckt sich am Südrand jenseits der<br />
Eisack und neu hinzukommende Wohnsiedlungen,<br />
Handels- und Gewerbeniederlassungen<br />
dehnen sich immer weiter <strong>nach</strong> Westen aus.<br />
4. An der Peripherie von Bozen liegen vereinzelte<br />
Gehöfte, malerische Burgen und Bauernhäuser<br />
auf den grünen Hügeln, die die<br />
Stadt an drei Seiten umschließen.<br />
Verwaltungsmäßig wurde die Stadt in fünf<br />
Stadtviertel eingeteilt, deren Stadtviertelräte<br />
die Erfüllung verschiedener, ihnen übertragener<br />
administrativer Aufgaben obliegt.<br />
Man unterscheidet folgende Stadtviertel: Zentrum-Bozner<br />
Boden-Rentsch; Gries-Quirein;<br />
17
PALAIS<br />
WIDMANN<br />
2<br />
Oberau-Haslach; Europa-Neustift; Don Bosco.<br />
Für die nun folgende Beschreibung der unterschiedlichen<br />
Bozner Stadtteile wurden jedoch andere Kriterien<br />
herangezogen und historische, architektonische<br />
bzw. soziale Gemeinsamkeiten berücksichtigt.<br />
1. Das historische Stadtzentrum<br />
Museumstraße und Lauben zwischen Rathausplatz<br />
und der Talferbrücke bilden die Hauptachsen, längs<br />
18<br />
Bozens verschiedene stadtviertel <strong>BozEn</strong>s vErschiEdEnE stadtviErtEl<br />
welcher die Altstadt sich ursprünglich entwickelt<br />
hat, um sich dann weiter Richtung Süden bis zum<br />
Dom und den noch im vorigen Jahrhundert von ausgedehnten<br />
Feldern und Gärten umgebenen Klöstern<br />
der Dominikaner und Kapuziner zu erweitern. Im<br />
rechten Winkel dazu bilden Goethestraße und Obstmarkt<br />
die am meisten frequentierte Kreuzung; hier<br />
am Marktplatz und in nächster Nähe regsten Geschäftslebens<br />
schlägt der Puls der Stadt intensiver<br />
als sonst irgendwo, vermengen sich Tradition und<br />
modernes Leben am harmonischesten.<br />
Läden, Hotels und Restaurants, Kunstgalerien,<br />
Buchhandlungen, kulturelle und sportliche Verbände,<br />
Theater- und Musiksäle sind ebenso im alten<br />
Stadtkern angesiedelt und sind mitbestimmend für<br />
das gesamte Erscheinungsbild des Zentrum.<br />
Hier wurden das Stadttheater am Verdiplatz, das<br />
Auditorium als Sitz des Haydn-Orchesters, das Centro<br />
Trevi als italienisches Kulturzentrum und das<br />
neue Museum für moderne und zeitgenössische<br />
Kunst (Museion) in der Carduccistraße errichtet.<br />
Durch den Bau von Tiefgaragen und großen Parkplätzen<br />
im Freien sowie dank der laufenden Wohnbausanierungen<br />
konnten Altstadterhaltung und<br />
die Schaffung des nötigen Komforts und modernen<br />
Standards auch in den historischen Gebäude von<br />
hohem kunstgeschichtlichen Wert erfolgreich miteinander<br />
in Einklang gebracht werden.<br />
2. Sankt Oswald<br />
Dieser westlich der Talfer gelegene und vor der<br />
jüngsten Wohnbautätigkeit als bürgerliches Wohnviertel<br />
geltende Stadtteil erstreckt sich nördlich<br />
vom historischen Stadtkern zwischen der Linie<br />
Talfergasse - Wangergasse - Vintlergasse und<br />
den steilen, waldigen Abhängen des Hörtenbergs;<br />
in diesem teilweise noch immer ruhigen, nahezu<br />
aristokratischen Viertel schimmern stolze Villen<br />
durch das Grün der sie umgebenden Parks, Obst-<br />
und Weingärten.<br />
Hier liegt auch das Schloß Maretsch, dem als<br />
Adelssitz viele Jahrhunderte lang große Bedeutung<br />
zukam. Sein ursprünglicher Kern stammt noch aus<br />
dem 13. Jhdt. Seine endgültige Form erhielt das<br />
Anwesen gegen Ende des 16. Jhdts, als die Söhne<br />
des Sigmund Römer daraus ihren stattlichen Wohnsitz<br />
machten. Schloß Maretsch ist ein Paradebeispiel<br />
der Renaissance-Baukunst: die plastisch hervorgehobenen<br />
massigen Bauteile erscheinen seltsam<br />
schwerelos in der sie umgebenden Atmosphäre,<br />
daraus resultiert der Eindruck eines soliden und<br />
gleichzeitig dennoch anmutigen Miteinander zylindrischer,<br />
von kegelförmigen Dächern gekrönter Türme<br />
an den Gebäudeecken und dazwischenliegender,<br />
durch in optimalen Proportionen angeordnete<br />
rechteckige Fenster rhythmisch unterbrochener<br />
und aufgelockerter Gebäudemauern aus Porphyr.<br />
In geringer Entfernung zu Schloß Maretsch liegt<br />
ein anderer Adelssitz, die Gerstburg. Ursprünglich<br />
von Sigismund Gerstl gegen 1490 erworben, wurde<br />
sie zwischen 1603 und 1609 von der Familie der<br />
Giovanelli ausgebaut und renoviert. Beachtenswert<br />
sind die Stukkaturen aus der zweiten Hälfte des<br />
15. Jhdts und ferner das wunderschöne Deckenfresko<br />
des Saales, der “Einzug der Aurora” von Martin<br />
Knoller.<br />
2<br />
3. Bozner Boden und Rentsch<br />
Die zwischen der Eisack und der weitausladenden<br />
Kurve der Bahnstrecke gelegene Ebene im Osten<br />
des Stadtzentrums hat annähernd die Form eines<br />
Rhombus und wird als Bozner Boden bezeichnet.<br />
Dieser ist sozusagen die Speisekammer Bozens: hier<br />
wird die gesamte Verpflegung, und nicht nur die Lebensmittelversorgung,<br />
abgewickelt, denn hier befinden<br />
sich der Güterbahnhof und die Großmarkthallen,<br />
die untertags einige Stunden lang auch für<br />
Privatpersonen geöffnet sind. Zollämter, Speditionen,<br />
Handelsvertretungen, Transportunternehmen,<br />
Holz- und Öllager sind ebenfalls hier angesiedelt.<br />
19<br />
EINZUG DER<br />
AURORA<br />
VON MARTIN<br />
KNOLLER<br />
SCHLOSS<br />
MARETSCH
OBSTMARKT<br />
2<br />
In der Nachkriegszeit entstand hier auch ein kleines,<br />
zum Großteil von Eisenbahnern bewohntes,<br />
vorwiegend italienisches Viertel. Von der dortigen,<br />
1961 zu Ehren des Hl. Josef eingeweihten Pfarrkirche<br />
wissen auch in Bozen selbst nur die wenigsten,<br />
daß sie ein Werk von Piacentini ist. Ursprünglich<br />
für Addis Abeba entworfen, war die Planung,<br />
da sie dort nicht mehr verwirklich werden konnte,<br />
unverändert <strong>nach</strong> Bozen verlagert worden. Der Bau<br />
ist ein interessantes architektonisches Dokument<br />
Piacentinis: die Front aus Reihen von Sichtziegeln<br />
springt oben vor und ist senkrecht durch drei rechteckige<br />
Nischen unterteilt. Ein einziges großes Portal<br />
mit einem Rahmen aus weißem Travertin in einfachen<br />
rechtwinkeligen Linien lädt zum Eintritt.<br />
Die gleiche Backsteinfläche in wechselweise vorspringenden<br />
Ziegelreihen verbindet die Front mit<br />
der Kapelle zur Linken und dem Pfarramtsgebäude<br />
zur Rechten, worüber sich der ebenfalls durch klare<br />
geometrische Linien gekennzeichnete Glockenturm<br />
erhebt. Der Kreuzgang mit seinem Brunnen in<br />
der Mitte und seinen viereckigen Laubengängen ermahnt<br />
an die klösterliche Bestimmung des Baus.<br />
Jenseits der Bahnlinie zeichnet sich der alte Vorort<br />
Rentsch durch ein ganz anderes Erscheinungsbild<br />
aus: von hier zweigte in römischer und mittelalterlicher<br />
Zeit der alte Maultierpfad ab, der infolge<br />
der Unwegsamkeit des Talgrundes über den Ritten<br />
und wieder hinab <strong>nach</strong> Klausen zum Becken von<br />
20<br />
Bozens verschiedene stadtviertel <strong>BozEn</strong>s vErschiEdEnE stadtviErtEl<br />
Brixen führte; daß sich hier in jenen Zeiten eine<br />
kleine Ansiedlung entwickelte, ist nur allzu natürlich<br />
- möglicherweise ist sie die älteste im gesamten<br />
Bozner Becken.<br />
Die Enge zwischen der alten Brenner-Staatsstraße<br />
und den von Weingärten bedeckten Hügeln<br />
hat fast ausschließlich deutschsprachige Bewohner;<br />
Neubauten haben in jüngster Zeit die architektonischen<br />
Merkmale dieses ländlichen Vorortes<br />
ein wenig verwischt, doch noch heute lassen sich<br />
unschwer hier und dort formschöne, solide Bauten<br />
von altehrwürdiger Vornehmheit ausmachen. Schon<br />
in geringer Entfernung von der Brennerstraße landeinwärts<br />
gelangt man in ein vollkommen anderes<br />
Ambiente: auf der engen Untermagdalenastraße<br />
erreicht man in wenigen Minuten das auf einem<br />
Sattel zwischen den Bergabhängen und einem<br />
völlig von Weingärten bedeckten, runden Hügel<br />
gelegene malerische Dörfchen St. Magdalena.<br />
Links und rechts der Straße ruhen, inzwischen zu<br />
Weinbaubetrieben umfunktionierte, uralte, festgefügte<br />
Bauerngehöfte: hier wird der <strong>nach</strong> dem Örtchen<br />
benannte Rotwein produziert und verkauft.<br />
Vier, fünf Bauernhäuser mit blumengeschmückten<br />
Balkonen umstehen die Kirche mit dem nadelspitzen<br />
Turm: sie beherbergt bedeutende, von italienischen<br />
Künstlern aus der Schule Giottos angefertigte<br />
Fresken aus der zweiten Hälfte des 14. Jhdts.<br />
(Öffnungszeiten: Dienstag und Freitag von 15.00<br />
bis 17.00 Uhr)<br />
4. Gries<br />
Den Besucher, der von der Museumstraße kommend<br />
die Talferbrücke überschreitet, empfängt ein<br />
vollkommen andersgeartetes Bozen. Das Siegesdenkmal<br />
und der es umgebende gleichnamige Platz<br />
sind ein sehr deutliches Beispiel für die ideologische,<br />
von allen lokalen Traditionen abweichende<br />
Architekturform, die der Faschismus Italien in den<br />
30er Jahren aufzwang: hier herrschen Bögen und<br />
Säulen vor, gerade geometrische Linien verbinden<br />
kantige Ecken, auf jedwede überflüssige Dekoration<br />
wurde verzichtet. Mit diesen “römischen” bzw.<br />
imperialistischen Architekturelementen sollte im<br />
“neuen” Teil Bozens das Gegengewicht zu dem in<br />
der Altstadt vorherrschenden gotischen oder neogotischen<br />
Baustil geschaffen werden. Die das Monument<br />
auf drei Seiten umgebenden Gebäude des<br />
Siegesplatzes sollten als zugehöriger Gesamtkomplex<br />
empfunden werden und sind daher an den<br />
Straßeneinschnitten durch Bögen miteinander verbunden,<br />
in denen sich das Bauschema der römischen<br />
Triumphbögen wiederholt. Die in großen Lettern<br />
an den Gebäuden angebrachten Zitate von Virgil<br />
(Tu regere imperio populos ... ) und Horaz (Carmen<br />
Saeculare), welch letzteres heute nicht mehr<br />
vorhanden ist, sollten den feierlichen Gesamteindruck<br />
noch weiter unterstreichen.<br />
Die lateinische Aufschrift auf der Rückseite des<br />
Denkmals wird heute nur mehr von wenigen verstanden;<br />
einer jüngsten Umfrage zufolge konnten<br />
90% der Spaziergänger über die Talferbrücke die<br />
2<br />
Frage, auf welchen Sieg hiermit Bezug genommen<br />
worden war, nicht beantworten. Und dennoch<br />
ist das Überleben dieses imperialistischen<br />
Zeitdokumentes - und mehr noch der Aufschrift,<br />
als dessen programmatisches Manifest - Anlaß<br />
für die Auseinandersetzungen zwischen denjenigen,<br />
die für einen Abriß plädieren und jenen,<br />
die das Mahnmal aus Respekt vor der gelebten<br />
Vergangenheit zu erhalten wünschen.<br />
Nach langen Diskussionen ist man schließlich<br />
zu folgendem Beschluß gekommen: Das Monument<br />
bleibt so wie es ist erhalten, doch wird<br />
am Gehsteig auf der Talferbrücke eine vom Gemeinderat<br />
beschlossene viersprachige Inschrift angebracht,<br />
die folgendes besagt: “Dieses Denkmal<br />
ist vom faschistischen Regime errichtet worden,<br />
um den Sieg Italiens im ersten Weltkrieg zu feiern.<br />
Dieser brachte die Teilung Tirols und die Abtrennung<br />
der Bevölkerung dieses Landes vom Vaterland<br />
Österreich mit sich. Frei und demokratisch verurteilt<br />
die Stadt Bozen die Zwistigkeiten und Diskriminierungen<br />
der Vergangenheit und jede Form<br />
von Nationalismus und verpflichtet sich im europäischen<br />
Geist, die Kultur des Friedens und des Zusammenlebens<br />
zu fördern”.<br />
Rechter Hand des Denkmals stellt die Freiheitsstraße<br />
in gerader Linie die Verbindung zwischen<br />
dem Stadtzentrum und dem Griesplatz her; ihre<br />
Achse ist so ausgerichtet, daß dabei der Blick auf<br />
den Rosengarten im Hintergrund fällt. Diese Dolomitengruppe<br />
verfärbt sich während des Tages mehrmals<br />
verschiedentlich, gegen Abend jedoch leuch-<br />
21<br />
SIEGESDENKMAL<br />
NYMPHENBRUN-<br />
NEN AM<br />
GERICHTSPLATZ
KIRCHE<br />
HL. PIUS X<br />
FEUERWEHRTURM<br />
2<br />
tet sie schließlich fast feuerrot auf und bietet ein<br />
atemberaubendes Naturschauspiel, dessen Bezeichnung<br />
“enrosadira” in ladinischer Sprache der Berggruppe<br />
den deutschen Namen “Rosengarten” eingetragen<br />
hat.<br />
Der Ortsteil Gries war bis vor wenigen Jahren eine<br />
autonome Gemeinde. Als beliebtes sonntägliches<br />
Ausflugsziel vor den Toren der Stadt war Gries ab<br />
1909 vom Waltherplatz aus mit einer Straßenbahn erreichbar.<br />
Gegen die Mitte des 19. Jhdts entstand hier<br />
ein international anerkannter heilklimatischer Luftkurort<br />
mit entsprechenden Kureinrichtungen und eleganten<br />
Hotels. 1892 wurde die Guntschna-Promenade<br />
angelegt, beliebtes Ausflugsziel zu allen Jahreszeiten<br />
dank der mediterranen Blütenpracht, die hier<br />
vom städtischen Gartenbauamt gepflegt wird.<br />
Die große, vordem augustinische heute benediktinische<br />
Abtei von Gries verdankt ihre bereits<br />
seit Jahrhunderten bestehende Funktion als geistiges<br />
und soziales Zentrum des Stadtteils dem Einfluß<br />
und Ansehen ihrer Patres, die vielfältigen kulturellen<br />
Tätigkeiten <strong>nach</strong>gehen und sich mit Krankenpflege<br />
und Fürsorge befassen. Zu dem Konvent<br />
gehört auch eine Kellerei, wo qualitativ hervorragende<br />
Weine produziert werden. Zusammen mit der<br />
auf der anderen Seite des Platzes befindlichen Kellereigenossenschaft<br />
erinnert sie an die ursprüngli-<br />
22<br />
Bozens verschiedene stadtviertel <strong>BozEn</strong>s vErschiEdEnE stadtviErtEl<br />
che Bestimmung des Bozner Raumes: die Herstellung<br />
des für die Messfeiern in den nördlichen Klöstern<br />
unerläßlichen Meßweines.<br />
5. Europa-Neustift-Don Bosco<br />
Jene Viertel, die im Südosten der Stadt entstanden,<br />
haben in den letzten Jahren eine tiefgreifende<br />
Wandlung durchgemacht: insbesondere ist die<br />
hier ansässige Bevölkerung nun nicht mehr, wie ursprünglich,<br />
rein italienischsprachig. Hier gibt es<br />
inzwischen eine zahlreiche deutschsprachige Gemeinde,<br />
wie das Vorhandensein des nicht nur auf<br />
dem Gebiet der Seelsorge sondern auch kulturell<br />
und hinsichtlich der Freizeitgestaltung rege tätigen<br />
deutschsprachigen Kirchensprengels neben<br />
den italienischen Pfarren beweist. Das Pfarrzentrum<br />
St. Maria in der Au bezog seinen Namen von<br />
einem alten Augustinerkloster, dessen Mauerreste<br />
1986 gefunden wurden. Dieses war 1160 dem Willen<br />
des Grafen von Greifenstein gemäß als erste Ansiedlung<br />
in den noch urbar zu machenden Sümpfen<br />
entstanden. Im Rahmen eines gigantischen öffentlich-privaten<br />
Wohnbauprogrammes enstehen<br />
jenseits der Reschenstraße zwei neue Zentren, Sigmundskron<br />
und Casanova worin <strong>nach</strong> Fertigstellung<br />
über siebentausend Personen wohnen sollen.<br />
Es wurden bereits zahlreiche Räume für Kulturveranstaltungen,<br />
Kunstausstellungen und Konferenzen<br />
errichtet, doch ist als herausragendste Baulichkeit<br />
wohl das am 1. Dezember 2005 eröffnete Theater<br />
Cristallo zu nennen, das zweifelsohne den größten<br />
Impuls für das gesellschaftliche Zusammenwachsen<br />
und einen kulturellen Aufschwung des Viertels setzen<br />
wird. An der Reschenstraße liegt auch die neue,<br />
moderne Stadthalle, die mit ihrem Fassungsvermögen<br />
von 3.000 Plätzen genügend Raum für die Abhaltung<br />
von Sportveranstaltungen oder Megakonzerten<br />
klassischer oder moderner Musik bietet. Zur Verbesserung<br />
des Lebensstandards wurden mit Sport-<br />
einrichtungen versehene große Parks wie der Europapark<br />
mit seinen Fußball-, Basketball- und Volleyballplätzen<br />
geschaffen, ebenso wie der Park am<br />
Neubruchweg, jener in der Ortlerstraße mit Basketball-<br />
und Fußballplätzen und der Park in der Genua-<br />
2<br />
straße. Die Eisackpromenade zwischen Reschen-<br />
und Parmastraße wurde in eine einheitliche öffentliche<br />
Grünzone umgewandelt.<br />
6. Das Produktionsgebiet Bozen Süd<br />
und die “Semirurali”<br />
Die zwischen 1935 und 1937 von der damaligen<br />
italienischen Regierung mit dem Ziel eines<br />
raschen Zuwachses des italienischen Bevölkerungsanteils<br />
in der Provinzhauptstadt geschaffene<br />
Industriezone erwies sich als entscheidender<br />
Schritt für das urbane Geschick der Stadt.<br />
Die Lokalbevölkerung, die keinerlei Arbeitertradition<br />
aufwies und der man ganz im Gegenteil mit<br />
dem Bau der Industriezone eine ausgedehnte Fläche<br />
hochwertiger Wein- und Obstbaukulturen weggenommen<br />
hatte, empfand den ihr so aufgezwungenen<br />
Industriebereich ganz eindeutig als Fremdkörper<br />
im sozial-ökonomischen Gefüge der gesamten<br />
Provinz. Die dort angesiedelte metallverarbeitende<br />
Industrie (Stahl, Aluminium und Magnesium)<br />
nutzte die in reichem Maße produzierte hydroelektrische<br />
Energie und konnte sich so rasch entwikkeln,<br />
daß sie bis 1940 bereits 11.000 Beschäftigte<br />
aufwies.<br />
Um einer dermaßen hohen Anzahl neuer Einwanderer<br />
aus den anderen italienischen Provinzen Unterkunft<br />
zu bieten, wurde am rechten Ufer der Eisack<br />
der Stadtteil der “Semirurali”, das Stadtviertel<br />
23<br />
SPORTHALLE<br />
INDUSTRIEZONE<br />
BOZEN SÜD
DER KINDERGAR-<br />
TEN IN DER MON-<br />
TECASSINOSTRASSE<br />
SCHULSPORTPLATZ<br />
CONI<br />
2<br />
“Dux” mit 1.100 Wohnungen <strong>nach</strong> dem aus der Poebene<br />
bekannten Einfamilienhausmodell errichtet:<br />
einstöckig mit Außentreppe steht das Häuschen in<br />
einem bescheidenen kleinen Garten, in welchem<br />
als Zeitvertreib und zu Nebenerwerbszwecken Obst<br />
oder Gemüse gezogen werden können. Dieses, jegliche<br />
soziale oder kulturelle Strukturen vollständig<br />
entbehrende Viertel stand von Anfang an in krassem<br />
Widerspruch zu der überkommenen Bautradition<br />
und dem im Bozner Becken vorherrschenden<br />
24<br />
Bozens verschiedene stadtviertel <strong>BozEn</strong>s vErschiEdEnE stadtviErtEl<br />
Wohnmilieu; schon bald in traurigem Maße heruntergekommen,<br />
wurde es <strong>nach</strong> und <strong>nach</strong> durch neue,<br />
zeitgemäßere und elegantere Gebäude ersetzt. Von<br />
den “Semirurali” wurde nur ein einziges für museale<br />
Zwecke belassen. Außerdem ist laut Planung neben<br />
diesem Häuschen und mit ihm verbunden die Errichtung<br />
eines zweistöckigen Gebäudes für ein wissenschaftliches<br />
Zentrum der Gemeinde vorgesehen;<br />
darin soll in einer Schau die Geschichte dieses Viertels<br />
von seinen Anfängen bis zu seinem totalen Abriß<br />
in den 80er-Jahren rekonstruiert werden.<br />
Aus dem Produktionsgebiet Bozen Süd ist ein<br />
stark boomendes Viertel geworden: die heute hier<br />
ansässigen mehr als 1000 Unternehmen beschäftigen<br />
über 12.000 Angestellte. Die Produktionsfläche<br />
erstreckt sich über insgesamt 252 Hektar. Auch<br />
dieses Gebiet hat sich in den letzten Jahren in aller<br />
Stille gewandelt: viele der alten, aus wirtschaftlichen<br />
oder anderen Gründen überholten Unternehmen<br />
wurden geschlossen und wichen neuen, technisch<br />
fortgeschritteneren Niederlassungen. Wohl<br />
stellt dies einen gewissen Bruch mit der Vergangenheit<br />
dar; doch handelte es sich um eine friedliche<br />
Revolution, gestützt auf Unternehmergeist, Mobilisierung<br />
der intellektuellen und praktischen Fähigkeiten<br />
und Kräfte einer für den Fortschritt offenen<br />
Bevölkerung. Die verschiedenen neuen Produktionsgebiete<br />
gehen Hand in Hand mit einem breitgefächerten<br />
Bedarf an anspruchsvoller Professionalität:<br />
hunderte neue Berufszweige sind nicht nur<br />
für die fortschrittlichen Produktionssysteme gefordert,<br />
sondern auch für die Wahrung der grundlegenden<br />
Kriterien der öffentlichen Gesundheit, für den<br />
Lärmschutz, die Qualität des Arbeitsplatzes.<br />
7. Oberau und St. Jakob<br />
Längs der Staatsstraße Nr. 12, die entlang dem<br />
linken Eisackufer östlich der Stadt vom Friedhof bis<br />
zum Virgltunnel verläuft, erstrecken sich die durch<br />
den ständig zunehmenden Verkehrslärm hartgeprüften<br />
Ortsteile Oberau und St. Jakob. Ein Neubau der<br />
Staatsstraße 12 ist zwar geplant, wird aber erst in<br />
einigen Jahren zur Ausführung gelangen können.<br />
Der Ortsteil selbst birgt keine nennenswerten Besonderheiten,<br />
abgesehen von den beiden bedeutenden<br />
Sportzentren, dem Schulplatz des Nationalen<br />
Olympischen Komitees Italiens C.O.N.I. am St. Gertraudweg<br />
und den Anlagen in der Pfarrhofstraße.<br />
Von der Trientnerstraße zweigt der Virglweg auf den<br />
gleichnamigen Hügel ab. Dieser Virglberg hat die<br />
Form eines Felssporns, der kühn gegen die Stadt hinausragt<br />
und senkrecht zur Eisack abfällt. In mittelalterlichen<br />
Zeiten thronte obenauf eine Burg, das im 7.<br />
Jhdt. von den Bajuwaren gehaltene Castellum Bauzani.<br />
Vom Stadtzentrum gelangte man hierher mittels<br />
einer kleinen Seilbahn, die bei einem Restaurant<br />
mit einer wunderschönen Aussichtsterrasse und<br />
Tennisplätzen endete. Heute ist die Rede davon, diese<br />
nicht mehr in Verwendung stehenden Einrichtungen<br />
wiederzubeleben, ist doch der Ausblick über die<br />
Stadt von hier aus durchaus erlebenswert.<br />
Die Straße führt entlang der Kreuzwegstationen<br />
aus dem Jahr 1681 zu der auf einem weiten Platz<br />
gelegenen Grabes- oder Kalvarienbergkirche. Die<br />
sieben Stationen mit der Darstellung der Passion<br />
2<br />
Christi, der Kreuzigungsgruppe und dem gemauerten<br />
Heiligen Grab im Schutze einer Kapelle dienten<br />
geistiger Andacht. Der Bozner Kalvarienberg orientiert<br />
sich an dem für die Gegenreformation maßgeblichen<br />
Schema: außerhalb der Stadt gelegen,<br />
ermöglicht er den Gläubigen eine Begehung des<br />
Kreuzweges eingedenk der Pilgerfahrten ins Heilige<br />
Land und endet bei einem Monument in Form<br />
des Grabes Christi. Die Kirche mit kreuzförmigem<br />
Grundriß, einer Kuppel, Turm und Laterne entstand<br />
<strong>nach</strong> den Plänen der Stadtarchitekten Pietro und<br />
Andrea Delai. Das reich gegliederte Innere beeindruckt<br />
durch Skulpturen und Fresken. Die Holzstatuen<br />
von Georg Mayr mit Kreuzwegszenen sind ein<br />
interessantes Beispiel für volkstümliche Passionsdarstellung.<br />
Ein wenig weiter stößt man auf die kleine romanische<br />
St.Vigil-Kapelle. Sie birgt zwei bedeutende<br />
Freskenzyklen der Bozner Schule aus dem ausklingenden<br />
14. Jhdt.<br />
25<br />
ST. VIGIL-<br />
KIRCHE
3<br />
26<br />
<strong>BozEn</strong> für fussgängEr <strong>BozEn</strong> für fussgängEr<br />
3 nur<br />
3<br />
<strong>BozEn</strong> für<br />
fussgängEr<br />
wenige Städte lassen sich so gut zu Fuß<br />
durchstreifen und genießen wie Bozen.<br />
Keine andere bietet ihren Besuchern eine<br />
solche Auswahl an abwechslungsreichen und angenehmen<br />
Spazierwegen.<br />
Die zum Großteil im historischen Stadtkern gelegene<br />
verkehrsberuhigte Zone lädt den Fußgänger zum<br />
ausgedehnten, beschaulichen Bummel durch die<br />
Straßen. Er kann dabei die architektonisch bemerkenswerten<br />
alten Bauten ebenso genießen, wie das<br />
farbenfrohe, pulsierende Leben auf dem Obstmarkt,<br />
die eleganten Geschäftsauslagen und die Kaffeehäuser<br />
und Konditoreien.<br />
Ab dem Ende des letzten Jahrhunderts wurden verschiedene<br />
Spazierwege, “Promenaden” genannt,<br />
angelegt, die dem Fußgänger von den unterschiedlichsten<br />
Standpunkten immer neue Ausblicke auf die<br />
Stadt verschaffen.<br />
Den beiden Promenaden längs der Dämme der beiden<br />
Flüsse Talfer und Eisack, die die Stadt durchfließen,<br />
ist die angenehm erfrischende Atmosphäre des<br />
nahen Wassers gemein. Von den Flüssen genährt,<br />
sprießt hier üppige Vegetation und Wiesen, Bäume<br />
und Parks mit bunten Blumen säumen die Ufer. Auf<br />
der Bozner Wassermauer-Promenade, die von der<br />
Talferbrücke am Beginn der Museumstraße dem linken<br />
Flußufer folgt, gelangt man in den alten Vorort<br />
St. Anton und weiter bis Schloß Runkelstein. Überquert<br />
man hier die Talfer, kann man an deren rechtem<br />
Ufer längs der Grieser Wassermauerpromenade<br />
über den Petrarcapark wieder zum Siegesplatz zurückkehren.<br />
Das breite Flußbett ist parkartig ausgestattet<br />
und längs des ganzen Weges stößt man auf<br />
die in den letzten Jahren entstandenen verschiedensten<br />
Sport- und Freizeiteinrichtungen. Diese Tal-<br />
27
OBSTMARKT<br />
GUNTSCHNA-<br />
PROMENADE<br />
3<br />
ferwiesen sind ein bei der Bevölkerung sehr beliebter<br />
Treffpunkt für Sport und Spiel; hier wird gefeiert,<br />
hier gelangen Konzerte und Stegreiftheater<br />
zur Aufführung, finden gastronomische Messen<br />
statt und wird der Kinderfasching abgehalten.<br />
Ebenfalls von der Stadtmitte, nämlich vom Verdiplatz<br />
nimmt auch die Eisack-Promenade ihren Ausgang;<br />
immer der alten Bahntrasse <strong>nach</strong> Meran folgend,<br />
schlängelt sie sich durch die südlichen Vororte<br />
und führt weit bis über die Reschenbrücke hinaus<br />
bis zum Zusammenfluß von Etsch und Eisack unterhalb<br />
des Schlosses Sigmundskron.<br />
Sehr unterschiedlich von einander sind die<br />
Guntschna- und die St. Oswald-St. Magdalena-<br />
Promenaden. Ihre Entstehung fällt in das letzte<br />
Jahrzehnt des neunzehnten Jahrhunderts, als Bozen<br />
im Zuge des aufkeimenden Tourismus zum Kurund<br />
Fremdenverkehrszentrum geworden war. So wie<br />
auch in anderen, ähnlichen Thermalorten des Habsburgerreiches<br />
wurden die Kuranlagen auf Initiative<br />
großzügiger Mäzene an den Ausläufern der schützenden<br />
Berge im Norden der Stadt errichtet. Hier<br />
entstanden, zum Teil unter Ausnutzung der sanf-<br />
28<br />
<strong>BozEn</strong> für fussgängEr <strong>BozEn</strong> für fussgängEr<br />
ten Hangneigungen, hölzerne Brücken und Stege,<br />
die jedoch stets bescheiden-rücksichtsvoll und im<br />
Einklang mit der natürlichen Landschaft angelegt<br />
wurden.<br />
Die Guntschna-Promenade führt ausgehend vom<br />
Glanigerweg nächst der alten Pfarrkirche in Gries<br />
bis unter das Schloß gleichen Namens. Die Promenade<br />
ist annähernd zweieinhalb Kilometer lang und<br />
verläuft in angenehmer, konstanter Steigung; zahlreiche<br />
Ausblickpunkte und Bänke laden immer wieder<br />
zum Verweilen ein. Was aber diese Promenade<br />
so besonders reizvoll macht, ist die üppige Vegetation<br />
längs des Weges: begünstigt durch die reine<br />
Südlage und abgeschirmt gegen kalte Nordwinde<br />
konnte hier eine Art botanischer Garten mit einer<br />
unglaublichen Anzahl mediterraner und exotischer<br />
Pflanzen entstehen. Gelbe Plaketten geben den Namen<br />
jeder einzelnen Pflanze an und laden derart zu<br />
einem botanischen Exkurs ein. Die erst jüngst realisierte<br />
Verlängerung der Promenade führt bis zum<br />
Fagenbach und ermöglicht die Verbindung mit der<br />
Talferpromenade und Schloß Runkelstein.<br />
Die St.Oswald-St.Magdalena-Promenade windet<br />
sich zwischen Weingärten und Schlaggehölz die Abhänge<br />
des Hörtenbergs hinauf, der das Stadtzentrum<br />
im Norden abschließt. Der Weg steigt in vielen<br />
Kurven sanft bis auf ca. 150m über dem Talboden<br />
an und verläuft dann eben, häufig auf hölzernen<br />
Stegen, bis St. Magdalena und zum Gasthaus<br />
Eberle. Obwohl mit ebenfalls zweieinhalb Kilometern<br />
fast von gleicher Länge wie die anderen, unterscheidet<br />
sich diese Promenade durch die Landschaft,<br />
durch die sie führt und die Ausblicke, die<br />
sie auf Stadt und Umgebung bietet, deutlich von<br />
ihren Schwestern: ihre Vegetation ist ursprünglicher<br />
und das Panorama in seiner Einzigartigkeit<br />
wieder ganz anders, bietet es doch den Ausblick<br />
auf den ältesten Stadtteil, auf die Viertel St. Oswald<br />
und Rentsch, auf die engen, gegen die Eisack<br />
abfallenden Täler und schließlich auf die Dolomiten<br />
selbst, die als beeindruckender Form- und Farbkontrast<br />
über den waldigen Kulissen aufragen; zur<br />
Linken liegt das malerische Dörfchen St. Magdalena<br />
mit dem alten, von Zypressen und Wein umgebenen<br />
Kirchlein und gegenüber schieben sich die<br />
Abhänge des Kohlerer Berges und des Virgl trutzig<br />
gegen die Stadt vor. Vorzugsweise sollte diese<br />
Promenade am späten Nachmittag besucht werden,<br />
wenn die Sonne untergeht und ihre letzten Strahlen<br />
die Dolomitenspitzen in Tausenden von Farben<br />
aufleuchten lassen.<br />
Haslach-Haselburg-Promenade. Wenden wir uns<br />
nun dem entgegengesetzten Teil der Stadt zu, wo<br />
Richtung Süden auf den unteren Hängen des Kohlerer<br />
Berges das neue Wohnviertel von Haslach<br />
entstanden ist. Ausgehend vom St. Gertraudweg<br />
nächst dem Virgltunnel folgen wir weiter dem Kuepachweg.<br />
Gleich zu Beginn liegt linker Hand das<br />
barocke Kirchlein St. Gertrude; es birgt zwei wertvolle<br />
Fresken von Carl Henrici (ca. 1778).<br />
Hat man erst das bebaute Gebiet hinter sich gelassen,<br />
führt ein bequemer Weg zwischen Fels und<br />
Wald ca. 2 Km weit bis zur Haselburg. Die Burg<br />
stammt aus dem 12. Jhdt und wurde von einer Familie<br />
von Trienter Ministerialen errichtet. Mehrmals<br />
durch Einsturz und Kriegsereignisse beschädigt,<br />
kann die Burg heute besichtigt werden und enthält<br />
einige, im Auftrag der Herren von Völs angefertigte<br />
Fresken aus dem 16. Jhdt. mit Szenen aus der Mythologie,<br />
der römischen Geschichte, Landschaftsdarstellungen<br />
u.dgl. Von den Terrassen rund um die<br />
Burg hat man wieder einen ganz neuen Ausblick<br />
auf Bozen, denn von hier sieht man auf den unterhalb<br />
gelegenen Stadtteil Oberau und die Industriezone<br />
bis zum Flughafen und auf das breite, Richtung<br />
Meran verlaufende Etschtal mit seinen reichen<br />
Obstplantagen.<br />
Noch zahlreiche andere, gutbeschilderte Spazierwege<br />
laden in unmittelbarer Nähe der Stadt zum<br />
Wandern ein. Für jene Wege, die mit der Seilbahn<br />
zu erreichen sind, verweisen wir auf das diesbezügliche<br />
Kapitel. Jetzt wollen wir nur noch auf Bozens<br />
“grüne Lunge”, das Überetsch, eingehen.<br />
Es handelt sich dabei um jenes liebliche, nur um<br />
weniges höher als der Talgrund gelegene, langgezogene<br />
und wellige Gelände, das sich, wie schon<br />
der Name besagt, auf dem rechten Ufer, also auf<br />
der “drüberen” Seite der Etsch zwischen dem Mittelberg<br />
und den steilen, waldreichen Abhängen der<br />
Mendel erstreckt. Hier ist ein breiter Landstreifen<br />
3<br />
weder von Häusern noch von Obstgärten, sondern<br />
über gut 20 Km² ausschließlich von dichtem Nadel-<br />
und Laubbaumbestand bedeckt und stellt einen<br />
wertvollen Beitrag zu Bozens Ökologiehaushalt<br />
dar, eine Grünoase nur wenige Autominuten<br />
von der Stadt entfernt, mit vielen, eben verlaufenden<br />
und zu jeder Jahreszeit benützbaren Wegen.<br />
Drei Naturseen liegen, grün schimmernd, in diese<br />
ruhige Wald- und Wiesenzone eingebettet: der<br />
größte und wärmste von ihnen ist der Kalterersee;<br />
er eignet sich bestens zum Schwimmen und<br />
für jede Art von Wassersport, doch dank der hier<br />
ständig wehenden heftigen Winde vor allem zum<br />
Segeln und Surfen; aber auch der große und der<br />
kleine Montiggl-See, wahre Juwelen inmitten der<br />
waldigen Landschaft, genießen als Badeseen regen<br />
Zuspruch. Winters bieten sie den Eislaufsportlern<br />
herrliche Freiluftbahnen in frischester Luft.<br />
Zahlreiche Gaststätten, die man überall verstreut<br />
im Überetsch antrifft, laden zum Verweilen und<br />
Ausruhen. Hier werden zünftige Brett’ljausen mit<br />
den lokalen Spezialitäten - vor allem luftgetrockneter<br />
Speck und Bauernbrot - kredenzt. Fußball- und<br />
Tennisplätze sowie ein gut ausgestatteter Fitnesspfad<br />
vervollkommnen das Angebot an sportlichen<br />
Freizeitbetätigungen.<br />
29<br />
ÜBERETSCH MIT<br />
AUSBLICK AUF<br />
DEN KALTERER-<br />
SEE
3<br />
30<br />
<strong>BozEn</strong> für fussgängEr<br />
<strong>BozEn</strong> für radfahrEr<br />
4 durch<br />
4<br />
<strong>BozEn</strong> für<br />
radfahrEr<br />
Bozen zu radeln ist entschieden schön<br />
und abwechslungsreich. Die Stadt selbst liegt<br />
in der Ebene, weist also keine nennenswerten<br />
Erhebungen auf und die Entfernungen sind im<br />
großen und ganzen gering. Radfahren ist - gemessen<br />
am Autofahren - natürlich auch umweltbewußter<br />
und zeugt von großem Respekt vor der Natur:<br />
Radfahren ist ökonomischer, verursacht keinerlei<br />
Abgase, keinen Lärm und stört nicht!<br />
Um zur Verwendung des Fahrrads anzuregen, wurde<br />
von der Gemeinde Bozen ein Fahrradverleih ins<br />
Leben gerufen: die Räder der Gemeinde sind an ihrer<br />
weiß-roten Lackierung (den Farben des Bozner<br />
