Managementqualität deutscher Nationalparks - EUROPARC ...
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34 | STÄRKEN UND SCHWÄCHEN HANDLUNGSFELD 2: SCHUTZ DER NATÜRLICHEN BIOLOGISCHEN VIELFALT UND DYNAMIK<br />
Handlungsfeld 2: Schutz der natürlichen<br />
biologischen Vielfalt und Dynamik<br />
Das Handlungsfeld 2 umfasst sechs Qualitätskriterien sowie<br />
die zugehörigen Standards:<br />
1. Raum für natürliche Abläufe<br />
2. Großräumigkeit<br />
3. Grad der Naturnähe<br />
4. Lebensräume von nationaler und internationaler Bedeutung<br />
5. Artenmanagement<br />
6. Ökosystemare Vernetzung<br />
Das Handlungsfeld – eine Gesamteinschätzung<br />
Der von der IUCN geforderte Mindestanteil der Prozessschutzfläche<br />
im Sinne des Nationalpark-Mottos „Natur Natur<br />
sein lassen“ von 75 % an der gesamten NLP-Fläche ist in den<br />
Rechtsgrundlagen der meisten deutschen NLP verankert, wird<br />
aber erst in wenigen Parks tatsächlich erreicht (daher verstehen<br />
sich die meisten deutschen NLP als ‚Entwicklungs-<strong>Nationalparks</strong>‘).<br />
Die meisten NLP weisen hingegen die Mindestgröße<br />
von 10.000 ha auf, häufig wird die Schutzwirkung durch<br />
angrenzende oder umgebende Schutzgebiete erhöht, so dass<br />
vielfach eine gute ökosystemare Vernetzung mit dem Umfeld<br />
gegeben ist, die jedoch in mehreren Fällen noch gestärkt<br />
werden sollte. Jedoch hängen die Ermöglichung natürlicher<br />
dynamischer Abläufe und der Schutz der biologischen Vielfalt<br />
nicht allein von der Größe der NLP und ihrer Kernzonen, sondern<br />
ebenso von qualitativen Faktoren ab. Hier wirken sich die<br />
Form der NLP-Fläche, Randeinflüsse aus dem Umland, nach<br />
wie vor stattfindende Nutzungen und Zerschneidungselemente<br />
vielfach negativ aus. Positiv zu werten ist, dass in allen NLP<br />
Lebensräume von nationaler bis globaler Bedeutung vorkommen<br />
und damit geschützt werden – wofür nicht zuletzt die<br />
2009 bzw. 2011 erfolgten Ausweisungen der Wattenmeer- bzw.<br />
„Buchenwald-<strong>Nationalparks</strong>“ als UNESCO-Weltnaturerbe ein<br />
Beleg sind.<br />
Dennoch existieren in vielen NLP auch auf größerer Fläche<br />
nach wie vor sehr naturferne Vegetationsformen aus nicht<br />
standortheimischen Baumarten oder vormals intensiv genutzten,<br />
arten- und strukturarmen Fichten- oder Kiefernforsten.<br />
Diese stellen die Verwaltungen der „Wald-NLP“ vor teils<br />
erhebliche Probleme, da sie damit vor die Wahl gestellt sind,<br />
entweder durch Waldumbaumaßnahmen zumindest über einen<br />
gewissen Zeitraum hinweg weiter in ‚natürliche Abläufe’ einzugreifen<br />
oder aber durch Nicht-Eingreifen einen „naturfernen<br />
Lebensraum“ ggf. über längere Zeiträume zu akzeptieren. Eine<br />
ähnliche, ebenfalls der Quadratur des Kreises nahe kommende<br />
Aufgabe, ist der Umgang mit einer häufig zu hohen Besatzdichte<br />
mit Schalenwildarten, die zu Schäl- und Verbissschäden an<br />
Bäumen führen und damit die Naturverjüngung erschweren<br />
oder verhindern (Reh-, Dam-, Rot-, Schwarz-, Muffelwild).<br />
Hier finden sich sehr unterschiedliche Strategien der einzelnen<br />
NLP, die per se weder als „gut“ noch als „schlecht“ charakterisiert<br />
werden können, sondern letztlich unterschiedliche<br />
Antworten auf die Frage „Welche Natur wollen wir schützen?“<br />
geben³⁾. Ein eindeutig über ein naturschutzfachlich begründetes<br />
Interesse hinausgehendes Eingreifen ist lediglich in einzelnen<br />
konkreten Fällen oder in einzelnen Parks zu kritisieren,<br />
wenn etwa in Einzelfällen Trophäenjagd ausgeübt wird bzw.<br />
wurde oder keine Jagdruhezone eingerichtet ist. Schließlich<br />
sind bei sämtlichen Entscheidungen einer NLP-Verwaltung<br />
immer auch deren Auswirkungen auf das politische und gesellschaftliche<br />
Umfeld und damit die Akzeptanz in der Region<br />
zu bedenken, was das Zulassen einer natürlichen Dynamik erschweren<br />
kann. „Natur Natur sein lassen“ inmitten einer dicht<br />
besiedelten und intensiv genutzten Kulturlandschaft bildet<br />
nach wie vor eine der größten Herausforderungen für die NLP,<br />
muss aber deren grundsätzliches und primäres Ziel bleiben.<br />
³ Vgl. hierzu auch <strong>EUROPARC</strong> (2012): Wildbestandsregulierung in deutschen<br />
<strong>Nationalparks</strong>. Abschlussdokumentation der Tagung.<br />
http://www.europarc-deutschland.de/wp-content/uploads/2012/08/2012_<br />
Tagungsdokumentation_Wildbestandsregulierung.pdf