Stadtwappens) leicht erkennbar. Der im Auftrag der<br />
Gemeinde betriebene Verleih bietet ab Ostern bis<br />
Ende November montags bis samstags von 7:30 bis<br />
19:50 Uhr die Räder bis zu einer Dauer von sechs<br />
Stunden zum Preis von einem Euro an; über sechs<br />
Stunden Entlehnung bzw. bis zum Ende der Verleihzeit<br />
hat man zwei Euro zu bezahlen. Die Räder können<br />
an zwei Verleihstellen in der Stadt bezogen<br />
werden: in der Bahnhofstraße und am Griesplatz.<br />
Insbesondere für Bozenbesucher ist dieses Angebot<br />
eine gute Idee, um rascher als zu Fuß und doch auf<br />
bequeme Art die Stadt zu erkunden. Mehr als 25 km<br />
Radfahrwege stehen zur Verfügung und zusätzlich<br />
gibt es von Bozen aus Anbindungen an Kardaun,<br />
Eppan und Meran.<br />
Der Bozner Radtag ist das wichtigste Radfahrereignis,<br />
das in Südtirol abgehalten wird. 1992 erstmalig<br />
von der Gemeinde mit der Zielsetzung organisiert,<br />
die Bürger zur Verwendung des Fahrrads<br />
als Fortbewegungsmittel anzuregen, hat es sich im<br />
Laufe der Jahre zu einem Fixpunkt im Veranstal-<br />
31
4<br />
tungskalender des Bozner Frühlings<br />
entwickelt.<br />
Jede Jahreszeit hat ihre Reize für<br />
eine Fahrt mit dem Rad. Das für Autos<br />
gesperrte Stadtzentrum steht<br />
den Radfahrern sehr wohl offen und<br />
an mehreren Stellen in der Stadt<br />
sind Rad-Parkplätze vorgesehen. Das<br />
bereits vorhandene Wegenetz wird<br />
ständig ausgebaut; während des<br />
Jahres werden zusätzlich noch verschiedene<br />
andere Veranstaltungen<br />
abgehalten, wie die von der Vereinigung<br />
Passepartout organisierten<br />
Fahrradausflüge.<br />
32<br />
Bozen für radfahrer <strong>BozEn</strong> für radfahrEr<br />
Eine Radtour entlang der Talfer bis zum Beginn<br />
des Sarntals und zur Burg Runkelstein, von dort<br />
auf dem westlichen Damm bis zum Zusammenfluß<br />
mit der Eisack und zur Industriezone, dann längs<br />
der alten Bahntrasse <strong>nach</strong> Meran Richtung westliche<br />
Stadtviertel und Etsch, vorbei an Schloß<br />
Sigmundskron, verschafft einen wahrhaft guten<br />
Überblick über die Lage Bozens und ihre Funktion<br />
als Grenzstadt, als Schmelztiegel und zentraler<br />
Mittelpunkt eines vielschichtigen Ambiente.<br />
Fahrradbenützer mögen wählen:<br />
Der innere Weg führt durch die malerischen engen<br />
Gassen der Altstadt und vermittelt dem Besucher<br />
rasch einen ersten Eindruck von der Stadt.<br />
Der äußere Weg hingegen führt den Radfahrer<br />
in das Bozen von gestern, zu den seinerzeit zum<br />
Schutze der bedeutendsten Verkehrsverbindungen<br />
errichteten Schlössern, sowie in die Agrarbezirke,<br />
deren Produktivität im Laufe der Zeiten dank eines<br />
vernünftigen Einsatzes der Wasserressourcen<br />
und deren Verteilung im Talboden konstant vermehrt<br />
werden konnte.<br />
Eine solche Tour mit dem Fahrrad bietet aber<br />
auch Gelegenheit, ganz einfach einmal nur die<br />
unvergleichliche Schönheit der Landschaft rings<br />
um die Stadt zu genießen und dabei zu erkennen,<br />
daß die Faszination Bozens gerade dieser Symbiose<br />
zwischen Stadt und Agrarwirtschaft, zwischen<br />
verbautem Gebiet und dem weiten Umland entspringt.<br />
Heute noch ist jedes kleinste, nicht verbaute<br />
Fleckchen Erde des Talbodens durch Wein- und<br />
Obstgärten genutzt und mancher Erbhof konnte<br />
sich mit seiner charakteristischen Bauweise, mit<br />
den vorspringenden Dächern, den Tennen, Maschinen<br />
und Gerätschaften inmitten des städtischen<br />
Lebens bis in unsere Zeit hinein behaupten.<br />
Auf den Radwegen erreicht man auch die Sportplätze<br />
der Stadt: die Fußball- und Kinderspielplätze<br />
im breiten Flußbett der Talfer und auch<br />
den Lido mit seinen Schwimmbädern, die Sporthalle,<br />
das Drususstadion und die Eisack-Promenade.<br />
In der schönen Jahreszeit herrscht an diesen<br />
Plätzen regstes Treiben und der Beschauer gewinnt<br />
einen <strong>nach</strong>haltigen Einblick in Gepflogenheiten<br />
und Verhalten der Bozner Bevölkerung, die<br />
das Leben an der frischen Luft besonders intensiv<br />
zu nutzen versteht.<br />
Wer sich mit dem Rad bis zur Etschbrücke begibt,<br />
vor dem erhebt sich dann als lohnender Anblick<br />
das eindrucksvolle Massiv von Schloß Sigmundskron,<br />
dessen rötliche Türme sich in den ruhigen<br />
Wassern der Etsch spiegeln. Von hier läßt<br />
sich in wenigen Minuten das Schloß erreichen, wo<br />
auf Initiative von Reinhold Messner, einem der<br />
anerkanntesten Bergsteiger unserer Zeit, am 11.<br />
Juni 2006 das Messner Mountain Museum (MMM<br />
Sigmundskron) eingeweiht wurde, das als viertes<br />
Museum dieser Art den Bergen und allen damit<br />
verbundenen Aspekten gewidmet ist. In diesem<br />
Museum soll nicht nur die Bergwelt als solche dokumentiert,<br />
sondern die Aufmerksamkeit des Beschauers<br />
auf den menschlichen Aspekt, auf die<br />
Bergbewohner, ihr Leben und ihre Geschichte gelenkt<br />
werden.<br />
Abschließend sei noch darauf hingewiesen, daß<br />
derzeit Fahrradwege sowohl vom Brenner Richtung<br />
Verona als auch längs der Haupttäler Südtirols<br />
entstehen, was Bozen in die Mitte eines <strong>nach</strong><br />
allen Richtungen gehenden weitgefächerten Radfahrwegenetzes<br />
rückt.<br />
4<br />
33<br />
RADFAHR-<br />
WEGE<br />
SCHLOSS<br />
SIGMUNDS-<br />
KRON:<br />
MESSNER’S<br />
MOUNTAIN<br />
MUSEUM
4<br />
34<br />
Bozen für radfahrer <strong>BozEn</strong> für radfahrEr<br />
4<br />
35
5<br />
36<br />
<strong>BozEn</strong> für sEilBahnfahrEr<br />
<strong>BozEn</strong> für sEilBahnfahrEr<br />
5<br />
5<br />
d<br />
ie Seilbahn ist ein sicheres, rasches und sparsames<br />
Transportmittel, mit welchem in kürzester<br />
Zeit große Höhenunterschiede überwunden<br />
werden können. Die Stadt Bozen hat drei solcher<br />
Seilbahnanlagen aufzuweisen, deren Talstationen<br />
sich jeweils am nördlichen, östlichen und am südlichen<br />
Stadtrand befinden und von wo aus binnen<br />
ungefähr zehn Minuten zauberhafte Destinationen<br />
in über 1.000 Metern Höhe erreicht werden können.<br />
Obwohl in den letzten zehn Jahren zusätzlich Straßen<br />
bis hinauf zu diesen Orten angelegt wurden, ist<br />
ein Ausflug mit der Seilbahn immer noch empfehlenswert,<br />
vermittelt er doch völlig neue Eindrücke und<br />
Ausblicke auf die Stadt und ihre Tallandschaft. Die<br />
Zielorte ihrerseits bieten nicht nur vielfache Unterbringungs-<br />
und Verköstigungsmöglichkeiten in ihren<br />
zahlreichen Gastgewerbebetrieben, sondern sind auch<br />
Ausgangspunkt unzähliger, meist nicht allzu anstrengender<br />
und zudem für den Kraftfahrzeugverkehr gesperrter<br />
Spazier- und Wanderwege.<br />
<strong>BozEn</strong> für<br />
sEilBahnfahrEr<br />
Seilbahn <strong>nach</strong> Jenesien<br />
Die Talstation befindet sich nächst der Einmündung<br />
der Sarnerschlucht am rechten Ufer der Talfer.<br />
Die Bergstation dieser 1937 erbauten und 1978 komplett<br />
renovierten Seilbahn befindet sich im Dörfchen<br />
Jenesien (1080 m ü.M.), von wo man in einer 3/4<br />
Stunde auf einem Wanderweg die Hochebene des Salten<br />
erreichen und dort einen der eindrucksvollsten<br />
Ausblicke Südtirols genießen kann. Auf smaragdfarbenen<br />
Wiesen ragen vereinzelte Lärchengruppen gen<br />
Himmel. Das Sonnenlicht glitzert durch die Zweige<br />
und fällt sanft herab auf den satten Boden, die Senn-<br />
37
SEILBAHN<br />
AUF DEN<br />
KOHLERER<br />
BERG<br />
SEILBAHN<br />
AUF DEN<br />
RITTEN:<br />
TAL- UND<br />
BERG-<br />
STATION<br />
5<br />
hütten, Hecken und Zäune. Nirgendwo läßt sich<br />
wie hier die Unendlichkeit erahnen, der tiefe, innere<br />
Frieden der Natur empfinden.<br />
Seilbahn auf den Ritten<br />
Die Talstation liegt in geringer Entfernung vom<br />
Bahnhof und ist von diesem mit Bus Nr. 1 zu erreichen.<br />
Die Seilbahn bringt ihre Fahrgäste <strong>nach</strong><br />
Oberbozen am Rande des Rittener Plateaus in 1220<br />
m Höhe und überwindet dabei einen Höhenunterschied<br />
von 951 m und eine Entfernung von 4565 m<br />
Länge.<br />
38<br />
<strong>BozEn</strong> für sEilBahnfahrEr<br />
Für die alte, 1966 als Ersatz für die aus dem Jahre<br />
1906 stammende ehemalige Zahnradbahn errichtete<br />
Seilbahn ist es nun Zeit geworden, sich zur Ruhe<br />
zu setzen. Im Herbst 2008 geht eine neue Gondelbahn<br />
mit acht Kabinen in Betrieb, die in jeweiligem<br />
Abstand von nur vier Minuten eine <strong>nach</strong> der<br />
anderen abfahren. Geschwindigkeit, Sicherheit und<br />
Fahrkomfort sind die Hauptmerkmale dieser neuen<br />
Anlage, deren Beförderungskapazität sich auf 550<br />
Fahrgäste pro Stunde beläuft.<br />
Die reichverzweigten Wanderwege des Rittener<br />
Plateaus bieten einen einmaligen Rundblick von<br />
den Gletschern der Zentralalpen bis hin zu den felsigen<br />
Spitzen der Dolomiten. Üppige Grasflächen,<br />
Laub- und Lärchenwälder, malerische Winkel in alten<br />
Dörfern, einsame Kirchlein, kleine Seen voll<br />
klarsten, grün und blau schillernden Wassers schaffen<br />
ein ganz außergewöhnlich harmonisches alpines<br />
Ambiente. Dank der langen Sonneneinstrahlung<br />
ist das Klima mild und hat aus dem Ritten ein<br />
bevorzugtes Urlaubs- und Erholungsziel mit jahrhundertealter<br />
Tradition gemacht.<br />
Seilbahn auf den Kohlerer Berg<br />
Die Talstation liegt in Kampill ca. einen Kilometer<br />
vom Bozner Stadtzentrum entfernt; in nur fünf<br />
Minuten wird das in 1135m Höhe gelegene Kohlern<br />
erreicht.<br />
Die heutige, aus dem Jahre 1965 stammende und<br />
<strong>BozEn</strong> für sEilBahnfahrEr<br />
2006 mit neuen Kabinen bestückte Seilbahn ersetzt<br />
die alte, 1908 als erste Passagier-Seilschwebebahn<br />
der Welt errichtete und 1944 durch Bombenangriffe<br />
zerstörte Anlage.<br />
In geringer Entfernung zur Bahn wurde auf einer<br />
Höhe von 1150 m ü.M. ein 35 Meter hoher hölzerner<br />
Aussichtsturm errichtet, von welchem aus<br />
man einen einzigartigen Ausblick auf das Bozner<br />
Becken und die es umgebende Bergwelt genießen<br />
kann.<br />
Kohlern selbst ist ein kleiner Weiler der Gemeinde<br />
Bozen und setzt sich aus zwei schönen alten<br />
Häusergruppierungen zusammen: Bauernkohlern<br />
bei der Bergstation und das in einer Entfernung<br />
von wenigen Minuten Wegzeit gelegene Herrenkohlern.<br />
Die Gemeinde Bozen ist hier Eigentümerin<br />
des Uhl-Hofes, der sich von 980 m Höhe bis<br />
5<br />
hinauf auf 1380 m ü.M. erstreckt und auf einem<br />
Terrain von insgesamt 58 Hektar nebst einigen<br />
landwirtschaftlich genutzten Gebäuden noch Wiesen,<br />
Misch- und Nadelwälder aufweist. Mit der Renovierung<br />
des Uhl-Hofes und des angeschlossenen<br />
Heuschobers wurde 2003 das Umwelterziehungszentrum<br />
Uhl-Kohlern eingerichtet, das als modernes<br />
Anwesen der Erhaltung und dem Studium<br />
der Umwelt dienen soll. Auf zweckmäßig angelegten<br />
Wegen kann sich der Besucher den verschiedenen<br />
Erscheinungsformen der natürlichen Landschaft<br />
nähern und sie als harmonische ökologische<br />
Systeme begreifen. Eine Herberge in der Nähe<br />
des Zentrums bietet bis zu 30 Personen Platz.<br />
Für nähere Informationen steht die Telefonnummer<br />
0471/997435 zur Verfügung.<br />
39<br />
DIE<br />
ERDPYRAMIDEN<br />
AUF DEM RITTEN
DIE VAJOLETTÜRME DES<br />
ROSENGARTEN<br />
6<br />
40<br />
BOLZANO<br />
“POrtA deLLe dOLOmiti”<br />
Bolzano<br />
“Porta dEllE dolomiti”<br />
6 Bozen<br />
6<br />
<strong>BozEn</strong>,<br />
das “tor<br />
zu dEn<br />
dolomitEn”<br />
wurde erst jüngst der Titel “Tor zu den Dolomiten”<br />
verliehen und bewirbt sich zur Zeit, zur “Hauptstadt<br />
der Berge” ausgerufen zu werden. Damit sollte<br />
die zentrale Lage dieser Stadt inmitten der weltweit bekanntesten<br />
und meistbesuchten Bergmassive hervorgehoben<br />
werden.<br />
Die Präsenz dieser Bergwelt, so nahe und gleichzeitig aufgrund<br />
all der Sagen und Mythen, die sich um sie ranken,<br />
doch wieder so fern, beeinflußt mehr als man annehmen<br />
möchte das Leben der Einwohner Bozens. In Bozen zu leben<br />
bedeutet in der Tat, sich konstant intensivst mit den<br />
Bergen auseinanderzusetzen: feiertags leert sich die Stadt<br />
und das, was für die Bewohner anderer Orte der Ausflug<br />
vor die Tore der Stadt sein mag, wird hier zu einer Bergfahrt,<br />
wobei man sich großzügig über manchmal ungünstige<br />
Witterungsbedingungen oder die mit der Erreichung<br />
manch selbstgesteckter Ziele verbundenen Unbequemlichkeiten<br />
hinwegsetzt.<br />
Auch der Reisende, der sich nur vorübergehend oder zufällig<br />
in Bozen aufhält, kann sich der Bergwelt der Dolomiten<br />
nähern, ohne ihrer verletzlichen Schönheit Abbruch<br />
zu tun. Man kann sie auf eigene Faust erkunden oder sich<br />
an bestens ausgebildete Bergführer wenden, die allen Gästen<br />
zur Verfügung stehen, welche diese weltweit so einmalige<br />
Region in Sicherheit und ohne Risiko zu besuchen<br />
wünschen. Je <strong>nach</strong> Belieben können sie sich auf Ausflüge<br />
längs der Wanderwege beschränken, ihre Kondition auf den<br />
Klettersteigen von Sella und Rosengarten erproben oder<br />
gar die Aufstiege unterschiedlichsten Schwierigkeitsgrades<br />
an Steilwänden wagen.<br />
“La Montagna è severa” (Nimm den Berg ernst) warnt ein<br />
in den Berghütten ausgehängtes Schild. Dennoch kann jeder<br />
sich den Bergen nähern und ihre Schönheit genießen,<br />
vorausgesetzt, er erkennt und respektiert seine eigenen Fähigkeiten<br />
und Grenzen, die zu übersteigen anmaßend und<br />
leichtsinnig wäre.<br />
41
EURAC: AUDITORIUM<br />
7<br />
42<br />
Bozner KulturleBen BoznEr KulturlEBEn<br />
7<br />
7<br />
BoznEr<br />
KulturlEBEn<br />
Was aus Bozen eine so einzigartige Stadt<br />
macht ist ihre Doppelsprachigkeit, das<br />
heißt, das Vorhandensein zweier in Sprache,<br />
Kultur und Traditionen unterschiedlicher Gemeinschaften<br />
(wozu noch die wohl kleine aber ihrer<br />
Geschichte wegen bedeutende Volksgruppe der Ladiner<br />
kommt), die einander in vielen Belangen ergänzen.<br />
Hier im Schnittpunkt uralter Handels- und<br />
Verbindungswege leben auf engstem Raum zwei verschiedene<br />
Kulturkreise zusammen, die im Laufe der<br />
Jahrhunderte das geistige Spektrum ganz Europas<br />
geformt haben; hier befindet sich der richtige Nährboden<br />
für die Verflechtung zweier Zivilisationen.<br />
Durch die allmähliche Einführung der gesetzgebenden<br />
und administrativen Autonomie und den<br />
Abschluß des Südtirolpakets hat sich die gesellschaftspolitische<br />
und kulturelle Situation verändert<br />
und so wird die Zweisprachigkeit heute nicht mehr<br />
als drückende Last sondern als freiwillige, persönliche<br />
Entscheidung im Sinne einer geistigen Bereicherung<br />
und im Bewußtsein der damit verbundenen<br />
materiellen Vorteile empfunden.<br />
Rein juristisch kommt den beiden Sprachen der<br />
gleiche Stellenwert zu: es ist daher nicht von einer<br />
“Fremdsprache” sondern von der “Zweitsprache” die<br />
Rede, wenn sich die zweite Sprache als unverzichtbar<br />
für eine vollständig abgerundete Schul- und Berufsausbildung<br />
zu der eigentlichen Muttersprache<br />
hinzugesellt.<br />
Der Umstand, daß die Sprache nicht als reines<br />
Kommunikationsmittel sondern als Trägerin kultureller<br />
Werte verstanden wird, läßt Bozen durch seine<br />
Doppelsprachigkeit zu einer <strong>nach</strong> zwei Richtungen<br />
hin offenen Stadt werden: <strong>nach</strong> der italienischen<br />
Kultur im Süden und <strong>nach</strong> der deutschen im Norden;<br />
43
UNIVERSITÄT AM<br />
SERNESIPLATZ<br />
7<br />
44<br />
Bozner KulturleBen BoznEr KulturlEBEn<br />
die Tatsache, daß diese beiden Welten hier zusammentreffen,<br />
bietet Gelegenheit zu immer neuen<br />
Anregungen und Ideen.<br />
Die deutschsprachige Gruppe pflegt die Verbindungen<br />
mit den jenseits des Brenner gelegenen<br />
Kulturräumen Nordtirols bzw. noch weiter entfernter<br />
Länder, um Anschluß zu halten an den reichen,<br />
deutschsprachigen Kulturschatz Mitteleuropas; die<br />
von Herkunft und regionaler Mentalität her eher<br />
heterogene italienische Gruppe hat einen höheren<br />
Grad an Dialektik und eine offenere Konfrontation<br />
entwickelt, was sich auch politisch in einer verstärkten<br />
Fraktionierung manifestiert.<br />
Die Freie Universität Bozen<br />
Ein starker Antrieb für Bozens Kultur- und Geistesleben<br />
ist die mit 31. Oktober 1997 in den Gebäuden<br />
des ehemaligen Bozner Krankenhauses im<br />
Herzen der Stadt eröffnete Freie Universität Bozen.<br />
Als festgefügte Stützen dieser Institution können<br />
die fortschrittlichen Technologien, ein internationaler<br />
Lehrkörper, die Dreisprachigkeit und die<br />
zwischen der Professorenschaft und den Studenten<br />
bestehenden optimalen Beziehungen angesehen<br />
werden. In dem multikulturellen Klima von Bozen<br />
gewinnen die Studenten fast “nebenbei” soziale<br />
und humane Erfahrungen und sprachliche Fähigkeiten,<br />
was sie für den Wettbewerb auf dem lokalen<br />
und europäischen Arbeitsmarkt rüstet.<br />
Folgende Fakultäten hat Bozen zu bieten:<br />
FAKULTÄT FÜR WIRTSCHAFTSWISSENSCHAFTEN<br />
Zur Auswahl für das Laureats-Studium stehen: 1.<br />
Wirtschaft und Management; 2. Tourismusmanagement;<br />
3 Betriebswirtschaft; 4 Ökonomie und Sozialwissenschaften.<br />
FAKULTÄT FÜR TECHNIK UND NATURWISSEN-<br />
SCHAFTEN<br />
Die Ausbildung erfolgt in engem Zusammenwirken<br />
mit dem Polytechnikum in Turin; zudem stehen Ex-<br />
perten von ausländischen Universitäten und aus<br />
dem Industriebereich zur Verfügung.<br />
Laureats-Studium für INFORMATIK. Das Doktoratsstudium<br />
in angewandter Informatik bietet nicht<br />
nur eine finanz- und betriebswirtschaftliche Ausbildung,<br />
sondern der Lehrplan ist hauptsächlich<br />
auf analytische Informatik fokussiert.<br />
FAKULTÄT FÜR DESIGN UND KÜNSTE<br />
Das Studium dauert drei Jahre; ausgebildet werden<br />
Fachleute für visuelle Kommunikation und<br />
Produktdesign. Als berufliche Möglichkeiten bieten<br />
sich den Absolventen das Entwerfen von Gebrauchsgegenständen,<br />
technischen und Dienstleistungssystemen,<br />
die Ausarbeitung grafischer Projekte,<br />
koordinierte Darstellungen und multimediale<br />
Produkte.<br />
FAKULTÄT FÜR BILDUNGSWISSENSCHAFTEN<br />
Mit Sitz in Brixen und einer Dreiteilung in eine italienische,<br />
eine deutsche und eine ladinische Sparte.<br />
Während der ganzen Dauer des Studiums an der<br />
LUB genießt der Auszubildende Unterstützung; im<br />
Studienjahr 2007-08 lag die Anzahl der Inskribenten<br />
bei ca. 3200, doch ist abzusehen, daß sich diese<br />
Zahl bis auf maximal 5000 erhöhen wird. Abschließend<br />
läßt sich wohl sagen, daß die Universität<br />
Bozen dank des von ihr ausgehenden starken<br />
kulturellen, internationalen Impulses enorm<br />
zur Veränderung der Geisteshaltung dieser Stadt<br />
beigetragen und sie offener und viel moderner gemacht<br />
hat.<br />
Europäische Akademie EURAC<br />
Mit Provinzialgesetz Nr. 31 vom 29. Oktober 1991<br />
wurde die Europäische Akademie (EURAC) als innovatives<br />
Forschungs- und Weiterbildungsinstitut<br />
mit Sitz in Bozen gegründet, wohl auch um die<br />
Position Bozens gegenüber den beiden nahegelegenen<br />
Universitätszentren Trient und Innsbruck zu<br />
stärken. Um Doppelangebote zu vermeiden wurden<br />
7<br />
folgende genau definierte Forschungsbereiche festgelegt:<br />
1. Sprache und Recht<br />
2. Minderheiten und Autonomien<br />
3. Nachhaltige Entwicklung<br />
4. Management und Unternehmenskultur<br />
5. Lebenswissenschaften<br />
Zehn Institute mit den jeweiligen zielgerichteten<br />
Forschungsprogrammen werden diesen Bereichen<br />
gerecht. Nur einige davon seien hier erwähnt:<br />
im Interesse der spezialisierten Verständigung<br />
und Vielsprachigkeit wird an der Harmonisierung<br />
der im Alpenbereich in Verwendung stehenden<br />
juristischen Terminologie gearbeitet. Zum Studium<br />
des Föderalismus und Regionalismus konzentriert<br />
sich die Forschung auf die modernen Verlagerungsprozesse<br />
der Regierungsgewalten in Richtung<br />
des Dezentralismus und auf konstitutionelle Reformen.<br />
Die Eurac-Institute, die sich mit regionaler<br />
Entwicklung und erneuerbaren Energien beschäftigen,<br />
untersuchen die eng mit der Ökologie in allen<br />
ihren Erscheinungsformen verbundenen Probleme.<br />
Was das Erfordernis der Effizienz und Modernisierung<br />
der öffentlichen Verwaltung betrifft,<br />
agiert das Eurac- Institut für Public Management.<br />
Daneben sei noch das Institut für genetische Medizin<br />
genannt, das das Zusammenwirken von Ge-<br />
45<br />
DIE<br />
BIBLIOTHEK<br />
DER ABTEI<br />
VON MURI-<br />
GRIES
SCHULE FÜR<br />
DOKUMEN-<br />
TARFILM<br />
ZELIG<br />
UNIVERSI-<br />
TÄTSBIBLIO-<br />
THEK<br />
7<br />
nen, Krankheiten und Umwelt studiert und Daten<br />
von Bewohnern isolierter Bergregionen dahingehend<br />
untersucht. Jüngstes Kind der Eurac ist das<br />
Institut für Mumien und den Iceman, das die gesamte<br />
Forschung an der weltbekannten Gletscherleiche<br />
koordiniert.<br />
Überdies wurde eingegliedert in die Eurac auch<br />
die Außenstelle des ständigen Sekretariats der Al-<br />
46<br />
Bozner KulturleBen BoznEr KulturlEBEn<br />
penkonvention geschaffen, die als Hüterin des natürlichen<br />
Ökosystems der Alpen fungiert.<br />
Ihren Sitz hat die Eurac im Gebäude der ehemaligen<br />
Gil. Die Geschichte dieser Baulichkeit, ihres<br />
allmählichen Niedergangs und zögerlichen Wiederentdeckung<br />
bis zu ihrer beispielhaften Renovierung<br />
stellt einen wichtigen Part der jüngsten<br />
Historie der Stadt Bozen dar. Zwischen 1934 und<br />
1936 erbaut, um die Mitglieder der faschistischen<br />
Jugendbewegung darin aufzunehmen, fiel dieser<br />
Verwendungszweck mit Kriegsende natürlich weg:<br />
der große Saal wurde zum Drusus-Kino umfunktioniert,<br />
aus dem Turnsaal wurde ein Supermarkt.<br />
Standortmäßig jedoch befand sich das Gebäude an<br />
beneidenswerter Stelle, nächst dem Zusammenfluß<br />
von Talfer und Eisack, wo der alte Stadtkern auf die<br />
Neustadt trifft.<br />
1995 wurde schließlich zur Umgestaltung des gesamten<br />
neuen Sitzes der Eurac ein internationaler<br />
Architektenwettbewerb ausgeschrieben, aus welchem<br />
als Sieger Klaus Kada aus Graz hervorging. Das<br />
bestehende Gebäude blieb zur Gänze erhalten und<br />
auch die alte rötliche Farbgebung wurde ihm wiedergegeben,<br />
die es von weitem schon erkennbar<br />
macht. Diese Entscheidung ist umso begrüßenswerter,<br />
da es sich dabei schließlich um ein bedeutendes<br />
Zeitdokument einer für Italiens Architektur maßgeblichen<br />
Epoche handelt. Als Gegenpol dazu wirkt<br />
die klare, rationelle Formgebung des neuen Gebäudeteils,<br />
dessen vorrangig in Glas gehaltenen Wände<br />
den Komplex insgesamt hell und luftig erscheinen<br />
lassen. Das Auditorium wurde in qualitativ hochwertigen<br />
Materialien adaptiert und in Anbetracht<br />
seiner äußeren Gliederung und der inneren Raumaufteilung<br />
kann man das Ergebnis nun wohl als eines<br />
der schönsten Gebäude der Stadt bezeichnen.<br />
ZELIG - Schule für Dokumentarfilm,<br />
Fernsehen und neue Medien<br />
Mit der Schule Zelig steht eine der wenigen Institutionen<br />
zur Verfügung, die in Europa eine spezielle<br />
Ausbildung auf dem Gebiet des Dokumentarfilms<br />
anbieten.<br />
Zelig bezieht ihren Namen von dem gleichlautenden<br />
Film von Woody Allen und hat sich seit<br />
ihrer Gründung im Jahr 1988 ständig vergrößert.<br />
Heute ist sie in drei akademische Jahrgänge gegliedert<br />
und konzentriert sich auf die Erfordernisse<br />
des Dokumentarfilms in den Bereichen Aufnahme<br />
und Montage.<br />
In Zeiten, in denen der kulturelle Wert von Fernseh-<br />
und Filmproduktionen zu schrumpfen scheint,<br />
während der Medieneinfluß auf unsere Gesellschaft<br />
konstant zunimmt, ist eine fundierte Ausbildung<br />
auf diesem Kunstgebiet als großer Vorteil anzusehen.<br />
Kreative junge Menschen mit Interesse für<br />
Technik, die bereit sind, ihr Fachwissen mit Energie<br />
und Einsatzbereitschaft auf dem Gebiet des<br />
Spezialfilms und des Fernsehens einzubringen, werden<br />
immer mehr gesucht.<br />
Die Übereinstimmung der schulischen Vorgaben<br />
mit den Erfordernissen des Arbeitsmarktes hat sich<br />
als Erfolgsfaktor erwiesen: 80 % der Absolventen<br />
haben bereits eine Anstellung im Bereich Audiovision<br />
gefunden und der Rest setzt seine Studien auf<br />
akademischem Niveau oder im Bereich von Kino-<br />
Universitäten in Italien oder im Ausland fort.<br />
Centro Trevi<br />
Das Gebäude in der Kapuzinergasse, welches zuerst<br />
jahrelang das Cinema Roma beherbergte, wurde<br />
von der Autonomen Provinz Bozen erworben<br />
und schließlich der italienischen Kulturabteilung<br />
als Mehrzweckgebäude für ein weitgefächertes Angebot<br />
an kulturellen Aktivitäten überantwortet.<br />
Das Gebäude verfügt über zwei Säle mit insgesamt<br />
mehr als 300 Plätzen fûr Konferenzen und Ausstellungen.<br />
Im Trevizentrum sind das Audiovisuelle Zentrum<br />
(für den Verleih von audiovisuellem Material) und<br />
das Multisprachzentrum (mit mehr als 10.000 Texten<br />
und Unterlagen in verschiedenen Sprachen,<br />
einem Lesesaal und Multimedia-Kursen) untergebracht.<br />
Mit jedem Jahr konnte das Zentrum Trevi sich eines<br />
vermehrten Zuspruchs erfreuen und stellt heute die<br />
7<br />
lebendigste und repräsentativste Einrichtung für die<br />
italienische Sprachgruppe in Bozen dar.<br />
Das Südtiroler Kulturinstitut<br />
Hauptsächlichster Vertreter der deutschsprachigen<br />
Kultur ist das Südtiroler Kulturinstitut. 1954<br />
gegründet, hat es seinen Wirkungskreis allmählich<br />
auf alle Bereiche der kulturellen Aktivitäten<br />
vom Sprechtheater bis zu Konzerten, von der Literatur<br />
bis zu Kunstausstellungen, von verschiedensten<br />
wissenschaftlichen Konferenzen bis zu Publikationen<br />
über Geschichte und lokale Fragen ausgedehnt.<br />
Seine Zielsetzung erkennt das Südtiroler<br />
Kulturinstitut in der Fortführung und Festigung der<br />
grundlegenden Kultur der deutschsprachigen ethnischen<br />
Gruppe sowohl durch die Belebung der vor<br />
Ort vorhandenen kulturellen Ressourcen als auch<br />
durch die Pflege der Beziehungen zu den deutschsprachigen<br />
Kulturströmungen Mitteleuropas auf allen<br />
Gebieten der schönen Künste und des Schauspiels.<br />
In der Theatersaison werden vom Haus der Kultur<br />
Stücke mit erstrangigen Vertretern der bedeutendsten<br />
Schauspielhäuser Österreichs und Deutschlands<br />
zur Aufführung gebracht, sehr zur Freude aller<br />
Theaterfreunde, die darin eine wertvolle Ergänzung<br />
des Kulturangebotes der Stadt erkennen. Große<br />
Bedeutung wird auch dem Theater für Jugendliche<br />
und für Kinder beigemessen, denen auf diese<br />
Weise neben der Schule ein vielfältiges, junges<br />
und für Neues offenes Kulturverständnis nahegebracht<br />
wird. Bedeutende Schriftsteller werden zur<br />
Präsentation ihrer Werke <strong>nach</strong> Bozen eingeladen<br />
und es werden auch Preise für hervorragende Leistungen<br />
auf den Gebieten der Literatur, Kunst und<br />
Wissenschaft ausgeschrieben. Nicht zu vergessen<br />
auf die wichtige Funktion des Südtiroler Kulturin-<br />
47
EUROPÄISCHE<br />
AKADEMIE EURAC<br />
7<br />
48<br />
Bozner KulturleBen BoznEr KulturlEBEn<br />
stituts als Herausgeber periodisch erscheinender,<br />
für die deutschsprachige Kulturwelt bedeutender<br />
Publikationen.<br />
Upad- Università Popolare<br />
delle Alpi Dolomitiche<br />
Seit ihrer Gründung im Jahr 1966 hat die Upad<br />
ihr reichhaltiges Angebot von berufsausbildenden<br />
Kursen bis zu Kunst- und Kulturwerkstätten für alle<br />
Altersklassen noch weiter vergrößert und bietet<br />
neben Ausbildung in Vortrag/Diskussion Kulturkurse,<br />
Unterstützung für Universitätslehrgänge<br />
und Projekte des Europäischen Sozialfonds. Die<br />
Zentrale der Upad in der Florenzerstraße 51 verfügt<br />
über Büros, eine Bibliothek, Hörsäle mit Audiovideo-<br />
und Informatikeinrichtungen, ein Auditorium<br />
mit 150 Plätzen sowie Turnsäle.<br />
Bibliotheken<br />
Gegenwärtig verfügt Bozen über drei ausgezeichnete<br />
öffentliche Bibliotheken, die Stadtbibliothek<br />
Battisti, die deutsche Bibliothek Friedrich<br />
Tessmann, sowie die italienische Bibliothek Claudia<br />
Augusta. Ein sich zur Zeit in der Endphase befindendes<br />
Projekt sieht die Zusammenlegung dieser<br />
drei Bibliotheken in einem Gebäudekomplex<br />
auf dem Areal der aufgelassenen Volks- und Mittelschule<br />
Longon vor. Das Angebot dieses neuen<br />
Bibliotheksviertels wird sich dann auf über eine<br />
Million Bücher/Medien belaufen, zuzüglich Zeitungen,<br />
Zeitschriften, Kassetten, CD und CD-Rom,<br />
DVD, Spiele, Internet, Mikrofilme und sämtliche Informations-<br />
und Informatikträger neuester Generation.<br />
Gemeinde und Provinz als<br />
Promotoren des Kulturlebens der Stadt<br />
An dieser Stelle muß aber auch erwähnt werden,<br />
welch maßgebliche Rolle die öffentliche Hand in<br />
der Kulturförderung Bozens spielt.<br />
Gemeinde und Provinz Bozen sind zu Hauptfiguren<br />
des Kulturlebens der Stadt geworden, sowohl<br />
indirekt, indem sie die vorhandenen verschiedenen<br />
Kulturverbände finanziell unterstützen, als auch<br />
direkt, da sie über das ganze Jahr verteilt eine Reihe<br />
von Veranstaltungen organisieren.<br />
Das Gemeinde-Amt für Kultur betreibt die Kunstgalerie<br />
am Dominikanerplatz, hat Schloß Runkelstein<br />
in ein Museums- und Kongreßzentrum umgestaltet,<br />
organisiert Veranstaltungen wie “Bozner Sommer”<br />
und “Bozner Kindersommer” sowie eine Vielfalt von<br />
Ereignissen in Form von Konzerten, Theateraufführungen,<br />
Lesungen, bis hin zu Sportveranstaltungen,<br />
Spielen im Freien oder Straßentheater.<br />
Noch mannigfaltiger und intensiver sind die Bemühungen<br />
der Autonomen Provinz, die ihren Aufgaben<br />
im Kultur- und Lehrbereich mit Hilfe von<br />
drei Abteilungen für Aktivitäten in deutscher, ladinischer<br />
und italienischer Sprache <strong>nach</strong>kommt.<br />
Die Abteilung Deutsche Kultur und Familie schafft<br />
7<br />
den Rahmen für kulturelle Arbeit und Entwicklung<br />
in Südtirol. Sie nimmt auch Einfluss auf die kulturellen<br />
Belange der Bevölkerung in Form von Bildungsangeboten,<br />
Einbringen von gesetzlichen<br />
Vorschlägen, Vernetzungsarbeit, Qualitätsinitiativen,<br />
Pilotprojekte u.a.m. Die Abteilung betreut<br />
auch die sprachgruppenübergreifenden Bereiche,<br />
wie z.B. die Museen, die Familienbildungsarbeit,<br />
die autonomen kulturellen Körperschaften und die<br />
Landesbeteiligung an Stiftungen und Vereinen.<br />
Bozen kann sich der Tatsache rühmen, daß in den<br />
vergangenen Jahren viele neue Einrichtungen entstanden<br />
sind und auch einen zeitgemässen Standort<br />
erhalten haben. Das Land Südtirol hat daran<br />
wesentlichen Anteil: mit der Errichtung der Eurac,<br />
der Universität, des Archäologiemuseums, des<br />
Konzerthauses, mit der Mitfinanzierung des Stadttheaters<br />
u.s.w.<br />
Mit dem Neubau des Museion erhält in der Landeshauptstadt<br />
auch die bildende Kunst eine zeitgemäße<br />
Heimstätte: für Sammlungen, Dauer- und<br />
Wechselausstellungen, für eine Bibliothek, für vielfältige<br />
Vermittlungstätigkeiten. Das neue Museion<br />
widmet sich der Kunst des 20. Jahrhunderts und<br />
der Zeitgenössischen Kunst.<br />
Das Amt für Weiterbildung hat sich zum Ziel<br />
gesetzt, bestehende Lücken im Weiterbildungsbereich<br />
auszumachen und durch die Umsetzung von<br />
Modellprogrammen zu füllen.<br />
Die Berichte über das Kulturgeschehen in Bozen<br />
wie in ganzen Südtirol erscheinen zweimal jährlich<br />
und sind im Amt für Kultur kostenlos erhältlich.<br />
49
AUFFÜHRUNG DES HAYDN-<br />
ORCHESTERS IM AUDITORIUM<br />
7<br />
50<br />
Bozner KulturleBen<br />
<strong>BozEn</strong> und diE musiK<br />
8 Bozen<br />
8<br />
<strong>BozEn</strong> und<br />
diE musiK<br />
51<br />
verdankt die Reichhaltigkeit seines<br />
Musiklebens der abwechslungsreichen Entstehungsgeschichte<br />
und Vielfalt seiner Gesellschaftsstruktur.<br />
In der deutschsprachigen Welt wird die Tradition<br />
der Hausmusik noch immer hochgehalten: Klavier,<br />
Blas- und Saiteninstrumente werden ebenso gerne<br />
und rege gepflogen wie Arien- und Liedgesang.<br />
Jedoch auch an Volksmusikdarbietungen fehlt es<br />
nicht und häufig sind es die Mitglieder einer einzigen<br />
Familie, die eine ganze Musikgruppe aufzustellen<br />
vermögen und als solche aus dem rein familiären<br />
Kreis heraustreten, um sich in der Öffentlichkeit<br />
zu produzieren. Die Hausmusik ist ein nicht zu<br />
unterschätzender, grundlegender Bestandteil der<br />
Bozner Musikkultur und “Musik machen” bedeutet<br />
hier mehr, als eine rein passive Teilnahme an Konzertsaal-Aufführungen:<br />
hier liegt die Musik wahrhaft<br />
in der Luft, sie ist Teil des täglichen Lebens,<br />
wird zu einem sozialen Faktor, führt zu Freundschaften<br />
und ist häufig Ursache einer generellen<br />
Verfeinerung von Geschmack und Stimmungen.<br />
Im italienischsprachigen Bereich wird allgemein<br />
dem Chorgesang und hierbei wieder den Bergliedern<br />
der unbestrittene Vorrang eingeräumt. Träger<br />
ist das Volk selbst, das <strong>nach</strong> jahrhundertelangem<br />
Leben in den Alpentälern in den langsamen, kadenzierten<br />
Weisen, den weit ausgelegten, schwermütigen<br />
Melodien sein eigentliches Wesen besser<br />
zum Ausdruck bringt als dies in jeder anderen<br />
Kunstform möglich wäre; diese Musik ist Spiegel<br />
der harten Anforderungen des täglichen Lebens,<br />
des Gottvertrauens, der Liebe zum Vaterland, zu<br />
einer Frau, der Dramatik von Krieg und Emigration,<br />
der Demut und Bescheidenheit angesichts der Grö-
KONSERVATO-<br />
RIUM MONTE-<br />
VERDI: ARTURO<br />
BENEDETTI<br />
MICHELANGELI-<br />
SAAL<br />
8<br />
ße und Schönheit der Schöpfung. Dem Berg als Lebensraum,<br />
als Anstoß für physische und psychische<br />
Höchstanforderungen, für vollkommene geistige Verinnerlichung<br />
wird in diesen Gesängen gehuldigt; sie<br />
sind Ausdruck zeitloser menschlicher Gefühle. Auch<br />
heute noch ist es diesen Liedern gegeben, die ihnen<br />
eigene Faszination auf ihr Publikum auszuüben: dies<br />
beweist der große Zuspruch, den die zahlreichen Darbietungen<br />
der vier Chorvereinigungen der Stadt (Coro<br />
Rosalpina, Coro Laurino, Coro Castel Flavon, Coro<br />
Monti Pallidi) oder auch der aus anderen Gebirgsorten<br />
stammenden Gastchöre finden..<br />
Zentraler Angelpunkt aller musikalischer Initiativen<br />
der Stadt ist das Musikkonservatorium “Claudio<br />
Monteverdi”. Aus der Notwendigkeit geboren, in einem<br />
Ambiente, in dem der Musik bereits von der Kinderstube<br />
an ein fixer Platz im Leben der Bewohner<br />
eingeräumt wird, ein anspruchsvolles Angebot zu bieten,<br />
hat sich das Konservatorium rasch zu einer der<br />
bedeutendsten Institutionen von Stadt und Provinz<br />
entwickelt. Seit der Gründung 1940 ist es im Dominikanerkloster<br />
am gleichnamigen Platz untergebracht;<br />
der große Saal im Inneren ist <strong>nach</strong> dem großen Pianisten<br />
Arturo Benedetti Michelangeli benannt, der<br />
hier in der Zeit von 1950 bis 1959 unterrichtete. Hier<br />
finden die Kammermusikkonzerte des Konzertvereins<br />
statt, aber auch die Veranstaltungen des Vereins der<br />
Freunde der Opernmusik, der Reisen zu den bedeutendsten<br />
Opernhäusern Italiens und des Auslands organisiert.<br />
Die verschiedenen Festivals sakraler, antiker<br />
52<br />
Bozen und die Musik <strong>BozEn</strong> und diE musiK<br />
und zeitgenössischer Musik werden zusätzlich auch in<br />
anderen Sälen, Privaträumlichkeiten und Kirchen innerhalb<br />
und außerhalb der Stadt abgehalten.<br />
Einige der bekanntesten italienischen Musiker zählten<br />
zu den Direktoren und Lehrern des Bozner Musikkonservatoriums,<br />
ohne welches es weder den Pianistenwettbewerb<br />
F.Busoni noch das Haydn-Orchester<br />
noch all die anderen heute in Bozen bestehenden<br />
Konzertveranstaltungen und sonstigen musikalischen<br />
Ausbildungsmöglichkeiten gäbe.<br />
Das Haydn-Orchester von Bozen und Trient<br />
Das Haydn-Orchester wurde 1960 auf Initiative<br />
der Provinzen und Gemeinden von Bozen und Trient<br />
gegründet.<br />
Das Orchester hat 46 ständige Mitglieder; hinzu<br />
kommen andere Instrumentalisten <strong>nach</strong> jeweiligem<br />
Bedarf der Aufführungen; die bedeutendsten Solisten<br />
Italiens sind bereits mit dem Haydn-Orchester<br />
aufgetreten. In den mehr als 45 Jahren seines Bestehens<br />
brachte die Vereinigung ein weitgefächertes<br />
Repertoire angefangen vom Barock bis zu zeitgenössischen<br />
Musikwerken zur Aufführung.<br />
Seinen festen Sitz für Konzerte und Proben hat das<br />
Haydn-Orchester nun im Auditorium in der Dantestraße,<br />
einem für die Stadt aus kultureller Sicht<br />
sehr wichtigen Gebäude, finden dort doch zahlreiche<br />
musikalische Veranstaltungen statt. Nach dem<br />
Ankauf des alten Cinema Augusteo durch die autonome<br />
Provinz wurde es in ein neues und sehr elegantes<br />
Veranstaltungsgebäude umgewandelt. Dieses<br />
verfügt über zwei Säle, den Großen Saal mit<br />
8<br />
641 Plätzen, in welchem die Musiksaison des Orchesters<br />
stattfindet, und den Kleinen Saal von 120<br />
m² im Souterrain für kleinere Veranstaltungen.<br />
Internationaler Pianistenwettbewerb<br />
“Ferruccio Busoni”<br />
Diese Veranstaltung ist aufgrund der hohen künstlerischen<br />
Anforderungen durchaus zu den bedeutendsten<br />
Pianistenwettbewerben der Welt zu rechnen.<br />
Bis 2001 noch alljährlich abgehalten, findet<br />
er heute alle zwei Jahre statt, alternierend mit einem<br />
“Festival Busoni” mit Klavier- und Orchesteraufführungen.<br />
Ein Gewinn beim Busoni-Wettbewerb stellt für<br />
jeden jungen Pianisten ein erstrebenswertes Ziel<br />
und ein sicheres Sprungbrett für das weitere Vorwärtskommen<br />
dar.<br />
Europäische Jugendorchester<br />
Als einzige unter den italienischen Städten ist<br />
Bozen Sitz von zwei der angesehensten europäischen<br />
Jugendorchester, nämlich des European<br />
Union Youth Orchestra und des Gustav Mahler<br />
Jugendorchester. 1986 hat die Stadt erstmalig<br />
den aus ganz Europa stammenden jungen Menschen,<br />
die Mitglieder dieser Orchester sind, festen<br />
Wohnsitz angeboten. Claudio Abbado, der vom<br />
53<br />
EINGANG ZUM<br />
KONSERVATORIUM,<br />
VERANSTALTUNGSORT<br />
DER INTERNAT. BU-<br />
SONI-WETTBEWERBE<br />
EUROPÄISCHES JU-<br />
GENDORCHESTER
CLAUDIO<br />
ABBADO, EH-<br />
RENBÜRGER<br />
DER STADT<br />
BOZEN<br />
GUSTAV<br />
MAHLER-JU-<br />
GENDORCHE-<br />
STER<br />
8<br />
Bozner Gemeinderat zum Ehrenbürger der Stadt ernannte<br />
Gründer und Leiter der Orchester, hat der<br />
Stadt gegenüber seine Anerkennung und Dankbarkeit<br />
dafür zum Ausdruck gebracht, daß es ihr gelungen<br />
sei, erstrangige Musikinstitutionen ins Leben<br />
zu rufen und der Arbeit mit Jugendlichen große<br />
Aufmerksamkeit zu widmen.<br />
Die beiden Orchester halten hier ihre Proben für<br />
die jährlichen Tourneen ab, die sie in die bedeutendsten<br />
Konzert- und Opernsäle der Welt führen.<br />
Die Konzertpremieren aber finden jeweils in Bozen<br />
54<br />
Bozen und die Musik <strong>BozEn</strong> und diE musiK<br />
statt und sind Anlaß, von einem enthusiastischen<br />
Publikum begrüßt zu werden. Die langandauernde<br />
Anwesenheit so vieler junger Menschen mit all ihren<br />
verschiedenen Sprachen und Unterschieden in<br />
Verhalten, Kleidung, Gewohnheiten und Aussehen<br />
animiert und macht das Leben in dieser Stadt abwechslungsreich<br />
und bunt.<br />
Gustav-Mahler-Akademie<br />
1999 auf Anregung von Maestro Claudio Abbado<br />
ins Leben gerufen, stellt die Gustav Mahler-Akademie<br />
- Musik und Jugend das logische Ergebnis<br />
der bereits seit Jahren zwischen der Stadt Bozen<br />
und dem GM-Jugendorchester bestehenden intensiven<br />
künstlerisch-organisatorischen Zusammenarbeit<br />
dar. Die Stiftung organisiert jedes Jahr im Oktober<br />
Masterkurse für aus ganz Europa kommende<br />
junge Musiker und Musikerinnen zwischen 18<br />
und 26 Jahren.<br />
Musikstadt Bozen<br />
Das Musikleben Bozens erschöpft sich jedoch<br />
nicht in diesen herausragenden Institutionen. Hier<br />
befassen sich viele beruflich mit Musik, viele andere<br />
aber möchten auch nur ihre Musikkenntnis-<br />
se privat und zur Vervollständigung ihres persönlichen<br />
Kulturniveaus erweitern. Um diesen Bedürfnissen<br />
entgegenzukommen, hat die Autonome Provinz<br />
mit Landesgesetz von 1977 zwei Musikschulen,<br />
eine für die deutsche und ladinische und eine<br />
für die italienische Sprache, ins Leben gerufen.<br />
Institut für Musikerziehung<br />
in deutscher und ladinischer Sprache<br />
Die deutschsprachigen Musikschulen Bozens sind<br />
in zwei Schulstellen untergebracht: am Grieser<br />
Platz in einem schönen restaurierten Gebäude aus<br />
dem 19. Jahrhundert und in der Franziskanergasse<br />
in der Altstadt. Etwa 1300 Schüler werden von<br />
8<br />
über 40 Lehrkräften betreut.<br />
Das Angebot reicht von musikalischer Früherziehung<br />
für Kinder ab dem fünften Lebensjahr, über<br />
Sing- und Chorstunden für jede Altersgruppe, bis<br />
zu Instrumental-Ausbildung, Kammermusik und<br />
Theorieunterricht.<br />
Die Musikschule Bozen ist eine der ganz wenigen<br />
im Lande, die auch Unterricht im Orgelfach anbieten.<br />
Sowohl Studierende der Kirchenmusikschule<br />
als auch andere Interessenten können hier einen<br />
qualifizierten Unterricht geniessen.<br />
Diese so verschiedenen musikalischen Darbietungen<br />
und Veranstaltungen leisten einen nicht unwesentlichen<br />
Beitrag zum sozialen und kulturellen<br />
Leben von Bozen.<br />
55
9<br />
56<br />
TheaTer und<br />
KulTurveransTalTungen<br />
thEatEr und<br />
KulturvEranstaltungEn<br />
9<br />
thEatEr und<br />
KulturvEranstaltungEn<br />
9 d as Stadttheater<br />
57<br />
Am 9. September 1999 wurde das Bozner<br />
Stadttheater feierlich eingeweiht. Das <strong>nach</strong><br />
einem Entwurf des Mailänder Architekten Marco<br />
Zanuso - einem der angesehensten italienischen<br />
Architekten - errichtete Gebäude kann als Perle in<br />
der jüngsten städtebaulichen Entwicklung Bozens<br />
betrachtet werden und ist zum Treffpunkt für alle<br />
Kulturbegeisterten aus Bozen und aus ganz Südtirol<br />
geworden. Monatlich werden dort zwischen<br />
30 und 50 Veranstaltungen abgehalten: Theater-,<br />
Ballett-, Opern- und Musicalaufführungen.<br />
Es verfügt über einen Großen und einen Kleinen<br />
Saal sowie über einen Probenraum.<br />
Der als Herzstück des Theaters anzusehende Große<br />
Saal bietet 810 Personen für ein breitgefächertes<br />
Nutzungsangebot, darunter auch für Kongresse,<br />
Platz. Die 180 m² große Drehbühne kann bis<br />
zu 8 m tief abgesenkt werden und ermöglicht dadurch<br />
einen raschen Szenenwechsel.<br />
Der ein Stockwerk tiefer gelegene Kleine Saal,<br />
auch Kammertheater genannt, faßt 272 Personen<br />
und kann für die unterschiedlichsten Veranstaltungen<br />
genutzt werden: Kammerkonzerte, experimentelles<br />
Theater, Theater für die Jugend, Fernsehaufzeichnungen,<br />
u.s.w. Hier sind hervorragende<br />
technische und architektonische Lösungen zum<br />
Einsatz gekommen.<br />
Der Probenraum schließlich befindet sich am<br />
Top des Theaters, im Aussichtsturm, und besitzt<br />
eine Fläche von 278 m².<br />
Die Außenansicht des Theaters ist auch erwähnenswert:<br />
hier finden sich wieder jene Erker, die
INNEN- UND AUSSEN-<br />
ANSICHT DES THEATER<br />
CRISTALLO<br />
9<br />
58<br />
TheaTer und<br />
KulTurveransTalTungen<br />
als typisches Bauelement allenthalben an Bozner<br />
Häusern auftauchen, wo der Erker Licht und Wärme<br />
ins Innere bringen und gleichzeitig die Sicht <strong>nach</strong><br />
Außen erleichtern soll.<br />
Gleich drei Institutionen sind im Stadttheater untergebracht:<br />
das italienischsprachige Teatro Stabile,<br />
die deutschsprachigen Vereinigten Bühnen Bozen<br />
(VBB) und die Stiftung Stadttheater und Konzerthaus.<br />
In dem 1950 vom Regisseur Fantasio Piccoli gegründeten<br />
Teatro Stabile gelangen während der<br />
Saison Theaterstücke zur Aufführung und von hier<br />
aus werden sowohl in Eigenregie als auch im Austausch<br />
mit anderen öffentlichen oder privaten Organisationen<br />
Aufführungen in den größten Ortschaften<br />
der Provinz organisiert.<br />
Desgleichen läßt sich von den Vereinigten Bühnen<br />
Bozen sagen, denen die Programmgestaltung<br />
für deutschsprachige Aufführungen obliegt und die<br />
ein reichhaltiges Angebot verschiedenster Veranstaltungen<br />
bieten.<br />
Die Stiftung Stadttheater und Konzerthaus<br />
Bozen wurde im Jahr 2000 gegründet, um diese<br />
beiden Institutionen zu betreiben und hat drei<br />
Hauptaufgaben: die Organisation der Opern- und<br />
der Ballettsaison sowie des Bozner Ballettsommers,<br />
das berufliche Weiterbildungsprogramm,<br />
die Verbreitung der Eigenproduktionen auch außer<br />
Landes. Im Laufe der Jahre konnte sich die<br />
Stiftung dank ihrer mit viel Originalität und Perfektion<br />
umgesetzten Bühnenproduktionen (Oper,<br />
Ballett und Musical) einen festen Platz in der nationalen<br />
und ausländischen Szene erobern. Ebensogroße<br />
Bedeutung kommt auch dem Bozner Ballettsommer<br />
zu, der nebst den Großereignissen<br />
mit Vertretern internationalen Ranges auch zahlreiche<br />
Nebenveranstaltungen für alle Alters- und<br />
Geschmacksklassen bietet.<br />
Theater Cristallo<br />
Am 1. Dezember 2005 hat das Theater Cristallo in<br />
der Dalmatienstrasse <strong>nach</strong> dreißig Jahren des Stillschweigens<br />
seine Pforten für das Viertel, die Stadt<br />
thEatEr und<br />
KulturvEranstaltungEn<br />
und alle jene, die vor einem halben Jahrhundert<br />
seinerzeit sein Entstehen miterlebt hatten, wieder<br />
geöffnet. 1954 als provisorische Kirche errichtet<br />
und in weiterer Folge zu einem Lichtspieltheater<br />
umfunktioniert, <strong>nach</strong>dem es von der RAI<br />
als Produktionsstätte für die deutschsprachigen<br />
Stücke des Senders IV Bozen benützt worden war,<br />
wurde es zum Sitz des Haydn-Orchester. Als dieses<br />
schließlich in seine definitive Niederlassung<br />
im Auditorium umzug, war der Weg frei für eine<br />
Umgestaltung und Renovierung des Gebäudes,<br />
worin sich nun nebst dem Theatersaal auch noch<br />
die Büros des Bürgerzentrums, das Jugendzentrum<br />
und die Tagesstätte für Senioren befinden.<br />
Das Theater Cristallo stellt heute mit einem Angebot<br />
von 480 Plätzen, großen Räumlichkeiten<br />
für Ausstellungen und meetings und dem Kulturcafé<br />
ein wertvolles Instrumentarium für eine Kulturpolitik<br />
dar, die bemüht ist, durch ein weitgefächertes<br />
Veranstaltungsangebot möglichst viele<br />
Menschen zu erreichen.<br />
Das Theater Walther von der Vogelweide<br />
- Haus der Kultur<br />
In Bahnhofsnähe, nämlich hinter dem Landhaus,<br />
liegt das als erstes Theater <strong>nach</strong> dem zweiten<br />
Weltkrieg in Bozen errichtete Walther von der<br />
Vogelweide-Theater. Seit damals werden hier vom<br />
Südtiroler Kulturinstitut deutschsprachige Prosaund<br />
Musikwerke zur Aufführung gebracht. Im Laufe<br />
der Zeit wurde es mehrmals umgebaut und renoviert,<br />
bis es in seiner heutigen Form bis zu 536<br />
Zuschauern in einem durch perfekte Akustik ausgezeichneten<br />
und den raffiniertesten technischen<br />
Anforderungen entsprechenden Saal Platz bietet.<br />
Gänge und Foyer sind großzügig gestaltet, sodaß<br />
hier auch häufig lokale Künstler ausstellen. Im<br />
Souterrain liegt ein Konferenzzimmer mit bis zu<br />
136 Plätzen, Projektionsanlage, Simultankabinen<br />
und dergleichen mehr.<br />
Im Laufe der Jahre gelangte ein Großteil des<br />
klassischen und modernen Repertoires der hervorragendsten<br />
österreichischen, deutschen und<br />
9<br />
59<br />
DEUTSCHES THEATER<br />
HAUS DER KULTUR
STADTTHEATER:<br />
INNENANSICHT<br />
GRIESER<br />
STADTTHEATER<br />
9<br />
schweizer Theatervereinigungen auf dieser Bühne<br />
zur Aufführung. Aber auch das Tiroler Dialekttheater<br />
tritt hier auf und vermittelt mit viel Humor<br />
und Liebe zum Detail Gebräuche, Wertvorstellungen,<br />
Gebaren und Denkweise einer noch nicht<br />
ganz versunkenen bäuerlichen Welt in der ihr eigenen<br />
Mundart.<br />
60<br />
TheaTer und<br />
KulTurveransTalTungen<br />
Grieser Stadttheater<br />
Lange Jahre der Sitz des Teatro Stabile und <strong>nach</strong><br />
dem vernichtenden Brand von 1988 wieder neu<br />
aufgebaut, kann das Grieser Stadttheater mit seinen<br />
376 Plätzen heute mit Recht als kleines Juwel<br />
bezeichnet werden, wo ein Programm von hohem<br />
Niveau zur Aufführung gelangt. In dem amphietheaterförmigen<br />
Saal organisiert die Theatervereinigung<br />
Nuovo Spazio seit einigen Jahren Aufführungen,<br />
zu welchen die besten Amateurbühnen<br />
Italiens eingeladen sind. Im Bemühen, das Dialekttheater<br />
mit seinen bedeutendsten Vertretern<br />
hochzuhalten, gehen hier Produktionen oft zu Unrecht<br />
in Vergessenheit geratener oder unbeachtet<br />
gebliebener Autoren über die Bühne.<br />
Carambolage und Theater im Hof.<br />
Zwei weitere Kleinbühnen liegen im historischen<br />
Stadtkern; sie sind trotz ihrer Kleinheit sehr aktiv<br />
und bemühen sich jede um eine ganz eigene,<br />
avantgardistische Kunstform. Das Carambolage in<br />
der Silbergasse ist ein Cabaret und bietet an kleinen<br />
Tischchen ein Speisen- und Getränkeangebot<br />
thEatEr und<br />
KulturvEranstaltungEn<br />
vor, während und auch noch <strong>nach</strong> den Vorführungen,<br />
die mit Musik, Varieté, Komikern, Solisten<br />
und kleinen Jazzgruppen, Pantomimen und mehr<br />
ein Programm für ein heterogenes Publikum ohne<br />
sprachliche Bindungen bieten. Das Theater im Hof<br />
am Kornplatz hat sich auf zwei Kunstformen spezialisiert:<br />
einerseits bringt es sowohl in Form von<br />
Eigen- als auch von Fremdproduktionen Theater für<br />
Kinder und Jugendliche und andererseits ist es auf<br />
Stücke ausgerichtet, die die heutige Stellung der<br />
Frau, ihre Probleme und ihre Rolle in der Gesellschaft<br />
behandeln.<br />
Transart<br />
Bei Transart handelt es sich um ein einmal jährlich<br />
im September stattfindendes Festival zeitgenössischer<br />
Kultur, das an völlig unüblichen Orten<br />
Musik- und Kunstprojekte organisiert. Seit dem<br />
9<br />
Erstversuch, der zur Gänze in Bozens Industriezone<br />
teils in einer Busgarage und teils in einem Metallwerk<br />
stattfand, hat Transart seinen Aktionsradius<br />
erweitert und sich zu einem Festival gewandelt,<br />
das nun in diversen Etappen an unterschiedlichen<br />
Orten über das ganze Trentino und Südtirol<br />
verstreut abgehalten wird. Längs der Nord-Süd verlaufenden<br />
Brennerachse hat es sich diese Initiative<br />
zur Aufgabe gesetzt, mittels innovativer Musik-<br />
und Kunstprojekte eine überregionale und grenzüberschreitende<br />
Kulturplattform zu schaffen.<br />
Kulturkreis La Comune<br />
Abschließend sei noch der Kulturkreis La Comune<br />
erwähnt, der bereits im Jahr 1971 seine Tätigkeit<br />
als Promotor unkonventioneller, ganz und gar<br />
nicht institutioneller Stücke begonnen hatte; seit<br />
damals hat er seinen Aktionsradius soweit ausgedehnt,<br />
daß er heute mit einem reichhaltigen Angebot<br />
an Prosa, Musik und Film das ganze Jahr<br />
über sehr aktiv vertreten ist. In der Wintersaison<br />
finden seine diversen Abonnementveranstaltungen<br />
in den verschiedenen Theatersälen je <strong>nach</strong><br />
Verfügbarkeit an Plätzen statt und im Sommer bietet<br />
er Freiluft-Kinoaufführungen vor beachtlichen<br />
Zuschauermengen. Ihm ist es auch zu verdanken,<br />
daß verschiedene Schauspieler und Stücke <strong>nach</strong><br />
Bozen kamen, die ansonsten in die Saisonvorführungen<br />
der anderen Institutionen keinen Eingang<br />
gefunden hätten.<br />
61<br />
BOZNER<br />
BALLETTSOMMER<br />
TRANSART 2006:<br />
MUSIKFABRIK &<br />
FREYER ENSEMBLE<br />
©TRANSART 2006
10<br />
62<br />
Der Mann aus DeM eis<br />
10 das<br />
10<br />
dEr mann<br />
aus dEm Eis<br />
Archäologische Museum in Bozen bewahrt<br />
einen der weltweit berühmtesten menschlichen<br />
Funde, der Bozen unter die Pflichtziele<br />
europäischer Reisebewegungen eingereiht und<br />
somit das Klima in dieser Stadt insoweit erheblich<br />
verändert hat, als sich nun hier Besucher aus aller<br />
Welt einfinden, um mit eigenen Augen den stummen<br />
Zeugen einer so lang zurückliegenden Zeit zu<br />
betrachten.<br />
Seine Einzigartigkeit verdankt er dem Umstand,<br />
daß er, von einem plötzlichen Unfalltod betroffen,<br />
vollständig mitsamt Kleidung und Ausrüstung erhalten<br />
blieb, ohne regulär bestattet worden zu sein.<br />
Erstmals in der Geschichte der Medizin und der Archäologie<br />
war es möglich, einen ins vierte Jahrtausend<br />
v. Chr. zu datierenden Leichnam anatomisch<br />
zu untersuchen und derart alte Kleidungsstücke und<br />
Geräte eingehend zu studieren.<br />
Mit Hilfe fortschrittlichster Untersuchungsmethoden<br />
konnten bislang unbekannte Einzelheiten aus<br />
dem Leben der Menschen der Neusteinzeit, ihrer Lebensbedingungen<br />
und ihrer außerordentlichen Anpassungsfähigkeit<br />
aufgedeckt werden.<br />
Um die Konservierung der Mumie zu gewährleisten,<br />
wurde ein ganzes Stockwerk des Archäologischen<br />
Museums umgestaltet, mit den raffiniertesten technischen<br />
Einrichten ausgestattet und am 28. März<br />
1998 wieder eröffnet.<br />
Sämtliche Begebenheiten rund um den Mann aus<br />
dem Eis - die Entdeckung der Mumie und ihre Entnahme<br />
aus dem Eis, die ganze Geschichte der diesbezüglichen<br />
Grabungsarbeiten, die klinischen Untersuchungen<br />
- sind schriftlich, filmisch, sowie in Photos<br />
und mit Hilfe interaktiver Multimediadarstellun-<br />
63
Die Entdeckung<br />
10<br />
gen in allen Einzelheiten veranschaulicht.<br />
Die Mumie selbst ist in einer<br />
Kühlzelle untergebracht, einer in ihrer<br />
Art einzigartigen Anlage, wo der Mann<br />
aus dem Eis nun bei einer Temperatur<br />
von -6 Grad seine Ruhestätte gefunden<br />
hat. Eine Öffnung von 40x40 cm<br />
gestattet den Besuchern, ihn zu betrachten.<br />
Es ist der 19. September 1991 gegen 13:30h, als<br />
ein deutsches Touristenpaar aus Nürnberg sich auf<br />
dem Abstieg vom Hauslabjoch an der Wasserscheide<br />
zwischen dem Vintschgau und dem Ötztal befindet.<br />
Am Rande eines felsigen Beckens in 3.210 m Höhe<br />
ü.M. entlanggehend, bemerken sie unversehens<br />
etwas Dunkles, das aus dem Wasser ragt. Nähertretend<br />
gewahren sie mit Bestürzung, daß es sich um<br />
einen menschlichen Leichnam handelt und nehmen<br />
an, vermutlich den Körper eines vor vielen Jahren<br />
zu Tod gekommenen Alpinisten gefunden zu haben,<br />
der nun erst wieder zutage kam, <strong>nach</strong>dem ihn das<br />
ewige Eis aufgrund des seit einigen Jahren allenthalben<br />
in den Alpen vorherrschenden Gletscherschwunds<br />
wieder freigegeben hatte. In der Berghütte<br />
am Similaun angekommen, melden sie ihren<br />
Fund dem Wirt, der seinerseits die Gendarmerie in<br />
Sölden/Österreich und die Carabinieri von Schnal-<br />
64<br />
dEr mann aus dEm Eis dEr mann aus dEm Eis<br />
stal/Italien verständigt. In den folgenden Tagen<br />
begeben sich viele Menschen vor Ort, doch keiner<br />
von ihnen ahnt, daß binnen Kurzem dieser Tote und<br />
seine Ausrüstung zu Weltruf gelangen würden.<br />
Zuerst wird der Tote geborgen: dies erfolgt aufgrund<br />
des einsetzenden Schlechtwetters mit Hilfe<br />
eines Hubschraubers gegen Mittag des 23. September;<br />
<strong>nach</strong>dem er in das gerichtsmedizinische Institut<br />
von Innsbruck verbracht worden ist, wird am<br />
Dienstagmorgen, dem 24., ein Archäologe hinzugezogen,<br />
Prof. Conrad Spindler, Ordinarius für Vorund<br />
Urgeschichte, der anhand der bei dem Toten<br />
aufgefundenen Axt, diesem ein Alter von mindestens<br />
4.000 Jahren zuschreibt. In weiterer Folge<br />
wird diese Einschätzung mit Hilfe von in vier verschiedenen<br />
Instituten in Europa und Amerika angestellten<br />
Radiokarbonuntersuchungen auf eine Zeit<br />
zwischen 3.350 und 3.100 v.Chr. eingegrenzt.<br />
Gar nicht so einfach war es, für den Toten einen<br />
Namen zu finden. Mehr als 500, teils bizarre und<br />
phantasievolle Vorschläge wurden eingereicht, bis<br />
schließlich seine offizielle Bezeichnung am 2. Juli<br />
1997 vom Bozner Landtag festgelegt wurde: L’uomo<br />
venuto dal ghiaccio/Der Mann aus dem Eis.<br />
Allerdings kennt man ihn auch unter der - ihrer<br />
Kürze wegen weit gebräuchlicheren - Bezeichnung<br />
“Ötzi”, einer Erfindung des Wiener Reporters Karl<br />
Wendl in Anspielung auf das nächst dem Fundort<br />
endende Tiroler Ötztal.<br />
Expertenteams aus aller Welt sind immer noch mit<br />
der Untersuchung und Aufarbeitung der einzelnen<br />
Aspekte des Lebens von Ötzi befaßt. Zum Zeitpunkt<br />
seines Todes war er vollständig bekleidet; in minutiöser,<br />
geduldiger Kleinarbeit ist es den Restauratoren<br />
gelungen, die einzelnen Teile seiner Bekleidung<br />
zu rekonstruieren: eine Mütze, die Oberbekleidung,<br />
ein Paar Beinkleider, ein Gürtel, ein Lendenschurz,<br />
ein Paar Schuhe und eine Grasmatte - alles<br />
Gegenstände, die aufgrund der auf diesen Höhen<br />
selbst im Sommer vorherrschenden niedrigen Temperaturen<br />
durchaus verständlich erscheinen. Seine<br />
Ausrüstung bestand in einem Bogen, einem Köcher<br />
mit Pfeilen, einem Beil mit Kupferklinge, einer Rükkentrage,<br />
einem Dolch mit Scheide, und zwei Behältern<br />
aus Birkenrinde, typischen Gegenständen<br />
für einen Jäger jener Zeit, der sich unter schwierigen<br />
Lebensumständen in einer gefährlichen, wenn<br />
nicht gar feindlichen Umwelt behaupten mußte. Uns<br />
Heutigen jedoch bietet all dies die unvergleichliche<br />
Möglichkeit, einen tiefen Einblick in die Alltagswelt<br />
eines Alpenbewohners in der Kupferzeit zu tun.<br />
Ein 5000 Jahre alter Krimi: wie<br />
starb der Mann aus dem Eis ?<br />
Die Todesursache von Ötzi war lange Zeit Anlaß für<br />
heftige Diskussionen und Vermutungen, bis man im<br />
Juli 2001 dank einiger Röntgenaufnahmen in seiner<br />
linken Schulter eine Pfeilspitze und am Rücken eine<br />
kleine Hautverletzung entdeckte. Der Pfeil hat kein<br />
lebenswichtiges Organ verletzt, ist jedoch tief eingedrungen<br />
und machte erst knapp 15 mm vor der<br />
Lunge Halt. Der Mann muß versucht haben, sich des<br />
Pfeils aus seiner Schulter zu entledigen, der ihm vermutlich<br />
bei jeder Bewegung starke Schmerzen verursachte.<br />
Der Schaft dürfte sich auf diese Weise gelöst<br />
haben, doch blieb die Spitze im Körper stecken.<br />
Es steht außer Zweifel, daß dies für ihn das Ende bedeutete;<br />
wohl starb er nicht auf der Stelle, sondern<br />
kämpfte noch einige Stunden gegen den Tod an, bis<br />
er sich schließlich seinem Schicksal ergab.<br />
Wer ihn mit dem Pfeil getroffen haben mag und<br />
warum - das bleibt natürlich ein Rätsel. Eine tiefe<br />
Schnittwunde an der rechten Hand läßt auf einen<br />
Kampf von Mann zu Mann schließen. Mit Sicherheit<br />
steht nur die Verletzung an der Schulter<br />
fest, wobei der Pfeil aus einer gewissen Entfernung<br />
auf ihn abgeschossen worden sein muß, da er den<br />
Körper nicht zur Gänze durchdrungen hat. Befand<br />
sich Ötzi also auf der Flucht ? und vor wem ? oder<br />
wurde er Opfer eines Hinterhalts ? eines Verrates ?<br />
Da von seiner Ausrüstung nichts zu fehlen scheint,<br />
ist wohl die Annahme, es könnte sich um Diebstahl<br />
oder Raub gehandelt haben, auszuschließen. Es<br />
wurde jedoch auch schon daran gedacht, daß er als<br />
Schaf- oder Ziegenhirte attackiert worden sein mag,<br />
als man ihm sein Vieh zu stehlen versuchte.<br />
So bleiben noch viele Fragen bis auf weiteres unbeantwortet.<br />
10<br />
Die Mumie wird zum Medienstar<br />
Noch kein archäologischer Fund hat bisher ein<br />
derartiges Medieninteresse geweckt wie der Mann<br />
aus dem Eis. Kaum war das aufsehenerregende Alter<br />
der Mumie bekannt geworden, erschien Ötzis<br />
Bild bereits auf den Vorderseiten der größten inund<br />
ausländischen Tageszeitungen. Das Interesse<br />
der Öffentlichkeit an dem Mann aus dem Eis ist<br />
nie erlahmt; dies belegen allein schon die Warteschlangen<br />
der Besucher vor dem Museum.<br />
Da liegt es nahe, daß dieser außerordentliche<br />
Fund innerhalb kürzester Zeit zu einer Quelle intensivster<br />
Vermarktung mit den erstaunlichsten<br />
Auswüchsen geworden ist: für Lieder und Postkarten,<br />
Bonbons, Pizza und Eis ist er bereits Pate gestanden<br />
und sein Bild prangt auf T-shirts und Weinetiketten.<br />
Die Souvenirindustrie hat sich dieses<br />
Fundes bemächtigt und ist dabei, die kommerziellen<br />
Möglichkeiten, die der Mann aus dem Eis<br />
zu bieten hat, voll und ganz auszuschöpfen.<br />
Es wurden bereits auch zahlreiche Bücher<br />
aufgelegt, in denen Ötzis Geschichte erzählt<br />
wird; eines der ernstzunehmendsten,<br />
das sich durch eine klare Darstellung<br />
und große Vollständigkeit<br />
der Angaben auszeichnet, verdanken<br />
wir Angelika Fleckinger, die<br />
das Museum seit 2005 leitet:<br />
Ötzi, der Mann aus dem Eis.<br />
Herausgeber: Folio. Dieses<br />
Werk wurde auch als Grundlage<br />
für die in diesem Kapitel<br />
zitierten Fakten herangezogen.<br />
65<br />
ÖTZI, AUS-<br />
GESTELLT IN<br />
DER KÜHL-<br />
ZELLE<br />
VORIGE<br />
SEITE: DIE<br />
FUNDSTELLE
11<br />
66<br />
Bozen und der Sport <strong>BozEn</strong> und dEr sPort<br />
11 in<br />
11<br />
<strong>BozEn</strong> und<br />
dEr sPort<br />
Bozen war der Sport schon immer zu<br />
Hause und fast alle fühlen sich hier dazu<br />
berufen. Bedenkt man die geographische<br />
Lage dieser Stadt inmitten von Skigebieten,<br />
Wander- und Klettermöglichkeiten, die wohl<br />
zu den schönsten und berühmtesten der Welt<br />
zählen, erscheint es kaum verwunderlich, daß<br />
zu den am intensivsten gepflogenen Sportarten<br />
der Bergsport mit Schifahren, Wandern<br />
und Klettern zählt.<br />
Das sportliche Talent der Bozner hat sich jedoch<br />
auch schon in anderen Disziplinen manifestiert:<br />
Klaus Dibiasi wurde zum besten<br />
Wasserspringer der Welt gekürt, Antonella<br />
Belluti hat zweimal olympisches Gold gewonnen,<br />
Marco Zanetti zählt zu den welweit besten<br />
Billardspielern und Ylenia Scapin zu den<br />
Weltmeistern in Judo. Bozen hat Champions<br />
im Wasserskifahren, Segeln, Triathlon und<br />
Orientierungslauf hervorgebracht.<br />
Abgesehen von diesen Leistungen von internationalem<br />
Interesse werden noch viele andere<br />
sportliche Tätigkeiten auf unterschiedlichstem<br />
Niveau ausgeübt: laufen, wandern,<br />
radfahren, schifahren, schwimmen; Statistikfreunden<br />
sei verraten, daß mehr als 50 %<br />
der Bevölkerung zumindest eine Sportart auf<br />
Wettkampfniveau oder auch nur aus Liebhaberei<br />
betreiben.<br />
Die natürliche Umgebung der Bergwelt und<br />
ihre Schönheiten bilden das ideale Szenario<br />
für vielfältigste Aktivitäten im Freien,<br />
die über die klassischen Sportarten hinausgehen:<br />
Mountainbiking, Drachenfliegen, Pa-<br />
67
GEMEINDE-<br />
SCHWIMMBAD<br />
VOLLEY-BALL<br />
IN DER SPORT<br />
CITY<br />
11<br />
68<br />
Bozen und der Sport <strong>BozEn</strong> und dEr sPort<br />
ragleiten, Klettern ohne Seil, Rafting, Extremski.<br />
Zudem kann sich die Stadt Bozen und ihre Provinz<br />
einer Besonderheit rühmen: die Anzahl der<br />
hier befindlichen Schwimmbäder liegt weit über<br />
dem nationalen Durchschnitt. Nicht von ungefähr<br />
ist hier auch die berühmte Bozner Wasserspringschule<br />
unter der Leitung von Giorgio Cagnotto<br />
entstanden, der <strong>nach</strong> den großen Triumphen von<br />
Klaus Dibiasi diese Tradition heute mit den Erfolgen<br />
seiner Tochter Tania, einer Valentina Marocchi<br />
und einer Laura Vettori auf Weltniveau fortsetzt.<br />
Wie man sieht, sind hier in Bozen auch die<br />
Damen beständig und stark im Sport vertreten.<br />
Die rund 185 sportlichen Verbände in Bozen zählen<br />
annähernd 25.000 Mitglieder und weisen die<br />
verschiedensten Kategorien auf: 12 Fußballvereine,<br />
9 Radfahr-, 5 Leichtathletik-, 7 Kampfsport-,<br />
7 Eishockey-, 6 Volleyball und 4 Basketballclubs;<br />
hinzu kommen amerikanischer Fußball, Baseball,<br />
Billard, Kegeln, Boccia, Broomball, Kanufahren,<br />
Schwimmen, Eiskunst- und -schnelllauf, Sportfischen,<br />
Rugby, Fechten, Schlittenfahren, Reiten,<br />
Tennis, Scheibenschießen, Bogenschießen, Tauchen<br />
und Segelfliegen.<br />
Die Ausübung all dieser Sportarten wird begünstigt<br />
durch das Vorhandensein großzügig angelegter,<br />
sehr funktioneller Anlagen. Für die Hockey-<br />
Weltmeisterschaft 1994 wurde binnen Rekordbauzeit<br />
der Eispalast “Palaonda/Eiswelle” mit einem<br />
Fassungsvermögen von 7000 Plätzen errichtet.<br />
Hier drängen sich aber nicht nur die Fans anläßlich<br />
der einzelnen Wettkämpfe, sondern der<br />
Bau wird auch immer wieder für Musikveranstaltungen<br />
genützt, die auf internationales Interesse<br />
stoßen. Auf dem weitläufigen Gelände nächst<br />
dem Zusammenfluß von Eisack und Talfer liegt<br />
mit einer monumentalen Vorderfront mit Säulen<br />
und Fenstern das Drususstadion für professionellen<br />
Fußball ebenso wie der Lido, ein nicht ausschließlich<br />
dem Sport zugeeignetes Gebäude sondern<br />
eher für Wellness und Erholung konzipiert<br />
mit Schwimmbecken, Rasenflächen und kleinen<br />
11<br />
Kiosken: hier wurde eine inmitten der Stadt gelegene<br />
kleine Grünoase geschaffen, deren Besucher<br />
Wasser, Sonne, Unterhaltung, Kultur und Erholung<br />
genießen können.<br />
Die Sporthalle steht zahlreichen Basket- und<br />
Volleyballclubs, Verbänden von Selbstverteidigungssportarten<br />
und Gymnastikgruppen offen<br />
und wird auch für Konzertaufführungen genutzt.<br />
69<br />
ROLLSCHUHRING IN<br />
DER GENUASTRASSE<br />
EISLAUFEN IN<br />
DER SILL-HALLE
11<br />
70<br />
Bozen und der Sport <strong>BozEn</strong> und dEr sPort<br />
Der Schulsportplatz CONI ist der Jugendleichtathletik<br />
vorbehalten. Die Eislaufanlage Sill steht<br />
winters für das Eislaufvergnügen und sommers für<br />
Beach Volleyball zur Verfügung. Die Fussballplätze<br />
an der Reschenstrasse A und B dienen dem<br />
Fußball und dem Amerikanischen Football. Entlang<br />
dem weitläufigen Flußbett der Talfer wurden<br />
sieben Sportplätze für Schul- und Jugendgruppen<br />
angelegt, wo sie Fußball, Ballspiel, Baseball<br />
und Softball spielen können. Auf einem Gelände<br />
im Süden der Stadt entsteht in der Pfarrhofstraße<br />
eine große Sportanlage. Zwei Betreiber werden<br />
sich hier in die Arbeit teilen. Für den italienischen<br />
Teil wählte das Komitee den Namen Sport<br />
City und ein Logo, das an jenes der Olympiaden<br />
erinnert mit fünf ineinander verschlungenen Dreiecken.<br />
In der Anlage stehen drei Fußballfelder zu<br />
11 und zu 5 auf Kunstrasen, ein Schwimmbad,<br />
Tennisplätze, Basket-, Beach- und Volleyballplätze<br />
sowie eine Rennbahn zum Joggen, Radfahren,<br />
Inline-Skating und Skirolling zur Verfügung. Für<br />
die kleinen Gäste gibt es einen Spielplatz und eigens<br />
für sie eingerichtete Grünanlagen. Im Winter<br />
öffnet eine Eislauffläche für Kunst- und Schnellläufer,<br />
Hockey und Broomball.<br />
11<br />
71<br />
SCHULPLATZ<br />
CONI<br />
UNTEN:<br />
INNENANSICHT<br />
SPORTHALLE<br />
VORIGE SEITE:<br />
FASSADE DES<br />
DRUSUS-STADION,<br />
EISPALAST<br />
PALAONDA,<br />
REITEN IN<br />
JENESIEN
11<br />
72<br />
Bozen und der Sport<br />
<strong>BozEn</strong><br />
als stadt dEr JugEnd<br />
12 in<br />
12<br />
<strong>BozEn</strong><br />
als stadt<br />
dEr JugEnd<br />
diesen letzten Jahren hat Bozen eine regelrechte<br />
Metamorphose durchlebt: von einem kleinen Fremdenverkehrszentrum<br />
im Herzen der Dolomiten hat es<br />
sich zu einem schulischen und kulturellen Anziehungspunkt<br />
mit modernen Hochschulen und Zentren moderner<br />
und zeitgenössischer Kunst gewandelt. Innerhalb<br />
kurzer Zeit ist die Stadt zum bevorzugten Ziel der europäischen<br />
Jugendorchester geworden; alljährlich finden<br />
hier internationale Musikwettbewerbe, Festivals<br />
für antike Musik, zeitgenössischen Tanz und Jazz statt.<br />
Nahezu von einem Augenblick zum anderen präsentiert<br />
sich Bozen in anderem, neuem und jugendlichem Gewand.<br />
Als tradioneller Schnittpunkt zwischen Nord- und<br />
Südeuropa ist die Stadt nunmehr zu einem begehrten<br />
Studien- und Aufenthaltsort für viele junge Menschen<br />
geworden, die aus aller Welt hierher kommen: beim<br />
Bummel durch die Straßen hört man nicht mehr nur Italienisch<br />
und Deutsch sondern ein vielfältiges Sprachengewirr,<br />
man begegnet fremd anmutenden Gesichtern,<br />
die sich aber alle wohl zu fühlen scheinen in dieser<br />
Stadt, deren multikultureller Charakter einer ihrer größten<br />
Vorzüge ist. Auf die häufig im Radio übertragenen<br />
oder in Lokalzeitungen wiedergegebenen Befragungen<br />
zu ihrem Leben und ihrer Befindlichkeit in der Südtiroler<br />
Hauptstadt reagieren die meisten dieser jungen<br />
Menschen enthusiastisch: in dieser Stadt inmitten der<br />
Natur finden sie das richtige Ambiente, um ohne Einschränkungen<br />
und diskriminierungsfrei all ihren bevorzugten<br />
Interessen <strong>nach</strong>gehen zu können: Sport, Kunst,<br />
Kultur und freundschaftliche Kontakte.<br />
Um diesem jungen Publikum und seinen Bedürfnissen<br />
bestmöglich entgegenzukommen, hat sich Bozen<br />
<strong>nach</strong> und <strong>nach</strong> neu organisiert: die Anzahl der Jugendzentren<br />
und -vereinigungen hat sich vervielfacht,<br />
ebenso die Möglichkeiten für Zusammenkünfte im<br />
Freien, das Angebot an Cafés und Pubs. Sport und Kul-<br />
73
12<br />
74<br />
Bozen<br />
als stadt der Jugend<br />
tur sind so zu den Grundpfeilern jugendlicher Freizeitgestaltung<br />
geworden und daher konzentrieren<br />
sich auch die beiden an der Freien Universität Bozen<br />
entstandenen Studentenvereinigungen auf diese<br />
Beschäftigungsmöglichkeiten. Die Studentenvereinigung<br />
Kikero und der Sports Club University<br />
of Bozen, SCUB, haben es sich zum Ziel gesetzt,<br />
rund um die parallel zu den Ausbildungsprogrammen<br />
der Hochschule stattfindenden Kultur- und Sportveranstaltungen<br />
weitere Möglichkeiten für Zusammenkünfte<br />
zu schaffen.<br />
In der deutschsprachigen Sphäre, in der das gemeinsame<br />
Erleben fast schon traditionell verankert<br />
ist, gibt es unzählige, teils religiöse teils weltliche<br />
Jugendzentren. In letzter Zeit sieht man jedoch,<br />
auch dank der wachsenden finanziellen Unterstützung<br />
seitens der Jugendarbeit der Autonomen Provinz,<br />
immer mehr italienische Jugendtreffs entstehen.<br />
Sie alle ähneln einander, doch legt jede dieser<br />
Institutionen das Gewicht auf einen anderen Aspekt,<br />
wie das Alter der Teilnehmer, das Thema der<br />
Aktivitäten, die Art und Weise der Annäherung an<br />
Kultur. Beispielsweise bemüht sich das Laboratorio<br />
Musica Blu um die Verbreitung der Musik als Kulturform,<br />
wohingegen sich bei Juvenes ein sehr junges<br />
Publikum trifft und das Jugendzentrum in der<br />
Vintlerstraße durchaus beachtenswerte Amateur-<br />
Musik- und Theaterveranstaltungen organisiert. Das<br />
Jugendzentrum Papperlapapp am Domplatz legt<br />
große Energie in verschiedentliche freie künstlerische<br />
Ausdrucksformen.<br />
Und auch für das Nachtleben steht ein immer größeres<br />
Angebot bereit: ist die Sonne untergegangen,<br />
<strong>BozEn</strong><br />
als stadt dEr JugEnd<br />
dann belebt sich die Stadt neu in den Lichtern der<br />
zahlreichen, oft bis tief in die Nacht geöffneten Cafés<br />
und Pubs. Auch Bozen wurde von der Mode eingeholt,<br />
Aperitifs zu sich zu nehmen und Lokale wie<br />
das Fantasy, Nadamas, Sciarada, Fischbänke, Bottai,<br />
um nur einige zu nennen, offerieren Appetithäppchen,<br />
Cocktails und lokale Weine.<br />
Das ständige Weiterwachsen der dreisprachigen<br />
Universität und der anderen Ausbildungszentren<br />
wird wohl dazu führen, daß in den kommenden Jahren<br />
der Zustrom junger Menschen aus allen Teilen<br />
Italiens und Europas <strong>nach</strong> Bozen noch weiter anhält<br />
und es ist unschwer sich vorzustellen, daß sich die<br />
Stadt weiterhin bemühen wird, eine stets neue und<br />
anregende Angebotspalette bereitzuhalten.<br />
12<br />
75
STAHLWERKE VALBRUNA S.P.A.<br />
13<br />
76<br />
Bozner erzeugnisse BoznEr ErzEugnissE<br />
13 zahlreiche<br />
13<br />
BoznEr<br />
ErzEugnissE<br />
der in der Provinz Bozen tätigen Industriebetriebe<br />
zählen zu den Spitzenunternehmen<br />
und dies nicht nur in den tradionellen Bereichen<br />
wie der Montanindustrie, sondern auch auf anderen,<br />
hochtechnisierten Sektoren. Die von der Landwirtschaft<br />
ebenso wie von den Industrie- und Gewerbeprodukten<br />
erzielten hohen Qualitätswerte beweisen, daß Bozen<br />
sich wirtschaftlich in den unterschiedlichsten Sparten<br />
zu entwickeln versteht.<br />
Die heute mächtigsten Industriezweige sind die metallverarbeitende,<br />
die chemische, die Lebensmittel-,<br />
Holz-, Textil-, Bau- und Elektronikindustrie, begleitet<br />
von Dienstleistungsbetrieben, die in engem Zusammenhang<br />
mit diesen Industrien stehen, wie Planung,<br />
Finanzabwicklung, Versicherungen, Werbung und Design.<br />
Es würde zu weit führen, hier auch nur einen kleinen<br />
Teil der über 100 in Bozen tätigen Unternehmen eingehender<br />
zu beschreiben. Daher seien <strong>nach</strong>stehend nur<br />
einige wenige von ihnen beispielhaft genannt, die es<br />
verstanden haben, Angebotsnischen erfolgreich zu entdecken<br />
und zu nutzen.<br />
Beginnen wir mit einem Produkt, das erst seit wenigen<br />
Jahren begonnen hat, auf dem Fremdenverkehrsund<br />
Sportsektor Bedeutung zu erlangen: die Schneekanonen.<br />
Die sich seit einigen Jahren auf der ganzen<br />
Welt abzeichnende globale Erwärmung und die damit<br />
einhergehenden Niederschlagsrückgänge im Winter<br />
haben zu Schneemangel geführt, was für den Wintersport<br />
allenthalben große Probleme <strong>nach</strong> sich zog. Das<br />
Bozner Unternehmen Technoalpin ist weltweit führender<br />
Hersteller derartiger Maschinen, die von ihm soweit<br />
perfektioniert werden konnten, daß sie eine von Naturschnee<br />
nicht mehr zu unterscheidende weiße Pracht erzeugen.<br />
Technoalpin hat übrigens auch die automati-<br />
77
SCHNEEKANONE<br />
DER TECHNOALPIN<br />
IVECO: LIGHT<br />
MULTIROLE<br />
VEHICLE IM<br />
LIBANON<br />
13<br />
sche Beschneiungsanlage in Coronet Peak/Neuseeland<br />
aufgestellt, die mit 80 untereinander verbundenen<br />
Schneekanonen fortschrittlichste Einrichtung<br />
dieser Art auf der gesamten südlichen Erdhalbkugel.<br />
In der Metallmechanik sieht das Stahlwerk “Acciaierie<br />
Valbruna” AG auf eine langjährige Tradition<br />
zurück. 1925 gegründet, begann es 1939 mit<br />
der Produktion von Spezialstahl. Dank laufender<br />
Erneuerungen und Modernisierungen der Anlagen<br />
und Technologien ist es heute führend in der Erzeugung<br />
von rostfreiem Stahl, Inox-Stahl und Speziallegierungen;<br />
das Unternehmen befindet sich<br />
in privater Hand, hat über 1500 Beschäftigte und<br />
produziert jährlich 170.000 Tonnen hochwertigen<br />
Spezialstahl.<br />
Aluminium ist ein Metall, dessen Eigenschaften<br />
es zum bevorzugten Material für die Erzeugung einer<br />
neuen Generation von Flug- und Kraftfahrzeu-<br />
78<br />
Bozner erzeugnisse BoznEr ErzEugnissE<br />
gen, für Verpackungen und tausende anderer moderner,<br />
immer noch widerstandsfähigerer, sicherer,<br />
leichterer Produkte machen.<br />
Das Werk Sapa Profil GmbH entstand im Jahr<br />
1937 für die Herstellung von Primäraluminium<br />
und wurde später in ein Presswerk umgewandelt;<br />
es darf sich einer langjährigen Erfahrung auf dem<br />
Sektor industrieller Anwendungen rühmen. Hauptprodukte<br />
sind Form- und Prägestangen in allen Legierungen<br />
sowie großförmige Profilteile.<br />
Eines der 45 Werke, das die IVECO in 21 Ländern<br />
besitzt, befindet sich in Bozen, doch hat diese Niederlassung<br />
sich auf ein besonderes Erzeugnis spezialisiert:<br />
hier werden Fahrzeuge mit Allradantrieb für die<br />
Verteidigung, den Zivil- und den Brandschutz gebaut.<br />
Auch ihre Militärfahrzeuge sind ultramoderne Produkte:<br />
der VM 90, beispielsweise, ist ein Mittelding zwischen<br />
Jeep und Lastkraftwagen und wird in Europa<br />
viel verwendet; sogar China hat dieses Fahrzeug angekauft.<br />
Absolutes Prunkstück ist der neue europäische<br />
Geländewagen. Die Produktpalette weist unter anderem<br />
Lkws, Traktoren, gepanzerte Aufklärungs- und<br />
Kampffahrzeuge sowie Amphibienfahrzeuge für Feuerwehren<br />
auf. Mit derzeit ungefähr 600 Beschäftigten<br />
wird ein Umsatz von über 300 Millionen Euro erzielt.<br />
Die Firma Atzwanger AG ist europaweit führend in<br />
den Bereichen Umwelt-, Energie-, Wasser- und Haustechnik.<br />
Das Unternehmen bietet innovative Lösungen<br />
für die Trink-, Abwasser- und Badewasseraufbereitung,<br />
für Heizungs-, Klima-, Lüftungs-, Sanitärund<br />
Feuerschutz-, Müllverbrennungs- und Fernheizanlagen<br />
mitsamt Verlegung der Fernheiznetze.<br />
Wohl aufgrund der in der ganzen Provinz vorherrschenden<br />
ausgedehnten Waldgebiete und der sich<br />
daraus ergebenen Holzproduktion hat hierorts die<br />
Holzbearbeitung und insbesondere die Möbelherstellung<br />
schon lange Tradition. Die im Jahre 1968<br />
in Bozen gegründete Firma Selva ist ein Markenzeichen<br />
für Kreativität, einzigartige Vielfalt und hohe<br />
Qualität. Dabei ist es das ganz spezielle Zusammenwirken<br />
von Tradition und Innovation, das den<br />
besonderen Selva-Touch ausmacht. Das Selva Sortiment<br />
reicht von zeitlos klassischen bis modernen<br />
Einrichtungen; die Firma ist auch marktführend im<br />
13<br />
79
HOLZSCHNITZ-<br />
KUNST<br />
KOLPINGHAUS:<br />
WANDBILD VON<br />
ALBERT STOLZ<br />
(1908)<br />
13<br />
Bereich hochwertiger Hoteleinrichtungen.<br />
Stahlbau Pichler ist ein Stahl- und Fassadenbauunternehmen<br />
und verfügt über ein technisches<br />
Planungsbüro, das sich insbesondere bei der Errichtung<br />
von Industrie-, Wirtschafts- und Verwaltungsgebäuden,<br />
im Brückenbau, bei Schutzbauten und<br />
in der Verkehrstechnik seinen Namen gemacht hat.<br />
Gestalterische und innovative Elemente in der Architektur<br />
und deren Umsetzung haben das Unternehmen<br />
mit seinen 200 Mitarbeitern zu einem der<br />
führenden in seiner Branche gemacht. Aufsehenerregend<br />
das gigantische Metall-Totem mit dem Namen<br />
“Mare verticale” (vertikales Meer) des Künst-<br />
80<br />
Bozner erzeugnisse BoznEr ErzEugnissE<br />
lers Fabrizio Plessi, das anlässlich der Biennale in<br />
Venedig 2005 im Meer aufgestellt wurde.<br />
In unmittelbarer Nähe zu Bozen haben zwei andere<br />
Unternehmen von internationalem Ruf ihren<br />
Standort: die A. Loacker Spa produziert Waffeln<br />
und andere Süßwaren und die Firma Finstral stellt<br />
Fenster, Türen, Fensterläden, Veranden und kleine<br />
Fassaden aus PVC her. Aus einem kleinen Handwerksunternehmen<br />
hervorgegangen, ist die Finstral<br />
zu einem europaweit führenden Unternehmen<br />
mit 11 Niederlassungen und ca. 1300 Beschäftigten<br />
geworden.<br />
Allein diese wenigen Beispiele haben wohl klargemacht,<br />
daß die Industrie heute einen starken Wirtschaftsfaktor<br />
in Südtirol darstellt und den größten<br />
Anteil am Bruttoprodukt der Provinz ausmacht.<br />
Handwerk<br />
Auch dem Handwerk kommt in der Provinz Bozen<br />
eine wichtige wirtschaftliche Stellung zu. Im<br />
Leben der Landbevölkerung nahm immer schon die<br />
Produktion von gewöhnlichen Gebrauchsgegenständen<br />
oder auch von Schmuckobjekten einen wichtigen<br />
Raum ein, traditionelle Techniken wurden hier<br />
vom Vater an den Sohn weitergegeben, das Handwerk<br />
mit großer Liebe gepflegt.<br />
Drechselarbeiten. Schüsseln, Kerzenhalter, Buttermodeln,<br />
gedrechselte Teller aus verschiedenen Hölzern.<br />
Keramik. Je <strong>nach</strong> Tonmischung und Brenntemperatur<br />
unterscheidet man zwischen Terrakotta,<br />
Steingut, Majolika und Porzellan. Seidenmalerei.<br />
Hier reicht das Angebot von einfachen Seidentüchern<br />
bis hin zu Kleidungsstücken und Einrichtungsgegenständen.<br />
Lederverarbeitung. Taschen,<br />
Schuhe, Gürtel, Alben, Etuis, ja sogar Bilder<br />
aus Leder in allen Farben. Schnitzereien. Sakrale<br />
und profane Kunstgegenstände aus Holz und<br />
Stein. Hölzerne Gebrauchsgegenstände und Geräte.<br />
Laternen, Gestelle, Tellerborde, Schneidbretter,<br />
Schubkarren, Schüsseln, Kinderspielzeug, der<br />
Phantasie sind keine Grenzen gesetzt. Verzierungen<br />
aus Pfauenfedern. Lederne Bekleidungsstükke<br />
und Trachtenkostüme werden <strong>nach</strong> alter Tradition<br />
mit Pfauenfedern kunstvoll geschmückt. Glasmalerei.<br />
Gegenstände aus mundgeblasenem Glas, Mosaike<br />
aus einzelnen, miteinander durch Blei verbundenen<br />
Glasteilchen, ganze Phantasiegemälde aus<br />
winzig kleinen Glasstückchen. Wachszieherei. Eine<br />
große Vielfalt an Formen und Farben und drei verschiedene<br />
Herstellungstechniken (das Tauchverfahren,<br />
das Wachsziehen, das Gießen) liefern vielfältigste<br />
Produkte. Ob ihrer Originalität und Schönheit<br />
sehr begehrt und gesucht: die dekorativen Kerzen<br />
für den festlichen Weih<strong>nach</strong>tstisch. Textilien. Stoffe,<br />
Tischtücher und Servietten aus Damast, Bettwäsche.<br />
Dekorsträußchen. Bunte, kleine, große, duftende,<br />
funkelnde und sonstige Kompositionen aus<br />
Gewürzen wie Nelken, Zimt, Mohnkapseln, Anis, mit<br />
und ohne Beigabe von Seidenblumen.<br />
Im Wandel der Zeiten und der Geschmäcker haben<br />
sich neben der klassischen Linie auch neue Kunstrichtungen<br />
entwickelt, die sich moderner, neuer<br />
Materialien, Techniken und Formen bedienen;<br />
selbst in diesen Erzeugnissen jedoch spiegelt sich<br />
immer noch eine gewisse Tradition, sind doch die<br />
Ausdrucksformen moderne, kreative Interpretationen<br />
eines aus langer Zeit auf das Heute überkommenen<br />
Erbes.<br />
13<br />
81<br />
STAHLBAU PICHLER<br />
VERTIKALES MEER
14<br />
82<br />
Kleines einKaufsbrevier KlEinEs EinKaufsBrEviEr<br />
14 Wer<br />
14<br />
KlEinEs<br />
EinKaufsBrEviEr<br />
beabsichtigt, sich von Bozen etwas ganz Besonderes<br />
mitzunehmen, was er bei sich zu Hause<br />
nicht antrifft, der findet sich unverhofft vor<br />
einer verwirrenden Auswahl mannigfachster Produkte, von<br />
denen jedes einzelne seine ganz persönliche Note in Fertigung<br />
und Ausgestaltung aufweist.<br />
Beginnen wir mit dem Bekleidungssektor und schon ist<br />
wieder zwischen zwei verschiedenen Sparten zu unterscheiden:<br />
auf der einen Seite finden wir hier die Sportbekleidung,<br />
insbesondere für Ski- und Bergsport, auf der anderen<br />
die Tiroler Trachten. Was die erstgenannte Sparte anbelangt,<br />
ist die Auswahl an nationalen und an ausländischen<br />
Angeboten unbegrenzt. Das selbe läßt sich auch für<br />
gute Sportausrüstungen sagen: Materialien und Produkte<br />
für Bergsteigen, Forschung, Trekking und Skifahren sind auf<br />
dem neuesten Stand technischer Entwicklungen zu haben.<br />
Absoluter Star in der Tiroler Bekleidungsindustrie ist der<br />
Loden. Er wird vor allem zu Mänteln, Jacken, Kostümen in<br />
grüner, grauer, blauer Farbe verarbeitet. Neben dem Loden<br />
erfreuen sich auch die bekannten Sarner Jacken aus Rohwolle<br />
großer Beliebtheit. Wer Besonderes schätzt, findet<br />
eine reiche Auswahl an Herrenanzügen, Damenbekleidung<br />
und insbesondere mit großer Liebe zum Detail verarbeiteter<br />
Kinderbekleidung vom Dirndl bis zu Lederhosen, handbestickten<br />
Hemden und Blusen, Filzhüten und Sportkappen.<br />
Als passendes Zubehör zu dieser Art von Kleidung stehen<br />
auch Taschen, Schuhe und Gürtel aus Leder, bestickt mit<br />
Pfauenfedern zum Verkauf; gefertigt werden diese Kunstwerke<br />
von heute noch existierenden, sehr gesuchten Meistern<br />
dieses Gewerbes. In reicher Farben- und Mustervielfalt<br />
werden aber auch Woll- und Baumwollstoffe für die<br />
Herstellung von Dirndln und Kostümen angeboten, ferner<br />
Schuhe, Filzpantoffel und -schlapfen, gestickte Abzeichen<br />
und Fähnchen.<br />
83
KOMPETENZ UND<br />
AUSWAHLVIEL-<br />
FALT ZEICHNEN<br />
DAS ANGEBOT<br />
AN SPORTARTI-<br />
KELN AUS<br />
LODEN WOHIN<br />
MAN BLICKT<br />
14<br />
Von allenthalben kommen Käufer <strong>nach</strong> Bozen,<br />
um hier Daunendecken zu erstehen, denn was die<br />
Bettwaren betrifft, ist die Auswahl hierorts wirklich<br />
besonders groß: Plumeaus, Steppdecken, Kissen<br />
und Polster gibt es in unterschiedlichster Qualität<br />
und Preislage, die Palette reicht von echten<br />
Gänsedaunen bis zur Synthetikware.<br />
Auch noch andere Artikel sind in Design und Ver-<br />
84<br />
Kleines einKaufsbrevier KlEinEs EinKaufsBrEviEr<br />
arbeitung unverkennbar typisch Bozner Erzeugnisse:<br />
Tischwäsche aus bestem flämischen Leinen, aus<br />
Baumwolle oder Wolle, Geschenkartikel, bestickte<br />
Schürzen, Vorhang- und Möbelstoffe, Woll- und<br />
Baumwollteppiche, Gobelins, und nicht zu vergessen<br />
auf die farbenfrohen, kostengünstig aus Resten<br />
gefertigten “Fleckerl”teppiche.<br />
Vielleicht in keiner anderen Stadt finden sich in<br />
derartiger Vielfalt und Auswahl wie hier orthopädische<br />
Schuhe, Leisten <strong>nach</strong> Maß, Trachtenschuhe<br />
und Fußpflegeartikel.<br />
Besondere Aufmerksamkeit verdienen sämtliche<br />
Erzeugnisse im Zusammenhang mit der Tischkultur<br />
und der Dekoration von Tisch und Haus anläßlich<br />
der verschiedensten Festivitäten des Jahres,<br />
der Advent-, Weih<strong>nach</strong>ts- und Osterzeit, aber auch<br />
rein familiärer Feste. Hier hat Bozen eine traditionsreiche,<br />
im Laufe der Jahrhunderte stets hochgehaltene<br />
und immer wieder frisch belebte Produktion<br />
von Papier-, Stoff-, Plüsch- und Holzgegenständen<br />
aufzuweisen; verstärkt wird das Angebot<br />
noch durch Tischkerzen mannigfaltigster Formen,<br />
Größen und Farben, bemalte Eier, handgearbeitete<br />
Keramik- oder Holzkrippen und reichhaltigsten<br />
Christbaumschmuck.<br />
Bozner Gastronomie<br />
Bozner Kochkunst und Bozner Delikatessen: welch<br />
ein weites, abwechslungsreiches Gebiet voll neuer<br />
Geschmacks- und Geruchserfahrungen, farbenprächtig,<br />
duftend, vielfältig und verführerisch!<br />
Auf dem Mehlsektor hat man sich in den letzten<br />
Jahren verschiedener Grundprodukte aus den “guten<br />
alten Zeiten” erinnert und sie neu in Verwendung<br />
gebracht: Vollkornmehl, Haferflocken, Gries,<br />
Kleie, Weizenkeime, Roggen, Dinkel, Gerste, Hafer,<br />
Mais und Buchweizen, unterschiedlichste Müsliarten<br />
zur Herstellung von Diätkost oder besonderer<br />
Diäten, die heutzutage immer größere Verbreitung<br />
finden. Ebenso sind kochfertig erhältlich: Spinatravioli,<br />
Nockerln, Knödeln, Tirteln, Fleischravioli,<br />
Erdäpfelnockerln, frische und gefüllte Teigwaren<br />
vom hellsten Weißbrot bis zum schwärzesten Vollkornbrot,<br />
die in allen Variationen möglicher Würze,<br />
Beigaben und Zutaten zu haben sind.<br />
Als süße Gaumenfreuden bietet Bozen mit jeder<br />
Art von Obst belegte Torten, ofenfertige tiefgefrorene<br />
Apfelküchlein und Strudel, Waffeln unterschiedlichsten<br />
Geschmacks und schließlich würzigen<br />
Wiesen- und Waldhonig aus der Alpenregion.<br />
Nahezu sinnverwirrend ist die Auswahl an Fruchtsäften<br />
und Obstsaftkonzentraten, an roten und<br />
grünen Weintrauben (die zur herbstlichen “Traubenkur”<br />
Schwärme von Touristen anlocken), Äpfeln,<br />
Ribiseln, Brom-, Erd-, Him- und Heidelbeeren,<br />
Holler, Weichseln, Schwarzdorn und Waldbeeren,<br />
die man heute bereits sogar, in geordneten<br />
Beeten kultiviert, bei den Bauerngehöften auf den<br />
Hügeln rings um Bozen antrifft.<br />
Wenn wir uns die Fleischprodukte näher betrachten,<br />
so steht an der Spitze aller Spezialitäten der<br />
<strong>nach</strong> altem, traditionellem Rezept zubereitete und<br />
geräucherte echte Südtiroler Speck. Ihm folgt eine<br />
lange Reihe anderer Köstlichkeiten, wie der geräucherte<br />
und durchwachsene Bauchspeck, die geräucherte<br />
Schweinshaxe, das Karree und jede Menge<br />
Würste wie “Landjäger”, Knoblauchwurst, “Kaminwurzen”,<br />
“Schinkenwurst” und “Bierwurst”, nicht<br />
zu vergessen auf gekochte Wurstwaren und Pasteten,<br />
Krakauer Salami, Salametti und all die ande-<br />
14<br />
ren verführerischen Wonnen.<br />
Unter den Milch- und Käseprodukten sei besonders<br />
auf die verschiedenen Joghurtprodukte mit<br />
und ohne Früchte, auf die Buttermilch, den Topfen,<br />
die gute Koch- und Teebutter verwiesen, ganz<br />
zu schweigen von der hochwertigen Milch.<br />
Den Schluß des guten Mahles bilden dann die Magenbitter,<br />
Obstbrände und Schnäpse. Auch auf diesem<br />
Gebiet hat Bozen mit seinem vielen Obst ein<br />
reichhaltiges Sortiment zu bieten, das im Einzelnen<br />
aufzuzählen hier zu lange währen würde.<br />
85
15<br />
86<br />
Kleines speisenbrevier KlEinEs sPEisEnBrEviEr<br />
15 die<br />
15<br />
KlEinEs<br />
sPEisEnBrEviEr<br />
Küche ist wohl einer der ausdrucksstärksten<br />
Kulturspiegel einer Nation. Versteht man die<br />
Ernährungstraditionen, den Anbau und die Aufzucht,<br />
die Verwendung und Konservierung der Schätze,<br />
die ihm seine Erde liefert, so hat man einen tiefen Einblick<br />
in Geschichte und Kultur eines Volkes gewonnen.<br />
In den vergangenen Jahrhunderten, als Transport und<br />
Verkehr viel mühseliger und teurer als heute waren,<br />
stützte sich die Küche hauptsächlich auf lokale Produkte,<br />
die nur mit wenigen importierten Besonderheiten<br />
angereichert wurden. Diese Gepflogenheit ist der Südtiroler<br />
Küche bis heute erhalten geblieben, obgleich sie<br />
natürlich inzwischen durch italienische und osteuropäische<br />
Einflüsse verfeinert und angereichert wurde. Gerade<br />
diese althergebrachte Kost läßt die Südtiroler Küche<br />
in unseren Tagen, da man inzwischen den Reiz des Ursprünglichen<br />
wiederentdeckt hat, umso mehr Anklang<br />
finden.<br />
Betrachten wir als erstes die Basisingredientien: hier<br />
sind eingangs die verschiedenen Mehlsorten nicht nur<br />
aus Weizen, sondern häufig auch aus Roggen, Mais und<br />
Buchweizen zu nennen; des weiteren Brot, Schweinefleisch,<br />
Wild, Milch und Milchprodukte. Die Gewässer<br />
der Flüsse, Bäche und Alpenseen liefern Fische wie Forelle,<br />
Aal, Karpfen, Hecht, Barsch und Schleie. Vorrangstellung<br />
unter den Gemüsen nimmt das Kraut ein, ihm<br />
folgen Spinat, rote Rüben, Kohl, Erdäpfeln (Kartoffeln),<br />
Zwiebeln und Salate. Nicht zu vergessen auf verschiedentlich<br />
in den Wiesen und unter den Weinstöcken zu<br />
findende Köstlichkeiten wie Feldsalat, Hundszahn, Rübenwurz,<br />
Kerbel und die allenthalben in der Bozner Küche<br />
präsenten Kräuter wie Petersilie, Thymian, Schnittlauch,<br />
Salbei und Basilikum.<br />
Reichhaltig ist auch das Obstangebot: in größerem<br />
Rahmen exportiert werden hauptsächlich Äpfel und Bir-<br />
87
15<br />
nen; des weiteren bietet Südtirol noch jede Menge<br />
Marillen, Zwetschken, Walnüsse, Edelkastanien<br />
und - man denke an die Traubenkur! - Weintrauben.<br />
Auch ursprünglich reine Waldbeeren wie schwarze<br />
Ribisl, Heidel-, und Himbeeren werden heute bereits<br />
in eigenen Kulturen angebaut und finden sowohl<br />
bei der Erzeugung von Konditoreiwaren als<br />
auch als Fleischbeilage Verwendung.<br />
Nicht verwundern sollte man sich darüber, daß wir<br />
unter den zahlreichen Zutaten der Südtiroler Küche<br />
auch das Brot erwähnten. Üblicherweise buk die<br />
Bergbäuerin nicht mehr als vier Mal im Jahr runde,<br />
flache Brotlaibe, Breatln genannt, die in eigenen<br />
Brotrahmen in trockener, gut belüfteter Umgebung<br />
aufbewahrt wurden. Klarerweise wurde das so<br />
konservierte Brot hart und ließ sich nicht mehr als<br />
solches verspeisen; auf hölzernem Brett zerstük-<br />
88<br />
Kleines speisenbrevier KlEinEs sPEisEnBrEviEr<br />
kelt, mit Wasser und Mehl zu einem Brei verarbeitet,<br />
lieferte es jedoch - und liefert es heute noch -<br />
die Grundlage für mehrere Sorten von Knödeln und<br />
Nockerln unterschiedlichster Form und Größe, die<br />
sich von einander durch weitere Zutaten und die<br />
jeweilige Beilage unterscheiden. Die größten und<br />
weitest verbreiteten sind ganz einfach die Knödel,<br />
doch welche Fülle an Geschmack und Phantasie<br />
verbirgt sich hinter diesem Namen: Knödel<br />
mit Speck, Knödel mit Topfen, mit Spinat, mit Käse,<br />
mit Leber - alles ist erlaubt und möglich. In der<br />
Fastenzeit gibt es die ganz einfachen Knödel ohne<br />
Fleisch, es gibt Knödel mit dunklem Mehl oder<br />
Gries- oder Erdäpfelknödel. Man verzehrt ihrer zwei<br />
oder drei als Suppeneinlage, serviert sie aber auch<br />
als Beilage zu gekochtem oder gebratenem Fleisch<br />
oder mit Salat, mit Kraut, Pilzen, Paradeisern (Tomaten)<br />
oder Zwiebeln. Selbstverständlich gibt es<br />
auch süße Knödel: deren Herzstück ist dann eine<br />
Zwetschke, Marille oder gar Erdbeere, doch auch<br />
Apfel- oder Topfenknödel sind beileibe nicht zu<br />
verachten!<br />
Nebst den großen runden Knödeln gibt es noch<br />
eine andere Südtiroler Spezialität: köstliche Teigtascherln,<br />
deren bekannteste Art, mit Spinat,<br />
Schlutzkrapfen genannt wird. Diese ist aber nicht<br />
die einzige Erscheinungsform, denn außer der Spinatfüllung<br />
liefert die Südtiroler Küche noch mit Leber,<br />
Topfen oder Schinken gefüllte “Krapfen” aus<br />
Gries, Kartoffeln, Mais- und Buchweizenmehl. Letzteres<br />
wird übrigens auch für die Herstellung dunkler<br />
Polenta, einer weiteren Spezialität des Landes,<br />
verwendet.<br />
Ein charakteristisches Südtiroler Essen sieht annähernd<br />
folgende Speisenfolge vor: die Vorspeise<br />
besteht aus Kostproben unterschiedlichster Aufschnitte<br />
vom Wildschwein- über Hirsch- und Gamsbis<br />
zum ganz normalen Schweineschinken, Speck<br />
und Salami, Gurken und sonstig sauer Eingelegtem<br />
wie Paradeisern, Pilzen, Oliven, dazu Kren; es<br />
folgen eine würzige Suppe mit Einlage und darauf<br />
als Hauptspeise Schweinefleisch oder Wild mit verschiedenen<br />
Beilagen (man erinnere sich an unsere<br />
Ausführungen über die Knödel!); eine Nachspeise<br />
bestehend aus Obst oder Heidelbeer- bzw. son-<br />
stigem Waldbeereneis rundet das ganze ab. War’s<br />
gut? War’s zuviel? - Ein Stamperl Schnaps aus hauseigener<br />
Produktion bringt alles wieder ins Lot!<br />
Absoluter Star des Aufschnitts in der Bozner Küche<br />
ist der Speck. Seine Herstellung ist bereits eine<br />
Wissenschaft für sich: <strong>nach</strong> drei Wochen in der<br />
Beize wird für seine Räucherung Wacholderholz<br />
verwendet und daraufhin muß er entsprechend lange<br />
abliegen. Wen wundert es da, daß der Südtiroler<br />
Speck eine große Schar von Feinschmeckern für<br />
sich gewinnen und die Märkte auch außerhalb seiner<br />
Tiroler Grenzen erobern konnte. Die zunehmende<br />
Produktion hatte manches Mal Einbrüche in der<br />
Qualität der Speckerzeugnisse zur Folge, da dieses<br />
Produkt, um zu seiner vollen Entfaltung zu gelangen,<br />
großer Geduld und langer natürlicher Ablagerungszeiten<br />
bedarf. Darum sei dem durchreisenden<br />
Specksuchenden geraten, diese Köstlichkeit in<br />
kleinen Geschäften oder Metzgereien abgelegener<br />
Dörfer oder bei einem der Bergbauern zu suchen.<br />
Der richtige, unverfälschte Speck mit einem guten<br />
Stück würzig duftenden Roggenbrots und einem<br />
Glas funkelnden Rotweins ist eine unvergeßliche<br />
Gaumenfreude, eine schmackhafte, wohlverdiente<br />
Zwischenmahlzeit, speziell <strong>nach</strong> einer zünftigen<br />
Bergwanderung.<br />
Nach der Vorspeise - und dem Speck! - folgt, zumeist<br />
eine Suppe; am häufigsten verwendete Einlagen<br />
sind Milzschnitten, Frittaten oder Knödel;<br />
doch gibt es auch Käse- oder Kräutersuppe, Suppe<br />
mit Hirn u.dgl. mehr. Besonders charakteristisch<br />
sind die aus Ungarn überkommene Gulaschsuppe,<br />
die insbesondere zur Winterzeit am Land sehr beliebte<br />
saure Suppe (mit Kutteln) und die Terlaner<br />
Weinsuppe. Nähere Betrachtung verdient auch die<br />
Gerstensuppe: noch bis vor wenigen Jahrzehnten<br />
war sie die unter den Bauern am weitesten verbreitete<br />
Suppe und bildete zusammen mit der Polenta<br />
normalerweise den Hauptbestandteil der Abendmahlzeit.<br />
Gerste wächst hier selbst auf armen Böden<br />
bis auf 1700m Höhe und bedarf keiner besonderen<br />
Umstände, weder beim Anbau noch bei der<br />
Konservierung. Die Gerstensuppe läßt sich auf zweierlei<br />
Arten herstellen, entweder mit Milch oder mit<br />
einem Stückchen Rauchfleisch, wobei aber beide<br />
15<br />
Grundlagen zu den üblichen Vorräten jeden Bergbauernhauses<br />
gehören.<br />
Unter den Fleischgerichten rangiert an erster<br />
Stelle in der Südtiroler Küche die Schweins- oder<br />
auch die Kalbshaxe; sie wird im Rohr zubereitet<br />
89
15<br />
und als Beilage gibt es mitgebratene Kartoffeln,<br />
Erbsen und verschiedene Gemüse. Beliebt sind<br />
auch Selchfleisch mit Kraut und Knödeln, Rinderschmorbraten<br />
in Rotweinsauce mit Kartoffeln aus<br />
der Pfanne sowie geröstete, gefüllte Kalbsnieren.<br />
Zur Jagdzeit bietet die Bozner Küche auch noch<br />
weitere Leckerbissen wie Reh, Hirsch, Fasan und<br />
Birkhuhn. Wild wird gebraten oder geschmort und<br />
mit süßsauren Zutaten, verschiedenen Saucen,<br />
Sauerrahm, Preiselbeeren oder Johannisbeergelee<br />
serviert. Es fehlt nicht an weiteren Fleischgerichten<br />
vom Rind, Lamm, Fasan u.s.w. Ob sie aber<br />
nun gekocht, gebraten oder geschmort zubereitet<br />
90<br />
Kleines speisenbrevier KlEinEs sPEisEnBrEviEr<br />
werden, erfordern die Gerichte der Südtiroler Küche<br />
jedenfalls kräftige Mägen und sind traditionell<br />
eher für Menschen gedacht, die einen Großteil<br />
des Tages, schwer arbeitend und häufig den<br />
Unbillen des Wetters ausgesetzt, im Freien verleben<br />
und bei der Heimkehr einen gesunden Appetit<br />
mitbringen.<br />
Was den Fisch betrifft, so steht an erster Stelle<br />
in Bozens Küche die Forelle: blau oder gebraten,<br />
eventuell auch angereichert mit verschiedenen<br />
Saucen; Tradition hat speziell zur Fastenzeit<br />
ein Einkoch aus Stockfisch, der feingehackt und<br />
mit Zwiebeln, Knoblauch und Kartoffeln zubereitet<br />
wird.<br />
Wer Abwechslung liebt und sowohl auf Fleisch als<br />
auch auf Fisch verzichten möchte, dem bietet die<br />
Bozner Küche eine reiche Speisenvielfalt auf Basis<br />
von Gemüse, Mehl und Eiern: zahlreiche Pilzsorten,<br />
Spinat, Kohl, Topfentaschen, Gries- und<br />
Kartoffelnockerl, Pustertaler Tirtlen und schließlich<br />
noch Palatschinken, die normalerweise mit<br />
Johannisbeermarmelade, jedoch auch mit Äpfeln<br />
oder gar Schinken und Käse gefüllt wohl jedermann<br />
munden. Eine besondere “Abart” dieser Palatschinken<br />
ist der Kaiserschmarr’n, der, bereits<br />
kleingefitzelt, nur mit Löffel und Gabel verzehrt<br />
wird und unter dessen reicher Staubzuckerhaube<br />
man auf zahlreiche Rosinen und eventuell auch<br />
Pinienkerne stößt.<br />
Hiermit sind wir auch schon bei den Südtiroler<br />
Süßigkeiten angelangt; sie sind nicht nur der Abschluß<br />
jeden Mahles sondern werden auch in Konditoreien<br />
zu einem der zahlreichen, für die Region<br />
typischen Kräuter- oder Bergblütentees serviert;<br />
absoluten Vorrang genießt bei Jung und Alt<br />
der Apfelstrudel: hauchdünn ausgezogen, wohlschmeckend<br />
und leicht bekömmlich ist er eine<br />
erfrischende Leckerei. Doch eignet sich der Apfel<br />
dank seiner Konsistenz und seines Geschmacks<br />
noch zur Herstellung zahlreicher weiterer Köstlichkeiten:<br />
Apfelauflauf, Apfelkuchen, mit Schokolade<br />
und so weiter.<br />
Noch viele andere Früchte finden bei der Herstellung<br />
von Süßigkeiten und Naschwerk Verwendung,<br />
allen voran die Zwetschke: wir finden sie nicht nur<br />
in Knödeln, sondern auch in Mürbeteigkuchen und<br />
Torten. Je <strong>nach</strong> Geschmack kann der Liebhaber<br />
süßer Gaumenfreuden aber auch unter Mohntorten,<br />
Mandeltorten, Nußrouladen, Kirschenauflauf,<br />
Quittenmus, mit Preiselbeermarmelade<br />
gefüllten Buchweizentorten und Karottentorten,<br />
einer echt Südtiroler Spezialität, wählen. Besondere<br />
Beachtung verdient auch die Edelkastanie,<br />
die heute noch in der Küche Verwendung findet.<br />
Nicht nur wird sie zusammen mit Äpfeln, Wacholderbeeren<br />
und sonstigen Kräutern als Fülle für die<br />
traditionelle Weih<strong>nach</strong>tsgans verarbeitet, sondern<br />
wir finden sie auch in Kastanientorten und im Kastanienauflauf,<br />
in Form von Puddings und Halbgefrorenem<br />
- insgesamt gehaltvolle, kalorienreiche<br />
aber doch wieder unwiderstehliche Köstlichkeiten.<br />
Die Krapfen, ursprünglich eine Spezialität<br />
der Faschingszeit, sind nun, gefüllt mit Marmelade<br />
oder Vanillecreme, das ganze Jahr über erhältlich.<br />
Besonders charakteristisch und allein der<br />
Weih<strong>nach</strong>tszeit vorbehalten sind jedoch die Zelten,<br />
oder - präziser ausgedrückt - die “Bozner Zelten”,<br />
eine fast ausschließlich aus getrockneten<br />
und kandierten Früchten und unter Verwendung<br />
von nur sehr wenig Teig dafür aber mit reichlich<br />
Gewürzen wie Zimt, Nelken, Anis und Piment zu-<br />
15<br />
bereitete Süßigkeit. Oval, rund oder herzförmig<br />
gebacken, in spezielles Papier eingewickelt und<br />
mit Bändern oder Schleifen geziert, dürfen sie<br />
ebensowenig auf den Weih<strong>nach</strong>tstischen der Bozner<br />
Familien fehlen wie die <strong>nach</strong> alten, durch Generationen<br />
weitergegebenen Hausrezepten selbstgefertigten<br />
Lebkuchen und sonstigen Weih<strong>nach</strong>tsbäckereien.<br />
Haben wir Ihnen den Mund wässrig gemacht?<br />
Nun, das nächste Kapitel folgt sogleich und ist<br />
den Getränken gewidmet.<br />
91<br />
DER BERÜHMTE<br />
APFELSTRUDEL
15<br />
92<br />
Kleines speisenbrevier<br />
KlEinEs gEtränKEBrEviEr<br />
16 auch<br />
16<br />
KlEinEs<br />
gEtränKEBrEviEr<br />
was das Trinken, diese unverzichtbare Abrundung<br />
eines wohlschmeckenden Mahles betrifft,<br />
zeigt Bozen zweierlei Gesichter: wer aus<br />
dem Süden zu uns kommt, wird wohl - insbesondere<br />
an brütend heißen Sommertagen - von nichts anderem<br />
träumen, als sich - möglichst in einem der charakteristischen<br />
Lokale der Innenstadt - ein Glas frisches Faßbier<br />
munden zu lassen: er findet hier sowohl jenes der<br />
Brauerei Forst als auch die bekanntesten österreichischen<br />
und deutschen Biere in den verschiedensten Geschmacksrichtungen<br />
und Aufmachungen. Doch da erwartet<br />
den <strong>nach</strong> einem guten Bier dürstenden Touristen<br />
eine Überraschung: mitten im Zentrum, am Obstmarkt,<br />
liegt ein Lokal, Hopfen & Co genannt, das es sich zur<br />
Aufgabe gemacht hat, die alte Kunstform des Bierbrauens<br />
wieder zum Leben zu erwecken. Es ist dies die einzige<br />
Bierbrauerei, die von all den vielen übriggeblieben<br />
ist, welche noch vor einem Jahrhundert das Stadtbild<br />
belebten. In dem nun schon annähernd 800 Jahre alten<br />
Gebäude waren im Laufe der Jahrhunderte verschiedene<br />
Geschäfte, Läden und Werkstätten untergebracht, bis<br />
1997 mit seiner Umgestaltung in ein uriges Lokal mit<br />
dem Brauen begonnen wurde. Das Bozner Bier ist frisch<br />
und natürlich und zeichnet sich durch einen unverwechselbaren<br />
Geschmack aus, den es seiner Herstellung<br />
verdankt: dazu wird ein erstklassiger, importierter Hopfen<br />
verwendet, das Malz wird aus einer speziell für diese<br />
Zwecke vorgesehenen Gerste gewonnen, dazu kommt<br />
das hierfür ideal geeignete Bozner Wasser und schließlich<br />
noch eine spezielle Hefe für die Gärung. Verarbeitet<br />
wird in zwei hinter der Schank sichtbaren Kupferkesseln<br />
von jeweils 500 Litern Fassungsvermögen. In dem nicht<br />
gefilterten und daher naturtrüben Bozner Bier bleiben<br />
alle Vitamine und Fermente erhalten und geben dem<br />
Getränk sein abgerundetes Aroma und den angenehm<br />
bitteren Geschmack.<br />
93
“HOPFEN & CO”<br />
AM OBSTMARKT<br />
16<br />
Andere Besucher, die aus den Ländern jenseits<br />
der Alpen <strong>nach</strong> Südtirol kommen, wünschen nichts<br />
sehnlicher, als einige der berühmten Weine der hiesigen<br />
Anbaugebiete näher kennen zu lernen. Die<br />
enge Bindung zwischen der Stadt und dem Wein<br />
ist eine bewußt gelebte Realität: die Weingärten<br />
reichen bis in den historischen Stadtkern hinein,<br />
94<br />
Kleines GetränKebrevier KlEinEs gEtränKEBrEviEr<br />
schlängeln sich hinaus vor die bebauten Flächen,<br />
schmücken die sanften Abhänge und Ebenen. Allenthalben<br />
findet man Reihen von Rebstöcken, wie<br />
einen Garten zu Füßen der Dolomiten. Noch immer<br />
gibt es in der Innenstadt kleine Lokale, wo man<br />
ein Gläschen Weiß- oder Rotwein aus der Gegend<br />
zusammen mit einem Speckbrot oder einem knusprigen<br />
Weißbrot mit aromatischen Kräutern genießen<br />
kann. Zudem haben die zahlreichen Kellereien,<br />
in denen die Trauben der umliegenden Weingärten<br />
zu Wein verarbeitet werden, jede ihre Verkaufsschank<br />
eingerichtet, wo der Wein <strong>nach</strong> vorheriger<br />
Verkostung auch zur Mitnahme <strong>nach</strong> Hause<br />
eingekauft werden kann. Lassen sie sich Zeit, denn<br />
so ein Kosten und Probieren erfordert Hingabe und<br />
Erfahrung! Einige der Bozner Kellereien eröffnen<br />
den Besuchern ihre Geheimnisse und bieten allen<br />
jenen, die sich für die Kunst der Weinzubereitung<br />
interessieren, ein abwechslungsreiches Programm<br />
mit geführten Verkostungen, Musikbegleitung und<br />
Kostproben aus der lokalen Küche.<br />
Der Weinanbau im Bozner Becken reicht in fernste<br />
Zeiten zurück. Noch vor der Ankunft der Römer<br />
pflanzten hier schon die alten Räter ihre Trauben<br />
an; im Unterschied zu den Römern, denen die<br />
Verwendung hölzerner Fässer unbekannt war, wurden<br />
solche aber von den Rätern bereits benutzt,<br />
wie archäologische Funde in der Gegend beweisen.<br />
Später, zur Christenzeit, wurde es für bischöfliche<br />
Residenzen, Klöster und Abteien nördlich der<br />
Alpen unerläßlich, über unverfälschten und möglichst<br />
exzellenten Messwein zu verfügen: daraus<br />
erklärt sich auch der Ansturm auf den Besitz dieses<br />
Gebietes, das sich durch lange Zeit hindurch<br />
fest in kirchlicher Hand befand. Bereits im 7. Jahrhundert<br />
wurden hier von schwäbischen und bayrischen<br />
Klöstern Weinbaubetriebe gegründet. Beispielsweise<br />
besaß der Bischof von Freising/Bayern<br />
in Gries eine große, von ausgedehnten Weingärten<br />
umgebene Kellerei; auch ist uns heute bekannt,<br />
daß im 9. Jahrhundert der Aachener Bischof Ulrich<br />
den Mönchen von St. Gallen in der Schweiz als<br />
Zeichen seiner besonderen Huld einen Wagen beladen<br />
mit Bozner Wein schenkte. Außer für Messen<br />
diente der Wein auch noch für andere repräsentative<br />
Zwecke, in Heimen und Hospizen, wo Wein zur<br />
Stärkung bei Krankheiten und für die Rekonvaleszenz<br />
verabreicht wurde.<br />
Ebenso abwechslungsreich wie die Südtiroler<br />
Landschaft ist auch die Vielfalt an Trauben und<br />
Weingärten; dies ist den geradezu idealen Voraussetzungen<br />
zu verdanken: die intensive, lange Sonneneinstrahlung,<br />
die günstige Niederschlagsverteilung,<br />
die sanften Hügel und die milde Luft, die<br />
Bodenbeschaffenheit und - nicht von ungefähr -<br />
die jahrhundertelange Erfahrung und der Fleiß der<br />
Weinbauern. Dies alles zusammengenommen bewirkt<br />
die Qualität der Weine und trägt dazu bei,<br />
daß jedes Jahr aufs neue ein reichhaltiges und<br />
hochwertiges Angebot erlesenster Weine gekeltert<br />
werden kann. Annähernd 560 Hektar Land sind im<br />
Gemeindegebiet Bozen mit Wein bepflanzt. Ein Teil<br />
dieser Weingärten liegt in der Ebene, ein anderer<br />
Teil befindet sich an den Abhängen der umliegenden<br />
Berge und Hügel und von hier aus drücken diese<br />
Weingärten mit ihren hölzernen Pfählen, den<br />
systematisch angeordneten Terrassen und der damit<br />
verbundenen bäuerlichen, adligen oder auch<br />
kirchlichen Architektur dem Stadtbild seine unverkennbare<br />
Note auf.<br />
16<br />
Für Interessierte, die mehr über das Thema Weinanbau<br />
in Südtirol zu erfahren wünschen, empfiehlt<br />
sich ein kurzer Ausflug <strong>nach</strong> Kaltern in ungefähr<br />
15 Km Entfernung von Bozen; dort wird dem Besucher<br />
in dem in Südtirols Weinanbaugebiet par excellence<br />
gelegenen Südtiroler Weinmuseum Geschichte<br />
und Bedeutung der Weinbaukultur unseres<br />
Landes nahegebracht. Eine Besichtigung der<br />
Kellerei des Weingutes zeigt anhand alter Gerätschaften,<br />
Pressen, Weinbehältern aus Glas und Keramik<br />
sowie wertvollen historischen Dokumenten<br />
die Techniken und Traditionen des Südtiroler Weinbaus.<br />
Das Museum ist vom 1. April bis 11. November<br />
von Dienstag bis Samstag geöffnet.<br />
95<br />
v v v<br />
Daß kein Widerspruch besteht zwischen der Produktion<br />
besonders edler, hochwertiger Weine und<br />
mönchischer Frömmigkeit beweist die Geschichte<br />
der ehrwürdigen Abtei von Muri-Gries, die in ihren<br />
unterirdischen Gewölben die Klosterkellerei mit<br />
einem Fassungsvermögen von über 5.000 Hektolitern<br />
beherbergt.<br />
Im Jahre 1165 hatten Graf Arnold von Morith<br />
und seine Frau Mathilde Wittelsbach-Walley auf einem<br />
ihrer Weingüter nächst dem Zusammenfluss<br />
von Talfer und Eisack ein Kloster gegründet und<br />
Augustinermönchen aus Neustift und Neuburg ge-
16<br />
schenkt. Das Gebiet wurde aber leider immer wieder<br />
von Überschwemmungen heimgesucht, deren<br />
verheerendste im Jahre 1406 zur völligen Vernichtung<br />
des landwirtschaftlichen Anwesens und zur<br />
Aufgabe des Klosters führte. Den auf diese Weise<br />
heimatlos gewordenen Mönchen schenkte Graf<br />
Leopold von Tirol 1407 Burg Gries zusammen mit<br />
dem umliegenden Gelände, auf dem seit urdenklichen<br />
Zeiten bereits Weinanbau betrieben wurde.<br />
In der Folgezeit wurde der Komplex erweitert und<br />
für den Klosterbetrieb umfunktioniert, bis gegen<br />
Ende des 18. Jahrhunderts die heutige Form erreicht<br />
wurde.<br />
Nach der Konfiszierung der Kirchengüter und der<br />
Vertreibung der Augustinermönche wurde die Abtei<br />
1845 von Metternich den Benediktinern des Klosters<br />
Muri in der Schweiz überlassen, die sich da-<br />
96<br />
Kleines GetränKebrevier KlEinEs gEtränKEBrEviEr<br />
mals auf der Suche <strong>nach</strong> einer neuen Bleibe befanden.<br />
Es ist mit Sicherheit anzunehmen, daß die auf<br />
diese Weise angesiedelten Schweizer der Weinproduktion<br />
neuen Aufschwung verliehen. Bemüht um<br />
die qualitative Verbesserung und die Erweiterung<br />
des Sortenangebots, wurde schließlich das heutige<br />
hohe Qualitätsniveau erreicht.<br />
Absoluter König unter den in der Klosterkellerei<br />
produzierten Weinen ist der Lagrein Dunkel (obwohl<br />
dieses Adjektiv jüngst gestrichen wurde). Als<br />
erstklassige Weißweine verweisen wir auf Weißburgunder,<br />
Ruländer und Sylvaner. Ein Besuch in der<br />
Klosterkellerei lohnt sich mit Sicherheit: beeindruckend<br />
allein schon die perfekte Harmonie zwischen<br />
dem trutzigen Gebäudekomplex der Abtei<br />
und den hohen unterirdischen Kellergewölben, wo<br />
in alten Eichenfässern die edelsten Tropfen reifen.<br />
Für private Besucher befindet sich der Eingang auf<br />
dem Griesplatz, an der rechten Seite der Basilika.<br />
Eine Besonderheit Bozens sind die zahlreichen,<br />
innerhalb des Stadtgebietes gelegenen Kellereien,<br />
die jede ihren Eigenbau produziert; so kommt<br />
es auch, daß zur Zeit der Lese Kolonnen von mit<br />
Weintrauben beladenen Karren durch die Straßen<br />
der Stadt ziehen, in der sich dann der unverkennbare,<br />
süßliche Duft des ersten Mostes verbreitet.<br />
Oktober und November sind die beiden Monate<br />
des Törggelen, einer bei Bevölkerung und Touristen<br />
gleichsam sehr beliebten Gepflogenheit: man<br />
zieht hinaus vor die Tore der Stadt und genießt eine<br />
köstliche Mahlzeit, bestehend aus gerösteten<br />
Kastanien und frisch gepreßtem Most.<br />
Die beiden historischen Weinkellereien, die 1908<br />
gegründete Kellereigenossenschaft Gries und die<br />
1930 gegründete Kellereigenossenschaft St. Magdalena<br />
wurden 2001 zusammengelegt und erhielten<br />
den Namen “Kellerei Bozen”; zusammen verarbeiten<br />
sie die von ca. 200 Weinbauern abgelieferten<br />
Trauben aus den Weingärten der Randgebiete<br />
rund um die Stadt. Von den beiden Kellereien ist<br />
die eine am Griesplatz, die andere in der Brennerstrasse<br />
15 tätig. Der von ihnen produzierte Wein<br />
im Ausmaß von mehr als 300 Hektar Weinanbaufläche<br />
wird fast zur Gänze in Flaschen abgefüllt. An<br />
erster Stelle stehen selbstverständlich die Rotweine<br />
Lagreiner und St. Magdalener. Hinzu kommen<br />
Blauburgunder und Cabernet. Unter den Weißweinen<br />
seien der Chardonnay, der Weißburgunder und<br />
der Müller-Thurgau erwähnt.<br />
Es gibt auch noch mehrere kleine Kellereien von<br />
selbständigen Kleinunternehmern, die ihren jeweiligen<br />
Kapazitäten entsprechend die Produktion<br />
ausgewählter Qualitätsweine - sogenannter DOC-<br />
Weine - aufgebaut haben. Ein Besuch dieser unmittelbar<br />
an der Peripherie der Stadt gelegenen Kellereien<br />
trägt uns einige Jahre zurück in jene Zeiten,<br />
als sich rund um die Stadt noch ausgedehnte<br />
Gärten und Felder erstreckten. Das Überleben dieser<br />
Gehöfte ist von unschätzbarem Wert: hier findet<br />
sich in noch gut erhaltenem Zustand und nahtlos<br />
eingegliedert in die Natur manch schönes Beispiel<br />
bäuerlicher Architektur. Der Vorbeikommende<br />
findet freundliche Aufnahme bei den Weinbauern<br />
und rasch bildet sich ein familiärer, herzlicher<br />
Kontakt.<br />
Der für das Bozner Becken wohl berühmteste Qualitätswein<br />
ist der Lagrein; ihn hat die Fachwelt in<br />
den letzten 15 Jahren neu entdeckt, <strong>nach</strong>dem ihm<br />
in der führenden Fachliteratur die ihm gebührende<br />
Anerkennung gezollt worden war. Bis dahin war<br />
er unter der Bezeichnung Lagreiner Kretzer (rosé)<br />
als Verschnittwein bekannt und vertrieben worden.<br />
Dies führte zur Produktion des Rotweins und brachte<br />
ihm den Beinamen “Dunkel”, der erst jüngst aus<br />
der offiziellen Bezeichnung gestrichen wurde.<br />
Schon von Karl IV wird in der “Weinordnung” von<br />
1370 der Lagrein unter die besten Weine von Bozen<br />
gereiht. Andere Quellen berichten, daß der Lagrein<br />
bereits seit vielen Jahrhunderten angebaut wird:<br />
die seit 700 Jahren bestehende Sorte Lagrein ist<br />
die älteste bodenständige Rebsorte von Südtirol.<br />
Die Weinproduktion des Lagrein ist somit eine<br />
Tradition dieser Gegend und die Feststellung, daß<br />
der Lagrein jahrhundertelang nur hier und sonst in<br />
keinem anderen Anbaugebiet gewachsen ist, unterstreicht<br />
die enge Bindung zwischen dieser Rebe<br />
und der Stadt Bozen.<br />
Über köstliche Weine allein zu verfügen, genügt an<br />
16<br />
sich nicht - es bedarf schon der nötigen Kenntnisse,<br />
wie, wann und zu welchem Anlaß sie besonders<br />
munden. Dies hängt nun vielfach von Geschmack<br />
und persönlicher Beurteilung ab. Als Aperitiv sind<br />
der aromatische Traminer und der Sylvaner anzuraten;<br />
zu den Vorspeisen eignen sich ein Riesling<br />
und der Weißburgunder; zum Fisch und zu Meeresfrüchten<br />
greift man am besten zu einem Chardonnay,<br />
Müller Thurgau oder Sauvignon; Wurst, Speck,<br />
gekochtes oder weißes Fleisch, ebenso wie Weichkäse<br />
vertragen sich bestens mit einem Grauvernatsch;<br />
zu Gegrilltem, Wild, Geflügel und würzigem<br />
Käse hingegen passen hervorragend der St.<br />
Magdalena, ein Blauburgunder und der Lagrein; zu<br />
den Süßigkeiten folgen ein Goldmuskateller, ein<br />
Rosenmuskateller und schließlich als Dessertwein<br />
der Südtiroler Malvasier.<br />
97
17<br />
98<br />
Bozen als politische und<br />
administrative landeshauptstadt<br />
<strong>BozEn</strong> als PolitischE und<br />
administrativE landEshauPtstadt<br />
17 das<br />
17<br />
<strong>BozEn</strong> als<br />
PolitischE und<br />
administrativE<br />
landEshauPtstadt<br />
Autonomiestatut (das sogenannte “Südtirolpaket”),<br />
welches, gestützt auf die Pariser Verträge<br />
(Gruber-De Gasperi-Abkommen) von 1946 und<br />
die UNO-Resolution vom 31.10.1960 der Provinz Bozen<br />
eine weitgehende gesetzgebende und verwaltungsmäßige<br />
Selbstverantwortlichkeit einräumt, trat <strong>nach</strong> seiner<br />
Genehmigung durch das italienische Parlament am 20.<br />
Januar 1972 in Kraft. Nach dem Erlaß der letzten Durchführungsbestimmungen<br />
Anfang 1992 und dem Austausch<br />
diplomatischer Noten zwischen Rom und Wien im Juni<br />
desselben Jahres kann das Paket als vollständig umgesetzt<br />
betrachtet werden. Dadurch wird auf die lokalen<br />
gesetzgebenden Organe eine Reihe von Befugnissen<br />
konzentriert, die sich mit Ausnahme weniger, der Region<br />
oder dem Staat vorbehaltener Kompetenzen, über jeden<br />
Bereich der öffentlichen Verwaltung erstrecken. Doch<br />
auch die Autonomieregeln werden periodisch immer wieder<br />
überarbeitet und angepaßt, weshalb von einer “dynamischen<br />
Autonomie” die Rede ist, die der aktuellen<br />
Wirklichkeit und ihren stets neuen Problemen und Situationen<br />
gerecht wird.<br />
Die Behauptung, Bozen sei politisch und verwaltungstechnisch<br />
eine Hauptstadt, entspricht daher vollkommen<br />
den Tatsachen. Über autonome Kompetenzen zu verfügen,<br />
bedeutet, Entscheidungsverantwortung zu haben<br />
und demzufolge auch, über nicht unerhebliche Finanzmittel<br />
zu verfügen. Zur Lenkung dieses gesamten Apparates<br />
wurden im Laufe der Jahre eine politische ebenso<br />
wie eine administrative Struktur aufgebaut, die zahlreiches<br />
Personal beschäftigen.<br />
Der Bozner Gemeinderat setzt sich aus 50 Mitgliedern<br />
zusammen, die die gesamte Bevölkerung vertreten und<br />
wird alle 5 Jahre gewählt. In der Regel tritt er wochenweise<br />
abwechselnd dienstags bzw. donnerstags um 18:00<br />
Uhr zusammen.<br />
99
DR. LUIGI<br />
SPAGNOLLI,<br />
BÜRGERMEISTER<br />
VON BOZEN<br />
17<br />
Die Wahlen vom 6. September 2005 haben folgendes<br />
Ergebnis gebracht:<br />
Mit 50,36 % der Stimmen wurde Dr. Luigi Spagnolli<br />
zum Bürgermeister gewählt.<br />
Die Sitze im Gemeinderat sind wie folgt verteilt:<br />
Südtiroler Volkspartei 11 Sitze<br />
Alleanza Nazionale 9<br />
Forza Italia 5<br />
DS 5<br />
Liste Benussi 4<br />
La Margherita 2<br />
Verdi 2<br />
Christdemokraten 2<br />
Unitalia 2<br />
Rifondazione Comunista 2<br />
Projekt Bozen 1<br />
SDI 1<br />
Lega Nord 1<br />
UDC 1<br />
Die Stadt wird von einer Mitte-Links-Regierung<br />
geleitet und der neue Bürgermeister hat in seiner<br />
100<br />
Bozen als politische und<br />
administrative landeshauptstadt<br />
Antrittsrede unter anderem gesagt: “Die Besonderheiten<br />
von Bozen, im Guten wie im Schlechten, machen<br />
auch das Regieren besonders. Als Bozner Bürger<br />
packt mich der Stolz, wenn ich die Statistiken<br />
und nationalen Lebensqualitäts-Hitlisten betrachte,<br />
in denen unsere Stadt stets unter den Erstgereihten<br />
zu finden ist. Und dies ist auch das wichtigste Ziel<br />
meines politischen Mandats: Der Stadt Bozen und<br />
ihren BürgerInnen das Selbstvertrauen zurückzugeben,<br />
das es in den letzten Jahren ermöglichte, so<br />
viele Hürden zu meistern und so viele Ideen in den<br />
verschiedenen Stadt-Bereichen zu verwirklichen.”<br />
Für die fünf Jahre dauernde Periode von 2003 bis<br />
2008 wurde der Landtag aus eine Mitte-Links-Koalition<br />
unter dem Vorsitz von Dr. Luis Durnwalder<br />
gebildet.<br />
<strong>BozEn</strong> als PolitischE und<br />
administrativE landEshauPtstadt<br />
Die beiden Provinzen von Bozen und Trient bilden<br />
zusammengenommen die Autonome Region Trentino-Südtirol.<br />
Der Regionalrat setzt sich somit zusammen<br />
aus der Summe beider Landtage von insgesamt<br />
70 Abgeordneten. In die Funktion des Präsidenten<br />
der Region teilen sich die beiden Landeshauptmänner:<br />
für die Hälfte der Legislaturperiode<br />
wird dieses Amt vom Landeshauptmann der Provinz<br />
Bozen, für die andere Hälfte von jenem des<br />
Trentiner Landtags ausgeübt.<br />
Die Landesregierung tritt normalerweise jeden<br />
Montag um 8.00 Uhr zusammen. Nach dem Ende<br />
der Sitzung berichtet der Landeshauptmann in<br />
einer Pressekonferenz über den Inhalt der wichtigsten<br />
Entscheidungen und über die Stellungnahmen<br />
des Präsidiums zu den einzelnen Tagesordnungspunkten.<br />
17<br />
Es würde zu weit führen, an dieser Stelle detailliert<br />
die primären und sekundären Kompetenzen anzuführen,<br />
die das Autonomiestatut der Provinz Bozen<br />
verliehen hat. Zusammenfassend läßt sich sagen,<br />
daß die Provinz Bozen ermächtigt ist, eigenständig<br />
Gesetze und Verordnungen in den Bereichen Landund<br />
Forstwirtschaft, Handel, Industrie und Gewerbe,<br />
Stadtplanung und Wegenetz, Schulwesen und<br />
Berufsausbildung, Wohn- und Schulbau, Fremdenverkehr,<br />
Transportwesen und Verkehr, Landschaftsschutz,<br />
Sozialfürsorge und Wohlfahrt, Gesundheitswesen<br />
u.s.w. zu erlassen.<br />
Zur Ausübung Ihres Auftrags hat sich die Autonome<br />
Provinz eine neue Organisationsstruktur verliehen,<br />
die auf “Klarheit und Transparenz in der Landesverwaltung<br />
mit dem Ziel einer besseren Anpassung<br />
an die Bedürfnisse des Bürgers” ausgerichtet<br />
ist. Diese Neuordnung sieht eine Unterteilung der<br />
Provinzämter in 38 Abteilungen vor.<br />
Die autonomen gesetzgebenden und administrativen<br />
Kompetenzen der Provinz Bozen sind eingehendst<br />
in einer Gratisschrift beschrieben und erläutert,<br />
die im Pressebüro der Provinz in der via<br />
Crispi 3 aufliegt.<br />
101<br />
LANDESHAUPT-<br />
MANN DR. LUIS<br />
DURNWALDER<br />
DAS RATHAUS
17<br />
102<br />
Bozen als politische und<br />
administrative landeshauptstadt<br />
mEssEn und märKtE<br />
18<br />
18 mEssEn und<br />
märKtE<br />
d<br />
emjenigen, der sich urlaubsbedingt einige Zeit<br />
in Südtirol aufhält, mag es nützlich erscheinen,<br />
etwas über die wichtigsten Bozner Messeveranstaltungen<br />
zu erfahren. Ihnen allen sind einige generelle<br />
Charakteristika gemeinsam, die sich aus der Berufung<br />
der Stadt, als “Brücke” zwischen unterschiedlichen Wirtschafts-<br />
und Kulturräumen zu fungieren und somit aus<br />
ihrer Bedeutung als Drehscheibe internationaler Handelsbeziehungen<br />
ableiten. Zusätzlich bieten auch die<br />
auf dem Landwirtschaftssektor angewandten Technologien,<br />
die Liebe zur Natur und zu allen Freiluftaktivitäten<br />
immer wieder Anlaß zu Veranstaltungen, Sonderausstellungen,<br />
Kongressen, Studientreffen und Konferenzen.<br />
Die Erfolgsstrategie der Bozner Messeveranstalter liegt<br />
daher darin, die charakteristischen Eigenerzeugnisse<br />
der Provinz sowie deren Umwelt hervorzuheben.<br />
Jedes Jahr findet Ende Januar in Bozen Klimahouse,<br />
eine Fachmesse für energieeffizientes und <strong>nach</strong>haltiges<br />
Bauen statt, auf welchem Sektor Klimahouse eine Brükkenfunktion<br />
zwischen Nordeuropa und Italien innehat.<br />
Im Februar der Jahre mit gerader Jahreszahl wird mit<br />
Viatec, einer Internationalen Fachmesse für Straßenbau<br />
und Infrastrukturbewirtschaftung in alpinen Bereichen<br />
ein Thema behandelt, welchem angesichts der in<br />
den Bergen während der Wintermonate ständig zunehmenden<br />
Besucherzahlen von Skiläufern aus ganz Europa<br />
äußerste Brisanz zukommt.<br />
Mitte Februar ist dann die Reihe an Sport Italy mit<br />
Wintersportbekleidungsartikeln und -zubehör, wobei besonderer<br />
Wert sowohl auf Eleganz als auch auf die praktischen<br />
Anwendungsmöglichkeiten und die Effizienz des<br />
Angebots gelegt wird.<br />
In engem Zusammenhang mit den ausgedehnten Waldgebieten<br />
Südtirols und deren Sensibilität gegenüber allen<br />
Themen im Zusammenhang mit dem hydrogeologi-<br />
103
DIE NEUE<br />
MESSE<br />
KÜRBISFEST<br />
AM<br />
WALTHERPLATZ<br />
18<br />
schen Gleichgewicht, finden in den ungeraden Jahren<br />
mit der Baumec und der Lignomec eine Baumaschinenschau<br />
und Fachmesse für die Holzverarbeitung,<br />
für Erdbewegungsarbeiten und Thermoisolierung<br />
statt.<br />
Ins Frühjahr der geraden Jahre fällt die Schau<br />
Arredo-Die Welt des Wohnens für alles, was mit<br />
dem Wohnen, dem Einrichten und einer verbesserten<br />
Wohnatmosphäre zu tun hat. Gewicht wird dabei<br />
nicht nur auf das Angebot an Haushaltsgegenständen<br />
sondern auch auf die generelle Verbesserung<br />
des persönlichen Wohlbefindens<br />
gelegt.<br />
Civil Protec ist eine Fachmesse<br />
fûr Katastrophen- und<br />
Zivilschutz.<br />
Mitte April wird alljährlich<br />
im Messequartier die Pro<br />
Winter für die Professionisten<br />
im Wintersport abgehalten:<br />
Sporteinrichtungen,<br />
Bekleidung, Erzeugnisse und<br />
Einrichtungen für Skischulen<br />
sowie die Erhaltung und<br />
Wartung und das Vermieten<br />
der Sporteinrichtungen. Zusätzlich<br />
gibt es dann in den<br />
104<br />
Messen und MÄrkte mEssEn und märKtE<br />
geraden Jahren noch die internationale Fachmesse<br />
für Berg- und Wintertechnologien Alpitec.<br />
Unglaublich stark besucht ist jeweils die Ende<br />
April stattfindende Freizeit, eine Ausstellung für<br />
Sport, Hobby, Auto, Urlaub und Berg. Hier läßt<br />
sich alles finden, was dem Aufenthalt im Freien,<br />
dem Sport und der Erholung dienlich ist.<br />
Im Mai kommt Kunstart, die Internationale Messe<br />
für moderne und zeitgenössige Kunst <strong>nach</strong> Bozen.<br />
Die wichtigste Veranstaltung ist jedoch zweifelsfrei<br />
die Internationale Herbstmesse, bei der sich<br />
das Interesse auf die hier in allen Ausformungen<br />
vertretenen typischen Produkte Südtiroler Betriebe<br />
konzentriert. Auch die besonders zahlreich in den<br />
Bergtälern vorhandenen und bestens in die von<br />
der Landwirtschaft und dem Fremdenverkehr dominierte<br />
Wirtschaftsstruktur der Provinz integrierten<br />
kleinen und mittelgroßen Unternehmen sind<br />
bei dieser Messe vertreten und finden darin ein geeignetes<br />
Forum, um ihre Erzeugnisse den in- und<br />
ausländischen Märkten vorzustellen.<br />
Gegen Ende Oktober wird die Internationale Fachmesse<br />
für das Hotel- und Gastgewerbe Hotel eröffnet.<br />
Angesichts der hohen Investitionen für die<br />
Entwicklung des Fremdenverkehrs in der Provinz<br />
hat sich diese Fachschau zwei für die Betroffenen<br />
grundlegenden Erfordernissen verschrieben: der<br />
qualitativen Verbesserung der Strukturen und dem<br />
Informations- und Erfahrungsaustausch zwischen<br />
der Hotellerie und den Produktverantwortlichen.<br />
Sehr wichtig ist heute Klimaenergy, eine Fachmesse<br />
für erneuerbare Energien zur gewerblichen<br />
Nutzung.<br />
Ganz auf den Ausbau des Landwirtschaftssektors<br />
fukussiert, der sich den speziellen Problemen und<br />
Erfordernissen der Bergwelt stellen muß, ist die alpenländische<br />
Landwirtschaftsschau Agrialp; ihr angeschlossen<br />
ist die Biolife, die einzige in Italien<br />
ausschließlich auf Bioprodukte konzentrierte Messe.<br />
Mitte November wird in den geraden Jahren mit<br />
Interpoma eine Fachmesse für Anbau, Lagerung<br />
und Vermarktung des Apfels organisiert; parallel<br />
dazu wird unter Beteiligung von Fachleuten und<br />
Unternehmern aus aller Welt ein großer internationaler<br />
Kongreß über die Welt des Apfels und alle<br />
nur erdenklichen damit verbundenen Aspekte abgehalten.<br />
Doch sind dies nicht die einzigen in Bozen abgehaltenen<br />
Messen und Musterschauen. Über das<br />
Jahr verteilt werden noch viele andere, von einander<br />
sehr verschiedene Veranstaltungen organisiert:<br />
Sehnlich erwartet wird alljährlich die in den April<br />
fallende Bozner Weinkost in Schloß Maretsch;<br />
2008 bereits zum 86. Mal abgehalten, bietet sie<br />
Weinverkostungen und Wissenswertes über alle Bereiche<br />
des Weinbaus in Südtirol.<br />
Unter Musik und Tanz, mit Konzerten und Spielen,<br />
folkloristischen Darbietungen und Ständen mit Käse,<br />
Äpfeln und Brot wird im Mai am Waltherplatz<br />
alljährlich das Speckfest begangen.<br />
Im August verwandelt sich die gesamte Bozner<br />
Innenstadt in einen Verkostungsparcours im Rahmen<br />
der Lorenzi<strong>nach</strong>t, eine einmalige Gelegenheit,<br />
von den besten Rot- und Weißweinen zu kosten,<br />
die die teilnehmenden Bozner Kellereien zur<br />
Degustation anbieten.<br />
In einer Stadt wie Bozen kann und darf aber eine<br />
Veranstaltung zum Thema Bergwelt nicht feh-<br />
18<br />
len! Im September werden im Rahmen von Montagna<br />
libri / Internationales Festival für Bergund<br />
Forschungsfilm, Bergbücher und -filme ausgestellt<br />
und zum Verkauf angeboten.<br />
Was böte sich besser als Schlußpunkt dieses<br />
Streifzuges durch den Bozner Veranstaltungskalender<br />
an, als ein kurzer Blick auf den Weih<strong>nach</strong>tsmarkt,<br />
der alljählich für die Dauer der vier Adventwochen<br />
zur Einstimmung auf das Weih<strong>nach</strong>tsfest<br />
einlädt; zusammen mit den traditionellen Weih<strong>nach</strong>tsbäckereien<br />
werden unzählige Produkte ausgestellt<br />
und zum Verkauf angeboten.<br />
105<br />
KLIMAHAUS<br />
ZAUBERHAFTER<br />
BOZNER WEIH-<br />
NACHTSMARKT
19<br />
106<br />
Architektonische und<br />
städtebAuliche Aspekte<br />
architEKtonischE und<br />
städtEBaulichE asPEKtE<br />
19 die<br />
Gigi Dalla Bona<br />
19<br />
architEKtonischE<br />
und städtEBaulichE<br />
asPEKtE<br />
Gründung der Stadt Bozen reicht in die Anfänge<br />
des 11. Jahrhunderts zurück, als Bischof Ulrich<br />
von Aachen den Entschluß faßte, der ortsansässigen,<br />
rein landwirtschaftlich orientierten Wirtschaft<br />
eine kommerzielle Note zu geben. Bozen entstand somit<br />
als Handelszentrum, ein Umstand der sich auch in den<br />
<strong>nach</strong>folgenden Jahrhunderten bis in unsere Tage auswirkt<br />
und der Stadt ihre Prägung verlieh.<br />
In jenen fernen Zeiten des Bischofs wurde das für die<br />
Neuansiedlungen auf diesem großen Umschlaggebiet<br />
- einem Markt, der anfänglich nur den ortsansässigen<br />
Bewohnern vorbehalten war und erst allmählich auch<br />
Händlern der Regionen jenseits der Alpen, von Venedig<br />
und der Lombardei bis <strong>nach</strong> Deutschland zugänglich gemacht<br />
wurde - erforderliche Gelände in lange, schmale,<br />
Nord-Süd-verlaufende Parzellen unterteilt. Typenmäßig<br />
sind die Gebäude all dieser Parzellen gleich: mit<br />
dem “Gesicht” der Straße zugewandt, steht das Haus<br />
da, im Erdgeschoß das Ladengewölbe, in den darüberliegenden,<br />
meist drei Geschoßen die Wohnungen; auf<br />
der Hinterseite liegen, durch einen Lichthof vom Haupthaus<br />
getrennt, die Magazine und noch weiter dahinter<br />
befinden sich der Stall und die Nebenräume für Sattelund<br />
Saumzeug und Wagenzubehör.<br />
Diese architektonische und städtebauliche Einteilung<br />
wurde jahrhundertelang unverändert beibehalten und<br />
läßt sich mit Leichtigkeit auch heute noch erkennen:<br />
die Konzeption blieb unangetastet und gilt für den gesamten<br />
historischen Stadtkern. Hauptachse des so entstandenen<br />
Marktkerns sind die Lauben; längs der Hinterfront<br />
der tiefen Bauparzellen verlaufen die ursprünglich<br />
für den Zulieferverkehr genutzten Parallelstraßen<br />
zu den Lauben: die Dr. Streiter- und die Silbergasse.<br />
Dieses ganze Ensemble war umgeben von einem Wall<br />
und einem Graben (die im 13. Jahrhundert von Mein-<br />
107
PALAZZO MERCANTILE<br />
LAUBEN<br />
19<br />
hard II <strong>nach</strong> Einnahme der Stadt im Kampf gegen<br />
den Bischof von Trient geschleift und zugeschüttet<br />
wurden). Der Hauptzugang lag im Süden; von hier<br />
gelangten die Händler in die Stadt, <strong>nach</strong>dem sie<br />
die Eisack überquert und auf dem heutigen Kornplatz<br />
zur Verwiegung, Besteuerung und Verzollung<br />
der Ware Halt gemacht hatten. Auf dem Platz, der<br />
laut alten Chroniken in unterschiedliche Sektoren<br />
für Getreide, Fleisch und Eisenwaren und Werkzeuge<br />
unterteilt war, erhebt sich das alte Waaghaus.<br />
In diesem Gebäude befand sich bis 1633 die Fronwaage.<br />
Schlußpunkt und Krönung des alten Marktkerns<br />
ist das im 18. Jahrhundert <strong>nach</strong> den Plänen<br />
des Veroneser Architekten Francesco Perotti entstandene<br />
Merkantilgebäude, Sitz des Merkantilmagistrats<br />
, ein bewundernswertes Beispiel der Architektur<br />
aus der Zeit der ausklingenden Renaissance<br />
im Übergang zum Barock.<br />
Rund um dieses Handelszentrum entstanden<br />
108<br />
Architektonische und<br />
städtebAuliche Aspekte<br />
schrittweise Wohnbauten und anderen Zwecken<br />
gewidmete Gebäude, die langsam die früheren bäuerlichen<br />
Gehöfte umzingelten und vereinnahmten,<br />
bis die Stadt mit den davor liegenden Ortschaften<br />
Rentsch, Zwölfmalgrein, Gries, ... zusammengewachsen<br />
war und sich ihr heutiger Umfang abzuzeichnen<br />
begann. Zu den Anfängen dieser Entwicklung<br />
zählt auch die bereits 1180 erstmals erwähnte<br />
Kirche St. Johann im Dorfe, einer der ältesten<br />
Sakralbauten Bozens. Es ist dies eine kleine<br />
intime Kapelle, deren Glockenturm sich zentral<br />
über dem Altar erhebt. Spätere Detailausführungen<br />
in der Anordnung der Fenster und die beachtlichen<br />
Fresken aus dem 14. Jahrhundert haben den Mauerformen<br />
nichts von ihrer Ausdruckskraft genommen,<br />
die bis in unsere Tage ungebrochen Zeugnis<br />
von der zartfühlend-feinen Darstellung von Demut<br />
MERKANTILGEBÄUDE<br />
architEK tonischE und<br />
städtEBauli chE asPEKtE<br />
PFARRKIRCHE<br />
und Bescheidenheit der Romanik ablegen.<br />
Mit dem Bau der Stadtpfarrkirche, also des Domes,<br />
einer dreischiffigen gotischen Kirche, wurde<br />
im 14. Jahrhundert begonnen. Die Bautätigkeit<br />
hielt auch noch in den <strong>nach</strong>folgenden Jahrhunderten<br />
bis in die Barockzeit und mit Restaurierungen<br />
bis heute an. Die Bombardierungen während des<br />
letzten Weltkriegs brachten sämtliche Dächer, das<br />
Chor- und teilweise das Langhausgewölbe zum Einsturz.<br />
Diesem an sich traurigen Ereignis verdanken<br />
wir jedoch eine interessante Entdeckung: während<br />
des Wiederaufbaus wurden unterhalb des Kirchenbodens<br />
die Reste einer früheren Kirche oder Kapelle<br />
entdeckt, ein Gotteshaus an der Zufahrtstraße<br />
zum Markt- und Handelsplatz, doch noch vor den<br />
Toren, außerhalb der Mauern gelegen.<br />
Besonders zahlreich sind in Bozen die im Mittelalter<br />
entstandenen Klöster und Abteien: die Dominikanerkirche<br />
ist für ihre Wandmalereien (an<br />
den Stil Giottos angelehnte Fresken) berühmt; die<br />
Franziskanerkirche besticht durch ihren bezaubernden<br />
Kreuzgang aus dem 14. und ihren reichhaltigen<br />
Altar aus dem 16. Jahrhundert. Die barokke<br />
Kirche der Benediktinerabtei schließlich rundet<br />
das beeindruckende Bild des Griesplatzes ab.<br />
Interessanter Ausdruck der durch Klosterleben<br />
und -gepflogenheiten bedingten baulichen Erfor-<br />
19<br />
dernisse ist die Anlage<br />
von Neustift. Sie<br />
liegt in der Nähe des<br />
heutigen Messepalastes<br />
auf den Restbeständenausgedehnter<br />
Weingärten, welche<br />
bereits im 10. Jahrhundert<br />
Eigentum der<br />
Abtei von Brixen waren.<br />
Im 17. Jahrhundert<br />
entstand hier das,<br />
was als “Landsitz” der<br />
Äbte bezeichnet werden<br />
kann: anfänglich<br />
war das Gut auch mit<br />
sämtlichen erforderlichen<br />
Räumlichkeiten<br />
für den Weinbau, wie<br />
Presse und Keller, und<br />
für die Speisenaufbewahrung<br />
und Lagerung<br />
ausgestattet. Versehen<br />
mit zwei Kapellen<br />
entstand hier die Residenz<br />
des Abtes, der,<br />
wie es scheint, aus<br />
der Verkostung seines<br />
Weines vom Bozner<br />
Boden, dem immerhin<br />
von alten Chroniken<br />
geschmacklich der<br />
Vorrang vor demjenigen<br />
des Eisacktales<br />
eingeräumt wird, noch<br />
109<br />
OBEN:<br />
NEUSTIFT<br />
LINKS:<br />
WAAGHAUS<br />
UNTEN:<br />
BENEDIKTINER-<br />
ABTEI
SCHLOSS<br />
MARETSCH<br />
19<br />
SCHLOSS<br />
RUNKELSTEIN<br />
anderen als rein geistigen Nutzen gezogen haben<br />
mag. Die ganze Anlage entpuppt sich als kleines<br />
Juwel ländlicher Wohnkultur.<br />
Hoch oben auf einem Felssporn, auf drei Seiten<br />
von den Gewässern der Talfer umspült, erhebt sich<br />
an der Einmündung des Sarntales die von den bi-<br />
110<br />
Architektonische und<br />
städtebAuliche Aspekte<br />
schofstreuen Freiherren von Wangen im 12. Jahrhundert<br />
errichtete Burg Runkelstein, repräsentatives<br />
Beispiel eines Verteidigungsbaus. Diese<br />
Funktion blieb ihr jedoch nur kurze Zeit erhalten:<br />
gleich beim ersten Ansturm durch den kaisertreuen<br />
Meinhard II im Jahre 1277 wurde die Burg arg<br />
zerstört; die im darauffolgenden Jahrhundert getätigten<br />
Umbauten und Erweiterungen waren vorrangig<br />
auf eine Verbesserung der Wohnverhältnisse<br />
ausgerichtet und so verlor die Burg <strong>nach</strong> und<br />
<strong>nach</strong> ihren wehrhaften Charakter (besonders <strong>nach</strong>dem<br />
das, was von dem ursprünglichen Hauptturm<br />
noch übriggeblieben war, 1520 bei einer Pulverexplosion<br />
vernichtet wurde); heute stellt die Burg<br />
ein malerisches Beispiel für einen mittelalterlichen<br />
Rittersitz dar, bereichert durch wunderschöne Fresken,<br />
die als wichtiger Abschnitt in der Entwicklung<br />
der darstellenden Kunst des Mittelalters angesehen<br />
werden können.<br />
An vollkommen ungeeigneter Stelle für jede Verteidigungsaufgabe,<br />
nämlich auf den Schwemmböden<br />
der Talfer, liegt Schloß Maretsch: von der<br />
ursprünglich mittelalterlichen Anlage existieren<br />
noch der Hauptturm und der zweigeschossige zen-<br />
architEKtonischE und<br />
städtEBaulichE asPEKtE<br />
trale Kern des Gebäudes. Seine unzweifelhaft von<br />
Gigantomanie befallenen Eigentümer des 16. Jahrhunderts<br />
tobten sich in Zubauten aus: neue Flügel<br />
kamen hinzu, ein Innenhof und vor allen Dingen<br />
die vier Rundtürme an den Ecken des so entstehenden<br />
Pseudo-Bollwerks. Obwohl die Täuschung allzu<br />
deutlich zutage tritt, ist das Ergebnis - zumindest<br />
rein visuell - hochinteressant und mit leicht<br />
romantischem Anstrich auch symbolhaft für das<br />
stadtnahe Ambiente.<br />
Die bedeutendsten Zeugnisse des Wohnbaus stammen<br />
hingegen aus jüngerer Zeit.<br />
Im 17. Jahrhundert begann sich die endgültige<br />
Anordnung der Gebäude des historischen Stadtkerns<br />
und der ihn umgebenden Straßenläufe (Obstmarkt,<br />
Streiter-, Binder-, Weintrauben- und Silbergasse)<br />
abzuzeichnen. Alle in dieser Zeit gesetzten<br />
Maßnahmen folgen, obzwar von verschiedenen<br />
Eigentümern in die Wege gesetzt, dennoch einer<br />
kontinuierlichen stilistischen Logik und das Ergebnis<br />
ist ein ausgewogener Gesamtkomplex von eindrucksvoller<br />
Harmonie.<br />
Das aufstrebende Bürgertum dokumentiert sich im<br />
19. Jahrhundert durch eine rege Wohnbautätigkeit<br />
mit all ihren stilistischen Vor- aber auch Nachteilen.<br />
In Bozen schlägt sich diese Epoche durch die in der<br />
Sparkassenstraße entstehenden Jahrhundertwendebauten<br />
nieder: hier prunkt südlich der Alpen ein<br />
sehr eigenwilliger, pittoresker Jugendstil.<br />
Die in der Vorkriegszeit errichteten Gebäude<br />
sind Ausdruck des von den Theorien des damaligen<br />
Regimes getragenen Stilempfindens. Aus jener<br />
Zeit stammen der Bau des IV.Armeekorps, einige<br />
Schulbauten und ein Großteil der jenseits der Talferbrücke<br />
an der Straße <strong>nach</strong> Gries errichteten Gebäude.<br />
Aus der heutigen Distanz betrachtet, lassen<br />
sich auch in diesen Monumentalwerken nicht<br />
von der Hand zu weisende, wertvolle Formideen<br />
und Lösungsansätze erkennen, umso mehr, als man<br />
sich vielleicht eingestehen muß, daß unsere hochgelobte<br />
und inzwischen womöglich schon überholte<br />
“Postmoderne” kaum Besseres anzubieten hatte<br />
und in diesen Bauten daher eher noch Anregungen<br />
finden könnte.<br />
19<br />
111<br />
GEBÄUDE DES IV.<br />
ARMEEKORPS<br />
ST. JOHANN<br />
IM DORFE
19<br />
112<br />
Architektonische und<br />
städtebAuliche Aspekte<br />
<strong>BozEn</strong><br />
im laufE dEr JahrhundErtE<br />
20 Carlo Romeo<br />
Die<br />
20<br />
<strong>BozEn</strong><br />
im laufE dEr<br />
JahrhundErtE<br />
Antike<br />
abgesehen von prähistorischen Siedlungen, die<br />
uns noch heute beschäftigen und immer wieder zu<br />
Ausgrabungen mit interessanten Funden veranlassen,<br />
erscheint das Vorhandensein der verschiedenen Kastelle<br />
bemerkenswert, die als Bollwerke auf den Erhebungen<br />
in dem weiten Flußbett, wo die Eisack in die Etsch<br />
mündet, von den Rätern errichtet wurden. Von diesen ursprünglichen<br />
Bewohnern unserer Alpenregion wissen wir<br />
noch sehr wenig.<br />
Circa 16/15 v. Chr. gelangte das Heer des Drusus, Stiefsohn<br />
des Octavianus Augustus, in das Bozner Becken.<br />
Sein Auftrag lautete, in die Täler von Etsch und Eisack<br />
einzudringen, um sich am Bodensee mit den von Lyon<br />
heranrückenden Truppen des Tiberius zu vereinen. Folge<br />
dieser ausgedehnten Umzingelungsbewegungen waren<br />
die Eroberung der Alpenregion, ihre Umwandlung in eine<br />
römische Provinz und die Verteidigung der Poebene gegen<br />
die Germaneneinfälle. Bozen wurde der 10. italischen<br />
Region einverleibt.<br />
Über die Frage, wo denn nun die berühmte Drususbrükke,<br />
die “Pons Drusi” errichtet worden sei, sind sich die Historiker<br />
auch heute noch nicht einig: nächst Schloß Sigmundskron<br />
über die Etsch oder in Rentsch über die Eisack<br />
- so gehen die Meinungen auseinander. Es ist auch nicht<br />
auszuschließen, daß die erste römische Siedlung (Brücke,<br />
Herberge, Pferdewechselstation, sowie ein kleiner, später<br />
in eine frühchristliche Kirche umgewandelter Tempel)<br />
sich in unmittelbarer Nähe des heutigen Stadtkerns (Kapuzinerkloster,<br />
Dom, Waltherplatz) entwickelt hat.<br />
Die der Gesundheit am zuträglichsten und für die Entwicklung<br />
einer Niederlassung am besten geeigneten Areale<br />
lagen in der Nähe von Morizing und Rentsch/Zwölfmalgrein.<br />
Letztere Ansiedlung überlebte die Jahrhunderte<br />
der Invasionen und höchstwahrscheinlich nahm von hier<br />
113
SCHLOSS<br />
SIGMUNDS-<br />
KRON<br />
RECHTS:<br />
MÜNZE DES<br />
GRAFEN VON<br />
TIROL<br />
SCHLOSS TIROL<br />
BEI MERAN<br />
Hochmittelalter<br />
20<br />
aus die eigentliche Besiedlung des<br />
Bozner Beckens <strong>nach</strong> seiner Urbarmachung<br />
im Mittelalter ihren Ausgang.<br />
Die Bezeichnung “Bozen” (in den<br />
Schriften des Paolo Diacono aus dem<br />
8. Jhdt. als “Bauzanum” erwähnt)<br />
könnte von dem Namen der damals<br />
mächtigsten Familie abgeleitet worden<br />
sein.<br />
Nach den Zerstörungen der Vandalen-, Alanen-,<br />
Schwaben- und Burgundereinfälle durchlebte die<br />
Region unter der Herrschaft des Gotenkönigs Theoderich<br />
endlich eine Periode der Sicherheit. Nach<br />
einer darauffolgenden, kurzen Zwischenherrschaft<br />
der Franken gelangte Bozen unter den Einfluß der<br />
von Süden heraufziehenden Langobarden.<br />
Unter Karl dem Großen wurde das Herzogtum Trient<br />
in Grafschaften neu geordnet. Jene von Bozen<br />
lag zwischen dem Herzogtum Bayern und demjenigen<br />
Trients, dem einflußreichsten, das sogar in eine<br />
Mark mit größerer Machtbefugnis umgewandelt<br />
wurde. Schloß Sigmundskron (Castrum Formigarium)<br />
war Hauptburg und Verwaltungssitz.<br />
Nach dem raschen Zerfall des karolingischen Reiches<br />
fand sich die immer wieder von ungarischen<br />
Einfällen heimgesuchte Mark zunehmend an das<br />
bayrische Reich gebunden, bis zu Beginn des 11.<br />
Jahrhunderts der Frankenkaiser Heinrich II, vor allem<br />
aber dessen Sohn Konrad II die Bischöfe von<br />
Trient und Brixen mit Verwaltungsaufgaben, Rechtsprechung<br />
und steuerlichen Rechten und Pflichten<br />
belehnten. Auf diese Weise entstand<br />
auch hierorts das Amt des Fürstbischofs.<br />
Der Bischof von Trient, in<br />
dessen Gerichtsbarkeit die Grafschaft<br />
Bozen, das Etschtal und Teile des<br />
Vintschgaus und des Eisacktales fielen,<br />
bediente sich zur Ausübung seiner<br />
Verwaltungsaufgaben sogenannter<br />
“Advokaten”, besser gesagt der<br />
mächtigsten Familien, Großgrundbe-<br />
114<br />
Bozen<br />
im Laufe der Jahrhunderte<br />
sitzer, Eigentümer von<br />
Burgen und Festungen,<br />
die in der Lage<br />
waren, Truppen<br />
auszurüsten.<br />
Dies war die Blütezeit<br />
vieler Familien,<br />
deren Namen<br />
uns heute in den Bezeichnungen<br />
der Burgen<br />
und Schlösser wiederbegegnen.<br />
Zu Macht und Ansehen<br />
gelangten unter anderem damals auch die<br />
Appian, die von Bozen in ihr gleichnamiges Schloß<br />
am rechten Ufer der Etsch übersiedelt waren. Ein<br />
Zweig dieser Familie erhielt die Grafschaft Bozen.<br />
Der Aufstieg des Hauses Tirol<br />
Jahrelange Auseinandersetzungen mit ihren Rivalen,<br />
der von Schloß Tirol oberhalb Merans stammenden<br />
Familie gleichen Namens besiegelte den Untergang<br />
der Appian. Durch ständige Unterhöhlung der<br />
bischöflichen Einflußnahme und Macht gelang den<br />
Tiroler Grafen - insbesondere unter Meinhard II<br />
von Tirol-Görz - die Errichtung des ausgedehnten,<br />
unabhängigen “de facto”-Komitats, das von ihnen<br />
den Namen erhielt. Diesem gaben sie vernünftige,<br />
nahezu “modern” anmutende Verordnungen (eine<br />
nicht vom Adel gelenkte Bürokratie, Privilegien für<br />
den Bauernstand, Förderung des Handels und Anreize<br />
zum Aufblühen städtischen Lebens), scheuten<br />
aber auch nicht davor zurück, gegebenenfalls<br />
mit eiserner Faust durchzugreifen. So bestrafte<br />
beispielsweise 1277 Meinhard die Stadt Bozen für<br />
ihre Treue zu den Trienter Bischöfen durch die Zerstörung<br />
der Dämme von Eisack und Talfer, auf daß<br />
die Stadt überschwemmt werde.<br />
Zu Beginn des 13. Jahrhunderts zählt Bozen<br />
3.000 Einwohner und zeigt bereits deutlich seine<br />
Bestimmung als Handelsplatz. Zentraler Kern sind<br />
die Lauben, die inmitten des Rechtecks aus Silbergasse,<br />
Obstmarkt, Streitergasse und Rathausplatz<br />
verlaufen. Die dort entstehenden Gebäude sind ih-<br />
<strong>BozEn</strong><br />
im laufE dEr JahrhundErtE<br />
ren Aufgaben<br />
als Wohnstatt<br />
und gleichzeitigerWirkungsraum<br />
für Handel<br />
und Handwerk<br />
angepaßt<br />
und bezeugen<br />
durch ihre Ausgestaltung<br />
und<br />
ihr Erscheinungsbild<br />
die<br />
bedeutende<br />
Stellung, welche<br />
Bozen als<br />
Angelpunkt im<br />
Warenaustausch zwischen Nordeuropa und Italien,<br />
insbesondere auch dank der wachsenden Transitmengen<br />
über den Brenner, einzunehmen beginnt.<br />
Der Aufstieg der Stadt ließ sich auch nicht durch<br />
den verheerenden Brand aufhalten, der 1222 annähernd<br />
1500 Opfer forderte. In der schrittweise<br />
urbar gemachten Ebene entstanden zahlreiche Gehöfte<br />
außerhalb der Stadtmauern, sowie viele Klöster<br />
und befestigte Wohnburgen (St. Vigil, Gries,<br />
Burg Runkelstein).<br />
Unter der Herrschaft der Habsburger<br />
Im Jahre 1363 dankt die letzte Landesfürstin aus<br />
dem Grafengeschlecht der Tirol-Görz, Margarethe<br />
Maultasch, zugunsten Rudolfs von Habsburg ab. In<br />
Erkenntnis der wirtschaftlichen Bedeutung Bozens<br />
setzen die neuen Herren die Politik der städtischen<br />
Privilegien fort. 1450 erhält die Stadt das Recht<br />
auf einen eigenen Bürgermeister.<br />
Zu Beginn des 15.Jahrhunderts kommt es zu Auseinandersetzungen<br />
zwischen dem vom Reich arg<br />
bedrängten Friedrich von Habsburg mit dem Beinamen<br />
“der mit der leeren Tasche” und dem Tiroler<br />
Adel. Daß er den Aufstand siegreich zu beenden<br />
vermag, verdankt er der Unterstützung durch<br />
den Bauernstand und die Bürger der Stadt, was er<br />
mit weiteren Privilegien belohnt: im Tiroler Land-<br />
20<br />
tag (Parlament) sitzen zwei vom Stadtrat ernannte<br />
Vertreter der Stadt Bozen.<br />
Die Handwerkszünfte entwickeln sich, ihre zunehmende<br />
Bedeutung schlägt sich in den Namen einiger<br />
Straßen des Stadtzentrums nieder. Bozen wird<br />
zum Treffpunkt deutscher und italienischer Kaufleute.<br />
Mitte des 16. Jahrhunderts stehen den an<br />
Markttagen herbeiströmenden Fremden<br />
bereits mehr als fünfzig Herbergen<br />
zur Verfügung.<br />
Im Jahre 1635 erteilt die Tiroler<br />
Regentin Erzherzogin Claudia<br />
de’ Medici den Bozner Märkten eine<br />
ganze Reihe von Privilegien, die<br />
eine durchgreifende Regelung der<br />
Wechselgeschäfte mit sich bringen,<br />
während aufflammende Zwistigkeiten<br />
und Rechtshändel durch die<br />
Schaffung eines Merkantilmagistrats<br />
beigelegt werden sollen, in welchem<br />
italienische und deutsche Kaufleute<br />
gleichwertig vertreten sind.<br />
Die Privilegien des Bozner Marktes<br />
werden 1718 von Kaiser Karl VI noch erweitert.<br />
Der durch den Handel erwirtschaftete Reichtum<br />
spiegelt sich in dem prächtigen barocken Stadtbild<br />
mit seinen pompösen Gebäudefassaden.<br />
19. Jahrhundert<br />
Die Kriege und Unruhen der Neuzeit<br />
berührten die Stadt nur am<br />
Rande. Einschneidender war da<br />
schon 1797 die Besetzung durch<br />
napoleonische Truppen. Als Folge<br />
des Preßburger Abkommens fällt<br />
Tirol 1805 an das mit Frankreich<br />
verbündete Bayern. Die auf eine<br />
administrative, politische und<br />
gerichtliche Zentralisierung sowie<br />
eine Reglementierung der<br />
religiösen Feste und Glaubensausübung<br />
ausgerichteten<br />
Reformen führen schließlich<br />
115<br />
LINKS: MARGA-<br />
RETHE MAUL-<br />
TASCH, LETZTE<br />
GRÄFIN VON<br />
TIROL UND<br />
GÖRZ<br />
UNTERHALB: AN-<br />
DREAS HOFER<br />
DAS WAPPEN<br />
DER STADT<br />
BOZEN
STANDSEILBAHN<br />
ZUM VIRGL<br />
DER WALTHER-<br />
PLATZ ZU BEGINN<br />
DES 20. JHDTS.<br />
20<br />
zu dem von Andreas Hofer (1809) unter dem Motto<br />
“für Gott, Kaiser und Vaterland” angeführten Aufstand.<br />
Noch lange, <strong>nach</strong>dem Österreich und Frankreich<br />
bereits ihren Frieden geschlossen haben, führen<br />
die nun ganz auf sich selbst gestellten Tiroler<br />
Aufständischen ihren Kampf bis zu seiner endgültigen<br />
Niederschlagung fort. Hofer wird gefangengesetzt<br />
und 1810 in Mantua hingerichtet.<br />
Bozen wird mit einem großen Teil des südlichen<br />
Tirol dem Königreich Italien angeschlossen. Die<br />
neue Provinz mit Trient als Landeshauptstadt erhält<br />
den Namen “Dipartimento dell’Alto Adige”.<br />
Nach dem Zusammenbruch des napoleonischen<br />
Reiches fällt Tirol wieder an die Habsburger. Das<br />
19. Jahrhundert ist gekennzeichnet von dem Aufeinanderprallen<br />
der von Wien ausgehenden Reformen<br />
und den Widerständen des Landes Tirol, das<br />
nicht bereit ist, auf seine alten Freiheiten und autonomen<br />
Rechte zu verzichten. Auch Bozen wird<br />
zum Schauplatz der Spannungen zwischen Liberalen<br />
und katholischen Konservativen, die sich im<br />
“Kulturkampf” austoben. Symbolhaft wird die Einweihung<br />
der neuen öffentlichen Gasbeleuchtung<br />
(1861) vom liberalen Bürgermeister Josef Streiter<br />
als “Lichterfest” gegenüber Ignoranz und Aberglauben<br />
begrüßt.<br />
Das Ende des Jahrhunderts erlebt das Aufkeimen<br />
des deutschnationalen Gedankenguts. Demgegenüber<br />
steht die Irredenta der Trientiner, die seit 1848<br />
jede von Innsbruck ausgehende Autonomieforderung<br />
ablehnen. Die 1889 errichtete Statue des Minnesängers<br />
Walther von der Vogelweide bekommt Symbolwert<br />
für das Deutschtum. Gleichsam als Gegenpol<br />
entsteht 1896 das Dantedenkmal in Trient.<br />
Gegenwart<br />
Die Jahre um die Jahrhundertwende<br />
werden<br />
<strong>nach</strong> dem langjährigen<br />
Bozner Bürgermeister<br />
(1895-1922) als “Ära<br />
Perathoner” bezeichnet<br />
und sind Jahre fie-<br />
116<br />
Bozen<br />
im Laufe der Jahrhunderte<br />
berhafterBautätigkeit und städtischer<br />
Entwicklung,<br />
welchen Maßnahmen<br />
abgesehen<br />
von Modernisierungsambitionen<br />
sämtlich die Bemühungzugrundelag,<br />
den deutschen<br />
Charakter<br />
der Stadt herauszustreichen.<br />
Zwölfmalgrein blieb bis 1911 eine autonome Gemeinde.<br />
Ebensolche Eigenständigkeit genoß auch<br />
Gries bis 1925, das im übrigen eine beachtliche<br />
Entwicklung als Fremdenverkehrsziel und Kurort<br />
durchmachte (1900 wurden 1600 Gäste registriert).<br />
Nach dem ersten Weltkrieg wurde Südtirol vom<br />
Königreich Italien annektiert. Nach einer kurzzeitigen<br />
Militärverwaltung wird das Trentino Alto Adige<br />
einem Zivilkommissar (Luigi Credaro) unterstellt.<br />
Im April 1921 wird ein Umzug der Südtiroler Bevölkerung<br />
von eigens <strong>nach</strong> Bozen angereisten faschistischen<br />
Truppen angegriffen. Ergebnis sind<br />
ein Toter und zahlreiche Verletzte. Kurz vor dem<br />
Marsch auf Rom, am 2. Oktober 1922, besetzen<br />
faschistische Gruppen Bozen und zwingen Bürgermeister<br />
Perathoner zur Abdankung. Mit der Machtergreifung<br />
Mussolinis beginnt die zunehmende Italianisierung.<br />
1926 wird Bozen Hauptstadt der neu<br />
geschaffenen, auf diese Weise von Trient losgelösten<br />
Provinz. Ettore Tolomei, bereits seit Beginn<br />
des Jahrhunderts Verfechter der „naturale italianità<br />
dell’Alto Adige“ (des naturbedingt italienischen<br />
Wesens Südtirols), trägt 1923 anläßlich einer<br />
Veranstaltung im Stadttheater sein in 32 Punkte<br />
gegliedertes Programm zur Italianisierung vor.<br />
Italienisch wird zur Amts-, Verwaltungs- und<br />
Schulsprache erklärt. Städtebaulich wird versucht,<br />
der Stadt ein neues Aussehen zu verleihen. Hierzu<br />
soll das dem historischen Stadtkern gegenüberliegende<br />
Gebiet jenseits der Talfer bebaut werden.<br />
<strong>BozEn</strong><br />
im laufE dEr JahrhundErtE<br />
Von den 28.000 bebauten Flächen des Jahres 1910<br />
wächst sich Bozen durch italienische Immigration<br />
auf 32.000 im Jahr 1921 und weiter auf 40.000 im<br />
Jahr 1934 aus.<br />
Mitte der Dreißigerjahre wird unter dem Präfekten<br />
Giovanni Mastromattei (1933-40) mit dem Bau<br />
der Industriezone (Montecatini, Stahlwerke, Lancia,<br />
u.s.w.) begonnen, was die Zuwanderung weiterer<br />
italienischer Arbeiter und ihrer Familien <strong>nach</strong><br />
sich zieht. Neue Wohnviertel entstehen, darunter<br />
die “semirurali”.<br />
Als Folge von Abkommen zwischen Deutschland<br />
und Italien wird die Südtiroler Bevölkerung 1939<br />
vor die Entscheidung gestellt, ins “Reich” abwandern<br />
oder als “brave italienische Bürger” bleiben<br />
zu wollen (die sogenannten “Optionen”). Lt. deutschen<br />
Quellen optieren in Bozen fast 15.000 der<br />
17.200 deutschsprachigen Bewohner für die deutsche<br />
Staatsbürgerschaft.<br />
Nach dem 8.September 1943 wird Südtirol mit<br />
dem Trentino und der Provinz Belluno zum Alpenvorland<br />
zusammengefaßt und ist praktisch vom<br />
Deutschen Reich annektiert. Aufgrund seiner Bedeutung<br />
als Eisenbahnknoten wird Bozen Ziel zahlreicherBombardements<br />
der allieerten<br />
Streitkräfte, die auch<br />
den historischen<br />
Stadtkern nicht verschonen.<br />
In der Reschenstraßebefindet<br />
sich ab 1944<br />
ein Durchgangslager<br />
für zur Internierung<br />
in Deutschland bestimmte<br />
Gefangene.<br />
Vom Kriegsende bis heute<br />
Anfang Mai ‘45 übernimmt das Nationale Befreiungskomitee<br />
im Namen der italienischen Regierung<br />
die Kontrolle über die Provinz. Am 4. Mai trifft die<br />
Vorhut der Allieerten in Bozen ein. 1946 wird am<br />
Rande des Pariser Friedensvertrages das Gruber-De<br />
20<br />
Gasperi-Abkommen zum Schutze der deutschsprachigen<br />
Minorität in Südtirol unterzeichnet. 1948<br />
tritt das Autonomiestatut der Region Trentino-<br />
Südtirol in Kraft.<br />
In den Augen der Südtiroler Bevölkerung trägt die<br />
Entwicklung Bozens, schon wegen der tragenden<br />
Rolle der Großindustrien, weiterhin das Stigma der<br />
Italianisierung.<br />
Ab der Mitte der Fünfzigerjahre verschärfen sich<br />
innerhalb der Region die Spannungen zwischen der<br />
Südtiroler Volkspartei und den italienischen Vertretern<br />
im Regionalrat. Am 17.November 1957 kommt<br />
es in Schloß Sigmundskron zu der berühmt gewordenen<br />
Kundgebung “Los von Trient”. Österreich<br />
trägt die Südtirolfrage den Vereinten Nationen vor,<br />
während in der Region selbst die Terroristen tätig<br />
werden (die “Feuer-” oder “Herz-Jesu-”Nacht<br />
vom 12. Juni 1961). Das sogenannte “Südtirolpaket”,<br />
oder vielmehr die Durchführungsbestimmungen<br />
des Pariser Abkommens, werden 1972 offiziell<br />
wirksam. Fast sämtliche Kompetenzen werden von<br />
der Region an die Provinz abgetreten.<br />
Im Juni 1992 wird die italienisch-österreichische<br />
Auseinandersetzung offiziell für beigelegt erklärt.<br />
Die mit dem zweiten Autonomiestatut erfolgte<br />
Übertragung weiterer Kompetenzen hat entscheidend<br />
zum beachtlichen sozialwirtschaftlichen Aufschwung<br />
beigetragen, den Bozen in den letzten<br />
Jahren genommen hat. Heute rangiert die Stadt im<br />
oberen Feld des jährlichen Presseranking aller italienischen<br />
Städte.<br />
117<br />
DIE INDUSTRIE-<br />
ZONE WÄHREND<br />
DER NACH-<br />
KRIEGSZEIT UND<br />
DIE BOZNER<br />
PFARRKIRCHE<br />
NACH DEM BOM-<br />
BARDEMENT 1944
20<br />
118<br />
Bozen<br />
im Laufe der Jahrhunderte<br />
viEr stadtrundgängE<br />
21<br />
21<br />
viEr<br />
stadtrundgängE<br />
119
• Waltherplatz<br />
• dom<br />
• Kapuzinerkloster<br />
• dominikanerkirche<br />
und<br />
-kreuzgang<br />
• museion<br />
undenkbar, eine Besichtigung<br />
Bozens von anderswo<br />
zu starten als<br />
vom Waltherplatz, der <strong>nach</strong> der<br />
Fertigstellung des unterirdischen<br />
Parkhauses und <strong>nach</strong>dem (1985)<br />
das Denkmal seines Namensgebers,<br />
des Mittelalter-Dichters<br />
Walther von der Vogelweide, wieder<br />
an seinem ursprünglichen<br />
21<br />
Walther von der Vogelweide (1170-<br />
1230), zählt zu den bedeutendsten Dichtern<br />
der von ihm tiefgreifend erneuerten<br />
höfischen Lyrik des deutschen Sprachraumes.<br />
Wie fast mit Sicherheit anzunehmen<br />
ist, entstammt er einer österreichischen<br />
Kleinadelsfamilie, lebte an deutschen Fürstenhöfen<br />
und hatte regen Anteil an den<br />
kulturellen und politischen Ereignissen einer<br />
Zeit, in der die beiden großen Mächte<br />
Kaiserreich und Papsttum heftig aufeinanderprallten.<br />
In seinen politischen Dichtungen<br />
erweist er sich als unermüdlicher<br />
Verfechter kaiserlicher Ideale und sieht<br />
in dem weltlichen Herrscher den Garanten<br />
für die Aufrechterhaltung moralischer<br />
Werte: nur der Kaiser vermag die Welt vor<br />
dem Chaos zu bewahren, das durch den<br />
Mangel an “pax et justitia” auszubrechen<br />
droht und seine Aufgabe ist es auch, den<br />
Gegenpol zu dem weltlichen Machtstreben<br />
der römischen Kirche darzustellen,<br />
der Walther in seinen religiösen Gedichten<br />
eine authentische, reine, auf Armut<br />
und Demut statt auf die Weltherrschaft<br />
ausgerichtete Kirche entgegensetzt.<br />
Die höchste Vervollkommnung erreichte<br />
der Dichter in seiner Liebeslyrik, derentwegen<br />
er heute hauptsächlich Bekanntheit<br />
120<br />
vier Stadtrundgänge viEr stadtrundgängE<br />
• 1. Besichtigungstour<br />
genießt: es gelang ihm, die Erstarrung der<br />
Themen und Formen des Minnegesangs<br />
abzuschütteln und persönliche, tief empfundene,<br />
gefühlvolle Elemente mit realistischer<br />
Darstellungskraft zu verbinden,<br />
sodaß in seinen Gedichten das Erleben<br />
der Liebe wieder menschliche Dimensionen<br />
annimmt, angereichert mit psychologischen<br />
Erkenntnissen, Stimmungsbildern<br />
und Landschaftsschilderungen.<br />
Walther selbst maß seinen Poesien prophetische,<br />
moralische und erzieherische<br />
Aufgaben bei und wandte sich in ihnen<br />
an Fürsten und kirchliche Würdenträger,<br />
damit sie zu unterscheiden lernten zwischen<br />
Gut und Böse, zwischen Schein und<br />
Wahrheit; dabei stellt er selbst sich stets<br />
auf seiten der Wahrheit und Gerechtigkeit,<br />
der wahren Liebe und der sie verkörpernden<br />
Frau, sowie des <strong>nach</strong> seinen inneren<br />
Werten zu messenden Mannes.<br />
Diese innere Einstellung, eine Mischung<br />
aus heftiger moralischer Anspannung und<br />
gleichzeitigem grüblerischen Bewußtsein,<br />
kommt auch in seinem Denkmal zum<br />
Ausdruck, das den Dichter mit der Laute<br />
in der Hand auf hohem Sockel, flankiert<br />
von zwei Löwen mit Wappenschildern,<br />
darstellt.<br />
Platz aufgestellt worden war,<br />
seine natürliche Bestimmung als<br />
zentraler Platz Bozens zurückgewonnen<br />
hat.<br />
Ursprünglich 1808 von Maximilian<br />
von Bayern geschaffen, verdankt<br />
der Waltherplatz sein heutiges<br />
Aussehen den Bautätigkeiten<br />
um die Wende vom 19. zum<br />
20. Jahrhundert, als <strong>nach</strong> der Errichtung<br />
des Hotel Greif (1884)<br />
und des Hotel-Café Kompatsch<br />
(1887, heute Sitz der BNL-Bank)<br />
die Westseite des Platzes (1906)<br />
adaptiert und das Stadt Hotel<br />
(1912, ehemalige Oberschule)<br />
eingeweiht wurden. Die Sparkasse<br />
stammt aus dem Jahr 1953,<br />
fügt sich aber gut in das Ensemble<br />
ein.<br />
Das aus weißem Lasamarmor in<br />
neoromanischem Stil ausgeführte<br />
Waltherdenkmal des Vintschgauer<br />
Bildhauers Heinrich Matter<br />
(1889) ist in seinen Größenverhältnissen<br />
perfekt an die umliegenden<br />
Gebäude angepaßt;<br />
das ganze Ensemble erscheint dadurch<br />
im goldenen Schnitt ausgeführt.<br />
Dank der einheitlichen Stilelemente,<br />
eleganten Verzierungen<br />
und der heiter-unbeschwerten<br />
Ausführung der einzelnen Bauwerke,<br />
strahlt der Platz die dem 19.<br />
Jahrhundert eigene harmonische<br />
Atmosphäre ruhigen Wohlstands<br />
aus: die rhythmische Abfolge der<br />
Fensteröffnungen, Bögen, Balustraden,<br />
die Geländer und Gesimse,<br />
die Erker und Konsolen, das<br />
durch Kamine und Mansarden belebte<br />
Spiel der Giebel und Dächer,<br />
all dies ist Ausdruck einer architektonischen<br />
Konzeption, die eine<br />
naturnahe Harmonie zwischen<br />
21<br />
praktischen und ästhetischen Anforderungen<br />
herzustellen trachtet.<br />
Kaffeehäuser, Bänke und Sitze<br />
laden zum Verweilen, um die<br />
Atmosphäre dieses Platzes in Ruhe<br />
auf sich einwirken zu lassen<br />
und den Lebenspuls dieser Stadt<br />
zu erfühlen.<br />
Mit dem Rücken zum Waltherdenkmal<br />
blicken wir auf den<br />
Dom. Von hier aus präsentiert<br />
er sich in seiner interessantesten<br />
und bekanntesten Ansicht.<br />
Vor uns liegt die Nordseite mit<br />
dem Chor, aus dem sich die Gnadenkapelle<br />
aus dem 18. Jahrhundert<br />
hervorschiebt, und mit dem<br />
Turm, der zum Wahrzeichen der<br />
Stadt geworden ist.<br />
Der Bau der Stadtpfarrkirche<br />
Mariä Himmelfahrt wurde 1295<br />
in romanischem Stil durch lombardische<br />
Bauleute begonnen<br />
und seit 1340 in gotischem Stil<br />
durch schwäbische Steinmetze<br />
fortgesetzt; durch diese Überlagerung<br />
der verschiedenen Stilelemente<br />
ist der Dom heute als<br />
121<br />
beispielhaft für die Bozner “Baukultur”<br />
anzusehen. Ab 1501 bis<br />
1519 errichtete der deutsche<br />
Meister Hans Lutz den gotischen<br />
Glockenturm, wohingegen die<br />
barocke Gnadenkapelle Mitte des<br />
18. Jahrhunderts von dem italienischen<br />
Architekten Giuseppe<br />
Dellai hinzugefügt wurde.<br />
Die Stadtpfarrkirche ist das hervorragendste<br />
Zeugnis gotischer<br />
Architektur der ganzen Region.<br />
Ihr Charakteristikum ist ihre elegante<br />
Schlankheit, die durch die<br />
verlängerten Stützpfeiler der Fenster,<br />
die steil aufragenden Dachflächen,<br />
die langgezogene Zuspitzung<br />
des Glockenturmes bewirkt<br />
wird. Mit diesen stilistischen<br />
Kunstgriffen versuchte die Gotik,<br />
das Streben der Seele zu Gott auszudrücken,<br />
einer Seele, die von<br />
jeglichem materiellen Gewicht befreit<br />
sich emporschwingt zu den<br />
Gefilden reiner Vergeistigung. Im<br />
Bemühen um diesen Ausdruck<br />
LEITACHER TÖRL
PFARRKIRCHE:<br />
DIE KANZEL<br />
VON HANS LUTZ<br />
(1514)<br />
trachten die Baumeister der Gotik<br />
stets, die drückende Schwere<br />
der tragenden Mauern zu mildern,<br />
indem sie mit zartem Maßwerk<br />
reichverzierte Fenster einfügen,<br />
die vertikalen Druckkräfte<br />
durch dünne, aufsteigende Bögen<br />
auffangen und den Bau zusätzlich<br />
mit zerbrechlich anmutenden<br />
Gesimsen, Fialen und Brüstungen<br />
versehen. Sämtliche vertikale<br />
Linien laufen zusammen und<br />
vereinigen sich in der 18m ho-<br />
21<br />
henKirchturmspitze. Diese<br />
zeigt Maßwerk<br />
in seiner höchstenVollendung:<br />
wie ein<br />
Spitzengewebe,<br />
durchschimmert<br />
vom Blau<br />
des Himmels,<br />
scheint sie sich<br />
in der Luft fast<br />
aufzulösen.<br />
Auf der<br />
Chorseite liegt<br />
das “Leitacher Törl”, so benannt<br />
<strong>nach</strong> dem vor diesem Tor<br />
ausgeübten Privileg des alleinigen<br />
Weinausschanks. Die Verzierungen<br />
um das Tor gehören zu<br />
den filigransten und wertvollsten<br />
gotischen Skulpturen, die<br />
der Dom aufzuweisen hat.<br />
Auch die Skulpturen, unverzichtbare<br />
Ergänzung der gotischen Architektur,<br />
sind Ausdruck der damaligen<br />
Geisteshaltung und Frömmigkeit;<br />
diese manifestiert sich<br />
besonders im harmonischen, fließenden<br />
Schwung der Linien, der<br />
den Figuren eine den vorangegangenen<br />
Kunstformen noch völlig<br />
fremde Lebendigkeit und Würde<br />
verleiht, menschliche Gefühle anspricht<br />
und an himmlische Glückseligkeit<br />
gemahnt; die Drapierungen,<br />
der reiche Faltenwurf tragen<br />
entschieden dazu bei, die Schönheit<br />
der Figuren hervorzuheben,<br />
unterstreichen die Gesten, verdeutlichen<br />
Haltung und Ausdruck,<br />
lassen die Gestalten einmal graziös<br />
und elegant, dann wieder würdevoll<br />
und edel erscheinen.<br />
Am Fuße des Glockenturms be-<br />
122<br />
vier Stadtrundgänge viEr stadtrundgängE<br />
findet sich ein wunderschönes<br />
Fresko mit einer Kreuzigungsszene:<br />
Maria, Johannes, die Hl.<br />
Barbara und die knienden Stifter<br />
finden sich zu beiden Seiten<br />
des Kreuzes mit dem sterbenden<br />
Christus ein; in diesem Werk aus<br />
der Veroneser Schule des ausgehenden<br />
14. Jahrhunderts gesellen<br />
sich zu der strengen Raumeinteilung,<br />
wie wir sie aus der<br />
Schule Giottos kennen und wie<br />
sie sich auf diesem Fresko in der<br />
Christusfigur manifestiert, die<br />
Eleganz der Gewänder und des<br />
Kopfschmucks, die Verzierungen<br />
und Verschönerungen der stehenden<br />
Figuren aus der Hochblüte<br />
der internationalen Gotik, wie<br />
sie von Verona ausgehend letztlich<br />
ganz Italien beherrscht hat.<br />
Eine phantasieanregende Kuriosität<br />
sollte nicht unerwähnt<br />
bleiben: seitlich links neben<br />
dem eben geschilderten Fresko<br />
befindet sich ein kleines Votivbild,<br />
das einen rastenden Wanderer<br />
zeigt, der durch eine herabfallende<br />
Glocke aus dem Schlaf<br />
gerissen wird.<br />
Weiter längs der Nordseite erreicht<br />
man rechter Hand das<br />
Hauptportal in der einfachen<br />
Giebelfassade mit Radfenster aus<br />
dem 14. Jahrhundert; ihm vorgesetzt<br />
ist ein romanisches Vorhäuschen<br />
mit zwei polygonalen<br />
Säulen auf großen Löwen, von<br />
denen aber nur der rechte noch<br />
original erhalten ist. Das wunderschöne<br />
Holzportal von Hanns<br />
Heim (1521) mit Reliefdarstellungen<br />
der Verkündigung und der<br />
vier Evangelisten, ein wertvolles<br />
Zeugnis der Renaissanceeinflüs-<br />
se auf deutsche Bildhauerkunst,<br />
wird <strong>nach</strong> den jüngst erfolgten<br />
Restaurierungsarbeiten im Stadtmuseum<br />
aufbewahrt.<br />
Das links vom Hauptportal befindliche<br />
Fresko thronende Maria<br />
mit Jesuskind mit Phantasiehintergrund<br />
wird durch N.Rasmo dem<br />
Künstler Hans Pacher zugeschrieben<br />
(Ende 15. Jahrhundert).<br />
Das Kircheninnere wird beherrscht<br />
durch die drei gleichhohen<br />
Schiffe, einer Eigenheit der<br />
spätgotischen Bauform sogenannter<br />
“Hallenkirchen”; durch keine<br />
Seitenwände behindert, wirken<br />
die 10 Pilaster besonders schlank,<br />
ein Eindruck, der sich weiter oben<br />
durch die elastisch anmutenden,<br />
eleganten spitzbogigen Kreuzgewölbe<br />
noch weiter verstärkt. Die<br />
rhythmische Abfolge der Bögen<br />
verleiht dem Kircheninneren eine<br />
besonders harmonische, einheitliche<br />
Atmosphäre. Das durch die<br />
großzügigen Fenster einströmende<br />
Licht verteilt sich gleichförmig<br />
auf den ganzen Innenraum und<br />
unterstreicht noch die Funktionalität<br />
des Tragewerkes, hebt dessen<br />
Schönheit, die Klarheit seiner<br />
Linien und Formen noch mehr<br />
hervor. Architektonischer Höhepunkt<br />
ist der von einem Umgang<br />
mit Fenstern eingerahmte Chor,<br />
ein wahres Meisterwerk der Gotik,<br />
in den sich abschließend die barocke<br />
Gnadenkapelle einfügt.<br />
Der Dom enthält bedeutende<br />
Malereien und Skulpturen.<br />
An der Innenfassade Szenen aus<br />
der Christophorus-Legende von<br />
Friedrich Pacher. An der rechten<br />
Wand Szenen der Hll. Dorothea<br />
und Martha, Fresken eines ita-<br />
21<br />
lienischen Meisters aus der Mitte<br />
des 14. Jahrhunderts. Darüber<br />
ein dreiteiliges Fresko mit Papst<br />
Urban V von der Hand eines emilianischen<br />
Künstlers <strong>nach</strong> 1370.<br />
Unter dem Triumphbogen befindet<br />
sich eine ehemals aus der Dominikanerkirche<br />
stammende Kreuzigung<br />
aus dem 14. Jahrhundert.<br />
Die Kanzel, ein Meisterwerk der<br />
Spätgotik, mit reich gegliedertem<br />
Fuß und beeindruckendem<br />
Maßwerk sowie Reliefs der vier<br />
Kirchenlehrer mit Evangelistensymbolen,<br />
ist ein Werk des Hans<br />
Lutz von 1514. Die vier Altäre in<br />
den Seitenschiffen sind neugotisch<br />
und stammen aus dem ausgehenden<br />
19. Jahrhundert.<br />
Der großartige Barockaltar ersetzt<br />
seit 1720 den seinerzeitigen<br />
hölzernen geschnitzten<br />
Hauptaltar von Hans Judenburg<br />
von 1420.<br />
Von Jacopo Pozzo entworfen<br />
und von G. Battista Ranghieri in<br />
Verona ausgeführt, mit 12 Statuen<br />
von Domenico Allio versehen,<br />
ist der Hauptaltar Ausdruck<br />
jener architektonischen Auffassung,<br />
die als Antithese zur Gotik<br />
bezeichnet werden könnte: während<br />
die Gotik auf Transzendenz<br />
ausgerichtet ist, versucht der barocke<br />
Stil, alles Göttliche auf die<br />
menschliche Gefühlsebene zu reduzieren.<br />
Die durch die Zergliederung<br />
der Basislinien und des Balkenwerks<br />
erzielte Vervielfältigung<br />
des Räumlichen sowie die Variierung<br />
der Flächen durch die konzentrische<br />
Anordnung der Säulen<br />
und Statuen finden ihre volle stilistische<br />
Übereinstimmung in der<br />
Haltung der Figuren, deren Ge-<br />
123<br />
stik und Bewegung Ausdruck einer<br />
Durchgeistigung sind, die Gott<br />
in der Fülle der seelischen Empfindungen<br />
erkennt.<br />
Die Gnadenkapelle besitzt Dekkenfresken<br />
von Karl Henrici<br />
(1771) mit Szenen aus dem Leben<br />
Mariä. Den Altar schmückt<br />
eine Madonnenstatue mit Jesuskind,<br />
eine Arbeit aus der Veroneser<br />
Schule um 1200 aus bemaltem<br />
Marmor. Eine Legende besagt,<br />
daß sie von einem Fuhrmann im<br />
sumpfigen Schilf an der Stelle ge-<br />
WANDMALEREIEN<br />
IN DER<br />
ST.JOHANNES-<br />
KAPELLE
KAPUZINER-<br />
KIRCHE: DER<br />
HL. FRAN-<br />
ZISCUS EMP-<br />
FÄNGT DIE OR-<br />
DENSREGELN<br />
funden worden sei, wo später die<br />
Kirche errichtet wurde.<br />
Durch die in den letzten Jahren<br />
erfolgte Errichtung des Pastoralzentrums<br />
<strong>nach</strong> Plänen des Architekten<br />
Othmar Barth entstand an<br />
dieser Stelle ein Platz, der den<br />
Namen Domplatz erhielt und auf<br />
welchem eine Bronzegruppe, die<br />
“Begegnung mit dem Auferstandenen<br />
auf dem Weg <strong>nach</strong> Emmaus”<br />
von Franz Kehrer aus St.<br />
Vigil in Enneberg (1996), ihren<br />
äußerst effektvollen Standplatz<br />
gefunden hat.<br />
Die Kapuzinergasse hinaufgehend<br />
gelangen wir auf den südseitig<br />
von der Kirche und dem<br />
ehemaligen Kloster der Dominikaner<br />
begrenzten Dominikanerplatz.<br />
Die Dominikanerkirche mit Hll.<br />
21<br />
Johannes- und Katharinenkapelle<br />
und dem anschließenden<br />
Kreuzgang ist an sich ein einziges<br />
großes Museum Südtiroler<br />
Malereikunst des 14. und 15.<br />
Jahrhunderts und wurde von den<br />
Dominikanern <strong>nach</strong> deren Eintreffen<br />
in Bozen 1272 in gotischem<br />
Stil erbaut.<br />
In der einzigen erhaltenen Kapelle<br />
auf der linken Seite befindet<br />
sich der vom Veroneser Meister<br />
Mattia Pezzi geschaffene Barockaltar,<br />
dessen Altarbild als bedeutendes<br />
Werk von G. Francesco<br />
Barbieri, bekannt als Guercino,<br />
angesehen werden kann; dargestellt<br />
ist die Erscheinung von Soriano<br />
mit der Jungfrau Maria, die<br />
dem Dorf Soriano Calabro das Gewand<br />
mit der Figur des Hl. Dominicus<br />
als Geschenk reicht.<br />
Von den ehemaligen Wandmalereien,<br />
einer wertvollen Sammlung<br />
südtiroler Malkunst aus dem<br />
14. Jhdt. sind nur wenige Reste<br />
auf der rechten Seite erhalten<br />
geblieben: darunter eine Maria<br />
auf dem Thron in reich verzierter<br />
Umrahmung, ein bedeutendes<br />
Werk, datiert von 1379,<br />
das das Eindringen des Veroneser<br />
Malstils der Schule des Altichiero<br />
in den Bozner Raum markiert.<br />
Auf dem daneben befindlichen<br />
Fresko aus der Schule des<br />
Martino da Verona sind die vier<br />
Heiligengestalten als zwei Edeldamen<br />
und zwei Höflinge dargestellt,<br />
deren elegante Kleidung<br />
und Haltung beispielhaft für das<br />
damalige höfische Leben sind.<br />
Rechter Hand gelangt man in<br />
die St.Johannes-Kapelle: diese<br />
von Giovanni de’ Rossi, ei-<br />
124<br />
vier Stadtrundgänge viEr stadtrundgängE<br />
nem <strong>nach</strong> Bozen übersiedelten<br />
reichen Florentiner Bankier errichtete<br />
Kapelle wurde im Auftrag<br />
seines Sohnes Nicolò zwischen<br />
1330 und 1335 von mehreren<br />
Malern der Giottoschule<br />
mit Wandmalereien versehen.<br />
Die vier verschiedenen Künstlern<br />
zuzuschreibende Bildgeschichte<br />
ist auf die drei Bögen der Kapelle<br />
verteilt und erzählt aus dem<br />
Leben der Hll. Johannes des Täufers,<br />
Johannes Evangelist und<br />
Nikolaus, wohingegen der größte<br />
Bildzyklus der Jungfrau Maria<br />
gewidmet ist.<br />
Obzwar diese Fresken stark beschädigt<br />
wurden, stellen sie doch<br />
ein hochinteressantes Ganzes dar,<br />
da sie Ausdruck des neuen Stils<br />
sind, der sich in Bozen während<br />
der ersten Jahrzehnte des 14. Jhdts<br />
durchzusetzen beginnt und<br />
sich durch eine neue Raumkonzeption<br />
und den Wunsch auszeichnet,<br />
die Heiligengeschichten<br />
in ein konkretes, reales Umfeld<br />
zu übertragen; an die Stelle<br />
der vergeistigten gotischen Kunst<br />
mit ihrer harmonisch-linearen<br />
Ausdrucksform tritt nun das Bemühen<br />
um menschlich-reelle Darstellung,<br />
um eine in Raum und<br />
Zeit unseres tatsächlichen Lebens<br />
wurzelnde Wahrheit.<br />
Von der alten Sakristei gelangt<br />
man in den Kapitelsaal und in<br />
die Katharinenkapelle. Auch diese<br />
wurde gegen die Mitte des<br />
14. Jahrhunderts vollständig mit<br />
Wandgemälden ausgestattet: an<br />
der Eingangswand Jüngstes Gericht;<br />
an der linken Wand Szenen<br />
aus dem Leben Jesu; an der rechten<br />
Wand Szenen aus dem Leben<br />
der Hl. Katharina. Triumphbogen:<br />
Verkündigung, Hl. Jakobus<br />
und Hl. Maria Magdalena.<br />
Der direkt vom Dominikanerplatz<br />
aus erreichbare Kreuzgang<br />
hat eine quadratische Form und<br />
wird von 21 Spitzbögen gesäumt,<br />
die seit dem Ende des 15. Jahrhunderts<br />
die ursprünglich hölzerne<br />
Decke ersetzen. Von den Fresken<br />
aus dem 14. Jahrhundert,<br />
mit denen alle Wände verziert<br />
waren, sind eine thronende Madonna<br />
sowie die Heiligen Jakobus<br />
und Antonius Abt und Stiftergruppe<br />
erhalten geblieben.<br />
Die Fresken des 1496 mit der<br />
Verzierung der Seitenwände und<br />
Volten an der Süd- und Ostseite<br />
beauftragten Friedrich Pacher<br />
(1440-1508) wurden erst jüngst<br />
restauriert: an den Wänden Szenen<br />
aus dem Leben Jesu und Mariens;<br />
das Gewölbe zeigt biblische<br />
und prophetische Darstellungen.<br />
Zu erwähnen die Kreuzigung,<br />
von Pacher mit der aufrüttelnden<br />
Drammatik nördlicher<br />
Darstellungsweise und in den aus<br />
Venedig und Padua übernommenen<br />
Farbgebungen ausgeführt.<br />
Beim Weitergehen gelangt<br />
man vom Dominikanerplatz in<br />
die Spitalgasse und dann linker<br />
Hand in die Dantestraße und<br />
hier liegt gleich zur Rechten der<br />
lichtdurchflutete Würfelbau des<br />
Museums für Moderne Kunst,<br />
“Museion” genannt. Dieses ist<br />
in zwei Gebäude gegliedert, von<br />
denen das kleinere die Werkstätten<br />
der Künstler enthält. Das eigentliche<br />
Museum ist in der Mitte<br />
gelegen: ein dreistöckiger Bau<br />
21<br />
von 54 Metern Länge mit trichterförmiger<br />
Fassadengestaltung<br />
und einer Metallabdeckung.<br />
Das 1985 gegründete Museion<br />
hat sich im Laufe der Jahre in<br />
zunehmendem Maße auf zeitgenössische<br />
Kunstrichtungen konzentriert<br />
und mehr als 3.000 Exponate<br />
angesammelt. Allein der<br />
Name “Museion” unterstreicht<br />
schon diese Öffnung gegenüber<br />
den unterschiedlichsten künstlerischen<br />
Ausdrucksformen der Gegenwart;<br />
man ist bemüht, nicht<br />
nur als Ausstellungsort zur Verfügung<br />
zu stehen, sondern als Zentrum<br />
der verschiedensten Aktivitäten<br />
zu wirken, als Treffpunkt<br />
der Kunst- und Kulturströmungen<br />
unserer Zeit. Von den Berliner<br />
Architekten Krüger, Schuberth<br />
und Vandreike geplant,<br />
soll die Transparenz und funktionelle<br />
Innengliederung des Baus<br />
die Stadt mit dem, was im Inneren<br />
des Museion vorgeht, in einem<br />
kontinuierlichen Dialog verbinden.<br />
Die beiden Stirnseiten<br />
haben daher Doppelfunktion: sie<br />
sind Schaufenster und gleichzeitig<br />
Projektionsflächen von Stadt<br />
und Umfeld. Ein flexibles System<br />
beweglicher Innenwände gestattet<br />
es, die Räume zu verändern<br />
und den jeweiligen Erfordernissen<br />
anzupassen.<br />
Mit seiner Sammlung, in der<br />
hauptsächlich Werke vertreten<br />
sind, die die seit den Sechzigerjahren<br />
des 20. Jahrhunderts anhaltende<br />
Tendenz zur Entmaterialisierung<br />
in der Kunst bezeugen,<br />
bemüht sich das Museion<br />
um eine ihm eigene Position;<br />
dazu tragen ein weitgesteck-<br />
125<br />
tes, abwechslungsreiches Programm<br />
zeitgenössischer Ausstellungen<br />
ebenso bei wie verschiedene<br />
Projekte und Aktivitäten,<br />
mit denen sich das Haus in die<br />
Kunstentwicklung unserer Zeit<br />
eingliedert, um zu einem Bestandteil<br />
der Stadt und des Lebens<br />
ihrer Bewohner zu werden.<br />
Die Einweihung des neuen Museumsgebäudes<br />
erfolgte im Frühjahr<br />
2008 mit der siebenten Biennale<br />
zeitgenössischer Kunst<br />
“Manifesta”.<br />
KREUZGANG IM<br />
DOMINIKANER-<br />
KLOSTER (INNEN-<br />
ANSICHT)<br />
MUSEUM FÜR<br />
MODERNE UND<br />
ZEITGENÖSSISCHE<br />
KUNST
• Bahnhof<br />
• rathausplatz<br />
• Bindergasse<br />
• Batzenhäusl<br />
• st. Johann<br />
im dorfe<br />
• lauben<br />
• obstmarkt<br />
• Kirche und<br />
Kreuzgang<br />
der franziskaner<br />
• museumstraße<br />
• stadtmuseum<br />
• mustergasse<br />
• silbergasse<br />
• Kornplatz<br />
OBEN: ALLEGORIE<br />
DER ELEKTRIZITÄT<br />
RECHTS: BOZNER<br />
LANDHAUS (ARCH.:<br />
ZÖGGELER)<br />
dieser Rundgang nimmt<br />
vom Bahnhofsplatz seinen<br />
Ausgang. Das Bahnhofsgebäude<br />
wurde 1928 von<br />
Angiolo Mazzoni auf den Mauern<br />
des ursprünglichen Baus von<br />
Sebastian Altmann aus dem 19.<br />
Jhdt. errichtet.<br />
Dem Bahnhof gegenüber liegt<br />
der <strong>nach</strong> Plänen des Bozener Architekten<br />
Oswald Zoeggeler erst<br />
jüngst errichtete Bau des Landhauses;<br />
in dessen Rücken steht<br />
auf dem Platz mit der Statue des<br />
König Laurin von A. Kompatscher<br />
(1903) das ehemalige Palais<br />
Widmann, ein der Renaissance<br />
<strong>nach</strong>empfundener Bau von<br />
21<br />
S. Altmann (1882), Sitz des Landeshauptmannes,<br />
sowie der aus<br />
dem Jahre 1955 stammende und<br />
mit Fresken von Peter Fellin und<br />
Karl Plattner dekorierte Bau mit<br />
Aula und Amtsräumen des Südtiroler<br />
Landtags.<br />
Der Froschbrunnen wurde <strong>nach</strong><br />
dem Krieg dem Originalmodell<br />
von 1930 getreu wieder aufgebaut.<br />
Wir schlagen die Richtung zur<br />
Weintraubengasse ein. Gleich<br />
linker Hand liegt ein eindrucksvolles<br />
Jugendstilgebäude von<br />
1910: das Hotel Laurin. Gegenüber,<br />
jenseits des Parkplatzes,<br />
126<br />
vier Stadtrundgänge viEr stadtrundgängE<br />
• 2. Besichtigungsrundgang<br />
das Haus der Kultur, Stammhaus<br />
deutschsprachiger Kulturverbände<br />
und des Theaters Walther von<br />
der Vogelweide.<br />
Die Weintraubengasse mündet<br />
auf den viereckigen Rathausplatz<br />
mit seinen schönen Häusern mit<br />
charakteristischen Erkern und<br />
Stuckverzierungen im Rokokostil.<br />
Dazwischen die Amonnhäuser<br />
mit modernen Wandmalereien<br />
von Albert Stolz. Rechter Hand<br />
öffnet sich ein Torbau, der seit<br />
1913 die Laubengasse mit dem<br />
Vorort Zwölfmalgrein verbindet.<br />
Das Rathaus ist ein wunderschönes<br />
Beispiel für den Neobarock,<br />
angereichert mit Jugendstilverzierungen<br />
aus der Zeit um 1900.<br />
Richtung Norden zweigt vom<br />
Rathausplatz die <strong>nach</strong> den einstmals<br />
dort ansässigen Handwerkern<br />
benannte Bindergasse<br />
ab. Heute noch verweisen einige<br />
gußeiserne Wirtshausschilder<br />
auf die seinerzeit hier entstandenen<br />
zahlreichen Wirtschaften<br />
und Gasthöfe. Am Ende der Bindergasse<br />
liegt rechts das ehemalige<br />
landesfürstliche Amtsgebäude<br />
von Maximilian I. Zwischen<br />
1500 und 1512 errichtet, beherbergt<br />
es heute das Naturmuseum<br />
Südtirol. Das Museum enthält<br />
nicht nur eine reichhaltige<br />
Sammlung an Original-Exponaten,<br />
sondern bietet auch dank<br />
interaktiver Spiele, Dioramen,<br />
Experimentiermöglichkeiten und<br />
Nachbauten eine anschauliche<br />
Übersicht über die komplexen<br />
Zusammenhänge der Natur: 300<br />
Millionen Jahre südtiroler geologische<br />
Geschichte werden hier<br />
verdeutlicht.<br />
Einmal hier angelangt, lohnt<br />
es sich, die wenigen Schritte bis<br />
in die parallel verlaufende Cavourstraße<br />
zu tun, von wo <strong>nach</strong><br />
links eine kleine Gasse abzweigt,<br />
die uns zu der alten Kirche St.<br />
Johann im Dorfe führt. Bereits<br />
1180 erstmals eingeweiht, wurde<br />
sie Anfang des 14. Jahrhunderts<br />
in romanisch-gotischem Stil neu<br />
erbaut. Ihre Bedeutung verdankt<br />
sie hauptsächlich den im<br />
Kircheninneren erhaltenen zwei<br />
übereinanderliegenden Schichten<br />
von Wandmalereien, die 1926<br />
entdeckt und vor kurzem restauriert<br />
wurden. Der ältere Zyklus<br />
(1330-40) wird einem Künstler<br />
deutscher Herkunft zugeschrie-<br />
21<br />
ben, der sich ganz offensichtlich<br />
des damals aufkommenden<br />
neuen Stils <strong>nach</strong> Giotto zu bedienen<br />
versuchte, ohne ihn jedoch<br />
ganz umzusetzen. Ihm sind<br />
die Darstellungen in der Apsis zu<br />
verdanken. Der zweite, von Boccione<br />
de’ Rossi bei Künstlern der<br />
Giottoschule aus dem Padovaner<br />
Umkreis in Auftrag gegebene Zyklus<br />
enthält an der rechten Wand<br />
vier Szenen aus dem Leben Johannes<br />
des Täufers und an der<br />
linken Seitenwand in vier Bildern<br />
die Legende des Hl. Johannes<br />
Evangelist (1360-70).<br />
Diesem Zeugnis Bozner Malerei<br />
aus der zweiten Hälfte des 14.<br />
Jahrhunderts ist großer Wert beizumessen.<br />
Man beachte die Bildkomposition:<br />
die Figuren sind einzeln<br />
oder in Gruppen in einer Weise<br />
angeordnet, daß die zeitliche<br />
Abfolge der einzelnen Episoden<br />
betont wird. Die architektonische<br />
Anordnung schafft Raumtiefe und<br />
einen gewissen Rhythmus und<br />
dient der perspektivischen Gruppierung<br />
der Personen; auf diese<br />
Weise wird die Heiligengeschichte<br />
in konkreten historischen Zusammenhang<br />
gestellt, kommt dem Erlebten<br />
Realität zu, scheint sich<br />
die göttliche Geschichte überzeugend<br />
in menschlicher Erfahrung<br />
widerzuspiegeln.<br />
Wieder zum Rathausplatz zurückgekehrt,<br />
wenden wir uns<br />
<strong>nach</strong> rechts unter die Lauben;<br />
diese ist die belebteste Straße<br />
der Stadt. Schon immer spielte<br />
sie eine vorrangige Rolle in der<br />
Geschichte und im Wirtschaftsleben<br />
Bozens. Ihr heutiges Erscheinungsbild<br />
geht auf das 16./17.<br />
127<br />
OBEN:<br />
NATURMU-<br />
SEUM<br />
MITTE:<br />
DIORAMA<br />
“MURMELTIE-<br />
RE“<br />
UNTEN:<br />
KIRCHE ZUM<br />
HL. GEORG:<br />
SEGNENDER<br />
CHRISTUS<br />
(1410)
KREUZGANG IM<br />
FRANZISKANER-<br />
KLOSTER: KREU-<br />
ZIGUNG (1340)<br />
KRÖNUNG MA-<br />
RIENS VON MI-<br />
CHAEL PACHER<br />
(1475)<br />
Jahrhundert zurück und ist noch<br />
immer erstaunlich einheitlich erhalten.<br />
Ein Blick <strong>nach</strong> oben gewährt<br />
interessante Ansichten der<br />
reich mit Blumenornamenten aus<br />
Stuck versehenen Häuserfronten<br />
mit ihren unterschiedlich verzierten<br />
Dachvorsprüngen.<br />
Verschiedene Gässchen und<br />
Durchgänge verbinden die Lauben<br />
mit den parallel verlaufenden<br />
Straßen, der Dr. Streiterund<br />
der Silbergasse. Man soll-<br />
21<br />
te es nicht verabsäumen, einige<br />
dieser Durchgänge zu begehen,<br />
denn sie liefern ein eindrucksvolles<br />
Bild von der Innenstruktur<br />
dieser alten Wohnbauten;<br />
beispielsweise ermöglicht<br />
ein bereits auf das Jahr 1549<br />
zurückreichendes altes Durchgangsrecht<br />
einen Einblick in<br />
den Ansitz Troilo (Lauben 51)<br />
mit Korridoren, kleinen Höfen<br />
mit Balkonen und Stiegenaufgängen<br />
mit den charakteristischen,<br />
gußeisernen Geländern.<br />
Die Nr. 66 enthält einen Durchgang<br />
mit Kreuzgewölbe, einen<br />
Lichthof mit Glaskuppel und Innenbalkonen,<br />
die einen reizvollen<br />
Kontrast zu den festgefügten,<br />
soliden Mauern des Hauses<br />
bilden. Nr. 30 ist das erst jüngst<br />
wieder instand gesetzte und für<br />
die Öffentlichkeit zugänglich gemachte<br />
Alte Rathaus mit Konferenzräumen,<br />
einem Café und ei-<br />
128<br />
vier Stadtrundgänge viEr stadtrundgängE<br />
ner kleinen Kunstgalerie. Lauben<br />
Nr. 39 ist das Merkantilgebäude,<br />
Sitz des Südtiroler Merkantilmagistrats.<br />
Von den Lauben gelangt man<br />
auf den mit seinen Obst- und Gemüseständen<br />
und bunten Schirmen<br />
malerisch anmutenden<br />
Obstmarkt. Vom Obstmarkt aus<br />
wenden wir uns <strong>nach</strong> rechts und<br />
erreichen <strong>nach</strong> wenigen Schritten<br />
die Franziskaner- und die<br />
Streitergasse; besonders letztere,<br />
deren Namen <strong>nach</strong> dem regen<br />
Zulieferungsverkehr für die<br />
Lager der in den Lauben gelegenen<br />
Geschäfte ehemals Karrengasse<br />
lautete, hat ihren mittelalterlichen<br />
Charakter fast unverändert<br />
beibehalten: heute noch<br />
wird sie von Stützbogen überspannt,<br />
die uralten Häuser weisen<br />
Gesimse, Giebel, Erker, Torbögen<br />
und schmale Fenster mit<br />
Gitterwerk auf.<br />
Linker Hand gelangen wir mit<br />
wenigen Schritten durch die<br />
Franziskanergasse bis zur Franziskanerkirche<br />
mit Kloster. Die<br />
vor der Kirche angebaute Säulenhalle<br />
wurde im Zuge des Wiederaufbaus<br />
<strong>nach</strong> den schweren Zerstörungen<br />
des letzten Krieges<br />
hinzugefügt. Das wunderschöne<br />
gotische Kircheninnere stammt<br />
aus dem Beginn des 14.Jahrhunderts.<br />
Der Chor ist ein vollendetes<br />
Beispiel tiroler Hochgotik.<br />
Der Hauptaltar enthält eines<br />
der hervorragendsten in Bozen<br />
erhalten gebliebenen Kunstwerke:<br />
den hölzernen Flügelaltar<br />
von Hans Klocker aus Brixen aus<br />
dem 16. Jahrhundert.<br />
In der Mitte ist im Vordergrund<br />
Christi Geburt dargestellt, dahinter<br />
auf hohem Sockel hinter dünnen,<br />
gedrehten Säulchen, die einen<br />
vergoldeten Doppelbaldachin<br />
tragen, der ganze Hofstaat<br />
der Heiligen Drei Könige. Dies<br />
alles wird umspannt von einem<br />
reich verzierten Rundbogenrahmen,<br />
auf dem Rebenstöcke und<br />
entzückende Figürchen von Winzern<br />
ineinander verschlungen<br />
sind. An den Flügeln vier Szenen<br />
aus dem Leben Mariens: Verkündigung,<br />
Aufopferung im Tempel,<br />
Beschneidung Jesu, Tod Mariens.<br />
Dieses Werk zeigt in bewundernswerter<br />
Weise die Fertigkeit des<br />
Meisters, einer Szene durch die<br />
Anordnung der Figuren das nötige<br />
Gleichmaß und die erforderliche<br />
Ausgewogenheit zu verleihen.<br />
Die Vergoldung unterstreicht<br />
durch die warmen Töne die Differenziertheit<br />
der Physiognomien<br />
und der Anteilnahme der einzelnen<br />
Figuren am Geschehen; in der<br />
Gestik der Hände, der Zuwendung<br />
eines geneigten Antlitzes, im Ausdruck<br />
der Augen scheint sich die<br />
tiefe Religiosität des Meisters widerzuspiegeln<br />
und wird der ganzen<br />
Szene wahrhafte Andacht verliehen.<br />
Die Außenseiten der Türen wurden<br />
<strong>nach</strong> 1499 von Konrad Waider<br />
aus Straubing bemalt. In vier<br />
Szenen ist der Abschied der Apostel<br />
dargestellt: die effektvolle<br />
Farbgebung unterstreicht nicht<br />
nur die Feierlichkeit der Darstellung,<br />
die Vornehmheit der Figuren<br />
und den reichen Faltenwurf<br />
der Kleidung, sondern vor allem<br />
beachtenswert ist die Land-<br />
21<br />
schaftsdarstellung: in kristallentransparentem<br />
Licht liegt eine<br />
unendlich weite Szenerie vor uns<br />
ausgebreitet, in die der Künstler<br />
jedes kleinste Detail liebevoll<br />
eingetragen hat.<br />
Der Besuch der Klosteranlage<br />
der Franziskaner schließt mit der<br />
Erhardskapelle, deren noch erhalten<br />
gebliebene, 1972 restaurierten<br />
Gemälde aus dem beginnenden<br />
14. Jahrhundert von der<br />
Hand eines deutschen Meisters<br />
uns einen Eindruck von der Gemäldekultur<br />
verschaffen, wie sie<br />
hierorts gepflogen wurde, bevor<br />
der neue von Giotto inspirierte<br />
Stil seinen Einzug hielt.<br />
Nun kehren wir zum Obstmarkt<br />
zurück und biegen dort <strong>nach</strong><br />
rechts in die Museumstraße ein:<br />
an der Ecke das Torgglhaus in<br />
neugotischem Stil ausgeführt,<br />
wie das gegenüberliegende Palais<br />
mit Giebeldach von Joseph<br />
Irschara, Ende des 19. Jahrhunderts.<br />
Am Ende der Museumstraße<br />
angelangt, lassen wir den Blick<br />
129<br />
<strong>nach</strong> rechts, gegen den oberen<br />
Teil der Sparkassenstraße<br />
schweifen: die hier befindlichen<br />
Bauten entstanden gegen<br />
Ende des vorigen Jahrhunderts<br />
in einem faszinierenden Mischstil,<br />
der neugotische Elemente<br />
mit den typisch langgestreckten,<br />
linearen Verzierungen des<br />
Jugendstils verwob. Gleich mehrere<br />
Gebäude ergeben mit ihren<br />
Türmchen, Vorsprüngen, Zinnen,<br />
Fialen und Balkonen einen einheitlichen,<br />
sehr eindrucksvollen<br />
Komplex.<br />
Linker Hand liegt das Stadtmuseum.<br />
In den Jahren von<br />
1902 bis 1904 erbaut, hat es<br />
ARCHÄOLOGISCHES<br />
MUSEUM<br />
VERKAUFSSTÄNDE<br />
AM ALTEN<br />
FISCHMARKT
PROJEKT<br />
STADTMUSEUM<br />
erst jüngst sein hundertjähriges<br />
Bestehen gefeiert. Der an unterschiedlichstenGeschmacksrichtungen<br />
orientierte Bau schöpft<br />
aus dem Architekturreichtum des<br />
Überetsch: ein hoher Turm mit<br />
zinnenbewehrtem Giebel in tiroler<br />
Neogotik und zwei dreibogige<br />
Fenster sind seine hervorstechendsten<br />
Merkmale. Dank dem<br />
Wirken von Nicolò Rasmo hat sich<br />
das Museum zu einem modernen<br />
und vitalen Kulturzentrum gewandelt.<br />
Seine historisch-künst-<br />
21<br />
lerischen Exponate zählen zu den<br />
reichhaltigsten, die in dieser Art<br />
in ganz Südtirol zu finden sind.<br />
Die Sammlung enthält Kunstwerke<br />
vom Mittelalter bis zum 20.<br />
Jahrhundert, romanische Madonnen<br />
und Kruzifixe ebenso wie gotische<br />
Flügelaltare und die berühmten<br />
volkskundlichen Schaustücke<br />
mit gotischen Stuben, originalen<br />
Trachten und Masken.<br />
Anläßlich des hundertjährigen<br />
Bestehens des Museums entschloß<br />
sich die Gemeinde Bozen<br />
sowohl zu einer Neugestaltung<br />
des Museumsinneren als auch zu<br />
einem Anbau in Form eines weiteren<br />
Gebäudeflügels. Der Plan<br />
der Ausschreibungsgewinner,<br />
der Architekten Mitthaler aus<br />
Bruneck und Schwienbacher aus<br />
Brixen, sieht hinter dem derzeitigen,<br />
unverändert beizubehaltenden<br />
Bau die Schaffung eines<br />
Platzes vor, auf dem ein neues<br />
fünfstöckiges Gebäude zur Gänze<br />
aus Porphyrgestein entstehen<br />
soll. Der Eingang wird dann<br />
130<br />
vier Stadtrundgänge viEr stadtrundgängE<br />
auf diesen neuen Platz verlagert<br />
werden, der als Verbindung zwischen<br />
den verschiedenen urbanen<br />
Bereichen und Sprachformen<br />
zu verstehen ist. Dadurch wird<br />
nicht nur mehr Raum geschaffen,<br />
sondern auch das kulturelle<br />
Angebot erheblich erweitert und<br />
reichhaltiger gestaltet. Das Museum<br />
soll bis 2010 wieder eröffnet<br />
werden.<br />
Ein Besuch des Museums ist<br />
nicht nur allen jenen anzuraten,<br />
die an der Geschichte, der Kunst<br />
und der Kultur Südtirols Interesse<br />
haben, sondern einfach jedem<br />
Genießer von Kunstwerken,<br />
die einer Tradition entspringen,<br />
welche Elemente des nördlichen<br />
Kulturkreises mit jenen der Klassik<br />
und Renaissance zu vermengen<br />
versteht und daher ob ihrer<br />
Besonderheiten auf den Besucher<br />
einen eher außergewöhnlichen<br />
und umso faszinierenderen<br />
Reiz ausüben.<br />
Vom Museum wandern wir weiter<br />
die Sparkassenstraße hinunter,<br />
um dann links in die Leonardo<br />
da Vinci-Straße einzubiegen.<br />
Ihr folgen wir bis zur Goethestraße,<br />
die den Obstmarkt mit<br />
dem Dominikanerplatz verbindet,<br />
und schwenken von dieser in die<br />
Mustergasse ein, eine der bedeutendsten<br />
Straßen Bozens aus<br />
dem 18. Jahrhundert, denn hier<br />
liegen einige der repräsentativsten<br />
Gebäude der Stadt: gleich<br />
rechts, auf dem Musterplatz, das<br />
Palais Pock; dieses wurde 1759<br />
als Hotelpalais für durchreisende<br />
Persönlichkeiten von Rang<br />
errichtet. In der Tat beherbergte<br />
es auch Gäste wie Papst Pi-<br />
us VI (1782) und Kaiser Franz I<br />
(1822), welch letzterer Besuch<br />
dem Gebäude auch die neue Bezeichnung<br />
“Kaiserkrone” eintrug,<br />
ein Name, der dem ebenerdig<br />
gelegenen Restaurant erhalten<br />
geblieben ist.<br />
Gleich dahinter liegt das aus der<br />
gleichen Zeit stammende Palais<br />
Campofranco, das um 1860 herum<br />
Erzherzog Rainer von Österreich<br />
und seinen kleinen Hofstaat<br />
beherbergte: das dreigeschossige<br />
Gebäude weist drei großzügige<br />
Portale, einen anmutigen Balkon<br />
im 1. Stock und zwei elegante<br />
Fensterreihen auf.<br />
Das gegenüberliegende Palais<br />
Menz wurde in der zweiten<br />
Hälfte des 17. Jahrhunderts errichtet<br />
und zum Teil im 18. und<br />
19. Jahrhundert erneuert; heute<br />
ist es Sitz der Banca Intesa<br />
San Paolo. Bei der Bankdirektion<br />
kann die Erlaubnis eingeholt<br />
werden, den in der zweiten Hälfte<br />
des 18. Jahrhunderts von Carl<br />
Henrici mit Wand- und Deckengemälden<br />
ausgestatteten Salon<br />
besichtigen zu dürfen: an der<br />
Decke Triumph Amors zwischen<br />
olympischen Gottheiten; an den<br />
Wänden sind in Ballszenen und<br />
Darstellungen von Maskenfesten<br />
das galante Leben und der Zeitvertreib<br />
der führenden Gesellschaftsschichte<br />
damaliger Zeiten<br />
lebensnah wiedergegeben.<br />
“Die Verzierungen des Saales<br />
scheint der Künstler einem Tiepolo<br />
<strong>nach</strong>empfunden zu haben, dessen<br />
künstlerisches Temperament<br />
dem seinen wohl nahestand ...<br />
er arbeitet mit lebhaften Tönen,<br />
21<br />
setzt klug perlfarbene Akzente,<br />
dosiert meisterhaft das Licht, verteilt<br />
eindrucksvoll figurale Elemente,<br />
in denen sich ebenfalls<br />
der venezianische Einfluß spürbar<br />
macht” (G. Conta)<br />
Vom Musterplatz führt uns ein<br />
Gässchen in die parallel gelegene<br />
Silbergasse. Hier befindet<br />
sich auch das <strong>nach</strong> den Plänen<br />
des Veronesers Francesco Perotti<br />
1727 errichtete Merkantilgebäude;<br />
mit gutem Fingerspitzengefühl<br />
verstand es der große<br />
Architekt, die Überladenheit<br />
des Barock durch die Hinzufügung<br />
klassischer Elemente<br />
voll schlichter, maßvoller Eleganz<br />
zu mildern. Das Gebäude<br />
war mehr als zwei Jahrhunderte<br />
lang Amtssitz des Merkantilmagistrates,<br />
der jeweils von den<br />
bedeutendsten der an den vier<br />
berühmten jährlichen Märkten in<br />
131<br />
Bozen teilnehmenden deutschen<br />
und italienischen Händlern gewählt<br />
wurde. Das prunkvolle Innere<br />
beeindruckt vor allem durch<br />
den Sitzungssaal mit Portraits<br />
von Mitgliedern des österreichischen<br />
Herrscherhauses, sämtlich<br />
in prächtigen Rahmen.<br />
Geht man rechts die Silbergasse<br />
weiter, gelangt man bis zum<br />
Kornplatz, dem antiken Mittelpunkt<br />
der Stadt: hier erhoben<br />
sich seinerzeit der 1277 von<br />
Meinhard II zerstörte Palast der<br />
Fürstbischöfe von Trient und die<br />
St. Andreas geweihte Hofkapelle.<br />
Hier befindet sich aber auch<br />
heute noch das Waaghaus, eines<br />
der ältesten Gebäude der Stadt.<br />
Links führt die ängstlich schmale<br />
Waaggasse wieder zurück in<br />
die Laubengasse. Wenden wir uns<br />
<strong>nach</strong> rechts, so gelangen wir wieder<br />
zurück auf den Waltherplatz.<br />
AMONNHÄUSER AM<br />
RATHAUSPLATZ
• talferbrücke<br />
• siegesplatz<br />
und -denkmal<br />
• griesplatz<br />
• Benediktinerabtei<br />
- stiftskirche<br />
zum hl.<br />
augustin<br />
• alte Pfarrkirche<br />
zu<br />
unserer lieben<br />
frau<br />
• haus der<br />
Kultur in<br />
gries<br />
• herzogspalast<br />
BENEDIKTINER-<br />
KLOSTER MURI-<br />
GRIES<br />
Wir verlassen den historischen<br />
Stadtkern<br />
und begeben uns auf<br />
die Talferbrücke. In deren Mitte<br />
halten wir an, um uns umzusehen:<br />
hinter uns die Altstadt,<br />
rechts das bepflanzte Flußbett<br />
und im Hintergrund die beiden<br />
bewachsenen Abhänge des Sarntals,<br />
auf denen verstreut gelegene<br />
Bergbauerngehöfte blinken;<br />
gegen den Himmel zeichnen sich<br />
deutlich die massigen Umrisse<br />
der Burg Rafenstein ab; weiter<br />
unten winkt von links der zugespitzte<br />
Kirchturm des gotischen<br />
St.Georg-Kirchleins aus<br />
dem 14. Jahrhundert herüber; im<br />
Süden sehen wir den Virglberg<br />
und den Zusammenfluß von Eisack<br />
und Talfer, der von den seit<br />
Jahrhunderten angesammelten<br />
Schwemmböden an den Südrand<br />
der Ebene bis dicht unter die<br />
Berge gedrängt wird.<br />
Vor uns aber liegen Siegesplatz<br />
und Siegesdenkmal, von der fa-<br />
21<br />
schistischen Regierung seinerzeit<br />
zur Erinnerung an den Sieg<br />
des Jahres 1918 an Stelle eines<br />
anderen, nämlich für die im ersten<br />
Weltkrieg gefallenen österreichischen<br />
Soldaten geplanten<br />
Mahnmals errichtet. Nach Plänen<br />
des berühmtesten Architekten<br />
des Faschismus, Marcello<br />
Piacentini, wurde das Siegesdenkmal<br />
am 12. Juli 1928 feierlich<br />
eingeweiht. Es erhebt sich<br />
auf einem wuchtigen Sockel; auf<br />
132<br />
vier Stadtrundgänge viEr stadtrundgängE<br />
• 3. Besichtigungsrundgang<br />
14 hohen Säulen in Form der Liktorenbündel<br />
mit Äxten ruht steinernes<br />
Gebälk mit einer lateinischen<br />
Aufschrift. Eine klare ideologische<br />
Aussage, ein Werk von<br />
Arturo Dazzi.<br />
Die Faszes, auch Liktoren- oder<br />
Rutenbündel genannt <strong>nach</strong> den<br />
Liktoren, Amtsdienern höherer<br />
Beamter des alten Roms, waren<br />
Zeichen derer Macht; waren sie<br />
auch befugt, die Todesstrafe zu<br />
verhängen, so wurde den Faszes<br />
noch die Axt hinzugefügt; daraus<br />
entstand das Wort “Fascismus”.<br />
Im Inneren sind seitlich neben<br />
einer Statue des auferstandenen<br />
Heilands die Büsten der drei<br />
Trentiner Märthyrer Cesare Battisti,<br />
Fabio Filzi und Damiano<br />
Chiesa angeordnet. Hinter dem<br />
Monument liegt ein kleiner Park,<br />
von dem aus man in die mit Malereien<br />
von G. Cadorin ausgestattete<br />
Krypta gelangt.<br />
Die Freiheitsstraße abwärts gelangen<br />
wir bald <strong>nach</strong> dem modernen<br />
Mazziniplatz auf den Grieserplatz,<br />
Mittelpunkt des gleichnamigen<br />
Stadtviertels. Rechter<br />
Hand liegt der weitverzweigte,<br />
in verschiedenen, aufeinanderfolgenden<br />
Epochen entstandene<br />
Komplex des Stiftsgebäudes der<br />
21<br />
Benediktiner von Muri-Gries. Der<br />
älteste Baukern, die Burg, wurde<br />
bereits im 13. Jahrhundert von<br />
den Grafen von Tirol errichtet.<br />
Von dieser Befestigungsanlage<br />
blieb bis in unsere Tage der alle<br />
umliegenden Gebäude überragende,<br />
massige Bergfried erhalten.<br />
Heute als Glockenturm genutzt,<br />
beherbergt er die größte<br />
Glocke Südtirols. Die 1406 von<br />
Augustinerpadres übernommene,<br />
1525 geplünderte und während<br />
der napoleonischen Kriege<br />
ebenfalls arg mitgenommene<br />
Abtei wurde 1807 von der bayrischen<br />
Regierung säkularisiert.<br />
1845 gelangte sie durch Schenkung<br />
an die Benediktiner von<br />
Muri in der Schweiz, die sie noch<br />
heute in Besitz haben.<br />
133<br />
STIFTSKIRCHE ZUM<br />
HL. AUGUSTIN:<br />
AUSSENFASSADE<br />
UND INNENANSICHT
HOLZKRUZI-<br />
FIX AUS DEM<br />
13. JHDT.<br />
RECHTS DANEBEN:<br />
DIE ALTE<br />
PFARRKIRCHE<br />
VON GRIES<br />
JUSTIZPALAST<br />
Vom Grieserplatz gelangt man<br />
unmittelbar in die Stiftskirche<br />
zum Hl. Augustin, ein <strong>nach</strong> den<br />
Plänen von G. Antonio Sartori errichtetes<br />
spätbarockes Bauwerk<br />
(1771). Säulen- und Pilastergliederung<br />
an der Außenfassade mit<br />
verkröpftem Gebälk und Volutengiebel<br />
mit fackeltragenden Vasen.<br />
Ausgewogenes, einschiffiges<br />
Kircheninneres mit Malereien und<br />
Altarsäulen, Arbeiten von Martin<br />
Knoller, der hier im Abstand von<br />
zwanzig Jahren in zwei Arbeits-<br />
21<br />
gängen tätig war. Seiner ersten<br />
Schaffensperiode entstammen<br />
die Fresken des Mittelschiffs und<br />
der Kuppel (1771-1774) mit der<br />
Verklärung des Heiligen. Innenfassade<br />
oberhalb der Orgel: die<br />
Bekehrung des jungen Augustin,<br />
der im Garten den Stimmen “tolle<br />
et lege“ lauscht; Langhausgewölbe:<br />
der Hl. Augustin überwindet<br />
die Häretiker; Kuppel: der<br />
Heilige in Betrachtung der Dreifaltigkeit<br />
in der Glorie des Paradieses.<br />
Vom Grieserplatz erreichen wir<br />
rechts weiter auf der M.Knoller-<br />
Straße die Alte Pfarrkirche zu Unserer<br />
Lieben Frau, ein sehr, sehr<br />
altes Gebäude, das im Laufe der<br />
Jahrhunderte verschiedene Änderungen<br />
und Erweiterungen erfuhr.<br />
In ihrer heutigen Form geht<br />
die Kirche auf das Ende des 15.<br />
Jhdts zurück und stellt mit dem<br />
gotischen Chor und der Erasmuskapelle<br />
an der Südseite ein anschauliches<br />
Beispiel für die Bauweise<br />
der Spätgotik dar. Es empfielt<br />
sich, um die Kirche herumzuwandern,<br />
um das raffiniertausgewogene<br />
Wechselspiel der<br />
134<br />
vier Stadtrundgänge viEr stadtrundgängE<br />
verschiedenen Struktur- und Verzierungselemente<br />
betrachten zu<br />
können.<br />
Im Inneren, an der Wand gegenüber<br />
dem Eingang, ein großes<br />
romanisches Holzkruzifix aus<br />
dem frühen 13. Jahrhundert, eine<br />
hervorragende, anatomisch<br />
sehr fein ausgeführte Arbeit;<br />
Meister und Herkunft sind jedoch<br />
leider unbekannt. Die langgestreckten<br />
Formen, die Zartheit<br />
und Leichtigkeit des Faltenwurfs,<br />
der Ausdruck auf Jesu’ Antlitz er-<br />
innern an die damalige französische<br />
Holzschnitzkunst. Rechts<br />
vom Hochaltar liegt die Erasmuskapelle<br />
mit dem Holzaltar von<br />
Michael Pacher (1471-1475), eines<br />
der Meisterwerke gotischer<br />
Skulpturen aus unserer Gegend.<br />
Erhalten geblieben sind davon<br />
der große mittlere Schrein mit<br />
der Krönung Mariä sowie zwei<br />
der ehemals vier Seitenreliefs<br />
mit Verkündigung und Anbetung<br />
der Könige. An der Rückwand 15<br />
Szenen aus dem Leben Christi<br />
von der Hand des schwäbischen<br />
Malers Konrad Waider aus Staubing<br />
<strong>nach</strong> 1488.<br />
“Michael Pacher, geboren um<br />
1430 nächst Bruneck, aufgewachsen<br />
im Pustertal und geschult<br />
an dem, den gotischen Traditionen<br />
verhafteten “sanften” österreichisch-steirischen<br />
Stil; während<br />
seiner Reifejahre Anlehnung<br />
an das neue Gedankengut,<br />
die Tongebung und die Perspektiven<br />
venezianischer Meister<br />
der italienischen Frührenaissance.<br />
Fasziniert von der Bildhauerkunst<br />
Hans Multschers aus Ulm,<br />
der den Hochaltar der Pfarrkirche<br />
von Sterzing fertigte, näherte<br />
er sich seinem Ideal einer heiteren<br />
Ausgeglichenheit zwischen effektvoller<br />
Ausdrucksform und plastischem<br />
Volumen. Durch seine<br />
zeichnerische Präzision, die den<br />
komplexen Darstellungsproblemen<br />
angediehenen Lösungen, die moderne<br />
Interpretation architektonischer<br />
Strukturen und eine neuartige,<br />
durch raffinierte Kunstgriffe<br />
erzielte Raumtiefe tritt Pacher,<br />
der letzte große Meister der Spätgotik,<br />
gleichzeitig bereits als un-<br />
21<br />
verwechselbarer Vertreter einer<br />
neu aufkeimenden Kunstrichtung<br />
hervor. Von den zahlreichen Arbeiten<br />
Michael Pachers sind leider<br />
viele Werke verloren gegangen<br />
oder vernichtet worden, als man<br />
während der Barockzeit gotische<br />
Kunst als überholt ansah. Dieses<br />
Schicksal erlitt auch der Altar der<br />
Grieser Pfarrkirche, dessen Mittelteil<br />
jedoch so lange in der Krypta<br />
verwahrt wurde, bis er endlich<br />
den ihm zukommenden würdigen<br />
135<br />
Platz in der Erasmuskapelle erhielt.”(<br />
G.Conta)<br />
In die M.Knoller-Straße zurückgekehrt,<br />
biegen wir in die<br />
Fagenstraße ein: gleich rechts<br />
liegt das Grieser Haus der Kultur;<br />
weiter vorne gelangen wir in<br />
der Prinz Eugen-Allee zum Eingang<br />
des Herzogspalastes (“Villa<br />
Roma”), der, 1934 für die Savoia<br />
erbaut, gegenwärtig Sitz des Regierungskommissariats<br />
der Provinz<br />
Bozen ist.<br />
HERZOGSPALAST<br />
SITZ DES IV.<br />
ARMEEKORPS
• Burg<br />
runkelstein<br />
Burg Runkelstein ist vom<br />
Siegesplatz in wenigen<br />
Autominuten zu erreichen.<br />
Mindestens drei gute<br />
Gründe sprechen dafür, während<br />
eines wenngleich nur kurzen<br />
21<br />
Aufenthaltes in Bozen unbedingt<br />
einen Besuch der Burg Runkelstein<br />
einzuplanen: Erstens konnte<br />
diese Anlage ungeachtet aller<br />
Einstürze, Verwüstungen und<br />
Wiederaufbauten, die sie wäh-<br />
136<br />
vier Stadtrundgänge viEr stadtrundgängE<br />
• 4. Besichtigungsrundgang<br />
rend ihres langen Bestandes über<br />
sich ergehen lassen mußte, den<br />
ursprünglichen Kern ihres architektonischen<br />
Aufbaus fast unversehrt<br />
beibehalten und stellt<br />
daher heute ein eindrucksvolles<br />
Beispiel einer mittelalterlichen<br />
Wohnburg und Verteidigungsanlage<br />
dar. Zweitens blieben mit<br />
den Fresken, die einige Säle der<br />
Burg zieren, wertvolle Dokumente<br />
der ritterlichen Profanmalerei<br />
aus der Zeit der “internationalen”<br />
Gotik erhalten. Der dritte<br />
Grund ist eher ästhetischer Art:<br />
wer könnte sich dem Eindruck<br />
dieser Burg entziehen, wie sie da<br />
hoch oben auf einem Felsen am<br />
Ausgang der Sarntaler Schlucht<br />
thront, wo die Talfer, endlich der<br />
Enge des Sarntals entronnen, ihre<br />
Gewässer in die Schwemmlandebene<br />
von Bozen ergießt und in<br />
weitem Bogen den Burgberg an<br />
drei Seiten umspült. Noch bevor<br />
wir uns an den Aufstieg wagen,<br />
sollten wir die Anlage umgehen,<br />
um von unten her ihre bauliche<br />
Gliederung und die beeindrukkenden<br />
Mauermassen auf uns<br />
wirken zu lassen, die scheinbar<br />
in dem Berg verwurzelt sich über<br />
uns erheben.<br />
Der Name der Burg (das italienische<br />
“roncola” bezeichnet eine<br />
Sichel, ein Rebmesser) erinnert<br />
an den Umstand, daß diese<br />
Burg in ehemals von undurchdringlicher<br />
Vegetation überwuchertem<br />
Gelände liegt. All dieses<br />
Gesträuch mußte erst mit Sicheln<br />
und Messern entfernt werden, um<br />
einen Zugang zu schaffen.<br />
Entstehungsgeschichtlich ist zwischen<br />
zwei wichtigen Bauphasen<br />
zu unterscheiden, die annähernd<br />
durch 150 Jahre von einander getrennt<br />
sind: dazwischen kam es<br />
im Jahre 1277 zur Eroberung und<br />
Verwüstung der Burg durch Meinhard<br />
II von Tirol. Die Baugeschich-<br />
21<br />
te läßt sich folgendermaßen kurz<br />
zusammenfassen: 1237 errichten<br />
die reichen und mächtigen Freiherren<br />
von Wangen, die Brüder<br />
Friedrich und Beral, eine Burg mit<br />
zwei Palassen und einer Burgkapelle;<br />
1277: Krieg zwischen Meinhard<br />
II und Fürstbischof Heinrich<br />
von Trient; Meinhard siegt,<br />
Eroberung der Burg Runkelstein<br />
und Ende der Macht der bischofstreuen<br />
Wangen; 1385: Ankauf<br />
der arg in Mitleidenschaft gezogenen<br />
Burg durch Nikolaus Vintler<br />
aus dem Kreis um Herzog Leopold<br />
von Österreich, durchgreifender<br />
Wiederaufbau und Erweiterung,<br />
es entstehen die Wandmalereien<br />
in den Palassen, im Sommerhaus<br />
und in der Kapelle.<br />
Alle diese Ereignisse fallen zeitlich<br />
in die Auseinandersetzungen,<br />
die sich Kirche und Kaisertum<br />
im 14. und 15. Jahrhundert<br />
um die Vorherrschaft lieferten;<br />
in dieser Gegend, durch die der<br />
wichtige Verbindungsweg zwischen<br />
den Regionen nördlich und<br />
südlich der Alpen verlief, gipfelte<br />
137<br />
dieser Konflikt in den Zwistigkeiten<br />
zwischen den Fürstbischöfen<br />
von Trient und den stolzen und<br />
streitsüchtigen Feudalherren.<br />
Die ursprünglich aus Graubünden<br />
stammende Familie der Wangen<br />
waren getreue Vasallen des Bischofs<br />
von Trient; im Jahre 1237<br />
ehelichte Beral Sofia, eine Tochter<br />
des Grafen Ulrich von Eppan;<br />
auf diese Weise verdichtete sich<br />
die Allianz zwischen den Herren<br />
von Wangen, jenen von Auer und<br />
denen von Eppan, vormaligen<br />
Fürstbischöfen von Brixen und<br />
später von Trient. Dem 1237 begonnenen<br />
Bau der Burg Runkel-<br />
WAPPEN DER<br />
FAMILIE<br />
VINTLER<br />
BADSTUBE
BALLSPIEL<br />
stein kommt unmißverständlich<br />
politische und militärische Bedeutung<br />
zu: ihre ursprüngliche<br />
Funktion ist die eines Verteidigungsbaus<br />
für das Land am rechten<br />
Talferufer gegen die Expansionstendenzen<br />
Meinhards II, der<br />
von seinem Sitz auf Schloss Tirol<br />
oberhalb Merans aus da<strong>nach</strong><br />
trachtete, sein Einflußgebiet<br />
auszudehnen, um schließlich das<br />
ganze Land in einer Hand unter<br />
dem Namen Tirol zu vereinen.<br />
Nach wechselhaftem Kriegsglück<br />
besiegte Meinhard 1277<br />
schließlich die Wangen und eroberte<br />
deren Burgen, darunter<br />
auch Runkelstein. Das ursprüngliche<br />
Gebäude wurde wohl soweit<br />
verwüstet, daß es nicht mehr<br />
bewohnbar war, doch wurde es<br />
21<br />
nicht gänzlich zerstört; völlig<br />
abgerissen hingegen wurde der<br />
über dem Burggraben thronende<br />
und mit einer Zugbrücke <strong>nach</strong><br />
der einzigen zugänglichen Seite<br />
hin ausgestattete Bergfried. Außer<br />
den Palassen, den Wohngebäuden<br />
der beiden Brüder Wangen,<br />
ragte auch noch eine Kapelle<br />
in den inneren Burghof. Es<br />
waren solide, doch nur mit sehr<br />
bescheidenem Wohnkomfort ausgestattete<br />
Gebäude. Wirklich bewundernswert<br />
ist hingegen die<br />
architektonische Kühnheit, das<br />
Fundament der umlaufenden Außenmauern<br />
auf den äußersten<br />
Rand der steil abfallenden Felswände<br />
aufzusetzen, sodaß sie<br />
mit diesen verwachsen eine trutzige<br />
Einheit bilden. Dieser Eindruck<br />
verstärkt sich noch durch<br />
die Verwendung des Felsgesteins<br />
als Baumaterial: graue und rosafarbene<br />
Porphyrblöcke, die an<br />
manchen Stunden des Tages den<br />
selben finster-düsteren Farbton<br />
wie ihre Umgebung annehmen.<br />
Nach ihrer Niederlage bewohnten<br />
die Wangen die Burg nicht<br />
mehr und <strong>nach</strong> dem Aussterben<br />
der Familie gelangte das Anwesen<br />
in den Besitz anderer Vasallen,<br />
bis es der letzte von ihnen<br />
schließlich 1385 an Nikolaus<br />
Vintler verkaufte. Schon drei<br />
Jahre später setzten umfangreiche<br />
Erneuerungs- und Ausbaumaßnahmen<br />
ein, die aus Burg<br />
Runkelstein eine der elegantesten<br />
Wohnstätten ihrer Zeit machen<br />
sollten.<br />
Die Burg war niemals wohnlich<br />
und bequem gewesen, nun aber<br />
wurde sie eigens in diesem Sinne<br />
138<br />
vier Stadtrundgänge viEr stadtrundgängE<br />
radikal “modernisiert”: die Palasse<br />
wurden erweitert und um einen<br />
Stock erhöht, an der Nordseite<br />
wurde ein weiteres Gebäude<br />
mit Loggia und überdachtem<br />
Söller hinzugefügt; sämtliche<br />
Räumlichkeiten, einschließlich<br />
der Kapelle, wurden mit reichen<br />
Wandmalereien ausgestattet,<br />
die dem Geschmackssinn<br />
und Weitblick des Bauherren alle<br />
Ehre machen.<br />
Leider blieb Burg Runkelstein<br />
nur wenige Jahre im Besitz des<br />
Nikolaus Vintler: zur Flucht vor<br />
Herzog Friedrich mit der leeren<br />
Tasche gezwungen, starb er<br />
1413 ohne Erben. Nie wieder<br />
sollte Burg Runkelstein in späteren<br />
Jahren den Glanz dieser Zeiten<br />
erleben; alles was nun kam,<br />
war eine traurige Abfolge von<br />
Verwahrlosung und Verwüstung,<br />
selten unterbrochen von kurzen<br />
Perioden mehr oder weniger radikaler<br />
oder gelungener Renovierungen.<br />
1893 gelangte Burg Runkelstein<br />
schließlich als Geschenk Kaiser<br />
Franz Josefs definitiv in den Besitz<br />
der Stadt Bozen. Seit dem<br />
zweiten Weltkrieg bemüht sich<br />
die Oberintendantur für Kunst im<br />
Zuge gezielter und wissenschaftlich<br />
fundierter Sanierungs- und<br />
Instandsetzungsarbeiten um die<br />
Erhaltung des Mauerwerks und<br />
der Fresken. So hat die Stadtverwaltung<br />
Burg Runkelstein zu<br />
einem Kultur- und Kongreßzentrum,<br />
einem Veranstaltungsort<br />
für Sommerspiele und Musikaufführungen<br />
gemacht. Auf diese<br />
Weise ist es gelungen, die Burg<br />
erneut ihrer Berufung als kultureller<br />
Mittelpunkt zuzuführen,<br />
wie es sich ein Nikolaus Vintler<br />
in jenem kurzen Frühling am<br />
Übergang zwischen zwei Jahrhunderten<br />
für sie erträumt haben<br />
mag.<br />
Die noch immer in der Burg erhaltenen<br />
mittelalterlichen Wandmalereien<br />
wurden bereits erwähnt.<br />
Die Motive und die Maltechnik<br />
lassen sie in die ausklingende,<br />
als “international” oder “Flamboyant”<br />
bezeichnete Gotik einordnen.<br />
Diese von Frankreich ausgehende<br />
Kunstrichtung verbreitete<br />
sich in den letzten Jahrzehnten<br />
des 14. Jahrhunderts in ganz<br />
Europa. Sie ist hauptsächlich gekennzeichnet<br />
durch einen ausgeprägten<br />
„Naturalismus“: die Natur<br />
wird als Ort der Entspannung,<br />
der Zerstreuung und Erholung, als<br />
passender Hintergrund für höfische<br />
Konversation und Liebeständeleien<br />
gesehen; das Leben spielt<br />
sich im Freien, in blumigen Gärten<br />
ab, die Burg aber, Symbol der<br />
Macht und des höfischen Lebens,<br />
ist im Hintergrund stets präsent.<br />
Nach diesem Vorbild beginnt sich<br />
auch das Leben der Bürgerschaft<br />
auszurichten, die durch den wirt-<br />
21<br />
schaftlichen Aufschwung und die<br />
reger werdenden Handelsbeziehungen<br />
an Reichtum gewinnt. Somit<br />
kommt auch der Kleidung, den<br />
Frisuren, allem, was Eleganz und<br />
Wohlstand ausmacht, in der Malerei<br />
immer größere Bedeutung zu.<br />
Die innere Harmonie spiegelt sich<br />
in der harmonischen Naturdarstellung:<br />
die langgestreckten Linien<br />
der Gesichter und Hände und aller<br />
zusätzlicher Details sollen der Heiterkeit,<br />
Beschwingtheit und Musikalität<br />
Ausdruck verleihen, welche<br />
Hauptelemente des damaligen<br />
Kulturempfindens waren.<br />
Die Landschaft ist das Umfeld,<br />
139<br />
SAUHATZ<br />
FISCHEREI
HÖFISCHES TANZ-<br />
VERGNÜGEN<br />
TAFELRUNDE<br />
in welchem sich das Leben abspielt:<br />
daher werden die einzelnen<br />
Monate dargestellt mit den<br />
jahreszeitlich bedingten unterschiedlichen<br />
Tätigkeiten und Aufgaben,<br />
wie sie sich auch auf Kapitell-<br />
und Türornamenten mittel-<br />
21<br />
alterlicher Skulpturen finden. Alle<br />
diese Motivelemente sind im einzelnen<br />
genommen naturbezogen<br />
und realistisch - es ist ihre idealisierte<br />
Zusammenstellung, die sie<br />
“phantastisch” macht und eine<br />
Märchenlandschaft daraus entstehen<br />
läßt.<br />
Bürgerschaft und Adel befriedigen<br />
ihren Wunsch <strong>nach</strong> einem heroischen<br />
Leben und ihr Streben<br />
<strong>nach</strong> gefühlsbetonten Zerstreuungen<br />
durch die Lektüre ritterlicher<br />
Epen, die den Künstlern jener<br />
Zeit eine schier unerschöpfliche<br />
Vielfalt an Motiven für die<br />
Ausschmückung der Wohnräume<br />
lieferten. Die in den wertvollen<br />
liturgischen und auch literarischen<br />
Handschriften jener Epoche<br />
enthaltenen Miniaturen wurden<br />
zum hauptsächlichen Träger<br />
für die Verbreitung dieser Kunstrichtung.<br />
In Italien lag das Zentrum dieser<br />
Kunstgattung in Verona; Stefano<br />
da Verona (1374-1438)<br />
schuf in dieser Zeit seine Meisterwerke.<br />
Es war eine Gruppe von der<br />
italienischen Malerei des Padovaner<br />
und Veroneser Raumes eng<br />
verbundenen Bozner Malern, denen<br />
die Fresken im Westpalas zu<br />
verdanken sind, dem ersten Ziel<br />
auf unserem Besichtigungsrundgang<br />
durch Burg Runkelstein.<br />
Westpalas<br />
Dieses Wohngebäude ist vom<br />
Hof über eine Außentreppe begehbar.<br />
Eine Holztreppe aus dem<br />
19. Jahrhundert führt vom ersten<br />
weiter in den zweiten Stock.<br />
140<br />
vier Stadtrundgänge viEr stadtrundgängE<br />
Spielzimmer: an zwei Wänden<br />
und in der Fensternische Szene im<br />
Freien: links schlägt ein Musiker<br />
die Laute, plaudernde und spielende<br />
Paare halten einander bei<br />
den Händen; rechts eine Gruppe<br />
sechs junger Leute, die mit einem<br />
mittelalterlichen Ritterspiel<br />
beschäftigt sind: eine Dame und<br />
ein Herr stemmen, mit Unterstützung<br />
von je zwei Helfern, Fuß gegen<br />
Fuß im Versuch, einander,<br />
die Beine in der Höhe, umzuwerfen.<br />
Als Landschaftshintergrund<br />
sind burgbewehrte Hügel dargestellt:<br />
bei der ersten Burg rechter<br />
Hand handelt es sich zweifelsohne<br />
um Runkelstein selbst,<br />
wie sie sich <strong>nach</strong> den 1388 begonnen<br />
Umbauten dem Betrachter<br />
darstellte. Die Palasse sind<br />
bereits aufgestockt, doch auf der<br />
linken Seite fehlt noch das erst<br />
später errichtete “Sommerhaus”.<br />
Aus der zinnengekrönten Mauer<br />
ragt eine Winde mit Flaschenzug,<br />
woran das Baumaterial in die Höhe<br />
gezogen werden soll. Im Talgrund<br />
rauscht ein Fluß, sicherlich<br />
die Talfer, die durch ihre Windungen<br />
die einzelnen Szenen miteinander<br />
verbindet.<br />
Badestube: auch dies ist ein<br />
Aufenthaltsraum; seinen Namen<br />
bezieht er von den in den Fresken<br />
enthaltenen unbekleideten<br />
Figuren, die eine Seltenheit in<br />
der damaligen Malerei darstellen.<br />
Es ist der am besten erhaltene<br />
Raum: an den vier Wänden<br />
im unteren Teil rotes Teppichgehänge<br />
mit Tiermotiven (Adler,<br />
Hirsche) und Sternen; oberhalb<br />
ist rund um den Raum eine Loggia<br />
mit Figuren aufgemalt: auf<br />
der einen Seite die Edeldamen,<br />
auf der gegenüberliegenden die<br />
Kavaliere, auf der dritten Tiere<br />
und Fabelwesen und auf der<br />
vierten unbekleidete Gestalten,<br />
die sich scheinbar anschicken,<br />
ins Bad zu steigen. Die Edelfräulein<br />
und die Ritter auf den ersten<br />
beiden Wänden sind hochelegant<br />
bekleidet und geben lebhaftes<br />
Zeugnis von der damaligen Mode.<br />
Darüber verläuft ein Fries im<br />
Wechselspiel aus Blätterwerk und<br />
Vierpaßen mit verschiedenen Figürchen.<br />
Selbst wenn die Aussage<br />
des Ganzen nicht vollkommen<br />
verständlich ist, stellt dieser<br />
Raum dennoch ein unbezahlbares<br />
Dokument der Profanmalerei<br />
jener Zeiten dar.<br />
Im Oberstock zwei Säle mit<br />
prächtigen Spitzgewölbedecken.<br />
Im unteren Teil des ersten Saales<br />
Szenen aus dem höfischen Leben<br />
im Freien; von links: das Ballspiel,<br />
betrieben von zwei Gruppen,<br />
bestehend aus Edelfräulein<br />
und Kavalieren; der Tanz, wobei<br />
die Tänzer einander bei der<br />
Hand halten und sich zu der Musik<br />
zweier Lautenspieler bewegen;<br />
weiters verschiedene, sehr<br />
bewegte Jagdszenen mit lebendiger<br />
Wiedergabe der beteiligten<br />
Personen, Tiere und auch der Vegetation;<br />
daraufhin die Jagd im<br />
Gebirge, eine eindrucksvolle Abfolge<br />
vieler Kleindarstellungen,<br />
wobei der Wald nur so von Tieren<br />
wimmelt, die von überall her<br />
zu kommen scheinen; sehr präsent,<br />
von Anbeginn bis zum Ende<br />
der Bilderzählung, ist immer<br />
die Burg, von der die Jäger kommen<br />
und zu der sie auch zurück-<br />
21<br />
kehren. An der vierten Wand der<br />
Fischfang, ein seltenes Stück alter<br />
Malerei: Damen und Kavaliere<br />
fischen mit Lanzen und Netzen<br />
in einem von silbrig glitzernden<br />
Fischchen nur so überquellenden<br />
Weiher; Pflanzen, Blumen und<br />
exotische Vögel umrahmen diese<br />
zentrale Gruppe.<br />
Im dreifachen Bogenfeld an<br />
der Südseite ein Fresko mit Ritterturnier:<br />
eine sehr lebendige<br />
Szene mit einem Schiedsrichter,<br />
der von der rechten Seite<br />
her die reguläre Abwicklung des<br />
Wettkampfes überwacht, während<br />
die Edeldamen das Geschehen<br />
von den Söllern und Türmchen<br />
der Burg aus verfolgen. Die<br />
wunderschöne Bildkomposition<br />
unterstreicht das handwerkliche<br />
Geschick des Malers: von<br />
der Bewegung der Pferde angefangen<br />
bis hin zu den geometrischen<br />
Mustern auf den Schilden,<br />
den Rüstungen und dem Sattelzeug<br />
sind sämtliche Details mit<br />
unendlicher Liebe und Genauigkeit<br />
ausgeführt. Wunderschön<br />
auch das Rahmenfries mit Wappen<br />
und Laubgirlanden.<br />
Im nächsten Saal eine weitere<br />
wunderschöne Turnierszene:<br />
in der Mitte tummeln sich Pferde<br />
und Reiter, rechts die Schiedsrichter<br />
mit den Bläsern und Trompetern,<br />
links die Damen, die dem<br />
Wettkampf von zwei, mit großen<br />
Sonnendächern überspannten<br />
Wagen aus zusehen. Unterhalb,<br />
an den Wänden, einander gegenüber<br />
angeordnete Paare hinter<br />
einem Parapet, von welchem bestickte<br />
Draperien herabhängen.<br />
141<br />
Sommerhaus<br />
Von den Fresken, die seinerzeit<br />
die durch vier weite Bögen zum<br />
Hof geöffnete ebenerdige Halle<br />
zierten, sind einfarbige Vierpaßmedaillons<br />
mit Brustbildern der<br />
römischen und deutschen Kaiser<br />
erhalten geblieben. Im ersten<br />
Stockwerk sind noch die Malereien<br />
an den Außenwänden des Söllers<br />
und in den Gemächern zu erkennen.<br />
Sie alle wurden zu Beginn<br />
des 16. Jahrhunderts auf<br />
Veranlassung Kaiser Maximilians<br />
I. restauriert, der sich hier zeitweise<br />
zur Sauhatz aufhielt, als<br />
die wasserreichen Ebenen rund<br />
um Bozen noch von Wildschweinen<br />
in großer Zahl bewohnt waren.<br />
TURNIERSZENE
TRISTANLEGENDE<br />
An der Längswand des Söllers<br />
sind in Dreiergruppen illustre<br />
Persönlichkeiten dargestellt,<br />
beginnend mit den Helden der<br />
Antike (Hektor, Cäsar und Alexander)<br />
bis hin zu den drei berühmtesten<br />
Riesenweibern (Hilde,<br />
Vodelgard und Rachmin) und<br />
den bekanntesten Zwergen (Goldemar,<br />
Bibunch und Alberich).<br />
Unter die Helden der klassischen<br />
Antike mischen sich Ritter und<br />
Gestalten aus Volkssagen.<br />
Vom Söller aus erreicht man die<br />
drei inneren Gemächer: rechts<br />
sehen wir - in gutem Erhaltungszustand<br />
- vier Szenen zu<br />
der Tristansage, linker Hand die<br />
Erzählung von Garel vom blühenden<br />
Tale, einem Helden der<br />
Artusrunde. Alle diese Fresken<br />
21<br />
stammen von der Hand anderer,<br />
möglicherweise nordischer<br />
Meister als die Malereien des<br />
Palas. Obwohl es schwer ist,<br />
ihre urspüngliche Ausführung<br />
zu erahnen, da sie sämtlich zu<br />
Zeiten Maximilians I. von Max<br />
Reichlich und seinen Gehilfen<br />
<strong>nach</strong>gemalt wurden, sind sie<br />
dennoch hochinteressant, da<br />
sie uns einen Einblick in die<br />
damalige Kultur und Denkweise<br />
verschaffen und in zahlreichen<br />
Motiven die Erzählungen<br />
aus mittelalterlichen Epen wiedergeben.<br />
Kapelle<br />
Ein romanischer, einschiffiger<br />
Bau mit Tonnengewölbe<br />
und halbrunder Apsis. An der<br />
Eingangswand und den beiden<br />
Seitenwänden lassen sich Reste<br />
von Darstellungen aus dem Leben<br />
der Hll. Katherina, Christophorus<br />
und Antonius erkennen,<br />
denen die Kapelle gewidmet war.<br />
In der Apsis eine Kreuzigung<br />
und in den Fensterlaibungen vier<br />
142<br />
vier Stadtrundgänge<br />
Heilige. Diese leider sehr mitgenommenen<br />
Fresken werden zur<br />
Zeit durchgreifend restauriert.<br />
Sie stammen von der Hand des<br />
Hans Stotzinger aus Ulm, einer<br />
der begnadetsten Künstlerpersönlichkeiten,<br />
die Anfang des<br />
15. Jahrhunderts in Bozen wirkten.<br />
Er verstand es vortrefflich,<br />
traditionelles deutsches Kunsthandwerk<br />
mit der italienischen<br />
Padovaner und Veroneser Schule<br />
auf originelle Weise miteinander<br />
zu vereinen.<br />
Nach jahrelangen Restaurationsarbeiten<br />
hat Schloß Runkelstein<br />
am 19.April 2000 seine<br />
Tore wieder geöffnet. Zugleich<br />
wurde auch die antike Taverne<br />
im Burghof wieder eröffnet, die<br />
mit ihrem abwechslungsreichen<br />
und sehr bodenständigen Angebot<br />
den Besuchern Möglichkeit<br />
bietet, unvergeßliche, fast magische<br />
Momente innerhalb dieser<br />
alten Burgmauern zu verleben<br />
und auf diese Weise ihren<br />
Aufenthalt in Bozen ausklingen<br />
zu lassen.